Language of document : ECLI:EU:C:2020:1007

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

9. Dezember 2020(*)

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Ausstrahlung im Fernsehen – Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Art. 9 und Art. 16 Abs. 1 – Entscheidung, mit der Verpflichtungszusagen für bindend erklärt werden – Absoluter territorialer Schutz – Ermessensmissbrauch – Vorläufige Beurteilung – Europäische Kommission nicht verpflichtet, Ausführungen zu Art. 101 Abs. 3 AEUV zu berücksichtigen – Vereinbarungen, die eine Abschottung der nationalen Märkte bezwecken – Kommission nicht verpflichtet, jeden einzelnen betroffenen nationalen Markt zu analysieren – Verhältnismäßigkeit – Beeinträchtigung der vertraglichen Rechte Dritter“

In der Rechtssache C‑132/19 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 15. Februar 2019,

Groupe Canal + SA mit Sitz in Issy-les-Moulineaux (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: P. Wilhelm, P. Gassenbach und O. de Juvigny, avocats,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch A. Dawes, C. Urraca Caviedes und L. Wildpanner als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Französische Republik, vertreten durch E. de Moustier und P. Dodeller als Bevollmächtigte,

Union des producteurs de cinéma (UPC) mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: E. Lauvaux, avocat,

C More Entertainment AB mit Sitz in Stockholm (Schweden),

European Film Agency Directors – EFADs mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigter: O. Sasserath, avocat,

Bureau européen des unions de consommateurs (BEUC) mit Sitz in Brüssel, Prozessbevollmächtigte: A. Fratini, avvocatessa,

Streithelfer im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie der Richter A. Kumin, N. Wahl und F. Biltgen,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: V. Giacobbo, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2020,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Mai 2020

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Groupe Canal + SA die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Dezember 2018, Groupe Canal +/Kommission (T‑873/16, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2018:904), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission vom 26. Juli 2016 in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.40023 – Grenzübergreifender Zugang zu Pay-TV‑Inhalten), der die Verpflichtungszusagen der Paramount Pictures International Ltd und der Viacom Inc. im Rahmen von Lizenzvereinbarungen über audiovisuelle Inhalte, die sie mit der Sky UK Ltd und der Sky plc abgeschlossen haben, für rechtsverbindlich erklärt (im Folgenden: streitiger Beschluss), abgewiesen wurde.

I.      Rechtlicher Rahmen

2        Im 13. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) heißt es:

„Bieten Unternehmen im Rahmen eines Verfahrens, das auf eine Verbotsentscheidung gerichtet ist, der Kommission an, Verpflichtungen einzugehen, die geeignet sind, die Bedenken der Kommission auszuräumen, so sollte die Kommission diese Verpflichtungszusagen durch Entscheidung für die Unternehmen [für] bindend erklären können. Ohne die Frage zu beantworten, ob eine Zuwiderhandlung vorgelegen hat oder noch vorliegt, sollte in solchen Entscheidungen festgestellt werden, dass für ein Tätigwerden der Kommission kein Anlass mehr besteht. Entscheidungen bezüglich Verpflichtungszusagen lassen die Befugnisse der Wettbewerbsbehörden und der Gerichte der Mitgliedstaaten, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung festzustellen und über den Fall zu entscheiden, unberührt. Entscheidungen bezüglich Verpflichtungszusagen sind für Fälle ungeeignet, in denen die Kommission eine Geldbuße aufzuerlegen beabsichtigt.“

3        Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmt:

„(1)      Beabsichtigt die Kommission, eine Entscheidung zur Abstellung einer Zuwiderhandlung zu erlassen, und bieten die beteiligten Unternehmen an, Verpflichtungen einzugehen, die geeignet sind, die ihnen von der Kommission nach ihrer vorläufigen Beurteilung mitgeteilten Bedenken auszuräumen, so kann die Kommission diese Verpflichtungszusagen im Wege einer Entscheidung für bindend für die Unternehmen erklären. Die Entscheidung kann befristet sein und muss besagen, dass für ein Tätigwerden der Kommission kein Anlass mehr besteht.

(2)      Die Kommission kann auf Antrag oder von Amts wegen das Verfahren wieder aufnehmen,

a)      wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt geändert haben,

b)      wenn die beteiligten Unternehmen ihre Verpflichtungen nicht einhalten oder

c)      wenn die Entscheidung auf unvollständigen, unrichtigen oder irreführenden Angaben der Parteien beruht.“

4        Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmt:

„Wenn Gerichte der Mitgliedstaaten nach Artikel [101] oder [102] [AEUV] über Vereinbarungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen zu befinden haben, die bereits Gegenstand einer Entscheidung der Kommission sind, dürfen sie keine Entscheidungen erlassen, die der Entscheidung der Kommission zuwiderlaufen. Sie müssen es auch vermeiden, Entscheidungen zu erlassen, die einer Entscheidung zuwiderlaufen, die die Kommission in einem von ihr eingeleiteten Verfahren zu erlassen beabsichtigt. Zu diesem Zweck kann das einzelstaatliche Gericht prüfen, ob es notwendig ist, das vor ihm anhängige Verfahren auszusetzen. Diese Verpflichtung gilt unbeschadet der Rechte und Pflichten nach Artikel [267 AEUV].“

II.    Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiger Beschluss

5        Der Sachverhalt ist in den Rn. 1 bis 12 des angefochtenen Urteils wie folgt dargestellt:

„1      Am 13. Januar 2014 leitete die … Kommission eine Untersuchung zu möglichen Beschränkungen in Bezug auf die Bereitstellung von Pay-TV-Diensten im Rahmen von Lizenzvereinbarungen zwischen sechs amerikanischen [Filmproduktionsgesellschaften] und den wichtigsten Pay-TV-Sendern der Europäischen Union ein.

2      Am 23. Juli 2015 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Paramount Pictures International Ltd mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich) und die Viacom Inc. mit Sitz in New York (New York, Vereinigte Staaten), Muttergesellschaft von Paramount Pictures International (im Folgenden zusammen: Paramount). In dieser Mitteilung erläuterte die Kommission ihr vorläufiges Ergebnis in Bezug auf die Vereinbarkeit bestimmter Klauseln, die in Lizenzvereinbarungen enthalten waren, die Paramount mit der Sky UK Ltd und der Sky plc (im Folgenden zusammen: Sky) geschlossen hatte, mit Art. 101 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum [vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3)].

3      Der Schwerpunkt der Untersuchung der Kommission lag auf zwei verbundenen Klauseln der Lizenzvereinbarungen. Mit der ersten Klausel wurde Sky untersagt bzw. diese in ihren Möglichkeiten eingeschränkt, unaufgeforderten Anfragen nach Pay-TV-Diensten von Verbrauchern nachzukommen, die zwar im [Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)], aber außerhalb des Vereinigten Königreichs und Irlands ihren Wohnsitz haben. Mit der zweiten Klausel wurde Paramount verpflichtet, im Rahmen ihrer Vereinbarungen mit Fernsehsendern, die ihren Sitz innerhalb des EWR, aber außerhalb des Vereinigten Königreichs haben, Letzteren zu untersagen bzw. sie in ihren Möglichkeiten einzuschränken, unaufgeforderten Anfragen nach Pay-TV-Diensten von Verbrauchern nachzukommen, die ihren Wohnsitz im Vereinigten Königreich oder Irland haben.

4      Mit Entscheidung des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren vom 24. November 2015 wurde [Groupe Canal +] als interessierte Dritte im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101 und 102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18) zur Teilnahme am Verfahren zugelassen.

5      Mit Schreiben vom 4. Dezember 2015 (‚Informationen zu Art und Gegenstand des Verfahrens gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004‘) teilte die Kommission [Groupe Canal +] u. a. ihre rechtliche Würdigung in Bezug auf die Anwendung von Art. 101 AEUV auf den vorliegenden Sachverhalt sowie ihr damit verbundenes vorläufiges Ergebnis mit. Der vorläufigen Beurteilung zufolge beabsichtigte die Kommission den Erlass eines an Sky und jed[e] der von der Kommission untersuchten [Filmproduktionsgesellschaften] gerichteten Beschlusses, um festzustellen, dass sie gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, ihnen Geldbußen aufzuerlegen und anzuordnen, die Zuwiderhandlung zu beenden und keine Maßnahmen zu ergreifen, die einen vergleichbaren Zweck oder eine vergleichbare Wirkung haben könnten.

6      Am 15. April 2016 bot Paramount im Einklang mit Art. 9 der Verordnung [Nr. 1/2003] an, Verpflichtungen einzugehen, um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen. Nachdem die Kommission Stellungnahmen anderer interessierter Dritter, darunter [Groupe Canal +], erhalten hatte, erließ sie den [streitigen Beschluss].

7      Gemäß Art. 1 des [streitigen] Beschlusses sind die Verpflichtungszusagen, die im Anhang des [streitigen] Beschlusses genannt werden, für Paramount und ihre Rechtsnachfolger und Tochterunternehmen für einen Zeitraum von fünf Jahren ab der Übermittlung des [streitigen] Beschlusses an Paramount rechtsverbindlich.

8      In Klausel 1 Abs. 9 des Anhangs des [streitigen] Beschlusses sind verschiedene Arten von Klauseln aufgeführt, die Gegenstand des Verfahrens sind (im Folgenden: einschlägige Klauseln). Was zum einen die Satellitenübertragung betrifft, sind die folgenden Klauseln genannt: erstens die Klausel, wonach der Empfang außerhalb des der Lizenzvereinbarung unterliegenden Gebiets (overspill) keine Vertragsverletzung seitens des Fernsehsenders darstellt, wenn dieser den Empfang nicht in Kenntnis des Sachverhalts genehmigt hat, und zweitens die Klausel, wonach der Empfang in dem der Lizenzvereinbarung unterliegenden Gebiet keine Vertragsverletzung seitens Paramount darstellt, wenn Paramount die Bereitstellung von Decodern, die von Dritten stammen, in diesem Gebiet nicht genehmigt hat. Was zum anderen die Übertragung per Internet betrifft, sind die folgenden Bestimmungen genannt: erstens die Klausel, wonach Fernsehsender verpflichtet sind, das Herunterladen oder Streaming von TV-Programminhalten außerhalb des der Lizenzvereinbarung unterliegenden Gebiets zu verhindern, zweitens die Klausel, wonach die Visualisierung per Internet (Internet overspill) in dem der Lizenzvereinbarung unterliegenden Gebiet keine Vertragsverletzung seitens Paramount darstellt, wenn Paramount die Fernsehsender verpflichtet hat, Technologien zu verwenden, die diese Visualisierung verhindern, und drittens die Klausel, wonach die Visualisierung von TV-Programminhalten per Internet außerhalb des der Lizenzvereinbarung unterliegenden Gebiets keine Vertragsverletzung seitens des Fernsehsenders darstellt, wenn er Technologien verwendet, die diese Visualisierung verhindern.

9      Zudem geht aus Klausel 1 Abs. 3 des Anhangs des [streitigen] Beschlusses hervor, dass sich der Begriff ‚Sender-Verpflichtungen‘ auf die einschlägigen Klauseln oder vergleichbare Klauseln bezieht, die einem Fernsehsender untersagen bzw. ihn in seinen Möglichkeiten einschränken, unaufgeforderten Anfragen von Verbrauchern nachzukommen, die zwar im EWR, aber außerhalb des Gebiets, für das der Fernsehsender ein Senderecht hat, ihren Wohnsitz haben. Entsprechend bezeichnet der Begriff ‚Paramount-Verpflichtungen‘ die einschlägigen Klauseln oder vergleichbare Klauseln, die Paramount verpflichten, Fernsehsendern mit Sitz im EWR, aber außerhalb der Gebiete, für die ein Fernsehsender ausschließliche Rechte besitzt, zu untersagen, unaufgeforderten Anfragen von Verbrauchern nachzukommen, die ihren Wohnsitz in diesen Gebieten haben.

10      Gemäß Klausel 2 des Anhangs des [streitigen] Beschlusses ist Paramount ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des [streitigen] Beschlusses an mehrere Verpflichtungszusagen gebunden. Erstens wird Paramount keine einschlägigen Klauseln im Rahmen von Lizenzvereinbarungen, wie sie im Anhang beschrieben sind, vertraglich vereinbaren, erneuern oder ihre Anwendung verlängern (Nr. 2.1). Zweitens wird Paramount in Bezug auf bestehende Pay-TV-Output-Lizenzvereinbarungen (existing Pay-TV Output Licence Agreements) keine Klagen erheben, um die Einhaltung der Sender-Verpflichtungen zu erreichen (Nr. 2.2 Buchst. a). In Bezug auf diese Pay-TV-Output-Lizenzvereinbarungen wird Paramount die ‚Paramount-Verpflichtungen‘ weder direkt noch indirekt erfüllen oder durchsetzen (Nr. 2.2 Buchst. b). Paramount wird außerdem Sky innerhalb von zehn Tagen ab Bekanntgabe des [streitigen] Beschlusses und jedem anderen Fernsehsender mit Sitz im EWR innerhalb von einem Monat ab Bekanntgabe des [streitigen] Beschlusses mitteilen, dass sie keine Klagen erheben wird, um die Einhaltung der einschlägigen Klauseln durch die Fernsehsender zu erreichen (Nr. 2.3).

11      [Groupe Canal +] hatte mit Paramount eine Pay-TV-Output-Lizenzvereinbarung (Pay Television Agreement) geschlossen, die am 1. Januar 2014 in Kraft trat … Nach Art. 12 der Vereinbarung besteht das von der Vereinbarung erfasste Gebiet aus ‚exklusiven‘ Gebieten, zu denen u. a. Frankreich zählt, und einem ‚nicht exklusiven‘ Gebiet, zu dem Mauritius zählt. Art. 3 der Vereinbarung vom 1. Januar 2014 sieht u. a. vor, dass Paramount von Übertragungsrechten in exklusiven Gebieten weder selbst Gebrauch machen wird noch einen Dritten zu einem solchen Gebrauch autorisieren wird. In Anhang A.IV der Vereinbarung sind die Verpflichtungen [von Groupe Canal +] in Bezug auf die Verwendung von Geofiltern zur Verhinderung einer Übertragung außerhalb der von der Lizenz erfassten Gebiete festgelegt.

12      Mit Schreiben vom 25. August 2016 teilte Paramount [Groupe Canal +] die in Nr. 2.2 Buchst. a des Anhangs des [streitigen] Beschlusses … genannte Selbstverpflichtung mit und wies darauf hin, dass Paramount keine Klagen erheben werde, um die Einhaltung der einschlägigen Klauseln durch die Fernsehsender durchzusetzen, und dass Paramount die Fernsehsender von jeglicher Verpflichtung in Bezug auf die einschlägigen Klauseln befreie. Paramount wies in diesem Schreiben außerdem darauf hin, dass der Begriff ‚Sender-Verpflichtung‘ die gleiche Bedeutung habe wie im Anhang des [streitigen] Beschlusses. Auf diese Benachrichtigung antwortete [Groupe Canal +] mit Schreiben vom 14. Oktober 2016, ihr könnten keine Verpflichtungen entgegengehalten werden, die im Rahmen eines Verfahrens eingegangen worden seien, das nur zwischen der Kommission und Paramount stattgefunden habe.“

III. Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

6        Mit Klageschrift, die am 8. Dezember 2016 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Groupe Canal + gemäß Art. 263 AEUV Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

7        Mit Beschluss des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichts vom 13. Juli 2017, Groupe Canal +/Kommission (T‑873/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:556), wurden das Bureau européen des unions de consommateurs (BEUC) als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission und die Union des producteurs de cinéma (UPC), die European Film Agency Directors – EFADs und die C More Entertainment AB als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge von Groupe Canal + zugelassen. Mit Beschluss des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichts vom selben Tag wurde ferner die Französische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von Groupe Canal + zugelassen.

8        Groupe Canal + machte vier Klagegründe geltend: einen offensichtlichen Beurteilungsfehler in Bezug auf die Vereinbarkeit der einschlägigen Klauseln mit Art. 101 AEUV und die Wirkungen der auferlegten Verpflichtungen (erster Klagegrund), einen Verstoß gegen Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 in Bezug auf die Feststellung der Bedenken, denen die auferlegten Verpflichtungen Rechnung tragen (zweiter Klagegrund), einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (dritter Klagegrund) und einen Ermessensmissbrauch (vierter Klagegrund).

9        Die Klage wurde vom Gericht mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen.

IV.    Verfahren und Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

10      Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Groupe Canal +,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit ihre Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses abgewiesen wurde und ihr die Kosten auferlegt wurden;

–        den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

11      Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und Groupe Canal + die Kosten aufzuerlegen.

12      Die Französische Republik beantragt, das angefochtene Urteil vollständig aufzuheben und daraus alle Konsequenzen für den streitigen Beschluss zu ziehen.

13      UPC beantragt,

–        das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als die Klage von Groupe Canal + auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses abgewiesen wurde und Groupe Canal + Kosten auferlegt wurden;

–        den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        in jedem Fall der Kommission sämtliche ihr entstandenen Kosten aufzuerlegen.

14      EFADs beantragt,

–        das Rechtsmittel in vollem Umfang für zulässig und begründet zu erklären;

–        das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als die Klage von Groupe Canal + auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses abgewiesen wurde und Groupe Canal + Kosten auferlegt wurden;

–        den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        in jedem Fall der Kommission sämtliche ihr entstandenen Kosten aufzuerlegen.

15      BEUC beantragt, das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen und Groupe Canal + sämtliche ihr entstandenen Kosten aufzuerlegen.

V.      Zum Rechtsmittel

16      Groupe Canal + macht vier Rechtsmittelgründe geltend. Das Gericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Kommission mit dem streitigen Beschluss ihr Ermessen nicht missbraucht habe (erster Rechtsmittelgrund), gegen den Grundsatz des kontradiktatorischen Verfahrens verstoßen (zweiter Rechtsmittelgrund), seine Entscheidung nicht begründet und die Tatsachen nicht vollständig gewürdigt (dritter Rechtsmittelgrund) sowie Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 und Rn. 128 der Bekanntmachung der Kommission über bewährte Vorgehensweisen in Verfahren nach Artikel 101 und 102 des AEUV (ABl. 2011, C 308, S. 6, im Folgenden: Bekanntmachung über bewährte Vorgehensweisen) nicht richtig ausgelegt, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und die Rechte Dritter verletzt (vierter Rechtsmittelgrund).

A.      Zur Zulässigkeit

1.      Vorbringen der Parteien

17      BEUC macht geltend, dass der erste, der dritte und der vierte Rechtsmittelgrund offensichtlich unzulässig seien. Groupe Canal + wiederhole damit lediglich ihr erstinstanzliches Vorbringen.

2.      Würdigung durch den Gerichtshof

18      Aus Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs folgt, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils oder des Beschlusses, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss. Nach ständiger Rechtsprechung entspricht ein Rechtsmittel, das sich darauf beschränkt, die bereits vor dem Gericht dargelegten Klagegründe und Argumente wiederzugeben, nicht diesem Erfordernis. Ein solches Rechtsmittel zielt nämlich in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage ab, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt (vgl. u. a. Urteil vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, EU:C:2000:361, Rn. 35, und Beschluss vom 3. September 2019, ND und OE/Kommission, C‑317/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:688, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Jedoch können im ersten Rechtszug geprüfte Rechtsfragen im Rechtsmittelverfahren erneut aufgeworfen werden, wenn der Rechtsmittelführer die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts durch das Gericht beanstandet. Könnte nämlich ein Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in dieser Weise auf bereits vor dem Gericht geltend gemachte Klagegründe und Argumente stützen, würde dies dem Rechtsmittelverfahren einen Teil seiner Bedeutung nehmen (Urteil vom 14. Oktober 2010, Deutsche Telekom/Kommission, C‑280/08 P, EU:C:2010:603, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Im vorliegenden Fall sind mehrere der Argumente, die Groupe Canal + im Rahmen ihres Rechtsmittels geltend macht, isoliert betrachtet in der Tat mit Argumenten vergleichbar, die bereits vor dem Gericht geltend gemacht wurden. Groupe Canal + rügt mit ihren Rechtsmittelgründen aber Rechtsfehler, die dem Gericht unterlaufen sein sollen, und bezeichnet genau die Randnummern des angefochtenen Urteils, die beanstandet werden.

21      Insgesamt betrachtet sind der erste, der dritte und der vierte Rechtsmittelgrund daher nicht unzulässig. Allerdings wird, wenn auf die einzelnen Rügen der Rechtsmittelgründe eingegangen werden wird, jeweils zu prüfen sein, ob sie zulässig sind.

B.      Zur Begründetheit

1.      Zum ersten Rechtsmittelgrund

a)      Vorbringen der Parteien

22      Groupe Canal + macht mit Unterstützung von EFADs und UPC im Wesentlichen geltend, dass das Gericht ihr Vorbringen, die Kommission habe mit dem Erlass des streitigen Beschlusses ihr Ermessen missbraucht, weil sie damit, unter dem Vorwand, wettbewerbswidrige Verhaltensweisen abstellen zu wollen, durchgesetzt habe, was das Europäische Parlament abgelehnt habe, nämlich das Ende der territorialen Ausschließlichkeiten im Kinosektor im gesamten EWR, rechtsfehlerhaft zurückgewiesen habe. Das Gericht sei insoweit auch seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen.

23      Erstens habe das Gericht in Rn. 129 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die Kommission ihr Ermessen nicht missbraucht habe, weil die Verpflichtungen von Paramount den wettbewerbsrechtlichen Bedenken, die die Kommission in ihrer vorläufigen Beurteilung geäußert habe, in angemessener Weise gerecht würden. Das Gericht sei von einer unzutreffenden Prämisse ausgegangen. Die vorläufige Beurteilung habe sich nämlich ausschließlich auf das Gebiet des Vereinigten Königreichs und das Gebiet Irlands bezogen. Die Wettbewerbssituation in Frankreich habe die Kommission überhaupt nicht geprüft. Die Verpflichtungen von Paramount gälten jedoch für den gesamten EWR.

24      Zweitens habe das Gericht in Rn. 130 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen, dass die Kommission den streitigen Beschluss rechtmäßig habe erlassen können, weil das Gesetzgebungsverfahren zur Frage des Geoblocking noch nicht zur Verabschiedung eines Gesetzgebungsakts geführt habe. Das Gericht habe entweder bei seiner Prüfung nicht berücksichtigt oder in seiner Begründung unerwähnt gelassen, dass die Kommission nicht habe außer Acht lassen dürfen, dass das Parlament am 19. Januar 2016, also etwa sechs Monate vor dem Erlass des streitigen Beschlusses, die Entschließung „Auf dem Weg zu einer Akte zum digitalen Binnenmarkt“ (im Folgenden: Entschließung) angenommen habe, in der es hervorgehoben habe, dass die gegen Geoblocking-Klauseln gerichtete Politik der Kommission nicht auf den Filmsektor ausgedehnt werden solle. Das Gericht habe somit außer Acht gelassen, dass die Kommission in voller Kenntnis der Sachlage beschlossen habe, im Filmsektor gegen den Willen des Parlaments durchzusetzen, dass das Geoblocking im Bereich audiovisueller Dienste beendet wird, indem sie einen erga omnes wirkenden Beschluss erlassen habe, mit dem sie mehr als die Abstellung wettbewerbswidriger Verhaltensweisen erreichen könne.

25      Selbst unterstellt, die Kommission hätte die Entschließung außer Acht lassen dürfen, hätte das Gericht angesichts der Tatsache, dass die Annahme eines Gesetzgebungsakts durch das Parlament bevorgestanden habe, der dem audiovisuellen Sektor die Möglichkeit einräume, Geoblocking-Klauseln beizubehalten, nämlich der Verordnung (EU) 2018/302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Februar 2018 über Maßnahmen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden innerhalb des Binnenmarkts und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 2006/2004 und (EU) 2017/2394 sowie der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. 2018, L 60 I, S. 1), feststellen müssen, dass die Kommission zumindest verpflichtet gewesen sei, in den streitigen Beschluss eine Klausel aufzunehmen, die im Falle der Änderung der Rechtslage eine Überprüfung der Verpflichtungen von Paramount ermöglicht hätte. Es ergebe sich sowohl aus dem achten Erwägungsgrund dieser Verordnung als auch aus Art. 1 der Verordnung (EU) 2017/1128 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 zur grenzüberschreitenden Portabilität von Online‑Inhaltediensten im Binnenmarkt (ABl. 2017, L 168, S. 1), aus dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie (EU) 2019/789 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 mit Vorschriften für die Ausübung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte Online-Übertragungen von Sendeunternehmen und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen und zur Änderung der Richtlinie 93/83/EWG des Rates (ABl. 2019, L 130, S. 82) und der Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG (ABl. 2019, L 130, S. 92), dass der Unionsgesetzgeber nach dem Erlass des streitigen Beschlusses anerkannt habe, dass audiovisuelle Inhalte u. a. Systemen der geografischen Beschränkung unterliegen könnten.

26      Die Kommission und BEUC halten dieses Vorbringen für unbegründet. Die Kommission macht ferner geltend, dass das Vorbringen von Groupe Canal +, die Kommission hätte die Entschließung nicht außer Acht lassen dürfen und in den streitigen Beschluss für den Fall der Änderung der Rechtslage eine Überprüfungsklausel aufnehmen müssen, unzulässig sei, da diese Argumente erstmals vor dem Gerichtshof geltend gemacht würden.

b)      Würdigung durch den Gerichtshof

27      Das Vorbringen von Groupe Canal +, das Gericht habe rechtsfehlerhaft bei seiner Prüfung nicht berücksichtigt oder in seiner Begründung unerwähnt gelassen, dass die Kommission die Entschließung nicht habe außer Acht lassen dürfen, und rechtsfehlerhaft nicht festgestellt, dass die Kommission in Anbetracht des Gesetzgebungsverfahrens zum Geoblocking in den streitigen Beschluss eine Klausel hätte aufnehmen müssen, die im Falle der Änderung der Rechtslage eine Überprüfung der Verpflichtungen von Paramount ermöglicht hätte, ist, anders als die Kommission meint, zulässig.

28      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs würde einer Partei, wenn sie vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorbringen könnte, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, letztlich gestattet, den Gerichtshof mit einem weiter reichenden Rechtsstreit zu befassen, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte. Im Rahmen eines Rechtsmittels kann der Gerichtshof grundsätzlich nur überprüfen, wie das Gericht die vor ihm erörterten Angriffs- und Verteidigungsmittel gewürdigt hat. Ein Argument, das im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde, ist jedoch dann kein neues, im Rechtsmittelverfahren unzulässiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel, wenn es lediglich eine Erweiterung eines bereits vor dem Gericht geltend gemachten Arguments darstellt (Urteil vom 28. Februar 2019, Alfamicro/Kommission, C‑14/18 P, EU:C:2019:159, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das oben in Rn. 27 dargestellte Vorbringen in engem Zusammenhang mit dem vierten Klagegrund steht, mit dem ein Ermessensmissbrauch gerügt wird, und dass es, soweit mit ihm dargetan werden soll, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, dass die Kommission mit dem Erlass des streitigen Beschlusses das Gesetzgebungsverfahren zum Geoblocking nicht umgangen habe, eine Erweiterung dieses Klagegrundes und kein neues Angriffsmittel darstellt, das erstmals im Rahmen des Rechtsmittels geltend gemacht würde. Im Übrigen geht aus Rn. 252 der Klageschrift hervor, dass sich Groupe Canal + im Verfahren vor dem Gericht auf die Entschließung berufen hat.

30      Dem Vorbringen von Groupe Canal + kann jedoch nicht gefolgt werden.

31      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Rechtshandlung nur dann ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der EG-Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (Urteil vom 31. Januar 2019, Islamic Republic of Iran Shipping Lines u. a./Rat, C‑225/17 P, EU:C:2019:82, Rn. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Insoweit hat das Gericht in Rn. 130 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass die Befugnisse, die der Kommission gemäß Art. 101 AEUV und der Verordnung Nr. 1/2003 zukommen, durch das Gesetzgebungsverfahren zum Geoblocking, solange dieses nicht zur Annahme eines Gesetzgebungsakts geführt hat, nicht berührt werden.

33      Im Übrigen hat Groupe Canal + im Verfahren vor dem Gericht weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass die Kommission nicht befugt gewesen wäre, die in Rn. 1 des angefochtenen Urteils (siehe oben, Rn. 5) erwähnte Untersuchung einzuleiten und in deren Rahmen gegebenenfalls eine Entscheidung gemäß Art. 7 oder Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 zu erlassen, oder dass der Erlass eines Beschlusses gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003, mit dem die Verpflichtungen angenommen wurden, die ein Unternehmen angeboten hatte, um die Bedenken auszuräumen, die die Kommission bei vertraglichen Klauseln, mit denen die Möglichkeit der wichtigsten Pay-TV-Sender der Union, grenzüberschreitende passive Verkäufe von Pay-TV-Diensten zu tätigen, eingeschränkt wird, hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 101 AEUV hatte, mit irgendeinem Rechtsakt nicht vereinbar oder durch irgendeinen Rechtsakt verboten wäre.

34      Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsakte des abgeleiteten Rechts, auf die sich Groupe Canal +, EFADs und UPC berufen. Diese Rechtsakte sind nach dem Erlass des streitigen Beschlusses angenommen worden.

35      Die Feststellung des Gerichts in Rn. 130 des angefochtenen Urteils, dass die Kommission mit der Einleitung der in Rn. 1 des angefochtenen Urteils (siehe oben, Rn. 5) erwähnten Untersuchung und dem Erlass des streitigen Beschlusses im Rahmen ihrer Befugnisse gehandelt habe und dass Groupe Canal + nicht nachgewiesen habe, dass die Kommission ihr Ermessen missbraucht hätte, ist mithin rechtlich nicht zu beanstanden.

36      Zu der Rüge, mit der Groupe Canal + geltend macht, dass das Gericht ihr Vorbringen, die Kommission habe ihr Ermessen missbraucht, weil die Verpflichtungszusagen von Paramount die wettbewerbsrechtlichen Bedenken, die die Kommission in ihrer vorläufigen Beurteilung geäußert habe, nicht ausgeräumt hätten, in Rn. 129 des angefochtenen Urteilsrechts fehlerhaft zurückgewiesen habe, ist festzustellen, dass selbst unterstellt, es wäre erwiesen, dass die Verpflichtungszusagen von Paramount die Bedenken der Kommission nicht ausgeräumt haben, damit allein noch nicht der Nachweis erbracht wäre, dass die Kommission ihr Ermessen missbraucht hätte.

37      Folglich ist die betreffende Rüge von Groupe Canal + und damit der erste Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

2.      Zum dritten Rechtsmittelgrund

38      Der dritte Rechtsmittelgrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil rügt Groupe Canal + eine Verletzung der Begründungspflicht. Das Gericht sei nicht auf den Klagegrund eingegangen, mit dem sie geltend gemacht habe, dass die Kommission den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext der einschlägigen Klauseln nicht berücksichtigt habe. Mit dem zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes rügt Groupe Canal +, dass das Gericht den Sachverhalt nicht vollständig geprüft habe. Es habe angenommen, dass ein etwaiger Rückgang der von ihr mit Kunden in Frankreich erzielten Einnahmen dadurch ausgeglichen werden könne, dass sie die Möglichkeit habe, sich an Kunden im gesamten EWR zu richten.

a)      Zum ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes

1)      Vorbringen der Parteien

39      Groupe Canal + macht unterstützt durch EFADs, UPC und die Französische Republik geltend, dass das Gericht in Rn. 39 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen habe, dass sich die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses nur auf die Fragen beziehen könne, ob die in dem Beschluss dargelegten Umstände wettbewerbsrechtliche Bedenken begründeten, ob, falls dies bejaht werde, die für bindend erklärten Verpflichtungszusagen von Paramount diese Bedenken ausräumten und ob Paramount keine weniger belastenden Verpflichtungszusagen angeboten habe, die den Bedenken ebenfalls in angemessener Weise gerecht würden. Ferner habe das Gericht in den Rn. 62 bis 66 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Frage, ob das Verhalten, das die fraglichen Bedenken hervorgerufen habe, die kumulativen Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV erfülle, angesichts der Natur einer Entscheidung wie des streitigen Beschlusses fehl am Platz sei und dass es deshalb über das Vorbringen von Groupe Canal +, dass die einschlägigen Klauseln das kulturelle Schaffen und die kulturelle Vielfalt förderten, nicht entscheiden müsse.

40      Das Gericht sei nicht auf den Klagegrund eingegangen, mit dem sie geltend gemacht habe, dass die Kommission den französischen wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext der einschlägigen Klauseln nicht berücksichtigt und damit ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen sei. Aus dem angefochtenen Urteil gehe nicht hervor, warum das Gericht ihrem Vorbringen nicht gefolgt sei. Das Gericht sei auf die Verpflichtung zur Berücksichtigung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts der Klauseln überhaupt nicht eingegangen. Es habe somit die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht berücksichtigt, wonach bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung zwischen Unternehmen den Wettbewerb hinreichend beeinträchtige, um als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 AEUV eingestuft werden zu können, u. a. auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang der Vereinbarung abzustellen sei, wobei die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und die Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte zu berücksichtigen seien, und wonach das Gericht überprüfen müsse, ob die angeführten Beweise alle relevanten Daten darstellten, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen gewesen seien, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermöchten.

41      Das Gericht habe den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang der einschlägigen Klauseln nicht eingehend geprüft, sondern habe in den Rn. 40 bis 42 des angefochtenen Urteils lediglich „apodiktisch“ festgestellt, dass die Klauseln, die zu einer absoluten territorialen Ausschließlichkeit führten, angesichts ihres Inhalts, ihrer Ziele und ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Kontextes dazu dienten, jeglichen grenzüberschreitenden Wettbewerb auszuschließen. Das Gericht habe angenommen, dass dies ausreichend sei, um die Bedenken der Kommission zu rechtfertigen.

42      Die Französische Republik macht geltend, das Gericht habe nicht im Einzelnen dargelegt, worin die wettbewerbsrechtlichen Bedenken bestünden, die den Erlass einer Entscheidung gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 rechtfertigen könnten. Es habe auch nicht geprüft, ob die einschlägigen Klauseln den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigten, um prima facie als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung angesehen werden zu können. Im Übrigen sei das Ziel der Förderung der kulturellen Vielfalt untrennbar mit dem wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang der einschlägigen Klauseln verbunden. Dieser könne daher bei der Prüfung der Klauseln nach Art. 101 Abs. 3 AEUV nicht außer Betracht gelassen werden.

43      Groupe Canal + macht ferner geltend, dass sich das Gericht in den Rn. 43 bis 50 des angefochtenen Urteils bei der Feststellung, dass die einschlägigen Klauseln geeignet gewesen seien, aufgrund ihres wettbewerbswidrigen Zwecks bei der Kommission Bedenken hervorzurufen, rechtsfehlerhaft auf das Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a. (C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631), gestützt habe. Dieses Urteil betreffe nicht den Filmsektor. Das Gericht habe somit den besonderen wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext des Filmsektors nicht berücksichtigt. Dabei habe der Gerichtshof im Urteil vom 6. Oktober 1982, Coditel u. a. (262/81, EU:C:1982:334, Rn. 15 und 16), entschieden, dass die Merkmale, die die Filmindustrie und die Filmmärkte in der Union kennzeichneten, vor allem was die Synchronisation oder das Untertiteln für verschiedensprachige Zuschauergruppen, die Sendemöglichkeiten im Fernsehen und das Finanzierungssystem der Filmproduktion in Europa anbelange, erkennen ließen, dass eine ausschließliche Vorführungslizenz als solche nicht geeignet sei, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen.

44      Die Kommission und BEUC treten diesem Vorbringen entgegen.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

45      Was zunächst das Vorbringen von Groupe Canal + angeht, das Gericht habe nicht begründet, warum es ihr Vorbringen zur Berücksichtigung des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs der einschlägigen Klauseln zurückgewiesen habe, ist festzustellen, dass die Pflicht zur Begründung der Urteile, die dem Gericht nach Art. 36 und Art. 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegt, dieses nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet, bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend zu behandeln. Die Begründung kann daher implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erfahren, auf denen das angefochtene Urteil beruht, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrollaufgabe im Rahmen eines Rechtsmittels wahrnehmen kann (Urteil vom 14. September 2016, Trafilerie Meridionali/Kommission, C‑519/15 P, EU:C:2016:682, Rn. 41).

46      Das Gericht hat in Rn. 40 des angefochtenen Urteils ausgeführt, welche Bedenken die Kommission in Bezug auf die einschlägigen Klauseln hatte. Es hat festgestellt, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 37 bis 44 des streitigen Beschlusses festgestellt habe, dass Vereinbarungen, die zu einer absoluten territorialen Ausschließlichkeit führten, eine Wiederherstellung der Abschottung nationaler Märkte zur Folge hätten und dem Ziel des Vertrags zuwiderliefen, einen einheitlichen Markt zu schaffen, und dass solche Klauseln daher als wettbewerbsbeschränkend gälten, sofern sich nicht aufgrund anderer Umstände im Zusammenhang mit ihrem wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext feststellen lasse, dass sie keine Wettbewerbsbeschränkung herbeiführen könnten.

47      In Rn. 41 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Erwägungsgründe 46 bis 49 des streitigen Beschlusses zusammengefasst, wonach die einschlägigen Klauseln angesichts ihres Inhalts, ihrer Ziele und ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Kontextes dazu dienen, jeglichen grenzüberschreitenden Wettbewerb auszuschließen und den Sendeunternehmen, die mit Paramount Verträge geschlossen haben, einen absoluten Gebietsschutz zu gewähren.

48      Zwar hat das Gericht unmittelbar im Anschluss an Rn. 41 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass diese Erwägungen der Kommission stichhaltig seien. Bei genauer Betrachtung der gesamten Begründung des angefochtenen Urteils ist jedoch festzustellen, dass das Gericht damit entgegen dem Vorbringen von Groupe Canal + keine „apodiktische“ Feststellung getroffen hat, ohne das Vorbringen der Parteien eingehend geprüft zu haben. Vielmehr hat das Gericht ausgeführt, zu welchem Ergebnis es gelangt ist, um dann in den Rn. 43 bis 73 des angefochtenen Urteils im Einzelnen zu begründen, wie es zu diesem Ergebnis gelangt ist, u. a., inwieweit die einschlägigen Klauseln geeignet gewesen seien, bei der Kommission Bedenken im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 AEUV hervorzurufen.

49      Außerdem geht aus den Rn. 51 bis 58 des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht ausdrücklich auf das Vorbringen von Groupe Canal +, der Französischen Republik sowie von EFADs, UPC und C More Entertainment eingegangen ist, dass die einschlägigen Klauseln wegen ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs nicht gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstießen, und dass es auch das Vorbringen dieser Parteien, dass mit den einschlägigen Klauseln die kulturelle Vielfalt gefördert werde, ohne dass der Wettbewerb beeinträchtigt werde, auf das es in den Rn. 59 bis 72 des angefochtenen Urteils eingegangen ist, nicht übergangen hat.

50      Somit ermöglicht die in den Rn. 40 und 73 des angefochtenen Urteils enthaltene Begründung es den Betroffenen, insbesondere auch Groupe Canal +, die Gründe zu erfahren, auf denen das angefochtene Urteil beruht, und liefert dem Gerichtshof ausreichende Angaben, damit er seine Kontrollaufgabe im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels wahrnehmen kann. Mithin hat das Gericht dadurch, dass es das Vorbringen von Groupe Canal + zum wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang der einschlägigen Klauseln zurückgewiesen hat, nicht gegen seine Begründungspflicht verstoßen.

51      Soweit Groupe Canal + rügt, dass sich das Gericht in den Rn. 43 bis 50 des angefochtenen Urteils bei der Feststellung, dass die einschlägigen Klauseln geeignet gewesen seien, aufgrund ihres wettbewerbswidrigen Zwecks bei der Kommission Bedenken hervorzurufen, rechtsfehlerhaft auf das Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a. (C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631), gestützt habe, ist festzustellen, dass die Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, in der Tat nicht den Filmsektor betraf. Aus den Rn. 134, 141 und 142 dieses Urteils geht aber hervor, dass es in dieser Rechtssache um einen Fall ging, der in wirtschaftlicher und wettbewerbsrechtlicher Hinsicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar war. In dem betreffenden Fall enthielten zwischen einem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums und Sendeunternehmen geschlossene Verträge über eine ausschließliche Lizenz zusätzliche Verpflichtungen, mit denen die Einhaltung der räumlichen Beschränkungen für die Nutzung der Lizenzen gewährleistet werden sollte, insbesondere die Verpflichtung der Sendeunternehmen, Maßnahmen zu treffen, die den Zugang zu den Schutzgegenständen von außerhalb des vom Lizenzvertrag erfassten Gebiets unmöglich machten.

52      Zwischen dem Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a. (C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631), und dem den Filmsektor betreffenden Urteil vom 6. Oktober 1982, Coditel u. a. (262/81, EU:C:1982:334), besteht auch kein Widerspruch. Die Rn. 15 und 16 des Urteils vom 6. Oktober 1982, Coditel u. a. (262/81, EU:C:1982:334), auf die sich Groupe Canal + beruft, stützen nämlich keineswegs deren Vorbringen, dass Klauseln wie die einschlägigen Klauseln als völlig gültig angesehen werden könnten, da sie den Grundpfeiler des Systems der Filmfinanzierung darstellten. Aus diesen Rufnummern geht lediglich hervor, dass eine vom Inhaber des Urheberrechts an einem Film eingeräumte ausschließliche Vorführungslizenz als solche nicht geeignet ist, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen. Im Übrigen hat der Gerichtshof in Rn. 17 dieses Urteils ausdrücklich in Betracht gezogen, dass die Ausübung des Urheberrechts an einem Film und des daraus fließenden Vorführungsrechts den Wettbewerb auf dem Markt für Filme verfälschen könnte.

53      Anders als die Rechtssache, in der das Urteil vom 6. Oktober 1982, Coditel u. a. (262/81, EU:C:1982:334), ergangen ist, betraf die Rechtssache, in der das Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a. (C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631), ergangen ist, gerade zusätzliche Verpflichtungen, mit denen die Einhaltung der räumlichen Beschränkungen für die Nutzung der vom Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums gewährten Lizenzen gewährleistet werden sollte.

54      Daher ist festzustellen, dass das Gericht in den Rn. 46 bis 50 des angefochtenen Urteils unter Verweis auf das Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a. (C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631), rechtsfehlerfrei angenommen hat, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Klauseln von Lizenzvereinbarungen, die wechselseitigen Verpflichtungen begründeten, die darauf gerichtet seien, die grenzüberschreitende Erbringung von Rundfunkdiensten in Bezug auf die vertragsgegenständlichen audiovisuellen Inhalte zu unterbinden, und die folglich jedem Sendeunternehmen einen absoluten Gebietsschutz gewährten, sowohl in Anbetracht der mit ihnen verfolgten Ziele als auch in Anbetracht ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts als Vereinbarungen angesehen werden könnten, die eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV bezweckten, und dass die einschlägigen Klauseln, da sie solche Verpflichtungen enthielten, vorbehaltlich einer Entscheidung, mit der nach einer vollständigen Prüfung endgültig festgestellt werde, ob ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV vorliege oder nicht, im vorliegenden Fall geeignet seien, bei der Kommission wettbewerbsrechtliche Bedenken hervorzurufen.

55      Schließlich ist auch das Vorbringen von Groupe Canal + zurückzuweisen, dass das Gericht in den Rn. 39 und 62 bis 66 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen habe, dass die Frage, ob das Verhalten, das die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission hervorgerufen habe, die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV erfülle, angesichts der Natur einer Entscheidung gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 fehl am Platze sei und dass es im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer solchen Entscheidung über das Vorbringen, das sich auf die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV beziehe, nicht zu entscheiden habe.

56      Denn wie das Gericht in Rn. 62 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat, kommt Art. 101 Abs. 3 AEUV nur dann zum Tragen, wenn zuvor ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV festgestellt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Februar 2013, Slovenská sporiteľňa, C‑68/12, EU:C:2013:71, Rn. 30).

57      Da die Kommission beim Erlass einer Entscheidung gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 jedoch von der Verpflichtung freigestellt ist, eine Zuwiderhandlung zu benennen und festzustellen (Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Alrosa, C‑441/07 P, EU:C:2010:377, Rn. 40), muss sie dabei nicht endgültig beurteilen, ob eine Vereinbarung, ein Beschluss oder eine abgestimmte Verhaltensweise die Voraussetzungen von Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllt.

58      Außerdem besteht die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV, wie das Gericht in Rn. 62 zutreffend ausgeführt hat, darin, die wettbewerbsfördernden Auswirkungen der gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßenden Vereinbarung festzustellen und zu ermitteln, ob die wettbewerbsfördernden Wirkungen mehr Gewicht haben als die wettbewerbswidrigen.

59      Aus Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 geht jedoch hervor, dass die Entscheidungen, die die Kommission gemäß dieser Bestimmung erlässt, auf einer vorläufigen Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit des fraglichen Verhaltens beruhen. Da eine solche Entscheidung keine eingehende, vollständige Prüfung aller wettbewerbswidrigen Wirkungen des fraglichen Verhaltens beinhaltet, wäre die Kommission überhaupt nicht in der Lage, diese Wirkungen mit den geltend gemachten wettbewerbsfördernden Wirkungen zu vergleichen, einmal unterstellt Letztere wären erwiesen.

60      Die Annahme des Gerichts in Rn. 62 des angefochtenen Urteils, dass die Frage, ob das Verhalten, das die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission hervorgerufen habe, die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV erfülle, angesichts der Natur einer Entscheidung gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 fehl am Platze sei, ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.

61      Zu dem Umstand, dass sich die Kommission in den Erwägungsgründen 50 bis 52 des streitigen Beschlusses vorläufig zur Frage der Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV im vorliegenden Fall geäußert hat, ist festzustellen, dass diese Erwägungsgründe Teil der Darstellung der vorläufigen Beurteilung der einschlägigen Klauseln durch die Kommission waren. Sie enthielten keine endgültige Beurteilung im Hinblick auf die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV im vorliegenden Fall. Mit ihnen sollte lediglich gezeigt werden, dass die Kommission bei der vorläufigen Beurteilung die Argumente berücksichtigt hat, die Paramount bereits vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV vorgebracht hatte.

62      Somit ist der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

b)      Zum zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes

1)      Vorbringen der Parteien

63      Groupe Canal + macht unterstützt durch EFADs, UPC und die Französische Republik geltend, dass das Gericht bei seiner Annahme in Rn. 57 und 69 des angefochtenen Urteils, dass ein etwaiger Rückgang der Einnahmen, die sie mit Kunden in Frankreich erzielte, dadurch ausgeglichen werden könne, dass sie fortan die Möglichkeit habe, sich an Kunden im gesamten EWR und nicht nur in Frankreich zu richten, den Besonderheit des Filmsektors nicht Rechnung getragen habe und nicht alle Tatsachen gewürdigt habe, die vorgetragen worden seien. Das Gericht habe die von ihr vorgelegte Studie „The impact of cross-border to audiovisual content on EU consumers“ der Beratungsunternehmen Oxera und O & O vom Mai 2016 offensichtlich nicht berücksichtigt. Aus dieser Studie ergebe sich, dass die territorialen Ausschließlichkeiten für die Finanzierung des europäischen Kinos wegen der verschiedenen kulturellen Hintergründe, die in der Union bestünden, erforderlich seien, dass der Wert europäischer Filme je nach Mitgliedstaat bzw. Sprachzone variiere und dass die Produktion auf europäischer Ebene hauptsächlich am Ende durch die Sendeunternehmen auf der Grundlage eines Systems des absoluten territorialen Schutzes finanziert werde. Der Rückgang der Einnahmen könne nicht ausgeglichen werden, da sie nicht mehr mit der Exklusivität bestimmter Inhalte werben könne und die Verbraucher in Frankreich hauptsächlich Abonnements bei überwiegend englischsprachigen Anbietern, die attraktive Inhalte anböten, abschlössen. Eine Mehrgebietslizenz sei viel teurer als eine nationale Lizenz. Sie sei für die Sendeunternehmen nicht erschwinglich. Die Kosten, die durch die Werbung von Abonnenten außerhalb des herkömmlichen Gebiets des Sendeunternehmens entstehen würden, würden den Spielraum, den das Sendeunternehmen für die Produktion von Sendungen habe, drastisch schmälern. Die räumlichen Grenzen der Lizenzen, die sie erworben habe, ermöglichten es ihr jedenfalls nicht, sich frei an einen Kundenkreis in der gesamten Union zu wenden.

64      Die Kommission und BEUC treten diesem Vorbringen entgegen.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

65      Zunächst ist festzustellen, dass das Vorbringen im Rahmen des zweiten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes, soweit es gegen die Erwägungen in Rn. 69 des angefochtenen Urteils gerichtet ist, als ins Leere gehend zurückzuweisen ist.

66      Der Ausdruck „Jedenfalls“ in Rn. 67 des angefochtenen Urteils und die Wendung „selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Kommission die Anwendbarkeit von Art. 101 Abs. 3 AEUV im streitigen Verfahren prüfen musste“ lassen nämlich erkennen, dass es sich bei den Erwägungen in den Rn. 67 bis 72 des angefochtenen Urteils um Hilfserwägungen handelt. Sie wurden für den Fall angestellt, dass davon auszugehen wäre, dass die Kommission verpflichtet gewesen wäre, die Anwendbarkeit von Art. 101 Abs. 3 AEUV zu prüfen.

67      Da das Gericht, wie sich aus der Prüfung des ersten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes ergibt, aber zu Recht angenommen hat, dass die Kommission in dem Verfahren, das zum Erlass des streitigen Beschlusses geführt hat, nicht verpflichtet war, zu prüfen, ob die Voraussetzungen von Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllt waren, könnten die gegen Rn. 69 des angefochtenen Urteils gerichteten Rügen, selbst wenn sie begründet wären, nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.

68      Soweit sich das Vorbringen im Rahmen des zweiten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes auf die Erwägungen in Rn. 57 des angefochtenen Urteils bezieht, ist festzustellen, dass das Rechtsmittel nach Art. 256 AEUV und Art. 58 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf Rechtsfragen beschränkt ist. Allein das Gericht ist für die Feststellung der Tatsachen und für ihre Würdigung zuständig. Nur in dem Fall, dass sich aus den Prozessakten ergibt, dass die Tatsachenfeststellungen des Gerichts tatsächlich falsch sind oder die dafür vorgelegten Beweismittel verfälscht wurden, stellen die Tatsachenfeststellungen und die Beweiswürdigung Rechtsfragen dar, die der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegen (Beschluss vom 19. Dezember 2019, OPS Újpest/Kommission, C‑741/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1104, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Groupe Canal + greift mit seinem Vorbringen aber lediglich die vom Gericht vorgenommene Würdigung der Tatsachen an, wonach ein etwaiger Rückgang der von Groupe Canal + mit Kunden in Frankreich erzielten Einnahmen dadurch ausgeglichen werden könne, dass Groupe Canal + wegen der Durchführung der mit dem streitigen Beschluss für bindend erklärten Verpflichtungen fortan die Möglichkeit habe, sich an Kunden im gesamten EWR und nicht nur in Frankreich zu richten. Eine Verfälschung der Tragweite der Verpflichtungen wird nicht geltend gemacht.

70      Das Vorbringen von Groupe Canal + ist daher unzulässig.

71      Der zweite Teil des dritten Rechtsmittelgrundes ist mithin als teils ins Leere gehend und teils unzulässig zurückzuweisen.

72      Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

3.      Zum zweiten Rechtsmittelgrund

a)      Vorbringen der Parteien

73      Groupe Canal + macht geltend, dass das Gericht, bevor es in Rn. 72 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die vorläufige Beurteilung der Kommission, dass die Bedingungen für die Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV nicht erfüllt seien, fehlerfrei sei, in Rn. 67 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, dass die einschlägigen Klauseln Beschränkungen enthielten, die über das hinausgingen, was für die Produktion und Distribution audiovisueller Werke, deren Urheberrechte geschützt werden müssten, erforderlich sei, und in Rn. 70 des angefochtenen Urteils, dass die einschlägigen Klauseln den gesamten Wettbewerb in Bezug auf amerikanische Filme ausschalteten. Diese Gesichtspunkte seien im Verfahren vor dem Gericht von den Parteien nicht erörtert worden. Das Gericht habe daher gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens verstoßen.

74      Die Kommission hält das Vorbringen von Groupe Canal + für unbegründet. Nach Auffassung der Kommission und des BEUC geht der zweite Rechtsmittelgrund jedenfalls ins Leere. Mit ihm würden nichttragende Gründe des angefochtenen Urteils angegriffen. BEUC macht in erster Linie geltend, dass der zweite Rechtsmittelgrund unzulässig sei. Er sei ganz offensichtlich nicht hinreichend substantiiert.

b)      Würdigung durch den Gerichtshof

75      Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund werden die Rn. 67, 70 und 72 des angefochtenen Urteils angegriffen, die die Frage der Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV im vorliegenden Fall betreffen.

76      Ohne dass geprüft zu werden braucht, ob dieser Rechtsmittelgrund, wie BEUC geltend macht, für unzulässig zu erklären ist, ist aus den in den oben in den Rn. 66 und 67 dargelegten Gründen festzustellen, dass er ins Leere geht.

77      Folglich ist zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

4.      Zum vierten Rechtsmittelgrund

78      Der vierte Rechtsmittelgrund besteht aus zwei Teilen. Es wird gerügt, dass das Gericht dadurch, dass es angenommen habe, dass die Kommission nicht verpflichtet sei, die betroffenen nationalen Märkte einzeln zu untersuchen, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und die Rechte Dritter verletzt habe (erster Teil des vierten Rechtsmittelgrundes), und dass es dadurch, dass es angenommen habe, dass der streitige Beschluss Groupe Canal + nicht die Möglichkeit nehme, bei einem nationalen Gericht Klage zu erheben, um ihre vertraglichen Rechte durchzusetzen, gegen Rn. 128 der Bekanntmachung über bewährte Vorgehensweisen verstoßen und vertragliche Rechte Dritter verletzt habe (zweiter Teil des vierten Rechtsmittelgrundes).

a)      Zum ersten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes

1)      Vorbringen der Parteien

79      Groupe Canal + macht von UPC und der Französischen Republik unterstützt im Wesentlichen geltend, dass die Kommission durch die Annahme der Verpflichtungszusagen von Paramount, die sich auf sämtliche mit den Sendeunternehmen im EWR geschlossenen Verträge bezögen, während sich die vorläufige Beurteilung und die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission nur auf die ausschließlichen Rechte bezogen hätten, die Sky für das Gebiet des Vereinigten Königreichs und Irlands eingeräumt worden seien, unter Verstoß gegen ihre Verpflichtung zur Prüfung der übrigen nationalen Märkte eine „Extrapolation“ vorgenommen und somit die Besonderheiten der übrigen Märkte nicht berücksichtigt habe, insbesondere nicht den französischen Markt, der die Besonderheit aufweise, dass audiovisuelle Produktionen von den Sendeunternehmen, u. a. von ihr, finanziert würden. Das Gericht habe dadurch, dass es den Ansatz der Kommission in Rn. 118 des angefochtenen Urteils gebilligt habe, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und die Rechte Dritter verletzt, in Widerspruch zu dem Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Alrosa (C‑441/07 P, EU:C:2010:377, Rn. 41).

80      Die Kommission hält dieses Vorbringen für unbegründet. Sie wird insoweit von BEUC unterstützt.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

81      Im vorliegenden Fall steht fest, dass sich die vorläufige Beurteilung der Kommission nur auf bestimmte Klauseln der zwischen Paramount und Sky geschlossenen Lizenzvereinbarungen bezog, nämlich diejenigen, mit denen Paramount Sky ausschließliche Lizenzen für das Gebiet des Vereinigten Königreichs und Irlands erteilte. Denn, wie aus Rn. 3 des angefochtenen Urteils hervorgeht, lag der Schwerpunkt der Untersuchung der Kommission auf zwei verbundenen Klauseln der Lizenzvereinbarungen. Mit der ersten Klausel wurde Sky untersagt bzw. dieses Sendeunternehmen in seinen Möglichkeiten eingeschränkt, unaufgeforderten Anfragen nach Pay-TV-Diensten von Verbrauchern nachzukommen, die zwar im EWR, aber außerhalb des Vereinigten Königreichs und Irlands ihren Wohnsitz haben. Mit der zweiten Klausel wurde Paramount verpflichtet, im Rahmen ihrer Vereinbarungen mit Fernsehsendern, die ihren Sitz innerhalb des EWR, aber außerhalb des Vereinigten Königreichs haben, Letzteren zu untersagen bzw. sie in ihren Möglichkeiten einzuschränken, unaufgeforderten Anfragen nach Pay-TV-Diensten von Verbrauchern nachzukommen, die ihren Wohnsitz im Vereinigten Königreich oder Irland haben.

82      Außerdem geht insbesondere aus den Rn. 8 bis 10 des angefochtenen Urteils hervor, dass sich die Verpflichtungszusagen von Paramount, die mit der streitigen Entscheidung für bindend erklärt wurden, auch auf vergleichbare Klauseln bezogen, die in Lizenzvereinbarungen enthalten waren, die Paramount mit den anderen im EWR ansässigen Sendeunternehmen geschlossen hatte oder schließen konnte.

83      Das Gericht hat in den Rn. 40 und 41 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission bei den einschlägigen Klauseln insoweit Bedenken gehabt habe, als diese zu einer absoluten territorialen Ausschließlichkeit führten. Sie hätten eine Wiederherstellung der Abschottung nationaler Märkte zur Folge und liefen dem Ziel des Vertrags zuwider, einen einheitlichen Markt zu schaffen.

84      Wie das Gericht in Rn. 46 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat, könnte eine Vereinbarung, die darauf abzielen würde, die Abschottung nationaler Märkte wiederherzustellen, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs geeignet sein, dem Ziel des Vertrags, eine Integration dieser Märkte durch die Schaffung eines einheitlichen Marktes zu verwirklichen, entgegenzuwirken. Daher können Verträge, durch die nationale Märkte nach den nationalen Grenzen abgeschottet werden sollen oder durch die die gegenseitige Durchdringung der nationalen Märkte erschwert wird, sowohl in Anbetracht der mit ihnen verfolgten Ziele als auch in Anbetracht ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts als Vereinbarungen angesehen werden, die eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV bezwecken.

85      Denn solche Vereinbarungen sind geeignet, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gefährden, wodurch unabhängig von der Situation auf den nationalen Märkten eines der Hauptziele der Union konterkariert wird.

86      Daher hat das Gericht in Rn. 118 des angefochtenen Urteils zu Recht angenommen, dass die einschlägigen Klauseln eine Abschottung der nationalen Märkte im gesamten EWR bezwecken, ohne dass ihr wirtschaftlicher und rechtlicher Kontext die Feststellung zuließe, dass sie nicht geeignet wären, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, so dass die Kommission insoweit im Zusammenhang mit der Anwendung von Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 berechtigterweise in Bezug auf diesen gesamten geografischen Raum wettbewerbsrechtliche Bedenken hatte, auch wenn sie nicht jeden einzelnen betroffenen nationalen Markt analysiert hat.

87      Folglich ist der erste Teil des vierten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

b)      Zum zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes

1)      Vorbringen der Parteien

88      Groupe Canal + macht geltend, dass das Gericht dadurch, dass es in Rn. 104 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass der streitige Beschluss keinen Eingriff in ihre Vertragsfreiheit darstelle, da sie ein nationales Gericht anrufen könne, um die Vereinbarkeit der einschlägigen Klauseln mit Art. 101 Abs. 1 AEUV feststellen zu lassen und gegenüber Paramount die vom nationalen Recht vorgeschriebenen Konsequenzen zu ziehen, gegen den sich aus Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 sowie Rn. 128 und Fn. 76 der Bekanntmachung über bewährte Vorgehensweisen ergebenden Grundsatz verstoßen habe, dass eine Entscheidung gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht bezwecken und nicht bewirken dürfe, dass Verpflichtungen für Wirtschaftsteilnehmer bindend seien, die sie nicht angeboten und auch nicht unterzeichnet hätten.

89      Außerdem habe das Gericht, indem es in Rn. 103 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, dass, wenn ein nationales Gericht Paramount dazu verpflichten würde, seine Verpflichtungszusage nicht einzuhalten, es der Kommission obläge, ihre Untersuchung wieder aufzunehmen, ausdrücklich anerkannt, dass die Erfüllung der Verpflichtungszusagen vom Willen von Groupe Canal + abhänge, ohne aus dieser Feststellung jedoch alle rechtlichen Konsequenzen zu ziehen.

90      Groupe Canal + macht unterstützt von der Französischen Republik weiter geltend, dass das Gericht dadurch, dass es in Rn. 100 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, dass der streitige Beschluss die Beurteilungen des nationalen Gerichts nur insoweit beeinflussen könne, als er eine vorläufige Beurteilung enthalte, die Rechte Dritter, im vorliegenden Fall ihre Rechte, schwer missachtet habe. Der streitige Beschluss nehme ihr nämlich ihre Vertragsfreiheit. Sie könne beim nationalen Gericht in Wirklichkeit nicht durchsetzen, dass es sich in Widerspruch zur Kommission setze und die Gültigkeit der einschlägigen Klauseln anerkenne. Insoweit ergebe sich aus dem Urteil vom 23. November 2017, Gasorba u. a. (C‑547/16, EU:C:2017:891, Rn. 28 und 29), dass die nationalen Gerichte Entscheidungen gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht ignorieren dürften und dass sie die vorläufigen Beurteilungen der Kommission berücksichtigen und als Indiz oder als Anfangsbeweis für die Wettbewerbswidrigkeit der in Rede stehenden Vereinbarung betrachten müssten. Die Freiheit der nationalen Gerichte wäre nur dann gewahrt, wenn sie beschlössen, ihre Ermittlungen zur Vereinbarkeit der betreffenden Vereinbarungen mit dem Wettbewerbsrecht fortzusetzen.

91      Die Französische Republik macht insoweit ferner geltend, dass die Wirkung einer Entscheidung gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 auf die Beurteilung des nationalen Gerichts durch die nach und nach mit anderen Unternehmen des betreffenden Sektors ausgehandelten Verpflichtungen verstärkt werde, so dass aufeinander folgende Verpflichtungen die Norm darstellen könnten, von der das nationale Gericht nur schwer abweichen könne. Außerdem könnte der Umstand, dass die Kommission, falls das nationale Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass die in Rede stehende Vereinbarung nicht gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoße, zwangsläufig gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1/2003 das Verfahren wieder aufnehmen würde, geeignet sein, das nationale Gericht davon abzuhalten, die vorläufige Beurteilung der Kommission in Zweifel zu ziehen.

92      Die Kommission vertritt unterstützt von BEUC die Auffassung, dass das Gericht in den Rn. 83 bis 108 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt habe, dass die Umsetzung der Verpflichtungszusagen von Paramount nicht vom Willen Dritter, auch nicht von Groupe Canal +, abhänge. Indem sie die betreffenden Verpflichtungszusagen angeboten habe, habe Paramount von ihrer Vertragsfreiheit Gebrauch gemacht, an bestimmten Vertragsklauseln nicht mehr festzuhalten oder nicht mehr an sie gebunden zu sein. Diese Entscheidung hänge nicht vom Willen eines Dritten ab. Außerdem sei Groupe Canal + dadurch, dass die Kommission die Verpflichtungszusagen von Paramount angenommen habe, nicht daran gehindert, die nationalen Gerichte anzurufen, um in ihren Vertragsbeziehungen mit Paramount ihre Rechte durchzusetzen. Gelange das nationale Gericht zu der Einschätzung, dass die einschlägigen Klauseln nicht gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstießen oder die Voraussetzungen von Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllten, habe es zu beurteilen, ob der Ausgang des Verfahrens vor ihm Paramount dazu bringen könnte, die mit dem streitigen Beschluss für bindend erklärten Verpflichtungszusagen nicht einzuhalten. Um Letzteres zu verhindern, könnte das nationale Gericht es ablehnen, die Erfüllung der einschlägigen Klauseln anzuordnen, und gleichzeitig Paramount nach den anwendbaren nationalen Bestimmungen verurteilen, stattdessen Schadensersatz zu leisten. Das Gericht habe eine solche Lösung in Rn. 103 des angefochtenen Urteils in Betracht gezogen.

93      Im Übrigen habe das Gericht in Rn. 102 des angefochtenen Urteils zu Recht angenommen, dass Groupe Canal + erwirken könne, dass das nationale Gericht sich in Widerspruch zur Kommission setze und feststelle, dass die einschlägigen Klauseln gültig seien. Nach Rn. 29 des Urteils vom 23. November 2017, Gasorba u. a. (C‑547/16, EU:C:2017:891), müsse das nationale Gericht die vorläufige Beurteilung der Kommission, wie sie im streitigen Beschluss dargestellt sei, lediglich berücksichtigen und sie als Indiz oder als Anfangsbeweis für die Wettbewerbswidrigkeit der in Rede stehenden Vereinbarung betrachten.

2)      Würdigung durch den Gerichtshof

94      Im Rahmen der Prüfung des zweiten Teils des dritten Klagegrundes, mit dem geltend gemacht wurde, dass die vertraglichen Rechte Dritter wie Groupe Canal + unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt worden seien, hat das Gericht in den Rn. 89 und 90 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Entscheidung gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 nur für diejenigen Unternehmen verbindlich sei, die eine „Verpflichtungszusage“ im Sinne dieser Bestimmung angeboten hätten, und nicht zum Ziel haben und sich auch nicht dahin gehend auswirken könne, dass eine Verpflichtungszusage für Marktteilnehmer verbindlich werde, die sie weder abgegeben noch ihr zugestimmt hätten.

95      In den Rn. 91 und 92 des angefochtenen Urteils hat das Gericht u. a. angenommen, dass es ein über die Bestimmungen von Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 hinausgehender Eingriff in die Vertragsfreiheit eines dritten Marktteilnehmers wäre, wenn die Kommission in Fällen, in denen die Verpflichtungszusage darin bestehe, eine vertragliche Klausel nicht anzuwenden, die einem Dritten Rechte einräume, befugt wäre, die Verpflichtungszusage gegenüber einem Dritten wie Groupe Canal + für bindend zu erklären, ohne dass dieser die Verpflichtungszusage angeboten hätte und ohne dass sich das Verfahren der Kommission gegen ihn gerichtet hätte.

96      Sodann hat das Gericht geprüft, ob der streitige Beschluss angesichts seines Wortlauts und des rechtlichen Kontextes, in dem er erlassen worden sei, das Ziel verfolge oder die Wirkung habe, dass die von Paramount angebotene Verpflichtungszusage unter Verstoß gegen Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 einer von Groupe Canal + angebotenen Verpflichtungszusage gleichkomme. Insoweit hat das Gericht in Rn. 94 des angefochtenen Urteils erstens festgestellt, dass dem streitigen Beschluss nicht zu entnehmen sei, dass er Vertragspartnern von Paramount wie Groupe Canal + eine Verpflichtung auferlege.

97      Zweitens hat das Gericht in Rn. 95 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass der Umstand, dass sich Paramount, wie dies in Nr. 2.2 Buchst. a des Anhangs des streitigen Beschlusses vorgesehen sei, in allgemeiner Form verpflichte, die Einhaltung der Verpflichtung der Sendeunternehmen, keine passiven Verkäufe außerhalb ihres Exklusivgebiets durchzuführen, nicht gerichtlich durchzusetzen, automatisch dazu führe, dass Paramount ihre Verpflichtung, solche Verkäufe zu verbieten, nicht mehr einhalte, wie aus Nr. 2.2 Buchst. b des Anhangs folge, und dass diese Verpflichtungszusage wiederum automatisch dazu führe, dass das vertragliche Recht der Sendeunternehmen, die mit Paramount Verträge abgeschlossen hätten, in Frage gestellt werde, welches darin bestehe, dass Paramount jedem Sendeunternehmen eine absolute territoriale Ausschließlichkeit in Bezug auf den Gegenstand der jeweiligen Pay-TV-Output-Lizenzvereinbarung gewährleiste.

98      In Rn. 96 des angefochtenen Urteils hat das Gericht weiter ausgeführt, dass sich in dem Zusammenhang die Frage stelle, ob dieses Ergebnis durch den streitigen Beschluss selbst verursacht werde, was bedeuten würde, dass es sich um eine unabänderliche Auswirkung gegenüber einem Dritten handele, der die für bindend erklärte Verpflichtungszusage weder angeboten noch ihr zugestimmt habe, oder ob die Erklärung von Paramount, die einschlägigen Klauseln nicht mehr einzuhalten, im Wesentlichen eine Handlung sei, die Paramount auf eigene Gefahr vollziehe und die ihren Vertragspartnern nicht die Möglichkeit nehme, bei einem nationalen Gericht Klage zu erheben, um die Einhaltung dieser Klauseln durchzusetzen.

99      Im Übrigen hat das Gericht in den Rn. 100 und 102 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass bei einer Klage, die ein Unternehmen erhebe, um seine vertraglichen Rechte durchzusetzen, die durch von der Kommission mit einer Entscheidung gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 für bindend erklärte Verpflichtungszusagen verletzt werden, ein nationales Gericht zu einem ganz oder teilweise von der in einer Entscheidung enthaltenen vorläufigen wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Kommission abweichenden Ergebnis gelangen und feststellen könne, dass die Klauseln, die Gegenstand der Verpflichtungszusagen seien, nicht gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstießen.

100    In Rn. 103 des angefochtenen Urteils hat das Gericht angenommen, dass die nationalen Gerichte eine Entscheidung erlassen könnten, die dazu führen könnte, dass Paramount die durch den streitigen Beschluss für bindend erklärten Verpflichtungszusagen nicht einhalte.

101    Das Gericht ist in Rn. 104 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gelangt, dass der streitige Beschluss Groupe Canal + nicht die Möglichkeit nehme, ein nationales Gericht anzurufen, um die Vereinbarkeit der einschlägigen Klauseln mit Art. 101 Abs. 1 AEUV feststellen zu lassen und gegenüber Paramount die vom nationalen Recht vorgeschriebenen Konsequenzen zu ziehen.

102    Das Gericht hat in Rn. 106 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission beim Erlass des streitigen Beschlusses innerhalb der Grenzen der ihr nach Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 obliegenden Befugnisse gehandelt und das Ziel dieser Vorschrift gewahrt habe, der Erwägungen der Verfahrensökonomie und der Wirksamkeit zugrunde lägen, ohne dass sie die vertraglichen Rechte oder die Verfahrensrechte von Groupe Canal + in einer Weise beeinträchtigt habe, die über das hinausgehe, was zur Verwirklichung dieses Ziels erforderlich sei.

103    Groupe Canal + rügt im Wesentlichen, dass das Gericht dadurch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe, dass es die Bedeutung der Auswirkungen der von der Paramount abgegebenen und mit dem streitigen Beschluss für bindend erklärten Verpflichtungszusagen auf die vertraglichen Rechte von Groupe Canal + heruntergespielt habe. Das Gericht sei von der unzutreffenden Annahme ausgegangen, dass in diesem Zusammenhang eine bei den nationalen Gerichten erhobene Klage, mit der diese vertraglichen Rechte geltend gemacht würden, Erfolg haben könne.

104    Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Handlungen der Unionsorgane zur Erreichung der mit einer Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist (Urteil vom 11. Dezember 2018, Weiss u. a., C‑493/17, EU:C:2018:1000, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

105    Die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch die Kommission beschränkt sich im Zusammenhang mit Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 auf die Prüfung, ob die fraglichen Verpflichtungszusagen die von der Kommission gegenüber den beteiligten Unternehmen mitgeteilten Bedenken ausräumen und diese Unternehmen keine weniger belastenden Verpflichtungszusagen angeboten haben, die den Bedenken ebenfalls in angemessener Weise gerecht würden. Dabei muss die Kommission allerdings die Interessen der Dritten berücksichtigen (Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Alrosa, C‑441/07 P, EU:C:2010:377, Rn. 41).

106    Wie der Generalanwalt in Nr. 123 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass, wenn die Kommission die Verpflichtungszusagen nicht im Hinblick auf ihre Eignung, die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, sondern im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Interessen Dritter prüft, deren Rechte nicht ausgehöhlt werden.

107    In diesem Zusammenhang hat das Gericht in den Rn. 91 und 92 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden, dass, wenn die Kommission eine Verpflichtungszusage eines Wirtschaftsteilnehmers für bindend erklärt, die darin besteht, bestimmte vertragliche Klauseln gegenüber einem Vertragspartner wie Groupe Canal + nicht anzuwenden, der die Verpflichtungszusage nicht angeboten hat und gegen den sich das betreffende Verfahren nicht gerichtet hat, obwohl nicht gemäß Rn. 128 der Bekanntmachung über bewährte Vorgehensweisen ein Nachweis für seine Zustimmung vorlegt worden ist, dies einen über die Bestimmungen von Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 hinausgehenden Eingriff in die Vertragsfreiheit des betreffenden Dritten darstellen würde. Das Gericht hat dann in Rn. 94 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass dem auf der Grundlage von Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 erlassenen streitigen Beschluss nicht zu entnehmen ist, dass er Groupe Canal + unmittelbar irgendeine Verpflichtung auferlegte. In Rn. 95 des angefochtenen Urteils hat das Gericht aber ebenfalls zu Recht festgestellt, dass die mit dem streitigen Beschluss für bindend erklärten Verpflichtungszusagen von Paramount automatisch dazu führen, dass Paramount bestimmte vertragliche Verpflichtungen, die sie gegenüber Groupe Canal + mit der am 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Lizenzvereinbarung eingegangen ist, nicht mehr einhält.

108    Zwar ergibt sich aus dem 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003, dass Entscheidungen gemäß Art. 9 dieser Verordnung die Befugnisse u. a. der Gerichte der Mitgliedstaaten, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen die Art. 101 und 102 AEUV festzustellen und über den Fall zu entscheiden, unberührt lassen. Eine von der Kommission gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 in Bezug auf bestimmte Vereinbarungen zwischen Unternehmen getroffene Verpflichtungsentscheidung hindert die nationalen Gerichte daher nicht daran, zu prüfen, ob die Vereinbarungen mit den Wettbewerbsregeln vereinbar sind, und gegebenenfalls gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV festzustellen, dass sie nichtig sind (Urteil vom 23. November 2017, Gasorba u. a., C‑547/16, EU:C:2017:891, Rn. 30).

109    Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 dürfen die Gerichte der Mitgliedstaaten, wenn sie nach Art. 101 oder 102 AEUV über Vereinbarungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen zu befinden haben, die bereits Gegenstand einer Entscheidung der Kommission sind, aber keine Entscheidungen erlassen, die der Entscheidung der Kommission zuwiderlaufen.

110    Eine Entscheidung eines nationalen Gerichts, mit der ein Unternehmen, das Verpflichtungen eingegangen ist, die mit einer Entscheidung gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 für bindend erklärt wurden, verpflichtet würde, diesen Verpflichtungen zuwiderzuhandeln, liefe der Entscheidung gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 jedoch offensichtlich zuwider.

111    Folglich hat das Gericht dadurch, dass es in Rn. 103 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen entschieden hat, dass die nationalen Gerichte, wenn sie über eine Klage zu entscheiden haben, mit der die vertraglichen Rechte von Groupe Canal + durchgesetzt werden sollen, gegebenenfalls anordnen könnten, dass Paramount seine durch den streitigen Beschluss für bindend erklärten Verpflichtungen nicht einhält, gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen.

112    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil vom 14. Dezember 2000, Masterfoods und HB, C‑344/98, EU:C:2000:689, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung), die nunmehr in Art. 16 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1/2003 kodifiziert ist, gebieten die einheitliche Anwendung der Wettbewerbsregeln und der allgemeine Grundsatz der Rechtssicherheit, dass die nationalen Gerichte, wenn sie über Vereinbarungen oder Verhaltensweisen befinden, zu denen noch eine Entscheidung der Kommission ergehen kann, es vermeiden, Entscheidungen zu erlassen, die Entscheidungen zuwiderlaufen, die die Kommission zur Anwendung von Art. 101 Abs. 1 und Art. 102 AEUV sowie von Art. 101 Abs. 3 AEUV zu treffen beabsichtigt.

113    Da Entscheidungen gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, wie sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt, erlassen werden, „[wenn] die Kommission [beabsichtigt], eine Entscheidung zur Abstellung einer Zuwiderhandlung zu erlassen“, dürfen die nationalen Gerichte, wenn eine Entscheidung gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 erlassen worden ist, nach der in der vorstehenden Randnummer genannten Rechtsprechung im Hinblick auf die betreffenden Verhaltensweisen keine „Negativentscheidungen“ erlassen, mit denen festgestellt wird, dass kein Verstoß gegen Art. 101 und 102 AEUV vorliegt, wenn die Kommission das Verfahren noch gemäß Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 wieder aufnehmen und gegebenenfalls eine Entscheidung erlassen kann, mit der formell festgestellt wird, dass eine Zuwiderhandlung vorliegt.

114    Daher hat das Gericht auch dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es in den Rn. 100, 102 und 104 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen festgestellt hat, dass ein nationales Gericht gegebenenfalls feststellen könne, dass Klauseln wie die einschlägigen Klauseln nicht gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstießen, und der Klage, die ein Unternehmen erhebe, um seine vertraglichen Rechte, die durch von der Kommission für bindend erklärte Verpflichtungszusagen verletzt würden, durchzusetzen oder Schadensersatz zu erlangen, stattgeben könne.

115    Daraus folgt, dass das Tätigwerden der nationalen Gerichte nicht geeignet ist, eine fehlende Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im Hinblick auf den Schutz der vertraglichen Rechte Dritter im Stadium des Erlasses einer Entscheidung gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 angemessen und wirksam auszugleichen.

116    Mithin hat das Gericht in den Rn. 96 bis 106 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen, dass die Möglichkeit für die Vertragspartner von Paramount, u. a. Groupe Canal +, die nationalen Gerichte anzurufen, geeignet sei, die oben in Rn. 95 festgestellten Wirkungen der mit der streitigen Entscheidung für bindend erklärten Verpflichtungszusagen von Paramount auf die vertraglichen Rechte dieser Vertragspartner auszugleichen.

117    Zwar hat der Gerichtshof, worauf das Gericht in Rn. 101 des angefochtenen Urteils hinweist, in seinem Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Alrosa (C‑441/07 P, EU:C:2010:377, Rn. 49), im Zusammenhang mit einem Untersuchungsverfahren, das zwei Unternehmen betraf, die einen Vertrag geschlossen hatten, dessen Inkrafttreten durch die Erlangung eines Negativattests oder einer Freistellung durch die Kommission bedingt war, festgestellt, dass die Tatsache, dass die Einzelzusagen eines Unternehmens von der Kommission für bindend erklärt worden sind, nicht bedeutet, dass anderen Unternehmen die Möglichkeit genommen wird, ihre etwaigen Rechte im Rahmen der Beziehungen mit diesem Unternehmen zu schützen. Angesichts der Grenzen, die den Befugnissen der nationalen Gerichte gesetzt sind (siehe oben, Rn. 109, 110, 112 und 113), ist jedoch festzustellen, dass die vertraglichen Rechte eines Dritten wie Groupe Canal + im Rahmen einer bei einem nationalen Gericht erhobenen Klage nicht angemessen geschützt werden können, wenn die Kommission eine Verpflichtungszusage für bindend erklärt, nach der der Vertragspartner des Dritten bestimmte Verpflichtungen gegenüber dem Dritten nicht erfüllen darf, die mit einem unbedingten, bereits gültigen Vertrag freiwillig eingegangen wurden, zumal wenn das von der Kommission eingeleitete Verfahren nicht gegen den Dritten gerichtet ist.

118    Folglich greift der zweite Teil des vierten Rechtsmittelgrundes durch.

119    Somit ist festzustellen, dass das angefochtene Urteil hinsichtlich der vom Gericht vorgenommenen Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der streitigen Entscheidung im Hinblick auf die Beeinträchtigung der Interessen Dritter unter einem Rechtsfehler leidet.

120    Folglich ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

VI.    Zur Klage vor dem Gericht

121    Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.

122    Das ist hier der Fall.

123    Mit dem zweiten Teil des dritten Klagegrundes macht Groupe Canal + im Wesentlichen geltend, dass die Kommission dadurch, dass sie mit dem streitigen Beschluss die Verpflichtungszusagen von Paramount für bindend erklärt habe, die vertraglichen Rechte Dritter wie Groupe Canal + in unverhältnismäßiger Weise verletzt und damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe.

124    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 107), wäre es ein über die Bestimmungen von Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 hinausgehender Eingriff in die Vertragsfreiheit eines dritten Marktteilnehmers, wenn die Kommission in Fällen, in denen die Verpflichtungszusage darin besteht, eine vertragliche Klausel nicht anzuwenden, die einem Dritten Rechte einräumt, befugt wäre, die Verpflichtungszusage gegenüber dem Dritten für bindend zu erklären, ohne dass dieser die Verpflichtungszusage angeboten hätte und ohne dass sich das Verfahren der Kommission gegen ihn gerichtet hätte.

125    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, dass den Sendeunternehmen, die mit Paramount Verträge geschlossen haben, mit dem streitigen Beschluss keine Verpflichtungen auferlegt werden. Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 107), führen die mit dem streitigen Beschluss für bindend erklärten Verpflichtungszusagen von Paramount aber automatisch dazu, dass der vertragliche Anspruch der Sendeunternehmen, darunter Groupe Canal +, gegenüber Paramount auf Gewährleistung einer absoluten territorialen Exklusivität in Bezug auf den Gegenstand der jeweiligen Pay-TV-Output-Lizenzvereinbarung in Frage gestellt wird. Nach dem streitigen Beschluss ist Paramount nämlich u. a. verpflichtet, bestimmte Verpflichtungen aus den Verträgen mit den Sendeunternehmen, mit denen diese Exklusivität gewährleistet werden soll, nicht einzuhalten, insbesondere diejenigen, die in den Art. 3 und 12 des am 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Lizenzvertrags mit Groupe Canal + vorgesehen sind.

126    Wie der Generalanwalt in Nr. 125 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, können solche Verpflichtungen aber einen wesentlichen Bestandteil des wirtschaftlichen Gleichgewichts darstellen, das die betreffenden Sendeunternehmen und Paramount in Ausübung ihrer Vertragsfreiheit bestimmt haben.

127    Unter diesen Umständen ist, wie sich aus der Prüfung des zweiten Teils des vierten Rechtsmittelgrundes, insbesondere aus den Rn. 108 bis 117 des vorliegenden Urteils ergibt, die Möglichkeit für die Vertragspartner von Paramount, darunter Groupe Canal +, die nationalen Gerichte anzurufen, nicht geeignet, diese Auswirkungen des streitigen Beschlusses auf die vertraglichen Rechte der Vertragspartner von Paramount angemessen auszugleichen. Daraus folgt, dass die Kommission dadurch, dass sie mit dem streitigen Beschluss die Verpflichtungszusagen von Paramount unter Verstoß gegen das oben in Rn. 106 genannte Erfordernis für bindend erklärt hat, die vertraglichen Rechte Dritter, darunter Groupe Canal +, gegenüber Paramount ausgehöhlt und damit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt hat.

128    Folglich ist dem zweiten Teil des dritten Klagegrundes stattzugeben, so dass der streitige Beschluss für nichtig zu erklären ist, ohne dass die übrigen im ersten Rechtszug geltend gemachten Argumente und Klagegründe geprüft zu werden brauchen.

VII. Kosten

129    Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet, über die Kosten.

130    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

131    Da Groupe Canal +, EFADs, UPC und C More Entertainment beantragt haben, der Kommission die Kosten aufzuerlegen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die Groupe Canal +, EFADs und UPC im Rechtsmittelverfahren und im ersten Rechtszug entstanden sind, sowie die Kosten, die der C More Entertainment AB im ersten Rechtszug entstanden sind, aufzuerlegen.

132    Da die Französische Republik nicht beantragt hat, der Kommission die Kosten aufzuerlegen, sind ihr ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

133    Nach Art. 140 Abs. 3 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, trägt BEUC als Streithelfer im Verfahren vor dem Gericht seine eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Dezember 2018, Groupe Canal +/Kommission (T873/16, EU:T:2018:904), wird aufgehoben.

2.      Der Beschluss der Europäischen Kommission vom 26. Juli 2016 in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.40023 – Grenzübergreifender Zugang zu Pay-TV‑Inhalten) wird für nichtig erklärt.

3.      Die Europäische Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die der Groupe Canal + SA, den European Film Agency Directors – EFADs und der Union des producteurs de cinéma (UPC) im Rechtsmittelverfahren und im ersten Rechtszug entstanden sind, sowie die Kosten, die der C More Entertainment AB im ersten Rechtszug entstanden sind.

4.      Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

5.      Das Bureau européen des unions de consommateurs (BEUC) trägt seine eigenen Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.