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BESCHLUSS DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

11. Januar 2024(*)

„Untätigkeitsklage – Verstoß gegen Formerfordernisse – Nichteinleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens – Offensichtliche Unzuständigkeit – Offensichtliche Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑1058/23,

Peter Fass, wohnhaft in Küssaberg (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt T. Gerspacher,

Kläger,

gegen

Bundesrepublik Deutschland,

Europäische Kommission,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Svenningsen (Berichterstatter) sowie des Richters J. Laitenberger und der Richterin M. Stancu,

Kanzler: V. Di Bucci,

folgenden

Beschluss

1        Mit seiner Klage nach Art. 265 AEUV beantragt der Kläger, Herr Peter Fass, im Wesentlichen die Feststellung, dass die Europäische Kommission es rechtswidrig unterlassen hat, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten.

 Rechtliche Würdigung

2        Nach Art. 126 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn es für die Entscheidung über eine Klage offensichtlich unzuständig ist oder eine Klage offensichtlich unzulässig ist, die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.

3        Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht durch die Aktenstücke für hinreichend unterrichtet und entscheidet in Anwendung dieses Artikels ohne Fortsetzung des Verfahrens.

4        In der vorliegenden Rechtssache bezeichnet der Kläger auf der ersten Seite seiner Klageschrift als einzige Beklagte die Bundesrepublik Deutschland.

5        Die Zuständigkeiten des Gerichts sind in Art. 256 AEUV aufgezählt, der durch Art. 51 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union präzisiert wird. Nach diesen Bestimmungen ist das Gericht nur für Klagen von Einzelnen zuständig, die gegen Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Europäischen Union gerichtet sind (Beschlüsse vom 25. April 2018, Hunvald/Ungarn, T‑818/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:235, Rn. 6, und vom 1. September 2020, Anthrakefs/Deutschland und Freistaat Bayern, T‑228/20, EU:T:2020:387, Rn. 6).

6        Folglich ist das Gericht offensichtlich unzuständig, soweit die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist.

7        Soweit die Klage als gegen die Kommission gerichtet verstanden werden kann, ist darauf hinzuweisen, dass die Klageschrift nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß deren Art. 53 Abs. 1 auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, und nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung u. a. den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss. Diese Angaben müssen hinreichend klar und genau sein, um dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht – gegebenenfalls ohne weitere Informationen – die Entscheidung über die Klage zu ermöglichen. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben (Beschlüsse vom 19. Dezember 2022, Aziz/SEAE, C‑315/22 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:1012, Rn. 11, vom 13. Mai 2020, Lucaccioni/Kommission, T‑308/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:207, Rn. 34, und vom 11. März 2021, Techniplan/Kommission, T‑426/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:129, Rn. 19).

8        Zwar kann der Text der Klageschrift zu bestimmten Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Abschnitte beigefügter Schriftstücke untermauert und ergänzt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der rechtlichen Ausführungen ausgleichen, die nach den genannten Bestimmungen in der Klageschrift enthalten sein müssen (Urteil vom 16. März 2023, GABO:mi/Kommission, C‑696/21 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2023:217, Rn. 48).

9        Außerdem ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (Urteile vom 7. November 1997, Cipeke/Kommission, T‑84/96, EU:T:1997:174, Rn. 34, und vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 94).

10      Im vorliegenden Fall umfasst die Klageschrift nur drei Seiten. Der Kläger bezieht sich darin vage auf bestimmte tatsächliche Umstände und zählt Rechtsnormen auf, die verletzt worden sein sollen, ohne sie mit irgendeiner rechtlichen Argumentation zu verbinden. Im Übrigen beschränkt er sich darauf, „vollumfänglich“ „[a]uf [seine eigenen] Ausführungen“ zu verweisen, die in einer 66 Seiten umfassenden Anlage mit der Bezeichnung „Zusatzbegründung durch den Kläger Peter Fass vom 3. 11. 2023“, dem Datum der Klageerhebung, enthalten sind.

11      Folglich ist das Gericht bei bloßer Lektüre des Texts der Klageschrift nicht in der Lage, die geltend gemachten Klagegründe und Argumente zu erkennen, so dass die Klageschrift nicht den Mindestanforderungen von Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung genügt.

12      Was den Klagegegenstand anbelangt, beantragt der Kläger im Wesentlichen die Feststellung, dass die Kommission es rechtswidrig unterlassen hat, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten.

13      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Untätigkeitsklage unzulässig ist, mit der eine natürliche oder juristische Person die Feststellung begehrt, dass die Kommission es unter Verletzung des AEU-Vertrags unterlassen hat, einen Beschluss zu fassen, indem sie gegen einen Mitgliedstaat kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 1989, Star Fruit/Kommission, 247/87, EU:C:1989:58, Rn. 14, und Beschluss vom 12. November 1996, SDDDA/Kommission, T‑47/96, EU:T:1996:164, Rn. 41). Natürliche oder juristische Personen können sich nämlich auf Art. 265 Abs. 3 AEUV nur berufen, um feststellen zu lassen, dass ein Organ, eine Einrichtung oder eine sonstige Stelle der Union es unter Verletzung des AEU-Vertrags unterlassen hat, andere Akte als Empfehlungen oder Stellungnahmen zu erlassen, deren Rechtmäßigkeit sie im Wege der Nichtigkeitsklage anfechten könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. November 1996, T. Port, C‑68/95, EU:C:1996:452, Rn. 58 und 59).

14      Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258 AEUV kann die Kommission jedoch nur Akte erlassen, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sind (Beschlüsse vom 29. November 1994, Bernardi/Kommission, T‑479/93 und T‑559/93, EU:T:1994:277, Rn. 31, und vom 19. Februar 1997, Intertronic/Kommission, T‑117/96, EU:T:1997:16, Rn. 32). Außerdem ergibt sich aus dem System von Art. 258 AEUV, dass weder die mit Gründen versehene Stellungnahme, die nur eine Vorstufe zur eventuellen Erhebung einer Vertragsverletzungsklage beim Gerichtshof ist, noch die Befassung des Gerichtshofs durch die tatsächliche Erhebung einer solchen Klage Handlungen darstellen, die natürliche oder juristische Personen unmittelbar betreffen, so dass eine Klage unzulässig ist, mit der Einzelne die Weigerung der Kommission angreifen, gegen einen Mitgliedstaat ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten (Beschlüsse vom 12. Juni 1992, Asia Motor France/Kommission, C‑29/92, EU:C:1992:264, Rn. 21, vom 13. November 1995, Dumez/Kommission, T‑126/95, EU:T:1995:189, Rn. 33, und Urteil vom 22. Mai 1996, AITEC/Kommission, T‑277/94, EU:T:1996:66, Rn. 55).

15      Nach alledem ist die vorliegende Klage teils wegen offensichtlicher Unzuständigkeit des Gerichts und teils als offensichtlich unzulässig abzuweisen, ohne dass sie den Beklagten zugestellt werden müsste.

 Kosten

16      Da der vorliegende Beschluss ergeht, bevor die Klageschrift den Beklagten zugestellt wurde und ihnen Kosten entstehen konnten, genügt es, dem Kläger gemäß Art. 133 der Verfahrensordnung seine eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird teils wegen offensichtlicher Unzuständigkeit des Gerichts und teils als offensichtlich unzulässig abgewiesen.

2.      Herr Peter Fass trägt seine eigenen Kosten.

Luxemburg, den 11. Januar 2024

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

J. Svenningsen


*      Verfahrenssprache: Deutsch.