Language of document : ECLI:EU:T:2005:367

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

25. Oktober 2005(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Mitteilung über Zusammenarbeit“

In der Rechtssache T‑38/02

Groupe Danone mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Winckler und M. Waha,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Bouquet und W. Wils als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/569/EG der Kommission vom 5. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache IV/37.614/F3 PO/Interbrew und Alken‑Maes) (ABl. 2003, L 200, S. 1), hilfsweise wegen Herabsetzung der gegen die Klägerin in Artikel 2 dieser Entscheidung verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras sowie der Richterinnen E. Martins Ribeiro und K. Jürimäe,

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2004

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1        Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, 17, S. 204), bestimmt:

„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million [Euro] oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig:

a)      gegen Artikel [81] Absatz (1) oder Artikel [82] des Vertrages verstoßen,

b)      einer nach Artikel 8 Absatz (1) [der Verordnung] erteilten Auflage zuwiderhandeln.

Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.“

2        Die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), enthalten ein Schema für die Festsetzung des Betrages dieser Geldbußen, „dem die Errechnung eines Grundbetrags zugrunde liegt, wobei Aufschläge zur Berücksichtigung erschwerender und Abzüge zur Berücksichtigung mildernder Umstände berechnet werden können“ (zweiter Absatz der Leitlinien). Nummer 1 der Leitlinien lautet: „Der Grundbetrag wird nach Maßgabe der Schwere und Dauer des Verstoßes als den einzigen Kriterien von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 errechnet.“

3        Die Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) „enthält die Voraussetzungen, unter denen Geldbußen für Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit [der Kommission] zusammenarbeiten, entweder nicht oder niedriger festgesetzt werden können“ (Abschnitt A der Mitteilung).

4        Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit lautet:

„D. Spürbar niedrigere Festsetzung der Geldbuße

1.      Arbeitet ein Unternehmen mit der Kommission zusammen, ohne dass es alle Voraussetzungen [der Abschnitte B und C] erfüllt, so wird die Höhe der Geldbuße, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre, um 10 bis 50 % niedriger festgesetzt.

2.      Dies gilt insbesondere, wenn

–        ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen;

–        ein Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet.“

 Sachverhalt

5        Zur Zeit des Tatbestands belegten Interbrew NV (im Folgenden: Interbrew) Platz 1 und Brouwerijen Alken‑Maes NV (im Folgenden: Alken‑Maes) Platz 2 auf dem belgischen Biermarkt. Alken-Maes war eine Tochtergesellschaft der Groupe Danone SA (im Folgenden: Klägerin), die auch auf dem französischen Biermarkt durch ihre Tochtergesellschaft Brasseries Kronenbourg SA (im Folgenden: Kronenbourg) vertreten war. Im Jahr 2000 verkaufte die Klägerin ihre Bieraktivitäten.

6        Im Jahr 1999 nahm die Kommission in der Sache IV/37.614/F3 Ermittlungen wegen etwaiger Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft auf dem belgischen Biermarkt auf.

7        Am 29. September 2000 leitete die Kommission in dieser Sache ein Verfahren ein und bestätigte eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerin sowie an Interbrew, Alken-Maes, NV Brouwerij Haacht (im Folgenden: Haacht) und NV Brouwerij Martens (im Folgenden: Martens). Das gegen die Klägerin eingeleitete Verfahren und die an sie gerichtete Mitteilung der Beschwerdepunkte bezogen sich allein auf ihre mutmaßliche Einbindung in das so genannte Interbrew/Alken‑Maes‑Kartell für den belgischen Biermarkt.

8        Am 5. Dezember 2001 erließ die Kommission die Entscheidung 2003/569/EG in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache IV/37.614/F3 PO/Interbrew und Alken‑Maes) (ABl. 2003, L 200, S. 1), die die Klägerin sowie Interbrew, Alken‑Maes, Haacht und Martens betraf (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

9        In der angefochtenen Entscheidung werden zwei verschiedene Verstöße gegen die Wettbewerbsvorschriften festgestellt, nämlich zum einen eine Vielzahl von Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen auf dem belgischen Biermarkt (im Folgenden: Kartell Interbrew/Alken‑Maes) und zum anderen abgestimmte Verhaltensweisen in Bezug auf Händlermarkenbier. Nach der angefochtenen Entscheidung nahmen die Klägerin, Interbrew und Alken‑Maes an dem erstgenannten Verstoß und Interbrew, Alken‑Maes, Haacht und Martens an dem letztgenannten Verstoß teil.

10      Obgleich die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum die Muttergesellschaft von Alken‑Maes war, wird in der angefochtenen Entscheidung nur eine Zuwiderhandlung der Klägerin festgestellt. Die Klägerin wird nämlich wegen ihrer aktiven Mitwirkung am Interbrew/Alken‑Maes‑Kartell sowohl für ihre eigene Beteiligung als auch für die Beteiligung von Alken‑Maes an diesem Kartell verantwortlich gemacht. Die Kommission hielt es hingegen nicht für angemessen, der Klägerin die Teilnahme ihrer Tochtergesellschaft an der abgestimmten Verhaltensweise für Händlermarkenbier zur Last zu legen, da die Klägerin nicht selbst an diesem Kartell beteiligt gewesen sei.

11      Die der Klägerin zur Last gelegte Zuwiderhandlung besteht in ihrer unmittelbaren und mit Hilfe ihrer Tochtergesellschaft Alken-Maes betriebenen Teilnahme an einer Vielzahl von Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen in Bezug auf einen allgemeinen Nichtangriffspakt, die Preise und die Verkaufsförderung im Einzelhandel, die Aufteilung von Kunden im Hotel‑, Restaurant‑ und Cafébereich (im Folgenden: Horeca) einschließlich der so genannten nationalen Kunden, die Beschränkung der Investitionen und der Werbung auf dem Horeca‑Markt, eine neue Preisstruktur für den Horeca‑Sektor und den Einzelhandel und den Austausch von Informationen über den Absatz im Horeca‑Sektor und im Einzelhandel.

12      In der angefochtenen Entscheidung wird festgestellt, dass die genannte Zuwiderhandlung vom 28. Januar 1993 bis zum 28. Januar 1998 bestanden habe.

13      Da die Kommission aufgrund einer Reihe von Anhaltspunkten davon ausging, dass die Zuwiderhandlung geendet hatte, hielt sie es nicht für erforderlich, die beteiligten Unternehmen gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 zur Einstellung der Zuwiderhandlung zu verpflichten.

14      Nach Ansicht der Kommission war hingegen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 eine Geldbuße gegen Interbrew und die Klägerin wegen deren Beteiligung am Interbrew/Alken‑Maes‑Kartell zu verhängen.

15      Hierzu wird in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass alle Teilnehmer am Interbrew/Alken‑Maes‑Kartell die Zuwiderhandlung vorsätzlich begangen hätten.

16      Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen bediente sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung der Methode, die in den Leitlinien und in der Mitteilung über Zusammenarbeit dargelegt ist.

17      Im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung heißt es:

„Artikel 1

[Interbrew], [Alken‑Maes] und [die Klägerin] haben vom 28. Januar 1993 bis einschließlich 28. Januar 1998 durch ihre Teilnahme an einer Vielzahl von Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen in Bezug auf einen allgemeinen Nichtangriffspakt, die Preise und die Verkaufsförderung im Einzelhandel, die Aufteilung von Kunden auf dem Horeca‑Markt (sowohl im Bereich des ‚klassischen‘ Horeca als auch im Bereich der nationalen Kunden), die Beschränkung der Investitionen und der Werbung auf dem Horeca‑Markt eine neue Preisstruktur für den Horeca‑Sektor und den Einzelhandel und den Austausch von Informationen über den Absatz im Horeca‑Sektor und im Einzelhandel gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] verstoßen.

Artikel 2

Gegen [Interbrew] und [die Klägerin] werden aufgrund der in Artikel 1 festgestellten Verstöße folgende Geldbußen verhängt:

a)      gegen [Interbrew] eine Geldbuße von 45,675 Mio. Euro;

b)      gegen [die Klägerin] eine Geldbuße von 44,043 Mio. Euro.

…“

 Verfahren und Anträge der Parteien

18      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 22. Februar 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

19      Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Es hat die Parteien gemäß Artikel 64 der Verfahrensordnung des Gerichts aufgefordert, bestimmte Unterlagen vorzulegen und schriftliche Fragen zu beantworten. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgemäß nachgekommen.

20      Die Klägerin hat mit Schreiben vom 30. November 2004 beantragt, die unter dem Aktenzeichen K (2004) 3597 endg. bekannt gegebene Entscheidung der Kommission vom 29. September 2004 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG‑Vertrag (Sache COMP/C.37750/B2 – Brasseries Kronenbourg, Brasseries Heineken) (im Folgenden: Entscheidung Kronenbourg/Heineken) zu den Akten zu nehmen und ferner die Kommission im Rahmen der in Artikel 64 § 4 der Verfahrensordnung vorgesehenen prozessleitenden Maßnahmen aufzufordern, vor oder in der mündlichen Verhandlung zu den Ergebnissen ihrer Ermittlungen bezüglich des etwaigen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung von Interbrew auf dem belgischen Biermarkt Stellung zu nehmen.

21      Das Gericht hat mit Beschluss vom 3. Dezember 2004 zum einen das genannte Schreiben zu den Akten genommen und der Kommission mitgeteilt, dass sie in der mündlichen Verhandlung aufgefordert werde, zu dem Antrag der Klägerin auf Aufnahme der Entscheidung Kronenbourg/Heineken in die Akten Stellung zu nehmen. Zum anderen hat es den Antrag auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme zurückgewiesen, die darauf gerichtet ist, dass die Kommission zu den Ergebnissen ihrer Ermittlungen bezüglich des eventuellen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung von Interbrew auf dem belgischen Biermarkt Stellung zu nehmen hat.

22      Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 8. Dezember 2004 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet. Die Kommission hat hierbei erklärt, sie widersetze sich nicht dem Antrag der Klägerin, die Entscheidung Kronenbourg/Heineken zu den Akten zu nehmen, was durch Beschluss des Gerichts geschehen ist.

23      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung gemäß Artikel 230 EG für nichtig zu erklären, hilfsweise die in Artikel 2 dieser Entscheidung verhängte Geldbuße gemäß Artikel 229 EG herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

24      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

25      Zur Stützung ihrer Anträge macht die Klägerin acht Klagegründe geltend. Zwei dieser Gründe, die in erster Linie vorgebracht werden, bezwecken die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung und beruhen auf einer Verletzung der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung (erster Klagegrund) sowie auf einer Verletzung der Begründungspflicht (zweiter Klagegrund). Sechs weitere Klagegründe, die hilfsweise geltend gemacht werden, zielen auf eine Herabsetzung der verhängten Geldbuße ab. Mit ihnen wird Folgendes gerügt: falsche Ermittlung der Schwere der Zuwiderhandlung für die Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße unter Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und des Grundsatzes „ne bis in idem“ (dritter Klagegrund), falsche Ermittlung der Dauer der Zuwiderhandlung (vierter Klagegrund), die unzutreffende Annahme eines erschwerenden Umstands wegen auf Interbrew ausgeübten Zwanges (fünfter Klaggrund), unberechtigte Berücksichtigung des erschwerenden Umstands der Tatwiederholung gegenüber der Klägerin (sechster Klagegrund), unzureichende Berücksichtigung der anwendbaren mildernden Umstände (siebter Klagegrund) und falsche Beurteilung des Ausmaßes der Mitarbeit der Klägerin unter Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und der Mitteilung über Zusammenarbeit (achter Klagegrund).

A –  Zum Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

1.     Zum Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung

26      Der Klagegrund besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil rügt die Klägerin, sie habe keine Gelegenheit zur Prüfung der Umstände gehabt, unter denen ein von der Kommission als belastend verwendetes Dokument erstellt worden sei. Im zweiten Teil führt die Klägerin aus, die Kommission habe es ihr nicht ermöglicht, vor Erlass der angefochtenen Entscheidung Kenntnis von den Gesichtspunkten zu erlangen, die bei der Berechnung der Geldbuße berücksichtigt worden seien. Im dritten Teil schließlich macht die Klägerin geltend, der Umstand, dass Zusammenkünfte der Kommission mit Interbrew nicht dokumentiert seien, und die Weigerung der Kommission, ihr die Antwort von Interbrew auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte mitzuteilen, stellten nicht nur eine Verletzung der Verteidigungsrechte, sondern auch eine Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung dar.

a)     Zum ersten Teil, in dem die Klägerin rügt, sie habe keine Gelegenheit zur Prüfung der Umstände gehabt, unter denen ein von der Kommission als belastend verwendetes Dokument erstellt worden sei

 Vorbringen der Parteien

27      Die Klägerin macht geltend, die angefochtene Entscheidung müsse für nichtig erklärt werden, da sie keine Gelegenheit gehabt habe, den Auszug aus einem Dokument zu kommentieren und anzufechten, das die Kommission im Rahmen gleichlaufender Ermittlungen in den Niederlanden ursprünglich bei der Heineken NV (im Folgenden: Heineken) kopiert habe (im Folgenden: Dokument Heineken). Die Kommission habe auf dieses Dokument in der 55. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung ihre Behauptung gestützt, dass von der Klägerin ein Zwang auf Interbrew ausgeübt worden sei, indem sie diesem Unternehmen Vergeltungsmaßnahmen auf dem französischen Markt angedroht habe, um es zu einer Erweiterung des Kartellbereichs zu zwingen. Die übrigen zur Stützung dieser Behauptung berücksichtigten Punkte, die in der 54. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung aufgeführt seien, beschränkten sich auf einseitige Erklärungen von Interbrew.

28      Die Klägerin räumt ein, dass das Dokument Heineken in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannt wird und sie von ihm bei der Akteneinsicht Kenntnis genommen hat. Die Kommission habe jedoch in der angefochtenen Entscheidung nur den Ort und die Umstände der Erlangung des Dokuments Heineken angegeben, wobei sie ihm ohne weiteres Beweiskraft beimesse, ohne ihr Gelegenheit zu geben, die Umstände zu prüfen, unter denen dieses Dokument zustande gekommen sei.

29      So habe sie keinen Zugang zu den Schreiben oder internen Aufzeichnungen gehabt, die dem genannten Dokument vorausgegangen oder gefolgt seien, soweit es sich hierbei um nicht in den Akten enthaltene Schriftstücke gehandelt habe. Es sei kein mit dem Dokument im Zusammenhang stehendes Schriftstück, das bei den Ermittlungen in den Niederlanden gegebenenfalls habe beigebracht werden können, zu den Akten gegeben worden, obwohl sie einen entsprechenden Antrag gestellt habe. Auch etwaige Einlassungen von Heineken und Interbrew zur Tragweite des genannten Dokuments seien nicht in die Akte aufgenommen worden. Zudem gebe der von der Kommission mitgeteilte Schriftwechsel zwischen dieser und Heineken über die Vertraulichkeit des Dokuments Heineken keine weiteren Aufschlüsse, und er zeige auch nicht, dass die Kommission ihrerseits über die für die Auslegung dieses Dokuments erforderlichen Anhaltspunkte verfügt habe.

30      Die Klägerin trägt hierzu zwei Alternativrügen vor. Entweder hätten solche Auslegungselemente vorgelegen und seien nicht zu den Akten gegeben worden, so dass die Akteneinsicht unter Verletzung der Verteidigungsrechte fehlerhaft gewesen sei, oder diese Anhaltspunkte hätten nicht vorgelegen, so dass die Kommission in Anbetracht ihrer Verpflichtung, auch Entlastendes zu ermitteln, die Glaubwürdigkeit der im Dokument Heineken enthaltenen Angaben hätte prüfen müssen, indem sie die Umstände erforscht hätte, unter denen dieses Dokument zustande gekommen sei.

31      Hätte die Klägerin gewusst, wer das Dokument Heineken verfasst habe und unter welchen Umständen es erstellt worden sei, so wäre es jedenfalls möglich gewesen, dass das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, da die Klägerin gegebenenfalls hätte dartun können, dass das genannte Dokument nicht echt sei oder nicht der Wahrheit entspreche. In diesem Fall hätten die eigenen Erklärungen von Interbrew nicht ausreichen können, um den angeblich auf dieses Unternehmen ausgeübten Zwang zu beweisen. Somit seien die Verteidigungsrechte nach der Rechtsprechung des Gerichts verletzt worden (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000 in den verbundenen Rechtssachen T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Cimenteries CBR u. a./Kommission, so genanntes Zement-Urteil, Slg. 2000, II‑491, Randnr. 247).

32      Die Kommission führt aus, die Klägerin habe das Dokument Heineken einsehen und dessen „Kontext“ in vollem Umfang erfassen können; zudem habe sie im Verwaltungsverfahren zu keiner Zeit eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend gemacht. Jedenfalls sei das Dokument Heineken nicht der einzige Nachweis für die Drohung der Klägerin gegenüber Interbrew.

 Würdigung durch das Gericht

33      Nach ständiger Rechtsprechung besteht der Zweck der Akteneinsicht in Wettbewerbssachen insbesondere darin, es den Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte zu ermöglichen, von den Beweisstücken in den Akten der Kommission Kenntnis zu nehmen, damit sie anhand dieser Beweisstücke sinnvoll zu den Schlussfolgerungen Stellung nehmen können, zu denen die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte gelangt ist (Urteil des Gerichts vom 30. September 2003 in den verbundenen Rechtssachen T‑191/98 und T‑212/98 bis T‑214/98, Atlantic Container Line u. a./Kommission, Slg. 2003, II‑3275, Randnr. 334 und die dort zitierte Rechtsprechung). Die Akteneinsicht gehört somit zu den Verfahrensgarantien, die die Rechte der Verteidigung schützen und insbesondere die effektive Ausübung des Anhörungsrechts sicherstellen sollen (Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, Randnr. 334 und die dort zitierte Rechtsprechung).

34      Die Kommission ist somit verpflichtet, den von einem Verfahren zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 EG betroffenen Unternehmen die Gesamtheit der belastenden oder entlastenden Schriftstücke zugänglich zu machen, die sie im Laufe der Untersuchung gesammelt hat; hiervon ausgenommen sind nur Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen, interne Schriftstücke der Kommission und andere vertrauliche Informationen (Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 33, Randnr. 335 und die dort zitierte Rechtsprechung).

35      Hat sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung auf belastende Unterlagen gestützt, die nicht in der Ermittlungsakte enthalten waren und der Klägerin nicht übermittelt wurden, so sind diese Unterlagen als Beweismittel auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82, AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151, Randnrn. 24 bis 30, sowie Zement‑Urteil, oben zitiert in Randnr. 31, Randnr. 382, und Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 33, Randnr. 338).

36      Befinden sich Unterlagen, die entlastendes Material hätten enthalten können, in der Ermittlungsakte der Kommission, so wird eine etwaige Verletzung der Verteidigungsrechte unabhängig davon festgestellt, wie sich das betroffene Unternehmen im Verwaltungsverfahren verhalten hat und ob es verpflichtet war, zu beantragen, dass die Kommission ihm Einsicht in ihre Akten gewährt oder ihm bestimmte Schriftstücke übermittelt (Urteile des Gerichts vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache T‑30/91, Solvay/Kommission, Slg. 1995, II‑1775, Randnr. 96, und Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 33, Randnr. 340).

37      Befinden sich hingegen Unterlagen, die entlastendes Material hätten enthalten können, nicht in der Ermittlungsakte der Kommission, so muss der Kläger bei der Kommission ausdrücklich Einsicht in diese Unterlagen beantragen; wird ein solcher Antrag im Verwaltungsverfahren nicht gestellt, so tritt insoweit in Bezug auf eine gegen die endgültige Entscheidung etwa erhobene Nichtigkeitsklage Verwirkung ein (Zement-Urteil, oben zitiert in Randnr. 31, Randnr. 383, und Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 33, Randnr. 340).

38      Auf dieser Grundlage ist zu prüfen, ob die von der Klägerin vorgetragenen Rügen begründet sind.

39      Wie vorab festzustellen ist, wird nicht bestritten, dass das Dokument Heineken ursprünglich bei einer Nachprüfung in den Besitz der Kommission gelangt ist, die diese gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 im Zusammenhang mit einer anderen Sache am 22. und 23. März 2000 in den Geschäftsräumen von Heineken in den Niederlanden vorgenommen hat. Die Kommission erbat später am 14. April 2000 im Rahmen des der vorliegenden Sache vorangehenden Verwaltungsverfahrens im Wege eines Auskunftsverlangens gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 von Heineken die Übermittlung einer neuen Abschrift des genannten Dokuments, die zu den Akten gegeben wurde.

40      Wie ferner festzustellen ist, räumt die Klägerin ein, dass das Dokument Heineken in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführt wird und dass sie von ihm bei der Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren Kenntnis genommen hat. Hinsichtlich dieses speziellen Dokuments konnte die Klägerin somit ihr Anhörungsrecht effektiv ausüben.

41      Die Klägerin macht jedoch geltend, sie habe keinen Zugang zu etwaigen Schreiben oder internen Aufzeichnungen gehabt, die dem Dokument Heineken gegebenenfalls vorausgegangen oder diesem gefolgt seien und entlastendes Material hätten enthalten können.

42      Die Rüge der Klägerin, die dahin geht, dass ihr die Kommission derartige Schreiben oder interne Aufzeichnungen, die in ihrem Besitz seien, nicht mitgeteilt habe, ist indessen zurückzuweisen. Nach der Rechtsprechung kann die Klägerin nämlich nur dann eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend machen, wenn sie im Verwaltungsverfahren bei der Kommission ausdrücklich Einsicht in die betreffenden Unterlagen beantragt hat (oben, Randnr. 37).

43      Die Klägerin hat jedoch keinen derartigen Antrag gestellt. Sie erklärt zum einen in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zu dem Dokument Heineken lediglich, dass „der Beweiswert dieses Dokuments zweifelhaft erscheint und dass es in [der Mitteilung der Beschwerdepunkte] und in dem Dokument keine Anhaltspunkte gibt, die es [der Klägerin] ermöglichen, dessen Verfasser zu identifizieren oder dessen Kontext zu prüfen“. Dies kann nicht als ausdrücklicher Antrag auf Einsichtnahme in die betreffenden Schreiben oder internen Aufzeichnungen angesehen werden. Auf eine dahin gehende Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zudem bestätigt, dass ihr im Verwaltungsverfahren gestellter Antrag auf Akteneinsicht allgemein gehalten gewesen sei. Zum anderen stellt die Klägerin in ihren Schreiben vom 24. und 28. Januar 2002 in nur sehr allgemeiner Weise und ohne ausdrücklichen Bezug auf die betreffenden Schriftstücke einen weiteren Antrag auf Akteneinsicht, der indessen erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens erfolgt ist.

44      Zu der Rüge der Klägerin, die Kommission habe es, falls sie nicht im Besitz von Schreiben oder internen Aufzeichnungen gewesen sei, die der Abfassung des Dokuments Heineken vorausgegangen oder dieser gefolgt seien, unter Verletzung ihrer Verpflichtung zur Unparteilichkeit versäumt, die Wahrheit des Inhalts dieses Dokuments zu prüfen, ist lediglich zu bemerken, dass sie nicht die Problematik der Verteidigungsrechte betrifft. Die Klägerin begehrt nämlich zu klären, ob die Kommission zu Genüge nachgewiesen hat, was sie insbesondere durch das Dokument Heineken beweisen wollte, und ob, soweit dieses Dokument für die Erbringung dieses Beweises erforderlich war, die Wahrheit der darin enthaltenen Darlegung hinreichend feststeht. Die Klägerin bezweifelt somit den Beweischarakter des Dokuments Heineken, wobei es sich um eine Frage handelt, die für die Prüfung der vorliegenden Rüge einer Verletzung der Verteidigungsrechte nicht erheblich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache T‑37/91, ICI/Kommission, Slg. 1995, II‑1901, Randnr. 72) und die nachstehend in den Randnummern 260, 261, 271 bis 273 und 284 bis 290 behandelt wird.

45      Der erste Teil dieses Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

b)     Zum zweiten Teil, in dem gerügt wird, dass die Kommission es der Klägerin nicht ermöglicht habe, vor Erlass der angefochtenen Entscheidung Kenntnis von den Faktoren zu erlangen, die bei der Berechnung der Geldbuße berücksichtigt worden seien

 Vorbringen der Parteien

46      Die Klägerin beanstandet eine Verletzung der Verteidigungsrechte, da es ihr die Kommission zu keiner Zeit ermöglicht habe, die Faktoren zu erfahren oder zu kommentieren, die die Kommission für die Festsetzung des Betrages der Geldbuße habe verwenden wollen. Die Kommission habe sich in der Mitteilung der Beschwerdepunkte darauf beschränkt, in einigen Zeilen die in den Leitlinien vorgegebene Methode zusammenzufassen, wobei nichts in der genannten Mitteilung auf die äußerst ungünstige Behandlung, die die Kommission ihr habe angedeihen lassen, und auf die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung gegenüber Interbrew hingedeutet habe.

47      Aus der Mitteilung der Beschwerdepunkte sei insbesondere auch nicht hervorgegangen, dass die Kommission ihr gegenüber einen Wiederholungsfall geltend machen wolle, obgleich dieser erschwerende Umstand in der Entscheidungspraxis der Kommission nur ganz vereinzelt herangezogen werde. So habe die Kommission im Jahr 2001 mehrfach rückfällige Unternehmen zur Rechenschaft gezogen, ohne ihnen diesen erschwerenden Umstand indessen bei der Festsetzung der Geldbuße anzulasten. Dies gelte für die F. Hoffmann‑La Roche AG (im Folgenden: Hoffmann‑La Roche) in der Entscheidung 2003/2/EG der Kommission vom 22. November 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E‑1/37.512 – Vitamine) (ABl. 2003, L 6, S. 1, im Folgenden: Entscheidung Vitamine) und in der Entscheidung 2002/742/EG der Kommission vom 5. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E‑1/36.604 – Zitronensäure) (ABl. 2002, L 239, S. 18, im Folgenden: Entscheidung Zitronensäure) sowie für die Stora Kopparbergs Bergslags AB (im Folgenden: Stora), die allerdings Adressat der Entscheidung unter einem anderen Firmennamen gewesen sei, in der Sache, die zu der Entscheidung 2004/337/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG‑Vertrag und Artikel 53 EWR‑Abkommen (Sache COMP/E‑1/36.212 – Selbstdurchschreibepapier) (ABl. 2004, L 115, S. 1, im Folgenden: Entscheidung Selbstdurchschreibepapier) geführt habe, oder auch für die Volkswagen AG (im Folgenden: Volkswagen) in der Entscheidung 2001/711/EG der Kommission vom 29. Juni 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG‑Vertrag (Sache COMP/F‑2/36.693 – Volkswagen) (ABl. L 262, S. 14, im Folgenden: Entscheidung Volkswagen II). Diese unterschiedliche Behandlung sei jedoch nicht gerechtfertigt.

48      Das Fehlen eines derartigen Hinweises sei umso abträglicher, als dem betroffenen Unternehmen in der Sache, die zu der Entscheidung 2002/405/EG der Kommission vom 20. Juni 2001 in einem Verfahren nach Artikel 82 EG‑Vertrag (COMP/E-2/36.041/PO – Michelin) (ABl. 2002, L 143, S. 1, im Folgenden: Entscheidung Michelin II) geführt habe, in der die Kommission ebenfalls eine Wiederholungstat als erschwerenden Umstand herangezogen habe, vor dem Erlass der Entscheidung Gelegenheit gegeben worden sei, seine Argumente zu diesem Punkt vorzutragen.

49      Die Kommission erklärt, sie verfüge über ein Ermessen bei der Festsetzung des Betrages einer Geldbuße und sie habe in der Mitteilung der Beschwerdepunkte alle Gesichtspunkte erwähnt, die sie hierfür habe berücksichtigen wollen, darunter auch die Faktoren, die nach dem Begründungsgebot genannt werden müssten. Sie habe im Übrigen nicht angeben müssen, dass sie den erschwerenden Umstand des Wiederholungsfalls zu berücksichtigen beabsichtige. Es habe der Klägerin jedenfalls nicht unbekannt sein können, dass eine Tatwiederholung in den Leitlinien ausdrücklich als erschwerender Umstand aufgeführt werde und dass bei ihr zudem bereits zweimal eine Zuwiderhandlung festgestellt worden sei.

 Würdigung durch das Gericht

50      Nach ständiger Rechtsprechung kommt die Kommission ihrer Verpflichtung zur Wahrung des Anhörungsanspruchs der Unternehmen nach, wenn sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich darauf hinweist, dass sie prüfen werde, ob gegen die betroffenen Unternehmen Geldbußen zu verhängen seien, und ferner die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte anführt, die zu einer Geldbuße führen können, wie z. B. die Schwere und die Dauer der angenommenen Zuwiderhandlung sowie den Umstand, dass diese vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sein soll. Hiermit gibt sie den Unternehmen die Angaben an Hand, die für deren Verteidigung nicht nur gegen die Feststellung einer Zuwiderhandlung, sondern auch gegen die Verhängung von Geldbußen erforderlich sind (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnr. 21, und Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T‑31/99, ABB Asea Brown Boveri/Kommission, Slg. 2002, II‑1881, Randnr. 78).

51      Der Anhörungsanspruch der betroffenen Unternehmen gegenüber der Kommission wird somit, was die Bemessung der Geldbuße angeht, durch ihre ermöglichte Stellungnahme zu Dauer, Schwere und Erkennbarkeit der Wettbewerbswidrigkeit der Zuwiderhandlung gewahrt. Außerdem ist zu beachten, dass die Unternehmen bezüglich der Bemessung der Geldbuße über eine zusätzliche Garantie verfügen, weil das Gericht mit Befugnis zu uneingeschränkter Nachprüfung entscheidet und mithin gemäß Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 die Geldbuße insbesondere aufheben oder herabsetzen kann (Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T‑83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II‑755, Randnr. 235, und in diesem Sinne Urteil ABB Asea Brown Boveri/Kommission, oben zitiert in Randnr. 50, Randnr. 79).

52      Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass die Kommission in Nummer 213 der Mitteilung der Beschwerdepunkte in Anbetracht des vorgeworfenen Sachverhalts ihre Absicht mitgeteilt hat, Geldbußen gegen die Adressaten, darunter die Klägerin, zu verhängen. Sie hat in Nummer 214 der Mitteilung der Beschwerdepunkte weiterhin erklärt, dass sie für die Bemessung der zu verhängenden Geldbußen alle einschlägigen Umstände, insbesondere die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung, berücksichtigen müsse. Ferner hat sie in Nummer 216 der genannten Mitteilung dargelegt, dass sie unter den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten Tatsachen insbesondere dem Umstand Rechnung trage, dass die in Rede stehenden Kartelle einen vorsätzlichen Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG darstellten.

53      Zudem hat die Kommission in derselben Nummer 216 ausgeführt, dass die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte beschriebenen Vereinbarungen über die Aufteilung der Märkte und die Preisfestsetzung ihrem Wesen nach die schwerwiegendste Art eines Verstoßes gegen Artikel 81 Absatz 1 EG darstellten. Sie hat in Nummer 215 der Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, dass sie bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung deren Art, deren konkrete Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar seien, und den Umfang des betreffenden räumlichen Marktes berücksichtige. Des Weiteren hat sie in der genannten Nummer 216 bemerkt, dass sie für die Feststellung der Rolle der einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen u. a. berücksichtigen werde, welche Rolle das jeweilige Unternehmen bei den fraglichen geheimen Vereinbarungen gespielt habe und wie lange es an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei.

54      Die Kommission hat darüber hinaus in Nummer 217 der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegt, dass etwaige erschwerende oder mildernde Umstände ihren Niederschlag in der Höhe der gegen das jeweilige Unternehmen verhängten Geldbuße finden würden und dass sie gegebenenfalls die Mitteilung über Zusammenarbeit anwenden werde. In Nummer 218 schließlich hat die Kommission erklärt, dass sie die Geldbußen in einer Höhe bemessen wolle, die eine hinreichend abschreckende Wirkung gewährleiste.

55      Aus dem Vorstehenden geht hervor, dass die Kommission in Einklang mit der oben erwähnten Rechtsprechung in der Mitteilung der Beschwerdepunkte (Nrn. 213 bis 218) ausdrücklich ihre Absicht bekundet hat, den Adressaten Geldbußen aufzuerlegen, und darin ferner die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte angegeben hat, die von ihr für die Bemessung der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbuße zu berücksichtigen sind, so dass der entsprechende Anhörungsanspruch der Klägerin gewahrt wurde.

56      Zweitens ist im Besonderen hinsichtlich des gegenüber der Klägerin geltend gemachten erschwerenden Umstands der Tatwiederholung zum einen festzustellen, dass der Fall eines erneuten, gleichartigen Verstoßes desselben Unternehmens in den Leitlinien als Beispiel für einen erschwerenden Umstand genannt wird, und zum anderen, dass die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausgeführt hat, dass sie berücksichtige, welche Rolle die einzelnen Unternehmen jeweils bei den in Rede stehenden geheimen Vereinbarungen gespielt hätten, und dass etwaige erschwerende oder mildernde Umstände ihren Niederschlag in der Höhe der Geldbuße finden würden. Somit konnte es der Klägerin nicht unbekannt sein, dass die Kommission diesen erschwerenden Umstand heranziehen würde, wenn sie zu dem Schluss gelangen sollte, dass dessen Anwendungsbedingungen erfüllt sind.

57      Drittens ist im Besonderen zu der angeblichen Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber anderen rückfälligen Unternehmen, denen der erschwerende Umstand der Tatwiederholung nicht zur Last gelegt worden sei, zu betonen, dass allein aus der Tatsache, dass die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis bestimmte Gesichtspunkte bei der Bemessung der Geldbuße nicht als erschwerenden Umstand angesehen hat, nicht abgeleitet werden kann, dass sie verpflichtet wäre, in einer späteren Entscheidung ebenso zu verfahren (vgl. insbesondere entsprechend Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T‑7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II‑1711, Randnr. 357, vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑347/94, Mayr‑Melnhof/Kommission, Slg. 1998, II‑1751, Randnr. 368, und vom 20. März 2002 in der Rechtssache T‑23/99, LR AF 1998/Kommission, Slg. 2002, II‑1705, Randnrn. 234 und 337). Wie überdies aus den Erwägungen in der vorstehenden Randnummer 56 hervorgeht, bedeutet die einem Unternehmen in einer anderen Sache eingeräumte Möglichkeit, zu der ihm gegenüber beabsichtigten Feststellung einer Tatwiederholung Stellung zu nehmen, keineswegs, dass die Kommission verpflichtet wäre, in jedem Fall so zu verfahren, und auch nicht, dass die Klägerin in Ermangelung einer derartigen Möglichkeit daran gehindert wäre, ihr Anhörungsrecht in vollem Maße auszuüben.

58      Somit ist der zweite Teil dieses Klagegrundes zurückzuweisen.

c)     Zum dritten Teil, in dem gerügt wird, dass Zusammenkünfte der Kommission mit Interbrew nicht dokumentiert seien und dass die Kommission sich geweigert habe, der Klägerin die Antwort von Interbrew auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte mitzuteilen

 Vorbringen der Parteien

59      Die Klägerin macht zum einen geltend, dass weder die Mitteilung der Beschwerdepunkte noch die angefochtene Entscheidung genaue Angaben enthalte, die ihr eine Beurteilung des Inhalts und der Tragweite von in der 34. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung erwähnten Treffen von Bediensteten der Kommission mit Vertretern von Interbrew ermöglichten. Zudem enthalte die Akte der Kommission auch kein Protokoll über diese Treffen, von denen sie vor Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht unterrichtet worden sei. Zum anderen habe die Kommission durch die in ihrem Schreiben vom 7. Februar 2002 enthaltene Weigerung, ihr Einsicht in die Antwort von Interbrew auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zu gewähren, ihre Verteidigungsrechte und den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verletzt.

60      Somit sei sie erstens nicht in die Lage versetzt worden, etwaige von Interbrew bei diesen Treffen abgegebene Erklärungen zu prüfen und gegebenenfalls zu bestreiten, obwohl sie einen großen Einfluss auf die Beurteilung des einschlägigen Sachverhalts und der Zusammenarbeit der durch die Ermittlungen betreffenden Unternehmen durch die Kommission gehabt haben könnten.

61      Hierzu bemerkt die Klägerin insbesondere, die Kommission habe eine im Ganzen wohlwollende Einstellung gegenüber Interbrew an den Tag gelegt, die im Gegensatz zu der Strenge gestanden habe, die sie ihr gegenüber habe walten lassen. So lasse sich womöglich anhand des Inhalts der betreffenden informellen Treffen erklären, warum die beherrschende Stellung von Interbrew im Verfahren nicht zur Sprache gekommen sei, obwohl sie den Ermittlungen zugrunde gelegen habe. Zudem werde die Erwähnung eines Telefongesprächs zwischen Herrn L. B. (Alken‑Maes) und Herrn A. B. (Interbrew) vom 9. Dezember 1996 in der angefochtenen Entscheidung nicht durch die Akten untermauert. Dies gelte auch für den wiedergegebenen Inhalt einer internen Sitzung bei Interbrew am 5. Mai 1994, bei der der Chief Executive Officer (im Folgenden: CEO) von Interbrew (Herr M.), also deren höchste Führungskraft, ein angeblich von der Klägerin gefordertes Szenario erläutert habe, wonach Interbrew 500 000 Hektoliter Bier auf Alken‑Maes habe übertragen sollen.

62      Die Klägerin macht zweitens geltend, sie habe keine Einsicht in die Antwort von Interbrew auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nehmen können, da die Kommission ihr diese Einsichtnahme verweigert habe. Sie habe die Kommission mit Schreiben vom 24. und 28. Januar 2002 ausdrücklich um eine erneute Akteneinsicht, insbesondere um Einsicht in die Antwort von Interbrew auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, gebeten; die Kommission habe sie aber mit Schreiben vom 7. Februar 2002 verweigert.

63      Die Kommission erklärt, die Klägerin habe von den informellen Treffen gewusst und sie habe im Verwaltungsverfahren zu keiner Zeit um Einsicht in etwaige Protokolle dieser Treffen gebeten, die im Übrigen gar nicht existiert hätten und jedenfalls nicht von Nutzen gewesen wären. Alle in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Sachverhaltselemente beruhten auf Unterlagen der Akte, in die Einsicht gehabt zu haben die Klägerin nie bestritten habe. Ein Antrag auf Einsichtnahme in die Unterlagen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) sei im Übrigen zurückgenommen worden.

 Würdigung durch das Gericht

64      Erstens ist zu den informellen Treffen mit den Beteiligten festzustellen, dass weder die Klägerin noch die Kommission in ihren Schriftsätzen bestreiten, dass für derartige Treffen keine Protokolle verfasst wurden. Somit wird mit dem vorliegenden Teil des ersten Klagegrundes, der diese Treffen betrifft, letztlich geltend gemacht, dass die Kommission zur Wahrung des Rechts auf Akteneinsicht in Wettbewerbssachen verpflichtet sei, derartige Protokolle zu erstellen und den Parteien zugänglich zu machen.

65      Nach der oben in den Randnummern 33 und 34 angeführten Rechtsprechung besteht der Zweck der Akteneinsicht in Wettbewerbssachen darin, es den Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte zu ermöglichen, von den Beweisstücken in den Akten der Kommission Kenntnis zu nehmen, damit der Anhörungsanspruch sinnvoll ausgeübt werden kann. Die Kommission ist daher verpflichtet, den betroffenen Unternehmen die Gesamtheit der belastenden oder entlastenden Schriftstücke zugänglich zu machen, die sie im Laufe der Untersuchung gesammelt hat; hiervon ausgenommen sind nur Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen, interne Schriftstücke der Kommission und andere vertrauliche Informationen.

66      Aus der Rechtsprechung geht weiter hervor, dass die Kommission dagegen nicht allgemein verpflichtet ist, Protokolle über die Gespräche anzufertigen, die sie im Rahmen der Durchführung der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages bei Zusammenkünften mit den anderen Beteiligten führt (vgl. in diesem Sinne Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 33, Randnr. 351).

67      Dies entbindet die Kommission jedoch nicht von ihren Verpflichtungen hinsichtlich der Akteneinsicht. Es kann nämlich nicht zugelassen werden, dass die Verteidigungsrechte durch eine Praxis verletzt werden, bei der die Beziehungen zu Dritten nur mündlich bestehen. Daher muss die Kommission, wenn sie in ihrer Entscheidung belastendes Material verwenden will, das ihr von einem anderen Beteiligten mündlich mitgeteilt worden ist, dieses Material dem betroffenen Unternehmen zugänglich machen, damit dieses sinnvoll zu den Schlussfolgerungen Stellung nehmen kann, zu denen die Kommission anhand des genannten Materials gelangt ist. Sie muss hierfür gegebenenfalls einen schriftlichen Vermerk für ihre Akte anfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 33, Randnr. 352).

68      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin abgesehen von zwei konkreten Behauptungen darin besteht, allgemein dahin zu gehen, dass die informellen Treffen einen großen Einfluss auf die Beurteilung des Sachverhalts und der Zusammenarbeit der durch die Ermittlungen betroffenen Unternehmen gehabt haben könnten, dass ferner die Kommission im Laufe des Verfahrens eine im Ganzen wohlwollende Einstellung gegenüber Interbrew an den Tag gelegt habe, die im Gegensatz zu der Strenge gestanden habe, mit der sie in der angefochtenen Entscheidung behandelt werde, und schließlich, dass die bei den informellen Treffen gegebenen Informationen zwar nützlich für Interbrew gewesen seien, aber zweifellos Einfluss auf ihre Stellung gehabt hätten.

69      Dieses allgemeine Vorbringen, mit dem nicht angegeben wird, inwiefern das von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung herangezogene belastende Material auf Mitteilungen während der informellen Treffen beruht, ist nicht dazu angetan, eine tatsächliche Verletzung der Verteidigungsrechte darzutun, die anhand der besonderen Umstände des jeweiligen Falles zu prüfen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Solvay/Kommission, oben zitiert in Randnr. 36, Randnr. 60). Wie oben in Randnummer 33 ausgeführt, wird das Recht auf Akteneinsicht in Wettbewerbssachen nur zu dem Zweck eingeräumt, es den betroffenen Unternehmen zu ermöglichen, sinnvoll zu den Schlussfolgerungen Stellung zu nehmen, zu denen die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte gelangt ist. Da die Klägerin indessen abgesehen von den beiden nachstehend geprüften konkreten Behauptungen keinen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und dann in der angefochtenen Entscheidung erhobenen Vorwurf benannt hat, der auf ihr nicht zugängliche Informationen gestützt sein soll, die bei den informellen Treffen mündlich erteilt worden waren, kann sie der Kommission insoweit keine Verletzung der Verteidigungsrechte vorwerfen (vgl. in diesem Sinne Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 33, Randnrn. 353 und 354).

70      Hinsichtlich der beiden genannten konkreten Behauptungen, wonach die in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Bezugnahmen auf ein Telefongespräch vom 9. Dezember 1996 und auf den Inhalt einer internen Sitzung vom 5. Mai 1994 womöglich nur auf den Inhalt der informellen Treffen zurückzuführen sind, ist zu prüfen, ob sich die fraglichen Tatsachenfeststellungen auf bestimmte Teile der Akten stützen.

71      Zu dem in der 91. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung erwähnten Telefongespräch vom 9. Dezember 1996 ist zu bemerken, dass in Nummer 93 der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausgeführt wird, dass „Herr L. B. (Alken‑Maes) nach einem Treffen vom 19. September am 9. Dezember 1996 ein Telefongespräch mit Herrn A. B. (Interbrew) geführt hat“. Dieser Satz ist mit der Fußnote 116 folgenden Inhalts versehen: „Schreiben samt Anlagen 42 und 44 von Alken‑Maes vom 7. März 2000 ([Seiten] 7884, 8513, 8528 bis 8530 [der Akte der Kommission]) mit Verweis auf die folgenden Dokumente: Nachprüfung bei Alken‑Maes, Dokument AvW19 ([Seiten] 150 bis 153 [der Akte der Kommission]) und Dokument MV17 ([Seiten] 532 bis 541 [der Akte der Kommission])“. Dieselben Bezugnahmen finden sich in der angefochtenen Entscheidung in der Fußnote 123 zur 91. Begründungserwägung.

72      Die Kommission hat auf eine schriftliche Frage des Gerichts, mit der sie aufgefordert worden war, zu erklären, weshalb sie zu dem Schluss gelangt ist, dass am 9. Dezember 1996 ein Telefongespräch zwischen Herrn L. B. (Alken‑Maes) und Herrn A. B. (Interbrew) über die Preisgestaltung von Interbrew stattgefunden hat, geantwortet, sie sei zu diesem Ergebnis anhand der Seite 8513 ihrer Akte gelangt, die die letzte Seite der Anlage 42 des Schreibens von Alken‑Maes an sie vom 7. März 2000 darstelle.

73      Eine Analyse dieser Unterlage, die aus handgeschriebenen Notizen von Herrn L. B. (Alken‑Maes) besteht, zeigt, dass darin zwar kein Telefongespräch vom 9. Dezember 1996 erwähnt wird, sie jedoch mehrere Vermerke enthält, die offenbar erst nach ihrer ursprünglichen Abfassung angebracht wurden und offensichtlich für die Antwort auf ursprünglich verfasste Fragen über die Preisgestaltung von Interbrew stehen. Drei dieser Vermerke enthalten das Datum „(9/12/96)“ und zwei die Abkürzung „IB“ (Interbrew), einer enthält zudem die Initialen von Herrn A. B. (Interbrew).

74      Daraus ergibt sich, dass eine am 9. Dezember 1996 zustande gekommene Verbindung zwischen Interbrew und Alken‑Maes über die Preisgestaltung von Alken‑Maes in der Mitteilung der Beschwerdepunkte Erwähnung findet und dass die Verbindung, auf die sich die Kommission bezieht, durch eine Unterlage untermauert wird, die in der Akte enthalten ist und damit der Klägerin zugänglich war, da ihre ehemalige Tochtergesellschaft Alken‑Maes sie selbst der Kommission übergeben hat. Ob die Verbindung telefonisch zustande kam oder nicht, ist unter dem Gesichtspunkt der Ausübung des Anhörungsrechts ohne Belang, da der Klägerin – obgleich es bedauerlich ist, dass die Behauptung der Kommission in diesem Punkt nicht untermauert wird – das Anhörungsrecht in Bezug auf die Existenz einer Verbindung und gegebenenfalls deren Inhalt zustand und nicht hinsichtlich der Frage, ob diese Verbindung telefonisch oder anders zustande gekommen ist, da dieser letztgenannte Punkt für die Frage unerheblich ist, ob es sich bei der genannten Verbindung um einen Verstoß handelte oder nicht.

75      Zu der in der 53. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Behauptung, dass das vom CEO von Interbrew während einer internen Besprechung am 5. Mai 1994 erläuterte „Szenario“, wonach „Interbrew 500 000 Hektoliter auf Alken‑Maes (insbesondere im Einzelhandel) übertragen [soll]“, „von Danone/Kronenbourg gefordert“ worden sei, ist sodann festzustellen, dass in Nummer 55 der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausgeführt wird: „Während einer internen Besprechung bei Interbrew erläutert [Herr M.] das folgende von Danone/Kronenbourg geforderte Szenario. Interbrew soll 500 000 Hektoliter auf Alken‑Maes (insbesondere im Einzelhandel) übertragen. Andernfalls würde Interbrew Frankreich unter Mithilfe von Heineken vernichten und Interbrew in Belgien mit Tiefstpreisen angreifen.“ In der nachfolgenden Nummer 56 heißt es: „Das von Kronenbourg dargelegte Szenario ist während einer internen Besprechung bei Interbrew am 5. Mai 1994 geprüft worden.“ Nummer 55 der Mitteilung der Beschwerdepunkte ist mit den beiden Fußnoten 35 und 36 versehen, die auf ein Schreiben von Interbrew vom 28. Februar 2000 und dessen Anlage 18 (S. 7683 der Akte der Kommission) verweisen. Dieselbe Verweisung findet sich in einer Fußnote zur 53. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung.

76      Hierzu ist festzustellen, dass Anlage 18 des Schreibens von Interbrew vom 28. Februar 2000, die aus einer Erklärung von Herrn C. von Interbrew besteht, auf Seite 2 dieser Erklärung folgenden Satz enthält:

„[Herr M.] erläuterte uns bei einer internen Sitzung (am 5. Mai 1994) das Szenario, das von Kronenbourg gefordert wurde. Im Grunde übte KRO eine Erpressung aus, damit ITW 500 000 [Hektoliter] auf AM (insbesondere im ‚Food‘) überträgt. Andernfalls würden sie ITW‑Frankreich unter Mithilfe von Heineken vernichten und ITW‑Belgien mit Tiefstpreisen angreifen.“

77      Somit gibt die Behauptung in der 53. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung und in den Nummern 55 und 56 der Mitteilung der Beschwerdepunkte im Wesentlichen den Inhalt einer von Interbrew schriftlich gegebenen Information wieder, die in den Akten enthalten ist und hierdurch der Klägerin zugänglich war. Die Klägerin kann daher nicht geltend machen, dass sie ihren Anhörungsanspruch hinsichtlich der Behauptung in der 53. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung nicht wirksam habe geltend machen können.

78      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zum einen, dass die angeblich auf informellen Treffen mit Interbrew beruhenden Behauptungen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten waren, und zum anderen, dass sie sich, soweit sie für die Erbringung des Beweises eines Verstoßes gegen Artikel 81 Absatz 1 EG erforderlich waren, jedenfalls auf Unterlagen stützten, zu denen die Klägerin Zugang hatte. Mithin ist festzustellen, dass die Klägerin zu diesen Behauptungen sinnvoll Stellung nehmen konnte und dass ihr Anhörungsanspruch gewahrt war.

79      Was ferner das Argument anbelangt, der Klägerin sei unter Verletzung der Verteidigungsrechte der Zugang zu den Unterlagen verweigert worden, die erst nach der Akteneinsicht der Klägerin vom 5. Oktober 2002 zu den Akten gegeben worden seien, darunter insbesondere die Antwort von Interbrew auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, insofern als sie Entlastungsmaterial hätte enthalten können, so genügt der Hinweis, dass der Antrag auf Einsichtnahme in die zusätzlichen Aktenstücke mit Schreiben vom 24. und 28. Januar 2002, also nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens, gestellt wurde. Wird jedoch ein solcher Antrag im Verwaltungsverfahren nicht gestellt, so tritt insoweit in Bezug auf eine später erhobene Nichtigkeitsklage Verwirkung ein (vgl. in diesem Sinne Zement‑Urteil, oben zitiert in Randnr. 31, Randnr. 383). Dieses Argument ist daher zurückzuweisen.

80      Zu dem Antrag auf Akteneinsicht vom 4. März 2002 nach der Verordnung Nr. 1049/2001 genügt die Feststellung, dass Artikel 7 Absatz 2 dieser Verordnung Folgendes bestimmt: „Im Fall einer vollständigen oder teilweisen Ablehnung kann der Antragsteller binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Eingang des Antwortschreibens des Organs einen Zweitantrag an das Organ richten und es um eine Überprüfung seines Standpunkts ersuchen.“ Da sich die Kommission am 26. März 2002 geweigert hat, dem Antrag der Klägerin auf Akteneinsicht stattzugeben, und die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung einer Frage des Gerichts bestätigt hat, keinen Zweitantrag innerhalb der vorgesehenen Frist gestellt hat, ist demnach festzustellen, dass der Antrag der Klägerin vom 4. März 2002 zurückgenommen worden ist.

81      Somit ist auch der dritte Teil dieses Klagegrundes und folglich der Klagegrund in seiner Gesamtheit zurückzuweisen.

2.     Zum Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht

a)     Vorbringen der Parteien

82      Die Klägerin macht geltend, dass die angefochtene Entscheidung insofern ungenügend begründet sei, als sie zum einen keine Bestimmung der relevanten Märkte enthalte, obwohl es sich dabei um eine Voraussetzung handele, die notwendigerweise jeder Beurteilung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens vorausgehen müsse, und sie sich zum anderen für die Bemessung der Geldbuße auf einen einfachen Verweis auf die Leitlinien beschränke, ohne die genaue Tragweite der Gesichtspunkte anzugeben, die für die Festsetzung des Betrages der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße herangezogen worden seien.

83      Die Begründung der angefochtenen Entscheidung sei erstens insofern unzureichend, als sie entgegen dem in der Rechtsprechung des Gerichts aufgestellten Erfordernis (Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in den verbundenen Rechtssachen T‑68/89, T‑77/89 und T‑78/89, SIV u. a./Kommission, so genanntes Flachglas‑Urteil, Slg. 1992, II‑1403, Randnr. 159) nicht auf einer angemessenen Bestimmung des betreffenden relevanten Marktes, sondern lediglich auf der Feststellung eines „belgischen Biermarktes“ beruhe. Die Kommission unterlasse zu Unrecht eine Analyse des genauen räumlichen Bereichs des oder der betreffenden Märkte und der etwaigen Austauschbarkeit der verschiedenen Brauereierzeugnisse. Wenn die Kommission in ihrer Klagebeantwortung den Begriff „belgischer Biermarkt“ durch den Begriff „belgischer Biersektor“ ersetze, so werde dies nicht dem Einwand der Klägerin gerecht, dass die Bestimmung des Marktes im vorliegenden Fall untrennbar mit der Feststellung der Zuwiderhandlung verbunden sei. Die erwähnten räumlichen Märkte, nämlich der belgische und der französische Markt, würden in der angefochtenen Entscheidung in unzureichend dokumentierter Weise bestimmt.

84      Zudem habe die Kommission für den französischen Markt Tatsachen berücksichtigt, ohne dass eine Analyse ihrer Tragweite nach Maßgabe der besonderen Merkmale dieses Marktes für nötig befunden worden sei. Die Kommission mache insbesondere geltend, dass die Klägerin Interbrew angeblich Vergeltungsmaßnahmen auf dem französischen Markt angedroht habe, obwohl ein derartiges restriktives Wettbewerbsverhalten nur nach Feststellung einer bestimmten Stärke auf einem genau bestimmten Markt dargetan sein könne.

85      Bestimmte Handlungen, die für die Feststellung der in der angefochtenen Entscheidung dargelegten Zuwiderhandlung herangezogen worden seien, darunter das Treffen am 11. Mai 1994, das Telefongespräch vom 6. Juli 1994 und die Zusammenkunft am 17. April 1997, hätten nach Ansicht der Kommission einen Gegenstand gehabt, der über Belgien hinausgegangen sei. Zudem seien die Wechselwirkung zwischen Frankreich und Belgien und die Ähnlichkeit des Verhaltens in diesen beiden Ländern nach Ansicht der Kommission insbesondere hinsichtlich der angeblichen Drohung wichtige Gesichtspunkte der Zuwiderhandlung gewesen.

86      Hierbei weiche die Entscheidung der Kommission, ähnliche Verhaltensweisen in unterschiedlichem Rahmen zu behandeln, von ihrer üblichen Praxis ab, wonach verschiedene als Zuwiderhandlung angesehene Verhaltensweisen in einer einzigen Entscheidung festgehalten würden, wenn eine Verbindung zwischen ihnen bestehe, weil es sich um dieselben Kartellteilnehmer handele, die Kartellmechanismen in verschiedenen Ländern ähnlich seien oder eine Wechselwirkung zwischen verschiedenen Gebieten oder Erzeugnissen bestehe (z. B. Entscheidung 96/478/EG der Kommission vom 10. Januar 1996 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG‑Vertrag [Sache IV/34.279/F3 – ADALAT] [ABl. L 201, S. 1, im Folgenden: Entscheidung ADALAT] und Entscheidungen „Vitamine“ und „Selbstdurchschreibepapier“).

87      Die Option für mehrere Entscheidungen bringe für die Klägerin eine rechtliche Unsicherheit mit sich und bewirke, dass die Kommission durch wiederholte Anwendung von Grundbeträgen und gegebenenfalls Steigerungskoeffizienten den Gesamtbetrag der im Hinblick auf einen bestimmten Sachverhaltskomplex verhängten Geldbußen künstlich aufblähen könne, ohne dass die betroffenen Unternehmen verstehen könnten, inwiefern die Verhaltensweisen unterschiedlich seien und weshalb sie getrennte Zuwiderhandlungen darstellten.

88      Die angefochtene Entscheidung sei auch zweitens in Bezug auf die Bemessung der Geldbuße unzureichend begründet. Die Kommission habe nämlich ihre Begründungspflicht und den Grundsatz der Rechtssicherheit verletzt, indem sie sich in der 294. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung mit einem einfachen Verweis auf die in den Leitlinien festgelegte Methode begnügt habe, obwohl die Leitlinien dazu beitragen sollten, „die Transparenz und Objektivität der Entscheidungen der Kommission sowohl gegenüber den Unternehmen als auch gegenüber dem Gerichtshof zu erhöhen“.

89      Da die Begründung für die Höhe der Geldbuße auf einer Methode beruhe, die von einem Grundbetrag ausgehe, der dann berichtigt werde, sei es von wesentlicher Bedeutung, dass die Kommission eingehend genug die Tragweite der in die Bemessung der Geldbuße eingehenden Gesichtspunkte umreiße, um dem Zweck gerecht zu werden, der mit der Begründungspflicht verbunden sei und darin bestehe, dass die Klägerin die Kohärenz und die Rechtmäßigkeit der Bemessung der Geldbuße beurteilen und damit ihre Rechte verteidigen könne, dass das Gericht und der Gerichtshof ihre Kontrolle ausüben könnten und dass interessierte Dritte erfahren könnten, wie die Kommission den EG‑Vertrag anwende.

90      Obgleich die Kommission nicht an eine arithmetische Formel gebunden sei, zeige die angefochtene Entscheidung weder die Einzelheiten der Berechnung der verhängten Geldbuße noch die genaue Tragweite der einzelnen Gesichtspunkte auf, die für die Bemessung der Geldbuße herangezogen würden. So würden im Gegensatz zur Vorgehensweise bei anderen Kartellentscheidungen, wie etwa in den Fällen „Vitamine“ und „Selbstdurchschreibepapier“, die willkürliche Wahl eines Pauschalbetrags in Höhe von 25 Mio. Euro und die Tragweite der nach der 305. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung angestrebten abschreckenden Wirkung der Geldbuße nicht durch quantitative Kriterien gerechtfertigt. Das Fehlen einer angemessenen Bestimmung des relevanten Marktes lasse ebenfalls klar die Unzulänglichkeit der Begründung für die Bemessung der Geldbuße erkennen, da nach den Leitlinien die Ermittlung eines Grundbetrags mit Erwägungen hinsichtlich des Umfangs des betreffenden räumlichen Marktes, der Auswirkungen des Kartells auf diesen Markt und des dort erzielten Umsatzes verbunden sei.

91      Insbesondere habe die Kommission auf der Grundlage der beiden gegenüber der Klägerin herangezogenen erschwerenden Umstände, nämlich eines auf Interbrew ausgeübten Zwanges und der Tatwiederholung, nur einen einzigen Prozentsatz von 50 für die Erhöhung der Geldbuße festgesetzt, ohne dabei die jeweilige Tragweite der einzelnen zugrunde gelegten erschwerenden Umstände anzugeben. Die fehlenden Angaben bezüglich des jeweiligen Einflussbereichs der verschiedenen für die Bemessung der Geldbuße verwendeten Kriterien habe es der Klägerin nicht ermöglicht, zu beurteilen, inwieweit die verhängte Geldbuße herabzusetzen wäre.

92      Das Fehlen klarer und relevanter Faktoren sei umso weniger entschuldbar, als die Kommission zwar das Vorhandensein von Unterlagen anerkenne, die ihre Dienststellen zum Zwecke der internen Konsultation und Beratung für die Berechnung der Höhe der Geldbuße angefertigt hätten, diese aber nicht einsehbar gewesen seien. Dies lasse vermuten, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung andere Gesichtspunkte als die ihr zugänglichen berücksichtigt habe, ohne dass diese jedoch in der angefochtenen Entscheidung erwähnt würden.

93      Die Klägerin rügt im Besonderen das Fehlen einer ausreichenden Begründung der Kommission für den ihr gegenüber herangezogenen erschwerenden Umstand der Tatwiederholung. Dies beeinträchtige sie in besonderem Maß, da die Kommission den Betrag der Geldbuße nicht systematisch wegen einer Tatwiederholung erhöhe, sondern in ihrer Entscheidungspraxis zurückhaltend hinsichtlich der Rolle und Bedeutung sei, die diesem Gesichtspunkt bei der Bemessung der Geldbuße beizumessen seien; dabei habe der Erlass der Leitlinien nicht ausgereicht, um die aus diesen Umständen resultierende Ungewissheit zu beseitigen.

94      Die Kommission bestreitet das Vorbringen der Klägerin.

b)     Würdigung durch das Gericht

95      Bei Klagen gegen Entscheidungen der Kommission, mit denen gegen Unternehmen Geldbußen wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln verhängt werden, verfügt das Gericht über zweierlei Befugnisse. Zum einen hat es gemäß Artikel 230 EG die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu prüfen. In diesem Rahmen muss es u. a. die Einhaltung der in Artikel 253 EG aufgestellten Begründungspflicht überwachen, bei deren Verletzung die Entscheidung für nichtig erklärt werden kann. Zum anderen ist es im Rahmen der ihm durch Artikel 229 EG und Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 verliehenen Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung dafür zuständig, zu beurteilen, ob die Höhe der Geldbußen angemessen ist. Diese Beurteilung kann die Vorlage und Heranziehung zusätzlicher Informationen erfordern, die an sich nicht in der Entscheidung erwähnt zu werden brauchen, damit diese dem Begründungserfordernis nach Artikel 253 EG genügt (Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C‑248/98 P, KNP BT/Kommission, Slg. 2000, I‑9641, Randnrn. 38 bis 40, und Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003 in der Rechtssache T‑220/00, Cheil Jedang/Kommission, Slg. 2003, II‑2473, Randnr. 215).

96      Was die Nachprüfung angeht, ob die Begründungspflicht eingehalten wurde, so muss nach ständiger Rechtsprechung die nach Artikel 253 EG vorgeschriebene Begründung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, insbesondere anhand des Inhalts des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und des Interesses, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels 253 EG genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontextes und sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteile des Gerichtshofes vom 13. März 1985 in den verbundenen Rechtssachen 296/82 und 318/82, Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, Slg. 1985, 809, Randnr. 19, vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C‑56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I‑723, Randnr. 86, und vom 2. April 1998 in der Rechtssache C‑367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink’s France, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63, sowie Urteil Cheil Jedang/Kommission, oben zitiert in Randnr. 95, Randnr. 216).

97      Was den Umfang der Begründungspflicht in Bezug auf die Bemessung einer wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verhängten Geldbuße anbelangt, so ist zum einen zu bemerken, dass hierbei Artikel 15 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 17 zu beachten ist, worin es heißt: „Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.“ Die Anforderungen an das wesentliche Formerfordernis, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, sind erfüllt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln (Urteile des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C‑291/98 P, Sarrió/Kommission, Slg. 2000, I‑9991, Randnr. 73, und vom 15. Oktober 2002 in den verbundenen Rechtssachen C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 2000, I‑8375, Randnr. 463). Zum anderen enthalten die Leitlinien und die Mitteilung über Zusammenarbeit Regeln über die Beurteilungskriterien, die von der Kommission herangezogen werden, um die Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu bemessen (Urteil Cheil Jedang/Kommission, oben zitiert in Randnr. 95, Randnr. 217). Unter diesen Umständen sind die Anforderungen an das wesentliche Formerfordernis, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfüllt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungskriterien angibt, die sie in Anwendung ihrer Leitlinien und gegebenenfalls ihrer Mitteilung über Zusammenarbeit herangezogen hat und die es ihr ermöglicht haben, für die Berechnung der Höhe der Geldbuße Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu bemessen (Urteil Cheil Jedang/Kommission, oben zitiert in Randnr. 95, Randnr. 218).

98      Die Kommission ist diesen Anforderungen nachgekommen.

99      Erstens ist zu der Rüge, die Kommission habe keine vorherige Bestimmung des relevanten Marktes vorgenommen, festzustellen, dass die Kommission im vorliegenden Fall nicht verpflichtet war, den betreffenden Markt abzugrenzen. Aus der Rechtsprechung geht nämlich hervor, dass im Rahmen von Artikel 81 Absatz 1 EG der relevante Markt zu dem Zweck zu bestimmen ist, entscheiden zu können, ob eine Vereinbarung den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt (Urteil des Gerichts vom 21. Februar 1995 in der Rechtssache T‑29/92, SPO u. a./Kommission, Slg. 1995, II‑289, Randnr. 74, Zement‑Urteil, oben zitiert in Randnr. 31, Randnr. 1093, und Urteil vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache T‑62/98, Volkswagen/Kommission, Slg. 2000, II‑2707, Randnr. 230). Folglich muss die Kommission in einer Entscheidung nach Artikel 81 Absatz 1 EG nur dann den relevanten Markt abgrenzen, wenn ohne eine solche Abgrenzung nicht bestimmt werden kann, ob die Vereinbarung, der Beschluss der Unternehmensvereinigung oder die abgestimmte Verhaltensweise, um die es geht, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt (Urteile des Gerichts vom 15. September 1998 in den Rechtssachen T‑374/94, T‑375/94, T‑384/94 und T‑388/94, European Night Services u. a./Kommission, Slg. 1998, II‑3141, Randnrn. 93 bis 95 und 105, und Volkswagen/Kommission, oben zitiert, Randnr. 230). Die Klägerin bestreitet indessen nicht, dass die hier in Rede stehenden Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen geeignet waren, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und eine Einschränkung und Verfälschung innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckten. Da die Anwendung des Artikels 81 EG durch die Kommission im vorliegenden Fall keine vorherige Bestimmung des relevanten Marktes erforderte, kann somit in diesem Punkt keine Verletzung der Begründungspflicht festgestellt werden.

100    Aus demselben Grund muss zwar die von der Kommission im Hinblick auf die Anwendung der Leitlinien getroffene Feststellung einer von der Klägerin ausgesprochenen Drohung nach den Anforderungen des Artikels 253 EG klar und eindeutig die von der Kommission angestellten Überlegungen erkennen lassen, kann aber nicht von der Voraussetzung abhängig gemacht werden, dass zuvor der relevante Markt abgegrenzt wird. Die gegenteilige Ansicht der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

101    Dasselbe gilt für die Erwägungen hinsichtlich einer Berücksichtigung des Umfangs des räumlichen Marktes. Zu dem Vorbringen der Klägerin, infolge der unzureichenden Begründung des nationalen Charakters des Marktes könne es für die Kommission in Betracht kommen, unbegründeterweise unterschiedliche Zuwiderhandlungen festzustellen, wodurch der Betrag der Geldbußen zu Lasten der Klägerin künstlich erhöht werde, ist lediglich zu bemerken, dass der Kommission eine derartige Absicht rein hypothetisch unterstellt wird, wobei dieses Vorbringen auf reinen Mutmaßungen beruht, da es nicht einmal ansatzweise bewiesen ist. Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

102    Zweitens ist zu der Rüge, die Kommission habe die Bemessung der Geldbuße unzureichend begründet, zu bemerken, dass die Kommission in der 296. bis 328. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung die Gesichtspunkte dargelegt hat, von denen sie bei der Berechnung der Geldbußen für die einzelnen betroffenen Unternehmen ausgegangen ist. Aus den genannten Begründungserwägungen geht hervor, dass die Kommission klar und eingehend die von ihr angestellten Überlegungen aufgezeigt hat, so dass die Klägerin erkennen konnte, welche Kriterien für die Beurteilung der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung im Hinblick auf die Bemessung der Geldbuße herangezogen wurden, und das Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Demgemäß entspricht die angefochtene Entscheidung der Begründungsanforderung, der die Kommission gemäß Artikel 253 EG nachzukommen hat.

103    Folglich ist dieser Klagegrund und damit die Gesamtheit der Anträge auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen.

B –  Zum hilfsweise gestellten Antrag auf Herabsetzung der verhängten Geldbuße

104    Die Klägerin macht sechs Klagegründe für eine Herabsetzung der verhängten Geldbuße geltend. Mit ihnen wird Folgendes gerügt: falsche Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung für die Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße unter Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und des Grundsatzes „ne bis in idem“, falsche Ermittlung der Dauer der festgestellten Zuwiderhandlung, die unzutreffende Ausnahme eines erschwerenden Umstands wegen auf Interbrew ausgeübten Zwanges, unberechtigte Berücksichtigung des erschwerenden Umstands der Tatwiederholung gegenüber der Klägerin, unzureichende Berücksichtigung der anwendbaren mildernden Umstände und schließlich falsche Ermittlung des Ausmaßes der Mitarbeit der Klägerin unter Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und der Mitteilung über Zusammenarbeit.

1.     Zum Klagegrund einer falschen Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung für die Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße unter Verletzung der Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes „ne bis in idem“

a)     Vorbringen der Parteien

 Vorbringen der Klägerin

105    Die Klägerin ficht den von der Kommission wegen der Schwere der Zuwiderhandlung festgesetzten spezifischen Grundbetrag durch vier aufeinanderfolgende Rügen an, nämlich aufgrund einer unter Verletzung der Leitlinien und bestimmter allgemeiner Grundsätze des Gemeinschaftsrechts erfolgten falschen Beurteilung erstens der Schwere der Zuwiderhandlung, zweitens ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit, andere Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere die Verbraucher, in erheblichem Umfang zu schädigen, drittens des Niveaus zur Gewährleistung einer hinreichenden Abschreckungswirkung der Geldbuße und viertens der Berücksichtigung des Umstands, dass sie über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und entsprechende Ressourcen verfüge, anhand deren sie besser erkennen könne, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstelle und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen seien.

106    Nach Auffassung der Klägerin hätte der Grundbetrag ihrer Geldbuße insbesondere unter Berücksichtigung der gemessen am Gesamtbierverbrauch in der Europäischen Union sehr begrenzten mengenmäßigen Bedeutung des unter das Kartell fallenden Erzeugnisses, des sehr begrenzten räumlichen Umfangs des Kartells und ihres sehr bescheidenen Umsatzes mit dem betreffenden Erzeugnis auf keinen Fall 8 Mio. Euro überschreiten dürfen.

–       Zur Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung: Verletzung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit

107    Hinsichtlich der von der Kommission durchgeführten Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung im Sinne von Nummer 1 Abschnitt A Absatz 1 der Leitlinien bestreitet die Klägerin nicht die in der 297. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung angeführten Merkmale des Verstoßes, die sie zusammen mit Alken‑Maes anerkannt und der Kommission zur Kenntnis gebracht habe, sondern nur die Bedeutung, die die Kommission den Sachverhaltselementen insgesamt beimisst, die in dem Abschnitt der angefochtenen Entscheidung über die Schwere der Zuwiderhandlung erwähnt werden, und die daraus resultierende Endeinstufung der Zuwiderhandlung als besonders schweren Verstoß. Indem die Kommission eine derartige Einstufung vornehme, obwohl sie vergleichbare Zuwiderhandlungen nie als besonders schwer qualifiziert habe, verletze sie den Grundsatz der Gleichbehandlung, da sie gleiche Situationen unterschiedlich behandele (Urteil Hercules Chemicals/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 295).

108    Die Klägerin macht zunächst geltend, die Kommission habe nicht die Frage der konkreten Auswirkungen der in Rede stehenden Kartellabsprache auf den Markt geprüft, obwohl sie auf die Methode verweise, die in den Leitlinien für die Bestimmung der Schwere von Verstößen angegeben sei.

109    Sie führt ferner aus, dass die Schlussfolgerung der Kommission hinsichtlich der besonderen Schwere der Zuwiderhandlung sowohl den in den Leitlinien genannten Beispielen als auch der Entscheidungspraxis nach dem Erlass der Leitlinien widerspreche. Die Qualifizierung eines Kartells als besonders schwerer Verstoß gelte üblicherweise nur für durchstrukturierte oder gar institutionalisierte Kartelle mit ausgefeilten Überprüfungs‑, Organisations‑ und Durchführungsmechanismen, die nicht mit dem im vorliegenden Fall zur Last gelegten Verhalten gemeinsam hätten, und mit weltweiter oder mehrere große Mitgliedstaaten umfassender Tätigkeit. Dabei habe sich das kleinste durch solche als besonders schwer angesehene Verstöße betroffene Gebiet auf vier Mitgliedstaaten der Gemeinschaft unter den größten Ländern erstreckt (Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG‑Vertrag [Sache IV/E‑1/35.860‑B – Nahtlose Stahlrohre] [ABl. 2003, L 140, S. 1, im Folgenden: Entscheidung „Nahtlose Stahlrohre“]).

110    Nach Ansicht der Klägerin hätte die Zuwiderhandlung erstens in Anbetracht eher geringer Förmlichkeit als schwer und nicht als besonders schwer eingestuft werden müssen, zumal die Kommission Zuwiderhandlungen als schwer eingestuft habe, deren System zumindest ebenso ausgefeilt gewesen sei wie bei der vorliegenden Zuwiderhandlung (Entscheidung 2003/25/EG der Kommission vom 11. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG‑Vertrag [Sache COMP/E‑1/37.919 [[ex. 37.391]] – Bankgebühren für den Umtausch von Währungen des Euro‑Gebiets – Deutschland], ABl. 2003, L 15, S. 1, im Folgenden: Entscheidung „Deutsche Banken“, Entscheidung 1999/271/EG der Kommission vom 9. Dezember 1998 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG‑Vertrag [Sache IV/34.466 – Griechische Fährschiffe], ABl. 1999, L 109, S. 24, im Folgenden: Entscheidung „Griechische Fährschiffe“, und Entscheidung 1999/210/EG der Kommission vom 14. Oktober 1998 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG‑Vertrag [Sache IV/F‑3/33.708 – British Sugar plc, Sache IV/F‑3/33.709 – Tate & Lyle plc, Sache IV/F‑3/33.710 – Napier Brown & Company Ltd und Sache IV/F‑3/33.711 – James Budgett Sugars Ltd], ABl. 1999, L 76, S. 1, im Folgenden: Entscheidung British Sugar).

111    Zweitens habe die Kommission in Anbetracht des begrenzten Umfangs des belgischen Hoheitsgebiets unter Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung im vorliegenden Fall eine übermäßige Strenge an den Tag gelegt, da ihre Entscheidungspraxis erkennen lasse, dass sie es wiederholt als Begründung für die Annahme eines schweren und nicht besonders schweren Verstoßes die Tatsache habe gelten lassen, dass die betreffende Zuwiderhandlung nur einen Markt von geringer Bedeutung oder begrenztem räumlichem Umfang betroffen habe (Entscheidungen „Griechische Fährschiffe“, „British Sugar“ und „Deutsche Banken“).

112    Drittens sei das Argument der Kommission überzeugend, dass die unmittelbaren Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf die Verbraucher als einer der Gesichtspunkte für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes zugrunde gelegt worden seien. Zum einen hätten nämlich die von den Entscheidungen „Deutsche Banken“ und „British Sugar“ erfassten Kartelle dieselben Merkmale aufgewiesen, ohne dass sie die Kommission deshalb als besonders schwer eingestuft habe, und zum anderen habe im vorliegenden Fall die Vertriebsstruktur für die in Rede stehenden Erzeugnisse sowohl im Großhandel als auch im Horeca‑Sektor – angesichts der Größe der Lagerhaltungsunternehmen – ein wichtiges Gegengewicht zu dem Kartell gebildet, so dass dessen negative Folgen für die Verbraucher zum Teil hätten abgeschwächt werden können.

113    Demgemäß durfte die Kommission nach Ansicht der Klägerin, sollte nicht der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt werden, die in der angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung nicht als besonders schwer einstufen, da sie kein durchorganisiertes Kartell mit ausgeprägten Strukturen und Mechanismen zur Einhaltung von Absprachen zwischen Unternehmen dargestellt und sich nur auf einen begrenzten Raum und einen kleinen Teil der Bierproduktion in der Europäischen Union bezogen habe. Folglich sei die Geldbuße erheblich herabzusetzen.

114    Selbst wenn die Kommission mit der Einstufung der Zuwiderhandlung als besonders schwer nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt haben sollte, müsste nach Ansicht der Klägerin doch auf jeden Fall der Grundbetrag der Geldbuße herabgesetzt werden, um den sehr geringen Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Gemeinschaftsmarkt und dem geringen Verkaufsvolumen der vom Kartell erfassten Erzeugnisse Rechnung zu tragen, wie es die Kommission in der Entscheidung „Nahtlose Stahlrohre“ getan habe. In dieser Entscheidung habe die Kommission nämlich, ohne die Zuwiderhandlung anders einzustufen, einen Grundbetrag angesetzt, der nur halb so hoch gewesen sei wie der in den Leitlinien für besonders schwere Zuwiderhandlungen vorgesehene Betrag, und dies damit begründet, dass die Verkäufe der betreffenden Erzeugnisse durch die Kartellteilnehmer in den vier betroffenen Mitgliedstaaten nur zirka 19 % des Gemeinschaftsverbrauchs ausgemacht hätten. Im vorliegenden Fall machten die unter das Kartell fallenden Erzeugnisse aber weniger als 2,5 % des Gesamtverbrauchs der Europäischen Union aus. Der von der Kommission angesetzte spezifische Grundbetrag stehe demnach außer Verhältnis zu dem Volumen und dem Wert der betreffenden Erzeugnisse und müsse daher reduziert werden.

–       Zur Beurteilung der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der Klägerin, andere Wirtschaftsteilnehmer in erheblichem Umfang zu schädigen: Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

115    Zur von der Kommission vorgenommenen Beurteilung der wirtschaftlichen Fähigkeit der Klägerin, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, macht die Klägerin geltend, die Kommission müsse dabei als Bezugsrahmen den Markt heranziehen, auf dem die Zuwiderhandlung in Erscheinung getreten sei, wobei die Höhe der Geldbuße in einem angemessenen Verhältnis zu dem Umsatz stehen müsse, der auf diesem Markt erzielt worden sei (Urteil des Gerichts vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T‑77/92, Parker Pen/Kommission, Slg. 1994, II‑549, Randnr. 94).

116    Überdies müsse bei der Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Unternehmen, den Wettbewerb zu beeinflussen, deren Stellung auf dem Referenzmarkt berücksichtigt werden.

117    Diese beiden Prinzipien würden in der angefochtenen Entscheidung zwar erwähnt, die Kommission sei ihnen jedoch nicht gefolgt. Während Interbrew im entscheidungserheblichen Zeitraum bei ihrem Absatz auf dem betreffenden Markt im Vergleich zur Klägerin einen viermal so hohen Umsatz erzielt habe, sei der spezifische Grundbetrag für Interbrew weniger als zweimal so hoch wie für die Klägerin. Diese Unverhältnismäßigkeit stehe im Gegensatz zu der jüngsten Praxis der Kommission, wie sie aus der Entscheidung 2003/674/EG vom 2. Juli 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG‑Vertrag und Artikel 53 EWR‑Abkommen (Sache C.37.519 – Methionin) (ABl. 2003, L 255, S. 1, im Folgenden: Entscheidung „Methionin“) hervorgehe; darin habe die Kommission die Auffassung vertreten, dass sich in der Differenz zwischen den verhängten Geldbußen der große Unterschied zwischen dem Marktanteil des größten Herstellers auf dem Weltmarkt und einem seiner Wettbewerber mit einem fünfmal geringeren Marktanteil widerspiegeln müsse.

118    Zudem habe die Kommission nicht die beherrschende Stellung von Interbrew auf dem belgischen Biermarkt berücksichtigt, die die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Klägerin zur Beeinflussung des Marktes oder gar zu einer erheblichen Schädigung des Wettbewerbs zwangsläufig als sehr begrenzt habe erscheinen lassen. Im Übrigen habe die Klägerin nur versucht, ihrer fortschreitenden Marginalisierung Einhalt zu gebieten.

119    Indem die Kommission davon ausgehe, den Grundbetrag der Geldbuße entsprechend dem Gesamtumsatz der Klägerin als einem Gradmesser für deren „Schädigungspotenzial“ und nicht anhand des auf dem betreffenden Markt erzielten Umsatzes festsetzen zu können, habe sie den in der angefochtenen Entscheidung genannten Gesichtspunkt der „Fähigkeit, den Wettbewerb in erheblichem Umfang zu schädigen“, aus dem Auge verloren. Wenn die Kommission einen umfassenderen Umsatz als den am belgischen Biermarkt erzielten habe berücksichtigen wollen, hätte sie die betreffenden Märkte bestimmen und zugleich dartun müssen, inwiefern die Tätigkeiten der Klägerin auf diesen anderen Märkten es ihr ermöglichten, den Wettbewerb auf dem Biermarkt zu schädigen.

120    Die jeweils für Interbrew und die Klägerin festgesetzten Geldbußen gäben bei weitem nicht das hervorstechende Ungleichgewicht zwischen den Stellungen der beiden Unternehmen wieder und ließen im Gegenteil erkennen, dass der zu Lasten der Klägerin festgesetzte spezifische Grundbetrag offensichtlich außer Verhältnis zu deren tatsächlichen Fähigkeit zur Beeinflussung des Marktes stehe.

121    Während der gegenüber Interbrew festgesetzte Betrag in Höhe von 45 Mio. Euro weniger als 6,6 % des 1998 von diesem Unternehmen erzielten Umsatzes ausmache, habe die Kommission mit einem Betrag in Höhe von 25 Mio. Euro für die Klägerin dieser eine Belastung auferlegt, die mehr als 20 % über dem Umsatz liege, den das tatsächlich mit dem Kartell verbundene Unternehmen Alken‑Maes im Jahr 2000 erreicht habe. Demnach wäre der in der Verordnung Nr. 17 festgelegte Grenzwert von 10 % des Gesamtumsatzes bei weitem überschritten worden, wenn Alken‑Maes für ihr eigenes Verhalten zur Rechenschaft gezogen worden wäre.

–       Zur Festsetzung der Geldbuße in einer Höhe, die ihr eine hinreichende Abschreckungswirkung verleiht: Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

122    Die Klägerin rügt zum einen, dass die Kommission nicht angegeben habe, welcher Abschreckungsfaktor bei der Berechnung des Grundbetrags herangezogen worden sei, und dass sie nicht die Grundsätze offen gelegt habe, die der Anwendung des Abschreckungskriteriums gedient hätten, obgleich sie in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt habe, dass die Klägerin und Interbrew große internationale Unternehmen seien und es sich bei Ersterer zudem um einen Mischkonzern handele.

123    Zum anderen beruhe die von der Kommission zur Abschreckung vorgenommene Erhöhung der Geldbuße auf Gründen, die unerheblich und die verhältnismäßig seien.

124    So müsse sich die Bemessung der Geldbuße in einer abschreckenden Höhe nach einem Wettbewerbsziel bestimmen und sich nur nach der Größe des Unternehmens auf dem betreffenden Markt und seinen Gewinnerwartungen aus dem zur Last gelegten Marktverhalten richten. Umstände wie die internationale Dimension des Unternehmens oder seine Rückfälligkeit könnten nicht relevant sein. Im Gegensatz zur Feststellung der Kommission gegenüber ABB Asea Brown Boveri in der Entscheidung 1999/60/EG vom 21. Oktober 1998 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG‑Vertrag (IV/35.691/E-4 – Fernwärmetechnik‑Kartell) (ABl. 1999, L 24, S. 1, im Folgenden: Entscheidung „Fernwärmetechnik“) werde im vorliegenden Fall nicht einmal behauptet, dass die Struktur der Klägerin und das Vorhandensein ausländischer Tochtergesellschaften im Biersektor das streitige Verhalten erleichtert hätten.

125    Nach der Wirtschaftslehre reiche der Betrag einer Geldbuße im Übrigen aus, wenn er die Gewinnerwartungen des Kartellteilnehmers überschreite. Im vorliegenden Fall hätte eine wesentlich niedrigere Geldbuße diese Voraussetzung erfüllt, da die Ertragslage der Klägerin auf dem betreffenden Markt während des gesamten Beanstandungszeitraums negativ gewesen sei.

126    Selbst wenn die Geldbuße, wie die Kommission behaupte, zum Zwecke der Abschreckung umso höher sein müsse, je geringer die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung einer Zuwiderhandlung sei – dies treffe auf geheime Kartelle zu –, hätte die Kommission gegenüber der Klägerin eine wesentlich geringere Geldbuße verhängen müssen. Das hier in Rede stehende Kartell sei zudem nicht geheim gewesen, da mehrere mit ihm im Zusammenhang stehende Treffen in Gegenwart von Wettbewerbern stattgefunden hätten, wie etwa die Gespräche der Arbeitsgruppe „Vision 2000“, oder in Anwesenheit von Händlern, wie etwa die Sitzung am 28. Januar 1993; dabei hätten Letztere das Vorgehen der Kartellteilnehmer sehr genau verfolgt, wie ein Schreiben des Verbands der Bierverleger an die Bierbrauer zeige.

127    Schließlich sei die Berücksichtigung jedes Abschreckungsziels überflüssig gewesen, da die Abschreckungswirkung – wie die sofortige Einstellung des Austauschs von Verkaufsdaten zeige – im vorliegenden Fall bereits mit Beginn der Ermittlungen und der von der Klägerin eingeleiteten Zusammenarbeit erreicht worden sei.

–       Zur Berücksichtigung des Umstands, dass große Unternehmen im Allgemeinen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und entsprechende Ressourcen verfügen: Verletzung des Grundsatzes „ne bis in idem“

128    Die Klägerin führt aus, indem die Kommission den Umstand berücksichtigt habe, dass die Klägerin über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und entsprechende Ressourcen verfüge, anhand deren sie besser erkennen könne, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstelle und welche Folgen diese aus wettbewerbsrechtlicher Sicht haben könne, habe sie insofern den Grundsatz „ne bis in idem“ verletzt, als sie die Geldbuße in der angefochtenen Entscheidung auch wegen Tatwiederholung angehoben habe.

 Vorbringen der Kommission

129    Hinsichtlich der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung weist die Kommission auf die Schwere des fraglichen Verhaltens hin und erklärt, dass eine Qualifizierung auf einen einzigen Mitgliedstaat beschränkter Zuwiderhandlungen als besonders schwer nicht im Gegensatz zu ihrer Entscheidungspraxis stehe. Außerdem bemesse sich die Größe eines Sektors nicht allein nach seinem geografischen Umfang, sondern auch nach seiner wirtschaftlichen Bedeutung. Da der belgische Biersektor rund 1,2 Mrd. Euro ausmache, sei die Zuwiderhandlung in einem sehr wichtigen Bereich begangen worden. Der Verstoß habe sich zudem unmittelbar auf die Verbraucher ausgewirkt, und die Besonderheiten des Biervertriebs hätten diese Auswirkung keineswegs abgeschwächt.

130     Was das Kriterium der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit anbelangt, andere Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere die Verbraucher, in erheblichem Umfang zu schädigen, so macht die Kommission darauf aufmerksam, dass der Gesamtumsatz der Klägerin wesentlich größer sei als derjenige von Interbrew. Überdies könne die Kommission die Art des zu berücksichtigenden Umsatzes selbst wählen, nämlich den Gesamtumsatz oder den Umsatz, der in dem betreffenden Sektor erzielt werde; beide Umsatzarten könnten gegebenenfalls sogar kombiniert werden. Ferner sei es ohne Belang, dass der festgesetzte spezifische Grundbetrag 20 % des jährlichen Gesamtumsatzes von Alken‑Maes ausmache, da der in der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Grenzwert im vorliegenden Fall auf den Umsatz der Klägerin anzuwenden sei.

131    Zu der hinreichenden Abschreckungswirkung der Geldbuße bemerkt die Kommission, dass die Geldbuße bei einer geheimen Zuwiderhandlung viel höher sein müsse als der zu erwartende Gewinn, wobei die Größe und die Produktvielfalt der Klägerin relevante Gesichtspunkte für die Ermittlung des Abschreckungseffekts seien. Weder die Beendigung der Zuwiderhandlung noch die Mitarbeit der Klägerin lasse im Übrigen darauf schließen, dass ein angemessenes Abschreckungsniveau erreicht worden sei.

132    Im Zusammenhang mit der Berücksichtigung des Umstands, dass große Unternehmen im Allgemeinen über den erforderlichen juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und die entsprechenden Ressourcen verfügten, gehe schließlich die von der Klägerin aus einer Verletzung des Grundsatzes „ne bis in idem“ fehl. Die Kommission habe sich bei der Ermittlung des spezifischen Grundbetrags auf das Wissen der Klägerin von der Rechtswidrigkeit ihres Handelns gestützt, während der Vorwurf der Tatwiederholung auf der Fortführung des unerlaubten Verhaltens der Klägerin beruhe.

b)     Würdigung durch das Gericht

133    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 bestimmt: „Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million [Euro] oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig … gegen Artikel [81] Absatz (1) … des Vertrages verstoßen …“ In derselben Bestimmung ist vorgesehen, dass „[b]ei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße … neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen [ist]“ (Urteil des Gerichts LR AF 1998/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 223).

134    Zudem verfügt die Kommission nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Verordnung Nr. 17 bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße über einen Ermessensspielraum, um das Verhalten der Unternehmen auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln ausrichten zu können (Urteile des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T‑150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II‑1165, Randnr. 59, vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T‑49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II‑1799, Randnr. 53, und vom 21. Oktober 1997 in der Rechtssache T‑229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II‑1689, Randnr. 127).

135    Überdies wird die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 50, Randnr. 109, sowie Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T‑12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II‑907, Randnr. 309, und vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑304/94, Europa Carton/Kommission, Slg. 1998, II‑869, Randnr. 89). Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verlangt vielmehr, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 50, Randnr. 109, und LR AF 1998/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnrn. 236 und 237).

136    Es ist indessen zu bemerken, dass das Gericht nach Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 bei Klagen gegen Entscheidungen der Kommission, in denen eine Geldbuße festgesetzt ist, die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung im Sinne von Artikel 229 EG hat, so dass es die verhängte Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen kann. Das Gericht hat im Rahmen seiner unbeschränkten Nachprüfung zu beurteilen, ob die Höhe der verhängten Geldbuße im Verhältnis zu der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung steht (vgl. in diesem Sinne Urteile Deutsche Bahn/Kommission, oben zitiert in Randnr. 134, Randnrn. 125 und 127, und Cheil Jedang/Kommission, oben zitiert in Randnr. 95, Randnr. 93), sowie die Schwere der Zuwiderhandlung und die von der Klägerin geltend gemachten Umstände gegeneinander abzuwägen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 14. November 1996 in der Rechtssache C‑333/94 P, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1996, I‑5951, Randnr. 48).

137    Ferner ist die Schwere der Zuwiderhandlungen nach ständiger Rechtsprechung anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Sache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssen (Beschluss des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C‑137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I‑1611, Randnr. 54, und Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C‑219/95 P, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I‑4411, Randnr. 33, sowie Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑334/94, Sarrió/Kommission, Slg. 1998, II‑1439, Randnr. 328, und LR AF 1998/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 236). Bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung ist insbesondere die Art der Wettbewerbsbeschränkungen zu berücksichtigen (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 45/69, Boehringer/Kommission, Slg. 1970, 769, Randnr. 53, sowie Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1997 in den Rechtssachen T‑213/95 und T‑18/96, SCK und FNK/Kommission, Slg. 1997, II‑1739, Randnr. 246). Die Kommission muss zudem sicherstellen, dass ihr Vorgehen vor allem in Bezug auf solche Zuwiderhandlungen, die die Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft besonders beeinträchtigen, die notwendige abschreckende Wirkung hat (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 50, Randnrn. 105 und 106, und ABB Asea Brown Boveri/Kommission, oben zitiert in Randnr. 50, Randnr. 166).

138    Durch den Erlass der Leitlinien, die unter Beachtung des Vertrages die Kriterien festlegen sollen, die die Kommission bei der Ausübung ihrer Ermessensbefugnis heranziehen will, ergibt sich nach der Rechtsprechung indessen eine Selbstbeschränkung dieser Befugnis, da sich die Kommission an die Richtlinien halten muss, die sie sich selbst auferlegt hat (Urteil Hercules Chemicals/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 53, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C‑51/92 P, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1999, I‑4235, Randnr. 75). Bei der Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung muss die Kommission somit unter einer Vielzahl von Gesichtspunkten auf jeden Fall die Kriterien berücksichtigen, die in den Leitlinien enthalten sind, sofern sie nicht genau die Gründe darlegt, die es gegebenenfalls rechtfertigen, in einem bestimmten Punkt von diesen Kriterien abzuweichen (Urteil des Gerichts vom 19. März 2003 in der Rechtssache T‑213/00, CMA CGM u. a./Kommission, so genanntes Urteil FETTCSA, Slg. 2003, II‑913, Randnr. 271).

139    Nach den Leitlinien geht die Kommission bei der Berechnung der Geldbuße von einem allgemeinen Grundbetrag aus, der nach Maßgabe der Schwere des Verstoßes errechnet wird. Bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes sind seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen (Nr. 1 Abschnitt A Absatz 1). Hierbei werden die Verstöße in drei Gruppen unterteilt, nämlich in „minder schwere Verstöße“ mit einer voraussichtlichen Geldbuße von 1 000 bis 1 Mio. Euro, „schwere Verstöße“, bei denen die Geldbuße zwischen 1 Mio. und 20 Mio. Euro liegen kann, und „besonders schwere Verstöße“ mit einer voraussichtlichen Geldbuße oberhalb von 20 Mio. Euro (Nr. 1 Abschnitt A Absatz 2 erster bis dritter Gedankenstrich).

140    Die Kommission führt aus, dass es sich bei den minder schweren Verstößen in den häufigsten Fällen z. B. um vertikale Beschränkungen des Handels mit begrenzten Auswirkungen auf den Markt handelt, die zwar einen wesentlichen, jedoch relativ engen Teil des Gemeinschaftsmarktes betreffen (Nr. 1 Abschnitt A Absatz 2 erster Gedankenstrich der Leitlinien). Bei den schweren Verstößen geht es in den meisten Fällen um horizontale oder vertikale Beschränkungen der gleichen Art wie bei den minder schweren Verstößen; sie werden jedoch entschlossener angewandt, ihre Auswirkungen auf den Markt sind umfassender, und sie können in einem größeren Teil des Gemeinsamen Marktes zum Tragen kommen. Dabei kann es sich auch um den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen handeln (Nr. 1 Abschnitt A Absatz 2 zweiter Gedankenstrich). Bei den besonders schweren Verstößen schließlich handelt es sich im Wesentlichen um horizontale Beschränkungen, wie z. B. Preiskartelle, Marktaufteilungsquoten und sonstige Beschränkungen der Funktionsweise des Binnenmarktes, wie z. B. die Abschottung der nationalen Märkte oder Missbräuche marktbeherrschender Stellungen von Unternehmen in Quasi‑Monopolstellung (Nr. 1 Abschnitt A Absatz 2 dritter Gedankenstrich).

141    Nach den Leitlinien ermöglicht innerhalb dieser einzelnen Kategorien, insbesondere bei den als „schwer“ und „besonders schwer“ eingestuften, die Skala der festzusetzenden Geldbußen eine Differenzierung gemäß der Art des begangenen Verstoßes (Nr. 1 Abschnitt A Absatz 3). Ferner ist die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber des Verstoßes, andere Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere die Verbraucher, in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen und die Geldbuße so zu bemessen, dass eine hinreichend abschreckende Wirkung gewährleistet ist (Nr. 1 Abschnitt A Absatz 4). Darüber hinaus kann auch der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind (Nr. 1 Abschnitt A Absatz 5).

142    Bei Verstößen, an denen, wie bei Kartellen, mehrere Unternehmen beteiligt sind, sollten in bestimmten Fällen die innerhalb der drei vorstehend beschriebenen Gruppen festgesetzten Beträge gewichtet werden, um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren, und es sollte der allgemeine Grundbetrag dementsprechend dem besonderen Charakter der einzelnen Unternehmen angepasst werden (Nr. 1 Abschnitt A Absatz 6).

143    In den Leitlinien wird zudem ausgeführt, dass der Grundsatz der Strafgleichheit für die gleiche Verhaltensweise somit gegebenenfalls dazu führen kann, dass abgestufte Beträge gegenüber den beteiligten Unternehmen festgesetzt werden, wobei dieser Abstufung eine arithmetische Formel zugrunde liegt (Nr. 1 Abschnitt A Absatz 7).

144    Anhand dieser Grundsätze ist zunächst zu prüfen, ob die Kommission bei der Anwendung der in den Leitlinien für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung festgelegten Methode die von der Klägerin geltend gemachten Grundsätze verletzt hat. Sodann ist festzustellen, ob – unter der von der Klägerin hilfsweise herangezogenen Voraussetzung, dass die Zuwiderhandlung als besonders schwer einzustufen ist – der letztlich für die Klägerin angesetzte spezifische Grundbetrag von 25 Mio. Euro seinerseits angemessen ist im Verhältnis zu den von der Klägerin vorgetragenen Umständen, dass sich die Zuwiderhandlung nur sehr wenig auf den Gemeinschaftsmarkt ausgewirkt habe und der Absatz der vom Kartell erfassten Erzeugnisse nur einen geringen Umfang erreicht habe.

 Zur Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung

145    Aus der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Kommission bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung folgende Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat: das Wesen der Zuwiderhandlung sowie die Umstände, dass sich das Kartell auf alle Segmente des Biermarktes bezog, dass die streitigen Besprechungen auf der höchsten Managementebene stattfanden, dass sich die Absprachen und Abstimmungen auf eine breite Palette von Wettbewerbsparametern erstreckten, dass nicht gefolgert werden kann, das Kartell habe keine oder nur beschränkte Rückwirkung auf den Markt gehabt, und dass der betreffende räumliche Markt das gesamte belgische Staatsgebiet umfasste.

146    Hinsichtlich der Frage, ob die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung mit den Leitlinien und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht, ist zunächst zu prüfen, wie die Kommission diese Schwere im Hinblick auf die drei relevanten Gesichtspunkte, nämlich die Art der Zuwiderhandlung, ihre konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, und den Umfang des betreffenden räumlichen Marktes, ermittelt hat (vgl. oben, Randnr. 139).

147    Zunächst ist zu der Art der Zuwiderhandlung festzustellen, dass die Klägerin die in der 297. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung genannten Umstände nicht bestreitet, nämlich dass das Kartell insbesondere einen allgemeinen Nichtangriffspakt, einen Austausch von Informationen über den Absatz, eine unmittelbare und mittelbare Vereinbarung und Abstimmung von Preisen und Verkaufsförderung im Einzelhandel, die Aufteilung der Kunden im Horeca‑Markt sowie die Beschränkung von Investitionen und Werbung auf demselben Markt umfasste. Nach ständiger Rechtsprechung gehören horizontale Preisabsprachen zu den schwersten Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft und können daher als solche als besonders schwere Verstöße eingestuft werden (Urteile des Gerichts vom 12. Juli 2001 in den verbundenen Rechtssachen T‑202/98, T‑204/98 und T‑207/98, Tate & Lyle u. a./Kommission, Slg. 2001, II‑2035, Randnr. 103, und FETTCSA, oben zitiert in Randnr. 138, Randnr. 262). Die von der Kommission in der 297. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung aufgezeigten Mechanismen gehören, über den Umstand hinaus, dass sie eine Preisabsprache darstellen, zu den schwerwiegendsten Arten einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs, da sie schlichtweg darauf abzielen, diesen zwischen den beteiligten Unternehmen auszuschalten. Somit kann die Schlussfolgerung der Kommission, dass die in Rede stehenden Vereinbarungen und Abstimmungen ihrem Wesen nach einen besonders schweren Verstoß darstellen, nicht bestritten werden. Dies gilt umso mehr, als die Kommission darüber hinaus dargelegt hat, dass sich die Vereinbarungen und Abstimmungen auf eine breite Palette von Wettbewerbsparametern bezogen und alle Segmente des Biermarktes erfasst hätten, wobei sich dies unmittelbar und logischerweise aus den Sachverhaltselementen ergibt, die in der 297. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung aufgeführt sind und die die Klägerin nicht bestreitet. Auch die das Kartell betreffenden Zusammenkünfte auf höchster Ebene, nämlich auf der Ebene der Generaldirektionen der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaft, die ebenfalls nicht bestritten werden, sind nicht dazu angetan, die besondere Schwere der Art der Zuwiderhandlung zu mindern.

148    Zu dem Gesichtspunkt der Auswirkungen des Kartells ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zwar bemerkt hat, dass bestimmte Komponenten des Kartells nicht oder nicht vollständig umgesetzt worden seien, jedoch die Schlussfolgerung ausgeschlossen hat, dass keine oder nur beschränkte Auswirkungen auf dem Markt vorgelegen hätten. Zur Bekräftigung dessen hat die Kommission nicht nur auf den schriftlichen Beweis in Form von Aufzeichnungen eines Vertreters von Interbrew anlässlich eines Treffens am 28. Januar 1998 hingewiesen, worin bestimmte Umsetzungen dargestellt werden, sondern sie hat auch aufgezeigt, dass es einen tatsächlichen Informationsaustausch über Absatzzahlen zwischen Alken‑Maes und Interbrew gegeben hatte. Auch eine teilweise Umsetzung einer wettbewerbswidrigen Zwecken dienenden Vereinbarung genügt indessen, um auszuschließen, dass diese Vereinbarung sich nicht auf den Markt ausgewirkt hat.

149    Das Argument der Klägerin, das Kartell sei wenig entwickelt und nicht sehr förmlich gewesen, was von einer geringen Tatabsicht zeuge, wird durch die Tatsachen widerlegt. Die von der Klägerin nicht bestrittene Vielfalt und Gleichzeitigkeit der mit dem Kartell verfolgten Ziele lassen nämlich einen wahren wettbewerbswidrigen Plan erkennen, der nicht von einer geringen, sondern vielmehr von einer ausgeprägten Tatabsicht zeugt. Auch wenn das Kartell durch einen geringen Förmlichkeitsgrad gekennzeichnet gewesen sein sollte, lässt es also doch einen hohen Ausgestaltungsgrad erkennen.

150    Zum Kriterium des Umfangs des betreffenden räumlichen Marktes schließlich stellt die Kommission in der angefochtenen Entscheidung fest, dass das Kartell das gesamte belgische Staatsgebiet umfasst habe, was die Klägerin nicht bestreitet. Aus der Rechtsprechung geht indessen hervor, dass ein räumlicher Markt, der sich auf das gesamte Gebiet eines Staates bezieht, einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes ausmacht (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 28). Wie die Kommission zudem in den Leitlinien ausführt, handelt es sich bei besonders schweren Verstößen zumeist um horizontale Beschränkungen wie z. B. Preiskartelle, Marktaufteilungsquoten und sonstige Beschränkungen der Funktionsweise des Binnenmarktes (vgl. oben, Randnr. 140). Aus dieser als Hinweis dienenden Beschreibung ergibt sich, dass sich Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die – wie im vorliegenden Fall – insbesondere auf die Festsetzung der Preise und die Aufteilung der Kunden abzielen, bereits aufgrund ihres Wesens als besonders schwer einstufen lassen, ohne dass es erforderlich wäre, dass solche Verhaltensweisen durch eine Rückwirkung oder einen besonderen räumlichen Umfang gekennzeichnet sind. Dies wird dadurch bekräftigt, dass in der als Hinweis dienenden Beschreibung der als schwer anzusehenden Verstöße erwähnt wird, es handele sich dabei um Zuwiderhandlungen der gleichen Art wie bei den als minder schwer eingestuften Verstößen, „die jedoch entschlossener angewandt werden, deren Auswirkungen auf den Markt umfassender sind und die in einem größeren Teil des Gemeinsamen Marktes zum Tragen kommen können“, während bei der Beschreibung der besonders schweren Verstöße kein Erfordernis der Auswirkung auf den Markt oder in einem besonderen räumlichen Bereich erwähnt wird.

151    Demgemäß hat die Kommission nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, als sie die Zuwiderhandlung im Sinne von Nummer 1 Abschnitt A der Leitlinien als besonders schwer einstufte.

152    Hierbei ist zu bemerken, dass das Gericht bei einem Preiskartell mit begrenztem räumlichem Markt die Auffassung vertreten hat, dass die Einstufung dieses Kartells wegen ihrer beschränkten Auswirkung auf den Markt als „schwer“ bereits eine mildere Beurteilung darstelle im Vergleich zu den allgemein geltenden Kriterien für die Festsetzung von Geldbußen im Fall von Preiskartellen, wonach die Kommission das Kartell als besonders schweren Verstoß hätte einstufen müssen (Urteil Tate & Lyle u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 147, Randnr. 103).

153    Was ferner das Vorbringen anbelangt, die Kommission sei im vorliegenden Fall unter Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von ihrer Entscheidungspraxis abgewichen, so ist darauf hinzuweisen, dass die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 234) und dass außerdem die Kommission nach ständiger Rechtsprechung (vgl. oben, Randnr. 134) im Rahmen der Verordnung Nr. 17 bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße über einen Ermessensspielraum verfügt, um das Verhalten der Unternehmen auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln ausrichten zu können. Sie hat also im Rahmen ihrer Ermessensbefugnis und der Anhaltspunkte in Nummer 1 Abschnitt A Absatz 2 dritter Gedankenstrich der Leitlinien festzustellen, ob die Umstände der von ihr zu behandelnden Sache die Einstufung der Zuwiderhandlung als besonders schwer rechtfertigen. Aus den vorstehenden Randnummern 146 bis 152 ergibt sich, dass dies der Fall ist.

154    Wie bereits oben in den Randnummern 134 und 135 ausgeführt, wird die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verlangt vielmehr, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann. Dies kann keine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung durch die Kommission im Vergleich zu ihrer früheren Praxis darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 20. April 1999 in den Rechtssachen T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, so genanntes Urteil PVC II, Slg. 1999, II‑931, Randnr. 1232).

155    Folglich hat sich die Kommission an ihre Leitlinien gehalten und weder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt, als sie die besondere Schwere der hier in Rede stehenden Zuwiderhandlung im Sinne von Nummer 1 Abschnitt A Absatz 1 der Leitlinien feststellte.

 Zur Beurteilung der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der Klägerin, andere Wirtschaftsteilnehmer in erheblichem Umfang zu schädigen

156    Nach den Leitlinien sollte bei Verstößen, an denen, wie bei Kartellen, mehrere Unternehmen beteiligt sind, für eine Zuwiderhandlung einer bestimmten Schwere der allgemeine Grundbetrag gewichtet werden, um zu einem spezifischen Grundbetrag zu gelangen, der das Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb berücksichtigt, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren (Nr. 1 Abschnitt A Absatz 6, vgl. oben, Randnr. 142). Insbesondere ist die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber des Verstoßes zu berücksichtigen, andere Wirtschaftsteilnehmer, darunter die Verbraucher, in erheblichem Umfang zu schädigen (Nr. 1 Abschnitt A Absatz 4, vgl. oben, Randnr. 141).

157    Wie zudem aus der Rechtsprechung hervorgeht, sehen die Leitlinien zwar nicht vor, dass die Höhe von Geldbußen anhand des Gesamtumsatzes oder des Umsatzes der Unternehmen auf dem betreffenden Markt berechnet wird. Sie schließen jedoch auch nicht aus, dass diese Umsätze bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden, damit die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts gewahrt bleiben und wenn die Umstände es erfordern. Insbesondere kann der Umsatz eine Rolle spielen, wenn es um die Berücksichtigung der verschiedenen oben in den Randnummern 141 bis 143 angeführten Umstände geht (Urteile LR AF 1998/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnrn. 283 und 284, und Cheil Jedang/Kommission, oben zitiert in Randnr. 95, Randnr. 82).

158    Nach ständiger Rechtsprechung können überdies zu den Gesichtspunkten für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes je nach den Umständen des Einzelfalls die Menge und der Wert der Waren, auf die sich die Zuwiderhandlung bezogen hat, die Größe und die Wirtschaftskraft des Unternehmens und damit der Einfluss gehören, den dieses auf den Markt ausüben konnte. Daraus ergibt sich zum einen, dass bei der Festsetzung der Geldbuße sowohl der Gesamtumsatz des Unternehmens, der – wenn auch nur annähernd und unvollständig – etwas über dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, als auch der Teil dieses Umsatzes berücksichtigt werden darf, der mit dem Verkauf der Waren erzielt worden ist, auf die sich die Zuwiderhandlung bezogen hat, und der somit einen Anhaltspunkt für das Ausmaß dieser Zuwiderhandlung liefern kann. Zum anderen folgt daraus, dass weder der einen noch der anderen dieser Umsatzzahlen eine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden darf, so dass die Festsetzung einer angemessenen Geldbuße nicht das Ergebnis eines bloßen, auf den Gesamtumsatz gestützten Rechenvorgangs sein kann (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 50, Randnrn. 120 und 121, sowie Urteile des Gerichts in der Rechtssache Parker Pen/Kommission, oben zitiert in Randnr. 115, Randnr. 94, vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑327/94, SCA Holding/Kommission, Slg. 1998, II‑1373, Randnr. 176, und Cheil Jedang/Kommission, oben zitiert in Randnr. 95, Randnr. 83).

159    Von begrenzter Tragweite ist zunächst das Vorbringen der Klägerin, die Tatsache, dass bei den einzelnen Unternehmen der für sie festgesetzte Grundbetrag und ihr Marktanteil auf dem belgischen Biermarkt jeweils in einem anderen Verhältnis zueinander stünden, zeige, dass die Kommission den Grundsatz missachtet habe, wonach das Schädigungspotenzial eines Unternehmens in angemessener Weise jeweils aus dem Umfang und dem Wert der von dem einzelnen Beteiligten abgesetzten Waren hervorgehe. Die Grundbeträge, auf die sich die Klägerin bezieht, umfassen nämlich nicht nur eine Anpassung im Hinblick auf die tatsächliche Fähigkeit, den Wettbewerb auf dem Markt zu beeinträchtigen, sondern auch eine Anpassung zum Zwecke der abschreckenden Wirkung.

160    Aus der 305. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass die Kommission die Anpassung des Betrages der Geldbußen zum Zwecke einer wirksamen Abschreckung in zwei Stufen vorgenommen hat. Zunächst wurden die Klägerin und Interbrew nämlich gleichbehandelt, indem die Kommission bei der Bemessung des spezifischen Grundbetrags jeweils der Tatsache Rechnung trug, dass es sich um „große internationale Unternehmen“ handelt. Sodann führt die Kommission aus, es sei „ferner von Interesse, dass es sich [bei der Klägerin] um einen Mischkonzern handelt“, und bringt damit gegenüber der Klägerin ein zusätzliches Abschreckungserfordernis zum Ausdruck. Daraus ergibt sich hinsichtlich des Abschreckungseffekts – ohne dass in diesem Stadium die einschlägigen Schlussfolgerungen der Kommission bereits abschließend beurteilt werden –, dass bei der Festsetzung des spezifischen Grundbetrags der Geldbuße für die Klägerin einem größeren Abschreckungserfordernis Rechnung getragen wurde als gegenüber Interbrew.

161    Jedoch ist festzustellen, dass der spezifische Grundbetrag für die Klägerin zirka 45 % niedriger ist als für Interbrew. Zudem hat die Kommission zum einen in der 303. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung betont, dass sie die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, den Wettbewerb in erheblichem Umfang zu schädigen, berücksichtige, und zum anderen in der 304. Begründungserwägung erklärt, dass ein beträchtlicher Größenunterschied zwischen Interbrew als Marktführer in Belgien mit einem Marktanteil von rund 55 % und Alken‑Maes als Nummer 2 auf diesem Markt mit zirka 15 % bestanden habe.

162    Die Kommission hat somit im Einklang mit den Leitlinien die relative tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der beiden Unternehmen, andere Wirtschaftsteilnehmer zu schädigen, berücksichtigt, indem sie für die Ermittlung des spezifischen Grundbetrags der Klägerin den allgemeinen Grundbetrag, der im Sinne von Nummer 1 Abschnitt A Absatz 1 der Leitlinien der Schwere der Zuwiderhandlung entspricht, erheblich nach unten gewichtet hat. Der Umstand, dass sich die 303. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung auf die Fähigkeit, „den Wettbewerb in erheblichem Umfang zu schädigen“, bezieht, anstatt den Wortlaut der Leitlinien wiederzugeben, ist ohne Belang. Ebenso ist es für die Gültigkeit der von der Kommission angewandten Methode ohne Bedeutung, dass das Verhältnis zwischen den Grundbeträgen der beiden Unternehmen von dem genauen Verhältnis zwischen ihren Marktanteilen abweicht. Nach Nummer 1 Abschnitt A Absatz 7 der Leitlinien liegt nämlich der Abstufung der betreffenden Beträge nicht notwendigerweise eine arithmetische Formel zugrunde.

163    Was zweitens die Argumente der Klägerin anbelangt, die spezifischen Grundbeträge entsprächen nicht dem durch die beherrschende Stellung von Interbrew auf dem belgischen Biermarkt entstandenen flagranten Ungleichgewicht, das Alken‑Maes zu dem Versuch gezwungen habe, ihrer zunehmenden Marginalisierung Einhalt zu gebieten, und das jedenfalls beweise, dass die Klägerin nicht fähig gewesen sei, den Wettbewerb zu schädigen, so ist zu bemerken, dass die in der angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung von der Klägerin nicht bestritten wird. Diese Zuwiderhandlung, die aus einer Gesamtheit von Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen besteht, beinhaltet zum einen eine Willensübereinstimmung zwischen den Beteiligten und zum anderen, dass die Schädigung des Wettbewerbs auf diese Übereinstimmung und somit auf den Willen jedes Beteiligten zurückzuführen war. Die Klägerin kann sich daher nicht auf eine Zwangslage berufen, um sich von dem Schaden zu entlasten, den sie dem Wettbewerb zugefügt hat.

164    Darüber hinaus ist zu bemerken, dass nach gefestigter Rechtsprechung ein Unternehmen, das mit anderen Unternehmen an wettbewerbswidrigen Handlungen teilnimmt, nicht geltend machen kann, diese Teilnahme beruhe auf von den anderen Beteiligten ausgeführtem Zwang. Statt an den betreffenden Handlungen teilzunehmen, hätte es nämlich den zuständigen Behörden den auf es ausgeübten Zwang anzeigen und bei der Kommission Beschwerde nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 erheben können (Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T‑9/89, Hüls/Kommission, Slg. 1992, II‑499, Randnrn. 123 und 128, vom 6. April 1995 in der Rechtssache T‑141/89, Tréfileurope/Kommission, Slg. 1995, II‑791, Randnr. 58, und LR AF 1998/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 142).

165    Zu dem Argument schließlich, der für die Klägerin angesetzte spezifische Grundbetrag mache einen viel höheren Prozentsatz des Umsatzes von Alken‑Maes aus als der entsprechende für Interbrew angesetzte Betrag im Verhältnis zum Umsatz dieses Unternehmens, ist darauf hinzuweisen, dass diese Beträge, wie bereits oben in den Randnummern 159 und 160 dargelegt, nicht allein die effektive Schädigung des Wettbewerbs durch die einzelnen Beteiligten wiedergeben, da sie auch den in den Leitlinien genannten Abschreckungseffekt umfassen. Ferner ist das Argument, der festgesetzte Betrag liege in Bezug auf Alken‑Maes über dem Grenzwert, den die Verordnung Nr. 17 für den Prozentsatz des Umsatzes festlege, nicht stichhaltig, da sich die angefochtene Entscheidung an die Klägerin richtet.

166    Somit sind alle Rügen zurückzuweisen, die darauf gestützt werden, dass die Kommission unter Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die tatsächliche Fähigkeit der Beteiligten, andere Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere die Verbraucher, in erheblichem Umfang zu schädigen, falsch beurteilt habe.

 Zur Festsetzung der Geldbuße in einer Höhe, die eine hinreichend abschreckende Wirkung gewährleistet

167    Aus den Leitlinien geht hervor, dass der allgemeine Grundbetrag in Fällen, in denen, wie bei Kartellen, mehrere Unternehmen beteiligt sind, gewichtet werden kann, um zu einem spezifischen Grundbetrag zu gelangen, mit dem das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb berücksichtigt wird, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt sind (vgl. oben, Randnr. 142). Es ist insbesondere erforderlich, die Geldbuße so zu bemessen, dass eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet ist (vgl. oben, Randnr. 141).

168    Die Berücksichtigung dieses Abschreckungseffekts bei der Bemessung der Geldbuße nach der Schwere der Zuwiderhandlung steht im Zusammenhang mit einer gefestigten Rechtsprechung, wonach der Abschreckungseffekt der Geldbußen einer der Gesichtspunkte ist, die die Kommission bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes und damit bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigen kann, wobei die Schwere der Zuwiderhandlung anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende und abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss SPO u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 137, Randnr. 54, sowie Urteile Ferriere Nord/Kommission, oben zitiert in Randnr. 137, Randnr. 33, und Sarrió/Kommission, oben zitiert in Randnr. 137, Randnr. 328).

169    Nach der Rechtsprechung gehört die Befugnis der Kommission, Geldbußen gegen Unternehmen zu verhängen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen Artikel 81 EG verstoßen, zu den Befugnissen, die der Kommission eingeräumt worden sind, um sie in die Lage zu versetzen, die ihr durch das Gemeinschaftsrecht übertragene Überwachungsaufgabe zu erfüllen. Diese Aufgabe umfasst auch den Auftrag, eine allgemeine Politik mit dem Ziel zu verfolgen, die im Vertrag niedergelegten Grundsätze in Wettbewerbssachen anzuwenden und das Verhalten der Unternehmen in diesem Sinne auszurichten. Daraus folgt, dass die Kommission bei der für die Bemessung der Geldbuße erforderlichen Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung sicherstellen muss, dass ihr Vorgehen vor allem in Bezug auf Zuwiderhandlungen, die die Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft besonders beeinträchtigen, die notwendige abschreckende Wirkung hat (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 50, Randnrn. 105 und 106, und ABB Asea Brown Boveri/Kommission, oben zitiert in Randnr. 50, Randnr. 166).

170    Demgemäß konnte die Kommission bei der Festsetzung des spezifischen Grundbetrags der Geldbuße den Abschreckungszweck berücksichtigen, der gerade die Schwere der begangenen Zuwiderhandlung widerspiegelt. Das Bestreben, eine Abschreckungswirkung zu erzielen, ist nämlich fester Bestandteil der Gewichtung der Geldbußen nach der Schwere der Zuwiderhandlung, da sie verhindern soll, dass nach einer Berechnungsmethode Geldbußen festgesetzt werden, die für bestimmte Unternehmen keine geeignete Höhe erreichen, um eine hinlänglich abschreckende Wirkung zu erzielen.

171    Zu der Argumentation der Klägerin mit dem Umstand, dass der für die Berechnung der Geldbuße herangezogene Abschreckungsfaktor nicht einzeln erkennbar gemacht worden sei, ist zu bemerken, dass die Kommission für die Berücksichtigung des Abschreckungszwecks in den Leitlinien keine individualisierten Methoden oder Kriterien festgelegt hat, deren Einzeldarstellung verbindlich sein könnte. Die Argumentation geht daher fehl.

172    Dasselbe gilt für die Argumentation damit, dass die Grundsätze, die der Ermittlung des Abschreckungsbedürfnisses gedient hätten, nicht dargelegt worden seien. Die Klägerin erkennt nämlich selbst an, dass die Kommission in der 305. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, dass die Klägerin und Interbrew große internationale Unternehmen seien und dass es sich bei der Klägerin darüber hinaus um einen Mischkonzern handele. Außerdem hat die Kommission in der 306. Begründungserwägung erklärt, sie habe berücksichtigt, dass die Klägerin über den juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und die entsprechenden Ressourcen verfüge, die sie in die Lage versetzten, klarer zu erkennen, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstelle und welche Folgen diese aus wettbewerbsrechtlicher Sicht haben könnte. Entgegen der Behauptung der Klägerin wurden somit die Grundsätze erläutert, auf denen die Ermittlung des Abschreckungsbedürfnisses beruht.

173    Ferner sind die verschiedenen Argumente der Klägerin dafür zu prüfen, dass die Überlegungen, auf die die Kommission ihre Feststellung eines spezifischen Abschreckungsbedürfnisses stützt, irrelevant und unausgewogen sind.

174    Das Argument, dass der Gesichtspunkt der Tatwiederholung nicht als relevant angesehen werden könne, ist ohne weiteres zurückzuweisen, da die Kommission ihre Abschreckungserwägungen nicht auf diese Rüge gestützt hat.

175    Zu dem Argument, die Gesamtgröße des Unternehmens und sein internationaler Umfang seien nicht von Belang für die Wettbewerbszwecke, die die Kommission zu verfolgen habe, ist zunächst zu bemerken, dass die Tatsache, dass die Klägerin über den juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und die entsprechenden Ressourcen verfügte, die sie in die Lage versetzten, klarer zu erkennen, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen diese aus wettbewerbsrechtlicher Sicht haben kann, aus den Gesamtressourcen des Unternehmens und damit aus seiner Größe hervorgeht, deren internationale Dimension ein Indiz unter anderen ist. Die Kommission hat dies somit zu Recht berücksichtigt. Wenn die Klägerin nämlich an dem festgestellten Kartell trotz der Mittel teilgenommen hat, über die sie verfügte, um die Unerlaubtheit des Kartells und deren Folgen zu erkennen, so zeugt dies von einem zusätzlichen Abschreckungsbedürfnis im Vergleich zu Unternehmen, die nicht über solche Mittel verfügen.

176    Das Argument, dass die Berücksichtigung des geheimen Charakters des Kartells für die Bestimmung des erforderlichen Abschreckungsniveaus unpassend sei, da das Kartell zumindest von der Klägerin nicht geheim gehalten worden sei, stützt sich auf die Behauptung, dass im Rahmen des Kartells mehrere Treffen, wie etwa die Gespräche der Arbeitsgruppe „Vision 2000“, in Gegenwart von Wettbewerbern oder, wie etwa die Sitzung am 28. Januar 1993, an der die Bierverleger teilgenommen hätten, in Anwesenheit von Händlern stattgefunden hätten. Zudem zeige ein Schreiben des Verbands der Bierverleger vom 4. August 1997 an die Bierbrauer, dass die Händler das Vorgehen der Kartellteilnehmer sehr genau verfolgt hätten.

177    Zunächst ist zu den Treffen der Arbeitsgruppe „Vision 2000“ zu bemerken, dass die Kommission in der 128. bis 155. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung nicht geltend macht, dass diese Treffen – sie sind als offiziell anzusehen, da sie im Rahmen der Confédération des brasseries de Belgique (Vereinigung der belgischen Bierbrauereien, im Folgenden: CBB) stattfanden und einen Großteil dieser Branche zusammenführten – als solche einen Verstoß begründet hätten. Sie erklärt vielmehr, dass Interbrew und Alken‑Maes im Kontext ihrer bilateralen Kontakte gemeinsam gehandelt und die Vorteile erkannt hätten, die sich ergäben, wenn Maßnahmen innerhalb der CBB getroffen würden, und dass Interbrew und Alken‑Maes übereingekommen seien, dass ein Teil des Kartells, nämlich der die Investitionen und die Werbung im Horeca‑Sektor und das neue Preisgestaltungssystem betreffende, im Rahmen der CBB umgesetzt werden könne. Die Kommission beruft sich somit auf eine Instrumentalisierung der CBB zur ohne Wissen der übrigen Gesprächsteilnehmer zu erreichenden Umsetzung einer Vereinbarung zwischen Interbrew und der Klägerin daraufhin, bestimmte Preisüberlegungen in diesem Gremium in einem den Zwecken ihrer Absprache konformen Sinn zu beeinflussen, ohne dass die übrigen Teilnehmer von der genannten Absprache unterrichtet worden seien. Überdies sind die Zwecke, die Interbrew und die Klägerin mit Hilfe der CBB und der Treffen der Arbeitsgruppe „Vision 2000“ verfolgt haben, nämlich die Einschränkung der Investitionen und der Werbung im Horeca‑Sektor und die Entwicklung eines neuen Preisgestaltungssystems, jedenfalls nur als ein begrenzter Aspekt des Kartells anzusehen, mit dem andere geheime Absprachen verbunden waren, wie etwa ein allgemeiner Nichtangriffspakt, eine Vereinbarung über die Preise und die Verkaufsförderung im Einzelhandel, die Aufteilung der Kundschaft im Horeca‑Sektor oder auch ein Informationsaustausch über den Absatz. Die Treffen der Arbeitsgruppe „Vision 2000“ lassen daher nicht den Schluss zu, dass das Kartell nicht geheim war.

178    Sodann ist zu der Sitzung vom 28. Januar 1993 (vgl. oben, Randnrn. 126 bis 131) festzustellen, dass sich der von einem Vertreter von Interbrew verfasste Bericht über diese Sitzung zwar auf eine „Sitzung mit den Bierverlegern“ bezieht und eine Vereinbarung zur Anhebung der Preise und zur Auferlegung von Mindestpreisen für den Bierabsatz über bestimmte Vertriebskanäle wiedergibt, dass jedoch aus diesem Bericht keineswegs zu schließen ist, dass die darin enthaltenen wettbewerbswidrigen Vorgaben den Bierverlegern in der Sitzung am 28. Januar 1993 voll inhaltlich zur Kenntnis gebracht wurden. Diese Vorgaben bestätigen eine enge Koordinierung der Handelspolitik zwischen Alken‑Maes und Interbrew, sie erlauben hingegen nicht den Schluss, dass den Bierverlegern die Existenz der Kartellabsprache bekannt war.

179    Zu dem Schreiben des Verbands der Bierverleger vom 4. August 1997 an Alken‑Maes ist zu bemerken, dass darin nur die Vertriebspolitik von Alken‑Maes unter dem Aspekt beanstandet wird, dass sie die Zukunft der unabhängigen Händler beeinträchtigen würde. Dieses Schreiben lässt daher nicht den Schluss zu, dass die Bierverleger von dem Kartell wussten.

180    Somit ist das Vorbringen zurückzuweisen, das mit der angefochtenen Entscheidung festgestellte Kartell sei nicht geheim gewesen.

181    Die Kommission konnte diese Gesichtspunkte daher in Verfolgung ihrer Aufgabe, wie sie die in den vorstehenden Randnummern 134 und 135 genannte Rechtsprechung umschreibt, und unter Beachtung des in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgelegten rechtlichen Rahmens bei der Ermittlung des erforderlichen Abschreckungseffekts berücksichtigen.

182    Ferner ist das Argument der Klägerin, eine Berücksichtigung des Abschreckungszwecks sei überflüssig, da die Zuwiderhandlung mit dem Eingreifen der Kommission beendet worden sei, mit dem Hinweis darauf zurückzuweisen, dass die Abschreckung das künftige Verhalten des Unternehmens ausrichten soll und dass sich aus der Beendigung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens durch ein Unternehmen nach Aufdeckung des Verstoßes durch die Kommission, also aufgrund eines objektiven Zwanges, nicht ableiten lässt, dass das betreffende Unternehmen tatsächlich davon abgeschreckt wird, in Zukunft ein derartiges Verhalten zu wiederholen.

183    Somit sind die Rügen, die sich auf einer falschen Ermittlung der für den Abschreckungseffekt erforderlichen Höhe der Geldbuße unter Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stützen, insgesamt zurückzuweisen.

 Zur Berücksichtigung des juristischen und wirtschaftlichen Sachverstands und der entsprechenden Ressourcen, über die Großunternehmen im Allgemeinen verfügen

184    Nach der Rechtsprechung gehört der Grundsatz „ne bis in idem“, der auch in Artikel 4 des Protokolls Nr. 7 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) niedergelegt ist, zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, die das Gericht zu beachten hat (Urteile des Gerichtshofes vom 5. Mai 1966 in den Rechtssachen 18/65 und 35/65, Gutmann/Kommission, Slg. 1966, 154, 178, und vom 14. Dezember 1972 in der Rechtssache 7/72, Boehringer/Kommission, Slg. 1972, 1281, Randnr. 3, sowie Urteil PVC II, oben zitiert in Randnr. 154, Randnr. 96, in diesem Punkt bestätigt durch Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 97, Randnr. 59).

185    Im Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft verbietet dieser Grundsatz, dass die Kommission ein Unternehmen erneut für ein wettbewerbswidriges Verhalten verurteilt oder verfolgt, für das es bereits durch eine frühere nicht mehr anfechtbare Entscheidung der Kommission mit einer Sanktion belegt oder für nicht verantwortlich erklärt worden war. Die Anwendung des Grundsatzes „ne bis in idem“ hängt von der dreifachen Voraussetzung der Identität des Sachverhalts, des Zuwiderhandelnden und des geschützten Rechtsguts ab (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Januar 2004 in den Rechtssachen C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Aalborg Portland u. a./Kommission, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 338).

186    Die Kommission hat im vorliegenden Fall in der 306. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung für eine Erhöhung der Geldbuße der Klägerin berücksichtigt, dass diese über den juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und die entsprechenden Ressourcen verfügt habe, die sie in die Lage versetzt hätten, klarer zu erkennen, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstelle und welche Folgen diese aus wettbewerbsrechtlicher Sicht haben könne. Zudem hat die Kommission in der 314. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung für die Erhöhung der Geldbuße der Klägerin berücksichtigt, dass diese bereits zweimal wegen Verstoßes gegen Artikel 81 EG verurteilt worden sei.

187    Somit liegen hier die Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes „ne bis in idem“ nach dessen Umschreibung durch die Rechtsprechung in Wettbewerbssachen (vgl. oben, Randnr. 185) nicht vor, da die Kommission für die Bemessung der Geldbuße lediglich Tatsachenerwägungen berücksichtigt hat, nämlich zum einen, dass die Klägerin aufgrund ihres juristischen und wirtschaftlichen Sachverstands und der entsprechenden Ressourcen in der Lage gewesen sei, die Unerlaubtheit ihres Verhaltens und die sich aus diesem ergebenden Folgen zu beurteilen, und zum anderen, dass die Klägerin bereits zweimal wegen Verstoßes gegen Artikel 81 EG verurteilt worden sei. Die Kommission hat demnach in der 306. und in der 314. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung die Geldbuße aufgrund unterschiedlicher Erwägungen erhöht. Der vierte Teil dieses Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

 Zur Angemessenheit des spezifischen Grundbetrags angesichts der von der Klägerin geltend gemachten Umstände

188    Die Klägerin trägt hilfsweise vor, selbst wenn die Kommission mit der Einstufung der Zuwiderhandlung als besonders schwer nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt haben sollte, müsste der Grundbetrag der Geldbuße dennoch herabgesetzt werden, um der sehr geringen Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Gemeinschaftsmarkt und dem geringen Verkaufsvolumen der vom Kartell erfassten Erzeugnisse Rechnung zu tragen.

189    Die Kommission ist gemäß der Methode der Leitlinien (vgl. oben, Randnrn. 139 bis 143) bei der Berechnung der Geldbuße zunächst von einem allgemeinen Grundbetrag ausgegangen, der nach Maßgabe der Schwere des Verstoßes errechnet wird. Sie hat diesen allgemeinen Grundbetrag dann gewichtet, und zwar erstens nach der tatsächlichen Fähigkeit der betreffenden Unternehmen, andere Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere die Verbraucher, in erheblichem Umfang zu schädigen, zweitens nach der Notwendigkeit, die Geldbuße so zu bemessen, dass eine hinreichend abschreckende Wirkung gewährleistet ist, und drittens nach der Notwendigkeit, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und entsprechende Ressourcen verfügen, die sie besser erkennen lassen, in welchem Maße ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen diese aus wettbewerbsrechtlicher Sicht haben kann.

190    Wie oben in den Randnummern 133 bis 187 dargelegt, hat die Kommission keinen von der Klägerin geltend gemachten Grundsatz verletzt, indem sie zum einen die Zuwiderhandlung als besonders schwer eingestuft und zum anderen die genannten aufeinanderfolgenden Anpassungen vorgenommen hat. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Leitlinien bei besonders schweren Zuwiderhandlungen Geldbußen in Höhe von mehr als 20 Millionen Euro vorsehen.

191    Zu dem Argument der Klägerin, der festgesetzte spezifische Grundbetrag sei auf jeden Fall unverhältnismäßig hoch, da die vom Kartell erfassten Erzeugnisse weniger als 2,5 % des Gesamtverbrauchs der betreffenden Erzeugnisse in der Europäischen Union ausgemacht hätten, ist zu bemerken, dass die Schwere einer Zuwiderhandlung nicht allein von deren räumlichem Umfang oder dem Verhältnis zwischen dem durch die Zuwiderhandlung erfassten Absatz und dem in der gesamten Europäischen Union erreichten Absatz abhängen kann. Unabhängig von den oben erwähnten Kriterien stellt nämlich der absolute Wert des betreffenden Absatzes ebenfalls einen relevanten Gradmesser für die Schwere der Zuwiderhandlung dar, da er genau die wirtschaftliche Bedeutung der Geschäftsvorgänge wiedergibt, die dem normalen Wettbewerb durch die Zuwiderhandlung entzogen werden sollen. Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der Wert des betreffenden Warenabsatzes auf rund 1 200 Millionen Euro geschätzt werden konnte, was eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung des in Rede stehenden Sektors erkennen lässt. Demgemäß kann der für die Klägerin festgesetzte spezifische Grundbetrag von 25 Millionen Euro nicht als überhöht angesehen werden.

192    Zur Geltendmachung der Praxis der Kommission in der Entscheidung „Nahtlose Stahlrohre“ genügt die Feststellung, dass diese in Anbetracht der oben in Randnummer 153 zitierten Rechtsprechung nicht von Belang ist.

193    Zudem hat die Kommission in der genannten Entscheidung berücksichtigt, dass die durch die Zuwiderhandlung erfasste Art nahtloser Rohre nur 19 % aller nahtlosen Rohre ausmachte, die in der Erdöl‑ und Erdgasindustrie verwendet werden konnten, so dass die Auswirkungen des Verstoßes begrenzt waren, da die Industrie auf andere Erzeugnisse ausweichen konnte, die nicht vom Kartell betroffen waren (160. Begründungserwägung der Entscheidung „Nahtlose Stahlrohre“). Im vorliegenden Fall erstreckte sich die Zuwiderhandlung dagegen auf einen wesentlich größeren Bieranteil in Belgien, da die Kommission in der 4. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung, ohne dass dies bestritten wird, erklärt hat, dass die Kartellteilnehmer 1998 fast 70 % der in Belgien abgesetzten Biermenge erzeugt hätten.

194    Somit ist die Rüge einer unangemessenen Höhe der Geldbuße zurückzuweisen.

195    Der Klagegrund ist daher insgesamt zurückzuweisen.

2.     Zum Klagegrund einer falschen Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung

a)     Vorbringen der Parteien

196    Ausdrücklich ohne den ihr gegenüber festgestellten Sachverhalt bestreiten zu wollen, erklärt die Klägerin, die Kommission habe bestimmten Umständen im Zusammenhang mit der Dauer der Zuwiderhandlung eine falsche Bedeutung beigemessen. Die Kommission beziehe sich insbesondere auf ein Telefongespräch und zwei Treffen der Klägerin mit Interbrew, die nach Juli 1996 im Abstand von mehreren Monaten stattgefunden hätten und zu dem Schluss geführt hätten, dass die Zuwiderhandlung bis zum 28. Januar 1998 fortgedauert habe. Damit habe die Kommission jedoch nicht dargetan, dass die Zuwiderhandlung nach Juli 1996 fortbestanden habe. Somit sei festzustellen, dass die zur Last gelegte Verhaltensweise nicht über drei Jahre und sechs Monate hinausgegangen sei, so dass eine weit unter 45 % liegende Erhöhung des spezifischen Grundbetrags gerechtfertigt wäre. Das Gericht müsse daher nach der Rechtsprechung die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße entsprechend der tatsächlichen Dauer der Zuwiderhandlung herabsetzen.

197    Was erstens das Telefongespräch vom 9. Dezember 1996 zwischen Interbrew und der Klägerin anbelangt, so führt Letztere aus, dass die handgeschriebenen und mit Anmerkungen versehenen Notizen des Controllers von Alken‑Maes, Herrn L. B., vom 27. November 1996 entgegen der Vermutung, die sich aus der Bezugnahme der Kommission auf andere Aktenstücke ergebe, die einzige Unterlage seien, auf die die Kommission ihre Schlüsse stütze.

198    Die Klägerin bestreitet nicht, dass die handgeschriebenen Notizen anlässlich einer internen Sitzung im November 1996 verfasst wurden, die, wie die Klägerin ausführt, einer Untersuchung der neuen Preisgestaltung von Interbrew gedient habe, nachdem Alken‑Maes mit Hilfe ihrer Kunden die neuen allgemeinen Verkaufsbedingungen von Interbrew in Erfahrung gebracht habe. Sie widerspricht hingegen der von der Kommission vorgenommenen Auslegung der drei Anmerkungsteile, die später an diesen Notizen jeweils mit dem Datum „9/12/96“ angebracht wurden und erkennbar eine Antwort auf drei in den ursprünglichen Notizen gestellte Fragen zu noch nicht geklärten Punkten der Preispolitik von Interbrew darstellen. Die Kommission habe zu Unrecht geschlossen, dass Herr A. B. von Interbrew hierzu habe befragt werden sollen, was angeblich am 9. Dezember 1996 geschehen sei, wobei Interbrew eine bejahende und zwei verneinende Antworten gegeben habe. Nach Ansicht der Klägerin ermöglichen die sonstigen in der angefochtenen Entscheidung genannten Aktenstücke keine Bestätigung dieser Auslegung. Die Anmerkungen zu den Notizen vom 27. November 1996 könnten, so führt die Klägerin aus, auf eine Nachprüfung zurückzuführen sein, die nichts mit einem unmittelbaren Kontakt zu Interbrew zu tun habe und z. B. bei den Händlern vorgenommen worden sei, die nur die Auslegung wiedergegeben hätten, die ihnen Herr A. B. gegeben habe. Da Alken‑Maes teilweise die Erzeugnisse von Interbrew vertrieben habe, sei es normal gewesen, dass Alken‑Maes versucht habe, die neue Preisgestaltung von Interbrew hinsichtlich der logistischen Bedingungen zu verstehen. Die fragliche Unterlage reiche demnach nicht aus, um die von der Kommission vertretene Auffassung zu stützen.

199    Zweitens erklärt die Klägerin zu der Zusammenkunft vom 17. April 1997, dass diese keinen Beweis für ein den belgischen Markt betreffendes Kartell darstelle, da sie nach der in der 96. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung genannten Erklärung von Herrn J. D. von Interbrew die potenziellen Synergien zwischen den beiden Gruppen und eine Steigerung der Rentabilität der Unternehmen im Fall der Übernahme von Alken‑Maes, also einer Tochtergesellschaft der Klägerin, durch Interbrew betroffen habe.

200    Die Klägerin wendet sich gegen die Auslegung der Kommission, wonach die genannte Erklärung von Herrn J. D. die Wettbewerbswidrigkeit dieser Zusammenkunft erkennen lässt. Die Erklärung enthalte eine Zusammenfassung aller Kontakte zwischen Interbrew und Alken‑Maes. Zu der Zusammenkunft vom 17. April 1997 im Besonderen zeige Herr J. D. lediglich auf, dass die Sitzungsteilnehmer Geschäftsbereich für Geschäftsbereich die Gewinne und Verluste von Alken‑Maes untersucht hätten, was zwangsweise bei jeder Verhandlung über die etwaige Übernahme eines Unternehmens geschehe. Was die fünf in der betreffenden Unterlage aufgeführten Punkte anbelange, so handele es sich dabei ausschließlich um Faktoren, die Einfluss auf das Betriebsergebnis von Alken‑Maes und dessen Berechnungsmethode hätten.

201    Ferner widerspricht die Klägerin der Feststellung der Kommission, dass die Anwesenheit von Herrn R. V., einer Führungskraft von Alken‑Maes, bei der betreffenden Zusammenkunft kaum plausibel sei, wenn es sich um eine Diskussion zur Übernahme von Alken‑Maes gehandelt habe, da ein derartiger Vorgang für ihn potenziell ungünstig sei. Die Klägerin führt aus, dass diese Anwesenheit keineswegs abwegig sei, vor allem wenn die betreffende Führungskraft weiterhin eine Rolle im Unternehmen habe spielen wollen. Diese Anwesenheit sei umso plausibler, als Interbrew, wie die zwei zu den Akten gegebenen Erklärungen von Herrn C. und Herrn T. belegten, einen „management buy out“‑Erwerb ins Auge gefasst habe, mit dem eine wichtige Rolle der betriebsinternen Führung verbunden sei.

202    Drittens bemerkt die Klägerin zu der Zusammenkunft vom 28. Januar 1998, an der insbesondere Herr A. D. von Interbrew und Herr N. V. von Alken‑Maes beteiligt waren, dass es hierbei im Wesentlichen um einen Rückblick auf die früheren Beziehungen gegangen sei. Sie führt ferner aus, dass der Vertreter von Alken‑Maes laut dem Vertreter von Interbrew nichts von diesen Vorgängen gewusst habe.

203    Weiter trägt die Klägerin vor, dass die von der Kommission zu der Bedeutung der handgeschriebenen Notizen von Herrn A. D. vom 28. Januar 1998 vertretene Auffassung, dass aus diesen Notizen hervorgehe, dass das Kartell zu dem genannten Zeitpunkt noch bestanden habe, durch nichts bestätigt werde. Insbesondere lasse nichts den Schluss zu, dass der Inhalt dieser Notizen beiden Beteiligten zugeschrieben werden könne, wie die Kommission es zu Unrecht tue, indem sie den Inhalt der Notizen von Herrn A. D. als Inhalt eines angeblichen Gesprächs darstelle, obgleich er nur den Standpunkt von Interbrew wiedergeben könne. Es wäre im vorliegenden Fall erstaunlich, wenn der nicht informierte Vertreter von Alken‑Maes im Einzelnen die 1994 getroffenen Vereinbarungen hätte beschreiben können. Zudem werde in der angefochtenen Entscheidung nicht bestritten, dass die Zusammenkunft vom 28. Januar 1998 keine Folgen gehabt habe. Demnach zeigten die in Rede stehenden Notizen nicht das Vorhandensein oder die Anwendung einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise zu dem genannten Zeitpunkt auf, sondern gäben nur eine positive Beurteilung der 1994 getroffenen Absprache durch Interbrew und deren Wunsch, diese zu verlängern, wieder.

204    Die Klägerin schließt daraus, dass das zur Last gelegte Verhalten nicht länger als drei Jahre und sechs Monate gedauert hat und die nach der Dauer der Zuwiderhandlung bemessene Erhöhung der Geldbuße daher zu verringern ist.

205    Die Kommission betont zunächst, dass die Klägerin mit der Behauptung, das Kartell habe im Juli 1996 geendet, dessen Dauer bestreite, obwohl sie erkläre, den Sachverhalt nicht bestreiten zu wollen. Ferner habe die Kommission rechtlich hinreichend wettbewerbswidrige Kontakte zwischen der Klägerin und Interbrew bis 28. Januar 1998 nachgewiesen. Zudem habe sich die Klägerin nicht öffentlich von Zusammenkünften distanziert, deren wettbewerbswidriger Zweck feststehe und bei denen sie nicht bestreite, teilgenommen zu haben, so dass sie auf jeden Fall für die Zeit bis 28. Januar 1998 Verantwortung trage.

b)     Würdigung durch das Gericht

206    Die Dauer der Zuwiderhandlung ist nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ein Gesichtspunkt, der bei der Bemessung der Geldbuße für Unternehmen zu berücksichtigen ist, die gegen die Wettbewerbsvorschriften verstoßen haben.

207    Die Leitlinien unterscheiden zwischen Verstößen von kurzer Dauer (in der Regel weniger als ein Jahr), bei denen der für die Schwere des Verstoßes festgesetzte Grundbetrag nicht zu erhöhen ist, Verstößen von mittlerer Dauer (in der Regel zwischen einem und fünf Jahren), bei denen dieser Betrag bis zu 50 % erhöht werden kann, und Verstößen von langer Dauer (in der Regel mehr als fünf Jahre), bei denen dieser Betrag bis zu 10 % für jedes Jahr erhöht werden kann (Nr. 1 Abschnitt B Absatz 1 erster bis dritter Gedankenstrich).

208    Die Kommission hat in der 281. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, sie besitze hinsichtlich des Kartells Interbrew/Alken‑Maes Beweismaterial zumindest für die Zeit vom 28. Januar 1993 bis 28. Januar 1998. Sie hat hierzu erklärt: „Am 28. Januar 1993 wird über eine erste Zusammenkunft mit einem eindeutigen wettbewerbswidrigen Ziel berichtet. Am 28. Januar 1998 fand die letzte Zusammenkunft im Rahmen des Kartells statt, über die der Kommission Unterlagen vorliegen. Die Dauer der Zuwiderhandlung belief sich somit auf fünf Jahre und einen Tag.“ Dieser Schluss findet sich auch im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung, wo es heißt, dass die Zuwiderhandlung „vom 28. Januar 1993 bis einschließlich 28. Januar 1998“ gedauert hat.

209    In der 282. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung wird ausgeführt, dass die Klägerin die Dauer der Zuwiderhandlung bestreite und dass die Gespräche zwischen Alken‑Maes und Interbrew der Klägerin zufolge erst ab 12. Oktober 1994 begonnen hätten und schon im Juli 1996 beendet worden seien. Die Kommission hat diese Behauptung jedoch zurückgewiesen, da die festgestellte Dauer der Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen sei.

210    Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin erneut geltend, dass die Kommission die Dauer der Zuwiderhandlung nicht richtig bestimmt habe. Sie ficht die Erhöhung der Geldbuße nur insoweit an, als die Zuwiderhandlung ihres Erachtens nicht über Juli 1996 hinaus fortbestanden hat.

211    Zudem ist festzustellen, dass die Klägerin nicht ausdrücklich die Nichtigerklärung des Artikels 1 der angefochtenen Entscheidung beantragt, der die Dauer ihrer Teilnahme am Kartell angibt. Sie hat den Klagegrund bezüglich der Dauer der Zuwiderhandlung nämlich nur hilfsweise zur Stützung eines Antrags auf Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße vorgebracht.

212    Aus den Schriftsätzen der Klägerin geht indessen hervor, dass sie im Grunde die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung insofern bestreitet, als diese, wie in Artikel 1 ihres verfügenden Teils angegeben wird, feststellt, dass sich die Zuwiderhandlung auf die Zeit vom 28. Januar 1993 bis 28. Januar 1998 erstreckt. So hat die Klägerin in ihrer Klageschrift erklärt, dass „die [angefochtene] Entscheidung insofern nicht begründet ist, als darin festgestellt wird, dass die Zuwiderhandlung vom 28. Januar 1993 bis zum 28. Januar 1998 gedauert hat“, und dass die Kommission „nicht rechtlich hinreichend [nachgewiesen hat] …, dass die Zuwiderhandlung über Juli 1996 hinaus fortgeführt worden ist“. In ihrer Erwiderung hat die Klägerin weiter ausgeführt, dass die Kommission „bei einer korrekten Prüfung der Unterlagen die kürzere Dauer der Zuwiderhandlung hätte feststellen und daraus die Konsequenzen für die Höhe der Geldbuße hätte ziehen müssen“. Überdies steht fest, dass die Klägerin die Dauer der Zuwiderhandlung im Verwaltungsverfahren, insbesondere in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, bestritten hat, wie nachstehend in Randnummer 512 ausgeführt wird.

213    Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Klägerin mit dem vorliegenden Klagegrund bezüglich der Dauer der Zuwiderhandlung nicht nur eine Herabsetzung der Geldbuße, sondern auch die teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung, insbesondere des Artikels 1 ihres verfügenden Teils, insoweit begehrt, als die Kommission darin angeblich zu Unrecht feststellt, dass die Zuwiderhandlung bis 28. Januar 1998 gedauert hat.

214    Daher ist im Rahmen dieses Klagegrundes zu klären, ob die Kommission unter Zugrundelegung des dargelegten Sachverhalts rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass die Zuwiderhandlung bis zum 28. Januar 1998 fortbestanden hat.

215    Für den Nachweis eines Verstoßes gegen Artikel 81 Absatz 1 EG hat die Kommission die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen, durch die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend belegt wird (Urteile des Gerichtshofes vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache C‑185/95 P, Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 58, und vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C‑49/92 P, Kommission/Anic Partecipazioni, Slg. 1999, I‑4125, Randnr. 86). Bestehen bei dem Gericht Zweifel, so muss dies dem Unternehmen zugute kommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Das Gericht kann daher nicht davon ausgehen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm noch Zweifel in dieser Hinsicht bestehen; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung zur Verhängung einer Geldbuße handelt.

216    Unter den genannten Umständen ist die Unschuldsvermutung zu beachten, die sich insbesondere aus Artikel 6 Absatz 2 der EMRK ergibt und die zu den Grundrechten gehört, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes, die im Übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte und durch Artikel 6 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union sowie durch Artikel 47 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2000, C 364, S. 1) erneut bekräftigt wird, in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werden. Angesichts der Art der betreffenden Zuwiderhandlung sowie der Art und der Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen ist die Unschuldsvermutung insbesondere in Verfahren wegen Verletzung der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln anwendbar, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C‑199/92 P, Hüls/Kommission, Slg. 1999, I‑4287, Randnrn. 149 und 150, und in der Rechtssache C‑235/92 P, Montecatini/Kommission, Slg. 1999, I‑4539, Randnrn. 175 und 176).

217    Somit ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die Zuwiderhandlung stattgefunden hat (vgl. Urteil Volkswagen/Kommission, oben zitiert in Randnr. 99, Randnrn. 43 und 72 und die dort zitierte Rechtsprechung).

218    Jedoch muss nicht jeder von der Kommission erbrachte Beweis notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung diesen Kriterien entsprechen. Es genügt, wenn ein von der Kommission geltend gemachtes Bündel von Indizien im Ganzen betrachtet dem genannten Erfordernis entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil PVC II, oben zitiert in Randnr. 154, Randnrn. 768 bis 778, insbesondere Randnr. 777, bestätigt in dem relevanten Punkt durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren im Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 97, Randnrn. 513 bis 523).

 Zum telefonischen Kontakt vom 9. Dezember 1996

219    Zu dem angeblich wettbewerbswidrigen Kontakt vom 9. Dezember 1996 ist festzustellen, dass die Kommission in der 91. Begründungserwägung Folgendes erklärt: „Im Hinblick auf die Zusammenkunft am 19. September [1996] wendet sich der Controller von Alken‑Maes am 9. Dezember 1996 wegen einiger Fragen von Alken‑Maes zur Preisstudie telefonisch an den Direktor Food von Interbrew.“ Hierbei stützt sich die Kommission auf die in ihrer Akte (S. 8513) enthaltene letzte Seite einer Unterlage, die dem Schreiben von Alken‑Maes an die Kommission vom 7. März 2000 als Anlage 42 beigefügt war (vgl. oben, Randnr. 72). Es ist unter den Parteien unstreitig, dass diese Unterlage handgeschriebene Notizen von Herrn L. B. von Alken‑Maes enthält, die er am 27. November 1996 anlässlich eines internen Treffens zur Analyse der neuen Preisgestaltung von Interbrew angefertigt hat, und dass an dieser Unterlage später von ihrem Verfasser Vermerke angebracht wurden, die eine Antwort auf Fragen darstellen, die der Verfasser ursprünglich mit seinen Notizen aufgeworfen hatte.

220    Die Kommission hat aufgrund einer schriftlichen Frage des Gerichts, mit der sie aufgefordert worden war, zu erläutern, weshalb sie in der 91. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss gelangt ist, dass Herr L. B. (Alken‑Maes) am 9. Dezember 1996 ein Telefongespräch mit Herrn A. B. (Interbrew) über die Preisgestaltung von Interbrew geführt hat, zunächst erklärt, Hintergrund des internen Treffens vom 27. November 1996, bei dem die handgeschriebenen Notizen angefertigt worden seien, sei eine Zusammenkunft zwischen Interbrew und Alken‑Maes vom 29. Juli 1996, in deren Verlauf im Einzelnen die Absichten von Interbrew bezüglich der logistischen Komponente ihrer Handelspolitik besprochen worden seien, wie sie durch das Inkrafttreten der neuen Preisgestaltung habe geändert und ab 1. Januar 1997 habe angewandt werden sollen.

221    Die Kommission hat ausgeführt, sie habe aus der Prüfung der Notizen vom 27. November 1996, die sechs Gedankenstriche mit einem nachfolgenden handgeschriebenen ein‑ bis zweizeiligen Text und jeweils einem Fragezeichen enthielten, geschlossen, dass die genannten Notizen Fragen beinhalteten, die sich Herr L. B. (Alken‑Maes) an diesem Tag zur Preisgestaltung von Interbrew gestellt habe, und dass die Anmerkungen, die später an der Unterlage angebracht worden seien, entweder die Stelle, an der die Antwort zu finden sei, oder die Antwort auf die betreffenden Fragen angegeben hätten. Die Anmerkungen, die als Antwort auf bestimmte Fragen gedient hätten, ließen die Feststellung zu, dass Interbrew die Antworten auf die Fragen am 9. Dezember 1996 gegeben habe.

222    Da die Klägerin dieser Auslegung ausdrücklich widerspricht, ist zu prüfen, ob die genannten Zusätze auf einen rechtswidrigen Kontakt zwischen Alken‑Maes und Interbrew zurückzuführen sind und somit einen Beweis für diesen darstellen.

223    Hierzu ist festzustellen, dass sich die Unterlage vom 27. November 1996 mit dem Titel „Tariefstudie“ auf ihrer letzten Seite als eine Aufzählung von sechs Fragen über die Preisgestaltung von Alken‑Maes darstellt.

224    Jede der sechs formulierten Fragen erforderte anscheinend nach Ansicht des Verfassers der ursprünglichen Notizen eine Antwort, die zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Unterlage noch offen war. Die Unterlage lässt nämlich erkennen, dass für jede der sechs Fragen Vorkehrungen zu dem Zweck getroffen worden waren, eine Antwort auf sie zu finden. So verweisen die erste und die sechste Frage, die rechtliche Gesichtspunkte betreffen, ausdrücklich auf eine Person namens „[P. V. D.]“ und beziehen sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf den damaligen Rechtsberater von Alken‑Maes. Die dritte Frage wiederum stellt auf eine Überprüfung bei den Kunden mit Hilfe der Händler ab („checken bij klanten via distributie“).

225    Was die zweite, die vierte und die fünfte Frage anbelangt, neben denen später die drei in Rede stehenden Anmerkungen angebracht wurden, so ist zu bemerken, dass die zweite Frage mit den Worten „check IB“ beginnt, wobei „IB“ offensichtlich Interbrew bedeutet. Neben dieser zweiten Frage wurde später handschriftlich „Ja, volgen [M. A. B.] (IB) 9/12/96“ vermerkt. Diese Anmerkung deutet darauf hin, dass Herr L. B. (Alken‑Maes) entsprechend der Vorkehrung für die Beantwortung dieser Frage am 9. Dezember 1996 mit Herrn A. B. von Interbrew in Verbindung getreten ist und dass dieser eine bejahende Antwort erteilt hat. Die beiden anderen handgeschriebenen Zusätze mit dem Datum vom 9. Dezember 1996 sind somit in gleicher Weise auszulegen.

226    Zu dem Vorbringen der Klägerin, es sei plausibel, dass die genannten Antworten von den Händlern stammten, ist festzustellen, dass dies dadurch widerlegt wird, dass die Notizen zur dritten Frage eigens auf zur Einholung einer Antwort bei den Kunden und den Händlern auffordern und dass neben dieser dritten Frage gerade kein Zusatz wie bei der zweiten, der vierten und der fünften Frage angebracht wurde.

227    Demnach stammen die Antworten, die zum einen auf die dritte Frage und zum anderen auf die zweite, die vierte und die fünfte Frage erteilt wurden, aus den oben erwähnten Informationskanälen. Dass die dritte Frage speziell durch die Kunden geklärt werden sollte und die Formulierung der zweiten Frage ausdrücklich zu einer Ermittlung bei Interbrew auffordert, bestätigt in diesem Zusammenhang, dass vorgesehen war, mit Interbrew in Verbindung zu treten, um eine Antwort auf bestimmte Fragen zu erhalten. Wenn ferner drei Vermerke, die Antworten auf die Fragen darstellen, gleichermaßen mit dem Datum vom 9. Dezember 1996 versehen sind und einer davon sich ausdrücklich auf Interbrew und einen Vertreter dieses Unternehmens bezieht, so erlaubt dies ohne jeden vernünftigen Zweifel die Feststellung, dass am 9. Dezember 1996 ein wettbewerbswidriger Kontakt – mag er telefonisch gewesen sein oder nicht – zustande gekommen ist.

228    Nach allem ist der Beweis für einen am 9. Dezember 1996 erfolgten wettbewerbswidrigen Kontakt erbracht worden.

 Zum Treffen vom 17. April 1997

229    Zu der angeblich wettbewerbswidrigen Zusammenkunft vom 17. April 1997 erklärt die Kommission in der 95. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung, dass sich Führungskräfte von Interbrew, der Klägerin und von Alken‑Maes am 17. April 1997 in Paris getroffen hätten. Die Klägerin bestreitet dies nicht.

230    Die Kommission gibt ferner in der 96. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung eine Erklärung des damaligen Generaldirektors von Interbrew J. D. über den Inhalt dieser Zusammenkunft wieder und schließt aus dieser, wie aus der 284. Begründungserwägung hervorgeht, dass es bei dieser Besprechung um die Abstimmung des Marktverhaltens von Interbrew und der Klägerin gegangen sei, was die Klägerin entschieden bestreitet.

231    In diesem Zusammenhang ist vorab zu bemerken, dass die Klägerin die Beweiskraft der Erklärung von Interbrew nicht im Hinblick darauf bestreitet, dass es sich lediglich um eine einseitige Aussage eines Unternehmens handelte, sondern nur dahin gehend, dass der Bericht über die Besprechung keinen wettbewerbswidrigen Zweck derselben offenbare.

232    Der Teil der Erklärung von Interbrew über die Zusammenkunft vom 17. April 1997 lautet:

„Es fanden Sitzungen auf höchster Ebene mit Kronenbourg statt, denen ich nicht beiwohnte. Nach den Gipfelgesprächen hatten wir ‚Informationsveranstaltungen‘, bei denen wir alle zugegen waren (General Managers und Managers Food sowie Horeca).

Bei dem Treffen am [17. April 1997] handelte es sich lediglich um eine der Informationsveranstaltungen mit [der Klägerin] (Herr K. hat dort [die Klägerin] vertreten). Wir (‚Belgien‘ und ‚Frankreich‘, aber jeder für sich) mussten über die Synergien berichten. In dieser Sitzung sind wir Geschäftsbereich für Geschäftsbereich die Gewinne und Verluste (profit and loss account) durchgegangen und haben systematisch geprüft, wie die Kosten gesenkt werden können und die Rentabilität gesteigert werden kann. Themen waren: 1. Produktion; 2. gemeinsame Vertriebsplattformen; 3. Nachlass auf den Preis vor oder nach Verbrauchsteuern (das war auch Thema in der CBB); 4. Marketing und Investitionen in die Werbung (share of voice); 5. Wachstum des Biermarkts und Verfahren zur Mengensteigerung unter Zugrundelegung des Erfolges mit dem Wassermarkt in Frankreich.

Hinsichtlich der Umsetzung haben wir im Food‑Sektor viel unternommen, weitaus mehr als im Horeca‑Sektor, wo wenig bis nichts geschehen ist.

Im Food‑Sektor gab es Absprachen über:

–        Rabatte durch Verkaufsförderungsmaßnahmen in Richtung Verbraucher (z. B. 5 + 1 gratis)

–        kaufmännische Angelegenheiten (z. B. Wert des Coupons bei Werbeaktionen)

–        Prospekthäufigkeit (z. B. max. 10 Prospekte für Kästen Bier bei GIB).

…“

233    Dass es in der Erklärung heißt, dass die Gewinne und Verluste „Geschäftsbereich für Geschäftsbereich“ durchgegangen worden seien, lässt nicht mit Sicherheit erkennen, ob damit eine gemeinsame Prüfung der Gewinne und Verluste von Kronenbourg/Alken‑Maes oder aber eine gleichlaufende Prüfung der Gewinne und Verluste der Letzteren zum einen und von Interbrew zum anderen gemeint ist.

234    Ferner ist festzustellen, dass ungeachtet der Unterschiedlichkeit der Erklärungen der Parteien in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts aus dem Teil der Erklärung, der die Zusammenkunft vom 17. April 1997 betrifft, hervorgeht, dass diese ohne jeden vernünftigen Zweifel rechtswidrig war.

235    Der wettbewerbswidrige Zweck der Zusammenkunft zeigt sich erstens an den spezifischen Gesprächsthemen. Schon die einfache Tatsache, dass Themen wie „Produktion“, „Nachlass auf den Preis“ oder „Marketing und Investitionen in die Werbung“ Gegenstand einer Abstimmung auf höchster Führungsebene der beiden Hauptwettbewerber auf dem Biermarkt waren, lässt auf einen wettbewerbswidrigen Zweck schließen.

236    Zweitens geht klar aus dem in der 96. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen Auszug aus der Erklärung von Interbrew hervor, dass die Zusammenkunft vom 17. April 1997 als Beispiel für „Informationsveranstaltungen“ dargestellt wird, denen andere Treffen des Kartells auf höchster Ebene folgen sollten, so dass die Wettbewerbswidrigkeit der Zusammenkunft nicht zu bezweifeln ist.

237    Drittens spricht in diesem Zusammenhang die Verwendung des Begriffes „Synergien“ im Erklärungsauszug in der 96. Begründungserwägung dafür, dass sich dieser Begriff allgemein auf die Ergebnisse bezieht, die sich die höchsten Führungskräfte des Kartells von den „Informationsveranstaltungen“, von denen das Treffen vom 17. April 1997 als Beispiel genannt wird, versprochen haben, und nicht auf die besondere Frage einer Übernahme von Kronenbourg/Alken‑Maes. Überdies wird dieser Begriff, wie die Kommission in ihrer Gegenerwiderung zu Recht betont, vom Verfasser der Erklärung zuvor verwendet, um bestimmte Gesichtspunkte der Zusammenarbeit zwischen Interbrew und Alken‑Maes in Frankreich aufzuzeigen und nicht um Erörterungen über eine etwaige Übernahme von Kronenbourg/Alken‑Maes darzulegen. Dies spricht ebenfalls für die Wettbewerbswidrigkeit der Zusammenkunft vom 17. April 1997.

238    Viertens sind die erwähnten Gesichtspunkte, wie die Kommission bemerkt, insgesamt im Licht weiterer Erklärungen zu betrachten, die Alken‑Maes im Verwaltungsverfahren abgegeben hat. So hat Alken‑Maes in ihrer Antwort vom 27. Dezember 1999 auf das Auskunftsverlangen der Kommission vom 11. November 1999 mit gleichzeitigem Ersuchen um die Vergünstigung der Mitteilung über Zusammenarbeit erklärt: „Es hat von 1992 bis 1998 zahlreiche Zusammenkünfte zwischen Mitarbeitern von Alken‑Maes, hauptsächlich Herrn R. V., damals geschäftsführendes Mitglied des Verwaltungsrats, und Mitarbeitern von Interbrew, hauptsächlich den Herren T. und J. D., gegeben, bei denen der Vertrieb und der Absatz von Bier in Belgien abgestimmt wurden.“

239    Zu dem Vorbringen, dass Herr R. V. an dem Treffen vom 17. April teilgenommen habe, ist zu bemerken, dass diese Teilnahme zu keiner Annahme in dem einen oder dem anderen Sinne führen kann, so dass dieses Vorbringen zurückzuweisen ist.

240    Nach alledem ist abschließend festzustellen, dass die Kommission die Wettbewerbswidrigkeit des Treffens vom 17. April 1997 rechtlich hinreichend dargetan hat.

 Zum Treffen vom 28. Januar 1998

241    Was den Inhalt des Treffens vom 28. Januar 1998 anbelangt, dessen Zustandekommen von der Klägerin nicht bestritten wird, so hängt die Bedeutung, die den handgeschriebenen Aufzeichnungen des kaufmännischen Direktors Belgien von Interbrew, Herrn A. D., zukommt, davon ab, was aus den beiden Gesichtspunkten Art des Inhalts dieser Aufzeichnungen und Grad ihrer Aktualität zu schließen ist.

242    Zunächst ist zur Art des Inhalts der Aufzeichnungen des Vertreters von Interbrew, Herrn A. D., zu bemerken, dass der zusammenhängende und strukturierte Charakter dieser Notizen, die keine Korrekturen aufweisen, darauf schließen lässt, dass es sich nicht um das Protokoll eines Gesprächs, sondern um einen Merkzettel handelt.

243    Zum Gesichtspunkt der Aktualität des Inhalts der Aufzeichnungen lässt sich feststellen, dass deren Verfasser eine Reihe von Punkten als aktuell angesehen hat. Dies trifft z. B. auf die beiden ersten Punkte zu, die mit der Überschrift „Organisation, Abstimmung“ und „aktuelle Themen“ in der ersten Rubrik – „Themen“ – enthalten sind. Desgleichen scheint sich die dritte Rubrik – „Horeca‑Abstimmung“ – auf die künftige Organisation der betreffenden Abstimmung zu beziehen. In der zweiten Rubrik wiederum mit der Überschrift „Rétroaction [Rückwirkung oder Feedback] 1.1.1994“ ist von „Umsetzungen“ die Rede, wobei nicht auszuschließen ist, dass solche Umsetzungen nach Ansicht des Verfassers immer noch ihre Wirkungen entfalteten.

244    Da das Zustandekommen des Treffens vom 28. Januar 1998 zwischen Interbrew und der Klägerin nicht bestritten wird, ist wie bei dem Treffen vom 17. April 1997 (oben, Randnr. 237) zu untersuchen, welche Bedeutung den genannten Aufzeichnungen angesichts der auf das Auskunftsverlangen der Kommission vom 11. November 1999 erteilten Antwort von Alken‑Maes vom 27. Dezember 1999 zukommt, worin es heißt: „Es gab eine Vielzahl von Zusammenkünften zwischen Mitarbeitern von Alken‑Maes, insbesondere [Herrn R. V.], damals von 1992 bis 1998 geschäftsführendes Mitglied des Verwaltungsrats, und Mitarbeitern von Interbrew, insbesondere [Herrn T.] und [Herrn J. D.], bei denen der Vertrieb und der Absatz von Bier in Belgien abgestimmt worden sind.“ Diese Erklärung ist bereits als solche ein Anerkenntnis der Klägerin, dass wettbewerbswidrige Treffen mit ihrer Beteiligung bis 1998 stattgefunden haben. Aufgrund ihres Inhalts lässt sich den handgeschriebenen Aufzeichnungen von Herrn A. D. die Bedeutung eines Nachweises der Wettbewerbswidrigkeit des Treffens vom 28. Januar 1998 zuschreiben.

245    Zudem muss nach der Rechtsprechung ein Unternehmen, dessen Teilnahme an offensichtlich wettbewerbswidrigen Zusammenkünften von Unternehmen feststeht, Indizien vortragen, die zum Beweis seiner fehlenden wettbewerbswidrigen Einstellung bei der Teilnahme an den betreffenden Zusammenkünften geeignet sind, und nachweisen, dass es seine Wettbewerber darauf hingewiesen hat, dass es an den Treffen mit einer anderen Zielsetzung als diese teilnimmt (Urteile Hüls/Kommission, oben zitiert in Randnr. 216, Randnr. 155, Montecatini/Kommission, oben zitiert in Randnr. 216, Randnr. 181, und Aalborg Portland u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 185, Randnr. 81). Andernfalls führt selbst eine passive Teilnahme an solchen Zusammenkünften zu der Annahme, dass sich das Unternehmen an dem daraus resultierenden Kartell beteiligt (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 185, Randnr. 84, sowie Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T‑9/99, HFB u. a./Kommission, Slg. 2002, II‑1487, Randnr. 223). Zudem kann der Umstand, dass ein Unternehmen die Ergebnisse einer Zusammenkunft mit wettbewerbswidrigem Gegenstand nicht umsetzt, es nicht von seiner Verantwortung für die Teilnahme an einem Kartell entbinden (Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 185, Randnr. 85, und Mayr-Melnhof/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 135, sowie Zement‑Urteil, oben zitiert in Randnr. 31, Randnr. 1389).

246    Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keine Indizien vorgetragen, die zum Beweis ihrer fehlenden wettbewerbswidrigen Einstellung bei der nicht bestrittenen Teilnahme an der Zusammenkunft vom 28. Januar 1998 geeignet sind, und insbesondere nicht nachgewiesen, dass sie den Vertreter von Interbrew darauf hingewiesen hat, dass sie an der Zusammenkunft mit einer anderen Zielsetzung als dieser teilnahm.

247    Somit hat die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die in Rede stehende Zuwiderhandlung bis zum 28. Januar 1998 fortgedauert hat.

248    Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

3.     Zum Klagegrund der unzutreffenden Annahme eines erschwerenden Umstands wegen auf Interbrew ausgeübten Zwanges

a)     Vorbringen der Parteien

249    Nach Ansicht der Klägerin hat die Kommission den Sachverhalt falsch beurteilt, indem sie zu dem Schluss gelangt ist, dass die Klägerin bei dem Treffen am 11. Mai 1994 dadurch einen Zwang auf Interbrew ausgeübt habe, dass sie gedroht habe, Interbrew vom französischen Markt zu verdrängen, wenn diese ihr nicht eine Verkaufsquote von 500 000 Hektoliter für den belgischen Markt übertrage, und dass dies zu einer Ausweitung des Kartells von dem genannten Zeitpunkt an geführt habe.

250    Erstens, so führt die Klägerin aus, hätten sich die Gespräche in der Zeit vor dem Treffen am 11. Mai 1994 zwar im Wesentlichen auf die Preise bezogen, die Aufnahme der weiteren Themen gegenseitige Kundschaftswahrung und neue Preisgestaltung in die Erörterungen nach diesem Zeitpunkt könne jedoch nicht als eine erhebliche Erweiterung des Umfangs der Zuwiderhandlung angesehen werden. Insbesondere die Sorge in Bezug auf eine gegenseitige Kundschaftswahrung habe nur auf den Problemen beruht, die sich daraus ergeben hätten, dass Interbrew die Exklusivverträge von Alken‑Maes mit bestimmten Kunden nicht geachtet habe. Überdies seien sowohl vor als auch nach dem Treffen vom 11. Mai 1994 weitere Fragen bei den Zusammenkünften auf die Tagesordnung gesetzt worden, so dass es übertrieben wäre, die Gesprächsthemen der Parteien als Ausweitung der Zusammenarbeit im Mai 1994 zu bezeichnen.

251    Wenn es zweitens nach 1994 eine Entwicklung der Beziehungen in Richtung auf eine strukturiertere Absprache gegeben habe, so habe dies im Interesse beider Parteien und in Bezug auf die Preisgestaltung sogar insbesondere im Interesse von Interbrew gelegen, wobei kein Aspekt des Kartells auf dem alleinigen Interesse der Klägerin beruht habe.

252    Das Interesse von Interbrew am Abschluss eines Nichtangriffspakts vor Mai 1994 gehe aus der Befürchtung dieses Unternehmens hervor, dass die Preise auf dem belgischen Markt unterboten würden. Wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung einräume, habe Interbrew dringend eine Preisabstimmung für Belgien gewünscht, um sich unter Fortführung einer aggressiven Politik gegenüber den Exklusivverträgen von Alken‑Maes mit bestimmten Kunden der aggressiven Politik der Klägerin auf diesem Gebiet zu entziehen und billige Paralleleinfuhren aus Frankreich abzuwenden. Obwohl die Stärke von Interbrew es diesem Unternehmen erlaubt hätte, Alken‑Maes durch einen Handelskrieg vom Markt zu verdrängen, habe Interbrew sich zum Ziel gesetzt, einen von ihr beherrschten belgischen Markt zu befrieden, um ihre internationale Expansion mit Hilfe der in Belgien erzielten Gewinne finanzieren zu können, wo die Preise höher gelegen hätten. Alken‑Maes habe sich dieser Befriedungsabsicht jedoch zumindest in einer ersten Zeit durch einen entschlossenen Wettbewerb mit dem erklärten Ziel widersetzt, seine Rentabilitätsgrenze zu erreichen. Interbrew habe mithin ein unmittelbares Interesse am Abschluss eines Nichtangriffspakts gehabt.

253    Zudem sei Interbrew im Hinblick auf eine Übernahme der Biersparte der Klägerin an einer Einigung mit dieser interessiert gewesen. Ihr Einvernehmen mit Alken‑Maes erkläre sich auch aus der Suche nach einem Partner bei dem Bestreben, dem Markt eine neue Preisstruktur aufzuerlegen. Da Interbrew außerdem eine Verurteilung wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung habe befürchten müssen, habe das Unternehmen ein Interesse daran haben können, sich mit Alken‑Maes zu einigen, statt dieses Unternehmen vom Markt zu verdrängen.

254    Die angeblich von Interbrew vor 1994 an den Tag gelegte Zurückhaltung, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung und in ihrer Klagebeantwortung berufe, indem sie insbesondere auf eine interne Notiz von Interbrew vom März 1993 verweise, beruhe im Übrigen auf einer Fehleinschätzung der Bedeutung dieser Unterlage durch die Kommission. Zwar sei in dem von der Kommission zitierten Auszug von Zurückhaltung die Rede, die Verwendung dieses Textes sei jedoch tendenziös, da daraus nicht nur hervorgehe, dass sich diese Zurückhaltung auf eine Verfolgung aufgrund des Artikels 82 EG beziehe, sondern auch dass der damalige CEO von Interbrew den Verfasser der Notiz zu Gesprächen mit Alken‑Maes gezwungen habe; dies zeuge im Gegenteil von einer freiwilligen und vorbehaltlosen Teilnahme am Kartell, die seinerzeit von der höchsten Führungskraft von Interbrew beschlossen worden sei. Und schließlich habe die Kommission nicht erwähnt, dass eben der Verfasser der Notiz, der im März 1993 von der Zurückhaltung spreche, sechs Monate später, nachdem er CEO von Interbrew geworden sei, Initiativen ergriffen habe, um Alken‑Maes zu einer Zusammenarbeit zu zwingen, damit der von Interbrew gewünschte Preis erreicht werde.

255    Die Kommission habe auch aus dem Auge verloren, dass Interbrew schon 1994 klare Ziele für das Kartell gesetzt habe, was mehrere Begründungserwägungen der angefochtenen Entscheidung erkennen ließen, so dass dadurch die führende Rolle von Interbrew im Kartell vor 1994 deutlich werde, von der auch in der angefochtenen Entscheidung die Rede sei. Die Bezeichnung des Kartells durch Interbrew mit einem Decknamen bestätige zudem, wie strukturiert dieses Unternehmen an die in Rede stehenden Verhaltensweisen herangegangen sei. Darüber hinaus zeige auch die Erklärung des ehemaligen geschäftsführenden Mitglieds des Verwaltungsrats von Alken‑Maes, wonach die allermeisten Führungskräfte von Interbrew schon vor 1994 eine Kartellabsprache gewünscht hätten, dass es die angebliche Zurückhaltung von Interbrew nicht gegeben habe.

256    Drittens räumt die Klägerin zwar ein, Interbrew bei einem Treffen am 11. Mai 1994 in Bezug auf deren Mitwirkung bei einer Verletzung ihrer Vertriebsvereinbarungen in Frankreich gewarnt zu haben, sie habe jedoch nicht für eine genaue Einhaltung dieser Vereinbarungen gesorgt und mithin tatsächlich keinen Zwang ausgeübt. Die behauptete Drohung gegenüber Interbrew werde überdies in der angefochtenen Entscheidung durch die Feststellung widerlegt, dass Interbrew der Forderung der Klägerin, 500 000 Hektoliter an Alken‑Maes zu übertragen, nicht nachgekommen sei.

257    Zudem sei das Kräfteverhältnis zwischen der Klägerin und Interbrew in Frankreich wie in Belgien sehr ungleich gewesen. Da die Klägerin in Frankreich keine beherrschende Stellung innegehabt habe, sei sie keinesfalls in der Lage gewesen, Interbrew von dort zu verdrängen. Da die Vertriebsstellen, die von Vertriebsvereinbarungen mit der Klägerin erfasst worden seien, nur 16 % des Absatzes in Frankreich ausgemacht hätten, gebe es offensichtlich keinen Grund, anzunehmen, dass Interbrew an eine Verdrängungsgefahr habe glauben können. Außerdem hätten die etwaigen Folgen einer strikten Anwendung der Vertriebsvereinbarungen der Klägerin in Frankreich in keinem Verhältnis zu der Gefahr gestanden, der die Tochtergesellschaft der Klägerin in Belgien angesichts des tatsächlichen Einflusses des Gewichts von Interbrew in Belgien ausgesetzt gewesen wäre. Somit bestehe ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem angeblichen Vorliegen einer Drohung, die gar nicht in die Tat umgesetzt worden sei, und der darauf beruhenden Anhebung der Geldbuße.

258    Darüber hinaus habe die Kommission einerseits der Warnung an Interbrew Bedeutung beigemessen, die nur auf die Verwendung letztlich gar nicht eingesetzter rechtmäßiger Mittel abgestellt habe, um der Mitwirkung von Interbrew bei einer Verletzung der Vereinbarungen der Klägerin in Frankreich Einhalt zu gebieten, andererseits aber die Drohungen und Vergeltungsmaßnahmen von Interbrew gegenüber Alken‑Maes im gesamten Zeitraum außer Acht gelassen. So seien die überzogene Reaktion von Interbrew auf die aggressive Handelspolitik von Alken‑Maes im Jahr 1994, die Selbstverständlichkeit, mit der dieses Unternehmen Alken‑Maes habe dazu bewegen wollen, die Preisanhebungspolitik von Interbrew im Jahr 1993 mitzumachen, oder auch die von Alken‑Maes erlittenen Angriffe von Interbrew auf die mit Alken‑Maes verbundenen Gaststätten allesamt Beweise für die ständige Aggression von Interbrew gegenüber der Klägerin, wobei dieses Unternehmen dank seiner beherrschenden Stellung „den Markt terrorisiert“ habe und mithin auf dem besten Weg gewesen sei, Alken‑Maes zu verdrängen.

259    Ferner lasse sich die von Interbrew im Januar 1998 geäußerte Zufriedenheit über die Ergebnisse des Kartells, von der die Aufzeichnungen des kaufmännischen Direktors Belgien von Interbrew zeugten, kaum mit der Behauptung vereinbaren, Alken‑Maes habe einen Zwang auf Interbrew ausgeübt.

260    Viertens schließlich führt die Klägerin aus, ihre angebliche Drohung sei keineswegs nachgewiesen worden. Alle Erklärungen von Interbrew seien im Jahr 2000 abgegeben und der Kommission in einem fortgeschrittenen Stadium des Ermittlungsverfahrens mitgeteilt worden. Sie entsprächen der Verteidigungsstrategie von Interbrew und könnten daher von der Kommission nicht als Beweisstücke angesehen werden. Auch die einzige von einem Dritten stammende Unterlage zur Stützung der Behauptung der Kommission, das Dokument Heineken, sei kein gültiger Beweis.

261    Diese Unterlage, die Erklärungen von Interbrew wiedergebe, sei keine unabhängige Feststellung der behaupteten Zwangsausübung. Da weder der Verfasser noch das Datum des genannten Dokuments bekannt seien, müsse überdies der Wahrheitsgehalt der wiedergegebenen Worte bezweifelt werden, zumal nicht festzustellen sei, ob eine verantwortliche Person von Heineken oder von Interbrew das Dokument verfasst habe. Es sei zudem seiner Art nach schwer verständlich und inhaltlich sibyllinisch. Das Dokument sei nämlich weder ein Schreiben noch eine Aufzeichnung, sondern vielmehr ein Auszug aus einer Aufstellung mit dem falsch geschriebenen Namen einer in den 90er Jahren tätigen Führungskraft von Interbrew (Herr C.), in Bezug auf den es drei mit Gedankenstrichen versehene Satzteile enthalte, die Teil einer Aufzählung zu sein schienen. Nach dem zweiten Gedankenstrich stünden die folgenden in niederländischer Sprache verfassten Worte: „Vor drei Jahren hat [Herr K.] Interbrew vor die Wahl gestellt, entweder 500 000 hl zusätzlich [Maes zu geben] oder aus Frankreich vertrieben zu werden.“ Das Wort „geben“ komme im niederländischen Text nicht zum Ausdruck, und das Wort „Alken‑Maes“ sei handschriftlich eingefügt worden. Es sei somit unmöglich, einen klaren Sinn in den vier Zeilen zu erkennen, die aus dem Zusammenhang des Dokuments Heineken gerissen seien. Da sich die Kommission nicht um weitere Aufschlüsse über das Dokument Heineken und über die Bedeutung seines Inhalts bemüht habe, entbehre diese Unterlage jedes Beweiswerts.

262    Die Kommission führt aus, es ergebe sich aus den von der Klägerin nicht bestrittenen Begründungserwägungen 45 und 46 der angefochtenen Entscheidung zum einen, dass Interbrew vor dem Treffen am 11. Mai 1994 in Bezug auf einen Ausbau ihrer Zusammenarbeit mit der Klägerin in Belgien zurückhaltend gewesen sei und mit der Einstellung „keinen Krieg beginnen“ an die Sache herangegangen sei, und zum anderen, dass nach diesem Zeitpunkt ein Nichtangriffspakt geschlossen worden sei. Die Behauptung der Klägerin, Interbrew habe sich vor 1994 mit Alken‑Maes verständigen wollen, um deren aggressiver Handelspolitik ein Ende zu bereiten, sei rein spekulativ, während sich die Aggressivität der Politik von Alken‑Maes gegenüber Interbrew bewahrheitet habe. Angesichts der deutlichen Veränderung in der Haltung von Interbrew sei daraus auf einen Kausalzusammenhang zwischen der Drohung der Klägerin, die überdies die Realität des Ausbaus der Zusammenarbeit seit dem 11. Mai 1994 einräume, und der veränderten Haltung von Interbrew zu schließen.

263    Interbrew spiele zwar die wichtigste Rolle auf dem belgischen Biermarkt, dies schließe jedoch weder aus, dass das Unternehmen einem Ausbau des Kartells zurückhaltend gegenübergestanden habe noch dass ihm ein Handelskrieg von einem Wirtschaftsteilnehmer angedroht worden sei, der im Ganzen betrachtet größer und in Frankreich besonders stark sei, wo Interbrew hingegen eine schwächere Stellung eingenommen habe. Ein solches Szenario sei umso glaubhafter, als die betreffende Drohung in einer abgestimmten Aktion der Klägerin zusammen mit Heineken bestanden habe und Alken‑Maes kein vereinzeltes Unternehmen gewesen sei, sondern eine Tochtergesellschaft der Klägerin und mithin eines internationalen Konzerns. Wenn Interbrew im Übrigen gegen Ende des Kartells Zufriedenheit mit den erzielten Ergebnissen geäußert habe, so lasse dies nicht den Schluss zu, dass das Unternehmen am Anfang nicht zurückhaltend gewesen sei.

264    Zu der Behauptung der Klägerin, dass der Auszug aus der Mitteilung von Herrn M. vom 12. März 1993 eine tendenziöse Darstellung der Tatsachen sei, bemerkt die Kommission zunächst, dass die Verwendung dieses Auszugs in der 45. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung keineswegs den von der Führungsspitze von Interbrew ausgeübten Druck verschleiere. Aus dem Auszug gehe auch hervor, dass die Klägerin diese Zusammenarbeit habe verstärken wollen und mehr davon zu erwarten gehabt habe als Interbrew, was die Klägerin wohlweislich nicht erwähne. Dass die Zurückhaltung von Interbrew vielleicht auf Angst vor einer Verfolgung wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht beruht habe, sei ohne Folgen für das Bestehen dieser Zurückhaltung. Dies gelte auch für die Initiative, deren sich der Urheber der anfänglichen Vorbehalte von Interbrew später schuldig gemacht habe, um Alken‑Maes zur Erreichung des von Interbrew gewünschten Preises zu zwingen. Was schließlich die Erklärung des ehemaligen geschäftsführenden Mitglieds des Verwaltungsrats von Alken‑Maes anbelange, wonach die allermeisten Führungskräfte von Interbrew schon vor 1994 eine Kartellabsprache gewünscht hätten, so sei festzustellen, dass diese Erklärung nachträglich erfolgt sei und sehr selektiv verwendet werde, wobei einige Stellen, die sich auf die Drohung gegenüber Interbrew bezögen, übergangen würden.

265    Die Kommission bemerkt erneut, sie habe keineswegs das Interesse von Interbrew am Zustandekommen einer Kartellabsprache bestritten, sondern lediglich dargetan, dass der Ausbau des Kartells als Ergebnis der von der Klägerin ausgesprochenen Drohung anzusehen sei.

266    Ferner fehle jeder Beweis für das Vorbringen der Klägerin, Interbrew habe vor 1994 eine Verständigung über die Preise gewünscht, um der aggressiven Handelspolitik von Alken‑Maes Einhalt zu gebieten und billige Paralleleinfuhren aus Frankreich zu verhindern. Die Unterlagen, mit denen die aggressive Preispolitik von Alken‑Maes bewiesen werden solle, erwähnten eine Zusammenkunft zwischen Vertretern von Alken‑Maes und Interbrew nach Mai 1994, woraus nicht abgeleitet werden könne, dass der damalige Ausbau des Kartells auf den Wunsch von Interbrew zurückzuführen sei. Auch die Unterlagen über die Paralleleinfuhren seien nicht beweiskräftig, ebenso wenig wie diejenigen, die belegen sollten, dass Interbrew ihre internationale Expansion durch die in Belgien erzielten Gewinne habe finanzieren wollen. Zudem ließen Gespräche über eine etwaige Übernahme von Kronenbourg durch Interbrew kein eigenständiges Interesse des letztgenannten Unternehmens am Kartell erkennen; ebenso wenig könne die Befürchtung einer Verfolgung wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung Interbrew zum Ausbau eines Kartells veranlasst haben, das wettbewerbsrechtlich genauso rechtswidrig sei.

267    Die Kommission führt weiter aus, dass die Erklärung der Klägerin für das Treffen am 11. Mai 1994 und für die Erwähnung der 500 000 Hektoliter nicht glaubhaft sei, wobei auch bedacht werden müsse, dass die Klägerin nicht bestreite, dass tatsächlich von dieser Menge und von einer bestimmten Art Drohung die Rede gewesen sei.

268    Zu dem von der Klägerin bestrittenen Beweis für die Drohung erklärt die Kommission zunächst, die Klägerin habe in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnt, dass ein Vertreter von Alken‑Maes (Herr R. V.) Interbrew, „die wegen der aggressiven Politik [der Klägerin] irritiert war“, mitgeteilt habe, „dass er nicht mehr als 500 000 Hektoliter erreichen will, was seiner Rentabilitätsgrenze entspricht“. Überdies sei Interbrew in Anbetracht ihrer feindlichen Praktiken im belgischen Horeca‑Sektor zu verstehen gegeben worden, dass die Klägerin „gegenüber Interbrew in Frankreich entschlossener auftreten könnte, wenn Interbrew ihre Missbräuche in Belgien nicht einstellt“. Aus diesen beiden Äußerungen gehe eine gewisse Drohung hervor, denn wenn von einem Wettbewerber verlangt werde, er solle bestimmte Praktiken beenden, und ihm zugleich mitgeteilt werde, man müsse über eine bestimmte Menge verfügen, um rentabel zu werden, so bedeutet dies, dass eine Übertragung dieser Menge unter Androhung von Vergeltungsmaßnahmen gefordert werde.

269    Zudem habe ein Vertreter von Interbrew (Herr C.) erklärt, ein Vertreter von Alken‑Maes (Herr K.) habe „unter Androhung der Zerstörung von [Interbrew] in Frankreich seine Forderung bekräftigt, 500 000 [Hektoliter] seien auf [Alken‑Maes] zu übertragen“. Er habe darüber hinaus „ein Verhalten zwischen [Interbrew und Alken‑Maes] in Belgien nach dem Muster der ‚Absprachen in Frankreich‘ befürwortet“, wobei bemerkt worden sei: „Der französische Mechanismus lässt sich wie folgt zusammenfassen. Die Verkaufsdirektoren Lebensmittelhandel (Food) von Heineken und Kronenbourg stimmen sich regelmäßig untereinander ab, um die jeweiligen Marktanteile zu kontrollieren und die Verkaufsförderungsmaßnahmen, die Preise und die Konditionen zu manipulieren.“

270    Die Kommission gibt ferner zur Entkräftung der Behauptung der Klägerin, sie habe sich zum Beweis einer Drohung nur auf das Dokument Heineken gestützt, in ihrer Gegenerwiderung eine Erklärung von Interbrew vom 14. Januar 2000 wieder, deren Verfasser Folgendes ausführt: „Der Standpunkt [der Klägerin] war, dass die Lage von [Alken‑Maes] sehr schwierig sei und dass [Interbrew] diesem Unternehmen helfen sollte. Der Knüppel, den sie hatten, um uns zu überzeugen, bestand darin, dass uns Kronenbourg in Frankreich das Leben sehr schwer machen kann.“

271    Die Drohung sei auch in unabhängiger Weise aus dem Dokument Heineken ersichtlich, das in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und in der angefochtenen Entscheidung zitiert werde. In dieser undatierten und nicht unterzeichneten, jedoch in einer Schublade des Büros eines Mitglieds des Verwaltungsrats von Heineken gefundenen Unterlage werde berichtet, ein Vertreter von Alken‑Maes (Herr K.) habe drei Jahre zuvor „Interbrew vor die Wahl gestellt, entweder 500 000 hl zusätzlich auf Alken‑Maes zu übertragen oder aus Frankreich vertrieben zu werden. Er hat auf die Art der Zusammenarbeit zwischen Heineken und Kronenbourg in Frankreich verwiesen.“

272    Die Kommission trägt vor, die Beweiskraft dieses Dokuments, das die Klägerin in seiner nicht vertraulichen Fassung habe einsehen können, werde nicht dadurch in Mitleidenschaft gezogen, dass das Datum fehle und der Verfasser oder die Personen, die Kenntnis von der genannten Unterlage gehabt hätten, nicht bekannt seien. In Anbetracht des Fundorts deute alles darauf hin, dass diese Unterlage für oder durch ein Mitglied des Verwaltungsrats von Heineken verfasst worden sei. Zudem habe der Anwalt von Heineken bestätigt, dass die Unterlage von seiner Mandantin stamme.

273    Die Kohärenz der von der Klägerin eingeräumten Umstände, der Erklärungen von Interbrew und des Inhalts des Dokuments Heineken zeige, dass in der Tat eine Drohung gegenüber Interbrew ausgesprochen worden sei.

274    Zu den Argumenten, die die Klägerin in ihrer Erwiderung zur Stützung ihrer Behauptung vorträgt, dass die Drohung ohne Wirkung geblieben sei, bemerkt die Kommission vorab, sie implizierten, dass eine Drohung ausgesprochen worden sei. Im Übrigen seien die von der Klägerin angeführten Erklärungen eines ihrer damaligen Direktoren einstimmig. Wenn dieser nämlich erkläre, dass „Kronenbourg keineswegs in der Lage gewesen ist, Interbrew zu verdrängen“, so widerspreche dies seiner Äußerung, dass die Klägerin „gegenüber Interbrew in Frankreich entschlossener auftreten könnte, wenn Interbrew ihre Missbräuche in Belgien nicht einstellt“. Es sei unwahrscheinlich, dass eine Drohung in voller Kenntnis ihrer Unrealisierbarkeit ausgesprochen worden sei. Dazu, dass Interbrew die Drohung angeblich nicht beachtet habe, sei zu bemerken, dass die Klägerin dies nicht feststellen könne, wohingegen aus den Akten hervorgehe, dass Interbrew die Drohung ernst genommen habe.

275    Ein etwaiger Gegenangriff von Interbrew auf den Schankbetrieb infolge des Vorgehens von Alken‑Maes schließe nicht aus, dass Interbrew das ernst genommen habe, was von ihr als Drohung empfunden worden sei. Auch die Unterlagen, die zur Feststellung des „Terrors“ herangezogen worden seien, mit dem Interbrew den Markt überzogen habe, seien nicht beweiskräftig. Aus keiner von ihnen gehe hervor, dass Interbrew die Verkaufsstellen von Alken‑Maes systematisch angegriffen habe.

276    Die Kommission betont abschließend, dass die Klägerin zwar bestreite, eine Drohung ausgesprochen zu haben, jedoch nicht zu bestreiten scheine, dass eine Drohung, auch wenn sie ohne Folgen geblieben sei, einen erschwerenden Umstand darstelle.

b)     Würdigung durch das Gericht

277    Wie aus der Rechtsprechung hervorgeht, ist bei Zuwiderhandlungen, die von mehreren Unternehmen begangen worden sind, für die Bemessung der Geldbußen die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen Unternehmens zu prüfen (Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnr. 623), wobei insbesondere festzustellen ist, welche Rolle es bei der Zuwiderhandlung während der Dauer seiner Beteiligung an dieser gespielt hat (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben zitiert in Randnr. 215, Randnr. 150, und Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T‑6/89, Enichem Anic/Kommission, Slg. 1991, II‑1623, Randnr. 264).

278    Dies ist die logische Folge des Grundsatzes der Individualität der Strafen und Sanktionen, wonach ein Unternehmen nur für Handlungen bestraft werden darf, die ihm individuell zur Last gelegt werden; dieser Grundsatz gilt für alle Verwaltungsverfahren, die zu Sanktionen nach den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft führen können (vgl. hinsichtlich der Auferlegung einer Geldbuße Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001 in den Rechtssachen T‑45/98 und T‑47/98, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, Slg. 2001, II‑3757, Randnr. 63).

279    Gemäß diesen Grundsätzen sehen die Nummern 2 und 3 der Leitlinien eine Abstufung des Grundbetrags der Geldbuße nach bestimmten erschwerenden und mildernden Umständen vor, die den jeweiligen betroffenen Unternehmen zuzuordnen sind. Nummer 2 enthält insbesondere eine nicht abschließende Aufzählung erschwerender Umstände, die berücksichtigt werden können.

280    Die Kommission hat der Klägerin im vorliegenden Fall in der 315. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung zur Last gelegt, dass sie „durch die Drohung, im Fall der Nichtbeteiligung Maßnahmen gegen Interbrew zu ergreifen, eine Ausweitung der Zusammenarbeit erzwungen hat“.

281    Wie vorab festzustellen ist, hat die Kommission zu Recht angenommen, dass ein erschwerender Umstand vorliegt, wenn ein an einem Kartell beteiligtes Unternehmen einen anderen Kartellteilnehmer zwingt, das Kartell auszuweiten, indem es ihm Vergeltungsmaßnahmen für den Fall einer Verweigerung androht. Ein derartiges Verhalten bewirkt nämlich eine unmittelbare Vergrößerung des durch das Kartell entstandenen Schadens, so dass ein Unternehmen, das sich in dieser Weise verhalten hat, eine besondere Verantwortung zu tragen hat (vgl. entsprechend die Beurteilung einer „Anführer“‑Rolle in einem Kartell, Urteile des Gerichtshofes vom 8. November 1983 in den verbundenen Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, IAZ u. a./Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnrn. 57 und 58, und vom 16. November 2000 in der Rechtssache C‑298/98 P, Finnboard/Kommission, Slg. 2000, I‑10157, Randnr. 45, sowie Urteil Mayr-Melnhof/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 291).

282    Die Kommission stellt für die Feststellung des genannten erschwerenden Umstands einen Kausalzusammenhang her zwischen der Ausweitung der Zusammenarbeit, wie sie insbesondere in der 236., der 239., der 243. und der 244. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung zusammengefasst wird, die sich ihrerseits auf den in der 51. bis 68. Begründungserwägung dargelegten Sachverhalt des Jahres 1994 stützen, und der von der Klägerin ausgehenden Androhung von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Interbrew für den Fall der Verweigerung einer Ausweitung der Zusammenarbeit.

283    Um zu bestimmen, ob die von der Kommission gegenüber der Klägerin getroffene Feststellung des genannten erschwerenden Umstands begründet ist, ist der Reihe nach zu prüfen, ob eine Androhung von Vergeltungsmaßnahmen tatsächlich vorliegt, ob die Zusammenarbeit tatsächlich ausgeweitet wurde und, falls sich diese beiden Tatsachen bestätigen, ob die Drohung tatsächlich die Ausweitung der Zusammenarbeit bewirkt hat.

284    Was erstens den Nachweis einer Drohung anbelangt, so hat sich die Kommission hierbei zum einen auf die Erklärung von Herrn C. von Interbrew vom 12. Januar 2000 in Anlage 18 zum Schreiben von Interbrew vom 28. Februar 2000 an die Kommission und zum anderen auf den Inhalt des Dokuments Heineken (vgl. oben, Randnr. 271) gestützt. Nach Ansicht der Kommission wird die Richtigkeit der Erklärung von Interbrew, wonach eine Drohung bei dem Treffen vom 11. Mai 1994 ausgesprochen wurde, durch das Dokument Heineken, das die Formulierung der Drohung wiedergibt, bestätigt.

285    Zu dem Vorbringen der Klägerin, die Erklärung von Interbrew könne nicht als beweiskräftig angesehen werden, ist zu bemerken, dass es nach der Rechtsprechung keine Bestimmung und keinen allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz gibt, die es der Kommission verbieten, sich gegenüber einem Unternehmen auf die Aussagen anderer beschuldigter Unternehmen zu berufen. Andernfalls wäre die der Kommission obliegende Beweislast für Verhaltensweisen, die gegen die Artikel 81 und 82 EG verstoßen, nicht tragbar und mit der durch den EG‑Vertrag der Kommission übertragenen Aufgabe der Überwachung der ordnungsgemäßen Anwendung dieser Bestimmungen unvereinbar (Urteil PVC II, oben zitiert in Randnr. 154, Randnr. 512). Jedoch kann die Erklärung eines der Teilnahme an einem Kartell beschuldigten Unternehmens, deren Richtigkeit von mehreren anderen beschuldigten Unternehmen in Abrede gestellt wird, nicht ohne Untermauerung durch andere Beweismittel als hinreichender Beleg für die betreffenden Umstände angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑337/94, Enso‑Gutzeit/Kommission, Slg. 1998, II‑1571, Randnr. 91). Da das Kartell im vorliegenden Fall nur zwei Beteiligte umfasst, genügt das Bestreiten des Inhalts der Erklärung von Interbrew durch die Klägerin, um eine Untermauerung dieser Erklärung durch andere Beweismittel erforderlich zu machen. Dies gilt umso mehr, als es sich hier um eine Erklärung handelt, mit der die Verantwortlichkeit des Unternehmens, in dessen Namen die Erklärung abgegeben worden ist, dadurch gemindert werden soll, dass die Verantwortlichkeit eines anderen Unternehmens in den Vordergrund gestellt wird. Somit ist zu prüfen, ob die Erklärung von Interbrew durch andere Beweismittel erhärtet wird.

286    Da sich die Kommission für die Richtigkeit der Erklärung von Interbrew auch auf das Dokument Heineken gestützt hat, das die fragliche Drohung belegen soll und dessen Beweiskraft von der Klägerin ebenfalls bestritten wird, ist festzustellen, ob diese Unterlage eine Drohung hinreichend belegt, um zu dem Schluss gelangen zu können, dass die Drohung unter Zugrundelegung des Dokuments Heineken und der Erklärung von Interbrew feststeht. Hierbei ist zur Beurteilung des Beweiswerts eines Dokuments zunächst die Wahrscheinlichkeit der darin enthaltenen Aufzeichnungen zu untersuchen. Dabei ist namentlich zu berücksichtigen, von wem das Dokument stammt, unter welchen Umständen es erstellt worden ist, an wen es gerichtet ist und ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubwürdig wirkt (Schlussanträge des zum Generalanwalt bestellten Richters Vesterdorf in der Rechtssache T‑1/89, Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991, Rhône‑Poulenc/Kommission, Slg. 1991, II‑867, II‑869, II‑956, und Zement‑Urteil, oben zitiert in Randnr. 31, Randnr. 1838).

287    Wie zunächst festzustellen ist, hat nach dem Dokument Heineken der damalige Generaldirektor der Biersparte der Klägerin „Interbrew vor die Wahl gestellt, entweder 500 000 [Hektoliter] zusätzlich auf Maes zu übertragen oder aus Frankreich vertrieben zu werden [und] auf die Art der Zusammenarbeit zwischen Heineken und Kronenbourg in Frankreich verwiesen“. Da sich das genannte Dokument auf die Erhebung einer Forderung mit eventuellen Vergeltungsmaßnahmen bezieht, gibt es eine Drohung wieder.

288    Sodann ist zur Glaubwürdigkeit des Dokuments Folgendes zu bemerken: Erstens wurde das Dokument Heineken, obwohl es nicht datiert ist, notwendigerweise vor dem 22. März 2000 erstellt, da es ursprünglich zu diesem Zeitpunkt im Zuge einer Nachprüfung nach Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 bei Heineken (vgl. oben, Randnr. 39) abschriftlich erlangt wurde, so dass es bereits vor der Einleitung des Verfahrens und vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die betroffenen Unternehmen bestand. Zweitens lässt die Tatsache, dass das Dokument Heineken, obgleich es nicht unterzeichnet ist, in der Schublade eines Mitglieds des Verwaltungsrats von Heineken, also im Büro einer Führungskraft eines Drittunternehmens, gefunden wurde, den Schluss zu, dass der Inhalt des Dokuments glaubwürdig ist. Drittens kann die Richtigkeit des Inhalts der in Rede stehenden Äußerungen nicht in Frage stellen, dass Interbrew, wie die Klägerin zu verstehen gibt, Heineken über sie berichtet haben könnte. Es erscheint nämlich keinesfalls glaubhaft, dass Interbrew, worin die einzige Möglichkeit besteht, die einen derartigen Zweifel an der Wahrheit des Dokuments Heineken begründen könnte, Heineken absichtlich erfundene Vorgänge allein zu dem Zweck zugetragen haben sollte, in Erwartung einer Bußgeldentscheidung der Kommission eine Zwangslage zu inszenieren, die die Rolle von Interbrew im Kartell als weniger wichtig erscheinen lassen könnte.

289    Wie ferner zu bedenken ist, bestreitet die Klägerin zwar, dass bei dem Treffen am 11. Mai 1994 eine Drohung ausgesprochen wurde, sie bestreitet jedoch weder, dass hierbei eine Warnung ausgesprochen wurde (vgl. oben, Randnr. 256), noch dass bei diesem Treffen von einer Menge von 500 000 Hektolitern die Rede war, noch schließlich, dass sich das Dokument Heineken auf das Treffen vom 11. Mai 1994 bezieht.

290    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass dem Dokument Heineken ein ausgeprägter Beweiswert zukommt und dass in Anbetracht der von der Klägerin nicht bestrittenen Begleitumstände aus der Erklärung von Herrn C. von Interbrew vom 12. Januar 2000 in Verbindung mit dem Dokument Heineken hervorgeht, dass die Klägerin am 11. Mai 1994 tatsächlich eine Drohung gegenüber Interbrew ausgesprochen hat.

291    Was zweitens die Frage anbelangt, ob die festgestellte Zusammenarbeit tatsächlich ausgeweitet wurde, so ist zunächst zu bemerken, dass es zwar nach Ansicht der Klägerin überzogen wäre, die Änderung der zwischen den Parteien erörterten Themen als Ausweitung der Zusammenarbeit zu bezeichnen, die Klägerin aber doch einräumt, dass sich die Gespräche nach Mai 1994 fortentwickelt haben, wenngleich sich diese Fortentwicklung zunächst nur auf die „Wahrung der Kundschaft jeder Partei“ bezogen habe, soweit die betreffenden Kunden durch Exklusivverträge gebunden gewesen seien.

292    Die Klägerin bestreitet auch nicht die in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Feststellungen, wonach das Kartell eine Vereinbarung über die Marktaufteilung in Form eines Nichtangriffspakts umfasst hat. Sie hat der Kommission selbst die Existenz eines Nichtangriffspakts mitgeteilt, was aus dem Schreiben von Alken‑Maes an die Kommission vom 7. März 2000 hervorgeht. Dort heißt es:

„Es hat insbesondere den Anschein, dass Ende 1994 zwischen den beiden Gesellschaften eine Vereinbarung getroffen wurde, die die gesamten Vertriebswege in Belgien, jedoch besonders genau die im Horeca‑Sektor erfasste. Die Vereinbarung soll insbesondere … einen Nichtangriffspakt … beinhaltet haben.“

293    Zudem tut die Kommission insbesondere in der 56., der 59. bis 65., der 73. und der 104. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung rechtlich hinreichend dar, dass in das Kartell schon in der zweiten Jahreshälfte 1994 eine Marktaufteilungskomponente einbezogen wurde. Weiterhin geht aus der 53. bis 58. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung hervor, dass der Prozess, der zu dieser Einbeziehung geführt hat, im Mai 1994 begonnen hat.

294    Demnach wurde die Zusammenarbeit ab Mai 1994 effektiv durch einen Nichtangriffspakt zu einer Aufteilung des Biermarktes erweitert.

295    Drittens ist zu prüfen, ob die am 11. Mai 1994 von der Klägerin ausgesprochene Drohung Interbrew entscheidend gezwungen hat, einer Erweiterung des Kartells zu einem Nichtangriffspakt zuzustimmen. Diese Prüfung erfordert eine vergleichende Untersuchung des Verhaltens der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaft Alken‑Maes zum einen und von Interbrew zum anderen sowohl vor als auch in und nach dem zweiten Halbjahr 1994, in dessen Verlauf der Prozess der Kartellerweiterung zu dem am 12. Oktober 1994 besiegelten Nichtangriffspakt geführt hat. Dem Verhalten von Interbrew kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu.

296    Wie vorab festzustellen ist, hat die Kommission in der 313. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass sowohl die Klägerin als auch Interbrew im Zusammenhang mit verschiedenen Komponenten des Kartells die Initiative ergriffen hätten, so dass in dem Kartell als Ganzem keiner der Beteiligten eine führende Rolle gespielt habe.

297    Was erstens das jeweilige Verhalten der Kartellteilnehmer vor und in dem zweiten Halbjahr 1994 anbelangt, so ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung zunächst, dass von der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaft Alken‑Maes die Erweiterung des Kartells zu einem Nichtangriffspakt ausgegangen ist, womit eine Abstimmung hinsichtlich der Marktanteile oder zumindest hinsichtlich einer Aufteilung der Kundschaft verbunden war.

298    Während sich das Kartell nämlich ursprünglich auf die Preise und auf eine Senkung der Handelsinvestitionen beschränkte, bestand der von der Klägerin zum Ausdruck gebrachte Standpunkt, wie er nach den Erklärungen von Interbrew in einer internen Sitzung bei Interbrew am 5. Mai 1994 erläutert und bei einem Treffen am 11. Mai 1994 bekräftigt wurde – Letzteres wird durch das Dokument Heineken untermauert –, darin, dass zum ersten Mal eine Berücksichtigung von Gesichtspunkten der Absatzmenge gefordert wurde, was einem Vorschlag einer Erweiterung des Kartells zu einer Marktaufteilung gleichkommt. Zudem ergibt sich aus der in der Erklärung von Interbrew, die in der 54. und der 57. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung zitiert und durch den Inhalt einer in der 58. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen internen Notiz des Verfassers dieser Erklärung vom 5. Oktober 1994 erhärtet wird, dass das Verlangen nach einer Marktaufteilung von Alken‑Maes geäußert und von Interbrew dahin verstanden wurde, dass Abstimmungsmechanismen, an denen die Klägerin in Frankreich beteiligt war, in Belgien übernommen werden sollten. Aus denselben Unterlagen geht überdies hervor, dass Interbrew einem derartigen Vorschlag zurückhaltend gegenüberstand.

299    Es ist jedoch zu bedenken, dass das Verhalten von Interbrew bis Mai 1994 von einer aktiven Rolle im Kartell zeugt. So erklärt die Kommission in der 310. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung, Interbrew habe die Initiative für den 1992 eingeleiteten Informationsaustausch ergriffen und es werde aus schriftlichen Beweismitteln ersichtlich, dass Interbrew im August und November 1993 eine führende Rolle bei den Preisabsprachen im Einzelhandel gespielt habe. Der internen Notiz von Interbrew vom 12. März 1993 lässt sich zudem entnehmen, dass der Spitzenmanager dieses Unternehmens im ersten Stadium des Kartells eine aktive Rolle gespielt hat, indem er seinen Untergebenen auferlegt hat, an der gegenseitigen Abstimmung teilzunehmen. In der Notiz heißt es nämlich: „Sie möchten wahrscheinlich die ‚Zusammenarbeit‘ in Belgien ausbauen. Der [ehemalige CEO von Interbrew] hat uns zu Gesprächen gezwungen, ‚da wir dringend etwas Geld brauchten‘, aber wir sind diesbezüglich sehr zurückhaltend, denn wir wollen Problemen, die die Artikel [81] und [82] [EG] berühren …, aus dem Weg gehen.“

300    Fünf Monate später übernahm der Verfasser der genannten Notiz, der inzwischen CEO von Interbrew geworden war, anscheinend diese aktive Einstellung gegenüber dem Kartell. In einer internen Notiz von Interbrew vom 19. August 1993 erklärt sich Herr M. nämlich bereit, Hilfe zu leisten, um Alken‑Maes von der Durchsetzung einer Preiserhöhung von 4 % zu überzeugen. Er berichtet zudem in einer Mitteilung vom 3. November 1993 über seine Rücksprache mit dem Großhandel wie folgt:

„… würde es außerordentlich begrüßen, wenn Interbrew die Initiative ergriffe und Kontakt zu … und … [Anm.: die drei größten belgischen Supermarktketten] aufnähme, um über eine schrittweise Preiserhöhung für Bier … das von [Interbrew] angestrebte Niveau zu erreichen … Zeichnet sich ein Konsens ab, dann sollte ein Treffen zu dritt erwogen werden … Ich halte es für sinnvoll, auch mich zu dem Gipfeltreffen mit … und … hinzuzuziehen. … Die Initiative von Maes im vergangenen Jahr hat sich als nicht durchführbar erwiesen: Es fehlte a) das Vertrauen, aber mit Sicherheit war Maes b) auch zu klein. Nur [Interbrew] kann es hier schaffen.“

301    Somit lässt das Verhalten der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaft Alken‑Maes im zweiten Halbjahr 1994 erkennen, dass diese Unternehmen die Zusammenarbeit zu einer Marktaufteilung ausweiten wollten, während Interbrew im ersten Stadium der Zuwiderhandlung eine aktive Rolle gespielt hat, was aus ihren Initiativen hervorgeht, deren wettbewerbswidriger Zweck nicht bestritten werden kann.

302    Was zweitens das Verhalten der Kartellteilnehmer in der Zeit vom 11. Mai 1994 – dem Zeitpunkt, zu dem die Drohung ausgesprochen wurde – bis zum 24. November 1994 – dem Zeitpunkt, zu dem der am 12. Oktober 1994 geschlossene Nichtangriffspakt erneut zwischen den Beteiligten erörtert wurde – anbelangt, so ist zunächst festzustellen, dass die Verhaltensweise von Interbrew trotz der Drohung der Klägerin nicht derjenigen eines Unternehmens entspricht, das durch Zwangsausübung genötigt wird, eine Ausweitung der wettbewerbswidrigen Vereinbarung zu akzeptieren, an der es teilnimmt.

303    So hat der CEO von Interbrew am 7. Juli 1994 geäußert, er sei mit dem Spitzenmanager der Klägerin übereingekommen, „keinen Krieg zu beginnen, sondern zu versuchen, Zeit zu gewinnen“ (56. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung). Die Haltung der Klägerin und von Alken‑Maes im ersten Stadium des Kartells, das sich von Anfang 1993 bis zum Ende des ersten Halbjahres 1994 erstreckt, war indessen aggressiv gegenüber Interbrew, und bei dem Verhalten der Klägerin am 11. Mai 1994 stand ungeachtet des Drohcharakters die Möglichkeit der Auslösung eines Handelskriegs in Frankreich im Hintergrund. Das Verhalten von Interbrew lässt sich demnach nicht allein als Nachgeben gegenüber der Drohung der Klägerin, sondern durchaus auch als Verweigerung eines Handelskriegs, also eines wettbewerbsgerechten Verhaltens, beurteilen. So hat die Kommission auch in der 51. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung nach Erwähnung der Drohung ausgeführt: „Obwohl Interbrew [der] Forderung [der Klägerin], 500 000 Hektoliter Bier auf Alken‑Maes zu übertragen, nicht nachkommt, wünscht sie keinen Krieg und bleiben die beiden Seiten in engem Kontakt.“

304    Somit zeigt sich zum einen, dass Interbrew die ihr gegenüber ausgesprochene Drohung nur mäßig beachtet hat, und zum anderen, dass das Verhalten von Interbrew daraus resultiert, dass sich das Unternehmen auf keinen Konflikt mit der Klägerin einlassen wollte, was dafür spricht, dass die Ausweitung des Kartells nicht das Ergebnis eines Zwanges sein muss, sondern die Folge einer von Interbrew getroffenen Wahl sein kann. Zudem führt die Kommission in der 235. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung aus, Interbrew sei der Forderung, 500 000 Hektoliter auf Alken‑Maes zu übertragen, nicht nachgekommen, schwächt diese Feststellung allerdings sogleich durch die Bemerkung ab, Interbrew habe sich jedoch sehr wohl dazu bereit gefunden, von diesem Zeitpunkt an die Absprachen mit Alken‑Maes auszudehnen und nicht mehr nur auf den Austausch von Informationen und Absprachen über die Einzelhandelspreise zu beschränken.

305    Überdies zeugt die Notiz des kaufmännischen Direktors des Horeca‑Sektors Belgien von Interbrew zur Vorbereitung des Treffens vom 12. Oktober 1994, bei dem der Nichtangriffspakt besiegelt wurde, nicht von einer grundsätzlichen Zurückhaltung im Hinblick auf eine derartige Vereinbarung über die Marktaufteilung oder von der Wahrnehmung einer Zwangslage, die dorthin führen könnte. Die genannte Notiz lässt eher eine von ihrem Verfasser durchgeführte wohldurchdachte Einschätzung der Vor‑ und Nachteile eines derartigen Kartells für Interbrew, auch im Vergleich zu den möglichen Vorteilen für Alken‑Maes, erkennen. So wird dort etwa bemerkt, dass „für [Interbrew] wegen ihrer beherrschenden Stellung und des einschlägigen Gesetzes vom April 1993 eine zusätzliche Gefahr entsteht“ oder auch dass „solche Kartelle größere Vorteile für den Herausforderer als für den Marktführer bieten“. In der Notiz wird eine künftige Vereinbarung mit Alken‑Maes nicht positiv beurteilt, da es darin heißt: „Persönliche Einschätzung: Ich halte nichts von solchen Vereinbarungen, da sie sich nicht in die Praxis umsetzen lassen und sie keinen grundlegenden Vorteil für [Interbrew] mit sich bringen.“ Die Notiz lässt indessen nicht notwendigerweise eine Zwangslage für Interbrew erkennen, da ihr Inhalt auch als Teil eines Überlegungsprozesses von Interbrew darüber ausgelegt werden kann, wie wettbewerbswidrige Vereinbarungen wirksam ins Werk gesetzt werden könnten.

306    Darüber hinaus deutet die interne Notiz von Interbrew vom 14. Oktober 1994, in der über die Ergebnisse des Treffens vom 12. Oktober 1994 berichtet wird, nicht darauf hin, dass der Nichtangriffspakt Interbrew durch Zwangsausübung auferlegt wurde, sondern vielmehr darauf, dass Interbrew ihren Teil zur Diskussion beigetragen und Alken‑Maes sogar ihr eigenes Konzept unterbreitet hat. Der Generaldirektor Belgien von Interbrew schreibt nämlich in dieser Notiz: „Anbei übersende ich Ihnen ein Dokument unserer Freunde sowie das von mir vorgeschlagene eine Seite umfassende Konzept. Dieses wurde von unseren Freunden grundsätzlich akzeptiert.“ Das von Interbrew vorgeschlagene „eine Seite umfassende Konzept“, das die Kommission in der 60. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung wiedergibt, bezieht sich gerade auf ein „Gentlemen’s Agreement“, das insbesondere folgende Punkte umfasst: „Kein Angriff auf Bezugsverpflichtungen“ (es handelt sich dabei um Horeca‑Verkaufsstellen, mit denen eine Alleinbezugsvereinbarung abgeschlossen worden ist) und „Kein systematischer Angriff von Marken in den jeweils anderen Bezugsverpflichtungen“.

307    Was drittens das Verhalten der Beteiligten nach dem zweiten Halbjahr 1994 anbelangt, so ist zunächst festzustellen, dass die Kommission in der 77. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung anhand von internen Unterlagen von Interbrew vom Juli 1995 angibt, dass die Führungskräfte dieses Unternehmens der Meinung gewesen seien, ihre Absprache in Belgien eingehalten zu haben. Die Kommission betont zudem in der 310. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung, dass Interbrew 1995 die Initiative für Preisdiskussionen ergriffen habe. Die in der 83. bis 92. Begründungserwägung enthaltene Beschreibung der 1996 von den beiden Beteiligten durchgeführten Beratungen über ihre Pläne für eine neue Preisgestaltung bestätigt, dass ein Geist freiwilliger Zusammenarbeit bestand. In der 92. Begründungserwägung zitiert die Kommission z. B. den Inhalt eines Fax einer Führungskraft von Interbrew an einen Aktionär dieses Unternehmens vom 11. Oktober 1996, worin es heißt: „Wir diskutieren nunmehr seit einem Jahr über konstruktiven Wettbewerb in Belgien. Im Grunde hat sich dort nichts getan. Und möglicherweise sind dafür alle Seiten verantwortlich. Wir werden versuchen, diesen Prozess in der nächsten Woche aufs Neue in Gang zu setzen.“

308    Ferner zeugen schließlich die Aufzeichnungen des kaufmännischen Direktors des Horeca‑Sektors Belgien von Interbrew zu dem Gespräch vom 28. Januar 1998 von einer positiven Einstellung gegenüber dem Kartell und beziehen auch für die Horeca‑Ziele des Kartells die „Achtung von Bezugsverpflichtungen und Lieferungsrechten“ mit ein. In den Aufzeichnungen wird bei den Horeca‑Beratungen zudem ein „direkter Kontakt in Bezug auf komplizierte Fragen und Wettbewerb bei nationalen Kunden“ erwähnt (104. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung).

309    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Kartellteilnehmer im gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung wettbewerbswidrige Initiativen ergriffen haben und anhand der Akten insbesondere nicht darauf geschlossen werden kann, dass Interbrew allein unter Zwang in die Erweiterung des Kartells zu einem Nichtangriffspakt eingewilligt hat. Obgleich die Kommission in ihren Schriftsätzen ausführt, dass der gegenüber der Klägerin festgestellte erschwerende Umstand Interbrew nicht von ihrer Verantwortung im Kartell entbinde, lässt das Verhalten, das dieses Unternehmen im gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung an den Tag gelegt hat, nicht den Schluss zu, dass ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen der Drohung der Klägerin vom 11. Mai 1994 und der Ausweitung des Kartells besteht.

310    Somit hat die Kommission in Anbetracht des Verhaltens der Beteiligten gegenüber dem Kartell vor und nach dem zweiten Halbjahr 1994 und der Bedeutung, die dieser Drohung in dem Zusammenhang zukommen konnte, in dem sie ausgesprochen wurde, den Kausalzusammenhang zwischen der Drohung und der Ausweitung des Kartells nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, da diese Ausweitung möglicherweise nicht auf eine Drohung zurückzuführen ist, sondern allgemeiner auf dem von beiden Kartellteilnehmern einvernehmlich verfolgten Ziel der Ausschaltung des Wettbewerbs beruhen kann.

311    Demgemäß hat die Kommission der Klägerin zu Unrecht den erschwerenden Umstand zur Last gelegt, Interbrew zur Ausweitung der Zusammenarbeit beider Unternehmen durch Androhung von Vergeltungsmaßnahmen im Verweigerungsfall gezwungen zu haben.

312    Die Kommission hat auf Befragen in der mündlichen Verhandlung zu den Anhebungssätzen, die sie für jede der beiden der Klägerin zur Last gelegten erschwerenden Umstände im Rahmen der festgelegten 50%igen Gesamterhöhung des Grundbetrags angesetzt hat, erklärt, dass nach der jeweils verhältnismäßigen Bedeutung der beiden erschwerenden Umstände für die Gründe der angefochtenen Entscheidung zum einen und nach ihrer einschlägigen Entscheidungspraxis zum anderen davon auszugehen sei, dass der erschwerende Umstand der Tatwiederholung eine vorherrschende Rolle gespielt habe und dem erschwerenden Umstand der Zwangsausübung daher eine geringere Bedeutung zukomme.

313    Das Gericht hat demgemäß die ihm nach Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 zustehende Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auszuüben und setzt die wegen der erschwerenden Umstände festgelegte Gesamterhöhung des Grundbetrags der Geldbuße auf 40 % fest.

4.     Zum Klagegrund einer unberechtigten Berücksichtigung des erschwerenden Umstands der Tatwiederholung gegenüber der Klägerin

a)     Vorbringen der Parteien

314    Die Klägerin macht erstens geltend, dass die Berücksichtigung eines ihr zur Last gelegten angeblichen Rückfalls durch die Kommission gegen die in Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 enthaltene Befugnisübertragung verstoße, da die Kommission die verhängte Geldbuße nur nach der eigenen Schwere der Zuwiderhandlung und deren Dauer bemessen dürfe.

315    Aus den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gehe hervor, dass eine Tatwiederholung nicht zu den eine Zuwiderhandlung erschwerenden Umständen, also zu der objektiven Beurteilung der Schwere des Sachverhalts, gehöre, sondern zu der Feststellung einer dem Urheber der Zuwiderhandlung zuzuordnenden Tatsache, nämlich seiner Neigung, derartige Zuwiderhandlungen zu begehen.

316    Zu dem Argument der Kommission, der Rückfall sei in den Leitlinien als erschwerender Umstand enthalten, erklärt die Klägerin, sie stelle nicht das Recht der Kommission in Frage, im Wege einer als Auslegung dienenden Mitteilung ihre Vorgehensweise bei der Verhängung von Geldbußen zu erläutern. Sie sieht hingegen einen Ermessensmissbrauch darin, dass die Kommission für sich das Recht in Anspruch nehme, ohne gesetzliche Ermächtigung eine Strafe wegen Rückfalls zu verhängen und nach eigenem Ermessen die Anwendungsmodalitäten dieses Konzepts zu beschließen.

317    Zu dem Einwand der Kommission, dass die Klägerin keine Einrede der Rechtswidrigkeit nach Artikel 241 EG erhoben habe, erklärt diese, die Möglichkeit, rechtlich so vorzugehen, hindere sie nicht daran, sich auf die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf die Verordnung Nr. 17 auch dann zu berufen, wenn diese Entscheidung auf der Anwendung der Leitlinien beruhe. Hinsichtlich der von der Kommission ebenfalls herangezogenen Zurückweisung der Einrede der Unzulässigkeit durch das Gericht in der Sache, die zu dem Urteil HFB u. a./Kommission (oben, Randnr. 245) geführt hat, betont die Klägerin, dass dieses Urteil sich nur auf einen ganz bestimmten Punkt der Leitlinien bezogen habe und daher nicht die allgemeine Bedeutung aufweise, die ihm die Kommission zuschreiben wolle.

318    Auf das Argument der Kommission, das Gericht habe in verschiedenen Rechtssachen das Rückfallkonzept anerkannt, erwidert die Klägerin, das Gericht habe in keiner dieser Rechtssachen ausdrücklich zur Rechtmäßigkeit einer Anwendung des Rückfallkonzepts nach der Verordnung Nr. 17 und auch nicht nach den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen Stellung genommen. So habe sich das Gericht im Urteil PVC II (oben, Randnr. 154) nicht gestützt darauf, dass ein Unternehmen schon einmal eine gleichartige Zuwiderhandlung begangen habe, die verhängte Geldbuße erhöht, sondern allein festgestellt, dass die Verweigerung der Bejahung eines mildernden Umstands durch die Kommission begründet gewesen sei. Das Gericht habe somit nicht das Rückfallprinzip anerkannt.

319    Die Kommission könne zwar für die Ermittlung des Grundbetrags der Geldbuße frühere Zuwiderhandlungen berücksichtigen, um die Feststellung der Vorsätzlichkeit einer erneuten Zuwiderhandlung eines Unternehmens zu rechtfertigen; dies bedeute jedoch nicht, dass eine frühere Zuwiderhandlung ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zu einer schwereren Strafe wegen Rückfalls führen könne. Dadurch würde nämlich ein neuer Straftatbestand geschaffen, der zur Hauptstrafe hinzukäme, und dies lasse erkennen, weshalb das Rückfallkonzept in den nationalen Rechtsordnungen der gesetzlichen Regelung und einer engen Auslegung bedürfe. Die Verordnung Nr. 17 enthalte indessen keine ausdrückliche Befugnisübertragung, die es der Kommission erlauben würde, eine Geldbuße wegen eines Wiederholungsfalls zu erhöhen.

320    Zu den Urteilen des Gerichts vom 11. März 1999 in der Rechtssache T‑141/94 (Thyssen Stahl/Kommission, Slg. 1999, II‑347) und Enichem Anic/Kommission (oben, Randnr. 277) bemerkt die Klägerin, dass das Gericht dort den Rückfall zwar als erschwerenden Umstand genannt habe, die Frage der Rechtswidrigkeit einer Umsetzung dieses Konzepts hinsichtlich der Verordnung Nr. 17 sei jedoch von den Klägerinnen nicht aufgeworfen worden.

321    Die Klägerin macht zweitens geltend, dass die Kommission den Grundsatz „nulla poena sine lege“ verletzt habe, da die Berücksichtigung eines erschwerenden Umstands des Rückfalls in der Gemeinschaftsrechtsordnung keine Grundlage finde. Der Gerichtshof habe erklärt, dass der allgemeine Grundsatz „nulla poena sine lege“ die Ermessensbefugnis der Gemeinschaftsorgane in dem Sinne beschränke, dass eine Sanktion, auch wenn sie nicht von strafrechtlicher Natur sei, nur dann verhängt werden dürfe, wenn sie auf einer klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage beruhe (Urteile des Gerichtshofes vom 25. September 1984 in der Rechtssache 117/83, Könecke, Slg. 1984, 3291, Randnr. 11). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe ebenfalls entschieden, dass die allgemeinen Grundsätze und die mit den Verteidigungsrechten verbundenen Garantien ungeachtet der Qualifizierung einer Zuwiderhandlung im innerstaatlichen Recht für alle Sanktionen gälten, mit denen ein vorbeugender und zugleich ein repressiver Zweck verfolgt werde (EGMR, Urteil Ostürk vom 21. Februar 1984, Bd. A Nr. 73). Nur der Rat und das Parlament seien aufgrund ihrer gesetzgebenden Befugnis berechtigt, dem Rückfallkonzept die gesetzliche Grundlage zu verleihen, die erforderlich sei, damit die Kommission dieses Konzept als erschwerenden Umstand anwenden könne.

322    Die Klägerin führt ferner aus, der Gerichtshof habe in den von der Kommission in der Klagebeantwortung genannten Rechtssachen, nämlich den Urteilen PVC II (oben, Randnr. 154), Thyssen Stahl/Kommission (oben, Randnr. 320) und Enichem Anic/Kommission (oben, Randnr. 277), noch nicht dazu Stellung genommen, ob das Rückfallprinzip gemessen an dem Grundsatz „nulla poena sine lege“ rechtmäßig sei.

323    Eine Analyse der nationalen Rechtsordnungen verdeutliche im Übrigen die sehr strikte Anwendung des Rückfallkonzepts in den Mitgliedstaaten und den legislativen Charakter der es begründenden Rechtsakte.

324    Die Klägerin macht drittens geltend, dass die Kommission den Grundsatz der Rechtssicherheit sowie die Grundsätze der Rechtmäßigkeit der Sanktionen und der Wahrung der Verteidigungsrechte (Urteil des Gerichtshofes vom 22. März 1961 in den Rechtssachen 42/59 und 49/59, Snupat/Hohe Behörde, Slg. 1961, 111, 161, Randnr. 159) verletzt habe, da sie ohne gesetzliche Grundlage, die für eine Anwendung des Rückfallbegriffs insbesondere den höchstzulässigen Zeitabstand zwischen zwei Verurteilungen festlegen müsste, Zuwiderhandlungen berücksichtigt habe, die 1984 und 1974 geahndet worden seien.

325    Eine Analyse der nationalen Rechtsordnungen zeige, dass es neben anderen strikten Voraussetzungen für die Anwendung des Rückfallkonzepts eine im Allgemeinen nicht über zehn Jahre hinausgehende Höchstgrenze für den zeitlichen Abstand zwischen einer zur Prüfung anstehenden Zuwiderhandlung und einer früheren Verurteilung gebe. Das Fehlen einer zeitlichen Begrenzung für die Anrechnung eines Rückfalls in den Leitlinien, auf das sich die Kommission in ihrer Klagebeantwortung berufe, sei eben der Mangel, der für die Klägerin den von ihr gerügten unhaltbaren Zustand begründe. Sie sei deshalb der Ansicht, dass die Kommission eine derartige Begrenzung in ihren Leitlinien hätte festlegen müssen. Es gehe nämlich nicht an, dass die Kommission Zuwiderhandlungen berücksichtigen könne, die 40 Jahre zurücklägen und sogar von einer anderen rechtlichen Einheit begangen worden seien.

326    Die Klägerin macht viertens geltend, dass die angefochtene Entscheidung zweifach den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz „ne bis in idem“ verletze. Eine Verschärfung der Sanktion bei einem Rückfall beruhe auf zwei wesentlichen Gründen, nämlich auf der Notwendigkeit, den Wiederholungstäter von einer erneuten Zuwiderhandlung in der Zukunft abzuhalten, und darauf, dass der Wiederholungstäter die Rechtswidrigkeit seiner Handlung aufgrund einer früheren Verurteilung gekannt habe. Die Kommission, die anerkennt, dass sie sich bei ihrer Berücksichtigung des Rückfalls auf diese beiden Gründe stütze, begehe den Fehler, jeden dieser Gründe in der angefochtenen Entscheidung zum zweiten Mal ins Feld zu führen und so die Geldbuße zweimal aus denselben Gründen zu erhöhen.

327    So habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung bereits zum einen das Erfordernis der abschreckenden Wirkung bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt und zum anderen dem Umstand, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens gekannt habe, Rechnung getragen, als sie erklärt habe, sie berücksichtige, dass die Klägerin über den juristischen und wirtschaftlichen Sachverhalt und die entsprechenden Ressourcen verfüge, die sie in die Lage versetzten, klarer zu erkennen, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstelle und welche Folgen diese aus wettbewerbsrechtlicher Sicht haben könne. Die Kommission habe daher den Grundsatz „ne bis in idem“ verletzt, indem sie dann aufgrund des Wiederholungsfalls die Geldbuße aus denselben zwei Gründen erhöht habe wie bei der Bemessung der Geldbuße wegen der Schwere der Zuwiderhandlung.

328    Die Klägerin macht fünftens geltend, dass die Kommission gegen die Verjährungsvorschriften für die Verfolgung und Vollstreckung in Wettbewerbssachen verstoße, indem sie einen Rückfall aufgrund von Vorgängen berücksichtige, die fast vierzig Jahre zurücklägen und demnach weiter zurückreichten als die Frist von fünf Jahren nach Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über die Verfolgungs‑ und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs‑ und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 319, S. 1).

329    Sechstens macht die Klägerin schließlich hilfsweise geltend, die Kommission habe eine offensichtlich überzogene Vorstellung von dem Begriff des Rückfalls an den Tag gelegt.

330    Zum einen seien die Überlegungen der Kommission sachlich nicht voll begründet, dass die Entscheidung 74/292/EWG der Kommission vom 15. Mai 1974 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG‑Vertrag (IV/400 – Vereinbarungen zwischen Herstellern von Verpackungsglas) (ABl. L 160, S. 1, im Folgenden: Entscheidung „Verpackungsglas“) keine Verurteilung des Unternehmens Boussois‑Souchon‑Neuvesel (BSN) SA (Vorgänger der Klägerin), sondern nur eine Weigerung gewesen sei, Vereinbarungen nach ihrer Anmeldung gemäß Artikel 81 Absatz 3 EG freizustellen. Die Kommission habe dies im Übrigen stillschweigend anerkannt, indem sie in ihrer Klagebeantwortung bemerkt habe, dass selbst ohne Berücksichtigung dieser Entscheidung die Entscheidung „Flachglas Benelux“ für die Feststellung genüge, dass ein Rückfall vorliege.

331    Eine überzogene Strenge gegenüber der Klägerin gehe zudem schon daraus hervor, dass für die Feststellung eines Wiederholungsfalls eine Entscheidung herangezogen werde, die aufgrund einer Anmeldung getroffen worden sei, deren Prinzip darin bestehe, dass für die Unternehmen Rechtssicherheit für die Zeit geschaffen werde, in der die Kommission noch nicht Stellung genommen habe. Es sei daher irreführend, die genannte Entscheidung als „Feststellung einer Zuwiderhandlung“ zu bezeichnen, um eine Erhöhung des Betrages der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße zu rechtfertigen.

332    Zum anderen sei eine Anhebung der Geldbuße unter Berücksichtigung sehr weit zurückliegender Vorgänge – es handele sich hier um fast vierzig Jahre – selbst bei einer fehlenden zeitlichen Begrenzung der Befugnis der Kommission zur Anrechnung eines Rückfalls eine zu der dadurch entstehenden Rechtsunsicherheit hinzukommende offensichtlich überzogene Maßnahme. Sie führe nämlich dazu, dass demjenigen der beiden Unternehmen, das auf dem Markt das kleinste gewesen sei, eine ebenso hohe Geldbuße auferlegt werde wie dem Unternehmen, das dort die führende Rolle gespielt habe. Dadurch entstehe tendenziell auch der Eindruck, dass die Klägerin eine notorische Wiederholungstäterin sei, die seit vierzig Jahren gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße.

333    Die Kommission erklärt, dass der Wiederholungsfall in den Leitlinien als erschwerender Umstand erwähnt werde und dass er rechtmäßig habe berücksichtigt werden können. Sie habe diesen erschwerenden Umstand wiederholt berücksichtigt, ohne dass das Gericht dem widersprochen habe.

334    Der Grundsatz „nulla poena sine lege“ gehöre zum Strafrecht und sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Klägerin verkenne zudem, dass die gesetzliche Grundlage von Sanktionen für Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 sei und dass die Kommission in diesem Rahmen über einen Ermessensspielraum bei der Bemessung der Geldbußen verfüge, um das Verhalten der Unternehmen ausrichten zu können. Dadurch, dass die Leitlinien die Tatwiederholung zu einem erschwerenden Umstand erklärt hätten, sei keineswegs eine zusätzliche Sanktion ohne gesetzliche Grundlage eingeführt worden.

335    Was die angebliche Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit anbelange, so beschränkten sich die von der Klägerin angeführten nationalen Beispiele auf den Bereich des Strafrechts, und die Leitlinien enthielten keine Höchstgrenze für den Zeitabstand zwischen der Feststellung einer früheren Zuwiderhandlung und der Berücksichtigung eines Rückfalls. Zudem berufe sich die Klägerin zu Unrecht auf einen vierzig Jahre alten Vorgang, der den Rückfall begründe, während die beiden Zuwiderhandlungen 19 und 9 Jahre vor Beginn der jetzt in Rede stehenden Zuwiderhandlung festgestellt worden seien. Die Klägerin versuchte auch glauben zu machen, dass es sich bei diesen Feststellungen um andere rechtliche Einheiten als sie gehandelt habe, obgleich sich nur deren Firmenname geändert habe.

336    Zu der angeblichen Verletzung des Grundsatzes „ne bis in idem“ trägt die Kommission vor, dass sich die Berücksichtigung des Rückfalls nicht mit der Berücksichtigung des unter die Schwere des Verstoßes fallenden Gesichtspunkts überschneide, der darin bestehe, dass die Klägerin aufgrund ihres juristischen und wirtschaftlichen Sachverstands in der Lage gewesen sei, die Unerlaubtheit ihrer Vorgehensweise zu erkennen.

337    In Bezug auf den angeblichen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 2988/74 bemerkt die Kommission, dass der hier in Rede stehende Sachverhalt nicht unter die Verjährungsvorschriften für die Verhängung von Geldbußen falle und dass es abwegig wäre, für die Verjährung die Zeit der Vorgänge zugrunde zu legen, die Gegenstand einer früheren Feststellung einer Zuwiderhandlung gewesen seien. Der Ausgangszeitpunkt der Vorgänge, die die früheren Zuwiderhandlungen begründet hätten, sei jedenfalls nicht relevant, da bei Rückfällen die Feststellung der Zuwiderhandlung maßgebend sei, die sich aus den betreffenden Vorgängen ergebe.

338    Die Kommission bestreitet schließlich, eine offensichtlich überzogene Vorstellung vom Rückfallbegriff gehabt zu haben, und bemerkt, dass eine Tatwiederholung jedenfalls in Bezug auf die Entscheidung „Flachglas Benelux“ gegeben sei.

b)     Würdigung durch das Gericht

339    Zu dem angeblichen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 17 ist zunächst festzustellen, dass die Kommission nach Artikel 15 Absatz 2 dieser Verordnung „gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million [Euro] oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen [kann], wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig … gegen Artikel [81] Absatz 1 […] des Vertrages verstoßen“. In derselben Bestimmung heißt es weiter: „Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen“ (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 223).

340    Nach Nummer 1 Absatz 1 der Leitlinien wird bei der Berechnung der Geldbußen der Grundbetrag nach Maßgabe der Schwere und der Dauer des Verstoßes als den einzigen Kriterien von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 errechnet (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 224).

341    Anschließend enthalten die Leitlinien eine Liste von Beispielen für erschwerende und mildernde Umstände, die zu einer Erhöhung oder Herabsetzung des Grundbetrags führen können, und nehmen dann auf die Mitteilung über Zusammenarbeit Bezug (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 229).

342    Als allgemeine Bemerkung wird in den Leitlinien hinzugefügt, dass der Endbetrag der nach diesem Schema ermittelten Geldbuße (Grundbetrag einschließlich der durch die erschwerenden oder mildernden Umstände bedingten prozentualen Auf- oder Abschläge) gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 in keinem Fall 10 % des Gesamtumsatzes der betroffenen Unternehmen übersteigen dürfe (Nr. 5 Buchstabe a). Ferner kann es den Leitlinien zufolge nach Durchführung der genannten Berechnungen je nach Fall angezeigt sein, im Hinblick auf die entsprechende Anpassung der vorgesehenen Geldbußen einige objektive Faktoren zu berücksichtigen, wie z. B. einen besonderen wirtschaftlichen Zusammenhang, die von den Beteiligten an dem Verstoß eventuell erzielten wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteile und die besonderen Merkmale der betreffenden Unternehmen sowie ihre tatsächliche Steuerkraft in einem gegebenen sozialen Umfeld (Nr. 5 Buchstabe b) (Urteil LF AF 1998/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 230).

343    Folglich wird die Berechnung der Geldbußen auch nach der in den Leitlinien beschriebenen Methode anhand der beiden in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 genannten Kriterien – Schwere des Verstoßes und Dauer der Zuwiderhandlung – unter Berücksichtigung der dort festgelegten Obergrenze in Bezug auf den Umsatz jedes Unternehmens vorgenommen (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 231).

344    Somit kann nicht angenommen werden, dass die Leitlinien über den in der genannten Bestimmung vorgegebenen rechtlichen Rahmen für Sanktionen hinausgehen (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 232).

345    Die Kommission hat in Nummer 2 erster Gedankenstrich der Leitlinien vorgesehen, dass der Grundbetrag der Geldbuße wegen des erschwerenden Umstands, den ein erneuter, gleichartiger Verstoß des/derselben Unternehmen(s) darstellt, erhöht werden kann.

346    Nach ständiger Rechtsprechung ist der Abschreckungseffekt der Geldbußen einer der Gesichtspunkte, die die Kommission bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und damit bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigen kann, wobei die Schwere der Zuwiderhandlung anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (vgl. in diesem Sinne Beschluss SPO u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 137, Randnr. 54, sowie Urteile Ferriere Nord/Kommission, oben zitiert in Randnr. 137, Randnr. 33, Sarrió/Kommission, oben zitiert in Randnr. 137, Randnr. 328, und HFB u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 245, Randnr. 443).

347    Aus der Rechtsprechung geht zudem hervor, dass die Kommission bei der für die Bemessung der Geldbuße erforderlichen Beurteilung der Schwere eines Rechtsverstoßes nicht nur die besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern auch den Kontext der Zuwiderhandlung berücksichtigen und sicherstellen muss, dass ihr Vorgehen vor allem in Bezug auf solche Zuwiderhandlungen, die die Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft besonders beeinträchtigen, die notwendige abschreckende Wirkung hat (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 50, Randnrn. 105 und 106, und ABB Asea Brown Boveri/Kommission, oben zitiert in Randnr. 50, Randnr. 166).

348    Bei der Prüfung der Schwere der Zuwiderhandlung ist auch ein etwaiger Wiederholungsfall zu berücksichtigen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 185, Randnr. 91). Unter dem Gesichtspunkt der Abschreckung ist der Rückfall nämlich ein Umstand, der eine erhebliche Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße rechtfertigt. Denn er beweist, dass die zuvor verhängte Sanktion nicht abschreckend genug war (Urteil des Gerichts vom 30. September 2003 in der Rechtssache T‑203/01, Michelin/Kommission, Slg. 2003, II‑4071, Randnr. 293).

349    Auch ist der Rückfall, obgleich er eine Eigenschaft des Urhebers der Zuwiderhandlung, nämlich seine Neigung zur Begehung solcher Verstöße, betrifft, entgegen dem Vorbringen der Klägerin gerade deshalb ein sehr bedeutsames Anzeichen für die Schwere der betreffenden Vorgehensweise und damit für die Notwendigkeit, die Geldbuße im Hinblick auf eine wirksame Abschreckung zu erhöhen.

350    Somit hat die Kommission, die auf eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbußen zu achten hat, durch die Berücksichtigung des erschwerenden Umstands der Tatwiederholung gegenüber der Klägerin nicht gegen Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 verstoßen, da es sich hierbei insbesondere um die schädlichsten Zuwiderhandlungen handelt und der Abschreckungszweck mit der von der Kommission im Rahmen der genannten Bestimmung vorzunehmenden Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung zusammenhängt.

351    Die Kommission hat durch die Feststellung einer Tatwiederholung der Klägerin auch nicht gegen den Grundsatz „nulla poena sine lege“ verstoßen, da diese Möglichkeit in Nummer 2 erster Gedankenstrich der Leitlinien vorgesehen ist und nicht angenommen werden kann, dass die Leitlinien über den rechtlichen Rahmen für Sanktionen hinausgehen, der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgegeben ist (Urteil LR AF 1998/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnrn. 231 und 232).

352    Zu der angeblichen Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit ist festzustellen, dass eine Verjährungsfrist ihren Zweck der Gewährleistung der Rechtssicherheit nur dann erfüllen und ihre Nichtbeachtung nur dann den genannten Grundsatz verletzen kann, wenn eine derartige Frist im Voraus festgelegt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 19).

353    Weder Artikel 15 der Verordnung Nr. 17, der den rechtlichen Rahmen für Sanktionen darstellt, die die Kommission wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verhängen kann (vgl. oben, Randnrn. 133 bis 135), noch die Leitlinien sehen eine Maximalfrist für die Feststellung eines Rückfalls gegenüber einem Unternehmen vor. Somit kann im vorliegenden Fall keine Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit festgestellt werden.

354    Die Kommission hat sich für alle Fälle für die Feststellung eines Rückfalls zumindest darauf berufen, dass zuvor eine Zuwiderhandlung der Klägerin am 23. Juli 1984 in der Entscheidung „Flachglas Benelux“ festgestellt worden sei. In Anbetracht des Zweckes, den die Kommission mit einer Anhebung der Geldbuße wegen einer Tatwiederholung verfolgt, nämlich den Urheber einer Zuwiderhandlung von der Begehung eines erneuten gleichartigen Verstoßes abzuhalten, kann keine Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit darin gesehen werden, dass die Kommission zu dem genannten Zweck eine Zuwiderhandlung herangezogen hat, die siebzehn Jahre zuvor festgestellt worden war. Dies gilt umso mehr, als die jetzt in Rede stehende Zuwiderhandlung am 28. Januar 1993, also nur acht Jahre und sechs Monate nach Erlass der Entscheidung „Flachglas Benelux“, begonnen hat. Eine Sanktionspolitik im Wiederholungsfall ist gegenüber dem Urheber einer ersten Zuwiderhandlung letztlich nur dann wirksam, wenn die Drohung einer härteren Sanktion im Fall einer erneuten Zuwiderhandlung ihre zeitliche Wirkung entfaltet und so das Verhalten des Betroffenen zügelt.

355    Dem steht nicht entgegen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung auch erwähnt hat, dass eine erste gleichartige Zuwiderhandlung der Klägerin am 15. Mai 1974 in der Entscheidung „Verpackungsglas“, also 27 Jahre vor der Feststellung der jetzigen Zuwiderhandlung, festgestellt worden sei. Dies gilt umso mehr, als, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung zu Recht bemerkt hat, der Umstand, dass zweimal weniger als zehn Jahre zwischen den Verstoßfeststellungen vom 15. Mai 1974 und vom 23. Juli 1984 einerseits und der Wiederholung einer Zuwiderhandlung durch die Klägerin andererseits verstrichen sind, von einer Neigung der Klägerin zeugt, aus der Feststellung einer von ihr begangenen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft nicht die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen.

356    Was die angebliche Verletzung des Grundsatzes „ne bis in idem“ anbelangt, so ist zum einen festzustellen, dass die Kommission in Nummer 1 Abschnitt A Absatz 4 der Leitlinien vorgesehen hat, bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße nach der Schwere des Verstoßes die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, andere Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere die Verbraucher, in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen und die Geldbuße so zu bemessen, dass eine hinreichend abschreckende Wirkung gewährleistet ist. Zum andern hat die Kommission in Absatz 5 des genannten Abschnitts der Leitlinien ferner vorgesehen, dass auch der Tatsache Rechnung getragen werden kann, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und entsprechende Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind. Zudem hat die Kommission in Nummer 2 der Leitlinien als Beispiel für erschwerende Umstände, die zu einer Erhöhung des Grundbetrags führen können, die Tatwiederholung durch eine gleichartige Zuwiderhandlung desselben Unternehmens genannt.

357    Im vorliegenden Fall hat die Kommission in der 305. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass sie in Anbetracht der Notwendigkeit, die Geldbußen auf einen Betrag festzusetzen, der eine abschreckende Wirkung entfalte, der Tatsache Rechnung trage, dass es sich bei der Klägerin um ein großes internationales Unternehmen und darüber hinaus um einen Mischkonzern handele. Sie hat dann in der 306. Begründungserwägung erklärt, dass sie der Tatsache Rechnung trage, dass die Klägerin und zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung auch deren Tochtergesellschaft Alken‑Maes über den juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand sowie über die entsprechenden Ressourcen verfügt hätten, die sie in die Lage versetzten, klarer zu erkennen, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstelle und welche Folgen diese aus wettbewerbsrechtlicher Sicht haben könne. Schließlich hat die Kommission in der 314. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung im Rahmen der Ausführungen über eine Erhöhung der Geldbuße aufgrund erschwerender Umstände dargelegt, dass die Klägerin bereits zweimal wegen entsprechender Verstöße gegen Artikel 81 EG verurteilt worden sei.

358    Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes „ne bis in idem“ nach dessen Umschreibung durch die Rechtsprechung in Wettbewerbssachen (vgl. oben, Randnr. 185) im vorliegenden Fall nicht gegeben sind, da die Kommission zur Berechnung der Geldbuße nur eine Reihe Tatsachen betreffender Erwägungen herangezogen hat, die ihrer Ansicht nach von Belang sind, um die Geldbuße in einer Höhe festzusetzen, die sie abschreckend genug macht.

359    Zudem beruht die Berücksichtigung dieser einzelnen Gesichtspunkte für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes jeweils auf unterschiedlichen Gründen. So rechtfertigt sich die Berücksichtigung des Merkmals, dass es sich bei der Klägerin um ein internationales Unternehmen und einen Mischkonzern handelt, durch die Notwendigkeit, die Geldbuße in einer Höhe festzusetzen, die abschreckend genug ist, um der wirtschaftlichen und finanziellen Stärke des Unternehmens Rechnung zu tragen (vgl. oben, Randnrn. 167 bis 182). Sodann rechtfertigt sich die Berücksichtigung des juristischen und wirtschaftlichen Sachverstands und der entsprechenden Ressourcen der Klägerin, die sie in die Lage versetzen, klarer zu erkennen, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen diese haben kann, durch das weitere Abschreckungsbedürfnis, von dem der Umstand zeugt, dass die Klägerin die in Rede stehende Zuwiderhandlung trotz der Mittel begangen hat, die ihr angesichts ihrer besonderen Analysefähigkeit zur Verfügung standen, um die Unerlaubtheit ihres Verhaltens und deren Folgen zu erkennen (vgl. oben, Randnr. 175). Die Berücksichtigung des Rückfalls schließlich rechtfertigt sich durch das zusätzliche Abschreckungsbedürfnis, von dem die Tatsache zeugt, dass zwei frühere Feststellungen von Zuwiderhandlungen nicht genügt haben, um eine Tatwiederholung in Form einer dritten Zuwiderhandlung zu verhindern.

360    Zu dem angeblichen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 2988/74 genügt der Hinweis, dass diese Verordnung die Verjährungsfrist für die Befugnis der Kommission betrifft, Geldbußen aufgrund einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln zu verhängen, dass sie hingegen keine Bestimmung enthält, die die Befugnis der Kommission begrenzt, als erschwerenden Umstand zur Bemessung einer Geldbuße wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln zu berücksichtigen, dass ein Unternehmen bereits wegen eines Verstoßes eben gegen die Wettbewerbsregeln verurteilt worden ist. Somit begründet es keinen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 2988/74, dass die Kommission gegenüber der Klägerin einen solchen erschwerenden Umstand festgestellt hat.

361    Zu dem Argument, die Kommission habe eine offensichtlich überzogene Vorstellung von dem Begriff des Rückfalls an den Tag gelegt, ist festzustellen, dass in Nummer 2 der Leitlinien der erschwerende Umstand des Rückfalls als „erneuter, gleichartiger Verstoß des/derselben Unternehmen(s)“ definiert wird.

362    Hierzu ist ferner zu bemerken, dass der Begriff des Rückfalls in einigen nationalen Rechtsordnungen bedeutet, dass jemand neue Zuwiderhandlungen begeht, nachdem ähnliche von ihm begangene Zuwiderhandlungen geahndet worden waren (Urteile Thyssen Stahl/Kommission, oben zitiert in Randnr. 320, Randnr. 617, und Michelin/Kommission, oben zitiert in Randnr. 348, Randnr. 284).

363    Der Begriff des Rückfalls umfasst angesichts des mit ihm verbundenen Zweckes indessen nicht notwendigerweise die Feststellung der Verlängerung einer früheren Geldbuße, sondern nur die Feststellung einer früheren Zuwiderhandlung. Durch die Berücksichtigung des Rückfalls soll nämlich eine Zuwiderhandlung des Unternehmens, das sich des eine solche darstellenden Verhaltens schuldig gemacht hat, strenger geahndet werden, da die frühere Feststellung einer Zuwiderhandlung dieses Unternehmens nicht genügt hat, um eine Tatwiederholung zu verhindern. Insofern liegt der ausschlaggebende Gesichtspunkt bei einem Rückfall nicht in einer früheren Ahndung, sondern in der früheren Feststellung einer Zuwiderhandlung des Betroffenen.

364    Zu dem Argument der Klägerin, die Entscheidung „Verpackungsglas“, die 1974 gegen sie ergangen war, dürfe für eine Feststellung eines Rückfalls nicht berücksichtigt werden, da ihr eine Anmeldung zugrunde gelegen habe und mit ihr keine Geldbußen verhängt worden seien, ist festzustellen, dass Artikel 3 der genannten Entscheidung Folgendes bestimmt: „Die Unternehmen, die an den in Artikel 1 genannten Vereinbarungen beteiligt sind, werden verpflichtet, die festgestellten Zuwiderhandlungen unverzüglich abzustellen.“

365    Gegenüber der Klägerin wurde somit eine Zuwiderhandlung festgestellt, die auf Umständen beruhte, die denjenigen des vorliegenden Falles entsprachen. Dies hat die Klägerin jedoch nicht davon abgehalten, ihr rechtswidriges Vorgehen zu wiederholen. Die Kommission hat daher zu Recht einen Rückfall der Klägerin festgestellt.

366    Jedenfalls hat die Entscheidung „Flachglas Benelux“ von 1984 ihrerseits zu einer Geldbuße geführt, und es liegt insofern ein Rückfall vor. In der angefochtenen Entscheidung deutet nichts darauf hin, dass die Feststellung der Kommission, dass der Rückfall aus zwei Vortatbeständen resultiere, zu einer höheren Anhebung der Geldbuße wegen erschwerender Umstände geführt hat, als dies der Fall gewesen wäre, wenn nur eine frühere Tat herangezogen worden wäre.

367    Was schließlich das Argument anbelangt, die Erhöhung der Geldbuße wegen Rückfalls sei überzogen, da sie dazu führe, dass der Klägerin trotz ihrer geringen Marktgröße eine ebenso hohe Geldbuße auferlegt werde wie Interbrew, so ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung zu den Gesichtspunkten für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes je nach den Umständen des Einzelfalls auch die Menge und der Wert der Waren, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, sowie die Größe und die Wirtschaftskraft des Unternehmens und damit der Einfluss gehören können, den das Unternehmen auf den Markt ausüben konnte. Daraus ergibt sich, dass bei der Bemessung der Geldbuße sowohl der Gesamtumsatz des Unternehmens als auch der Teil dieses Umsatzes berücksichtigt werden darf, der mit den Waren erzielt worden ist, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, dass aber weder dem einen noch dem anderen dieser Umsätze eine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden darf (vgl. in diesem Sinne Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, oben zitiert Randnr. 50, Randnrn. 120 und 121, Parker Pen/Kommission, oben zitiert in Randnr. 115, Randnr. 94, und SCA Holding/Kommission, oben zitiert in Randnr. 158, Randnr. 176).

368    Überdies ist der Abschreckungseffekt der Geldbußen einer der Gesichtspunkte, die die Kommission bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und damit bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigen kann, da die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand zahlreicher Gesichtspunkte zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss SPO u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 137, Randnr. 54, sowie Urteile Ferriere Nord/Kommission, oben zitiert in Randnr. 137, Randnr. 33, und Sarrió/Kommission, oben zitiert in Randnr. 137, Randnr. 328).

369    Demgemäß ist die Verhängung einer Geldbuße gegen die Klägerin, die nicht im Verhältnis zu ihrer Größe auf dem relevanten Markt steht, nicht auf eine offensichtlich überzogene Betrachtungsweise des Rückfallkontextes zurückzuführen, sondern auf eine Reihe von Erwägungen, die die Kommission bei der Bemessung der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbuße zu Recht berücksichtigen konnte.

370    Da alle Rügen, die die Klägerin im Rahmen dieses Klagegrundes vorgebracht hat, zurückzuweisen sind, ist der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

5.     Zum Klagegrund einer unzureichenden Berücksichtigung der anwendbaren mildernden Umstände

371    Dieser Klagegrund besteht aus vier Teilen. Erstens rügt die Klägerin, die Kommission habe nicht berücksichtigt, dass sich die Zuwiderhandlung nicht auf den Markt ausgewirkt habe. Zweitens macht die Klägerin geltend, die Kommission habe zu Unrecht nicht den Einfluss berücksichtigt, den das Preisregelungssystem und die sehr alte Verbandstradition des Brauereisektors auf die in Rede stehenden Verhaltensweisen ausgeübt hätten. Drittens beruft sich die Klägerin auf die Krisensituation im relevanten Zeitraum. Viertens weist die Klägerin auf die Bedrohung durch Interbrew hin.

a)     Zum ersten Teil: Nichtberücksichtigung der mangelnden Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt

 Vorbringen der Parteien

372    Die Klägerin führt aus, die Kommission müsse nach den Leitlinien, die in diesem Punkt eine ständige Praxis der Kommission bekräftigt hätten, als mildernden Umstand berücksichtigen, dass sich das Kartell nur begrenzt auf den Wettbewerb ausgewirkt habe. Die Kommission habe in zahlreichen Fällen als mildernden Umstand eine mangelnde Auswirkung der in Rede stehenden Absprachen auf den Markt und den Umstand berücksichtigt, dass diese Absprachen nicht oder nur zum Teil in die Praxis umgesetzt worden seien. Wenn die Kommission nicht an ihre frühere Praxis gebunden sei, so sei dies keine Rechtfertigung dafür, dass eine solche Praxis unter gleichartigen Umständen außer Acht gelassen werde.

373    Die Kommission nehme zudem nicht die erforderliche Trennung zwischen der Beurteilung der Schwere des Verstoßes und der Berücksichtigung mildernder Umstände vor. Sie müsse nämlich ungeachtet der für die Beurteilung der Schwere notwendigen Berücksichtigung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt dem mildernden Umstand der tatsächlichen Nichtanwendung der betreffenden Absprachen oder rechtswidrigen Verhaltensweisen Rechnung tragen.

374    Sie habe die Realität der Sachlage außer Acht gelassen, indem sie zu dem Schluss gelangt sei, der Umstand, dass die Beteiligten nicht alle im Rahmen des Kartells getroffenen besonderen Absprachen durchgeführt hätten, bedeute nicht, dass das Kartell als solches nicht durchgeführt worden sei, und der Umstand, dass bestimmte Einzelheiten der Zuwiderhandlung nicht in die Praxis umgesetzt worden seien, sei kein hinreichender Grund, um darin einen mildernden Umstand zu erblicken.

375    Die Sachlage zeige, dass die Gespräche zwischen Interbrew und der Klägerin über die Preisstruktur und die Verkaufsförderungspolitik nur zum kleinen Teil in die Praxis umgesetzt worden seien, so dass sie sich nur sehr begrenzt auf den Markt ausgewirkt hätten.

376    Ferner hätten Alken‑Maes und Interbrew des Öfteren – auch in den internen Unterlagen, die gleichzeitig mit den Abstimmungsgesprächen erstellt worden seien – angegeben, dass die Erörterungen nicht über das Versuchsstadium hinausgegangen seien und sich nicht auf den Wettbewerb ausgewirkt hätten. Mehrere von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung genannte Unterlagen und Erklärungen zeigten, dass die Gespräche in der Praxis unwirksam gewesen seien. Zahlreiche Aspekte des Wettbewerbs seien unberührt geblieben, was z. B. der erbitterte Kampf der Kartellteilnehmer um den Abschluss von Verträgen mit gebundenen Cafés erkennen lasse. Die Akte der Kommission enthalte im Übrigen eine Reihe weiterer Unterlagen, aus denen die mangelnde Wirkung auf den Wettbewerb hervorgehe.

377    Die Verkaufsstatistik beweise überdies zur Genüge die mangelnden konkreten Auswirkungen oder zumindest den geringen Einfluss der Gespräche zwischen Interbrew und Alken‑Maes auf den Markt. Die Beteiligten hätten sich nach wie vor in allen Marktsegmenten einen erbitterten Wettbewerb geliefert. Aus den Akten gehe insbesondere hervor, dass Alken‑Maes in den Jahren 1992 und 1993 eine aggressive Preisnachlasspolitik im Lebensmittelvertrieb verfolgt habe. Alken‑Maes habe im Übrigen zwischen 1993 und 1998 weiterhin Marktanteile verloren und sei im relevanten Zeitraum sowohl in der Sparte Pilsner als auch in der Sparte alkoholfreies Bier der Hauptverlierer gewesen.

378    Alken‑Maes habe zudem im Jahr 1994 für ihre Handelspolitik Studien über die Preisflexibilität fortgeführt, die gezeigt hätten, dass Interbrew im Fall einer Preissenkung der Hauptverlierer gewesen wäre. Daher habe Alken‑Maes trotz der von Interbrew ausgehenden Gespräche über die Preisstruktur eine Wettbewerbspolitik verfolgt, deren wichtigstes Ziel darin bestanden habe, Interbrew Verkaufsanteile abzunehmen.

379    Die Klägerin bemerkt schließlich, es habe keine Zwangsmechanismen zu dem Zweck gegeben, die Einhaltung und die praktische Durchführung der Absprache durchzusetzen; dies habe die Kommission in der Entscheidung „Polypropylen“ als mildernden Umstand berücksichtigt.

380    Die Kommission führt aus, die von der Klägerin genannten Präzedenzfälle seien nicht von Belang, da sie in die Zeit vor der Veröffentlichung der Leitlinien zurückreichten und Situationen beträfen, die mit dem vorliegenden Fall nicht immer vergleichbar seien. In dem hier in Rede stehenden Fall seien die wettbewerbswidrigen Übereinkünfte durchgeführt worden, und die teilweise Umsetzung bestimmter Aspekte sei bei der Beurteilung der Schwere des Kartells gebührend berücksichtigt worden.

381    Ohne Belang sei auch das Argument, der erbitterte Kampf der Beteiligten um den Abschluss von Verträgen mit den Cafés zeige, dass der Wettbewerb offen geblieben sei. Hinsichtlich der von einem Vertreter Interbrews geäußerten Zweifel an der Wirksamkeit des Kartells genüge es nicht, die Bedeutung der bei der Zusammenkunft am 28. Januar 1998 von den Kartellteilnehmern getroffenen Feststellung über die Realisierung bestimmter Ziele herunterzuspielen. Der Rückgang des Marktanteils von Alken‑Maes schließlich lasse nicht erkennen, dass es keine Auswirkungen gegeben habe, da dieser Rückgang ohne das Kartell womöglich noch ausgeprägter gewesen wäre. Zu den Studien von Alken‑Maes über die Preisflexibilität sei zu bemerken, dass es sich dabei nur um Vorentwürfe handele, die keinen Zweifel an der Rechtswidrigkeit der Absprache herbeiführen könnten

 Würdigung durch das Gericht

382    Wie aus der oben in den Randnummern 277 und 278 zitierten Rechtsprechung hervorgeht, ist bei einer Zuwiderhandlung, die von mehreren Unternehmen begangen worden ist, die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen Unternehmens zu prüfen, wobei insbesondere festzustellen ist, welche Rolle es bei der Zuwiderhandlung während der Dauer seiner Beteiligung an dieser gespielt hat.

383    Nummer 3 der Leitlinien enthält unter dem Titel „Mildernde Umstände“ eine nicht abschließende Liste von Umständen, die zu einer Verringerung des Grundbundbetrags der Geldbuße führen können. Genannt werden dort die ausschließlich passive Mitwirkung eines Unternehmens oder reines Mitläufertum, die tatsächliche Nichtanwendung der Vereinbarungen über Verstöße, die Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission, der Nachweis berechtigter Zweifel des Unternehmens an der Rechtswidrigkeit seines wettbewerbswidrigen Verhaltens, fahrlässige, unvorsätzlich begangene Verstöße und die aktive Mitwirkung des Unternehmens an dem Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit. Alle diese Umstände beruhen somit auf dem eigenen Verhalten des Einzelnen.

384    Demgemäß ist bei der Beurteilung der mildernden Umstände, darunter des Umstands der Nichtanwendung der Vereinbarungen, nicht auf die sich aus der Zuwiderhandlung insgesamt ergebenden Wirkungen abzustellen, denen bei der Beurteilung der konkreten Auswirkungen eines Verstoßes auf dem Markt zur Beurteilung der Schwere des Verstoßes Rechnung zu tragen ist (Nr. 1 Abschnitt A Absatz 1 der Leitlinien), sondern auf das Einzelverhalten jedes Unternehmens, um die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen Unternehmens festzustellen.

385    Somit ist zu prüfen, ob aufgrund des Vorbringens der Klägerin festgestellt werden kann, dass sie sich im Zeitraum ihrer Teilnahme an den rechtswidrigen Vereinbarungen tatsächlich der Durchführung dieser Vereinbarungen entzogen hat, indem sie sich auf dem Markt wettbewerbskonform verhalten hat (vgl. in diesem Sinne Zement‑Urteil, oben zitiert in Randnr. 31, Randnrn. 4872 bis 4874).

386    Die Klägerin führt im Wesentlichen fünf Argumente für die Geltendmachung des mildernden Umstands der tatsächlichen Nichtanwendung der Vereinbarungen an.

387    Zu dem ersten Argument, die Gespräche zwischen Interbrew und der Klägerin seien nur zum kleinen Teil in die Praxis umgesetzt worden, ist festzustellen, dass sich die Klägerin nicht auf die Nichtanwendung der Ergebnisse der Abstimmung über die Preisstruktur und die Verkaufsförderungspolitik beruft, sondern sich nur auf eine teilweise praktische Umsetzung dieser Ergebnisse stützt. Zudem stellt die genannte Abstimmung nur einen Teil der festgestellten Zuwiderhandlung dar, die u. a. einen allgemeinen Nichtangriffspakt, eine Vereinbarung von Preisen im Einzelhandel, die Aufteilung der Kundschaft im Horeca‑Sektor, die Beschränkung von Investitionen und Werbung im Horeca‑Sektor und einen Austausch von Informationen über den Absatz im Horeca‑Sektor und im Einzelhandel umfasst hat.

388    Zu dem zweiten Argument, die Erörterungen seien nicht über das Versuchsstadium hinausgegangen und hätten sich nicht auf den Wettbewerb ausgewirkt, genügt der Hinweis, dass dies, auch wenn es der Fall wäre, nicht erkennen lässt, dass die Vereinbarungen tatsächlich nicht angewandt wurden, sondern im Gegenteil einen – wenn auch vergeblichen – Willen aufzeigt, diese Vereinbarungen in die Tat umzusetzen. Dasselbe gilt für die Bedeutung, die dem Schriftwechsel zwischen Interbrew und Alken‑Maes über die gebundenen Cafés beizumessen ist. Die gegenseitigen Beschwerden in dieser Angelegenheit sind unter dem Blickwinkel des allgemeinen Nichtangriffspakts zwischen beiden Unternehmen zu sehen (vgl. oben, Randnr. 147) und zeugen in dieser Hinsicht eher von dem Willen, dass die Absprache eingehalten werden soll, als davon, dass sie tatsächlich nicht angewandt wurde. Ohnehin erstreckt sich der Schriftwechsel, der einen erbitterten Kampf um die Verträge mit den gebundenen Cafés belegen soll, nur über einen Zeitraum von sechs Monaten, nämlich von August 1996 bis Januar 1997.

389    Zu dem dritten Argument, dem statistischen Nachweis mangelnder Auswirkungen auf den Markt, ist festzustellen, dass dieser Nachweis, auch wenn er erbracht wäre, als unerheblich angesehen werden müsste, da er keineswegs die tatsächliche Nichtanwendung der Vereinbarungen bezeugen würde. Dasselbe gilt für die vermeintliche aggressive Preisnachlasspolitik, da die Klägerin nicht dargetan hat, dass sie sich mit dieser Politik den Vereinbarungen entzogen hat, an denen sie beteiligt war. Ein solches Verhalten würde die Anwendung der Vereinbarungen ohnehin nur in begrenztem Maß betreffen, da diese Absprachen ihrem Umfang nach sowohl sachlich als auch zeitlich über die geltend gemachten wettbewerblichen Kampfmaßnahmen hinausgehen. So würde sich die aggressive Preisnachlasspolitik, die Alken‑Maes im Lebensmittelhandel verfolgt haben will, nach den eigenen Angaben der Klägerin letztlich auf die Jahre 1992 und 1993 beschränken.

390     Zu dem vierten Argument ist festzustellen, dass die Fortführung der Flexibilitätsstudien von Alken‑Maes im Jahr 1994 – selbst wenn diese Studien zeigen sollen, dass Interbrew mehr zu verlieren gehabt hätte, wenn der Preis für Maes‑Bier gesenkt worden wäre – keineswegs erkennen lässt, dass sich die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft durch ein wettbewerbskonformes Marktverhalten tatsächlich den Vereinbarungen entzogen haben.

391    Keines der ersten vier Argumente der Klägerin erlaubt somit den Schluss, dass diese sich während der Zeit, in der sie an den rechtswidrigen Vereinbarungen beteiligt war, der Anwendung dieser Vereinbarungen durch ein wettbewerbskonformes Marktverhalten entzogen hat.

392    Zudem zeigt der von der Klägerin selbst aus ihren Argumenten gezogene Schluss, dass sich die Abstimmung untereinander nur auf dem Markt ausgewirkt habe, bereits seinerseits, dass diese Argumente nicht die Problematik der mildernden Umstände betreffen, sondern die Gesamtschwere der Zuwiderhandlung, die nicht Gegenstand dieses Klagegrundes ist.

393    Dasselbe gilt für das fünfte Argument der Klägerin, das angebliche Fehlen von Zwangsmechanismen für die Einhaltung und die praktische Durchführung der Absprache, da dies, wenn es zutrifft, nach den Leitlinien im Hinblick auf die Schwere des Verstoßes zu berücksichtigen wäre und keinen mildernden Umstand aufgrund des spezifischen Verhaltens der Klägerin darstellen kann. Nach gefestigter Rechtsprechung können nämlich fehlende Maßnahmen zur Kontrolle der Durchführung eines Kartells als solche keinen mildernden Umstand darstellen (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑348/94, Enso Española/Kommission, Slg. 1998, II‑1875, Randnr. 318).

394    Überdies hat die Kommission in der von der Klägerin angeführten Entscheidung „Polypropylen“ das Fehlen von Zwangsmechanismen nicht als einen mildernden Umstand angesehen, der individuell zugunsten der betroffenen Unternehmen herangezogen werden kann, sondern es im Gegenteil als Umstand betrachtet, der bei der Beurteilung der Gesamtschwere des Verstoßes in Betracht zu ziehen ist.

395    Schließlich ist zu dem Argument, sowohl das Fehlen von Auswirkungen auf den Markt als auch das Fehlen von Zwangsmechanismen seien von der Kommission in der Vergangenheit als mildernder Umstand berücksichtigt worden, zu bemerken, dass allein aus dem Umstand, dass die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis bestimmte Gesichtspunkte bei der Bemessung der Geldbuße als mildernde Umstände angesehen hat, nicht abgeleitet werden kann, dass sie verpflichtet wäre, in einer späteren Entscheidung ebenso zu verfahren (vgl. oben, Randnr. 57). Die frühere Entscheidungspraxis der Kommission bildet nämlich als solche nicht den rechtlichen Rahmen für die Geldbußen in Wettbewerbssachen (vgl. die oben in Randnr. 153 zitierte Rechtsprechung). Aus der oben in den Randnummern 134 und 135 genannten Rechtsprechung geht hervor, dass die Kommission im Rahmen der Verordnung Nr. 17 bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße über einen Ermessensspielraum verfügt, um das Verhalten der Unternehmen auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln ausrichten zu können, und dass sie folglich dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert wird, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verlangt vielmehr, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann.

396    Der erste Teil des Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

b)     Zum zweiten Teil: Nichtberücksichtigung des Einflusses des Preisregelungssystems und der sehr alten Verbandstradition des Brauereisektors

 Vorbringen der Parteien

397    Nach Ansicht der Klägerin hätte die Kommission wie in der Entscheidung „Griechische Fährschiffe“, die entgegen der 320. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung mit dem vorliegenden Fall vergleichbar sei, den Einfluss herkömmlicher Praktiken für die Preisfestsetzung auf dem Biermarkt als mildernden Umstand berücksichtigen müssen.

398    So habe die Kommission außer Acht gelassen, dass das von 1945 bis 1993 geltende Preisgesetz allen davon betroffenen Unternehmen – darunter der Klägerin und den anderen Brauereien – vorgeschrieben habe, einzeln oder gemeinsam eine Genehmigung für Preiserhöhungen einzuholen; dies habe bis Mai 1993 gegolten und einer sehr alten Tradition der Abstimmung und des Informationsaustauschs zwischen den Brauereien entsprochen. Trotz zweier unterschiedlicher Verfahren seien Anträge auf Preiserhöhungen kollektiv durch die CBB eingereicht worden, da der Wirtschaftsminister dieses Verfahren aus Gründen einer einfacheren Verwaltung bevorzugt habe. Zudem habe das Preisregelungssystem zwangsläufig Preisabstimmungen zwischen den Brauereien begünstigt, da ein durch die CBB eingereichter kollektiver Antrag, der die Preise und andere Verkaufsbedingungen betroffen habe, nach dem Preisregelungssystem sehr detailliert habe sein müssen.

399    Die Beibehaltung des beanstandeten Vorgehens nach Mai 1993 sei auf die Kontinuität einer Regelung zurückzuführen, durch die lediglich eine sehr alte Tradition der Abstimmung zwischen Bierbrauern fortgeschrieben worden sei. Diese Tradition mache es verständlich, warum es den Beteiligten schwergefallen sei, sich unverzüglich von diesem herkömmlichen Muster zu lösen. In diesem Sinne müsse das Preisregelungssystem, das einen gewissen Verharrungseffekt erzeugt habe, als mildernder Umstand berücksichtigt werden, wie es die Kommission in ihren Entscheidungen 82/896/EWG vom 15. Dezember 1982 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG‑Vertrag (IV/29.883 – UGAL/BNIC, ABl. L 379, S. 1, im Folgenden: „Entscheidung BNIC“, 77. Begründungserwägung, und 86/596/EWG vom 26. November 1986 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG‑Vertrag (IV/31.204 – MELDOC, ABl. L 348, S. 50, im Folgenden: „Entscheidung MELDOC“, 77. Begründungserwägung) getan habe.

400    Im Übrigen habe die Kommission zu Unrecht angenommen, dass der Einfluss der Preisregelung auf die Abstimmung, sollte sie diesen Einfluss anerkennen, nur bis zum 23. Dezember 1992, dem Zeitpunkt des letzten durch die CBB eingereichten kollektiven Preiserhöhungsantrags, angedauert habe, obgleich die Bierbrauer bis zum 1. Mai 1993, also dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Ministerialverordnung zur Abschaffung der Preisregelung, tatsächlich und rechtlich zu Preisabstimmungen für bestimmte Biere veranlasst gewesen seien. Die Kommission sei daher in der 247. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung fälschlicherweise zu dem Schluss gelangt, dass die Sitzung vom 28. Januar 1993, da sie erst nach dem 23. Dezember 1992 stattgefunden habe, nicht als Treffen der Bierbrauer im Rahmen der CBB bezüglich einer kollektiven Preiserhöhung angesehen werden könne.

401    Indem die Kommission schließlich in der 247. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung auf eine Sitzung mit den Bierhändlern verweise, um die Nichtberücksichtigung der Preisregelung als mildernden Umstand zu rechtfertigen, verkenne sie, dass das Preisregelungssystem nicht nur die Bierhersteller, sondern auch die Bierimporteure erfasst habe.

402    Die Kommission erklärt, sie habe in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Kollektivmaßnahme der Brauereien zur Anmeldung einer Preiserhöhung im Gegensatz zum Sachverhalt der Entscheidung „Griechische Fährschiffe“ nur fakultativ und nicht obligatorisch gewesen sei. Es sei hierbei unerheblich, dass der Wirtschaftsminister seine Präferenz für kollektive Maßnahmen zum Ausdruck gebracht habe. Wenn überdies die Preisregelung den Einfluss gehabt hätte, den ihr die Klägerin zuschreibe, wären alle Brauereien in die Beratung einbezogen gewesen, während dies nur für die beiden wichtigsten Brauereien der Fall gewesen sei.

403    Die Preisregelung sei zwar erst am 1. Mai 1993 beendet worden, der letzte kollektive Preiserhöhungsantrag sei indessen schon am 23. Dezember 1992 eingereicht worden, so dass die ersten berücksichtigten Abstimmungsvorgänge vom 28. Januar 1993 nach diesem Zeitpunkt stattgefunden hätten. Die „Verbandstradition“, wenn sie denn bestünde, könne jedoch nicht ewig einen mildernden Umstand darstellen. Zu den Entscheidungen „BNIC“ und „MELDOC“ sei zu bemerken, dass sie vor der Veröffentlichung der Leitlinien ergangen seien und dass darin keine Preisregelung als mildernder Umstand festgestellt worden sei.

 Würdigung durch das Gericht

404    Vorab ist zu bemerken, dass die Klägerin die Feststellung der Kommission über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung vom 28. Januar 1993 an nicht in Frage stellt. Ferner geht aus der angefochtenen Entscheidung, ohne dass dies bestritten wird, hervor, dass ein Preisregelungsmechanismus für den belgischen Brauereisektor bis zum 1. Mai 1993 gegolten hat und zu diesem Zeitpunkt zu Ende gegangen ist. Somit ist festzustellen, ob dieser Mechanismus bis dahin einen mildernden Umstand dargestellt hat, den die Kommission hätte berücksichtigen müssen. In dieser Hinsicht stützt sich das Vorbringen der Klägerin im Wesentlichen auf die Anwendbarkeit des in Nummer 3 vierter Gedankenstrich der Leitlinien genannten mildernden Umstands „Nachweis berechtigter Zweifel des Unternehmens an der Rechtswidrigkeit seines wettbewerbswidrigen Verhaltens“.

405    Erstens hat die Klägerin in Beantwortung der Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung über die genaue Bedeutung des bis zum 1. Mai 1993 in Kraft gewesenen Preisregelungsmechanismus erklärt, es gehe klar aus den Texten über die Preisregelung hervor, dass die Brauereien die Möglichkeit gehabt hätten, bei dem Wirtschaftsminister zur Genehmigung entweder mit Hilfe der CBB einen kollektiven Antrag – gegebenenfalls unter Wahrung der Vertraulichkeit der Preise – oder individuelle Anträge einzureichen.

406    Zweitens kann zum einen angesichts der ihrer Art nach besonderen Schwere des in Rede stehenden Verhaltens (vgl. oben, Randnrn. 145 bis 155) und zum anderen aufgrund der materiellen und intellektuellen Ressourcen der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaft Alken‑Maes, die es ihnen ermöglichten, die Merkmale ihres gesetzlichen Umfelds und die möglicherweise daran gemessenen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht der Gemeinschaft entstehenden Folgen ihres Vorgehens zu beurteilen, nicht glaubhaft behauptet werden, der bis zum 1. Mai 1993 geltende Preisregelungsmechanismus habe bei der Klägerin einen berechtigten Zweifel an der Rechtswidrigkeit des wettbewerbswidrigen Verhaltens hervorgerufen. Dies gilt umso mehr, als gegenüber der Klägerin in der Vergangenheit bereits ähnliche Zuwiderhandlungen gegen das Gemeinschaftsrecht festgestellt worden sind.

407    Drittens kann in Bezug auf die Entscheidungen, die nach Ansicht der Klägerin Präzedenzfälle dafür darstellen, dass die Kommission eine Preisregelung als mildernden Umstand berücksichtigt hat, nach der oben in Randnummer 395 genannten Rechtsprechung allein aus dem Umstand, dass die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis bestimmte Gesichtspunkte bei der Bemessung der Geldbuße als mildernde Umstände angesehen hat, nicht abgeleitet werden, dass sie verpflichtet wäre, in einer späteren Entscheidung ebenso zu verfahren. Die frühere Entscheidungspraxis der Kommission bildet nämlich als solche nicht den rechtlichen Rahmen für die Geldbußen in Wettbewerbssachen. Die Kommission verfügt zudem im Rahmen der Verordnung Nr. 17 bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße über einen Ermessensspielraum, um das Verhalten der Unternehmen auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln ausrichten zu können, so dass sie dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert wird, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verlangt vielmehr, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann.

408    Da ein Preisregelungsmechanismus im vorliegenden Fall keinen mildernden Umstand für den Zeitraum vom 28. Januar bis 1. Mai 1993 darstellen kann, kann ein solcher Umstand umso weniger für die Zeit nach dem 1. Mai 1993 zugunsten der Klägerin festgestellt werden.

409    Der zweite Teil des Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

c)     Zum dritten Teil: Nichtberücksichtigung der Krisensituation des Sektors

 Vorbringen der Parteien

410    Die Kommission hätte nach Ansicht der Klägerin entsprechend ihrer bis 1998 üblichen Praxis und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes beachten müssen, dass sich das Kartell in einer Krisensituation des Marktes entwickelt habe, und dies als mildernden Umstand berücksichtigen müssen. Die Kommission habe jedoch nur die Meinung vertreten, dass die Situation des vorliegenden Falles nicht mit den Situationen der Entscheidungen vergleichbar sei, in denen die Krisenlage berücksichtigt worden sei, wobei sie ohne nähere Darlegungen auf die Entscheidungen „Zement“, „PVC II“ und „Nahtlose Stahlrohre“ verwiesen habe.

411    Die belgischen Brauereien hätten jedoch mit einem ständigen Rückgang der Nachfrage und einer überschüssigen Produktionskapazität sowie mit einem Preisdruck des Großhandels bei Pilsner zu kämpfen gehabt. Die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung selbst die Schwierigkeiten auf dem Markt in den 90er Jahren anerkannt. Die Geschäftstätigkeit der Tochtergesellschaft der Klägerin in Belgien sei im Jahr 1993 finanziell sehr anfällig gewesen. Wenngleich nur die Krisensituation des Sektors und nicht eines einzelnen Unternehmens berücksichtigt werden könne, sei doch zu bedenken, dass die schwierige finanzielle Lage, der Alken‑Maes ausgesetzt gewesen sei, unmittelbar auf der Rezession des Biermarktes beruht habe, auf dem der Rückgang des Konsums keineswegs, wie die Kommission behauptet habe, nur „leicht“ rückläufig gewesen sei, sondern für den Zeitraum 1993 bis 1998 15 % betragen habe, so dass eine Überkapazität entstanden sei, die die Kommission wie in den Entscheidungen „PVC II“ und „Zement“ ebenfalls hätte berücksichtigen müssen.

412    Die Kommission führt aus, dass die Finanzlage eines Unternehmens kein Beweis für eine Krise des betreffenden Wirtschaftszweiges sei, die als mildernder Umstand berücksichtigt werden könnte, und dass es der Gerichtshof stets abgelehnt habe, in dieser Hinsicht der defizitären Lage eines Unternehmens Rechnung zu tragen. Zudem seien die von der Klägerin herangezogenen Entscheidungen zumeist vor der Veröffentlichung der Leitlinien ergangen und somit ohne Belang. Jedenfalls sei die geltend gemachte Krisensituation keineswegs mit den Situationen vergleichbar, denen sie bisher Rechnung getragen habe.

 Würdigung durch das Gericht

413    Zunächst ist festzustellen, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet ist, für die Bemessung der Geldbuße die finanziellen Schwierigkeiten eines Unternehmens zu berücksichtigen, denn dies würde darauf hinauslaufen, den am wenigsten den Marktbedingungen angepassten Unternehmen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (vgl. in diesem Sinne Urteil IAZ u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 281, Randnrn. 54 und 55, sowie Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑319/94, Fiskeby Board/Kommission, Slg. 1998, II‑1331, Randnrn. 75 und 76, und Enso Española/Kommission, oben zitiert in Randnr. 393, Randnr. 316). Die auf der heiklen Finanzlage von Alken‑Maes im Jahr 1993 beruhenden Argumente können daher bei der Prüfung des Vorliegens eines mildernden Umstands nicht berücksichtigt werden.

414    Zudem gehören Umstände wie ein ständiger Rückgang der Nachfrage – der ohnehin, wie die Kommission bemerkt hat, von der Klägerin in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ursprünglich auf 15 % für zehn und nicht für fünf Jahre geschätzt worden war –, eine dadurch hervorgerufene überschüssige Produktionskapazität oder ein Preisdruck von Seiten des Großhandels, falls sie denn eingetreten sind, zu den Risiken jeder Wirtschaftstätigkeit, die als solche keine außergewöhnliche strukturelle oder konjunkturelle Lage kennzeichnen, der bei der Bemessung der Geldbuße Rechnung zu tragen wäre.

415    Hinsichtlich des Arguments schließlich, dass die Kommission durch ihre frühere Praxis gebunden sei, ist darauf hinzuweisen, dass nach der oben in Randnummer 395 angeführten Rechtsprechung allein aus dem Umstand, dass die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis bestimmte Gesichtspunkte bei der Bemessung der Geldbuße als mildernde Umstände angesehen hat, nicht abgeleitet werden kann, dass sie verpflichtet wäre, in einer späteren Entscheidung ebenso zu verfahren. Die frühere Entscheidungspraxis der Kommission ist nämlich als solche nicht als rechtlicher Rahmen für die Geldbußen bei Wettbewerbsverstößen anzusehen. Die Kommission verfügt indessen im Rahmen der Verordnung Nr. 17 bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße über einen Ermessensspielraum, um das Verhalten der Unternehmen auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln ausrichten zu können, so dass sie dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen die Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert wird, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verlangt vielmehr, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann.

416    Somit ist der dritte Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

d)     Zum vierten Teil: Bedrohung durch Interbrew

 Vorbringen der Parteien

417    Nach Ansicht der Klägerin hätte die Kommission entsprechend ihrer Entscheidungspraxis und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die schwache und abhängige Stellung von Alken‑Maes gegenüber Interbrew zur Zeit des Kartells als mildernden Umstand berücksichtigen müssen, da Interbrew seit 1987 eine beherrschende Stellung auf dem Markt innegehabt habe.

418    Die Bedrohung durch Interbrew gehe klar aus den Akten hervor. So habe der damalige CEO von Interbrew, Herr M., in einer Aufzeichnung vom 19. August 1993 an Herrn C. erklärt, er sei bereit dafür, Alken‑Maes zu „überzeugen“, Interbrew zu folgen, nachdem Letztere einseitig eine Preiserhöhung beschlossen habe. Zudem zeuge der Schriftwechsel zwischen Interbrew und Alken‑Maes nach dem Protest der Letzteren gegen die Kundenabwerbung durch Interbrew bei den vertraglich an Alken‑Maes gebundenen Schankbetrieben, bei der Interbrew die Übernahme der Entschädigung für Vertragsbruch als Gegenleistung für einen neuen Vertragsabschluss mit ihr angeboten habe, von der Verdrängungsstrategie von Interbrew, die durch die zunehmende vertikale Konzentration dieses Unternehmens noch verstärkt worden sei. Außerdem habe die Überreaktion von Interbrew auf die neue Politik von Alken‑Maes im Jahr 1994 auf ein so großes Schädigungspotenzial schließen lassen, dass Alken‑Maes um ihr Überleben habe fürchten müssen.

419    Nach Ansicht der Klägerin vertritt die Kommission zu Unrecht die Auffassung, dass eine Bedrohungshaltung von Interbrew gegenüber Alken‑Maes nicht einleuchtend sei und der Art der Zuwiderhandlung widerspreche. Die Kommission verkenne das Interesse, das Interbrew am Zustandekommen und an der Fortsetzung des Kartells gehabt habe. Zudem sehe die Kommission erstaunlicherweise keinen Widerspruch darin, dass sie einerseits behaupte, die Klägerin habe Interbrew gedroht, und andererseits erkläre, die Klägerin habe sich gleichzeitig mit Interbrew verständigt.

420    Indem die Kommission schließlich die Klägerin beschuldige, mit der behaupteten Bedrohung durch Interbrew ihr eigene Beteiligung am Kartell herunterzuspielen, überschätze sie den Einfluss der Klägerin auf Alken‑Maes, während die Klägerin, weit entfernt von einer aktiven Rolle bei Alken‑Maes, ganz im Gegenteil versucht habe, sich von ihrem Geschäftsbereich „Bier“ unter möglichst am wenigsten schlechten Bedingungen zu trennen.

421    Die Kommission führt aus, mit der Geltendmachung einer Bedrohung durch Interbrew verkenne die Klägerin nicht nur ihre eigene Größe und ihr Gewicht auf dem französischen Biermarkt, sondern auch die Tatsache, dass eine Absprache im Fall einer völligen Abhängigkeit der Klägerin oder ihrer Tochtergesellschaft von Interbrew zwecklos gewesen wäre. Zudem bestehe ein wesentlicher Unterschied zwischen der von der Klägerin ausgeübten Drohung, die auf die Ausweitung des Kartells auf dem belgischen Markt abgezielt habe, und der vermeintlichen Bedrohung durch Interbrew, die angeblich denselben Markt wie das Kartell betroffen habe. Während es einleuchtend sei, dass eine Drohung in Frankreich Interbrew veranlasse, eine Ausweitung des Kartells in Belgien zu akzeptieren, sei es hingegen nicht sehr plausibel, dass Interbrew sich mit einem von ihr beherrschten Unternehmen verständigt haben solle.

 Würdigung durch das Gericht

422    Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin nicht bestreitet, an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 EG teilgenommen zu haben, die insbesondere aus einer Reihe wettbewerbswidriger Vereinbarungen bestanden hat. Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes ACF Chemiefarma/Kommission, oben zitiert in Randnr. 352, Randnr. 112, und vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 86, sowie Urteile des Gerichts Hercules Chemicals/Kommission vom 17. Dezember 1991, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 256, vom 26. Oktober 2000 in der Rechtssache T‑41/96, Bayer/Kommission, Slg. 2000, II‑3383, Randnr. 67, und vom 14. Oktober 2004 in der Rechtssache T‑56/02, Bayerische Hypo‑ und Vereinsbank/Kommission, Slg. 2004, II‑0000, Randnr. 59). Folglich ist der Begriff der Vereinbarung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG, wie er in der Rechtsprechung ausgelegt worden ist, durch das Vorliegen einer Willensübereinstimmung zwischen mindestens zwei Parteien gekennzeichnet (vorgenannte Urteile Bayerische Hypo‑ und Vereinsbank/Kommission, Randnr. 61, und Bayer/Kommission, Randnr. 69, und die dort zitierte Rechtsprechung). Die Klägerin kann daher nicht behaupten, ausschließlich unter dem Zwang von Interbrew gehandelt zu haben.

423    Nach gefestigter Rechtsprechung hat zudem ein Unternehmen, das an Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand teilnimmt, auch wenn es dies unter dem Zwang anderer Teilnehmer mit größerer Wirtschaftsmacht tut, stets die Möglichkeit, bei der Kommission Beschwerde einzulegen, um die fraglichen wettbewerbswidrigen Handlungen zur Anzeige zu bringen, statt weiter an den Treffen teilzunehmen (Urteil HFB u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 245, Randnr. 226).

424    Somit kann weder die vorgebliche Abhängigkeit der Klägerin von Interbrew noch die vermeintliche Bedrohungshaltung von Interbrew gegenüber der Klägerin kennzeichnend für eine Situation sein, die von der Kommission als mildernder Umstand zu berücksichtigen wäre.

425    Demnach ist auch der vierte Teil des Klagegrundes und damit der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

6.     Zum Klagegrund einer falschen Beurteilung des Umfangs der Mitarbeit der Klägerin unter Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und der Mitteilung der Zusammenarbeit

426    Die Klägerin erklärt, die gegen sie verhängte Geldbuße hätte nach Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit um 50 % herabgesetzt werden müssen. Dieser Klagegrund umfasst zwei Teile. Mit dem ersten macht die Klägerin geltend, dass die Kommission die Mitarbeit der Klägerin nach Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit falsch beurteilt habe, indem sie den Umfang der Mitarbeit der Klägerin gemessen an ihrer Entscheidungspraxis und unter Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung unterbewertet habe. Mit dem zweiten Teil erklärt die Klägerin, sie habe nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände gestützt habe, nicht bestritten, und beruft sich auf einen Verstoß gegen die Mitteilung über Zusammenarbeit, da die Kommission angenommen habe, dass der Klägerin keine Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt D Nummer 2 zweiter Gedankenstrich dieser Mitteilung zugute kommen könne.

a)     Zum ersten Teil: falsche Beurteilung des Ausmaßes der Mitarbeit der Klägerin gemessen an der Entscheidungspraxis der Kommission und unter Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung

 Vorbringen der Parteien

427    Die Klägerin macht erstens geltend, die Kommission habe den Umfang der Mitarbeit der Klägerin vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte unterbewertet. Die Kommission habe selbst eingeräumt, dass Alken‑Maes ihr Informationen geliefert habe, die über die Beantwortung des sie betreffenden Auskunftsverlangens hinausgingen. Ferner habe ihre Tochtergesellschaft zur Aufklärung der Kommission über die Abfolge und die Funktionsweise der Zusammenarbeit zwischen Alken‑Maes und Interbrew am 7. März 2000 eine Zusammenfassung des betreffenden Sachverhalts anhand der damals im Besitz des Unternehmens befindlichen gesammelten Unterlagen geliefert, wozu auch ein chronologischer Überblick über die Zusammenkünfte und Kontakte zwischen ihr und Interbrew seit 1990 mit Verweisen auf alle relevanten Unterlagen und von ihr zur Verfügung gestellte Schriftstücke gehört hätten. Zudem seien mit Schreiben vom 10. und 27. Dezember 1999 Informationen gegeben worden, die die Kommission gänzlich übergangen habe.

428    Auf das Argument der Kommission, sie habe die meisten gelieferten Informationen bereits gekannt, erwidert die Klägerin nicht nur, dass dies in der angefochtenen Entscheidung nicht zum Ausdruck komme, sondern auch, dass dieser Einwand eine falsche Anwendung von Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit erkennen lasse. Durch diese Bestimmung solle die mildere Behandlung nicht auf die Unternehmen beschränkt werden, die der Kommission Aufschlüsse über ihr noch nicht Bekanntes gegeben hätten, sondern es sollten danach auch diejenigen Unternehmen in den Genuss einer vorteilhafteren Behandlung kommen, die es der Kommission durch Erleichterung ihrer Nachforschungen ermöglicht hätten, ihre Mittel besser einzusetzen und daher mehr Zuwiderhandlungen zu verfolgen. Nach Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit stehe nämlich eine Herabsetzung der Geldbuße Unternehmen auch dann zu, wenn sie der Kommission nicht nur ihr unbekannte Anhaltspunkte zur Verfügung gestellt hätten, sondern auch Dinge, die „zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen“. Die von Alken‑Maes übermittelten Unterlagen und Informationen hätten die Kommission aber weitgehend bei der Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes unterstützt.

429    Die Minderung, die der Klägerin gewährt worden sei, sei offensichtlich geringer als die Herabsetzungen, die die Kommission üblicherweise einräume, wie eine Untersuchung bestimmter Entscheidungen zeige, die die Kommission seit Januar 1998 erlassen habe.

430    So habe die Kommission Geldbußen um 40 % bis 50 % für Unternehmen herabgesetzt, die wie die Klägerin das Vorliegen der Zuwiderhandlung anerkannt, Erklärungen ehemaliger Mitarbeiter übermittelt und ihre Akten durchforscht hätten. Die Kommission habe Reduzierungen von 20 % bis 50 % für Unternehmen gewährt, die ihr Dinge übermittelt hätten, mit deren Hilfe sie das Vorliegen der Zuwiderhandlung habe bestätigen oder ihre Kenntnisse von dieser Zuwiderhandlung habe ergänzen können. In der Entscheidung „Fernwärmetechnik“ sei eine 20%ige Reduzierung für zwei Unternehmen schon aus dem einfachen Grund eingeräumt worden, dass sie den Sachverhalt nicht bestritten hätten. Außerdem habe die Kommission sogar eine 50%ige Herabsetzung für ein Unternehmen gewährt, das ihr die bereits in ihrem Besitz befindlichen Unterlagen erklärt habe, damit sie sich ein genaueres Bild von dem betreffenden Sachverhalt habe machen können.

431    Alken‑Maes habe in ihrer Aufzeichnung vom 27. Dezember 1999 nicht nur als Erste das Vorliegen einer Zuwiderhandlung förmlich anerkannt, sondern auch eine sorgfältige Prüfung seines Archivs vorgenommen und dadurch einige neue Unterlagen bereitstellen können. Überdies bestreite die Kommission zwar zu Unrecht, dass die Klägerin neue Dinge beigebracht habe, sie habe aber nie bestritten, dass die im Schreiben vom 10. Dezember 1999 und insbesondere im Schreiben vom 7. März 2000 enthaltenen neuen Einzelheiten, die in einer chronologischen und vollständigen Zusammenfassung des Sachverhalts bestanden hätten, die ihren Niederschlag in der angefochtenen Entscheidung gefunden habe, den fraglichen Sachverhalt im Einzelnen bestätigt hätten.

432    Zweitens macht die Klägerin geltend, dass die Kommission den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt habe, indem sie die Geldbuße für die Klägerin weniger stark herabgesetzt habe als für Interbrew.

433    Die Tochtergesellschaft der Klägerin, Alken‑Maes, habe unmittelbar nach den Nachprüfungen vom 26. und 27. Oktober 1999 zur Unterstützung der Kommission eine interne Ermittlung eingeleitet, alle Mitglieder ihres Vorstands über etwaige Kontakte zu Interbrew befragt und eine Prüfung ihres Archivs vorgenommen. Obwohl diese Arbeit dadurch besonders erschwert worden sei, dass ihr Führungspersonal kurz vor Beginn der Ermittlungen vollständig ausgetauscht worden sei, sei die Antwort vom 10. Dezember 1999 innerhalb der von der Kommission festgesetzten Frist erfolgt, und Alken‑Maes habe der Kommission die Erklärungen aller verantwortlichen Personen und ehemaligen Mitarbeiter, die vom Auskunftsverlangen betroffen gewesen seien, übermittelt.

434    So habe Alken‑Maes im Begleitschreiben zu ihrer Antwort vom 10. Dezember 1999 auf das Auskunftsverlangen vom 11. November 1999, worin ausdrücklich auf die Prüfung ihres Archivs Bezug genommen werde, eingehend den Sachverhalt bestätigt, auf den sich das Auskunftsverlangen bezogen habe und dabei in der Anlage Aufstellungen und Aufzeichnungen über die dort genannten Zusammenkünfte beigefügt. Die Antwort von Interbrew auf dasselbe Auskunftsverlangen, die dreizehn Tage später, nämlich am 23. Dezember 1999, erfolgt sei, habe ebenfalls Umstände bestätigt, die der Kommission bereits bekannt gewesen seien.

435    Interbrew hingegen habe, obwohl ihre Führungsriege zur Zeit des beanstandeten Sachverhalts noch an Ort und Stelle gewesen sei, der Kommission erst am 23. Dezember 1999 geantwortet, nachdem sich die Kommission geweigert habe, Interbrew eine Fristverlängerung bis zum 10. Januar 2000 einzuräumen. Die Antwort von Interbrew habe zu diesem Zeitpunkt keine Erklärung der verantwortlichen Personen enthalten, die von dem Auskunftsverlangen der Kommission betroffen gewesen seien. Interbrew habe nämlich die Erklärungen von sieben der sechzehn von dem genannten Auskunftsverlangen betroffenen Personen erst mit Schreiben vom 14. Januar 2000 übermittelt.

436    Darüber hinaus habe Alken‑Maes bereits am 27. Dezember 1999 als Erste eine Aufzeichnung mit einer förmlichen Erklärung des ehemaligen geschäftsführenden Mitglieds ihres Verwaltungsrats übermittelt, worin das Vorliegen und der Inhalt der von den Ermittlungen der Kommission erfassten Zuwiderhandlung und im Besonderen Folgendes förmlich anerkannt worden sei: a) dass das Kartell auf den von der CBB eingesetzten Ausschuss „Vision 2000“ zurückzuführen sei, b) dass Ende 1994 zwischen Alken‑Maes und Interbrew eine Vereinbarung getroffen worden sei, die sich auf alle Vertriebswege in Belgien bezogen habe, c) dass diese Vereinbarung einen Nichtangriffspakt, die Beschränkung der Handelsinvestitionen im Horeca‑Sektor und in der Werbung und eine Preisabstimmung umfasst habe und d) dass die ordnungsgemäße Durchführung der Vereinbarung auf einer regelmäßigen Abstimmung zwischen den Führungskräften von Alken‑Maes und Interbrew beruht habe. Während die Kommission bereits Kenntnis von Punkt d gehabt habe, hätten es ihr die durch die Nachprüfungen und die Auskunftsverlangen erhaltenen Unterlagen hingegen noch nicht ermöglicht, die Punkte a bis c rechtlich hinreichend festzustellen.

437    Interbrew habe zwar im Januar und Februar 2000 ebenfalls ergänzende Erklärungen und Unterlagen zur Verfügung gestellt, sei jedoch trotz der angeblichen Qualität seiner Mitarbeit nicht in der Lage gewesen, eine Erklärung zur Untermauerung der Behauptung einer von der Klägerin ausgesprochenen Drohung beizubringen, obwohl ihr CEO an dem Treffen vom 11. Mai 1994 teilgenommen habe.

438    Zudem habe die Klägerin in Ergänzung dessen, was sie am 10. Dezember 1999 übermittelt habe, am 7. März 2000 eine Erklärung beigebracht, die sich gemäß dem Treffen mit der Kommission vom 14. Januar 2000 speziell auf den Kontext, in dem die von Alken‑Maes in Beantwortung des Auskunftsverlangens vom 11. November 1999 übermittelten Unterlagen erstellt worden seien, und auf das Projekt „Vision 2000“ der CBB beziehe. Überdies seien auch neue Unterlagen bereitgestellt worden, die unterdessen in den Akten des ehemaligen Marketing‑Verantwortlichen des Unternehmens gefunden worden seien.

439    All dies zeige zum einen, dass die Mitarbeit der Klägerin und von Alken‑Maes trotz ihrer Schnelligkeit und Vollständigkeit bei der Kommission im Vergleich zur Behandlung von Interbrew außerordentlich wenig Früchte getragen habe, und zum anderen, dass die Kommission keineswegs beachtet habe, dass die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft trotz aller Anstrengungen dadurch beeinträchtigt gewesen seien, dass sie zur Zeit der Ermittlungen eine neue Führungsriege gehabt hätten, während Interbrew zugute gekommen sei, dass die für die fraglichen wettbewerbswidrigen Praktiken verantwortlichen Personen weiterhin im Amt gewesen seien. Dies stelle eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung dar.

440    Drittens habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die unterschiedliche Herabsetzung der Geldbuße wegen Zusammenarbeit zwar dadurch gerechtfertigt, dass die Klägerin den Sachverhalt nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeblich bestritten habe, und nicht dadurch, dass die Mitarbeit der Beteiligten vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte von unterschiedlicher Qualität gewesen sei, mache aber nun im Rahmen ihrer Klagebeantwortung einen derartigen Unterschied geltend und versuche dadurch, den Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidung wettzumachen. Es handele sich hierbei um eine stillschweigende Anerkennung der Ungleichbehandlung zulasten der Klägerin.

441    Die Kommission könne in ihrer Klagebeantwortung nicht, ohne sich selbst zu widersprechen, behaupten, dass ihr Interbrew vor der Klägerin entscheidende Informationen gegeben habe, und dabei insbesondere die Schreiben von Interbrew vom 14. und 19. Januar sowie vom 2., 8. und 28. Februar 2000 nennen, obwohl diese Schreiben jüngeren Datums seien als das Schreiben von Alken‑Maes vom 27. Dezember 1999 mit einer Erklärung des ehemaligen geschäftsführenden Mitglieds ihres Verwaltungsrats, mit der die wesentlichen Punkte der Zuwiderhandlung förmlich dargetan worden seien.

442    Zudem behaupte die Kommission zu Unrecht, dass sich ein Teil der gegebenen Informationen auf einen nicht unter die Zuwiderhandlung fallenden Zeitraum vor dem 28. Januar 1993 beziehe, obgleich die in den Anlagen 3 bis 23 und 26 bis 29 des Schreibens der Klägerin vom 10. Dezember 1999 enthaltenen Unterlagen eine Zeit nach dem 28. Januar 1993 betroffen hätten.

443    Die Kommission irre jedenfalls, wenn sie meine, dass die Dinge, die die Zeit vor dem 28. Januar 1993 beträfen, nicht von der Mitteilung über Zusammenarbeit erfasst würden, obwohl sich das Auskunftsverlangen vom 11. November 1999 auf die Zeit von September 1992 bis Dezember 1999 bezogen habe. Dadurch verwechsle die Kommission die Zeit, für die sie eine Zuwiderhandlung festgestellt habe, mit der Zeit, auf die sich ihre Ermittlungen erstreckt hätten. Letztere hätte jedoch für die Mitarbeit als relevant angesehen werden müssen. Die Klägerin habe hierbei Informationen über die Zeit von September 1992 bis Januar 1993 geliefert, die eine Erhellung der führenden Rolle von Interbrew und des Einflusses der Preisregelung ermöglicht hätten.

444    Die Kommission erklärt, der Umfang der Mitarbeit der Klägerin sei nicht unterbewertet worden, und sie bestreitet, dass die der Klägerin gewährte Herabsetzung der Geldbuße offensichtlich geringer sei als die Herabsetzungen, die sie üblicherweise einräume. Das Ausmaß der Mitarbeit der Klägerin könne nicht mit demjenigen verglichen werden, um das es bei den Sachen gegangen sei, die die Klägerin zur Stützung ihres Vorbringens genannt habe. Zu der angeblichen Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung bemerkt die Kommission, dass die Mitarbeit von Interbrew quantitativ und qualitativ bedeutender gewesen sei als diejenige der Klägerin, wie eine Gegenüberstellung der von beiden Parteien beigebrachten Unterlagen zeige, die zur Stützung der angefochtenen Entscheidung herangezogen worden seien. Die unterschiedlichen Prozentsätze für die Herabsetzung aufgrund der Mitarbeit der betroffenen Unternehmen seien daher durchaus gerechtfertigt und beruhten keineswegs allein auf dem Schluss der Kommission, dass die Klägerin den Sachverhalt bestritten habe.

 Würdigung durch das Gericht

445    Zunächst ist zu bemerken, dass die Kommission in ihrer Mitteilung über Zusammenarbeit die Voraussetzungen festgelegt hat, unter denen Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit ihr zusammenarbeiten, von der Geldbuße befreit werden können oder in den Genuss einer Herabsetzung des Betrages der Geldbuße kommen können, den sie andernfalls hätten begleichen müssen (Abschnitt A Nummer 3 der Mitteilung über Zusammenarbeit).

446    Bezüglich der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit auf den Fall der Klägerin ist nicht bestritten, dass deren Verhalten nach Abschnitt D der genannten Mitteilung mit dem Titel „Spürbar niedrigere Festsetzung der Geldbuße“ zu beurteilen ist.

447    In Abschnitt D Nummer 1 der Mitteilung heißt es:

„Arbeitet ein Unternehmen mit der Kommission zusammen, ohne dass es alle Voraussetzungen [der Abschnitte B und C] erfüllt, so wird die Höhe der Geldbuße, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre, um 10 bis 50 % niedriger festgesetzt.“

448    Abschnitt D Nummer 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit lautet:

„Dies gilt insbesondere, wenn

–        ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen;

–        ein Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet.“

449    Nach der Rechtsprechung ist eine Herabsetzung der Geldbuße wegen einer Kooperation im Verwaltungsverfahren nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten des Unternehmens der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen und gegebenenfalls zu beenden (Urteile SCA Holding/Kommission, oben zitiert in Randnr. 158, Randnr. 156, und Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, oben zitiert in Randnr. 278, Randnr. 270).

450    Nach Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission zur Erfüllung der ihr in Artikel 85 EG und in Vorschriften nach Artikel 83 EG übertragenen Aufgaben alle erforderlichen Auskünfte von den Unternehmen und Unternehmensvereinigungen einholen, die nach Absatz 4 dieses Artikels verpflichtet sind, die angeforderten Auskünfte zu erteilen. Wird eine von einem Unternehmen oder einer Unternehmensvereinigung verlangte Auskunft innerhalb einer von der Kommission festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig erteilt, so kann die Kommission sie nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 durch Entscheidung anfordern, wobei gegen ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung im Fall einer anhaltenden Verweigerung der betreffenden Auskunft eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld verhängt werden kann.

451    Die Mitwirkung eines Unternehmens an der Untersuchung berechtigt nach der Rechtsprechung zu keiner Herabsetzung der Geldbuße, wenn diese Mitarbeit nicht über das hinausgegangen ist, wozu das Unternehmen nach Artikel 11 Absätze 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet war (Urteil Solvay/Kommission, oben zitiert in Randnr. 135, Randnrn. 341 und 342). Hat ein Unternehmen hingegen auf ein Auskunftsverlangen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 hin Informationen gegeben, die über die Auskünfte hinausgehen, die die Kommission nach diesem Artikel verlangen kann, so kann dem betreffenden Unternehmen eine Herabsetzung der Geldbuße zugute kommen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑308/94, Cascades/Kommission, Slg. 1998, II‑925, Randnr. 262).

452    Eine Mitarbeit, die in den Anwendungsbereich der Mitteilung über Zusammenarbeit oder gar unter Abschnitt D dieser Mitteilung fällt, ist indessen nicht gegeben, wenn ein Unternehmen der Kommission im Rahmen ihrer Ermittlungen über ein Kartell Informationen über Vorgänge zur Verfügung stellt, für die das betreffende Unternehmen nach der Verordnung Nr. 17 keinesfalls eine Geldbuße hätte zahlen müssen.

453    Die Kommission darf zudem nach der Rechtsprechung bei der Beurteilung der Kooperation der Unternehmen nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung außer Acht lassen, der ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist und der nach ständiger Rechtsprechung verletzt ist, wenn gleiche Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandelt werden und eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, oben zitiert in Randnr. 278, Randnr. 237).

454    Hierbei darf der Umfang der Mitarbeit der Unternehmen nicht nach rein zufälligen Kriterien beurteilt werden. Eine unterschiedliche Behandlung der betreffenden Unternehmen muss daher auf einem ungleichen Kooperationsumfang beruhen, der sich insbesondere ergibt, wenn unterschiedliche Aufschlüsse gegeben werden oder die Informationen in unterschiedlichen Stadien des Verwaltungsverfahrens oder unter einander nicht entsprechenden Umständen erteilt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, oben zitiert in Randnr. 278, Randnrn. 245 und 246).

455    Bestätigt ein Unternehmen bei der Kooperation nur bestimmte Aufschlüsse, die ein anderes Unternehmen bei der Kooperation bereits gegeben hat, und geschieht dies zudem weniger genau und weniger explizit, so kann der Mitwirkungsumfang dieses Unternehmens, selbst wenn er nicht eines gewissen Nutzens für die Kommission entbehren mag, nicht als gleich dem Ausmaß der Mitarbeit des Unternehmens angesehen werden, das die betreffenden Aufschlüsse als Erstes gegeben hat. Eine Erklärung, die nur in gewissem Maße eine Erklärung erhärtet, die der Kommission bereits vorlag, erleichtert nämlich deren Aufgabe nicht erheblich und damit in einem Maß, das ausreicht, um eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Kooperation zu rechtfertigen.

456    Anhand dieser Grundsätze ist nun zu prüfen, ob die Herabsetzung der Geldbuße, die die Kommission der Klägerin nach Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit gewährt hat, insbesondere im Hinblick auf die Entscheidungspraxis der Kommission auf einer fehlerhaften Beurteilung des Umfangs der Mitarbeit der Klägerin beruht und den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt.

457    Erstens hat zum einen die Kommission in der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehen, dass einem im Sinne von Abschnitt D dieser Mitteilung kooperierenden Unternehmen eine 10%ige bis 50%ige Herabsetzung der Geldbuße zugute kommt, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre; zum anderen hat die Klägerin nicht bestritten, dass der Umfang ihrer Mitarbeit im Rahmen von Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit zu beurteilen ist. Die Kommission hat in Bezug auf die Klägerin erklärt, dass sie eine Verringerung der Geldbuße um 10 % im Sinne von Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit für angemessen halte, da die Tochtergesellschaft der Klägerin Informationen zum Vorliegen und zum Inhalt der Zuwiderhandlung erteilt habe, die über die bloße Beantwortung eines Auskunftsverlangens nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 hinausgingen. Somit ist die Kommission, indem sie der Klägerin eine 10%ige Minderung der Geldbuße nach Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit eingeräumt hat, nicht von der Spanne abgewichen, die für die Minderung von Geldbußen bei der Art der von der Klägerin geleisteten Mitarbeit vorgesehen ist.

458    Zweitens genügt zu dem Einwand der früheren Entscheidungspraxis der Kommission der Hinweis, dass allein aus der Tatsache, dass die Kommission in früheren Entscheidungen bei einem bestimmten Verhalten die Geldbuße in bestimmtem Umfang herabgesetzt hat, nicht abgeleitet werden kann, dass sie verpflichtet wäre, bei der Beurteilung eines ähnlichen Verhaltens im Rahmen eines späteren Verwaltungsverfahrens eine entsprechende Herabsetzung vorzunehmen (Urteile Mayr-Melnhof/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 368, und ABB Asea Brown Boveri/Kommission, oben zitiert in Randnr. 50, Randnr. 239). Dieses Argument ist daher zurückzuweisen.

459    Drittens ist zu prüfen, ob die der Klägerin von der Kommission nach Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit gewährte Herabsetzung der Geldbuße den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt.

460    Aus der 324. Begründungserwägung in Verbindung mit der 325. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Kommission die Geldbuße von Interbrew aus zwei kumulativen Gründen um 30 % verringert hat, nämlich aufgrund des Umstands, dass zum einen die Mitarbeit dieses Unternehmens bei der Feststellung des Sachverhalts über dessen Verpflichtungen aus Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 hinausgegangen sei (Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit) und zum anderen Interbrew den die festgestellte Zuwiderhandlung ausmachenden Sachverhalt nicht bestritten habe (Abschnitt D Nummer 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit).

461    Dagegen lässt eine gleichzeitige Betrachtung der 326. und der 327. Begründungserwägung den Schluss zu, dass die der Klägerin von der Kommission eingeräumte 10%ige Herabsetzung der Geldbuße nur darauf beruht, dass die Mitarbeit der Klägerin bei der Feststellung des Sachverhalts über ihre Verpflichtungen aus Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 hinausgegangen ist (Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit). Nach Ansicht der Kommission hat die Klägerin nämlich den Sachverhalt bestritten, auf den die Kommission ihre Einwände stützte, so dass eine Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt D Nummer 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit für sie nicht in Betracht kam.

462    Demnach ist der Unterschied zwischen der Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit für Interbrew zum einen und für die Klägerin zum anderen geringer, als die endgültigen Sätze für die Herabsetzung der Geldbuße in Höhe von 30 % und 10 % denken lassen, da die 30%ige Minderung für Interbrew die Herabsetzung umfasst, die diesem Unternehmen nach Abschnitt D Nummer 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit gewährt wurde.

463    Was die Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Mitarbeit der Klägerin und von Interbrew nach Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit anbelangt, so ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung implizit einen Qualitätsunterschied zwischen der Mitwirkung von Interbrew und derjenigen der Klägerin aufzeigt. So hat sie zwar anerkannt, dass beide Unternehmen in Beantwortung des Auskunftsverlangens vom 11. November 1999 Informationen geliefert haben, die über eine bloße Beantwortung des Auskunftsverlangens hinausgingen, sie hat jedoch ausgeführt, dass Interbrew „wesentlich zur Feststellung des relevanten Sachverhalts beigetragen“ habe, während sie in Bezug auf die Klägerin nur erwähnt, Alken‑Maes habe „Informationen zum Vorliegen und zum Inhalt der Zuwiderhandlung erteilt, die über die Beantwortung des Auskunftsverlangens nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 hinausgingen“.

464    Um festzustellen, ob ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Grad der Mitarbeit von Interbrew und der Klägerin besteht, ist der Umfang der Mitwirkung der beiden Unternehmen sowohl in chronologischer als auch in qualitativer Hinsicht zu vergleichen.

465    Erstens ist beim chronologischen Vergleich der Mitarbeit der betreffenden Unternehmen in Bezug auf die Klägerin und deren Tochtergesellschaft Alken‑Maes zunächst festzustellen, dass Letztere auf das Auskunftsverlangen vom 11. November 1999 mit Schreiben vom 10. Dezember 1999 geantwortet hat. Sodann hat Alken‑Maes der Kommission am 27. Dezember 1999 eine Erklärung übermittelt, in der sich das Unternehmen auf die Mitteilung über Zusammenarbeit beruft und die Alken‑Maes am 7. März 2000 ergänzt und näher erläutert hat. Alken‑Maes hat zudem am 5. April 2000 ein weiteres Auskunftsverlangen der Kommission nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 vom 22. März 2000 beantwortet. Schließlich hat die Klägerin am 10. Mai 2000 ein weiteres Auskunftsverlangen beantwortet, das am 14. April 2000 an sie gerichtet worden war.

466    Zum anderen ist hinsichtlich der Mitarbeit von Interbrew zunächst festzustellen, dass dieses Unternehmen das Auskunftsverlangen vom 11. November 1999 am 23. Dezember 1999 beantwortet hat. Sodann hat Interbrew mit Schreiben vom 14. und 19. Januar 2000 Informationen geliefert, um die Aufschlüsse zu ergänzen, die in ihrem Schreiben vom 23. Dezember 1999 enthalten waren. Infolge dieser Informationen hat die Kommission am 21. Januar 2000 per Fax ein informelles weiteres Auskunftsverlangen an Interbrew gesandt. Interbrew hat dazu mit Schreiben vom 2. Februar 2000 Stellung genommen und hat am 8. und 28. Februar 2000 abermals Zusatzinformationen übermittelt. Am 29. Februar 2000 hat Interbrew zudem eine den belgischen Markt betreffende Erklärung abgegeben und sich dabei auf die Mitteilung über Zusammenarbeit berufen. Schließlich hat Interbrew der Kommission am 21. Dezember 2000, also nach Einleitung des Verfahrens und Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 20. September 2000, zwei Unterlagen übermittelt, die zwei Zusammenkünfte mit Alken‑Maes im Rahmen der bilateralen Vereinbarungen zwischen diesen Unternehmen betreffen.

467    Daraus ergibt sich, dass das Argument der Kommission, die Informationen der Klägerin seien weniger wertvoll gewesen als diejenigen von Interbrew, da sie später übermittelt worden seien, fehlgeht. Alle Informationen der Beteiligten erfolgten nämlich zügig in einem mehr oder weniger gleichen Stadium des Verwaltungsverfahrens. Somit kann bei der vergleichenden Beurteilung des Wertes der Kooperation der Klägerin und Interbrews die zeitliche Reihenfolge nicht als entscheidender Gesichtspunkt herangezogen werden.

468    Zweitens ist beim qualitativen Vergleich der Mitarbeit der Parteien in Bezug auf die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft Alken‑Maes festzustellen, dass sich Letztere in ihrer Antwort vom 10. Dezember 1999 auf das Auskunftsverlangen vom 11. November 1999 nicht ausdrücklich auf die Mitteilung über Zusammenarbeit berufen hat. Alken‑Maes hat dort jedoch erklärt, dass „die Antwort auf dem Bemühen des Unternehmens beruht, anhand der noch verfügbaren Unterlagen und der Informationen, die von dem betroffenen noch im Unternehmen verbliebenen Personal erhältlich sind, in vollem Maß mit der Kommission zusammenzuarbeiten“. Das Unternehmen hat ferner erklärt, dass es „zudem versucht hat, mit den ehemaligen Mitarbeitern des Unternehmens in Verbindung zu treten, deren eingegangene Antworten beiliegen“, und dass „trotz dieser großen Bemühungen Alken‑Maes nicht für die Vollständigkeit ihrer Antwort garantieren kann und sich vorbehält, diese zu ergänzen oder zu berichtigen“. Der Hinweis auf die Bemühungen um Informationen bei ehemaligen Mitarbeitern des Unternehmens deutet darauf hin, dass die Kooperation von Alken‑Maes über deren Verpflichtungen aus Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 hinausgegangen ist. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass die von Alken‑Maes bereitgestellten Informationen und Unterlagen über den Bereich der genannten Verpflichtungen hinausgingen. Die gegebenen Informationen sind nämlich, vielleicht abgesehen von denen über den Informationsaustausch zwischen Alken‑Maes und Interbrew, keineswegs als Darlegung offensichtlich wettbewerbswidriger Vorgänge anzusehen, deren Bekanntgabe an die Kommission einen inkriminierenden Charakter aufweist, der ausschließt, dass diese Bekanntgabe in den Rahmen der Verpflichtungen aus Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 fällt.

469    Mit ihrem Schreiben vom 27. Dezember 1999 bringt Alken‑Maes zum ersten Mal ausdrücklich ihre Mitarbeit in den Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit ein. Darin räumt sie zudem das Vorliegen wettbewerbswidriger Praktiken ein, da das geschäftsführende Mitglied ihres Verwaltungsrats schreibt, dass Alken‑Maes den von der Kommission in ihrem Auskunftsverlangen vom 11. November 1999 dargelegten Sachverhalt nicht bestreite und insbesondere dass es eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise von Interbrew und Alken‑Maes gegeben habe, aufgrund deren zum einen monatlich Informationen über den jeweiligen Bierabsatz dieser Unternehmen in Belgien ausgetauscht worden seien und zum anderen eine Reihe von Zusammenkünften zwischen Mitarbeitern von Alken‑Maes und Interbrew stattgefunden hätten, bei denen der Biervertrieb und der Bierabsatz in Belgien abgestimmt worden seien. Die Anlage zu diesem Schreiben enthält überdies eine Aufzeichnung, in der Alken‑Maes erklärt, es habe den Anschein, dass Ende 1994 „zwischen den beiden Gesellschaften eine Vereinbarung getroffen wurde, die die gesamten Vertriebswege in Belgien, jedoch besonders genau die im Horeca‑Sektor, erfasste“. Diese Vereinbarung „soll insbesondere … einen Nichtangriffspakt, eine Absprache über die Beschränkung der Handelsinvestitionen im Horeca‑Sektor und der Außenwerbung sowie eine Preisabstimmung umfasst haben“, und „die ordnungsgemäße Durchführung der Vereinbarung soll Gegenstand eines Verfahrens der regelmäßigen Abstimmung unmittelbar zwischen den Führungskräften der beiden Unternehmen gewesen sein“.

470    Alken‑Maes hat in der Erklärung vom 7. März 2000 das Vorliegen eines Sachverhalts eingeräumt, der wettbewerbswidrige Praktiken darstellen kann und in diesem Sinne zur Feststellung des Vorliegens der Zuwiderhandlung beigetragen hat, was die Kommission selbst eingeräumt hat. Die Erklärung stützt sich jedoch im Wesentlichen auf Unterlagen oder Informationen, über die die Kommission bereits verfügte. So war die von Alken‑Maes als Anlage 42 zu der Erklärung vom 7. März 2000 gelieferte Unterlage für die Kommission zwar sehr nützlich, da die Kommission insbesondere durch sie feststellen konnte, dass das Kartell entgegen der Behauptung der Klägerin über Juli 1996 hinaus fortgedauert hat; doch ist, dass die genannte Unterlage der Kommission bereits als Anlage 37 zu der Antwort von Alken‑Maes vom 10. Dezember 1999 auf das Auskunftsverlangen vom 11. November 1999 zur Verfügung gestellt worden war, was den Kooperationswert dieses Beitrags von Alken‑Maes schmälert, da die Übermittlung dieser Unterlage zu den Verpflichtungen des Unternehmens nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 gehörte (vgl. oben, Randnr. 451).

471    Zudem betrifft ein wesentlicher Teil der von Alken‑Maes mit der Erklärung vom 7. März 2000 übermittelten Informationen einen Zeitraum, der vor demjenigen liegt, für den die Zuwiderhandlung festgestellt wurde. Daher kann entgegen der Behauptung der Klägerin nicht davon ausgegangen werden, dass es diese Informationen der Kommission ermöglicht haben, die von der angefochtenen Entscheidung erfasste Zuwiderhandlung leichter festzustellen. Wenn ein Unternehmen der Kommission bei ihren Ermittlungen nämlich Informationen über Handlungen zur Verfügung stellt, für die es keine Geldbuße nach der Verordnung Nr. 17 zu gewärtigen hat, so kann es sich dabei nicht um eine Mitarbeit handeln, die in den Anwendungsbereich der Mitteilung über Zusammenarbeit fällt (vgl. in diesem Sinne die oben in Randnr. 451 angeführte Rechtsprechung).

472    Bei den Antworten vom 5. April und 10. Mai 2000 auf die Auskunftsverlangen vom 22. März und 14. April 2000 ist hinsichtlich der erstgenannten Antwort festzustellen, dass sie sich offensichtlich auf das Kartell bezüglich unter der Hausmarke des Verteilers abgesetztes Bier (Private‑Label‑Bier) bezogen hat, und hinsichtlich der zweiten Antwort ist zu bemerken, dass sie in der angefochtenen Entscheidung zwar sechsmal genannt wird, es jedoch in Ermangelung einer einschlägigen Stellungnahme der Parteien des Rechtsstreits hierüber nicht möglich ist, einen Beitrag festzustellen, der über die Verpflichtungen aus Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 hinausgegangen ist.

473    Hingegen ist zu der Mitarbeit von Interbrew festzustellen, dass deren Antwort vom 23. Dezember 1999 auf das Auskunftsverlangen vom 11. November 1999 zwar zum Teil in den Rahmen der Verpflichtungen des Unternehmens aus Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 fällt, dass sie jedoch auch erheblich über diesen Rahmen hinausgeht und in klarer Weise zur Feststellung des Sachverhalts beiträgt, der eine Zuwiderhandlung nach Artikel 81 EG darstellt. Interbrew hat darin nämlich das Kartell in einem Maß beschrieben und erläutert, das weit über die Verpflichtung hinausgeht, die dem Unternehmen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 obliegt.

474    Zu den Schreiben von Interbrew vom 14. und 19. Januar 2000, den auf das informelle Auskunftsverlangen vom 21. Januar 2000 hin übersandten Schreiben vom 2., 8. und 28. Februar 2000, der Erklärung vom 29. Februar 2000 und schließlich den beiden letzten am 21. Dezember 2000 übermittelten Unterlagen ist festzustellen, dass diese Schreiben und die Anlagen zu ihnen ins Einzelne gehende Informationen über die Kontakte zwischen Interbrew, Alken‑Maes und der Klägerin liefern, die eindeutig in den Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit fallen.

475    Demgemäß hat Interbrew qualitativ entscheidender zur Feststellung des Vorliegens der begangenen Zuwiderhandlung beigetragen.

476    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich somit, dass der Unterschied zwischen den Prozentsätzen, die die Kommission für die Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit gewährt hat, keine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung darstellt.

477    Der erste Teil des Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

b)     Zum zweiten Teil: irrtümliche Annahme der Kommission, die Klägerin habe den Sachverhalt bestritten, auf den die Kommission ihre Einwände gestützt habe

 Vorbringen der Parteien

478    Die Klägerin erklärt, die Kommission habe den Gegenstand und den Inhalt der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte offensichtlich falsch ausgelegt, indem sie angenommen habe, dass darin das Vorliegen der Zuwiderhandlung, wie diese in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegt worden sei, in Zweifel gezogen werde. In ihrer Antwort auf die genannte Mitteilung habe sie indessen nur Umstände aufgezeigt, die sie für eine korrekte Beurteilung des Sachverhalts durch die Kommission für erforderlich gehalten habe, und sie habe hierbei nicht den Sachverhalt bestritten, sondern sich nur gegen die Bedeutung und die Qualifizierung gewandt, die die Kommission diesem Sachverhalt zuerkannt habe. Sie habe, ohne den von der Kommission festgestellten Sachverhalt zu bestreiten, angegeben, sie wolle bestimmte Punkte klären und die streitigen Umstände wieder in die Perspektive rücken, um zu zeigen, dass sie nicht die Bedeutung hätten, die ihnen die Kommission beimesse. Es würde im Widerspruch zu den elementarsten Verteidigungsrechten stehen, wenn die Kommission von den Unternehmen, die die Vergünstigung der Mitteilung über Zusammenarbeit in Anspruch nehmen wollten, verlangen könnte, dass sie nicht nur darauf verzichten müssten, den Sachverhalt, sondern auch dessen Qualifizierung, die Höhe der Geldbuße oder die rechtlichen Überlegungen der Kommission zu bestreiten. Die Kommission habe die Berechtigung dieser Unterscheidung ihrerseits in der Entscheidung „Fernwärmetechnik“ anerkannt, worin sie ein Unternehmen nicht bestraft habe, das nicht den Sachverhalt, wohl aber die Bedeutung bestritten habe, die ihm die Kommission dahin gehend beigemessen habe, dass dieser Sachverhalt eine Zuwiderhandlung begründe. Da die Klägerin den Sachverhalt nur anders qualifiziert habe, irre die Kommission in der Annahme, die Mitarbeit der Klägerin sei nicht kontinuierlich und vollständig gewesen (Urteil Tate & Lyle u. a./Kommission, oben zitiert in Randnr. 147, Randnr. 162).

479    Demgemäß unterstreicht die Klägerin zunächst in ihrer Klageschrift die fünf Punkte, die sie in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte aufgezeigt habe, ohne dass dies dahin auszulegen sei, dass sie das Vorliegen der Zuwiderhandlung, wie diese von der Kommission in der genannten Mitteilung dargelegt worden sei, in Zweifel gezogen habe.

480    Erstens habe sie darauf hingewiesen, dass die Kommission die Missbräuche der beherrschenden Stellung von Interbrew in Belgien nicht berücksichtigt habe, obwohl ein Zusammenhang bestanden habe zwischen diesen Missbräuchen und der Zusammenarbeit, die sich zwischen ihr und Interbrew entwickelt habe, und die Berücksichtigung der genannten Missbräuche es ermöglicht hätte, den Kontext der Zuwiderhandlung und das Kräfteverhältnis zu klären, das zwischen den beteiligten Unternehmen bestanden habe.

481    Zweitens habe sie auf die Besonderheit der damaligen Regelung in Belgien aufmerksam gemacht, was – ohne die Realität der Zuwiderhandlung im Geringsten in Frage zu stellen – eine bessere Beurteilung der Schwere des Sachverhalts und des Vorliegens mildernder Umstände zuließe.

482    Drittens habe sie die Anstifterrolle von Interbrew geltend gemacht, auf deren Initiative verschiedene Gespräche und Vereinbarungen mit Alken‑Maes zurückgingen.

483    Viertens habe sie die Bedeutung widerlegt, die ihren Äußerungen gegenüber Interbrew beigemessen worden sei, mit denen sie keinerlei Zwang auf dieses Unternehmen ausgeübt habe.

484    Fünftens habe sie die Tragweite und Eigenart verdeutlicht, die dem ihr zur Last gelegten Sachverhalt zukämen, der, obwohl er eine Zuwiderhandlung nach Artikel 81 EG begründe, nicht als zweiseitige Vereinbarung über die Preise und die Marktaufteilung, sondern nur als Nichtangriffspakt und Abmachung über eine Beschränkung der Investitionen und der Werbung hätte bezeichnet werden dürfen.

485    Die Klägerin geht sodann in ihrer Erwiderung auf die einzelnen Punkte der Argumentation ein, die die Kommission in ihrer Klagebeantwortung zu den Sachverhaltselementen entwickelt, die die Klägerin nach Ansicht der Kommission im Verwaltungsverfahren bestritten hat. Von diesen Einzelheiten würden nach Meinung der Kommission noch zwei vor dem Gericht bestritten, während dies bei fünf weiteren nicht mehr der Fall sein dürfte. Im Hinblick auf jeden dieser Punkte bekräftigt die Klägerin, nicht den betreffenden Sachverhalt, sondern nur die Bedeutung und die Qualifizierung bestritten zu haben, die ihm die Kommission zuerkenne.

486    Was erstens die beiden vor dem Gericht bestrittenen Sachverhaltselemente anbelangt, nämlich die gegenüber Interbrew ausgesprochene Drohung und die Dauer der Zuwiderhandlung, erklärt die Klägerin zu dem erstgenannten Punkt, sie bestreite zwar nicht, bei den Gesprächen der Kartellteilnehmer über deren jeweilige Politik in Frankreich angesichts der in Belgien festgestellten Missbräuche von Interbrew an dieses Unternehmen eine rechtmäßige und kaufmännisch legitime Warnung gerichtet zu haben, sie bestreite hingegen weiterhin, dass diese Äußerungen, obgleich sie sich auf die Zahl von 500 000 Hektoliter bezogen hätten, im von der Kommission angenommenen Sinne als Zwang angesehen werden könnten, da die genannte Warnung insbesondere jeden Zwangseffekts entbehrt habe.

487    Hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung bestätigt die Klägerin, sie bestreite weiterhin, dass das Kartell über Juli 1996 hinaus fortbestanden habe. Es handele sich dabei indessen nicht, wie die Kommission behaupte, um einen ausgeprägten Widerspruch gegen bestimmte Tatsachenfeststellungen, sondern um ein Bestreiten der Bedeutung, die die Kommission den Kontakten zwischen den Beteiligten nach Juli 1996 beimesse und die sich nicht mit dem Kontext und den Wirkungen dieser Kontakte vereinbaren lasse, die nach dem genannten Zeitpunkt nicht mehr wettbewerbswidriger Art gewesen seien. Nachdem Interbrew den Abnehmern ihre Preise im Laufe des Jahres 1996 mitgeteilt und diese Preise ab 1. Januar 1997 angewandt habe, seien solche Gespräche nicht mehr angezeigt gewesen.

488    Was zweitens die fünf weiteren Sachverhaltselemente anbelangt, die nach Ansicht der Kommission in der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte bestritten worden waren, jedoch in der Klageschrift nicht mehr bestritten werden, so nimmt die Klägerin dazu wie nachstehend dargelegt Stellung.

489    Erstens erklärt die Klägerin zu ihrem angeblichen Bestreiten des Umstands, dass das Kartell sich auch auf die Aufteilung der Kundschaft und insbesondere auf das Preisniveau bezogen hat, sie räume das Vorliegen des Sachverhalts ein und bestreite nicht, dass er einen Verstoß gegen Artikel 81 EG darstelle, sie betont jedoch, dass dieser Sachverhalt nicht als zweiseitige Vereinbarung über die Preise bezeichnet werden könne, was einen Einfluss auf die Schwere der Zuwiderhandlung, nicht jedoch auf deren Vorliegen habe. Wenngleich die Klägerin insbesondere Gespräche über die Preise bei dem Treffen vom 9. November 1994 nicht bestreitet, ist sie weiterhin der Ansicht, dass die Kommission den Sachverhalt äußerst streng beurteilt habe, indem sie diese Gespräche als Grundlage für eine echte Preisabsprache ansehe. Die Klägerin führt aus, sie habe insbesondere die Bedeutung bestreiten wollen, die die Kommission der handgeschriebenen Notiz „J=SA=A‑M=275,‑“ beimesse.

490    Zweitens räumt die Klägerin in Bezug auf den Beginn des Kartells ein, sie habe in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte daran festgehalten, dass das Kartell erst im Oktober 1994 begonnen habe. Die Kommission habe jedoch nicht erwähnt, dass diese Antwort die Gespräche zwischen den Beteiligten seit Ende 1992 erfasse. Ohne Kontakte und einen Informationsaustausch mit ihren Wettbewerbern über die Preisstruktur seit Ende 1992 zu bestreiten, bemerkt die Klägerin indessen, dass diese Vorgänge in ihrem Zusammenhang und realistisch, und zwar insbesondere im Rahmen der Rolle der CBB bei der Regelung von Preiserhöhungen, zu betrachten seien.

491    Drittens erklärt die Klägerin zu dem Argument, das Treffen am 11. Mai 1994 habe nicht nur die Vorstellung des neuen Direktors der Biersparte der Klägerin bezweckt, sie habe zwar angegeben, dass das Treffen vor allem diesem Zweck gedient habe, jedoch auch erwähnt, dass der umfassendere Zweck dieser Zusammenkunft im Zusammenhang mit dem Vorschlag von Interbrew, einen Frankreich einschließenden Nichtangriffspakt zu schließen, gestanden habe.

492    Viertens trägt die Klägerin zu den Gesprächen vom 6. Juli 1994 vor, sie habe entgegen der Behauptung der Kommission nicht bestritten, dass diese Gespräche die Zusammenarbeit zwischen Interbrew und Alken‑Maes betroffen hätten. Sie habe bemerkt, dass sich die Gespräche hauptsächlich auf die Geschäftslage von Interbrew in Frankreich bezogen hätten, jedoch sofort auch erläutert, dass Interbrew bei diesen Gesprächen einen Nichtangriffspakt für Frankreich und Belgien vorgeschlagen habe.

493    Fünftens habe die Klägerin hinsichtlich des Einflusses von Interbrew in der CBB nicht die Feststellung der Kommission bestritten, dass Interbrew nicht die Politik der CBB bestimmt habe. Andernfalls habe es sich höchstens um das Bestreiten einer Auslegung des Einflusses von Interbrew durch die Kommission und nicht um das Bestreiten einer Tatsachenfeststellung gehandelt.

494    Zu der Behauptung der Kommission schließlich, die Klägerin habe erklärt, den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Sachverhalt nur hinsichtlich der Tatsachen nicht zu bestreiten, die sie selbst anerkannt habe, macht die Klägerin geltend, die Kommission habe den Inhalt ihrer Erklärungen falsch ausgelegt und verfälscht.

495    So habe die Kommission die Worte der Klägerin dadurch verfälscht, dass sie deren Erklärung das Wort „nur“ hinzugefügt habe, wobei sie ausführe, dass die Klägerin erklärt habe, „den Sachverhalt … [in der Mitteilung der Beschwerdepunkte] nur insoweit nicht zu bestreiten, als er sich auf Informationen stütze, welche Alken‑Maes der Kommission erteilt habe“. Die Klägerin habe nämlich geschrieben, sie bestreite nicht „das Vorliegen des Sachverhalts in der betreffenden Zeit, soweit er sich zum Teil auf Informationen stützt, welche die Vertreter von Alken‑Maes der Kommission erteilt haben“.

496    Zudem verkenne die Kommission die Bedeutung des Wortes „soweit“. Der Gebrauch dieses Wortes habe sich nicht daraus ergeben, dass die Anerkennung des Sachverhalts in ihrer Reichweite – sei es auch nur teilweise – habe begrenzen wollen, sondern im Gegenteil aus der Betonung, dass es für sie äußerst unangemessen gewesen wäre, die Realität des von der Kommission festgestellten Sachverhalts zu leugnen, wenn dieser zum Teil auf Anhaltspunkten feststehe, die sie selbst zur Verfügung gestellt habe. Diese Sinnverkennung habe die Kommission zu dem falschen Schluss geführt, dass sie das Vorliegen der Zuwiderhandlung in Zweifel ziehe.

497    Die Klägerin erklärt in ihrer Erwiderung, die Kommission beharre in ihrer Klagebeantwortung auf einer falschen und sogar tendenziösen Auslegung der in der Antwort der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Worte, indem sie ausführe, die Klägerin habe „sich darauf beschränkt, den Sachverhalt anzuerkennen, ‚soweit er sich auf Informationen stützt, welche die Vertreter von Alken‑Maes selbst der Kommission erteilt haben‘“. Mit den Worten „sich darauf beschränkt“ habe die Kommission dort eine Begrenzung eingefügt, wo der Originaltext keine Begrenzung enthalten habe. Der Begriff „soweit“ könne nämlich zwar eine restriktive Bedeutung haben, wenn er mit einer Verneinung oder einem einschränkenden Tätigkeitswort verbunden sei, er müsse hingegen in einem erklärenden Sinne verstanden werden, wenn er ohne Verneinung oder einschränkendes Tätigkeitswort gebraucht werde.

498    Ein der Klägerin zur Last gelegtes angebliches Bestreiten des Sachverhalts sei umso nachteiliger, als die Entscheidungspraxis der Kommission erkennen lasse, dass ein bloßes Nichtbestreiten des Sachverhalts ohne Beitrag neuer Anhaltspunkte zu einer fast 20%igen Herabsetzung der Geldbuße führen könne, wie die Entscheidungen „Griechische Fährschiffe“ und „Fernwärmetechnik“ zeigten. Die Kommission habe sogar einem Unternehmen, das nicht mitgearbeitet habe, die gleiche Minderung der Geldbuße eingeräumt wie der Klägerin im vorliegenden Fall (98. Begründungserwägung der Entscheidung 98/247/EGKS der Kommission vom 21. Januar 1998 in einem Verfahren nach Artikel 65 EGKS‑Vertrag [Sache IV/35.814 – Legierungszuschlag], ABl. L 100, S. 55).

499    Die Kommission führt aus, dass eine Herabsetzung der Geldbuße wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts nach der Rechtsprechung voraussetze, dass der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte festgestellte Sachverhalt ausdrücklich anerkannt werde. Es gehe jedoch sowohl aus der Antwort der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch aus der Klageschrift hervor, dass die Klägerin entschieden versucht habe – und immer noch versuche –, zu leugnen, dass eine Drohung gegenüber Interbrew ausgesprochen worden sei und dass das Kartell über Juli 1996 hinaus fortbestanden habe. Zudem habe die Klägerin in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ursprünglich bestimmte wichtige Umstände bestritten, die sie in ihrer Klageschrift nicht mehr bestreite.

500    Zu dem Argument, die Kommission betrachte als Bestreiten des Sachverhalts, was in Wahrheit ein Bestreiten der diesem Sachverhalt von der Kommission zuerkannten Bedeutung oder rechtlichen Qualifizierung darstelle, erklärt die Kommission, dass sich das Bestreiten im Gegenteil auf das Vorliegen mehrerer Umstände beziehe.

501    Jedenfalls könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Nichtbestreiten des Sachverhalts allgemein eine 20%ige Herabsetzung der Geldbuße rechtfertige, da die entsprechende Reduzierung üblicherweise etwa 10 % betrage. Überdies sei es falsch, zu behaupten, Unternehmen, die nicht mit der Kommission zusammengearbeitet hätten, seien in den Genuss einer gleich hohen Minderung gekommen wie die Klägerin.

502    Zudem sei die angebliche Anerkennung des Sachverhalts durch die Klägerin – es sei denn, man würde die Grammatik verkennen – nur bedingt gewesen. In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte habe sich die Klägerin nämlich darauf beschränkt, den Sachverhalt „insoweit“ anzuerkennen, „als er sich auf Informationen stützt, welche die Vertreter von Alken‑Maes selbst den Bediensteten der Kommission erteilt haben“.

 Würdigung durch das Gericht

503    Nach Abschnitt D Nummer 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit (vgl. oben, Randnr. 448) wird die Geldbuße für ein Unternehmen, das nach Abschnitt D mit der Kommission zusammenarbeitet, um 10 % bis 50 % niedriger festgesetzt, als dies ohne seine Mitarbeit der Fall gewesen wäre, wenn das Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet.

504    Um nach Abschnitt D Nummer 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit eine Herabsetzung des Betrages der Geldbuße wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts zu erlangen, muss ein Unternehmen nach Kenntnisnahme von der Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission ausdrücklich mitteilen, dass es den Sachverhalt nicht bestreite (Urteil Mayr‑Melnhof/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 309).

505    Es genügt jedoch nicht, dass ein Unternehmen allgemein erklärt, den festgestellten Sachverhalt nach Maßgabe der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht zu bestreiten, wenn diese Erklärung nach Lage des Einzelfalls für die Kommission von keinerlei Nutzen ist (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004 in der Rechtssache T‑48/00, Corus UK/Kommission, Slg. 2004, II‑0000, Randnr. 193). Um in den Genuss einer Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Mitarbeit im Verwaltungsverfahren zu kommen, muss nämlich das Verhalten des Unternehmens die Aufgabe der Kommission erleichtern, die in der Feststellung und Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil Mayr‑Melnhof/Kommission, oben zitiert in Randnr. 57, Randnr. 309).

506    Anhand dieser Grundsätze ist festzustellen, ob die Kommission, wie die Klägerin behauptet, in der 326. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht zu dem Schluss gelangt, dass die Worte der Erklärung der Klägerin über das Nichtbestreiten des Sachverhalts und die von der Klägerin zum Ausdruck gebrachte Bezweiflung des Vorliegens der Zuwiderhandlung, wie sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegt ist, keine Verringerung der Geldbuße nach Abschnitt D Nummer 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit rechtfertigen.

507    Hierbei ist erstens zu den allgemeinen Erklärungen der Klägerin bezüglich des Nichtbestreitens des Sachverhalts festzustellen, dass Alken‑Maes vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte in ihrem Schreiben an die Kommission vom 27. Dezember 1999 mitgeteilt hat, dass sie „den von der Kommission in ihrem Auskunftsverlangen vom 11. November 1999 dargelegten Sachverhalt nicht bestreitet und dass es insbesondere … eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise von Interbrew und Alken‑Maes gegeben hat, aufgrund deren monatlich Informationen über den jeweiligen Bierabsatz dieser Unternehmen in Belgien ausgetauscht wurden; … es hat von 1992 bis 1998 zahlreiche Zusammenkünfte zwischen Mitarbeitern von Alken‑Maes, hauptsächlich Herrn [Vaxelaire], damals geschäftsführendes Mitglied des Verwaltungsrats, und Mitarbeitern von Interbrew, hauptsächlich den Herren T. und J. D., gegeben, bei denen der Vertrieb und der Absatz von Bier in Belgien abgestimmt wurden“. Das Unternehmen hat hinzugefügt, dass „Alken‑Maes vorbehaltlich der mildernden Umstände, die [den] Dienststellen [der Kommission] erläutert wurden, anerkennt und nicht bestreitet, dass diese Umstände eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 … EG begründen“.

508    Ferner hat die Klägerin in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, sie wolle, „[o]hne das Vorliegen der Kontakte und abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Interbrew und Alken‑Maes insoweit, als diese sich zum Teil auf Informationen stützen, welche die Vertreter von Alken‑Maes selbst den Bediensteten der Kommission erteilt haben, zu bestreiten, … bestimmte Punkte klären und die streitigen Umstände wieder in die Perspektive rücken, um zu zeigen, dass sie nicht die Bedeutung haben, die ihnen die Kommission beimisst“. Die Klägerin hat auf Seite 1 ihrer Erwiderung auf die genannte Mitteilung ihre Worte etwas anders formuliert, indem sie erklärt hat, sie wolle, „[o]hne das Vorliegen des Sachverhalts in dem betreffenden Zeitraum, insoweit als dieser sich auf Informationen stützt, welche die Vertreter von Alken‑Maes den Bediensteten der Kommission auf entsprechende Weisung der [Trägerin] erteilt haben, zu bestreiten, in der vorliegenden Erwiderung bestimmte Punkte klären und die streitigen Umstände wieder in die Perspektive rücken, um zu zeigen, dass sie nicht die Bedeutung haben, die ihnen die Kommission beimisst, oder in bestimmten Fällen sogar, dass rechtlichen Schlussfolgerungen der Kommission auf einer falschen Qualifizierung der streitigen Umstände beruhen“.

509    Anhand der Antwort der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist somit festzustellen, dass die Klägerin zwar erklärt hat, das Vorliegen von „Kontakten und abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Interbrew und Alken‑Maes“ oder des „Sachverhalts in dem betreffenden Zeitraum“ nicht zu bestreiten, dass sie jedoch nicht ausdrücklich klar und eindeutig erklärt hat, den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht zu bestreiten. Sie hat hingegen ihre Erklärung mit Vorbehalten im Hinblick darauf verbunden, dass sie „bestimmte Punkte klären“ und „die streitigen Umstände wieder in die Perspektive rücken“ wolle, um zu zeigen, dass sie „nicht die Bedeutung haben, die ihnen die Kommission beimisst“, oder dass die rechtlichen Schlussfolgerungen der Kommission „auf einer falschen Qualifizierung der streitigen Umstände beruhen“.

510    Was zweitens die Ausführungen der Klägerin zu spezifischen Vorgängen anbelangt, die die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegt hat (vgl. oben, Randnrn. 486 bis 493), so hat sich die Klägerin nicht auf eine Klärung der Bedeutung beschränkt, die ihnen die Kommission beimisst, sondern vielmehr den Inhalt oder das Vorliegen einiger dieser Vorgänge bestritten.

511    So hat die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte in Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlung erklärt, dass sie im Besitz von Beweismitteln bezüglich des Kartells zumindest für die Zeit vom 28. Januar 1993 bis 28. Januar 1998 sei und dass das Kartell daher bis zum 28. Januar 1998 fortbestanden habe. Für die Zeit nach Juli 1996 stützte sich die Kommission hierbei auf drei Sachverhaltselemente, nämlich erstens darauf, dass am 9. Dezember 1996 ein Telefongespräch zwischen Alken‑Maes (Herrn L. B.) und Interbrew (Herrn A. B.) stattgefunden habe, zweitens darauf, dass das Treffen von Interbrew, der Klägerin und Alken‑Maes vom 17. April 1997 in Paris einen wettbewerbswidrigen Gegenstand gehabt habe, und drittens darauf, dass sich das Treffen von Interbrew und Alken‑Maes vom 28. Januar 1998 auf das Kartell bezogen habe.

512    Die Klägerin hat in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, es sei „erstaunlich, dass die Kommission [den 28. Januar 1998] als Endzeitpunkt für die zur Last gelegten Vorgänge benannt, obwohl alle Teile der Ermittlungsakte zeigen, dass seit dem zweiten Halbjahr 1996 keine bilateralen Gespräche mehr stattgefunden haben“. Die Klägerin hat insbesondere behauptet, dass „die Gespräche über die Preisstruktur mit der Entscheidung von Interbrew vom Juli 1996, ihre neuen Preise ab 1. Januar 1997 anzuwenden, beendet waren“, dass „das Fehlen von Gesprächen nach Juli 1996“ z. B. aus einer Aufzeichnung eines Beraters von Alken‑Maes hervorgehe, mit der die neuen allgemeinen Bedingungen von Interbrew mit dem Plan von Alken‑Maes verglichen würden und die überflüssig gewesen wäre, „wenn es Kontakte zwischen beiden Unternehmen in dieser Angelegenheit gegeben hätte“, dass „das Treffen [vom 17. April 1997] nicht im Rahmen der Gespräche stattgefunden hat, die unter die [Mitteilung der Beschwerdepunkte] fallen“, und dass das Treffen vom 28. Januar 1998 nicht darauf abgestellt gewesen sei, „die alten Praktiken wieder herzustellen“.

513    In Anbetracht der vorstehenden Darlegung und insbesondere der Ausführungen der Klägerin zur Dauer der Zuwiderhandlung ist festzustellen, dass ihre Erklärungen, nach denen sie den Sachverhalt nicht bestreitet, keine Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt D Nummer 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit rechtfertigen.

514    Da es sich im vorliegenden Fall um ein Kartell handelt, das einem wettbewerbswidrigen Zweck gedient hat, genügt grundsätzlich bereits die Feststellung des Sachverhalts, um zwei der wesentlichen Faktoren eines Verstoßes gegen Artikel 81 Absatz 1 EG festzustellen, nämlich das Vorliegen einer Vereinbarung und des wettbewerbswidrigen Zweckes derselben. Somit konnte die Klägerin in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht die Bedeutung des strittigen Sachverhalts im Juli 1996, den die Kommission rechtmäßig festgestellt hat und der bereits als solcher die in Rede stehende Zuwiderhandlung begründet, bestreiten, ohne den Sachverhalt im Sinne von Abschnitt D Nummer 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit zu bestreiten (vgl. entsprechend Urteil Corus UK/Kommission, oben zitiert in Randnr. 505, Randnrn. 195 und 197).

515    Zweitens kann nicht angenommen ausgegangen werden, dass eine Erklärung über das Nichtbestreiten des Sachverhalts, die, wie im vorliegenden Fall, mit einer Reihe von Bemerkungen verbunden ist, mit denen die Klägerin angeblich die Bedeutung bestimmter Umstände klären will, die jedoch in Wahrheit ein Bestreiten dieser Umstände zum Ausdruck bringen, die Aufgabe der Kommission erleichtert, die in der Feststellung und Ahndung des betreffenden Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln besteht.

516    Hierbei ist festzustellen, dass die Klägerin entgegen ihrer Behauptung nicht die falsche Bedeutung bestreitet, die die Kommission bestimmten Umständen beimisst, nämlich den Kontakten vom 9. Dezember 1996, vom 17. April 1997 und vom 28. Januar 1998, sondern dass sie die Art dieser Umstände bestreitet. So hat sich die Klägerin in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte (vgl. oben, Randnr. 512) nicht damit begnügt, die Bedeutung des Kontakts zwischen Alken‑Maes und Interbrew vom 9. Dezember 1996 in Frage zu stellen, sondern vielmehr bestritten, dass ein Kontakt zwischen den beiden Unternehmen zu diesem Zeitpunkt überhaupt stattgefunden hat. Ebenso hat die Klägerin geleugnet, dass das Treffen vom 17. April 1997 einem wettbewerbswidrigen Zweck gedient hat und nicht etwa die Bedeutung oder rechtliche Wertung bestritten wurde, die die Kommission diesem Umstand beigemessen hat. Was schließlich das Treffen vom 28. Januar 1998 anbelangt, so hat sich die Klägerin nicht mit der Behauptung begnügt, dem Umstand, dass das Kartell als aktuell angesehen wird, wie die Kommission rechtmäßig festgestellt hat, komme nicht die Bedeutung oder rechtliche Qualifizierung zu, die ihm die Kommission beimesse, nämlich diejenige einer Zuwiderhandlung, sondern sie hat bestritten, dass der Inhalt der Gespräche über das Kartell diesen einen aktuellen Charakter verleiht.

517    Somit hat die Kommission – diese Feststellung ergibt sich, ohne dass es erforderlich ist, die übrigen Argumente der Klägerin zu prüfen – in der 326. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass die Klägerin das Vorliegen der Zuwiderhandlung, wie sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegt worden war, in Zweifel gezogen hat, und zu Recht die Auffassung vertreten, dass dies keine Herabsetzung der Geldbuße im Sinne von Abschnitt D Nummer 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit rechtfertige.

518    Demgemäß ist der zweite Teil des Klagegrundes und somit der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zur Berechnungsmethode und zum Endbetrag der Geldbuße

519    Wie aus der vorstehenden Randnummer 313 hervorgeht, ist die wegen erschwerender Umstände festgesetzte Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße von 50 % auf 40 % herabzusetzen.

520    Im Zusammenhang mit der Berechnung des Endbetrags der Geldbuße, der sich aus dieser Änderung ergibt, ist festzustellen, dass die Kommission bei der Berechnung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße von der in den Leitlinien vorgegebenen Methode abgewichen ist.

521    Aufgrund des Wortlauts der Leitlinien sind die wegen erschwerender oder mildernder Umstände festgesetzten prozentualen Erhöhungen oder Herabsetzungen nämlich an dem nach Maßgabe der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung ermittelten Grundbetrag der Geldbuße vorzunehmen und nicht an dem Ergebnis einer ersten Erhöhung oder Herabsetzung wegen eines erschwerenden oder mildernden Umstands (vgl. in diesem Sinne Urteil Cheil Jedang/Kommission, oben zitiert in Randnr. 95, Randnr. 229).

522    Im vorliegenden Fall hat die Kommission den Betrag der Geldbuße zum einen aufgrund von zwei erschwerenden Umständen und zum anderen aufgrund eines mildernden Umstands angepasst, wobei aus dem Endbetrag der verhängten Geldbuße hervorgeht, dass die Kommission eine dieser beiden Anpassungen an dem Betrag vorgenommen hat, der sich aus einer ersten Erhöhung oder Herabsetzung ergeben hatte. Dies führt dazu, dass sich der Endbetrag der Geldbuße gegenüber dem Betrag verändert, der sich ergeben würde, wenn die in den Leitlinien vorgegebene Methode angewandt worden wäre.

523    Die in den Leitlinien enthaltene Methode für die Berechnung der Geldbuße ist zwar nicht die einzig denkbare Methode, sie kann jedoch eine kohärente Entscheidungspraxis bei der Verhängung von Geldbußen gewährleisten, die ihrerseits die Gleichbehandlung der Unternehmen ermöglicht, deren Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht geahndet werden. Im vorliegenden Fall ist die Kommission hinsichtlich der Methode für die Berechnung des Endbetrags der Geldbußen von den Leitlinien abgewichen, ohne dies zu begründen.

524    Demgemäß ist aufgrund der dem Gericht in Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 verliehenen Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die wegen des erschwerenden Umstands in Verbindung mit dem Rückfall festgesetzte Erhöhung um 40 % an dem Grundbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße vorzunehmen.

525    Der Endbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße wird somit wie folgt berechnet: Dem Grundbetrag der Geldbuße (36,25 Mio. Euro) werden zunächst 40 % dieses Grundbetrags (14,5 Mio. Euro) zugeschlagen und 10 % des genannten Betrages (3,625 Mio. Euro) entnommen, woraus sich ein Betrag in Höhe von 47,125 Mio. Euro ergibt. Dieser Betrag vermindert sich sodann um 10 % für die Mitarbeit, woraus sich ein Endbetrag der Geldbuße in Höhe von 42,4125 Mio. Euro ergibt.

 Kosten

526    Nach Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt. Im vorliegenden Fall ist zu beschließen, dass die Klägerin ihre eigenen Kosten sowie drei Viertel der Kosten der Kommission trägt.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Betrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße wird auf 42,4125 Millionen Euro festgesetzt.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und drei Viertel der Kosten der Kommission. Die Kommission trägt ein Viertel ihrer eigenen Kosten.

Vilaras

Martins Ribeiro

Jürimäe

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 25. Oktober 2005.

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      M. Vilaras


Inhaltsverzeichnis


Rechtlicher Rahmen

Sachverhalt

Verfahren und Anträge der Parteien

Entscheidungsgründe

A –  Zum Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

1.  Zum Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung

a)  Zum ersten Teil, in dem die Klägerin rügt, sie habe keine Gelegenheit zur Prüfung der Umstände gehabt, unter denen ein von der Kommission als belastend verwendetes Dokument erstellt worden sei

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

b)  Zum zweiten Teil, in dem gerügt wird, dass die Kommission es der Klägerin nicht ermöglicht habe, vor Erlass der angefochtenen Entscheidung Kenntnis von den Faktoren zu erlangen, die bei der Berechnung der Geldbuße berücksichtigt worden seien

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

c)  Zum dritten Teil, in dem gerügt wird, dass Zusammenkünfte der Kommission mit Interbrew nicht dokumentiert seien und dass die Kommission sich geweigert habe, der Klägerin die Antwort von Interbrew auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte mitzuteilen

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

2.  Zum Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

B –  Zum hilfsweise gestellten Antrag auf Herabsetzung der verhängten Geldbuße

1.  Zum Klagegrund einer falschen Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung für die Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße unter Verletzung der Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes „ne bis in idem“

a)  Vorbringen der Parteien

Vorbringen der Klägerin

–  Zur Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung: Verletzung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit

–  Zur Beurteilung der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der Klägerin, andere Wirtschaftsteilnehmer in erheblichem Umfang zu schädigen: Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

–  Zur Festsetzung der Geldbuße in einer Höhe, die ihr eine hinreichende Abschreckungswirkung verleiht: Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

–  Zur Berücksichtigung des Umstands, dass große Unternehmen im Allgemeinen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und entsprechende Ressourcen verfügen: Verletzung des Grundsatzes „ne bis in idem“

Vorbringen der Kommission

b)  Würdigung durch das Gericht

Zur Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung

Zur Beurteilung der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der Klägerin, andere Wirtschaftsteilnehmer in erheblichem Umfang zu schädigen

Zur Festsetzung der Geldbuße in einer Höhe, die eine hinreichend abschreckende Wirkung gewährleistet

Zur Berücksichtigung des juristischen und wirtschaftlichen Sachverstands und der entsprechenden Ressourcen, über die Großunternehmen im Allgemeinen verfügen

Zur Angemessenheit des spezifischen Grundbetrags angesichts der von der Klägerin geltend gemachten Umstände

2.  Zum Klagegrund einer falschen Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

Zum telefonischen Kontakt vom 9. Dezember 1996

Zum Treffen vom 17. April 1997

Zum Treffen vom 28. Januar 1998

3.  Zum Klagegrund der unzutreffenden Annahme eines erschwerenden Umstands wegen auf Interbrew ausgeübten Zwanges

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

4.  Zum Klagegrund einer unberechtigten Berücksichtigung des erschwerenden Umstands der Tatwiederholung gegenüber der Klägerin

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

5.  Zum Klagegrund einer unzureichenden Berücksichtigung der anwendbaren mildernden Umstände

a)  Zum ersten Teil: Nichtberücksichtigung der mangelnden Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

b)  Zum zweiten Teil: Nichtberücksichtigung des Einflusses des Preisregelungssystems und der sehr alten Verbandstradition des Brauereisektors

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

c)  Zum dritten Teil: Nichtberücksichtigung der Krisensituation des Sektors

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

d)  Zum vierten Teil: Bedrohung durch Interbrew

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

6.  Zum Klagegrund einer falschen Beurteilung des Umfangs der Mitarbeit der Klägerin unter Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und der Mitteilung der Zusammenarbeit

a)  Zum ersten Teil: falsche Beurteilung des Ausmaßes der Mitarbeit der Klägerin gemessen an der Entscheidungspraxis der Kommission und unter Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

b)  Zum zweiten Teil: irrtümliche Annahme der Kommission, die Klägerin habe den Sachverhalt bestritten, auf den die Kommission ihre Einwände gestützt habe

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zur Berechnungsmethode und zum Endbetrag der Geldbuße

Kosten


* Verfahrenssprache: Französisch.