Language of document : ECLI:EU:C:2018:906

Rechtssache C-342/17

Memoria Srl und Antonia Dall’Antonia

gegen

Comune di Padova

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale per il Veneto)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens – Rein interner Sachverhalt – Nationale Regelung, die auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Urnenaufbewahrung verbietet – Verhältnismäßigkeitsprüfung – Kohärenz der nationalen Regelung“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 14. November 2018

1.        Niederlassungsfreiheit – Freier Dienstleistungsverkehr – Dienstleistungen im Binnenmarkt – Richtlinie 2006/123 – Anwendungsbereich – Nationale Regelung, mit der den städtischen Urnenaufbewahrungsdiensten ein Monopol eingeräumt wird – Ausschluss

(Richtlinie 2006/123 des Europäischen Parlaments und des Rates, Erwägungsgrund 8 und Art. 1 Abs. 3)

2.        Niederlassungsfreiheit – Beschränkungen – Nationale Regelung, die auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Urnenaufbewahrung verbietet – Unzulässigkeit – Rechtfertigung – Fehlen

(Art. 49 AEUV)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 41, 42)

2.      Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die es dem Empfänger einer Ascheurne trotz des ausdrücklichen Wunsches des Verstorbenen verbietet, sie durch Dritte aufbewahren zu lassen, ihn verpflichtet, sie bei sich zu Hause aufzubewahren, es sei denn, er lässt sie auf einem städtischen Friedhof aufbewahren, und die ferner jede mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübte Tätigkeit untersagt, die – ausschließlich oder nicht – die Aufbewahrung von Ascheurnen zu welchem Zweck und über welchen Zeitraum auch immer betrifft.

Insoweit ist, was erstens die mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit begründete Rechtfertigung angeht, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Schutz der öffentlichen Gesundheit zwar einer der im Unionsrecht anerkannten zwingenden Gründe des Allgemeininteresses und verfügen die Mitgliedstaaten in diesem Bereich über einen weiten Ermessensspielraum (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juni 2010, Blanco Pérez und Chao Gómez, C‑570/07 und C‑571/07, EU:C:2010:300, Rn. 44, 68 und 106). Jedoch kann ein solches Ziel die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Beschränkung nicht rechtfertigen, da die Asche, anders als die sterblichen Überreste, vom biologischen Gesichtspunkt aus inert ist, da sie durch die Hitze steril wird, so dass ihre Aufbewahrung keine auf Erwägungen der öffentlichen Gesundheit beruhende Verpflichtung darstellen kann.

Was zweitens das Ziel des Schutzes der gebührenden Achtung des Andenkens an die Verstorbenen betrifft, so kann auch dieses einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen. Es ist jedoch festzustellen, dass es weniger einschränkende Maßnahmen gibt, um dieses Ziel zu erreichen, wie insbesondere die Pflicht, die Urnenaufbewahrung unter gleichen Bedingungen wie auf den Friedhöfen der Gemeinde sicherzustellen und im Fall der Beendigung der Geschäftstätigkeit die Urnen auf einen öffentlichen Friedhof zu bringen oder sie den Angehörigen des Verstorbenen zurückzugeben.

(vgl. Rn. 54, 55, 57, 59, 66 und Tenor)