Language of document :

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

29. Juli 2024(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV – Art. 254 Abs. 2 AEUV – Ernennung von Richtern des Gerichts der Europäischen Union – Gewähr für Unabhängigkeit – Befähigung zur Ausübung hoher richterlicher Tätigkeiten – Nationales Verfahren für den Vorschlag eines Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts der Europäischen Union – Gruppe unabhängiger Sachverständiger, die mit der Beurteilung der Bewerber beauftragt ist – Rangliste der Bewerber, die die in Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV genannten Anforderungen erfüllen – Vorschlag eines Bewerbers, der auf der Rangliste steht und nicht der bestplatzierte Bewerber ist – Stellungnahme des in Art. 255 AEUV vorgesehenen Ausschusses zur Eignung der Bewerber“

In der Rechtssache C‑119/23

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius, Litauen) mit Entscheidung vom 9. Februar 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Februar 2023, in dem Verfahren

Virgilijus Valančius

gegen

Lietuvos Republikos Vyriausybė,

Beteiligte:

Lietuvos Respublikos Seimo kanceliarija,

Lietuvos Respublikos Prezidento kanceliarija,

Saulius Lukas Kalėda,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, C. Lycourgos, E. Regan, F. Biltgen und N. Piçarra, des Richters P. G. Xuereb, der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin), der Richter A. Kumin und N. Wahl, der Richterin I. Ziemele sowie des Richters J. Passer,

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2024,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Valančius, vertreten durch D. Poška, Advokatas,

–        der litauischen Regierung, vertreten durch K. Dieninis, R. Dzikovič, V. Kazlauskaitė-Švenčionienė und E. Kurelaitytė als Bevollmächtigte,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch L. Dvořáková, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

–        Irlands, vertreten durch M. Browne, Chief State Solicitor, und M. Lane als Bevollmächtigte im Beistand von D. Fennelly, BL,

–        der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und G. Koós als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch K. Bulterman und C. S. Schillemans als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und S. Żyrek als Bevollmächtigte,

–        der schwedischen Regierung, vertreten durch C. Meyer-Seitz und A. M. Runeskjöld als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Erlbacher, A. Steiblytė und P. J. O. Van Nuffel als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. April 2024

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Virgilijus Valančius und der Lietuvos Republikos Vyriausybė (Regierung der Republik Litauen) wegen der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen über den Vorschlag eines Bewerbers der Republik Litauen für das Amt eines Richters des Gerichts der Europäischen Union.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Nr. 6 („Befassung des Ausschusses und Einholung zusätzlicher Informationen“) der Vorschriften für die Arbeitsweise des in Artikel 255 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehenen Ausschusses, die im Anhang des Beschlusses 2010/124/EU des Rates vom 25. Februar 2010 über die Arbeitsweise des in Artikel 255 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehenen Ausschusses (ABl. 2010, L 50, S. 18) wiedergegeben sind, lautet:

„Hat die Regierung eines Mitgliedstaats einen Bewerber vorgeschlagen, so übermittelt das Generalsekretariat des Rates diesen Vorschlag dem Vorsitzenden des Ausschusses.

Der Ausschuss kann die Regierung, von der der Vorschlag stammt, ersuchen, ihm zusätzliche Informationen oder andere Angaben zu übermitteln, die ihm für seine Beratungen erforderlich erscheinen.“

 Litauisches Recht

 Gesetz über die Regierung

4        Art. 52 Abs. 3 des Lietuvos Respublikos Vyriausybės įstatymas (Gesetz der Republik Litauen über die Regierung) vom 19. Mai 1994 (Žin., 1994, Nr. 43-772) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz über die Regierung) sieht vor, dass die litauische Regierung Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichtshofs und des Gerichts im Einvernehmen mit dem Präsidenten der Republik und nach Anhörung des Lietuvos Respublikos Seimas (Parlament der Republik Litauen, im Folgenden: litauisches Parlament) gemäß den Bestimmungen des Lietuvos Respublikos Seimo statutas (Satzung des Parlaments der Republik Litauen) nominiert.

 Beschreibung des Auswahlverfahrens

5        Die Nrn. 1 bis 3, 13, 15, 19 und 21 bis 23 des Pretendento į Europos Sąjungos Bendrojo Teismo teisėjus atrankos tvarkos aprašas (Beschreibung des Auswahlverfahrens für einen Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts der Europäischen Union) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung, der mit Erlass Nr. 1R-65 der Justizministerin der Republik Litauen vom 9. März 2021 verabschiedet wurde (im Folgenden: Beschreibung des Auswahlverfahrens), bestimmen:

„1.      Die [Beschreibung des Auswahlverfahrens] wird bei der Organisation der Auswahl des Bewerbers der Republik Litauen für das Amt eines Richters des Gerichts der Europäischen Union (im Folgenden: Auswahl) angewandt. Diese Auswahl soll die Regierung, die gemäß Art. 52 Abs. 3 [des Gesetzes über die Regierung] die Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts vorschlägt, dabei unterstützen, einen bestimmten Bewerber vorzuschlagen.

2.      Die Arbeitsgruppe ‚Auswahl‘ … wird durch Erlass des Premierministers der Republik Litauen eingerichtet. Die Arbeitsgruppe ist aus sieben Personen zusammengesetzt. Dazu gehören der Justizminister der Republik Litauen (Vorsitzender der Arbeitsgruppe) und ein Vertreter des Parlaments der Republik Litauen, ein Vertreter des Präsidenten, ein Vertreter der Teisėjų taryba [(Justizrat der Republik Litauen)], ein Vertreter der Juristischen Fakultät der Universität Mykolas Romeris, ein Vertreter der Juristischen Fakultät der Universität Vilnius und ein Vertreter der Juristischen Fakultät der Universität Vytautas Magnus. Ein Beamter des Justizministeriums der Republik Litauen wird zum Sekretär der Arbeitsgruppe ernannt.

3.      Die Arbeitsgruppe informiert unter Berücksichtigung der sechs Kriterien für die Auswahl von Bewerbern für das Amt eines Richters des Gerichts der Europäischen Union, wie sie in den die Europäische Union begründenden Verträgen festgelegt und im Sechsten Tätigkeitsbericht des besonderen, in Art. 255 [AEUV] vorgesehenen Ausschusses näher erläutert sind, der auf der Website des Ausschusses … veröffentlicht wurde, die Öffentlichkeit durch eine Bekanntmachung auf der Website des Justizministeriums über die Eröffnung des Auswahlverfahrens und fordert Personen, die die genannten Auswahlkriterien erfüllen, dazu auf, ihre Bewerbungen (einen schriftlichen Antrag auf Zulassung zum Auswahlverfahren, einen Lebenslauf und ein Motivationsschreiben) einzureichen, um am Auswahlverfahren teilzunehmen.

13.      Das Auswahlverfahren umfasst eine auf die von den Bewerbern eingereichten Unterlagen und auf ein Auswahlgespräch gestützte Beurteilung der Frage, ob die Bewerber die in Nr. 3 der Beschreibung genannten Kriterien erfüllen. Das Auswahlgespräch soll die Beurteilung der Bewerber auf der Grundlage der von ihnen vorgelegten Unterlagen ergänzen.

15.      In der Auswahlphase werden die Bewerber auf der Grundlage der sechs in Nr. 3 der Beschreibung genannten Kriterien beurteilt: juristische Kompetenz, Berufserfahrung, Befähigung zur Ausübung des Richteramts, Sprachkenntnisse, Teamfähigkeit in einem internationalen Umfeld, in dem verschiedene Rechtstraditionen vertreten sind, sowie die Garantien der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Redlichkeit und Integrität.

19.      Am Ende des Auswahlverfahrens benotet jedes Mitglied der Arbeitsgruppe den Bewerber mit einer Punktzahl zwischen eins und zehn. Die niedrigste Bewertung beträgt einen Punkt und die höchste zehn Punkte. Die von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe vergebenen Einzelbewertungen werden zusammengerechnet. Die auf der Grundlage der erzielten Ergebnisse festgelegte Rangfolge wird in einer Liste aufgeführt. Die Liste enthält alle Bewerber, die nach Auffassung der Arbeitsgruppe die Kriterien für die Auswahl zum Richter des Gerichts der Europäischen Union erfüllen, unabhängig von der erreichten Punktzahl.

21.      Nach Beendigung des Auswahlverfahrens legt der Leiter der Arbeitsgruppe der Regierung den Entwurf eines Rechtsakts über den Vorschlag des am höchsten eingestuften Bewerbers für die Ernennung zum Richter des Gerichts der Europäischen Union vor und fügt das Protokoll der Arbeitsgruppensitzung mit einer Anlage (der von der Arbeitsgruppe erstellten Rangliste unter Angabe der von den Bewerbern erreichten Punktzahlen) sowie den Lebenslauf des am höchsten eingestuften Bewerbers bei.

22.      Hierbei handelt es sich um eine Empfehlung hinsichtlich des am höchsten eingestuften Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts der Europäischen Union, die an die Regierung gerichtet ist, die gemäß § 52 Abs. 3 des Gesetzes über die Regierung einen Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts der Europäischen Union vorschlägt.

23.      Spätestens fünf Arbeitstage nach Abschluss des Auswahlverfahrens wird die von der Arbeitsgruppe erstellte Rangliste der Bewerber auf der Website des Justizministeriums ohne Angabe der Punktzahl der Bewerber veröffentlicht.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

6        Herr Valančius wurde auf Vorschlag der litauischen Regierung im gegenseitigen Einvernehmen der Regierungen der Mitgliedstaaten mit Wirkung vom 13. April 2016 zum Richter des Gerichts der Europäischen Union (im Folgenden: Gericht) ernannt. Seine Amtszeit endete am 31. August 2019, aber er übte gemäß Art. 5 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sein Amt weiterhin aus.

7        Im März 2021 wurde eine Ausschreibung für die Auswahl eines Bewerbers der Republik Litauen für das Amt eines Richters des Gerichts veröffentlicht. Die Beschreibung des Auswahlverfahrens wurde durch den Erlass Nr. 1R-65 festgelegt. Es wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die mehrheitlich aus unabhängigen Sachverständigen bestand (im Folgenden: Arbeitsgruppe) und deren Aufgabe darin bestand, diese Auswahl durchzuführen. Die Arbeitsgruppe nahm sodann diese Auswahl vor, nach deren Abschluss sie eine Rangliste der Bewerber erstellte, die in absteigender Reihenfolge nach der erreichten Punktzahl geordnet war (im Folgenden: Rangliste).

8        Am 11. Mai 2021 legte die Justizministerin der litauischen Regierung den Entwurf einer Entscheidung vor, durch die die auf der Rangliste am höchsten eingestufte Person, nämlich Herr Valančius, als Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts vorgeschlagen werden sollte.

9        Mit Entscheidung vom 6. April 2022 legte die litauische Regierung dem Präsidenten der Republik Litauen und dem litauischen Parlament die Bewerbung der zweitplatzierten Person auf der Rangliste zur Zustimmung vor.

10      Mit Entscheidung vom 4. Mai 2022 schlug die litauische Regierung, nachdem sie die Zustimmung des Präsidenten der Republik Litauen und des litauischen Parlaments erhalten hatte, diese Person als Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts vor

11      Am 18. Mai 2022 erhob Herr Valančius beim Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius, Litauen), dem vorlegenden Gericht, eine Klage, mit der er Folgendes beantragte: erstens die Nichtigerklärung dieser Entscheidung, zweitens, der Regierung aufzugeben, die Beratungsverfahren und die Verfahren in Bezug auf den Vorschlag eines Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts gemäß den gesetzlichen Modalitäten wieder aufzunehmen, indem der Name des von der Arbeitsgruppe am höchsten eingestuften Bewerbers zur Beratung und zum Vorschlag vorgelegt wird, und drittens, der litauischen Regierung die Kosten aufzuerlegen.

12      Am 5. Juli 2022 gab der in Art. 255 AEUV vorgesehene Ausschuss in Bezug auf den von der litauischen Regierung vorgeschlagenen Bewerber eine ablehnende Stellungnahme ab.

13      Mit Entscheidung vom 14. September 2022 legte die litauische Regierung dem Präsidenten der Republik Litauen und dem litauischen Parlament die Bewerbung der drittplatzierten Person auf der Rangliste für das Amt eines Richters des Gerichts zur Zustimmung vor. Dies war Herr Saulius Lukas Kalėda.

14      In diesem Kontext hat das vorlegende Gericht Zweifel in Bezug auf die Auslegung von Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen dieser Bestimmungen auf die nationalen Verfahren für den Vorschlag von Bewerbern für das Amt eines Richters des Gerichts.

15      In der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die sich insbesondere aus dem Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2018:117), ergebe, sei anerkannt worden, dass ein Zusammenhang zwischen den Erfordernissen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der nationalen Richter und dem wirksamen Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestehe.

16      Die Aufgabe der Richter des Gerichts bestehe aber gerade darin, einen solchen wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten. Des Weiteren müssten diese Richter gemäß Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV auch das Erfordernis der Unabhängigkeit erfüllen, das nicht so zu verstehen sei, dass es eine geringere Tragweite habe als die, die sich für nationale Richter aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in der Auslegung durch den Gerichtshof ergebe.

17      Was insbesondere die Entscheidungen über die Ernennung von Richtern angeht, ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass sowohl in der Rechtsprechung des Gerichtshofs, u. a. aus den Urteilen vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission (C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232), sowie vom 6. Oktober 2021, W. Ż. (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798), als auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, u. a. aus dem Urteil vom 1. Dezember 2020, Ástráðsson/Island (CE:ECHR:2020:1201JUD002637418), ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Ordnungsmäßigkeit der Verfahren für die Auswahl und Ernennung nationaler Richter – als inhärenter Bestandteil des Rechts auf ein zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht – und den Anforderungen an die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieser Richter hergestellt werde.

18      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ergibt sich aus diesem unmittelbaren Zusammenhang eine Verpflichtung, zu prüfen, ob eine bei der Ernennung der Richter begangene Vorschriftswidrigkeit die tatsächliche Gefahr begründet, dass andere Teile der Staatsgewalt – insbesondere die Exekutive – ein ihnen nicht zustehendes Ermessen ausüben können, wodurch die Integrität des Ergebnisses des Ernennungsverfahrens beeinträchtigt wird und so beim Einzelnen berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des oder der betreffenden Richter geweckt werden, was zu einem Verstoß gegen dieses Recht führe.

19      Wenn es also um die Ernennung eines Richters eines Unionsgerichts oder um den Vorschlag eines Bewerbers für das Amt eines Richters eines solchen Gerichts gehe, sei die Frage, ob das ernennungs- oder vorschlagsbefugte Organ die wesentlichen materiellen Voraussetzungen und die wesentlichen Verfahrensvorschriften für eine solche Ernennung oder einen solchen Vorschlag einhalte, von höchster Bedeutung, da sie die Feststellung ermögliche, ob die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des betreffenden Unionsgerichts gewährleistet seien.

20      Unter diesen Umständen hat der Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Erfordert es Art. 254 AEUV in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 EUV, der vorsieht, dass zu Mitgliedern des Gerichts Personen auszuwählen sind, „die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und über die Befähigung zur Ausübung hoher richterlicher Tätigkeiten verfügen“, dass ein Bewerber für die Ernennung zum Richter des Gerichts in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ausschließlich auf der Grundlage fachlicher Fähigkeiten ausgewählt wird?

2.      Ist eine nationale Praxis wie die im vorliegenden Fall in Rede stehende, bei der die Regierung eines Mitgliedstaats, der es obliegt, einen Bewerber für die Ernennung zum Richter des Gerichts vorzuschlagen, zur Gewährleistung der Transparenz der Auswahl eines bestimmten Bewerbers eine Gruppe unabhängiger Experten zur Bewertung der Bewerber einrichtet, die nach Anhörung aller Bewerber auf der Grundlage im Voraus festgelegter, klarer und objektiver Auswahlkriterien eine Rangliste der Bewerber erstellt und der Regierung gemäß den im Voraus bekannt gegebenen Voraussetzungen den Bewerber vorschlägt, der auf der Grundlage seiner fachlichen Fähigkeiten und Kompetenzen am höchsten eingestuft wurde, aber die Regierung einen anderen als den auf der Rangliste erstplatzierten Bewerber für die Ernennung zum Richter der Europäischen Union vorschlägt, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Richter, der möglicherweise unrechtmäßig ernannt wurde, die Entscheidungen des Gerichts der Europäischen Union beeinflussen könnte, mit der Anforderung, dass der Richter jede Gewähr für Unabhängigkeit bietet, und den anderen in Art. 254 AEUV in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 EUV niedergelegten Anforderungen für richterliche Ämter vereinbar?

 Sachverhalt nach dem Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

21      Mit Entscheidung vom 19. April 2023 schlug die litauische Regierung, nachdem sie die Zustimmung des Präsidenten der Republik Litauen und des litauischen Parlaments erhalten hatte, Herrn Kalėda als Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts vor.

22      Am 12. Mai 2023 beantragte Herr Valančius im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, das nach der Erhebung seiner Klage gegen die Entscheidung vom 4. Mai 2022 vor dem vorlegenden Gericht eingeleitet worden war, die Nichtigerklärung dieser Entscheidung, wobei er die übrigen in Rn. 11 des vorliegenden Urteils genannten Anträge aufrechterhielt.

23      Mit Beschluss vom 15. September 2023 ernannten die Regierungen der Mitgliedstaaten Herrn Kalėda für eine Amtszeit bis zum 31. August 2025 zum Richter des Gerichts.

24      Mit einem Auskunftsersuchen vom 26. September 2023 hat der Gerichtshof das vorlegende Gericht gebeten, klarzustellen, ob sich die Ernennung von Herrn Kalėda zum Richter des Gerichts auf den Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits, der einen Antrag auf Erlass einer Anordnung betrifft, auswirkt und ob es sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhält.

25      Mit Schreiben vom 10. Oktober 2023 hat das vorlegende Gericht ausgeführt, dass die Ernennung keine Auswirkungen auf den Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits habe und dass es sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalte.

 Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

26      Mehrere Regierungen, die in der vorliegenden Rechtssache schriftliche Erklärungen eingereicht haben, zweifeln daran, dass der Gerichtshof für die Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen zuständig ist. Sie sind im Wesentlichen der Ansicht, dass das Verfahren zur Ernennung eines Richters des Gerichts verschiedene Stufen umfasse, wobei die erste Stufe die nationale Stufe des Vorschlags des Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts sei. Diese Stufe falle jedoch nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts, insbesondere von Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV, sondern werde ausschließlich durch nationales Recht geregelt. Der Gerichtshof sei somit nicht dafür zuständig, über die Vereinbarkeit etwaiger nationaler Regelungen über diese nationale Stufe des Vorschlags mit den genannten Bestimmungen zu entscheiden.

27      Des Weiteren machen einige der Regierungen geltend, dass das Verfahren zur Ernennung eines Richters des Gerichts mit dem Erlass einer einvernehmlichen Entscheidung der Regierungen der Mitgliedstaaten ende, die keiner Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Gerichtshof unterliege. Folglich sei der Gerichtshof erst recht nicht dafür zuständig, über die nationale Stufe des Vorschlags zu entscheiden, die im Rahmen eines solchen Ernennungsverfahrens stattfinde.

28      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV die Richter des Gerichts von den Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen nach Anhörung des in Art. 255 AEUV vorgesehenen Ausschusses ernannt werden. Nach der letztgenannten Bestimmung wird ein Ausschuss eingerichtet, der die Aufgabe hat, vor einer Ernennung durch die Regierungen der Mitgliedstaaten nach den Art. 253 und 254 AEUV eine Stellungnahme zur Eignung der Bewerber für das Amt eines Richters oder Generalanwalts beim Gerichtshof oder beim Gericht abzugeben. Wie sich aus Nr. 6 Abs. 1 der Vorschriften für die Arbeitsweise des in Art. 255 AEUV vorgesehenen Ausschusses, die im Anhang des Beschlusses 2010/124 enthalten sind, ergibt, wird dieser Ausschuss befasst, indem die Regierung eines Mitgliedstaats einen Bewerber vorschlägt und dieser Vorschlag dem Vorsitzenden dieses Ausschusses vom Generalsekretariat des Rates übermittelt wird.

29      Aus einer Zusammenschau dieser Bestimmungen ergibt sich, dass, wie der Generalanwalt in den Nrn. 52 und 53 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, das Verfahren zur Ernennung eines Richters des Gerichts in drei Stufen gegliedert ist. Auf der ersten Stufe schlägt die Regierung des betreffenden Mitgliedstaats einen Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts vor, indem sie diesen Vorschlag dem Generalsekretariat des Rates übermittelt. Auf der zweiten Stufe gibt der in Art. 255 AEUV vorgesehene Ausschuss mit Blick auf die in Art. 254 Abs. 2 AEUV aufgestellten Anforderungen eine Stellungnahme zur Eignung dieses Bewerbers für die Ausübung des Amts eines Richters des Gerichts ab. Auf der dritten Stufe, die nach der Anhörung dieses Ausschusses erfolgt, ernennen die Regierungen der Mitgliedstaaten über ihre Vertreter den betreffenden Bewerber durch einen Beschluss, der auf Vorschlag der Regierung des betreffenden Mitgliedstaats im gegenseitigen Einvernehmen gefasst wird, zum Richter des Gerichts.

30      Daraus folgt, dass die Entscheidung der Regierung eines Mitgliedstaats, einen Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts vorzuschlagen, wie die im Ausgangsverfahren fraglichen Entscheidungen, die erste Stufe des Ernennungsverfahrens nach Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV darstellt. Eine solche Entscheidung fällt daher insoweit in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen.

31      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 24, 58 und 59 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, fällt zwar der Vorschlag – wie auch die Ernennung – eines Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch haben die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Zuständigkeit die Verpflichtungen einzuhalten, die sich für sie aus dem Unionsrecht und insbesondere aus Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV ergeben (vgl. entsprechend Urteile vom 24. Juni 2019, Kommission/Polen [Unabhängigkeit des Obersten Gerichts], C‑619/18, EU:C:2019:531, Rn. 52, sowie vom 9. Januar 2024, G. u. a. [Ernennung von Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Polen], C‑181/21 und C‑269/21, EU:C:2024:1, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung), dessen Auslegung offenkundig in die Zuständigkeit des Gerichtshofs nach Art. 267 AEUV fällt (Urteil vom 22. März 2022, Prokurator Generalny [Disziplinarkammer des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑508/19, EU:C:2022:201, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      In diesem Kontext spielt es keine Rolle, dass die Beschlüsse über Ernennungen von Richtern des Gerichts, die von den Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten in gegenseitigem Einvernehmen gefasst werden, wobei diese Vertreter nicht als Ratsmitglieder, sondern als Vertreter ihrer Regierungen handeln und auf diese Weise gemeinsam Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten ausüben, vom Unionsrichter nicht gemäß Art. 263 AEUV auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden können (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 16. Juni 2021, Sharpston/Rat und Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, C‑685/20 P, EU:C:2021:485, Rn. 46 und 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Wie der Generalanwalt in Nr. 26 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, wirkt sich nämlich die fehlende Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Ernennungsbeschlüsse nicht auf seine Zuständigkeit für die Beantwortung von Vorlagefragen aus, die die Auslegung des Unionsrechts betreffen und von dem vorlegenden Gericht im Rahmen eines Rechtsstreits gestellt werden, in dem es um die Rechtmäßigkeit nationaler Entscheidungen geht, mit denen ein Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts vorgeschlagen wird.

34      Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof für die Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen zuständig.

 Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

35      Die litauische Regierung bezweifelt die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens. Zunächst stehe die ersuchte Auslegung von Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits, da dieser allein dem nationalen Recht unterliege, dem zufolge das vorlegende Gericht für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht zuständig sei. Sodann seien die gestellten Fragen hypothetisch, da der Ausgangsrechtsstreit weder die Rechtmäßigkeit des nationalen Verfahrens für den Vorschlag eines Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts noch die Einhaltung dieses Verfahrens im vorliegenden Fall betreffe. Schließlich sei eine Antwort auf die gestellten Fragen nicht mehr erforderlich, um dem vorlegenden Gericht eine Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit zu ermöglichen, da dieser aufgrund der Ernennung von Herrn Kalėda zum Richter des Gerichts gegenstandslos geworden sei. Aufgrund dieser Ernennung könne den Anträgen des Klägers des Ausgangsverfahrens auf Wiedereröffnung der Beratungsverfahren und der Verfahren für den Vorschlag eines Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts nicht stattgegeben werden.

36      Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV geschaffenen Verfahrens allein Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über die ihm vorgelegten Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 21. Dezember 2023, Infraestruturas de Portugal und Futrifer Indústrias Ferroviárias, C‑66/22, EU:C:2023:1016, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, das Problem hypothetischer Natur ist oder er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 21. Dezember 2023, Infraestruturas de Portugal und Futrifer Indústrias Ferroviárias, C‑66/22, EU:C:2023:1016, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Vorliegend ist zunächst zu dem Vorbringen, die ersuchte Auslegung des Unionsrechts stehe in keinem Zusammenhang mit dem Ausgangsrechtsstreit, da dieser allein dem nationalen Recht unterliege, darauf hinzuweisen, dass, wie in Rn. 30 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die nationale Entscheidung über den Vorschlag eines Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts die erste Stufe des Ernennungsverfahrens nach Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV darstellt. Der Ausgangsrechtsstreit betrifft die Rechtmäßigkeit nationaler Entscheidungen über den Vorschlag eines Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts im Hinblick auf die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Anforderungen. Unter diesen Umständen ist es nicht offensichtlich, dass die erbetene Auslegung dieser Bestimmungen in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht.

39      Was die behauptete Unzuständigkeit des vorlegenden Gerichts für die Entscheidung über diesen Rechtsstreit angeht, genügt der Hinweis, dass es weder Sache des Gerichtshofs ist, im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV zu prüfen, ob die Vorlageentscheidung den nationalen Vorschriften über die Gerichtsorganisation und das gerichtliche Verfahren entspricht, noch hat er insbesondere zu prüfen, ob ein bei einem vorlegenden Gericht anhängiger Antrag nach diesen Vorschriften zulässig ist (Urteil vom 6. Oktober 2021, W. Ż. [Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Gerichtshof ist daher an die von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Vorlageentscheidung gebunden, solange diese nicht aufgrund eines im nationalen Recht eventuell vorgesehenen Rechtsbehelfs aufgehoben worden ist (Urteil vom 29. März 2022, Getin Noble Bank, C‑132/20, EU:C:2022:235, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht jedoch nicht hervor, dass die Vorlageentscheidung vorliegend aufgehoben worden wäre.

40      Was sodann das Vorbringen betrifft, die gestellten Fragen seien hypothetisch, ist darauf hinzuweisen, dass diese Fragen entgegen der Auffassung der litauischen Regierung aufgrund dessen gestellt wurden, dass das vorlegende Gericht Zweifel hat, ob die Modalitäten, nach denen das nationale Verfahren für den Vorschlag des Bewerbers der Republik Litauen für das Amt eines Richters des Gerichts konkret durchgeführt wurde, um zum Erlass der im Ausgangsverfahren fraglichen Vorschlagsentscheidungen zu gelangen, mit den Bestimmungen des Unionsrechts, um dessen Auslegung das vorlegende Gericht ersucht, vereinbar sind. Da der Ausgangsrechtsstreit die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen im Hinblick auf die genannten Bestimmungen des Unionsrechts betrifft, ist nicht ersichtlich, dass das mit den Vorlagefragen aufgeworfene Problem hypothetisch wäre.

41      Was schließlich das Vorbringen betrifft, eine Antwort auf diese Fragen sei nicht mehr erforderlich, um dem vorlegenden Gericht eine Entscheidung über den Ausgangsrechtsstreit zu ermöglichen, da Herr Kalėda zwischenzeitlich als Richter des Gerichts ernannt worden sei, ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht in seiner Antwort auf das Auskunftsersuchen des Gerichtshofs vom 26. September 2023 ausgeführt hat, dass diese Ernennung keine Auswirkungen auf den Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits habe und es sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalte. Im Übrigen ist zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens unstreitig, dass dieser Rechtsstreit noch anhängig ist.

42      Da weder aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten noch aus der Antwort des vorlegenden Gerichts auf das Auskunftsersuchen des Gerichtshofs hervorgeht, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens seine Klage zurückgenommen hätte oder dass alle seine Forderungen in vollem Umfang befriedigt worden wären oder nicht mehr befriedigt werden könnten, so dass der Ausgangsrechtsstreit offenkundig gegenstandslos geworden wäre, erscheint eine Beantwortung der Vorlagefragen weiterhin erforderlich, damit das vorlegende Gericht über diesen Rechtsstreit entscheiden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Februar 2023, Towarzystwo Ubezpieczeń Ż [Irreführende Musterversicherungsverträge], C‑208/21, EU:C:2023:64, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Unter diesen Umständen ist das Vorabentscheidungsersuchen als zulässig anzusehen.

 Zu den Vorlagefragen

44      Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie dem entgegenstehen, dass die Regierung eines Mitgliedstaats, die eine Gruppe unabhängiger Sachverständiger mit dem Auftrag eingesetzt hat, die Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts zu beurteilen und eine Rangliste der Bewerber zu erstellen, die die in diesen Bestimmungen genannten Anforderungen erfüllen, unter den Bewerbern, die auf dieser Liste stehen, einen Bewerber vorschlägt, der nicht der bestplatzierte Bewerber ist.

45      Zur Beantwortung dieser Fragen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV zu Richtern des Gerichts Persönlichkeiten auszuwählen sind, die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und über die Befähigung zur Ausübung hoher richterlicher Tätigkeiten verfügen.

46      Was insbesondere die in dieser Bestimmung vorgesehene Anforderung der Unabhängigkeit angeht, ist festzustellen, dass diese Anforderung zum Wesensgehalt des Rechts auf wirksamen Rechtsschutz und auf ein faires Verfahren gehört, dem als Garant für den Schutz sämtlicher dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsender Rechte und für die Wahrung der in Art. 2 EUV genannten Werte, die den Mitgliedstaaten gemeinsam sind, u. a. des Wertes der Rechtsstaatlichkeit, grundlegende Bedeutung zukommt (Urteile vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission, C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 70 und 71, sowie vom 21. Dezember 2023, Krajowa Rada Sądownictwa [Verbleib eines Richters im Amt], C‑718/21, EU:C:2023:1015, Rn. 61).

47      Dieses u. a. in Art. 19 EUV vorgesehene Erfordernis der Unabhängigkeit der Gerichte konkretisiert somit einen der in Art. 2 EUV verankerten Grundwerte der Union und ihrer Mitgliedstaaten, die der Union als Rechtsgemeinschaft schlechthin ihr Gepräge geben und sowohl von der Union als auch von den Mitgliedstaaten zu beachten sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Februar 2022, Ungarn/Parlament und Rat, C‑156/21, EU:C:2022:97, Rn. 127 und 232 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen [Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern], C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 67).

48      Da das Erfordernis der Unabhängigkeit, das zwei Aspekte umfasst, die Unabhängigkeit im engeren Sinne und die Unparteilichkeit (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. [Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts], C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 121 und 122 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), dem Auftrag des Richters inhärent ist und Art. 19 EUV die Aufgabe, in der Rechtsordnung der Union die gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten, dem Gerichtshof der Europäischen Union und den nationalen Gerichten gemeinsam überträgt, gilt dieses Erfordernis sowohl auf der Ebene der Union, insbesondere für die Richter des Gerichts, als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten für die nationalen Gerichte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses, C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 32 und 42 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Im Übrigen hängt das Erfordernis eines zuvor durch Gesetz errichteten Gerichts u. a. eng mit dem Erfordernis der Unabhängigkeit in dem Sinne zusammen, dass beide auf die Wahrung der grundlegenden Prinzipien des Primats des Rechts und der Gewaltenteilung abzielen, die für den Rechtsstaat wesentlich sind und deren Wert in Art. 2 EUV bekräftigt wird. Jedem dieser Erfordernisse liegt die Notwendigkeit zugrunde, das Vertrauen, das die Justiz beim Einzelnen wecken muss, und die Unabhängigkeit der Justiz gegenüber den anderen Staatsgewalten zu wahren (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Oktober 2021, W. Ż. [Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 124, und vom 22. Februar 2022, Openbaar Ministerie [Im Ausstellungsmitgliedstaat durch Gesetz errichtetes Gericht], C‑562/21 PPU und C‑563/21 PPU, EU:C:2022:100, Rn. 56).

50      Das Erfordernis eines zuvor durch Gesetz errichteten Gerichts umfasst schon seinem Wesen nach das Verfahren zur Ernennung der Richter (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission, C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung), wobei die Unabhängigkeit eines Gerichts u. a. an der Art und Weise der Ernennung seiner Mitglieder gemessen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2023, Krajowa Rada Sądownictwa [Verbleib eines Richters im Amt], C‑718/21, EU:C:2023:1015, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Insoweit müssen die materiellen Voraussetzungen und die Verfahrensmodalitäten für die Ernennung von Richtern so beschaffen sein, dass sie bei den Rechtsuchenden keine berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit der ernannten Richter für äußere Faktoren und an ihrer Neutralität in Bezug auf die widerstreitenden Interessen aufkommen lassen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission, C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 71). Hierfür ist es insbesondere wichtig, dass diese materiellen Voraussetzungen und Verfahrensmodalitäten so ausgestaltet sind, dass sie es ermöglichen, nicht nur jede Form der unmittelbaren Einflussnahme in Form von Weisungen, sondern auch die Formen der mittelbaren Einflussnahme, die zur Steuerung der Entscheidungen der betreffenden Richter geeignet sein könnten, auszuschließen und damit dem Eindruck vorzubeugen, dass diese Richter nicht unabhängig und unparteiisch seien, wodurch das Vertrauen beeinträchtigt werden könnte, das die Justiz in einer demokratischen Gesellschaft und in einem Rechtsstaat bei den Einzelnen schaffen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2022, Getin Noble Bank, C‑132/20, EU:C:2022:235, Rn. 96 und 97 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

52      In diesem Kontext kann eine Vorschriftswidrigkeit, die im Rahmen des Verfahrens zur Ernennung von Richtern in dem betreffenden Justizsystem begangen wird, einen Verstoß gegen das Grundrecht auf ein unabhängiges, unparteiisches und zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht darstellen, wenn die Art und Schwere der Vorschriftswidrigkeit dergestalt ist, dass sie die tatsächliche Gefahr begründet, dass andere Teile der Staatsgewalt – insbesondere die Exekutive – ein ihnen nicht zustehendes Ermessen ausüben können, wodurch die Integrität des Ergebnisses des Ernennungsverfahrens beeinträchtigt wird. Eine solche Vorschriftswidrigkeit würde nämlich beim Einzelnen berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des oder der betreffenden Richter wecken. Dies ist der Fall, wenn es um Grundregeln geht, die Bestandteil der Errichtung und der Funktionsfähigkeit des entsprechenden Justizsystems sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission, C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 75 und 76, sowie vom 22. Februar 2022, Openbaar Ministerie [Im Ausstellungsmitgliedstaat durch Gesetz errichtetes Gericht], C‑562/21 PPU und C‑563/21 PPU, EU:C:2022:100, Rn. 72 und 73 sowie die dort angeführte Rechtsprechung)

53      Was die Richter des Gerichts betrifft, müssen die materiellen Voraussetzungen und die Verfahrensmodalitäten für ihre Ernennung es ermöglichen, bei den Rechtsuchenden jeden berechtigten Zweifel daran auszuschließen, dass sie die in Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV vorgesehenen Anforderungen erfüllen, die sich sowohl auf die „Gewähr für Unabhängigkeit“ als auch auf die „Befähigung zur Ausübung hoher richterlicher Tätigkeiten“ beziehen. Zu diesem Zweck ist es, wie der Generalanwalt in den Nrn. 59 bis 61 und 65 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, u. a. erforderlich, die Integrität des gesamten Verfahrens zur Ernennung der Richter des Gerichts und damit des Ergebnisses dieses Verfahrens auf jeder Stufe, aus der es besteht, zu gewährleisten.

54      Was als Erstes die nationale Stufe des Vorschlags eines Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts betrifft, um die es im Ausgangsverfahren speziell geht, ist zum einen festzustellen, dass es in Ermangelung einer besonderen Vorschrift hierzu im Unionsrecht der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten zukommt, die Verfahrensmodalitäten für den Vorschlag eines solchen Bewerbers zu regeln, sofern diese Modalitäten bei den Rechtsuchenden keine berechtigten Zweifel daran aufkommen lassen können, dass der vorgeschlagene Bewerber die in Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV vorgesehenen Anforderungen erfüllt.

55      Wie der Generalanwalt in Nr. 54 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, steht es daher jedem Mitgliedstaat frei, ob er ein Verfahren für die Auswahl und den Vorschlag eines Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts festlegt.

56      Insoweit ist der Umstand, dass Vertreter der Legislative oder der Exekutive am Verfahren zur Ernennung von Richtern beteiligt sind, für sich genommen nicht geeignet, bei den Rechtsuchenden solche berechtigten Zweifel aufkommen zu lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Februar 2022, Openbaar Ministerie [Im Ausstellungsmitgliedstaat durch Gesetz errichtetes Gericht], C‑562/21 PPU und C‑563/21 PPU, EU:C:2022:100, Rn. 75 und 76 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Allerdings können die Beteiligung unabhängiger beratender Einrichtungen und eine Begründungspflicht im nationalen Recht dadurch zu einer größeren Objektivität des Ernennungsverfahrens beitragen, dass der Entscheidungsspielraum des ernennungsbefugten Organs eingeschränkt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. April 2021, Repubblika, C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 66 und 71 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Was zum anderen die materiellen Voraussetzungen für die Auswahl und den Vorschlag der Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts betrifft, müssen die Mitgliedstaaten, auch wenn sie bei der Festlegung dieser Voraussetzungen über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen, unabhängig von den hierfür bestimmten Verfahrensmodalitäten dafür sorgen, dass die vorgeschlagenen Bewerber die in Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV vorgesehenen Anforderungen an die Unabhängigkeit und die fachliche Eignung erfüllen.

58      Als Zweites ist auch der in Art. 255 AEUV vorgesehene Ausschuss dafür zuständig, die Eignung der von den Mitgliedstaaten vorgeschlagenen Bewerber für die Ausübung des Amts eines Richters des Gerichts mit Blick auf die Anforderungen von Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV zu überprüfen.

59      Dieser Ausschuss muss nämlich für die Zwecke der Abgabe seiner Stellungnahme zu dieser Eignung prüfen, ob der vorgeschlagene Bewerber die Anforderungen an die Unabhängigkeit und die fachliche Eignung erfüllt, die gemäß Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV erforderlich sind, um das Amt eines Richters des Gerichts auszuüben.

60      Wie dieser Ausschuss in einem seiner Tätigkeitsberichte festgestellt hat, ist zwar in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass es ein offenes, transparentes und gründliches Auswahlverfahren gibt, ein maßgeblicher Gesichtspunkt im Rahmen der Prüfung, ob der vorgeschlagene Bewerber diese Anforderungen erfüllt, doch rechtfertigt das Fehlen eines solchen Verfahrens es als solches nicht, die Erfüllung dieser Anforderungen anzuzweifeln.

61      Für die Zwecke einer solchen Prüfung kann der in Art. 255 AEUV vorgesehene Ausschuss, wie in Nr. 6 Abs. 2 der Vorschriften über seine Arbeitsweise, die im Anhang des Beschlusses 2010/124 enthalten sind, geregelt ist, die Regierung, von der der Vorschlag stammt, ersuchen, ihm zusätzliche Informationen oder andere Angaben zu übermitteln, die ihm für seine Beratungen erforderlich erscheinen. Die betreffende Regierung ist nach dem in Art. 4 Abs. 3 EUV festgelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet, dem Ausschuss solche Informationen und Angaben zu übermitteln.

62      Als Drittes ist es auch Aufgabe der Regierungen der Mitgliedstaaten, durch ihre Vertreter die Einhaltung der in Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV festgelegten Anforderungen zu gewährleisten, wenn sie mit Blick auf die Stellungnahme des in Art. 255 AEUV vorgesehenen Ausschusses beschließen, den Bewerber, der von einer dieser Regierungen vorgeschlagen wurde, zum Richter des Gerichts zu ernennen. Sobald dieser Bewerber ernannt ist, wird er nämlich Richter der Union und vertritt nicht den Mitgliedstaat, der ihn vorgeschlagen hat.

63      Nach alledem ist festzustellen, dass, wenn – wie im Ausgangsverfahren – ein Mitgliedstaat ein Verfahren zur Auswahl der Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts festgelegt hat, in dessen Rahmen eine mehrheitlich aus unabhängigen Sachverständigen bestehende Gruppe beauftragt wurde, diese Bewerber zu beurteilen und eine Rangliste derjenigen unter ihnen zu erstellen, die die in Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV genannten Anforderungen erfüllen, die bloße Tatsache, dass die Regierung dieses Mitgliedstaats entschieden hat, einen anderen auf dieser Rangliste stehenden Bewerber als den am höchsten eingestuften vorzuschlagen, für sich genommen nicht für die Feststellung ausreicht, dass dieser Vorschlag geeignet ist, berechtigte Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass der vorgeschlagene Bewerber diese Anforderungen erfüllt.

64      Vorliegend geht nämlich aus den Nrn. 1 bis 3, 13, 15, 19 und 21 bis 23 der Beschreibung des Auswahlverfahrens hervor, dass diese Gruppe von Sachverständigen zunächst verpflichtet war, die genannten Bewerber im Hinblick auf die in diesen Bestimmungen genannten Anforderungen, wie sie der in Art. 255 AEUV vorgesehene Ausschuss in seinen Tätigkeitsberichten näher erläutert hat, zu bewerten. Sodann umfasste die von dieser Gruppe erstellte Rangliste nur Bewerber, die nach ihrer Ansicht diese Anforderungen erfüllten. Schließlich hatte die Angabe des auf dieser Rangliste am höchsten eingestuften Bewerbers durch diese Gruppe nur den Charakter einer Empfehlung an die litauische Regierung, die gemäß Art. 52 Abs. 3 des Gesetzes über die Regierung den Bewerber für das Amt des Richters des Gerichts vorzuschlagen hatte.

65      Die Tatsache, dass der in Art. 255 AEUV vorgesehene Ausschuss eine positive Stellungnahme zu dem von der litauischen Regierung vorgeschlagenen Bewerber, der auf dieser Rangliste an dritter Stelle stand, abgegeben hat, kann bestätigen, dass die Entscheidung der Regierungen der Mitgliedstaaten, diesen Bewerber zu ernennen, den Anforderungen von Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV entspricht.

66      Nach alledem ist auf die gestellten Fragen zu antworten, dass Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie dem nicht entgegenstehen, dass die Regierung eines Mitgliedstaats, die eine Gruppe unabhängiger Sachverständiger mit dem Auftrag eingesetzt hat, die Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts zu beurteilen und eine Rangliste der Bewerber zu erstellen, die die in diesen Bestimmungen genannten Anforderungen erfüllen, unter den Bewerbern, die auf dieser Liste stehen, einen Bewerber vorschlägt, der nicht der bestplatzierte Bewerber ist, sofern der vorgeschlagene Bewerber diese Anforderungen erfüllt.

 Kosten

67      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 3 EUV und Art. 254 Abs. 2 AEUV

sind dahin auszulegen,

dass sie dem nicht entgegenstehen, dass die Regierung eines Mitgliedstaats, die eine Gruppe unabhängiger Sachverständiger mit dem Auftrag eingesetzt hat, die Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts der Europäischen Union zu beurteilen und eine Rangliste der Bewerber zu erstellen, die die in diesen Bestimmungen genannten Anforderungen erfüllen, unter den Bewerbern, die auf dieser Liste stehen, einen Bewerber vorschlägt, der nicht der bestplatzierte Bewerber ist, sofern der vorgeschlagene Bewerber diese Anforderungen erfüllt.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Litauisch.