Language of document : ECLI:EU:T:2016:59

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

4. Februar 2016(*)

„Staatliche Beihilfen – Deutsche steuerrechtliche Bestimmungen über den Verlustvortrag auf die künftigen Steuerjahre (Sanierungsklausel) – Beschluss, mit dem die Beihilferegelung für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird – Nichtigkeitsklage – Individuelle Betroffenheit – Zulässigkeit – Begriff der staatlichen Beihilfe – Selektiver Charakter – Natur und innerer Aufbau des Steuersystems – Staatliche Mittel – Begründungspflicht – Vertrauensschutz“

In der Rechtssache T‑620/11

GFKL Financial Services AG mit Sitz in Essen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte M. Schweda, S. Schultes-Schnitzlein, J. Eggers und M. Knebelsberger, dann Rechtsanwälte M. Schweda, J. Eggers, M. Knebelsberger und F. Loose,

Klägerin,

unterstützt durch

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch T. Maxian Rusche, M. Adam und R. Lyal, dann durch T. Maxian Rusche, R. Lyal und M. Noll-Ehlers als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses 2011/527/EU der Kommission vom 26. Januar 2011 über die staatliche Beihilfe Deutschlands C 7/10 (ex CP 250/09 und NN 5/10) „KStG, Sanierungsklausel“ (ABl. L 235, S. 26)

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis sowie der Richter O. Czúcz und A. Popescu (Berichterstatter),

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2015

folgendes

Urteil

 Nationaler Rechtsrahmen

 Die Regelung des Verlustvortrags

1        In Deutschland können nach § 10d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes die in einem Steuerjahr eingetretenen Verluste auf künftige Steuerjahre vorgetragen werden, d. h., die betreffenden Verluste können von den steuerpflichtigen Einkünften der folgenden Jahre abgezogen werden (im Folgenden: Regelung des Verlustvortrags).

2        Nach § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) besteht die Möglichkeit des Verlustvortrags auch für Unternehmen, die der Körperschaftsteuer unterliegen.

 Regel des Verfalls von Verlusten

3        Die Möglichkeit des Verlustvortrags führte dazu, dass allein aus Gründen der Steuerersparnis „Mantelunternehmen“ erworben wurden (sogenannter Mantelkauf), die bereits seit Langem jeden Geschäftsbetrieb eingestellt hatten, aber immer noch Verlustvorträge besaßen.

4        Um dem Erwerb von Mantelunternehmen entgegenzuwirken, führte der deutsche Gesetzgeber im Jahr 1997 § 8 Abs. 4 KStG ein (im Folgenden: Vorgängerregel des Verfalls von Verlusten). Diese Regelung beschränkte den Verlustvortrag auf Unternehmen, die mit dem Unternehmen, das die Verluste erlitten hatte, rechtlich und wirtschaftlich identisch waren. Nach ihr galten Unternehmen dann nicht als identisch, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen wurden und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführte oder wieder aufnahm.

5        Die Vorgängerregel des Verfalls von Verlusten sah allerdings in § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG eine Ausnahme vor, wonach im Fall der „Sanierung“ des Unternehmens, das Gegenstand des Erwerbs war, wirtschaftliche Identität bestand und damit die Regel des Verfalls von Verlusten nicht zur Anwendung kam. Dies war bei zwei Konstellationen der Fall: zum einen, wenn die Zuführung neuen Betriebsvermögens allein der Sanierung des Geschäftsbetriebs diente, der den verbleibenden Verlustvortrag verursacht hatte, und die Körperschaft den Geschäftsbetrieb in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortführte, und zum anderen, wenn der Erwerber, statt neues Betriebsvermögen zuzuführen, die bei dem Unternehmen, das die Verluste erlitten hatte, angefallenen Verluste ausglich.

6        Im Jahr 2008 wurde mit dem Unternehmensteuerreformgesetz die Vorgängerregel des Verfalls von Verlusten aufgehoben und ein neuer § 8c Abs. 1 in das KStG eingefügt (im Folgenden: Regel des Verfalls von Verlusten). Diese Bestimmung beschränkt die Möglichkeit des Verlustvortrags im Fall des Erwerbs von mindestens 25 % der Anteile an einer Körperschaft (im Folgenden: schädlicher Beteiligungserwerb). Im Einzelnen sieht die neue Bestimmung Folgendes vor: Werden innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 %, aber höchstens 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder Stimmrechte an einer Körperschaft übertragen, so verfallen ungenutzte Verluste anteilig in Höhe des prozentualen Beteiligungswechsels. Ungenutzte Verluste sind nicht mehr abziehbar, wenn mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, der Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber übertragen werden.

7        Die neue Regel des Verfalls von Verlusten sah anfangs keine Ausnahme vor. Die Steuerbehörden konnten jedoch im Fall des Erwerbs schädlicher Beteiligungen zum Zweck der Sanierung von Unternehmen in Schwierigkeiten im Einklang mit dem Sanierungserlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 27. März 2003 (im Folgenden: Sanierungserlass) im Billigkeitswege Steuervergünstigungen gewähren.

 Sanierungsklausel

8        Im September 2007 legte die Bundesregierung dem Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (im Folgenden: MoRaKG) vor, das u. a. eine Ausnahme von der Regel des Verfalls von Verlusten vorsah.

9        Im Anschluss an die Anmeldung des Vorhabens im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV untersagte die Kommission die geplante Ausnahme und qualifizierte sie mit der Entscheidung 2010/13/EG vom 30. September 2009 über die Beihilfenregelung C 2/09 (ex N 221/08 und N 413/08), die Deutschland zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen gewähren will (ABl. 2010, L 6, S. 32, im Folgenden: MoRaKG-Entscheidung), als nicht mit dem Binnenmarkt vereinbare staatliche Beihilfe.

10      Im Juni 2009 wurde mit dem Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung § 8c Abs. 1a KStG (im Folgenden: Sanierungsklausel oder streitige Maßnahme) eingefügt, nach dem ein Verlustvortrag weiterhin möglich ist, wenn der Erwerb eines Unternehmens in Schwierigkeiten zu Sanierungszwecken erfolgt. Nach dieser Klausel darf eine Körperschaft auch im Fall eines schädlichen Beteiligungserwerbs unter folgenden Voraussetzungen einen Verlustvortrag vornehmen:

a)      Der Beteiligungserwerb erfolgt zum Zweck der Sanierung der Körperschaft.

b)      Das Unternehmen ist zum Zeitpunkt des Erwerbs zahlungsunfähig oder überschuldet oder von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bedroht.

c)      Die wesentlichen Betriebsstrukturen werden erhalten, was voraussetzt, dass

–        die Körperschaft eine geschlossene Betriebsvereinbarung mit einer Arbeitsplatzregelung befolgt

–        oder 80 % der Arbeitsplätze (gemessen an der jährlichen durchschnittlichen Lohnsumme) in den ersten fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb erhalten werden

–        oder innerhalb von zwölf Monaten nach dem Erwerb wesentliches Betriebsvermögen zugeführt wird oder Verbindlichkeiten erlassen werden, die noch werthaltig sind. Eine wesentliche Betriebsvermögenszuführung liegt vor, wenn das neue Betriebsvermögen mindestens 25 % des Aktivvermögens des vorangehenden Wirtschaftsjahrs entspricht. Leistungen der Kapitalgesellschaft, die innerhalb von drei Jahren nach der Zuführung des neuen Betriebsvermögens erfolgen, mindern den Wert des zugeführten Betriebsvermögens.

d)      Innerhalb von fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb erfolgt kein Branchenwechsel.

e)      Das Unternehmen hatte zum Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs nicht den Geschäftsbetrieb eingestellt.

11      Die Sanierungsklausel trat am 10. Juli 2009, also am selben Tag wie die Regel des Verfalls von Verlusten, in Kraft und gilt rückwirkend ab dem 1. Januar 2008.

 Stille-Reserven-Klausel und Konzernklausel

12      Im Dezember 2009 wurden mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2010 zwei neue Ausnahmen von der Regel des Verfalls von Verlusten eingeführt, nämlich zum einen § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG (im Folgenden: Konzernklausel) und zum anderen § 8c Abs. 1 Satz 6 KStG (im Folgenden: Stille-Reserven-Klausel).

13      Die Konzernklausel sieht vor, dass für alle Umstrukturierungen, die ausschließlich innerhalb eines Konzerns vorgenommen werden, an dessen Spitze nur eine Person oder Körperschaft steht, die 100 % der Anteile hält, die Verlustvorträge erhalten bleiben.

14      Nach der Stille-Reserven-Klausel bleiben die Verlustvorträge erhalten, soweit diese Verluste beim Erwerb schädlicher Beteiligungen stillen Reserven des Betriebsvermögens der Körperschaft entsprechen. Dabei ist unter „stillen Reserven“ der Betrag zu verstehen, der sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem gesamten in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesenen Eigenkapital der Körperschaft und dem auf dieses Eigenkapital entfallenden Wert der Anteile an der Körperschaft ergibt.

 Sachverhalt

15      Die Klägerin, die GFKL Financial Services AG, ist eine Gesellschaft, die Finanzdienstleistungen anbietet. Im Jahr 2009 war sie wegen drohender Zahlungsunfähigkeit sanierungsbedürftig.

16      Am 14. Dezember 2009 erwarb eine Investorin rund 80 % der Aktien an der Klägerin, und am 4. Dezember 2010 führte die neue Mehrheitsaktionärin der Klägerin im Wege einer Kapitalerhöhung über 50 Mio. Euro an Liquidität zu; hierdurch konnte die Zahlungsunfähigkeit abgewendet werden.

17      Wie aus der verbindlichen Auskunft des Finanzamts Essen-NordOst vom 3. September 2009 (im Folgenden: verbindliche Auskunft) hervorgeht, lagen bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung die Voraussetzungen der Sanierungsklausel vor.

18      Nach der Entscheidung der Kommission, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen (siehe unten, Rn. 21), wies das deutsche Bundesfinanzministerium die Finanzverwaltung mit Schreiben vom 30. April 2010 an, die Sanierungsklausel nicht mehr anzuwenden.

19      Die Finanzverwaltung hob daher die verbindliche Auskunft auf und übersandte der Klägerin einen Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2009, in dem die Sanierungsklausel nicht angewandt wurde.

20      Am 22. Juli 2011 übermittelte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission im Einklang mit dem angefochtenen Beschluss (siehe unten, Rn. 31) die Liste der Unternehmen, die durch die streitige Maßnahme begünstigt worden waren. In dieser Liste war der Name der Klägerin unter den Unternehmen aufgeführt, bei denen verbindliche Auskünfte über die Anwendung der Sanierungsklausel aufgehoben worden waren.

 Verwaltungsverfahren

21      Mit Schreiben vom 5. August 2009 und vom 30. September 2009 ersuchte die Kommission die Bundesrepublik Deutschland um Auskünfte über § 8c KStG. Die deutschen Behörden antworteten darauf mit Schreiben vom 20. August 2009 und vom 5. November 2009. Mit Beschluss vom 24. Februar 2010 (ABl. C 90, S. 8, im Folgenden: Eröffnungsbeschluss) eröffnete die Kommission das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV wegen der staatlichen Beihilfe C 7/10 (ex NN 5/10).

22      Nach der Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union am 8. April 2010 wurden die Beteiligten zur Stellungnahme aufgefordert. Die deutschen Behörden kamen dieser Aufforderung mit Schreiben vom 9. April 2010 nach.

23      Am 9. April 2010 und am 3. Juni 2010 fanden zwei Treffen von Dienststellen der Kommission mit Vertretern der Bundesrepublik Deutschland statt. Am 2. Juli 2010 übermittelte Deutschland weitere Auskünfte. Die Kommission erhielt keine Stellungnahmen von sonstigen Beteiligten.

 Angefochtener Beschluss

24      Am 26. Januar 2011 erließ die Kommission den Beschluss 2011/527/EU über die staatliche Beihilfe Deutschlands C 7/10 (ex CP 250/09 und NN 5/10) „KStG, Sanierungsklausel“ (ABl. L 235, S. 26, im Folgenden: angefochtener Beschluss).

25      Im angefochtenen Beschluss qualifizierte die Kommission zunächst die Sanierungsklausel als staatliche Beihilfe.

26      Sie führte erstens aus, Deutschland entgingen dadurch, dass die Bundesregierung bestimmten Unternehmen gestatte, ihre Steuerlast durch den Verlustvortrag zu verringern, Einnahmen, was zulasten der staatlichen Mittel gehe. Die Beihilfe werde auf der Grundlage eines Gesetzes gewährt und sei daher dem Staat zuzurechnen.

27      Zweitens schaffe die Sanierungsklausel eine Ausnahme von der allgemeinen Regel des Verfalls von Verlusten bei Körperschaften, bei denen es zu einem Beteiligungserwerb komme. Die Klausel könne daher Unternehmen, die die Voraussetzungen dieser Klausel erfüllten, einen selektiven Vorteil verschaffen, der nicht durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau des Systems gerechtfertigt sei. Mit der Sanierungsklausel sollten nämlich die durch die Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgerufenen Probleme bewältigt werden, was ein außerhalb des Steuersystems liegendes Ziel darstelle.

28      Drittens gelte die Sanierungsklausel für alle Branchen der deutschen Wirtschaft, die auf fast allen Märkten vertreten seien, auf denen Wettbewerb herrsche und Handel zwischen den Mitgliedstaaten stattfinde. Daher könnte die Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen oder den Wettbewerb zu verfälschen oder die Gefahr bestehen, dass er verfälscht werde. Da es sich darüber hinaus bei allen potenziellen Begünstigten um Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. 2004, C 244, S. 2) handele, komme keiner von ihnen für De-minimis-Beihilfen im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 [EG] auf De-minimis-Beihilfen (ABl. L 379, S. 5) in Betracht.

29      Anschließend prüfte die Kommission, ob die Maßnahme als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden könne, und kam zu dem Schluss, dass die Beihilfen für bestimmte Begünstigte als mit dem Binnenmarkt vereinbare begrenzte Beihilfen für zulässig erklärt werden könnten, sofern sie alle Voraussetzungen einer deutschen Beihilferegelung erfüllten, die die Kommission nach dem Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise (ABl. 2009, C 83, S. 1) genehmigt hatte. Dagegen war die Kommission der Ansicht, dass die Sanierungsklausel nicht auf der Grundlage der Leitlinien für die Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten, der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007-2013 (ABl. 2006, C 54, S. 13) und der Leitlinien für staatliche Umweltschutzbeihilfen (ABl. 2008, C 82, S. 1) sowie im Hinblick auf Art. 107 Abs. 3 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sei.

30      Schließlich gab die Kommission der Bundesrepublik Deutschland auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die rechtswidrige Beihilfe von den Empfängern zurückzufordern. Außerdem müsse die Bundesrepublik Deutschland eine Liste der Unternehmen erstellen, die seit dem 1. Januar 2008 durch die Beihilfe begünstigt worden seien. Das jährliche Fälligkeitsdatum der Körperschaftsteuer sei für die Feststellung des Zeitpunkts relevant, zu dem den Begünstigten die Beihilfe zur Verfügung gestellt worden sei, und die zurückzufordernde staatliche Beihilfe sei anhand der Steuererklärungen der betreffenden Unternehmen zu berechnen. Der Beihilfebetrag entspreche der Differenz zwischen dem Steuerbetrag, der ohne die Anwendung der Sanierungsklausel zu zahlen gewesen wäre, und dem Steuerbetrag, der nach ihrer Anwendung tatsächlich gezahlt worden sei.

31      Im verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses heißt es:

Artikel 1

Die auf der Grundlage von § 8c (1a) [KStG] gewährte staatliche Beihilferegelung, die Deutschland unter Verletzung von Artikel 108 Absatz 3 AEUV rechtswidrig gewährt hat, ist mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

Artikel 2

Im Rahmen der in Artikel 1 genannten Regelung gewährte Einzelbeihilfen sind auf der Grundlage von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV, wie er im Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen ausgelegt wurde, mit dem Binnenmarkt vereinbar, sofern der Beihilfebetrag 500 000 EUR nicht überschreitet, der Begünstigte zum 1. Juli 2008 kein Unternehmen in Schwierigkeiten war und alle anderen Voraussetzungen nach Abschnitt 4.2.2 des Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmens und des Beschlusses zur Genehmigung der deutschen Beihilferegelung erfüllt sind.

Artikel 3

Im Rahmen der in Artikel 1 genannten Regelung gewährte Einzelbeihilfen, die zum Zeitpunkt ihrer Gewährung die Voraussetzungen einer Beihilferegelung erfüllen, die von der Kommission auf einer anderen Rechtsgrundlage als der [Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 [EG] und 88 [EG] (Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) (ABl. L 214, S. 3)], den Regionalbeihilfeleitlinien oder den Leitlinien für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation [(ABl. 2006, C 323, S. 1)] genehmigt wurde und die Unternehmen in Schwierigkeiten nicht als potenzielle Beihilfeempfänger ausschließt, sind bis zu der für diese Art Beihilfe geltenden Beihilfehöchstintensität mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Artikel 4

(1)      Die in Artikel 1 genannte Beihilferegelung ist von Deutschland aufzuheben.

(2)      Deutschland fordert die unvereinbaren Beihilfen, die im Rahmen der in Artikel 1 genannten Beihilferegelung gewährt wurden, von den Begünstigten zurück.

Artikel 6

(1)      Deutschland übermittelt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses die folgenden Informationen:

a)      die Liste der Begünstigten, die aufgrund der in Artikel 1 genannten Regelung Beihilfen erhalten haben, sowie den Gesamtbetrag der Beihilfen, die jeder von ihnen aufgrund dieser Regelung erhalten hat;

…“

 Verfahren und Anträge der Parteien

32      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 2. Dezember 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

33      Die Kommission hat mit gesondertem Schriftsatz, der am 16. März 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 114 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 erhoben. Die Klägerin hat ihre Stellungnahme zu dieser Einrede am 2. Mai 2012 eingereicht.

34      Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Schriftsatz, der am 29. Februar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 2. Mai 2012 hat der Präsident der Achten Kammer des Gerichts sie als Streithelferin zugelassen. Der auf die Zulässigkeit beschränkte Streithilfeschriftsatz der Bundesrepublik Deutschland und die Stellungnahmen der anderen Beteiligten hierzu sind fristgerecht eingereicht worden.

35      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Neunten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

36      Mit Beschluss des Gerichts (Neunte Kammer) vom 17. Juli 2014 ist die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 114 § 4 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 dem Endurteil vorbehalten worden.

37      Am 2. September 2014 hat die Kommission ihre Klagebeantwortung eingereicht. Am 27. Oktober 2014 hat die Klägerin die Erwiderung und am 16. Januar 2015 die Kommission die Gegenerwiderung eingereicht.

38      Am 27. Oktober 2014 hat die Bundesrepublik Deutschland ihren Streithilfeschriftsatz eingereicht, und die anderen Parteien haben sich zu diesem Schriftsatz fristgerecht geäußert.

39      Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 hat das Gericht (Neunte Kammer) den Parteien am 19. Mai 2015 schriftliche Fragen übermittelt, auf die sie fristgerecht geantwortet haben.

40      Die Parteien haben in der Sitzung vom 9. Juli 2015 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

41      Die Klägerin, unterstützt von der Bundesrepublik Deutschland, beantragt,

–        die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen;

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

42      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unzulässig und, hilfsweise, als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit der Klage

43      Die Kommission stützt ihre Einrede der Unzulässigkeit der vorliegenden Klage darauf, dass die Klägerin weder nachgewiesen habe, dass die Voraussetzungen von Art. 263 Abs. 4 AEUV erfüllt seien, noch ein Rechtsschutzinteresse habe.

 Zur Klagebefugnis im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV

44      Erstens stellt die Kommission die Klagebefugnis der Klägerin in Abrede, da sie vom angefochtenen Beschluss nicht individuell betroffen sei.

45      Die Klägerin sei keine tatsächlich Begünstigte aufgrund der Sanierungsklausel gewährter Einzelbeihilfen, deren Rückforderung die Kommission angeordnet habe. Die rechtlich verbindliche Feststellung der Steuerschuld erfolge nämlich gemäß § 155 Abs. 1 der deutschen Abgabenordnung ausschließlich durch einen Steuerbescheid.

46      Im vorliegenden Fall habe der bloße Anteilseignerwechsel, d. h. die Transaktion, die zur Anwendung der Sanierungsklausel führen würde, keine rechtlich verbindliche Gewährung einer Beihilfe enthalten, so dass zum Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs noch nicht festgestanden habe, ob und wann die Klägerin wieder einen Gewinn erzielen werde, durch den sich der Verlustvortrag tatsächlich steuermindernd auswirken könne. Die Klägerin könne ihre individuelle Betroffenheit auch nicht auf die verbindliche Auskunft stützen. Diese gewähre für sich genommen keinen Anspruch auf einen Steuervorteil und habe ihre Bindungswirkung vor Erlass eines Steuerbescheids, der die Anwendung der Sanierungsklausel vorgesehen hätte, verloren.

47      Unter diesen Umständen sei im angefochtenen Beschluss nicht die Rückzahlung einer der Klägerin bereits gewährten Beihilfe angeordnet, sondern es der nationalen Verwaltung überlassen worden, die Konsequenzen aus der Unvereinbarkeit der Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt durch Steuerbescheide zu ziehen.

48      Zweitens sei die Klage auch nach der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV unzulässig, da der angefochtene Beschluss Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe, nämlich die Erstellung eines Steuerbescheids.

49      Die Klägerin, unterstützt von der Bundesrepublik Deutschland, vertritt die Auffassung, dass die Klage zulässig sei.

50      Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann „[j]ede natürliche oder juristische Person … gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben“.

51      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht Adressatin des angefochtenen Beschlusses ist, der sich ausschließlich an die Bundesrepublik Deutschland richtet.

52      Da die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 4 des angefochtenen Beschlusses verpflichtet ist, die in dessen Art. 1 genannte Beihilferegelung aufzuheben und die in deren Rahmen gewährten Beihilfen von den Begünstigten zurückzufordern, ist die Klägerin als von diesem Beschluss unmittelbar betroffen anzusehen. Die beiden in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für die unmittelbare Betroffenheit, wonach die betreffende Handlung erstens unmittelbare Folgen für die Rechtsstellung der Klägerin haben muss und zweitens denjenigen, die sie durchzuführen haben, kein Ermessen lassen darf, sind nämlich im vorliegenden Fall erfüllt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2009, Kommission/Koninklijke FrieslandCampina, C‑519/07 P, Slg, EU:C:2009:556, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Übrigen erhebt die Kommission insoweit keine Einwände.

53      Nachdem die unmittelbare Betroffenheit der Klägerin feststeht, ist zu untersuchen, ob sie vom angefochtenen Beschluss auch individuell betroffen ist, wobei, falls dies zu bejahen ist, nicht geprüft zu werden braucht, ob der angefochtene Beschluss einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter darstellt, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht.

54      Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Person, die nicht Adressat einer Entscheidung ist, nur dann geltend machen, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (Urteile vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, Slg, EU:C:1963:17, S. 238, vom 9. Juni 2011, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, Slg, EU:C:2011:368, Rn. 52, und vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission, C‑274/12 P, Slg, EU:C:2013:852, Rn. 46).

55      Ein Unternehmen kann daher einen Beschluss der Kommission, mit dem eine sektorielle Beihilferegelung verboten wird, grundsätzlich nicht mit einer Nichtigkeitsklage anfechten, wenn es von ihm nur wegen seiner Zugehörigkeit zum fraglichen Sektor und seiner Eigenschaft als durch diese Regelung potenziell Begünstigter betroffen ist. Ein solcher Beschluss stellt sich nämlich für dieses Unternehmen als generelle Maßnahme dar, die für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber einer allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppe erzeugt (vgl. Urteile vom 29. April 2004, Italien/Kommission, C‑298/00 P, Slg, EU:C:2004:240, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 11. Juni 2009, Acegas/Kommission, T‑309/02, Slg, EU:T:2009:192, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Umstand, dass die Rechtssubjekte, für die eine Maßnahme gilt, nach Zahl oder sogar Identität mehr oder weniger genau bestimmbar sind, bedeutet dabei keineswegs, dass sie als von der Maßnahme individuell betroffen anzusehen sind, sofern die Maßnahme aufgrund eines durch sie bestimmten objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar ist (Urteil Telefónica/Kommission, oben in Rn. 54 angeführt, EU:C:2013:852, Rn. 47).

56      Berührt hingegen ein Beschluss eine Gruppe von Personen, die zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Rechtsakts anhand den Mitgliedern dieser Gruppe eigener Merkmale feststanden oder feststellbar waren, können diese Personen von ihm insoweit individuell betroffen sein, als sie zu einem beschränkten Kreis von Wirtschaftsteilnehmern gehören (Urteile vom 17. Januar 1985, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission, 11/82, Slg, EU:C:1985:18, Rn. 31, vom 22. Juni 2006, Belgien und Forum 187/Kommission, C‑182/03 und C‑217/03, Slg, EU:C:2006:416, Rn. 60, und Kommission/Koninklijke FrieslandCampina, oben in Rn. 52 angeführt, EU:C:2009:556, Rn. 54 bis 57).

57      Im Licht dieser Rechtsprechung ist zu prüfen, ob die Klägerin in Anbetracht ihrer tatsächlichen und rechtlichen Situation als vom angefochtenen Beschluss individuell betroffen anzusehen ist.

58      Zunächst ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin auszuschließen, dass die Eigenschaft als „Beteiligte“ im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV ihr eine besondere, ihre individuelle Betroffenheit kennzeichnende Stellung einräumt, zumal sie nicht von den sich daraus ergebenden Verfahrensrechten – insbesondere von dem Recht, während des förmlichen Prüfverfahrens eine Stellungnahme abzugeben – Gebrauch gemacht hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2005, Kommission/Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum, C‑78/03 P, Slg, EU:C:2005:761, Rn. 37).

59      Hinsichtlich der individuellen Betroffenheit im Sinne des Urteils Plaumann/Kommission, oben in Rn. 54 angeführt (EU:C:1963:17), ist die tatsächliche und rechtliche Situation der Klägerin durch folgende Umstände gekennzeichnet.

60      Erstens war die Klägerin am Ende des Steuerjahrs 2009 und damit vor Eröffnung des von der Kommission eingeleiteten Verfahrens nach der deutschen Regelung berechtigt, ihre Verluste vorzutragen, da die in der Sanierungsklausel vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt waren. Außerdem hatte die Klägerin die bestehenden Verlustvorträge am 31. Dezember 2009 in ihrer Buchführung als aktive latente Steuern berücksichtigt.

61      Zweitens hatte die Klägerin im Jahr 2009 zu versteuernde Gewinne erzielt, von denen sie die gemäß der Sanierungsklausel vorgetragenen Verluste abgezogen hätte.

62      Die deutsche Steuerverwaltung hatte diese Umstände im Rahmen der verbindlichen Auskunft bestätigt, wobei die gemäß der Sanierungsklausel vorgetragenen Verluste berücksichtigt wurden (siehe oben, Rn. 17). Die Erteilung der verbindlichen Auskunft führte außerdem in der Folge dazu, dass der Name der Klägerin in die Liste aufgenommen wurde, die die deutschen Behörden der Kommission gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b des angefochtenen Beschlusses übermittelten.

63      Nach der deutschen Regelung war es daher am Ende des Steuerjahrs 2009 sicher, dass die Klägerin eine Steuerersparnis erzielt hätte, die sie im Übrigen genau beziffern konnte. Da die deutschen Behörden nämlich hinsichtlich der Anwendung der streitigen Maßnahme über kein Ermessen verfügten, war aufgrund der Durchführungsvorschriften des Steuersystems der Eintritt der genannten Steuerersparnis durch die Zahlung einer niedrigeren Steuer lediglich eine Frage der Zeit. Die Klägerin besaß somit ein erworbenes, von den deutschen Behörden vor dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses und dann des angefochtenen Beschlusses bestätigtes Recht auf Gewährung dieser Steuerersparnis. Sie wäre ohne diese Beschlüsse durch den Erlass eines Steuerbescheids konkretisiert worden, mit dem der Verlustvortrag und dessen anschließende Aufnahme in die Bilanz der Klägerin gebilligt worden wären. Sie konnte daher von den deutschen Steuerbehörden und der Kommission leicht festgestellt werden.

64      Folglich ist die Klägerin nicht nur als ein Unternehmen anzusehen, das aufgrund seiner Zugehörigkeit zum fraglichen Sektor und seiner Eigenschaft als potenziell Begünstigter vom angefochtenen Beschluss betroffen war, sondern sie gehörte zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses zu einem geschlossenen Kreis von feststehenden oder zumindest leicht feststellbaren Wirtschaftsteilnehmern im Sinne des Urteils Plaumann/Kommission, oben in Rn. 54 angeführt (EU:C:1963:17) (vgl. auch entsprechend Urteile Belgien und Forum 187/Kommission, oben in Rn. 56 angeführt, EU:C:2006:416, Rn. 63, Kommission/Koninklijke FrieslandCampina, oben in Rn. 52 angeführt, EU:C:2009:556, Rn. 57, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission, oben in Rn. 54 angeführt, EU:C:2011:368, Rn. 56, vom 27. Februar 2014, Stichting Woonpunt u. a./Kommission, C‑132/12 P, Slg, EU:C:2014:100, Rn. 59 bis 61, und Stichting Woonlinie u. a./Kommission, C‑133/12 P, Slg, EU:C:2014:105, Rn. 46 bis 48).

65      Diese Schlussfolgerung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die deutschen Behörden im Anschluss an den Erlass des Eröffnungsbeschlusses und dann des angefochtenen Beschlusses Maßnahmen ergriffen, damit die Sanierungsklausel unangewendet bleibt; zu ihnen gehörten insbesondere die Aufhebung der verbindlichen Auskunft und der Erlass eines Steuerbescheids zur Körperschaftsteuer für 2009, der die gemäß der Sanierungsklausel vorgetragenen Verluste nicht mehr berücksichtigte (siehe oben, Rn. 19).

66      Die deutschen Behörden beschlossen nämlich, die Anwendung der Sanierungsklausel auszusetzen – ohne sie jedoch aufzuheben – und einen Vorauszahlungsbescheid ohne Anwendung dieser Klausel zu erlassen, um dem Eröffnungsbeschluss und dem angefochtenen Beschluss nachzukommen. Die Kommission kann daher im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Klage gegen den angefochtenen Beschluss, in dem sie zu dem Ergebnis kam, dass die streitige Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstelle und ihre Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt feststellte, keinen Vorteil daraus ziehen, dass die deutschen Behörden unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um die Befolgung dieses Beschlusses sicherzustellen, bis über eine etwaige gegen ihn gerichtete Klage entschieden worden ist.

67      Diese Schlussfolgerung kann auch durch die Rechtsprechung – insbesondere die Urteile Telefónica/Kommission, oben in Rn. 54 angeführt (EU:C:2013:852), vom 11. Juni 2009, AMGA/Kommission (T‑300/02, Slg, EU:T:2009:190), Acegas/Kommission, oben in Rn. 55 angeführt (EU:T:2009:192), und vom 8. März 2012, Iberdrola/Kommission (T‑221/10, Slg, EU:T:2012:112) – nicht in Frage gestellt werden, auf die sich die Kommission in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung berufen hat.

68      Der diesen Rechtssachen zugrunde liegende Sachverhalt ist nämlich mit dem der vorliegenden Rechtssache nicht vergleichbar, in der festgestellt worden ist, dass die Klägerin aufgrund der Besonderheiten des deutschen Steuerrechts ein von den deutschen Steuerbehörden bestätigtes Recht auf eine Steuerersparnis erworben hatte (siehe oben, Rn. 63). Dieser Umstand unterscheidet die Klägerin von anderen Wirtschaftsteilnehmern, die von der streitigen Maßnahme lediglich als potenziell Begünstigte betroffen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Koninklijke FrieslandCampina, oben in Rn. 52 angeführt, EU:C:2009:556, Rn. 55).

69      Die Schlussfolgerung in Rn. 64 kann auch durch das Argument der Kommission nicht in Frage gestellt werden, wonach lediglich eine aus staatlichen Mitteln gewährte Begünstigung eine individuelle Betroffenheit der Klägerin belegen könnte und eine finanzielle Belastung für den Staat erst dann eingetreten wäre, wenn die Steuerminderung durch einen Steuerbescheid festgestellt worden wäre.

70      Die Gesichtspunkte, auf die die Rechtsprechung die individuelle Betroffenheit im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV stützt (siehe oben, Rn. 54 bis 56), stimmen nämlich nicht unbedingt mit den Tatbestandsmerkmalen einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV überein (vgl. entsprechend Urteil Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission, oben in Rn. 54 angeführt, EU:C:2011:368, Rn. 56, 63 und 64). Nach dem Urteil Plaumann/Kommission, oben in Rn. 54 angeführt (EU:C:1963:17, S. 238), ist ein anderes Rechtssubjekt als der Adressat eines Beschlusses von diesem individuell betroffen, wenn es wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder aufgrund von Umständen betroffen ist, die es aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben, und es dadurch zu einem begrenzten Kreis von Wirtschaftsteilnehmern gehört.

71      Wie bereits ausgeführt, hatte die Klägerin im vorliegenden Fall nach der nationalen Regelung vor dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses und des darauf folgenden angefochtenen Beschlusses ein von den deutschen Steuerbehörden bestätigtes Recht auf Erzielung einer Steuerersparnis für das Steuerjahr 2009 erworben. Außerdem hat die Kommission selbst in Rn. 50 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die bloße von der Bundesregierung bestimmten Unternehmen eingeräumte Möglichkeit, ihre Steuerlast durch einen Verlustvortrag zu verringern, mit einem Verlust an staatlichen Mitteln verbunden sei und eine staatliche Beihilfe darstelle.

72      Nach alledem ist festzustellen, dass die Klägerin unter den Umständen des vorliegenden Falles vom angefochtenen Beschluss unmittelbar und individuell betroffen ist.

73      Die Klägerin ist daher gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV klagebefugt.

 Zum Rechtsschutzinteresse

74      Die Kommission macht geltend, die Klägerin sei keine Beihilfeempfängerin und könne daher durch eine etwaige Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses seitens des Gerichts keinen Vorteil erlangen. Es bestehe keine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, im Anschluss an den Erlass des angefochtenen Beschlusses die Beihilfe von der Klägerin zurückzufordern, und die deutschen Behörden könnten, unabhängig von einer etwaigen Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses, jederzeit beschließen, die streitige Maßnahme zur Gänze aufzuheben.

75      Die Klägerin, unterstützt von der Bundesrepublik Deutschland, tritt diesem Vorbringen entgegen.

76      Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nur zulässig, wenn der Kläger ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse setzt voraus, dass die Nichtigerklärung dieser Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, damit im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Koninklijke FrieslandCampina, oben in Rn. 52 angeführt, EU:C:2009:556, Rn. 63, Stichting Woonpunt u. a./Kommission, oben in Rn. 64 angeführt, EU:C:2014:100, Rn. 50 bis 54, und Stichting Woonlinie u. a./Kommission, oben in Rn. 64 angeführt, EU:C:2014:105, Rn. 54).

77      Für die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage ist, abgesehen von der getrennt zu beurteilenden Frage eines Wegfalls des Rechtsschutzinteresses, der Zeitpunkt der Klageerhebung maßgebend (vgl. Urteil vom 21. März 2002, Shaw und Falla/Kommission, T‑131/99, Slg, EU:T:2002:83, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Im vorliegenden Fall erfüllte die Klägerin die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Sanierungsklausel und hatte, wie sich aus den obigen Rn. 59 bis 61 ergibt, eine aus dieser Klausel resultierende Vergünstigung erworben.

79      Zwar wurde die Anwendung der Sanierungsklausel im Anschluss an den Erlass des angefochtenen Beschlusses ausgesetzt, doch wäre sie gemäß § 34 Abs. 6 KStG, falls der Beschluss für nichtig erklärt werden sollte, rückwirkend auf alle Unternehmen – einschließlich der Klägerin –, deren Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind, erneut anwendbar, so dass die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses für sie von Vorteil wäre, weil sie zumindest in Bezug auf die Besteuerung der Einkünfte des Jahres 2009 berechtigt ist, die Anwendung der Sanierungsklausel zu verlangen.

80      Folglich hat die Klägerin im Hinblick auf den angefochtenen Beschluss ein Rechtsschutzinteresse.

81      Die Klage ist somit zulässig.

 Zur Begründetheit

82      Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Gründe. Mit dem ersten macht sie eine fehlende Selektivität der streitigen Maßnahme geltend, mit dem zweiten, dass keine Finanzierung aus staatlichen Mitteln vorliege, mit dem dritten einen Begründungsmangel und mit dem vierten einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.

83      Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den dritten Klagegrund, mit dem ein Begründungsmangel gerügt wird, und anschließend die übrigen Klagegründe in der vorgebrachten Reihenfolge zu behandeln.

 Dritter Klagegrund: Begründungsmangel

84      Mit ihrem dritten Klagegrund trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Kommission habe ihre Einschätzung, dass die Regel des Verfalls von Verlusten das Referenzsystem darstelle und die Sanierungsklausel die Ausnahme zu diesem System sei, nicht hinreichend begründet. Insbesondere habe die Kommission im 67. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses lediglich auf die bereits in der MoRaKG-Entscheidung angeführten Gründe verwiesen.

85      Außerdem habe die Kommission zu Unrecht festgestellt, dass die Verrechnung von Verlustvorträgen auf insgesamt 1 Mio. Euro beschränkt sei, und sie habe mehrere Umstände verkannt. Dabei handele es sich insbesondere um folgende Umstände: Die alte Abschreibungsklausel gelte bis Ende 2012 parallel zur Regel des Verfalls von Verlusten. Ungenutzte Verluste gingen nur beim Erwerb von einer Person oder einer verbundenen Personengruppe in einem zeitlichen Rahmen von fünf Jahren unter. Die Sanierungsklausel gelte auch für den Zinsvortrag und sehe drei unterschiedliche Arten von Situationen vor. Der Gesetzgeber habe durch die rückwirkende Einführung der Sanierungsklausel lediglich den Fehler korrigieren wollen, der ihm in der fälschlichen Annahme unterlaufen sei, dass der Sanierungserlass einen adäquaten Ausgleich für den Wegfall der Verlustvorträge schaffen könne.

86      Nach ständiger Rechtsprechung hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des in Rede stehenden Rechtsakts und dem Kontext ab, in dem er erlassen wurde. Die Begründung muss die Überlegungen des Organs, das den Akt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass zum einen der Unionsrichter die ihm obliegende Rechtmäßigkeitskontrolle wahrnehmen kann und es zum anderen den Betroffenen möglich ist, die Gründe für die getroffene Maßnahme zu erkennen, damit sie ihre Rechte verteidigen und prüfen können, ob die Entscheidung in der Sache begründet ist. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteile vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg, EU:C:1998:154, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 6. März 2003, Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, T‑228/99 und T‑233/99, Slg, EU:T:2003:57, Rn. 278 und 279 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Insbesondere braucht die Kommission nicht auf alle Argumente einzugehen, die die Betroffenen vor ihr geltend gemacht haben. Es reicht aus, wenn sie die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen anführt, denen in der Systematik des Beschlusses eine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. Urteil Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, EU:T:2003:57, Rn. 280 und die dort angeführte Rechtsprechung).

87      Insbesondere gebietet die Begründungspflicht bei der Einstufung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe, dass die Gründe angegeben werden, aus denen die Kommission diese Maßnahme unter den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV subsumiert (Urteil vom 13. Juni 2000, EPAC/Kommission, T‑204/97 und T‑270/97, Slg, EU:T:2000:148, Rn. 36).

88      Bei der in Art. 296 AEUV vorgesehenen Begründungspflicht handelt es sich um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Frage der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (vgl. Urteil vom 18. Juni 2015, Ipatau/Rat, C‑535/14 P, Slg, EU:C:2015:407, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89      Die Kommission hat im angefochtenen Beschluss zunächst auf den einschlägigen Regelungszusammenhang hingewiesen. Insbesondere wird im fünften Erwägungsgrund der Grundsatz des Verlustvortrags erwähnt, und in den Erwägungsgründen 10 und 14 werden die Regel des Verfalls von Verlusten sowie die Sanierungsklausel inhaltlich wiedergegeben.

90      In den Erwägungsgründen 64 bis 102 des angefochtenen Beschlusses befasst sich die Kommission sodann mit dem selektiven Charakter der streitigen Maßnahme. Insbesondere liefert sie in den Erwägungsgründen 66 und 67 des angefochtenen Beschlusses eine Definition des Referenzsystems.

91      Im 66. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stellt die Kommission fest, dass „das deutsche Körperschaftsteuersystem in der derzeitigen Fassung, insbesondere die Vorschriften des § 8c [Abs. 1] KStG, das Referenzsystem [ist]“. Anschließend kommt die Kommission unter Bezugnahme auf den Wortlaut dieser Vorschrift zu dem Schluss, dass „die Verwirkung von Verlusten der Regelfall, d. h. im Falle eines Anteilseignerwechsels das Referenzsystem ist“.

92      Im 67. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fügt die Kommission hinzu, dass sie bereits in der MoRaKG-Entscheidung § 8c Abs. 1 KStG als Referenzsystem zugrunde gelegt und festgestellt habe, dass eine Ausnahme von dieser Vorschrift – nach der für Unternehmen, die von Risikokapitalunternehmen übernommen worden seien, trotz des Anteilseignerwechsels ein Verlustvortrag zulässig gewesen sei – mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei. Sie ergänzt: „Die Beschlussbegründung gilt auch für die hier in Rede stehende Sache.“

93      Es ist festzustellen, dass die Kommission in den vorgenannten Erwägungsgründen des angefochtenen Beschlusses das Referenzsystem, das ihrer Ansicht nach bei der Beurteilung des Vorliegens eines selektiven Vorteils heranzuziehen ist, im Einklang mit ihrer Begründungspflicht klar definiert hat.

94      Sie hat insbesondere den allgemeinen Grundsatz des Verlustvortrags und den einschlägigen Rechtsrahmen berücksichtigt und ihre Auffassung dargelegt, dass der Verfall von Verlusten hier das rechtliche Referenzsystem darstelle.

95      In diesem Zusammenhang ist die Verweisung auf die MoRaKG-Entscheidung im 67. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses eine zusätzliche Erläuterung, die in Bezug auf die Definition des Referenzsystems nicht unerlässlich war.

96      Außerdem haben die Fehler, die der Kommission bei der Prüfung der einschlägigen Regelung unterlaufen sein sollen (siehe oben, Rn. 85), keinen Einfluss darauf, ob die Begründung ausreicht. Dieses Vorbringen könnte gegebenenfalls unter die Beurteilung der Begründetheit des angefochtenen Beschlusses fallen und wird im Rahmen dieses Klagegrundes geprüft (siehe unten, Rn. 125).

97      Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Erster Klagegrund: prima facie fehlende Selektivität der streitigen Maßnahme

98      Der erste Klagegrund bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen der Kommission zur Selektivität der streitigen Maßnahme.

99      In diesem Zusammenhang ist vorab darauf hinzuweisen, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV Beihilfen, die „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ begünstigen, d. h. selektive Beihilfen, grundsätzlich verbietet.

100    Die Einstufung einer nationalen Steuermaßnahme als „selektiv“ setzt nach ständiger Rechtsprechung in einem ersten Schritt voraus, dass im Vorfeld die im betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine oder „normale“ Steuerregelung ermittelt und geprüft wird. Anhand dieser allgemeinen oder „normalen“ Steuerregelung ist dann in einem zweiten Schritt zu beurteilen und festzustellen, ob der mit der fraglichen Steuermaßnahme gewährte Vorteil selektiv ist, wenn nämlich dargetan wird, dass diese Maßnahme vom allgemeinen System insofern abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a., C‑78/08 bis C‑80/08, Slg, EU:C:2011:550, Rn. 50 und 54, und vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, Slg, EU:C:2011:732, Rn. 75). Nach Abschluss dieser ersten beiden Prüfungsabschnitte kann eine Maßnahme dem ersten Anschein nach als selektiv eingestuft werden.

101    Die Voraussetzung der Selektivität ist jedoch nicht gegeben, wenn eine Maßnahme zwar einen Vorteil für den Begünstigten darstellt, aber durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau des Systems, in das sie sich einfügt, gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke, C‑143/99, Slg, EU:C:2001:598, Rn. 42, und Paint Graphos u. a., oben in Rn. 100 angeführt, EU:C:2011:550, Rn. 64). Nach Abschluss dieses eventuellen dritten Prüfungsabschnitts wird eine Maßnahme als selektiv eingestuft.

102    Die Kommission muss für den Nachweis, dass die fragliche Maßnahme selektiv für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige gilt, dartun, dass sie zwischen Unternehmen differenziert, die sich im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Lage befinden, während der Mitgliedstaat, der eine solche Differenzierung zwischen Unternehmen bezüglich Belastungen eingeführt hat, darzutun hat, dass sie tatsächlich durch die Natur und den Aufbau des fraglichen Systems gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2011, Kommission/Niederlande, C‑279/08 P, Slg, EU:C:2011:551, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

103    Der erste von der Klägerin vorgebrachte Klagegrund ist im Licht dieser sich aus der Rechtsprechung ergebenden dreistufigen Analyse zu prüfen.

–        Erster Teil: Fehler bei der Bestimmung des Referenzsystems

104    Die Kommission hat im angefochtenen Beschluss zur Beurteilung der Selektivität der streitigen Maßnahme erstens die allgemein geltende Regel des Verlustvortrags berücksichtigt, zweitens die Regel des Verfalls von Verlusten, die von der ersten Regel im Fall schädlicher Beteiligungen abweicht, und drittens die Sanierungsklausel, die es ermöglicht, von der zweiten Regel abzuweichen und in bestimmten Fällen die erste Regel anzuwenden.

105    Die Kommission hat anhand dieser Elemente im 66. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass im Rahmen des deutschen Körperschaftsteuersystems die Regel des Verfalls von Verlusten das Referenzsystem darstelle, d. h. die allgemeine Regel, die in allen Fällen eines Anteilseignerwechsels gelte, und dass die Sanierungsklausel eine Ausnahme von dieser Regel sei.

106    Die Klägerin, unterstützt von der Bundesrepublik Deutschland, trägt vor, die Kommission habe bei der Beurteilung der Selektivität der streitigen Maßnahme das Referenzsystem fehlerhaft bestimmt. Die Kommission habe zu Unrecht festgestellt, dass die Regel des Verfalls von Verlusten die allgemeine Regel darstelle und dass die Sanierungsklausel eine Ausnahme von dieser Regel sei.

107    Nach Ansicht der Klägerin stellt die Regel des Verlustvortrags als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit das Referenzsystem dar. Die Regel des Verfalls von Verlusten sei eine Ausnahme von diesem Prinzip und könne nicht als das Referenzsystem angesehen werden, während die Sanierungsklausel durch die Einführung einer Ausnahme von dieser Ausnahme lediglich die allgemeine Regel, d. h. die Regel des Verlustvortrags, wiederherstelle, ebenso wie andere Ausnahmen, z. B. die Konzernklausel und die Stille-Reserven-Klausel.

108    Die Kommission rügt vorab, dass der erste Teil des ersten Klagegrundes unzulässig sei, da er sich auf neue Tatsachen stütze, die im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht worden seien. Sie habe im Eröffnungsbeschluss und in der MoRaKG-Entscheidung die Regel des Verfalls von Verlusten als Referenznorm identifiziert, ohne dass die Klägerin, die Bundesrepublik Deutschland oder andere interessierte Dritte dies im Verwaltungsverfahren beanstandet hätten. Außerdem stelle das nationale Steuerrecht unionsrechtlich gesehen eine Tatsache dar, von der sie beim Erlass des angefochtenen Beschlusses keine umfassende Kenntnis gehabt habe und die sie nicht von Amts wegen ermitteln müsse.

109    In der Sache tritt die Kommission dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

110    Zunächst ist die Unzulässigkeitseinrede der Kommission zurückzuweisen. Schon aus der von ihr angeführten Rechtsprechung ergibt sich nämlich, dass die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung anhand der Informationen, über die sie beim Erlass der Entscheidung verfügte, in Wirklichkeit die Begründetheit und nicht die Zulässigkeit des fraglichen Klagegrundes betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. September 1996, Frankreich/Kommission, C‑241/94, Slg, EU:C:1996:353, Rn. 33, vom 24. September 2002, Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, C‑74/00 P und C‑75/00 P, Slg, EU:C:2002:524, Rn. 168, vom 14. Januar 2004, Fleuren Compost/Kommissin, T‑109/01, Slg, EU:T:2004:4, Rn. 49, vom 6. April 2006, Schmitz-Gotha Fahrzeugwerke/Kommission, T‑17/03, Slg, EU:T:2006:109, Rn. 54, und vom 7. Dezember 2010, Frucona Košice/Kommission, T‑11/07, Slg, EU:T:2010:498, Rn. 49).

111    Hinsichtlich der Begründetheit des Vorbringens der Klägerin ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss die Regel des Verfalls von Verlusten im Wesentlichen als die allgemeine Regel bezeichnet hat, nach der zu prüfen sei, ob zwischen Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Lage befänden, differenziert worden sei. Die Klägerin bezieht sich demgegenüber auf die allgemeinere, für jede Besteuerung geltende Regel des Verlustvortrags.

112    In diesem Zusammenhang ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Regel des Verlustvortrags eine Möglichkeit ist, in deren Genuss alle Unternehmen bei der Anwendung der Körperschaftsteuer kommen, und zum anderen, dass die Regel des Verfalls von Verlusten diese Möglichkeit beim Erwerb einer Beteiligung von 25 % oder mehr einschränkt und beim Erwerb einer Beteiligung von mehr als 50 % ausschließt. Die letztgenannte Regel gilt demnach systematisch für alle Fälle eines Wechsels der Anteilseigner, die 25 % oder mehr der Anteile halten, unbeschadet der Art oder der Merkmale der betreffenden Unternehmen.

113    Außerdem ist die Sanierungsklausel ihrem Wortlaut nach eine Ausnahme von der Regel des Verfalls von Verlusten und gilt nur in genau definierten Situationen, die unter die letztgenannte Regel fallen.

114    Daher ist festzustellen, dass die Regel des Verfalls von Verlusten ebenso wie die Regel des Verlustvortrags zum rechtlichen Rahmen der streitigen Maßnahme gehört. Mit anderen Worten besteht der im vorliegenden Fall relevante rechtliche Rahmen aus der allgemeinen Regel des Verlustvortrags, die durch die Regel des Verfalls von Verlusten eingeschränkt wird, und in eben diesem Rahmen ist zu prüfen, ob die streitige Maßnahme Differenzierungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern schafft, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Lage im Sinne der oben in Rn. 100 angeführten Rechtsprechung befinden. Diese Frage wird im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes behandelt.

115    Somit ist festzustellen, dass die Kommission keinen Fehler begangen hat, als sie unter gleichzeitiger Anerkennung der Existenz einer allgemeineren Regel, nämlich der des Verlustvortrags, zu dem Ergebnis kam, dass der bei der Beurteilung der Selektivität der streitigen Maßnahme angelegte rechtliche Bezugsrahmen in der Regel des Verfalls von Verlusten zu sehen sei.

116    Diese Schlussfolgerung wird durch das konkrete Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

117    Erstens ist, sollte die Klägerin einen Begründungsmangel rügen wollen, weil die Kommission ihren Standpunkt lediglich auf die MoRaKG-Entscheidung gestützt habe, festzustellen, dass diese Rüge im Rahmen des dritten Klagegrundes, mit dem ein Begründungsmangel geltend gemacht wird, zurückgewiesen worden ist (siehe oben, Rn. 84 bis 97). Im Übrigen ist es im vorliegenden Fall unerheblich, ob die deutschen Behörden im Verwaltungsverfahren, das zur MoRaKG-Entscheidung geführt hat, die streitige Maßnahme als selektiv anerkannt hatten, denn dies hat keinen Einfluss auf die in den vorstehenden Randnummern vorgenommene Beurteilung des von der Kommission festgelegten rechtlichen Referenzsystems.

118    Zweitens ist auch die Tatsache, dass der Grundsatz des Verlustvortrags zu den tragenden Grundsätzen des deutschen Steuerrechts gehört, unerheblich. Selbst wenn man unterstellt, dass die Regel des Verlustvortrags zu diesen tragenden Grundsätzen gehört und der Verfall von Verlusten eine Ausnahme von dieser Regel ist, gehört diese Regel gleichwohl zum rechtlichen Referenzsystem, in das sich die streitige Maßnahme einfügt und anhand dessen zu beurteilen ist, ob sie selektiven Charakter hat.

119    Drittens ist das Argument, wonach zum einen der Gesetzgeber das Recht auf den Verlustvortrag als Ausprägung tragender Grundsätze nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe einschränken könnte und zum anderen ein Anteilseignerwechsel für die Besteuerung der Gesellschaft unbeachtlich wäre, weil die Sphäre der Anteilseigner und die Sphäre der Körperschaft klar getrennt seien, für die Festlegung des Referenzsystems zur Beurteilung des selektiven Charakters der streitigen Maßnahme unerheblich. Maßgeblich ist, dass es vom Grundsatz des Verlustvortrags eine Ausnahmevorschrift gibt, die ebenso wie dieser Grundsatz Teil des Referenzsystems ist, in das sich die streitige Maßnahme einfügt.

120    Viertens ist auch das Argument nicht stichhaltig, dass die Regel des Verfalls von Verlusten zu keinem Systemwechsel geführt habe und ebenso wie die Vorgängerregel den missbräuchlichen Rückgriff auf den Verlustvortrag unterbinden solle. Das Ziel der Missbrauchsbekämpfung gehört nämlich zu der Frage, ob die streitige Maßnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern unterscheidet, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Dies ist Gegenstand des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes. Im Übrigen spielt es für die Beurteilung der neuen Sanierungsklausel keine Rolle, ob die Kommission die Rechtmäßigkeit der alten Sanierungsklausel bestritten hat oder nicht.

121    Fünftens ist festzustellen, dass das bloße Bestehen weiterer Ausnahmen von der Regel des Verfalls von Verlusten für sich genommen nicht für den Nachweis ausreicht, dass diese Regel nicht zu dem für die Beurteilung der Selektivität der streitigen Maßnahme maßgeblichen Referenzsystem gehört.

122    Sechstens gilt das Gleiche für das Argument, die nationalen Gerichte hätten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regel des Verfalls von Verlusten. Es steht der Schlussfolgerung nicht entgegen, dass diese Regel, solange sie nicht aufgehoben wurde, zum Referenzsystem gehört.

123    Siebtens wird auch der oben in Rn. 115 gezogene Schluss nicht durch das Vorbringen der Klägerin in ihrer Erwiderung in Frage gestellt, mit dem sie darzutun versucht, dass die Regel des Verfalls von Verlusten Ausnahmecharakter habe, d. h., dass diese Regel durch eine Vielzahl ihren Anwendungsbereich beschränkender Tatbestandsmerkmale und durch nuancierte, interpretationsbedürftige Rechtsfolgen gekennzeichnet sei und überdies der Regelungszusammenhang und die Gesetzgebungstechnik den Ausnahmecharakter bestätigten.

124    Dieses Vorbringen geht ins Leere, weil die Qualifizierung der genannten Ausnahme als höherrangige Rechtsregel nicht ausschließt, dass sie Teil des Referenzsystems ist, in das sich die streitige Maßnahme einfügt.

125    Schließlich hat die im fünften Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthaltene falsche Angabe, der Verlustvortrag sei auf insgesamt 1 Mio. Euro beschränkt, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Selektivität der streitigen Maßnahme. Gleiches gilt für den Fehler, den die Kommission mit ihrer Feststellung begangen hat, die Vorgängerklausel des Verfalls von Verlusten sei mit Wirkung ab 1. Januar 2008 aufgehoben worden, obwohl sie mindestens bis 2012 angewandt wurde.

126    Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Kommission bei der Bestimmung des Referenzsystems keinen Fehler begangen hat.

127    Der erste Teil des ersten Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

–        Zweiter Teil: Fehler bei der Beurteilung der rechtlichen und tatsächlichen Situation sanierungsbedürftiger Unternehmen und der Einstufung der Sanierungsklausel als allgemeine Maßnahme

128    Die Kommission hat im angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die Regel des Verfalls von Verlusten einen weiteren Anwendungsbereich habe als die Vorgängerregel (zehnter Erwägungsgrund), dass die Regel anfangs keine Ausnahme vorgesehen habe (elfter Erwägungsgrund) und dass sie, wie sich aus der Begründung des Unternehmensteuerreformgesetzes von 2008 (siehe oben, Rn. 6) ergebe, ein zweifaches Ziel verfolgt habe: zum einen die Vereinfachung der Regelung und zum anderen ein gezieltes Vorgehen gegen Missbrauch (zwölfter Erwägungsgrund). Außerdem hat die Kommission hervorgehoben, dass das Fehlen einer ausdrücklichen Ausnahmeregelung, die im Fall einer Sanierung einen Verlustvortrag zulasse, dadurch ausgeglichen werde, dass die Steuerbehörden auf der Grundlage des Sanierungserlasses im Billigkeitswege auf Steuerforderungen verzichten könnten (zwölfter Erwägungsgrund; siehe oben, Rn. 7).

129    Ausgehend von diesen Gesichtspunkten hat die Kommission in den Erwägungsgründen 68 bis 79 des angefochtenen Beschlusses zunächst festgestellt, dass der Zweck des Körperschaftsteuersystems darin bestehe, Einnahmen für den Haushalt zu generieren, und dass die Regel des Verfalls von Verlusten verhindern solle, dass Unternehmen, deren Anteilseigner wechselten, ihre Verluste vortrügen. Sodann führte sie aus, angesichts dieser Zweckbestimmung befänden sich sämtliche Unternehmen, bei denen 25 % oder mehr der Anteile den Eigentümer gewechselt hätten, in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Lage. Schließlich stellte sie fest, dass die Sanierungsklausel innerhalb dieser Kategorie eine Unterscheidung zwischen Verluste erzielenden, aber ansonsten gesunden Unternehmen auf der einen und Unternehmen, die gemäß den in der Sanierungsklausel festgelegten Bedingungen insolvent oder überschuldet bzw. von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bedroht seien, auf der anderen Seite vorsehe.

130    Erstens macht die Klägerin geltend, dass die Sanierungsklausel keine Unterscheidung zwischen Wirtschaftsteilnehmern, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden, schaffe, sondern eine allgemeine steuerpolitische Maßnahme darstelle, die der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten unterfalle, und unter gleichen Bedingungen auf alle Gesellschaften anwendbar sei, die von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bedroht seien. Die Sanierungsklausel stehe auch nicht im Ermessen der Verwaltungsbehörden.

131    Sanierungsbedürftige Unternehmen und gesunde Unternehmen befänden sich nicht in der gleichen tatsächlichen und rechtlichen Situation. Gemäß der Regel des Verfalls von Verlusten werde der Verlustvortrag ausgeschlossen, wenn ein neuer Anteilseigner maßgebend auf die Geschicke der Gesellschaft einwirken könne und es damit prinzipiell in der Hand habe, die Verwertung der Verluste zu steuern, während die Sanierungsklausel aufgrund ihrer engen Voraussetzungen auf eine Situation Anwendung finde, in der der neue Anteilseigner die Verwertung der Verluste gerade nicht steuern könne.

132    Zweitens macht die Klägerin einen Begründungsmangel geltend, weil die Kommission nicht untersucht habe, ob die Sanierungsklausel eine allgemeine Maßnahme darstelle.

133    Da das Referenzsystem auf der Regel des Verfalls von Verlusten beruht, ist erstens zu prüfen, ob die durch die Sanierungsklausel begünstigten Unternehmen sich in Anbetracht des mit der fraglichen Steuerregelung verfolgten Ziels in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden wie andere Unternehmen, die der Regel des Verfalls von Verlusten unterliegen. Dieser Nachweis obliegt gemäß der oben in Rn. 102 angeführten Rechtsprechung der Kommission.

134    Da der Kommission zufolge das Ziel der hier in Rede stehenden Steuerregelung im Wesentlichen darin besteht, zu verhindern, dass Unternehmen, deren Anteilseigner gewechselt haben, ihre Verluste vortragen, befinden sich alle Unternehmen, deren Anteilseigner wechseln, unabhängig davon, ob sie in den Genuss der Sanierungsklausel kommen oder nicht, in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation. Demnach wäre die streitige Maßnahme dem ersten Anschein nach selektiv, denn sie begünstigt lediglich diejenigen Unternehmen, die die Bedingungen der genannten Klausel erfüllen.

135    Dagegen besteht der Klägerin zufolge das Ziel der fraglichen Regelung darin, Missbräuche bei Verlustvorträgen zu verhindern, so dass sich lediglich diejenigen Unternehmen, die die Bedingungen der Sanierungsklausel erfüllen, in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, weil sie nicht in der Lage sind, Verlustvorträge zu missbrauchen.

136    Der im vorliegenden Fall einschlägige rechtliche Rahmen beruht, wie oben in Rn. 114 dargelegt worden ist, auf der allgemeinen Regel des Verlustvortrags, eingeschränkt durch die Regel des Verfalls von Verlusten. Wie sich aus dem 71. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, ist der maßgebliche Zweck des steuerlichen Referenzsystems darin zu sehen, zu verhindern, dass Unternehmen, deren Anteilseigner wechseln, ihre Verluste vortragen. Mit anderen Worten ist die Möglichkeit des Verlustvortrags beschränkt oder ausgeschlossen, wenn ein Unternehmen, das Verluste erwirtschaftet hat und bei dem 25 % oder mehr der Anteile den Eigentümer wechseln, seine Anteilseignerstruktur erheblich ändert.

137    Demnach befinden sich alle Unternehmen, deren Anteilseignerstruktur sich in dieser Weise ändert, in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation, unabhängig davon, ob sie sich in einer schwierigen Lage im Sinne der Sanierungsklausel befinden oder nicht.

138    Dagegen betrifft die streitige Maßnahme nicht alle Unternehmen, deren Anteilseignerstruktur erheblich geändert wurde, sondern eine ganz bestimmte Gruppe von Unternehmen, und zwar solche, die – wie es in der Sanierungsklausel heißt – zum Zeitpunkt des Erwerbs „zahlungsunfähig oder überschuldet oder von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bedroht“ sind (im Folgenden: Unternehmen in Schwierigkeiten).

139    Diese Gruppe umfasst also nicht alle Unternehmen, die sich im Hinblick auf das Ziel der fraglichen Steuerregelung in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.

140    Selbst wenn das maßgebliche Ziel des Steuersystems, wie die Klägerin geltend macht, darin bestünde, Missbräuche von Verlustvorträgen zu verhindern, indem der Kauf von „Mantelunternehmen“ ausgeschlossen wird, ändert dies nichts daran, dass die streitige Maßnahme nur für Unternehmen gilt, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, insbesondere für Unternehmen in Schwierigkeiten.

141    Auch wenn man unterstellt, dass in den von der streitigen Maßnahme erfassten Fällen im Einklang mit dem angesprochenen Ziel keine Missbrauchsgefahr besteht, ist festzustellen, dass diese Maßnahme bei einer erheblichen Änderung der Anteilseignerstruktur der betreffenden Gesellschaft keinen Verlustvortrag ermöglicht, sofern diese Änderung nicht Unternehmen in Schwierigkeiten betrifft, selbst wenn sie nicht auf den Kauf von „Mantelunternehmen“ abzielt und daher keine Missbrauchsgefahr schafft. Der Verlustvortrag ist selbst dann untersagt, wenn die übrigen Voraussetzungen der Sanierungsklausel, insbesondere in Bezug auf die Erhaltung der wesentlichen Betriebsstrukturen der Gesellschaft, d. h. die in den Buchstaben c bis e der Sanierungsklausel genannten Voraussetzungen, erfüllt sind. Die in den Buchstaben a und b der Sanierungsklausel genannten Voraussetzungen sind mit anderen Worten nicht mit dem Ziel verknüpft, Missbräuche zu verhindern. Sie begünstigen daher Unternehmen in Schwierigkeiten.

142    Daraus ist zu schließen, dass die Kommission keinen Fehler begangen hat, als sie zu dem Ergebnis kam, dass die streitige Maßnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern differenziert, die sich im Hinblick auf den mit dem Steuersystem verfolgten Zweck in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation im Sinne der oben in Rn. 100 angeführten Rechtsprechung befinden.

143    Zweitens kann auch das Argument der Klägerin und der Streithelferin, die streitige Maßnahme sei allgemeiner Art, da sie jedes Unternehmen begünstige, das in Schwierigkeiten sei, keinen Erfolg haben.

144    Zum einen beruht nämlich die Frage, ob die Maßnahme allgemeinen Charakter hat oder nicht, im Rahmen der Prüfung der Selektivität einer steuerlichen Maßnahme darauf, ob die fragliche Maßnahme gegenüber der allgemeinen bzw. normalen Steuerregelung Differenzierungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit der genannten Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Die Kommission vertritt jedoch, wie vorstehend ausgeführt worden ist, in dem angefochtenen Beschluss zu Recht die Auffassung, dass die streitige Maßnahme eine Differenzierung zwischen Unternehmen vorsieht, nämlich zwischen Unternehmen, die die in der fraglichen Maßnahme aufgestellten Bedingungen erfüllen, und sonstigen Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Selbst wenn dieses Ziel, wie die Klägerin geltend macht, darin bestünde, Missbräuche bei Verlustvorträgen zu verhindern, betrifft die streitige Maßnahme, für sich genommen oder zusammen mit den beiden anderen genannten Ausnahmen, nicht alle Unternehmen, die Gegenstand einer schädlichen Beteiligung sind, bei der keine derartige Missbrauchsgefahr besteht.

145    Zum anderen ist festzustellen, dass die streitige Maßnahme entgegen dem Vorbringen der Klägerin insofern keine allgemeine Maßnahme darstellt, als sie im Sinne des Urteils vom 7. November 2014, Autogrill España/Kommission (T‑219/10, Slg, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2014:939, Rn. 44 und 45), potenziell von allen Unternehmen in Anspruch genommen werden kann. Die streitige Maßnahme legt nämlich ihren persönlichen Anwendungsbereich fest. Sie betrifft lediglich eine in einer bestimmten Situation befindliche Gruppe von Unternehmen, und zwar Unternehmen in Schwierigkeiten. Deshalb ist sie dem ersten Anschein nach selektiv.

146    Im Übrigen sind die von der Klägerin geltend gemachten Unterschiede zwischen sanierungsbedürftigen Unternehmen und gesunden Unternehmen in Bezug auf den Zugang zu Kapital und die Verfügbarkeit stiller Reserven in Anbetracht des Zwecks des Steuersystems unerheblich, selbst unter Berücksichtigung des Ziels, Missbräuche bei Verlustvorträgen zu verhindern. Derartige Unterschiede wären lediglich im Hinblick auf das Ziel von Bedeutung, die Sanierung von Unternehmen zu fördern, die von der streitigen Maßnahme profitieren. Dieses Ziel ist im vorliegenden Fall jedoch nicht relevant und wird von der Klägerin auch nicht angeführt.

147    Was schließlich das Argument angeht, die Sanierungsklausel sei ein automatischer Anwendungsmechanismus, und das Argument, wonach mit den Vorschriften des Körperschaftsteuerrechts nicht nur fiskalische, sondern auch ordnungspolitische Ziele verfolgt würden, genügt der Hinweis, dass ein derartiges Vorbringen ins Leere geht, da es, selbst wenn es begründet wäre, keinen Einfluss auf den selektiven Charakter der streitigen Maßnahme hätte.

148    Der zweite Teil des ersten Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

–        Dritter Teil: Rechtfertigung der streitigen Maßnahme aufgrund der Natur und des Aufbaus des deutschen Steuersystems

149    Erstens trägt die Klägerin vor, die Sanierungsklausel verwirkliche im Verbund mit der Konzernklausel und der Stille-Reserven-Klausel tragende Grundsätze des deutschen Körperschaftsteuerrechts, insbesondere das Prinzip der interperiodischen Verlustverrechnung, das aus Leitprinzipien wie dem objektiven Nettoprinzip sowie dem Prinzip der Besteuerung anhand der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abgeleitet werden könne, sowie das Trennungsprinzip, wonach im Rahmen des im deutschen Körperschaftsteuerrecht geltenden Referenzsystems die Besteuerung einer Körperschaft unabhängig von ihren Anteilseignern erfolge.

150    Zweitens weist die Klägerin darauf hin, dass die Beschränkung der Anwendung der Sanierungsklausel auf sanierungsbedürftige Unternehmen auch mit Blick auf Fiskalinteressen gerechtfertigt sei, d. h. im Hinblick auf den inhärenten Zweck des Steuerrechts, Einnahmen zur Finanzierung der Staatsausgaben zu erzielen. Indem er Sanierungen steuerlich nicht behindere, ermögliche es der deutsche Gesetzgeber sanierungsbedürftigen Unternehmen, wieder wirtschaftlich zu gesunden, was zu einer Steigerung des künftigen Steueraufkommens führe.

151    Drittens beruhe die Beschränkung auf sanierungsbedürftige Unternehmen auch auf objektiven Unterschieden zwischen gesunden Unternehmen, die vorübergehend Verluste machten und sich am Markt Kapital beschaffen könnten, ohne hierzu auf einen Anteilseignerwechsel angewiesen zu sein, einerseits und sanierungsbedürftigen Unternehmen, bei denen diese Möglichkeit oft nicht mehr bestehe, andererseits. Die Bundesrepublik Deutschland fügt hinzu, ein neuer Anteilseigner habe es im Fall eines Beteiligungserwerbs zu Sanierungszwecken nicht voll in der Hand, die Verwertung der Verluste zu steuern, und sanierungsbedürftige Unternehmen, die über keine stillen Reserven verfügten, könnten von der Stille-Reserven-Klausel nicht profitieren.

152    Es ist darauf hinzuweisen, dass nach der oben in Rn. 101 angeführten Rechtsprechung die Voraussetzung der Selektivität nicht gegeben ist, wenn eine Maßnahme zwar zwischen Wirtschaftsteilnehmern differenziert, die sich im Hinblick auf das mit dem fraglichen Steuersystem verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, jedoch durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau des Systems, zu dem sie gehört, gerechtfertigt ist.

153    Insoweit ist zwischen den mit einer bestimmten Steuerregelung verfolgten Zielen, die außerhalb dieser Regelung liegen, und den dem Steuersystem selbst inhärenten Mechanismen, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sind, zu unterscheiden; diese Ziele und Mechanismen können als Grund- oder Leitprinzipien des fraglichen Steuersystems eine solche Rechtfertigung stützen, wofür der Nachweis dem Mitgliedstaat obliegt (vgl. Urteile Paint Graphos u. a., oben in Rn. 100 angeführt, EU:C:2011:550, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. März 2012, British Aggregates/Kommission, T‑210/02 RENV, Slg, EU:T:2012:110, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich können Steuerbefreiungen, denen ein Ziel zugrunde liegt, das dem Besteuerungssystem, in das sie sich einfügen, fremd ist, den Anforderungen des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht entgehen (Urteil Paint Graphos u. a., oben in Rn. 100 angeführt, EU:C:2011:550, Rn. 70).

154    Außerdem kann eine nationale Maßnahme nur dann durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau des fraglichen Steuersystems gerechtfertigt sein, wenn sie zum einen nicht nur mit den Merkmalen, die dem betreffenden Steuersystem innewohnen, sondern auch mit der Durchführung dieses Systems kohärent ist, und zum anderen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht und insofern nicht über die Grenzen des Erforderlichen hinausgeht, als das verfolgte zulässige Ziel nicht auch durch weniger weitreichende Maßnahmen erreicht werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil Paint Graphos u. a., oben in Rn. 100 angeführt, EU:C:2011:550, Rn. 73 bis 75).

155    Die Kommission hat im angefochtenen Beschluss zwischen dem Ziel der Regel des Verfalls von Verlusten und dem Ziel der Sanierungsklausel unterschieden.

156    Zum Ziel der Regel des Verfalls von Verlusten hat die Kommission – während die deutschen Behörden im Verwaltungsverfahren angegeben hatten, sie diene dazu, „missbräuchliche Gestaltungen zur Nutzung der … Verlustvorträge im Wege von Mantelkäufen auszuschließen“ (85. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses) – ausgeführt, wie sich aus den Änderungen der Vorgängerregel des Verfalls von Verlusten durch die neue Regel ergebe, habe ihr Ziel darin bestanden, „die Verringerung des Körperschaftsteuersatzes von 25 % auf 15 % zu finanzieren“ (86. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

157    Das Ziel der Sanierungsklausel bestand dagegen nach Ansicht der Kommission darin, die Probleme infolge der Finanz‑ und Wirtschaftskrise zu bewältigen und Unternehmen in Schwierigkeiten in dieser Krise zu unterstützen (Erwägungsgründe 87 und 88 des angefochtenen Beschlusses). Sie kam zu dem Schluss, dass das mit dieser Klausel verfolgte Ziel außerhalb des Steuersystems liege (89. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

158    Es ist festzustellen, dass die streitige Maßnahme, wie aus ihrem Wortlaut klar hervorgeht, zum Ziel hat, die Sanierung von Unternehmen in Schwierigkeiten zu fördern. Wäre das nicht der Fall, so wäre nicht ersichtlich, weshalb die Anwendung von § 8c Abs. 1a Buchst. a KStG und von § 8c Abs. 1a Buchst. b KStG (siehe oben, Rn. 10) voraussetzt, dass der Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung der Gesellschaft erfolgt und dass das Unternehmen zum Zeitpunkt des Erwerbs zahlungsunfähig oder überschuldet oder von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bedroht ist. Im Übrigen räumt die Klägerin selbst ein, dass der Gesetzgeber mit der streitigen Maßnahme auch das Ziel verfolgt, krisengeschüttelte und zahlungsunfähige Unternehmen gesunden zu lassen.

159    Es liegt daher auf der Hand, dass das Ziel oder zumindest das Hauptziel der streitigen Maßnahme darin besteht, die Sanierung von Unternehmen in Schwierigkeiten zu fördern.

160    In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass das vorgenannte Ziel nicht zu den Grund- oder Leitprinzipien des Steuersystems gehört und deshalb nicht innerhalb, sondern außerhalb dieses Systems liegt (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, Slg, EU:C:2006:511, Rn. 82, und vom 18. Juli 2013, P, C‑6/12, Slg, EU:C:2013:525, Rn. 30). Daher erübrigt sich eine Prüfung, ob die streitige Maßnahme in angemessenem Verhältnis zum verfolgten Ziel steht.

161    Die streitige Maßnahme ist jedenfalls auch im Licht des Vorbringens der Klägerin und der Streithelferin nicht gerechtfertigt.

162    Zunächst lässt sich die Maßnahme nicht mit dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit rechtfertigen.

163    Abgesehen davon, dass sich diese Rechtfertigung nicht aus der Begründung des fraglichen Gesetzes ergibt, steht sie offenbar im Zusammenhang mit dem der Regel des Verfalls von Verlusten eigenen Ziel, Missbräuche beim Verlustvortrag zu bekämpfen. Diese Argumentation lautet im Wesentlichen: Angesichts dessen, dass die Regel des Verfalls von Verlusten Missbräuche verhindern soll und dass es im Sanierungsfall keine Missbräuche gibt, ist die Anwendung der Sanierungsklausel aufgrund derselben Logik gerechtfertigt, die der Anwendung der Regel des Verfalls von Verlusten zugrunde liegt, und beschränkt sich darauf, die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes des Verlustvortrags als Ausdruck des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wiederherzustellen.

164    Selbst wenn diese Auslegung zuträfe, ist jedoch festzustellen, dass die streitige Maßnahme mit dem verfolgten Ziel nicht im Einklang steht. Wie nämlich im Rahmen des ersten Klagegrundes dargelegt worden ist, gilt die streitige Maßnahme nur für Unternehmen in Schwierigkeiten. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, weshalb das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verlangen sollte, dass ein Unternehmen in Schwierigkeiten in den Genuss des Verlustvortrags kommt, nicht aber ein gesundes Unternehmen, das Verluste erwirtschaftet hat und die übrigen in der Sanierungsklausel vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt.

165    Die streitige Maßnahme ist auch nicht durch die Unterschiede zwischen schädlichen Beteiligungserwerben und Beteiligungserwerben zu Sanierungszwecken auf der einen und objektiven Unterschieden zwischen den Steuerpflichtigen auf der anderen Seite gerechtfertigt. Die Klägerin, unterstützt von der Bundesrepublik Deutschland, macht geltend, ein neuer Anteilseigner habe es im Fall eines Beteiligungserwerbs zu Sanierungszwecken nicht voll in der Hand, die Verwertung der Verluste zu steuern. Außerdem hätten sanierungsbedürftige Unternehmen im Gegensatz zu gesunden Unternehmen nicht die Möglichkeit, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren oder nach einem Erwerber zu suchen. Sie könnten auch nicht gemäß der Stille-Reserven-Klausel ihre Verluste behalten.

166    Dazu ist zum einen festzustellen, dass das Argument, wonach die Verwertung der Verluste nicht gesteuert werden könne, nicht stichhaltig ist. Andere Unternehmen, die nicht die Voraussetzungen der Sanierungsklausel erfüllen, können nämlich auch auf wirtschaftliche Schwierigkeiten stoßen und nicht in der Lage sein, die Verwertung der Verluste zu steuern, ohne dass die Sanierungsklausel auf sie Anwendung fände. Zum anderen ist der Unterschied zwischen der Situation sanierungsbedürftiger Unternehmen und gesunder Unternehmen in Bezug auf den Zugang zu Kapital und die Verfügbarkeit stiller Reserven im vorliegenden Fall unerheblich. Das etwaige Ziel, Unternehmen in Schwierigkeiten den Kapitalzugang zu erleichtern, ist, wie die Kommission im 91. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausgeführt hat, dem Steuersystem nicht inhärent.

167    Das Gleiche gilt für das Vorbringen der Klägerin, wonach es im fiskalischen Interesse der deutschen Steuerverwaltung liege, dass sanierungsfähige Unternehmen wieder wirtschaftlich gesundeten, um die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit zu begrenzen und die Chancen der Steuerverwaltung zu verbessern, Steuereinnahmen zu erzielen bzw. zu erhöhen.

168    Damit greift die Klägerin das von der Bundesrepublik Deutschland im Verwaltungsverfahren vorgetragene und von der Kommission in den Erwägungsgründen 57 bis 63 des angefochtenen Beschlusses zurückgewiesene Argument auf, die Sanierungsklausel sei mit dem Grundsatz des „marktwirtschaftlich handelnden privaten Gläubigers“ vereinbar, da es dem Verhalten eines marktwirtschaftlich handelnden Gläubigers entspreche, zu dem der Schuldner in einem Dauerschuldverhältnis stehe.

169    Der fragliche Vorteil wird jedoch automatisch gewährt und ohne jede Prüfung – wie ein privater Gläubiger es täte – zwecks konkreter Beurteilung zum einen der Gefahr, dass der Begünstigte zur Fortsetzung seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten nicht mehr in der Lage ist und deshalb sämtliche Zahlungen an seine Gläubiger einstellen muss, und zum anderen der Frage, inwieweit der Begünstigte in der Lage sein wird, nach Herabsetzung seiner Steuerschuld wieder rentabel zu wirtschaften, um seinen künftigen Verpflichtungen nachkommen zu können. Die Kommission hat im 60. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht hervorgehoben, dass ein Verzicht auf eine Steuerschuld ohne jegliche Beurteilung der künftigen Perspektiven des Schuldners und dessen strategischer Bedeutung nicht dem Verhalten eines marktwirtschaftlich handelnden Gläubigers entspräche.

170    Somit hat weder die Klägerin noch die Bundesrepublik Deutschland Angaben gemacht, die geeignet sind, die streitige Maßnahme im Einklang mit der oben in den Rn. 152 bis 154 angeführten Rechtsprechung zu rechtfertigen.

171    Folglich ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes und damit dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zweiter Klagegrund: keine Finanzierung aus staatlichen Mitteln

172    Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Klägerin geltend, mit der Sanierungsklausel werde einem Unternehmen kein Vermögensvorteil gewährt, sondern lediglich eine bereits bestehende Vermögensposition nicht entzogen. Da der Erhalt der Verlustvorträge dem verfassungsrechtlich gebotenen Prinzip des unbeschränkten Verlustvortrags entspreche, stellten die Verlustvorträge grundsätzlich Vermögenswerte dar, die den steuerpflichtigen Unternehmen zustünden.

173    Demzufolge hätten der Bundesrepublik Deutschland zu keinem Zeitpunkt Steuereinnahmen aus positiven Einkünften zugestanden, denen entsprechende Verluste aus demselben oder früheren Veranlagungszeiträumen gegenübergestanden hätten.

174    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 50. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die von der Bundesregierung einigen Unternehmen gewährte Möglichkeit, ihre Steuerlast durch einen Verlustvortrag zu verringern, Steuermindereinnahmen zur Folge habe und eine staatliche Beihilfe darstelle.

175    Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der Beihilfe weiter als der Begriff der Subvention, denn er umfasst nicht nur positive Leistungen wie etwa die Subventionen selbst, sondern auch staatliche Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen regelmäßig zu tragen hat, und die somit, obwohl sie keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen nach Art und Wirkungen gleichstehen (Urteil Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke, oben in Rn. 101 angeführt, EU:C:2001:598, Rn. 38, vgl. auch Urteil Paint Graphos u. a., oben in Rn. 100 angeführt, EU:C:2011:550, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

176    Daraus folgt, dass eine Maßnahme, mit der staatliche Stellen bestimmten Unternehmen eine steuerliche Vergünstigung gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die Begünstigten finanziell besser stellt als die übrigen Abgabepflichtigen, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV ist. Dagegen stellen die Vorteile aus einer unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer anwendbaren allgemeinen Maßnahme keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Art. 107 AEUV dar (vgl. Urteil Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, oben in Rn. 100 angeführt, EU:C:2011:732, Rn. 72 und 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

177    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der Vorteil, der den unter die Sanierungsklausel fallenden Unternehmen gewährt wird, im Verzicht des Mitgliedstaats auf Steuereinnahmen besteht, die er normalerweise erzielt hätte, da durch diesen Verzicht den Begünstigten die Möglichkeit gegeben wird, schädliche Beteiligungen zu steuerlich günstigeren Bedingungen zu erwerben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, C‑156/98, Slg, EU:C:2000:467, Rn. 26).

178    Ferner ist auch das Argument der Klägerin zurückzuweisen, mit dem sie im Wesentlichen geltend macht, da die Beibehaltung der Verlustvorträge dem verfassungsrechtlichen Prinzip des unbeschränkten Verlustvortrags entspreche, seien die aufgrund der Anwendung der Regel des Verlustvortrags nicht erzielten Einnahmen als Aktiva anzusehen, die dem Staat nie gehört hätten.

179    In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen unterscheidet, sondern diese anhand ihrer Wirkungen definiert (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, oben in Rn. 100 angeführt, EU:C:2011:732, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

180    Die Kommission hat nämlich, wie bereits bei der Beurteilung der Selektivität der streitigen Maßnahme ausgeführt, zu Recht festgestellt, dass die Regel des Verfalls von Verlusten Teil des Referenzsystems ist. Sie ist fester Bestandteil der Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland, und deshalb gilt für sie eine Vermutung der Rechtmäßigkeit. Nach dieser Regel sind Steuereinnahmen, die durch die Nichtanwendung der Regel des Verlustvortrags erzielt werden, grundsätzlich für den Staatshaushalt bestimmte Mittel.

181    Im Übrigen sah die Regel des Verfalls von Verlusten zum Zeitpunkt ihrer Einführung keine Ausnahme vor. Die Sanierungsklausel und die übrigen Ausnahmen von der Regel des Verfalls von Verlusten wurden erst später eingeführt, auch wenn die Sanierungsklausel rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regel des Verfalls von Verlusten gilt. Dies zeigt, dass die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Einführung der Regel des Verfalls von Verlusten für den deutschen Gesetzgeber nicht das Vorhandensein irgendeiner Ausnahme voraussetzte.

182    Selbst wenn die Rechtmäßigkeit der Regel des Verfalls von Verlusten in Frage gestellt würde, würde jedenfalls die Tatsache, dass diese Regel während eines bestimmten Zeitraums angewandt wurde, als Nachweis dafür ausreichen, dass während dieses Zeitraums in Anwendung der Sanierungsklausel staatliche Mittel eingesetzt wurden. Der Begriff der staatlichen Beihilfe ist nämlich ein objektiver Begriff, der anhand der durch die fragliche Beihilfemaßnahme verursachten wettbewerbswidrigen Wirkungen und nicht anhand anderer Gesichtspunkte zu beurteilen ist, wie z. B. der Rechtmäßigkeit der Maßnahme, durch die die Beihilfe gewährt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission, C‑487/06 P, Slg, EU:C:2008:757, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 7. Oktober 2010, DHL Aviation und DHL Hub Leipzig/Kommission, T‑452/08, EU:T:2010:427, Rn. 40).

183    Folglich hat die Kommission keinen Rechtsfehler begangen, als sie im angefochtenen Beschluss feststellte, dass die streitige Maßnahme aus staatlichen Mitteln gewährt werde, da sie Steuermindereinnahmen zur Folge haben könne.

184    Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Vierter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

185    Mit ihrem vierten Klagegrund beruft sich die Klägerin im Wesentlichen auf das Vorliegen eines durch die verbindliche Auskunft der nationalen Steuerverwaltung begründeten Vertrauens und auf die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit, die Sanierungsklausel unter den gegebenen Umständen als staatliche Beihilfe anzusehen und zu prüfen, ob das Verfahren nach Art. 108 AEUV eingehalten worden sei oder hätte eingehalten werden müssen, zumal es in anderen Mitgliedstaaten ähnliche Vorschriften gebe, die nicht mitgeteilt oder nach Art. 107 Abs. 1 AEUV beanstandet worden seien.

186    In Art. 14 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 [EG] (ABl. L 83, S. 1) ist geregelt, dass die Kommission nicht die Rückforderung der Beihilfe verlangt, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstoßen würde.

187    Nach ständiger Rechtsprechung kann sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes jeder berufen, bei dem ein Unionsorgan durch klare Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat. Klare, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung solche Zusicherungen dar (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2010, Kahla Thüringen Porzellan/Kommission, C‑537/08 P, Slg, EU:C:2010:769, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

188    Außerdem dürfen beihilfebegünstigte Unternehmen nach ständiger Rechtsprechung auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen, wenn sie unter Einhaltung des im AEU-Vertrag vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde. Einem sorgfältigen Gewerbetreibenden ist es nämlich regelmäßig möglich, sich zu vergewissern, dass dieses Verfahren eingehalten wurde (vgl. Urteil vom 20. März 1997, Alcan Deutschland, C‑24/95, Slg, EU:C:1997:163, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

189    Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass die Zweifel oder Auslegungsschwierigkeiten in Bezug auf das Wesen der streitigen Maßnahme als staatliche Beihilfe für sich allein kein berechtigtes Vertrauen auf Seiten der Klägerin begründen können, da die Maßnahme der Kommission nicht gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV mitgeteilt wurde.

190    Soweit die Klägerin ihr Vertrauen auf die verbindliche Auskunft stützt, ist sodann darauf hinzuweisen, dass zwar die Möglichkeit für den Empfänger einer rechtswidrigen Beihilfe, sich auf außergewöhnliche Umstände zu berufen, aufgrund deren sein Vertrauen in die Ordnungsgemäßheit der Beihilfe geschützt ist, und sich daher ihrer Rückzahlung zu widersetzen, nicht auszuschließen ist. Es obliegt jedoch dem Begünstigten, diese Umstände vor den nationalen Behörden oder einem nationalen Gericht geltend zu machen, indem er den nationalen Rückforderungsbescheid anficht, mit dem diese Behörden den Beschluss der Kommission durchführen. In diesem Rahmen ist es Sache des nationalen Gerichts, so es befasst wird, alle Umstände zu würdigen, nachdem es dem Gerichtshof gegebenenfalls Auslegungsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. März 2002, Italien/Kommission, C‑310/99, Slg, EU:C:2002:143, Rn. 103, vom 27. Januar 1998, Ladbroke Racing/Kommission, T‑67/94, Slg, EU:T:1998:7, Rn. 182 und 183, sowie Fleuren Compost/Kommission, oben in Rn. 110 angeführt, EU:T:2004:4, Rn. 136 und 137). Nach dieser Rechtsprechung kann sich die Klägerin also nicht auf das Vorliegen einer verbindlichen Auskunft berufen, indem sie geltend macht, der angefochtene Beschluss verstoße gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2014, Zweckverband Tierkörperbeseitigung/Kommission, T‑309/12, EU:T:2014:676, Rn. 237).

191    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass das unionsrechtswidrige Verhalten einer mit der Anwendung des Unionsrechts betrauten nationalen Stelle kein berechtigtes Vertrauen eines Wirtschaftsteilnehmers darauf begründen kann, in den Genuss einer unionsrechtswidrigen Behandlung zu kommen (vgl. Urteil vom 4. Oktober 2007, Kommission/Italien, C‑217/06, EU:C:2007:580, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung), und dass die Verpflichtung des Begünstigten, sich zu vergewissern, dass das Verfahren des Art. 108 Abs. 3 AEUV eingehalten wurde, nicht vom Verhalten der Behörde abhängen kann, auch wenn diese für die Rechtswidrigkeit des Beschlusses in einem solchen Maß verantwortlich war, dass die Rücknahme als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheint (vgl. in diesem Sinne Urteil Alcan Deutschland, oben in Rn. 188 angeführt, EU:C:1997:163, Rn. 41).

192    Schließlich kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass es in anderen Mitgliedstaaten ähnliche Maßnahmen gebe. Zunächst ist festzustellen, dass es sich um Maßnahmen mit unterschiedlichen rechtlichen Rahmen handelt. Außerdem lässt nichts in den Akten darauf schließen, dass die Kommission Zusicherungen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV gegeben hätte, und schließlich kann sich die Klägerin auf einen solchen Umstand nicht mit Erfolg berufen, weil die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf jeden Fall mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, das besagt, dass sich niemand zu seinem Vorteil auf eine gegenüber anderen begangene Rechtsverletzung berufen kann (Urteile vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, T‑327/94, Slg, EU:T:1998:96, Rn. 160, Mayr-Melnhof/Kommission, T‑347/94, Slg, EU:T:1998:101, Rn. 334, sowie Urteil vom 20. März 2002, LR AF 1998/Kommission, T‑23/99, Slg, EU:T:2002:75, Rn. 367).

193    Das Gleiche gilt für die Verweisung auf die Vorgängerregel des Verfalls von Verlusten. Dabei handelte es sich um eine andere Regelung, die der Kommission nie unter dem Aspekt der Einhaltung der Bestimmungen des Vertrags über staatliche Beihilfen zur Kontrolle unterbreitet wurde.

194    Daher ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.

 Kosten

195    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt und wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint, kann das Gericht jedoch gemäß Art. 134 Abs. 3 seiner Verfahrensordnung entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt.

196    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass zum einen die von der Kommission gemäß Art. 114 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen und zum anderen die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen ist.

197    Unter diesen Umständen ist die Klägerin zu verurteilen, außer ihren eigenen Kosten zwei Drittel der Kosten der Kommission zu tragen, und der Kommission ist ein Drittel ihrer eigenen Kosten aufzuerlegen.

198    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Folglich trägt die Bundesrepublik Deutschland ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Einrede der Unzulässigkeit wird zurückgewiesen.

2.      Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

3.      Die GFKL Financial Services AG trägt ihre eigenen Kosten und zwei Drittel der Kosten der Europäischen Kommission. Die Kommission trägt ein Drittel ihrer eigenen Kosten.

4.      Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten.

Berardis

Czúcz

Popescu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Februar 2016.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Nationaler Rechtsrahmen

Die Regelung des Verlustvortrags

Regel des Verfalls von Verlusten

Sanierungsklausel

Stille-Reserven-Klausel und Konzernklausel

Sachverhalt

Verwaltungsverfahren

Angefochtener Beschluss

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zur Zulässigkeit der Klage

Zur Klagebefugnis im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV

Zum Rechtsschutzinteresse

Zur Begründetheit

Dritter Klagegrund: Begründungsmangel

Erster Klagegrund: prima facie fehlende Selektivität der streitigen Maßnahme

– Erster Teil: Fehler bei der Bestimmung des Referenzsystems

– Zweiter Teil: Fehler bei der Beurteilung der rechtlichen und tatsächlichen Situation sanierungsbedürftiger Unternehmen und der Einstufung der Sanierungsklausel als allgemeine Maßnahme

– Dritter Teil: Rechtfertigung der streitigen Maßnahme aufgrund der Natur und des Aufbaus des deutschen Steuersystems

Zweiter Klagegrund: keine Finanzierung aus staatlichen Mitteln

Vierter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

Kosten


* Verfahrenssprache: Deutsch.