Language of document : ECLI:EU:T:2015:394

Rechtssache T‑358/11

Italienische Republik

gegen

Europäische Kommission

„EAGFL – Abteilung ‚Garantie‘ – EGFL und ELER – Von der Finanzierung ausgeschlossene Ausgaben – Öffentliche Lagerhaltung von Zucker – Erhöhung der mit der Anmietung von Lagerraum verbundenen Kosten – Jährliche Bestandsaufnahme – Körperliche Überprüfungen der Lagerräume – Rechtssicherheit – Vertrauensschutz – Verhältnismäßigkeit – Begründungspflicht – Bestehen des Risikos eines finanziellen Schadens für die Fonds – Praktische Wirksamkeit“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Erste Kammer) vom 19. Juni 2015

1.      Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Begriff – Handlungen mit verbindlichen Rechtswirkungen – Vorbereitende Handlungen – Schreiben der Kommission, die ihre Absicht, bestimmte von den Mitgliedstaaten zulasten der EAGFL und der EGFL getätigten Ausgaben von der Finanzierung durch die Union auszuschließen – Zwischenmaßnahmen, die ein Vorbereitungsstadium der endgültigen Entscheidung darstellen – Ausschluss

(Art. 263 AEUV; Verordnung Nr. 885/2006 der Kommission, Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 3)

2.      Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Finanzierung durch EAGFL, EGFL und ELER – Rechnungsabschluss – Ablehnung, die sich aus der unrichtigen Anwendung des Unionsrechts ergebenden Ausgaben zu berücksichtigen – Beanstandung durch den betroffenen Mitgliedstaat – Beweislast – Verteilung zwischen der Kommission und dem Mitgliedstaat

(Verordnungen des Rates Nr. 1258/1999, Art. 7 Abs. 4, und Nr. 1290/2005, Art. 31)

3.      Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Ermittlung des Streitgegenstands – Kurze Darstellung der Klagegründe

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 21 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1 Buchst. c)

4.      Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Finanzierung durch EAGFL, EGFL und ELER – Regelung zum Ausgleich der Lagerkosten für Zucker – Erhöhung der mit der Anmietung von Lagerraum verbundenen Kosten – Pflicht der Mitgliedstaaten zur Schaffung eines wirksamen Systems von Verwaltungskontrollen und Vor-Ort-Kontrollen – Nicht zuverlässige Kontrollen – Ablehnung der Berücksichtigung durch die Fonds

(Verordnungen des Rates Nr. 1258/1999, Art. 8 Abs. 1, und Nr. 1290/2005, Art. 9 Abs. 1; Verordnung Nr. 1262/2001 der Kommission, Art. 9 Abs. 5)

5.      Nichtigkeitsklage – Angefochtene Handlung – Beurteilung der Rechtmäßigkeit anhand der bei Vornahme der Handlung verfügbaren Informationen

(Art. 263 AEUV)

6.      Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Klagegrund einer fehlenden oder unzureichenden Begründung – Klagegrund einer unzutreffenden Begründung – Unterscheidung

(Art. 296 AEUV)

7.      Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Entscheidung über den Rechnungsabschluss für die von EAGFL, EGFL und ELER finanzierten Ausgaben

(Art. 296 AEUV; Verordnungen des Rates Nr. 1258/1999, Art. 7 Abs. 4, und Nr. 1290/2005, Art. 31; Beschluss 2011/244 der Kommission)

8.      Handlungen der Organe – Zeitliche Geltung – Verfahrensvorschriften – Materiell-rechtliche Vorschriften – Unterscheidung – Rückwirkung einer materiell-rechtlichen Vorschrift – Voraussetzungen – Keine Rückwirkung von Art. 8 der Verordnung Nr. 884/2006

(Verordnung Nr. 884/2006 der Kommission, Art. 8)

9.      Handlungen der Organe – Wahl der Rechtsgrundlage – Unionsrecht – Gebot der Klarheit und Vorhersehbarkeit – Ausdrückliche Angabe der Rechtsgrundlage – Grenze

10.    Handlungen der Organe – Verordnungen – Verordnung, die bestimmte Kontrollmaßnahmen vorschreibt – Kein Ermessen der Mitgliedstaaten – Nichtdurchführung – Rechtfertigung – Größere Wirksamkeit eines anderen Kontrollsystems – Praktische Schwierigkeiten – Unzulässigkeit

11.    Einrede der Rechtswidrigkeit – Umfang – Handlungen, deren Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden kann – Rechtsakt allgemeiner Tragweite, auf den die angefochtene Entscheidung gestützt ist – Unmittelbar rechtlicher Zusammenhang zwischen der angefochtenen Einzelentscheidung und dem betreffenden allgemeinen Rechtsakt

(Art. 277 AEUV)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 24-29)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 31-33, 198)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 40)

4.      Art. 9 Abs. 5 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1262/2001 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1260/2001 betreffend den Ankauf und Verkauf von Zucker durch die Interventionsstellen, der vorsieht, dass, wenn der Zucker in angemieteten Lagern lagert, die Lagerkosten für den Zucker von der Interventionsstelle um höchsten 35 % erhöht werden dürfen, regelt weder die Modalitäten noch den Umfang der Kontrollen, die die Mitgliedstaaten vor Anwendung der Erhöhung, die von dieser Bestimmung vorgesehen ist, durchzuführen haben. Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1258/1999 des Rates über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik, der den gleichen Wortlaut hat wie Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1290/2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik, erlegt den Mitgliedstaaten jedoch die Verpflichtung auf, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um sich zu vergewissern, dass die durch die europäischen Agrarfonds finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind, Unregelmäßigkeiten vorzubeugen und sie zu verfolgen und die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Nachlässigkeiten verlorenen Beträge wieder beizutreiben, auch wenn die spezifische unionsrechtliche Handlung nicht ausdrücklich den Erlass dieser oder jener Kontrollmaßnahme vorsieht. Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, ein System von Verwaltungskontrollen und Kontrollen an Ort und Stelle zu schaffen, das die unmittelbare Erfüllung der materiellen und formellen Voraussetzungen für die Gewährung der betreffenden Prämien sicherstellt. Fehlt ein solches Kontrollsystem oder weist das von einem Mitgliedstaat eingeführte System derartige Mängel auf, dass Zweifel an der Erfüllung der für die Gewährung der fraglichen Prämien geltenden Voraussetzungen bestehen, so ist die Kommission berechtigt, bestimmte von dem betreffenden Mitgliedstaat getätigte Ausgaben nicht anzuerkennen.

Aus dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 5 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1262/2001 ergibt sich implizit aber zwangsläufig, dass von der Interventionsstelle eine geringere Erhöhung anzuwenden ist, wenn die tatsächlichen Kosten des Begünstigten niedriger sind als diese Höchstgrenze von 35 %. Eine solche Kontrolle der Rechtmäßigkeit und der Ordnungsmäßigkeit der Kosten, die zulasten der Fonds gehen, kann nur im Rahmen individueller Kontrollen auf der Grundlage von Belegen des betreffenden Verwahrers in Bezug auf die Umstände, auf Grund deren er gezwungen war, ein externes Lager in Anspruch zu nehmen, und zum anderen in Bezug auf die zusätzlichen Kosten, die durch die Inanspruchnahme dieses Lagers entstanden sind, durchgeführt werden. Die Wirksamkeit einer Kontrolle, die überprüfen soll, ob die tatsächlichen Kosten der Begünstigten für die Anmietung der Lager tatsächlich der Erhöhung um 35 % entsprechen, wäre nämlich ernsthaft geschwächt, ja sogar unmöglich, wenn diese Erhöhung nur aufgrund allgemeiner Informationen zur jeweiligen Marktsituation angewandt würde, wie Listen mit den üblichen Marktpreisen für vergleichbare Produkte oder mit Hinweisen auf das Fehlen geeigneter Lager.

Daraus folgt, dass Art. 9 Abs. 5 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1262/2001 dahin auszulegen ist, dass er den Mitgliedstaaten die Pflicht auferlegt, ein System von Kontrollen einzuführen, die es ermöglichen, fallweise nachzuprüfen, ob die Kosten für die Zuckerlagerung in angemieteten Lagern tatsächlich angefallen sind, so dass die Fonds nur von den Begünstigten ordnungsgemäß begründete und diesen tatsächlich entstandene Kosten zu tragen haben.

(vgl. Rn. 52-54, 57, 58)

5.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 77)

6.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 87-90)

7.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 93)

8.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 111-119)

9.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 123, 124)

10.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 151, 155)

11.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 180, 181)