Language of document : ECLI:EU:T:2011:742

URTEIL DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer)

14. Dezember 2011

Rechtssache T‑361/10 P

Europäische Kommission

gegen

Dimitrios Pachtitis

„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Beamte – Einstellung – Bekanntmachung des Auswahlverfahrens – Allgemeines Auswahlverfahren – Nichtzulassung zur schriftlichen Prüfung infolge des bei den Zulassungstests erzielten Ergebnisses – Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen dem EPSO und dem Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren“

Gegenstand:      Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Erste Kammer) vom 15. Juni 2010, Pachtitis/Kommission (F‑35/08), wegen Aufhebung dieses Urteils

Entscheidung:      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen sowie die Herrn Dimitrios Pachtitis im Rahmen des vorliegenden Rechtszugs entstandenen Kosten.


Leitsätze


1.      Beamte – Auswahlverfahren – Begriff – Vorphase mit aus Multiple-Choice-Fragen bestehenden Zulassungstests – Einbeziehung

(Beamtenstatut, Anhang III)

2.      Beamte – Auswahlverfahren – Ablauf des Auswahlverfahrens – Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen dem Europäischen Amt für Personalauswahl (EPSO), der Anstellungsbehörde und dem Prüfungsausschuss

(Beamtenstatut, Art. 30 Abs. 1; Anhang III, Art. 1 Abs. 1 und Art. 5; Beschluss 2002/621/EG der Generalsekretäre des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, des Kanzlers des Gerichtshofs, der Generalsekretäre des Rechnungshofs, des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen sowie des Vertreters des Bürgerbeauftragten, Art. 1 Abs. 1 und 2 Buchst. c)

1.      Im Rahmen der ersten Phase eines Auswahlverfahrens zur Einstellung von Beamten haben die aus Multiple-Choice-Fragen bestehenden Zulassungstests vergleichende Natur, die mit dem Begriff des Auswahlverfahrens eng verbunden ist, da es nicht ausreicht, in den fraglichen Tests die Durchschnittsnote zu erzielen, sondern es für die Zulassung zur zweiten Phase des Auswahlverfahrens erforderlich ist, zu einer vorher festgelegten Anzahl von Bewerbern zu gehören, die die besten Noten bei den Zulassungstests erzielt haben. Diese Phase ist somit nicht lediglich ein formaler Bestandteil des Auswahlverfahrens, sondern hat selbst den Charakter eines Auswahlverfahrens.

(vgl. Randnr. 34)


2.      Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und e des Anhangs III des Statuts, wonach die Anstellungsbehörde in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens die Modalitäten (Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen, aufgrund von Prüfungen oder aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen) und bei einem Auswahlverfahren aufgrund von Prüfungen die Art der Prüfungen und ihre Bewertung anzugeben hat, sagt nichts über die Befugnis der Anstellungsbehörde, die im Rahmen eines Auswahlverfahrens gestellten Fragen auszuwählen und zu bewerten. Bei den Modalitäten eines Auswahlverfahrens nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. b des Anhangs III des Statuts geht es nämlich um Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen, aufgrund von Prüfungen oder aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen, so dass diese Bestimmung nicht die Festlegung des Inhalts der Prüfungen betrifft. Was Art. 1 Abs. 1 Buchst. e dieses Anhangs betrifft, fällt zwar die Festlegung von Schwellenwerten für das Bestehen der Prüfungen in den Anwendungsbereich des Begriffs „Art der Prüfungen und ihre Bewertung“, doch gilt dies nicht für die Bestimmung des Inhalts der im Rahmen eines Auswahlverfahrens zu stellenden Fragen. Anhang III des Statuts regelt nicht ausdrücklich, wer den Inhalt der Vorauswahlprüfungen bestimmt und diese Phase des Auswahlverfahrens überwacht. Eine solche Befugnis wird weder der Anstellungsbehörde noch dem Prüfungsausschuss ausdrücklich übertragen.

Art. 30 Abs. 1 des Statuts und Art. 5 Abs. 1 des Anhangs III des Statuts sehen vor, dass es dem Prüfungsausschuss obliegt, ein Verzeichnis der geeigneten Bewerber bzw. das Verzeichnis der Bewerber, die den Bedingungen der Stellenausschreibung entsprechen, aufzustellen. In Anbetracht dieser Zuständigkeiten kommt dem Prüfungsausschuss eine entscheidende Aufgabe im Ablauf eines Auswahlverfahrens zu.

Vor der Errichtung des Europäischen Amts für Personalauswahl (EPSO) besaß die Anstellungsbehörde bei der Festlegung der Bedingungen und Durchführungsmodalitäten eines Auswahlverfahrens ein weites Ermessen, während der Prüfungsausschuss über ein weites Ermessen in Bezug auf die Modalitäten und den detaillierten Inhalt der im Rahmen eines Auswahlverfahrens vorgesehenen Prüfungen verfügte und gleichzeitig auch für die Überwachung einer etwaigen von der Anstellungsbehörde organisierten ersten Phase zur Vorauswahl der Bewerber zuständig war. Die im Jahr 2002 erfolgte Errichtung des EPSO, dessen Aufgaben in Bezug auf den Ablauf der Auswahlverfahren für die Einstellung von Beamten im Wesentlichen organisatorischer Natur sind, hat sich nicht auf die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Anstellungsbehörde und dem Prüfungsausschuss ausgewirkt. Denn der Auftrag des EPSO ist, zu gewährleisten, dass in den Ausleseverfahren für Beamte einheitliche Kriterien angewandt werden. Er bezieht sich auf die Bestimmung der Ausleseverfahren für Beamte im Allgemeinen und nicht auf die Bestimmung des Inhalts spezifischer Auswahlverfahren.

Das EPSO übt somit zwar die Befugnisse der Personalauswahl aus, die den Anstellungsbehörden im Bereich der Auswahlverfahren übertragen worden sind; jedoch liegen sowohl die Auswahl als auch die Beurteilung der Themen der im Rahmen eines Auswahlverfahrens gestellten Fragen außerhalb seiner Zuständigkeit. Denn im Kontext von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Beschlusses 2002/621 über die Organisation und den Betrieb des EPSO, wonach das EPSO die Aufgabe hat, unter optimalen fachlichen und finanziellen Rahmenbedingungen allgemeine Auswahlverfahren für Beamtinnen und Beamte zur Einstellung bei den Organen durchzuführen, überträgt Art. 1 Abs. 2 Buchst. c dieses Beschlusses dem EPSO eher die Funktion eines dem Prüfungsausschuss bei einem Auswahlverfahren Assistierenden, indem es mit der Entwicklung von Methoden und Techniken zur Personalauswahl beauftragt wird.

(vgl. Randnrn. 41 bis 44, 46 bis 48, 50, 52, 54 und 55)


Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: 5. März 2003, Staelen/Parlament, T‑24/01, Slg. ÖD I‑A‑79 und II‑423, Randnr. 51; 17. September 2003, Alexandratos und Panagiotou/Rat, T‑233/02, Slg. ÖD I‑A‑201 und II‑989, Randnr. 26; 26. Oktober 2004, Falcone/Kommission, T‑207/02, Slg. ÖD I‑A‑305 und II‑1393, Randnrn. 31, 38 und 39; 14. Juli 2005, Le Voci/Rat, T‑371/03, Slg. ÖD I‑A‑209 und II‑957, Randnr. 41