Language of document : ECLI:EU:T:2022:833

URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)

21. Dezember 2022(*)

„Staatliche Beihilfen – Rahmenregelung zur Gewährung von Unterstützung für ungedeckte Fixkosten im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid‑19 in Deutschland – Beschluss, keine Einwände zu erheben – Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen – Individuelle Prüfung der angemeldeten Beihilferegelung – Maßnahme zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache T‑260/21,

E. Breuninger GmbH & Co. mit Sitz in Stuttgart (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte R. Velte und W. Meilicke,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch V. Bottka, G. Braga da Cruz und C. Kovács als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch P.‑L. Krüger und J. Möller als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tomljenović, des Richters F. Schalin, der Richterin P. Škvařilová‑Pelzl sowie der Richter I. Nõmm (Berichterstatter) und D. Kukovec,

Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die E. Breuninger GmbH & Co, die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2020) 8318 final der Kommission vom 20. November 2020 über die staatliche Beihilfe SA.59289 (2020/N) – Deutschland COVID‑19 – Unterstützung für ungedeckte Fixkosten (ABl. 2022, C 124, S. 1) in der durch den Beschluss C(2021) 1066 final der Kommission vom 12. Februar 2021 über die staatliche Beihilfe SA.61744 (2021/N) – Sammel‑Änderungsnotifizierung zur Anpassung von unter dem Befristeten Rahmen genehmigten Beihilferegelungen, insb. im Zuge der 5. Änderung des Befristeten Rahmens (ABl. 2021, C 77, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerin ist die operativ tätige Gesellschaft der Unternehmensgruppe E. Breuninger, die u. a. im Bekleidungssektor sowie im Vertrieb von Bekleidung, Parfümeriewaren, Kosmetikprodukten und Körperpflegemitteln, Einrichtungsgegenständen, Hausrat und Dekoartikeln tätig ist.

3        Am 19. März 2020 erließ die Europäische Kommission eine Mitteilung mit dem Titel „Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID‑19“ (ABl. 2020, C 91 I, S. 1) (im Folgenden: Befristeter Rahmen), der vier Mal geändert wurde, und zwar am 3. April 2020 (ABl. 2020, C 112 I, S. 1), am 8. Mai 2020 (ABl. 2020, C 164, S. 3), am 29. Juni 2020 (ABl. 2020, C 218, S. 3) und am 13. Oktober 2020 (ABl. 2020, C 340 I, S. 1).

4        In den Rn. 17 bis 19 von Abschnitt 2 („Anwendbarkeit des Artikels 107 Absatz 3 Buchstabe b [AEUV]“) des Befristeten Rahmens heißt es wie folgt:

„17.      Nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV kann die Kommission eine Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären, wenn diese zur ‚Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats‘ beiträgt. In diesem Zusammenhang haben die Unionsgerichte festgestellt, dass eine solche Störung nur vorliegt, wenn das gesamte Wirtschaftsleben des betreffenden Mitgliedstaats beeinträchtigt wird und nicht nur das einer seiner Regionen oder Gebietsteile. Dies steht auch mit der Notwendigkeit im Einklang, Ausnahmebestimmungen wie Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV eng auszulegen … Diesen Grundsatz der engen Auslegung setzt die Kommission in ihrer Beschlusspraxis stets um …

18.      Angesichts der Tatsache, dass alle Mitgliedstaaten vom COVID‑19‑Ausbruch betroffen sind und die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Eindämmungsmaßnahmen Auswirkungen für die Unternehmen haben, ist die Kommission der Auffassung, dass staatliche Beihilfen gerechtfertigt sind und für einen befristeten Zeitraum nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden können, um die Liquiditätsengpässe von Unternehmen zu beheben und sicherzustellen, dass die durch den COVID‑19‑Ausbruch verursachten Störungen die Existenzfähigkeit solcher Unternehmen, insbesondere von KMU, nicht beeinträchtigen.

19.      In dieser Mitteilung legt die Kommission die Vereinbarkeitsvoraussetzungen fest, anhand deren sie die von den Mitgliedstaaten nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV gewährten Beihilfen grundsätzlich prüfen wird. Die Mitgliedstaaten müssen also nachweisen, dass die Beihilfemaßnahmen, die sie auf der Grundlage dieser Mitteilung bei der Kommission anmelden, ein erforderliches, geeignetes und angemessenes Mittel sind, um eine beträchtliche Störung in ihrem Wirtschaftsleben zu beheben, und dass alle maßgeblichen Voraussetzungen dieser Mitteilung erfüllt sind.“

5        In Rn. 11 der Mitteilung, mit der der Befristete Rahmen zum vierten Mal geändert wurde, heißt es:

„[V]iele Unternehmen [haben] infolge des COVID‑19‑Ausbruchs vorübergehend mit einer geringeren Nachfrage zu kämpfen und können daher einen Teil ihrer Fixkosten nicht decken. In vielen Fällen dürfte die Nachfrage sich in den kommenden Monaten wieder erholen und wäre eine Unternehmensverkleinerung keine effiziente Lösung, wenn dabei erhebliche Umstrukturierungskosten entstehen. Um diesen Zeitraum zu überbrücken, könnten die betreffenden Unternehmen durch einen befristeten Beitrag zu einem Teil ihrer Fixkosten wirksam unterstützt werden. Die Unterstützung soll verhindern, dass sich die Kapitalausstattung der Unternehmen verschlechtert. Sie soll den Unternehmen die Fortführung des Betriebs ermöglichen und ihnen eine solide Grundlage für die Erholung von der Krise verschaffen.“

6        Mit der Mitteilung, mit der der Befristete Rahmen zum vierten Mal geändert wurde, wurde in diesen ein Abschnitt 3.12 („Beihilfen in Form von Unterstützung für ungedeckte Fixkosten“) eingefügt, der folgende Rn. 86 und 87 enthält:

„86.      Die Mitgliedstaaten können einen Beitrag zu den ungedeckten Fixkosten jener Unternehmen leisten, bei denen der COVID‑19‑Ausbruch eine Unterbrechung oder Reduzierung der Geschäftstätigkeiten bewirkt hat.

87.      Handelt es sich dabei um Beihilfen, so wird die Kommission diese als nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar ansehen, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)      Die Beihilfe wird spätestens am 30. Juni 2021 gewährt und deckt ungedeckte Fixkosten, die im Zeitraum vom 1. März 2020 bis zum 30. Juni 2021 entstanden sind bzw. [entstehen], einschließlich Kosten, die in einem Teil dieses Zeitraums entstanden sind bzw. entstehen (‚beihilfefähiger Zeitraum‘);

b)      die Beihilfe wird auf der Grundlage einer Regelung an Unternehmen gewährt, die im beihilfefähigen Zeitraum im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum Umsatzeinbußen von mindestens 30 % erlitten haben bzw. erleiden; …

c)      ungedeckte Fixkosten sind Fixkosten, die einem Unternehmen während des beihilfefähigen Zeitraums entstanden sind bzw. entstehen und die im selben Zeitraum weder durch den Deckungsbeitrag (d. h. die Differenz zwischen Erlösen und variablen Kosten) noch aus anderen Quellen wie Versicherungen, befristete Beihilfemaßnahmen auf der Grundlage dieser Mitteilung oder Unterstützung aus anderen Quellen gedeckt sind … Die Beihilfeintensität darf 70 % der ungedeckten Fixkosten nicht übersteigen, außer bei kleinen und Kleinstunternehmen (im Sinne des Anhangs I der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung), bei denen die Beihilfeintensität 90 % der ungedeckten Fixkosten nicht übersteigen darf. Für die Zwecke dieser Randnummer stellen Verluste, die Unternehmen für den beihilfefähigen Zeitraum in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung ausweisen …, ungedeckte Fixkosten dar. Beihilfen im Rahmen dieser Maßnahme dürfen auf der Grundlage prognostizierter Verluste gewährt werden, doch wird der endgültige Beihilfebetrag nach Entstehung der Verluste auf der Grundlage geprüfter Abschlüsse oder, sofern der betreffende Mitgliedstaat dies gegenüber der Kommission angemessen begründet (z. B. unter Verweis auf die Merkmale oder die Größe bestimmter Arten von Unternehmen), auf der Grundlage der steuerlichen Ergebnisrechnung festgestellt. Gezahlte Beträge, die den endgültigen Beihilfebetrag übersteigen, werden zurückgefordert;

d)      die Gesamtbeihilfe darf in keinem Fall 3 Mio. [Euro] je Unternehmen übersteigen. Die Beihilfe darf in Form von direkten Zuschüssen, Garantien oder Darlehen gewährt werden, sofern der Gesamtnennbetrag solcher Maßnahmen unter der Obergrenze von insgesamt 3 Mio. [Euro] je Unternehmen bleibt; bei den eingesetzten Beträgen muss es sich um Bruttobeträge handeln, d. h. um Beträge vor Abzug von Steuern und sonstigen Abgaben;

e)      Beihilfen im Rahmen dieser Maßnahme dürfen nicht mit anderen Beihilfen für dieselben beihilfefähigen Kosten kumuliert werden;

f)      Unternehmen, die sich am 31. Dezember 2019 bereits in Schwierigkeiten befanden (im Sinne der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung ( …)), dürfen keine Beihilfen gewährt werden; abweichend davon können Beihilfen für kleine und Kleinstunternehmen (im Sinne des Anhangs I der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung) gewährt werden, die sich am 31. Dezember 2019 bereits in Schwierigkeiten befanden, sofern diese Unternehmen nicht Gegenstand eines Insolvenzverfahrens nach nationalem Recht sind und sie weder Rettungsbeihilfen … noch Umstrukturierungsbeihilfen erhalten haben …“

7        Am 17. November 2020 meldete die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV eine Beihilferegelung zur Gewährung von Unterstützung für ungedeckte Fixkosten im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid‑19 in ihrem Geltungsbereich bei der Kommission an.

8        Am 20. November 2020 erließ die Kommission den Beschluss C(2020) 8318 final.

9        Im Beschluss C(2020) 8318 final beschrieb die Kommission erstens die wesentlichen Merkmale der angemeldeten Beihilferegelung, aus der sich u. a. ergebe, dass individuelle Beihilfemaßnahmen nur an Unternehmen gewährt werden könnten, die Umsatzeinbußen von mindestens 30 % erlitten hätten (17. Erwägungsgrund). Zweitens wies die Kommission darauf hin, dass die angemeldete Regelung unter Art. 107 Abs. 1 AEUV falle, da sie den Begünstigten einen selektiven Vorteil verschaffe und daher zu einer Wettbewerbsverzerrung führe (Erwägungsgründe 31 bis 33). Drittens stellte sie fest, dass diese Beihilferegelung gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sei, wobei sie auf die in Rn. 87 ihres Befristeten Rahmens festgelegten Kriterien verwies (Erwägungsgründe 35 bis 41). Sie erhob daher keine Einwände gegen diese Beihilferegelung.

10      Die mit dem Beschluss C(2020) 8318 final genehmigte Beihilferegelung betraf Beihilfen, die auf einen Betrag von höchstens 3 Mio. Euro je Unternehmen begrenzt waren (20. Erwägungsgrund).

11      Am 28. Januar 2021 nahm die Kommission eine fünfte Änderung ihres Befristeten Rahmens vor (ABl. 2021, C 34, S. 6), wobei u. a. dessen Rn. 87 Buchst. d geändert wurde, indem die Obergrenze für Beihilfen auf 10 Mio. Euro je Unternehmen angehoben wurde. Außerdem wurde Rn. 87 Buchst. a geändert, indem der Zeitraum, der sich ursprünglich vom 1. März 2020 bis zum 30. Juni 2021 erstreckte, bis zum 31. Dezember 2021 verlängert wurde.

12      Am 2. Februar 2021 meldete die Bundesrepublik Deutschland bei der Kommission eine Änderung ihrer Beihilferegelung an, mit der die Obergrenze für Beihilfen auf 10 Mio. Euro angehoben und ihre Laufzeit bis zum 31. Dezember 2021 verlängert wurde.

13      Mit dem Beschluss C(2021) 1066 final genehmigte die Kommission verschiedene Änderungen, die Deutschland an angemeldeten Beihilferegelungen, darunter der mit dem Beschluss C(2020) 8318 final genehmigten Regelung, vorgenommen hatte (im Folgenden: streitige Beihilferegelung).

14      Im Beschluss C(2021) 1066 final griff die Kommission u. a. zum einen auf die in ihren früheren Beschlüssen enthaltene Prüfung zurück, um auf das Bestehen staatlicher Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV und ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV hinzuweisen (Erwägungsgründe 15 und 17), und stellte zum anderen fest, dass die Verlängerung der Laufzeit der gemäß dem Befristeten Rahmen angemeldeten und genehmigten Beihilferegelung und die Anhebung ihrer Obergrenze mit Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV vereinbar seien (18. Erwägungsgrund).

 Anträge der Parteien

15      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

16      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

17      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission erklärt, dass sie ihren Antrag hinsichtlich der Unzulässigkeit der Klage zurücknehme, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

18      Die Bundesrepublik Deutschland beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

19      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe, mit denen sie einen Verstoß gegen Art. 107 AEUV bzw. gegen Art. 108 Abs. 2 AEUV rügt.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 107 AEUV

20      Die Klägerin ist im Wesentlichen der Ansicht, die Kommission sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die streitige Beihilferegelung auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden könne. Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen.

21      Mit dem ersten Teil dieses Klagegrundes macht die Klägerin geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da eine Beihilferegelung genehmigt werde, die auf einem Kriterium zur Bestimmung der Antragsberechtigung anhand der Umsätze des Unternehmens beruhe (im Folgenden: in Rede stehendes Förderkriterium). Mit dem zweiten Teil macht sie geltend, die Kommission habe ihre Pflicht, die angemeldete Beihilferegelung individuell zu prüfen, sowie ihre Begründungspflicht verletzt.

22      Die Kommission, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, beantragt, den vorliegenden Klagegrund zurückzuweisen.

23      Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV bestimmt: „Als mit dem Binnenmarkt vereinbar können angesehen werden: … Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“.

24      Nach der Rechtsprechung ergibt sich aus der allgemeinen Systematik des Vertrags, dass das in Art. 108 AEUV vorgesehene Verfahren niemals zu einem Ergebnis führen darf, das zu den besonderen Vorschriften des Vertrags im Widerspruch steht. Daher kann eine staatliche Beihilfe, die wegen bestimmter Modalitäten gegen andere Bestimmungen des Vertrags verstößt, von der Kommission nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden. Ebenso kann eine staatliche Beihilfe, die wegen bestimmter Modalitäten gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts verstößt, von der Kommission nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. April 2008, Nuova Agricast, C‑390/06, EU:C:2008:224, Rn. 50 und 51, sowie vom 22. September 2020, Österreich/Kommission, C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 44).

25      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Anwendung von Art. 107 Abs. 3 AEUV über ein weites Ermessen verfügt, dessen Ausübung komplexe wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt (vgl. Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung), so dass die gerichtliche Nachprüfung auf die Überprüfung der Beachtung der Verfahrens- und Begründungsvorschriften sowie auf die Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Tatsachen, des Fehlens von offensichtlichen Beurteilungsfehlern und von Ermessensmissbrauch zu beschränken ist (vgl. Urteil vom 22. Dezember 2008, Régie Networks, C‑333/07, EU:C:2008:764, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zum ersten Teil: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

26      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, das in Rede stehende Förderkriterium sei unverhältnismäßig und führe zu einer Ungleichbehandlung zulasten der Unternehmen, die in mehreren Bereichen tätig seien, von denen nur einige von der Covid‑19‑Pandemie betroffen seien. Soweit dieses Kriterium dazu führe, dass diese Unternehmen von der streitigen Beihilferegelung ausgeschlossen würden oder sie in geringerem Maße in Anspruch nehmen könnten, würden die Unternehmen somit verpflichtet, eine Quersubventionierung ihrer betroffenen Tätigkeiten vorzunehmen, während ihre Wettbewerber, die ausschließlich im stationären Einzelhandel tätig seien, diese Regelung in vollem Umfang hätten in Anspruch nehmen können.

27      Die Kommission und die Bundesrepublik Deutschland machen geltend, dieser Teil des vorliegenden Klagegrundes sei unbegründet. Die Kommission macht außerdem vorab geltend, dass dieser Teil des vorliegenden Klagegrundes von vornherein zurückzuweisen sei, weil die Klägerin keine Einrede der Rechtswidrigkeit im Sinne von Art. 277 AEUV gegen den Befristeten Rahmen erhoben habe, der durch den angefochtenen Beschluss angewandt werde.

–       Zu der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit, da keine Einrede der Rechtswidrigkeit gegen den Befristeten Rahmen erhoben worden sei

28      Die Kommission weist erstens darauf hin, dass das in Rede stehende Förderkriterium aus Rn. 87 des Befristeten Rahmens im angefochtenen Beschluss korrekt angewandt worden sei; zweitens habe die Klägerin keine Einrede der Rechtswidrigkeit gegen den Befristeten Rahmen erhoben, woraus drittens abzuleiten sei, dass dessen Gültigkeit zu unterstellen sei und im Rahmen der Anfechtung der Begründetheit des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage gestellt werden könne.

29      Dem kann nicht gefolgt werden.

30      Als Erstes ist es zwar zutreffend, dass die Klageschrift keine ausdrückliche Bezugnahme auf eine Einrede der Rechtswidrigkeit oder auf Art. 277 AEUV enthält, das Unionsrecht schreibt aber nicht vor, dass eine Einrede der Rechtswidrigkeit förmlich zu erheben ist. Denn nach der Rechtsprechung kann davon ausgegangen werden, dass eine Einrede der Rechtswidrigkeit implizit erhoben wurde, sofern sich aus der Klageschrift relativ eindeutig ergibt, dass die Klägerin eine solche Rüge erhoben hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. November 2018, Mouvement pour une Europe des nations et des libertés/Parlament, T‑829/16, EU:T:2018:840, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      So liegt der Fall hier.

32      Erstens wird in einigen Teilen der Klageschrift die Gültigkeit von Rn. 87 des Befristeten Rahmens unmittelbar in Frage gestellt. So wird darauf hingewiesen, dass das „in Rn. 87 [Buchst. b] des Befristeten Rahmens in der Fassung der 4. Änderung zugrunde gelegte Kriterium … kein geeignetes Kriterium [ist], um Wettbewerbsverzerrungen zu minimieren oder auszuschließen.“ Ebenso wird in der Klageschrift geltend gemacht, dass Rn. 87 Buchst. c des Befristeten Rahmens zu einer „ungerechtfertigten Ungleichbehandlung“ führe.

33      Zweitens zeigt sich im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles anhand des gesamten Vorbringens der Klägerin zu diesem Teil des vorliegenden Klagegrundes auch und notwendigerweise, dass die Gültigkeit des Befristeten Rahmens implizit angefochten wird. Sowohl die streitige Beihilferegelung als auch der angefochtene Beschluss, mit dem sie genehmigt wurde, enthalten nämlich ein Förderkriterium, das auf Rn. 87 des Befristeten Rahmens beruht. Folglich konnte die Kommission nicht verkennen, dass mit dem Vorbringen der Klägerin, der Beschluss sei aufgrund der Unverhältnismäßigkeit dieses Kriteriums rechtswidrig, auch die Gültigkeit dieser Randnummer in Frage gestellt wird.

34      Als Zweites verkennt die Kommission jedenfalls, soweit sie geltend macht, die Klägerin habe keine Einrede der Rechtswidrigkeit gegen das auf Rn. 87 des Befristeten Rahmens beruhende Kriterium erhoben und könne daher die Begründetheit dieses Kriteriums nicht in Frage stellen, die rechtliche Tragweite von Rechtsakten wie diesem Befristeten Rahmen, die sie zur Begrenzung ihres Ermessens erlässt.

35      Nach ständiger Rechtsprechung gilt für Unionsrechtsakte eine Vermutung der Rechtmäßigkeit und sie entfalten daher Rechtswirkungen, solange sie nicht zurückgenommen, im Rahmen einer Nichtigkeitsklage für nichtig erklärt, auf ein Vorabentscheidungsersuchen oder eine Rechtswidrigkeitseinrede hin für ungültig erklärt worden sind oder nicht Gegenstand einer Aussetzung der Vollziehung oder anderer einstweiliger Anordnungen des Unionsgerichts nach den Art. 278 und 279 AEUV waren (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Juni 2012, CIVAD, C‑533/10, EU:C:2012:347, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 2. April 2020, Kommission/Polen, Ungarn und Tschechische Republik [Vorübergehender Umsiedlungsmechanismus für internationalen Schutz beantragende Personen], C‑715/17, C‑718/17 und C‑719/17, EU:C:2020:257, Rn. 140). Die Beachtung dieser Vermutung der Rechtmäßigkeit kann verhindern, dass die Begründetheit einer Entscheidung geprüft wird, die die einfache Anwendung eines Rechtsakts von allgemeiner Geltung darstellt, dessen Gültigkeit nicht beanstandet wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Dezember 2021, P. Krücken Organic/Kommission, C‑586/20 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:1046, Rn. 69, sowie vom 2. Februar 2012, Griechenland/Kommission, T‑469/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:50, Rn. 57). Somit gilt diese Vermutung nur für endgültige Rechtsakte der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union mit Rechtswirkungen gegenüber Dritten, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können. Dies ist bei einem Rechtsakt, mit dem die Kommission Verhaltensnormen erlässt, um die Ausübung ihres Ermessens zu beschränken, nicht der Fall.

36      Zwar bedeutet die Selbstbeschränkung der Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens, dass sie grundsätzlich nicht von den von ihr festgelegten Normen abweichen darf, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie den der Gleichbehandlung geahndet würde (vgl. Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Erlass solcher Normen befreit die Kommission aber nicht davon, die Umstände des Einzelfalls individuell zu prüfen, was dazu führen kann, dass sie diese Normen nicht anwendet, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalls es erfordern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 41). Daraus folgt, dass Rechtsakte, mit denen die Kommission lediglich eine Verhaltensnorm erlässt, als solche – anders als die oben in Rn. 35 angeführten Rechtsakte – keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugen.

37      Dieses Fehlen immanenter verbindlicher Rechtswirkungen ist insbesondere angesichts der Art der Befugnisse, die der Kommission im Bereich der Kontrolle staatlicher Beihilfen übertragen wurden, von Bedeutung. Denn wenn man anerkennen würde, dass der Befristete Rahmen selbst verbindliche Rechtswirkungen erzeugt und seine Rechtmäßigkeit zu vermuten ist, würde dies bedeuten, dass ihm die gleiche Rechtsnatur zuerkannt würde wie einer Verordnung, einem Rechtsakt, für dessen Erlass die Kommission nach dem Abschnitt des AEU‑Vertrags über „staatliche Beihilfen“ außer in den in Art. 108 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Fällen nicht zuständig ist.

38      Daraus folgt, dass die Klägerin unbeschadet des Umstands, dass das von der Kommission angewandte Förderkriterium auf Rn. 87 des Befristeten Rahmens beruht und zudem keine Einrede der Rechtswidrigkeit gegen diese Randnummer erhoben wurde, zu Recht die Art und Weise beanstanden kann, in der die Kommission im angefochtenen Beschluss von ihrem Ermessen nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV Gebrauch gemacht hat, indem sie die streitige Beihilferegelung für mit dem Binnenmarkt vereinbar und in diesem Rahmen das von ihr angewandte Förderkriterium für begründet erklärt hat.

–       Zur Tragweite des Vorbringens der Klägerin

39      Mit dem ersten Teil des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin geltend, das in Rn. 87 Buchst. b und c des Befristeten Rahmens enthaltene Förderkriterium, das in der streitigen Beihilferegelung angewandt und von der Kommission im angefochtenen Beschluss genehmigt worden sei, sei unverhältnismäßig. Sie erhebt insoweit mehrere Rügen und macht zudem einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung geltend.

40      Insbesondere beanstandet die Klägerin, dass in Rn. 87 Buchst. b und c des Befristeten Rahmens die Umsatzeinbußen als Förderkriterium für die Beihilfe für ungedeckte Fixkosten herangezogen worden seien, die im Hinblick auf das Unternehmen anstatt ausschließlich im Hinblick auf die von der Covid‑19‑Pandemie betroffenen Tätigkeiten beurteilt worden seien.

41      Hierzu ist festzustellen, dass sich die Berücksichtigung der Umsatzeinbußen im Hinblick auf das Unternehmen aus Rn. 87 Buchst. b des Befristeten Rahmens ergibt, in der festgelegt wird, dass die Beihilfe auf der Grundlage einer Regelung „an Unternehmen gewährt [wird], die im … Zeitraum [vom 1. März 2020 bis zum 30. Juni 2021] Umsatzeinbußen von mindestens 30 % erlitten haben bzw. erleiden“. Sie ergibt sich auch aus Rn. 87 Buchst. c dieses Rahmens, soweit dort durch den Deckungsbeitrag oder durch andere Quellen gedeckte Kosten von der Definition der „ungedeckten Fixkosten“ ausgeschlossen werden.

42      Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass nach dem in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist (Urteil vom 17. Mai 1984, Denkavit Nederland, 15/83, EU:C:1984:183, Rn. 25), wobei zu beachten ist, dass, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und dass die verursachten Nachteile zu den angestrebten Zielen nicht außer Verhältnis stehen dürfen (Urteil vom 30. April 2019, Italien/Rat [Fangquoten für Schwertfisch im Mittelmeer], C‑611/17, EU:C:2019:332, Rn. 55).

43      Damit eine Maßnahme den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt, müssen somit drei Komponenten gegeben sein. Die erste Komponente betrifft die Angemessenheit, d. h. die Eignung der Maßnahme, ein zulässigerweise verfolgtes Ziel zu erreichen. Die zweite Komponente betrifft ihre Erforderlichkeit und setzt voraus, dass dieses legitime Ziel nicht durch ebenso geeignete, jedoch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2013, Dansk Jurist- og Økonomforbund, C‑546/11, EU:C:2013:603, Rn. 69). Die dritte Komponente schließlich betrifft die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme – zuweilen auch als „Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne“ bezeichnet – und bedeutet, dass sie keine Nachteile verursachen darf, die zu den angestrebten Zielen außer Verhältnis stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. März 2013, Polen/Kommission, T‑370/11, EU:T:2013:113, Rn. 89, sowie vom 26. September 2014, Romonta/Kommission, T‑614/13, EU:T:2014:835, Rn. 74).

44      Als Zweites scheint die Klägerin auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zu rügen. Das in Rede stehende Förderkriterium hat ihrer Ansicht nach nämlich zu einer Ungleichbehandlung zulasten von Unternehmen geführt, bei denen nur bestimmte Tätigkeiten von der Covid‑19‑Pandemie betroffen gewesen seien, indem sie zu einer Quersubventionierung dieser Tätigkeiten gezwungen gewesen seien, weil sie die von der Kommission genehmigte streitige Beihilferegelung nicht oder nur in geringerem Maße hätten in Anspruch nehmen können.

45      Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 15. April 2008, Nuova Agricast, C‑390/06, EU:C:2008:224, Rn. 66; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 5. Juni 2018, Montero Mateos, C‑677/16, EU:C:2018:393, Rn. 49).

46      Die Merkmale unterschiedlicher Sachverhalte und somit deren Vergleichbarkeit sind u. a. im Licht des Ziels und des Zwecks der Unionsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen. Außerdem sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, dem die in Rede stehende Maßnahme unterfällt (Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 26).

47      Es ist festzustellen, dass sich ein solches Vorbringen gegen einen Beschluss, in dem Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV angewandt wird, mit den Rügen der Klägerin überschneidet, die auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in seinen verschiedenen Komponenten gestützt werden.

48      Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV gestattet nämlich eine Ausnahme von dem in Art. 107 Abs. 1 AEUV niedergelegten allgemeinen Grundsatz der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Binnenmarkt. Daraus ergibt sich, dass dieser Artikel zum einen darauf abzielt, staatliche Beihilfen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären zu können, die naturgemäß die Gewährung eines selektiven Vorteils für bestimmte Unternehmen bedeuten, der als diskriminierend eingestuft werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 54 und 55), und dass dieser Artikel zum anderen eng auszulegen ist (vgl. Urteil vom 9. April 2014, Griechenland/Kommission, T‑150/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:191, Rn. 146 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Daher bedeutet der Umstand, dass das in Rede stehende Förderkriterium zu einer Ungleichbehandlung der Unternehmen führt, je nachdem, ob sämtliche oder lediglich ein Teil ihrer Tätigkeiten von der Covid‑19‑Pandemie betroffen waren, für sich genommen nicht, dass dieses Kriterium rechtswidrig ist. Es ist hingegen zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung im Hinblick auf Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV gerechtfertigt ist, was voraussetzt, dass dieses Kriterium erforderlich, angemessen und verhältnismäßig ist, um eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben des betreffenden Mitgliedstaats zu beheben.

–       Zur Rüge, mit der die Angemessenheit des in Rede stehenden Förderkriteriums beanstandet wird

50      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, das in Rede stehende Förderkriterium sei nicht geeignet, das Ziel von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV zu erreichen, da der Wettbewerb dadurch verzerrt werde, ohne die Auswirkungen der Covid‑19‑Pandemie abzumildern, und verstoße gegen Rn. 11 der Mitteilung, mit der der Befristete Rahmen zum vierten Mal geändert worden sei, die die Notwendigkeit betreffe, die Verschlechterung der Kapitalausstattung der Unternehmen zu verhindern. Insoweit macht die Klägerin geltend, dass sich diese Pandemie auf den stationären Einzelhandel in einer solchen Weise ausgewirkt habe, dass nicht auszuschließen sei, dass sich Unternehmen, die die streitige Beihilferegelung aufgrund der Ausübung anderer Tätigkeiten nicht hätten in Anspruch nehmen können, von diesem zurückzögen.

51      Dem kann nicht gefolgt werden.

52      Erstens ist unstreitig, dass die Covid‑19‑Pandemie zu einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Deutschlands geführt hat. Sie fällt daher in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV.

53      Zweitens geht aus der (oben in Rn. 4 wiedergegebenen) Rn. 18 des Befristeten Rahmens hervor, dass dieser die Vereinbarkeit von Beihilfen, insbesondere in Form von Unterstützung für ungedeckte Fixkosten, mit dem Binnenmarkt ermöglichen soll, mit denen Liquiditätsengpässe von Unternehmen aufgrund der Covid‑19‑Pandemie behoben werden sollen und sichergestellt werden soll, dass die dadurch verursachten Störungen die Existenzfähigkeit solcher Unternehmen nicht beeinträchtigen.

54      Ebenso geht aus der (oben in Rn. 5 wiedergegebenen) Rn. 11 der Mitteilung, mit der der Befristete Rahmen zum vierten Mal geändert wurde, hervor, dass die Unterstützung von Unternehmen, die vorübergehend einen Teil ihrer Fixkosten nicht decken können, das Fortbestehen dieser Unternehmen gewährleisten soll, indem die Verschlechterung ihrer Kapitalausstattung verhindert und ihnen die Fortführung ihres Betriebs dadurch ermöglicht wird, dass ihnen eine solide Grundlage für die Erholung von der Krise verschafft wird.

55      Drittens ist festzustellen, dass ein solches Ziel, bei dem die Schwierigkeiten berücksichtigt werden, denen sich Unternehmen aufgrund der Covid‑19‑Pandemie bei der Deckung ihrer Fixkosten gegenübersehen können, mit dem Ziel von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV im Einklang steht und unter die Ausübung des weiten Ermessens fällt, das der Kommission – wie oben in Rn. 25 ausgeführt – gemäß dieser Bestimmung zukommt.

56      Viertens ist festzustellen, dass ein Kriterium, durch das es den Unternehmen, deren Umsatz aufgrund der Covid‑19‑Pandemie um mehr als 30 % zurückgegangen ist, ermöglicht wird, finanzielle Unterstützung zu erhalten, voll und ganz der Erreichung des oben in den Rn. 53 und 54 angeführten Ziels dient, die Existenzfähigkeit und das Fortbestehen von Unternehmen während dieser Pandemie zu gewährleisten.

57      Diese Feststellung wird nicht durch die Behauptung der Klägerin in Frage gestellt, dass bestimmte Unternehmen, die die streitige Beihilferegelung nicht oder nur in geringerem Maße in Anspruch nehmen könnten, weil sie in Bereichen wie dem Onlinehandel tätig seien, die nicht von der Covid‑19‑Pandemie betroffen seien, dazu veranlasst sein könnten, sich aus dem stationären Einzelhandel zurückzuziehen.

58      Hierzu ist festzustellen, dass Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV nicht verlangt, dass die betreffende Beihilferegelung als solche geeignet ist, die beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben des betreffenden Mitgliedstaats zu beheben. Sobald die Kommission nämlich feststellt, dass eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats vorliegt, könnte dieser, sofern auch die übrigen Voraussetzungen dieses Artikels erfüllt sind, ermächtigt werden, staatliche Beihilfen in Form von Beihilferegelungen oder Einzelbeihilfen zu gewähren, die zur Behebung dieser beträchtlichen Störung beitragen. Dies könnte mehrere Beihilferegelungen umfassen, die jede für sich zu diesem Ziel beitragen. Dementsprechend kann nicht verlangt werden, dass eine Beihilferegelung als solche eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats beheben muss, um diese wirksam auf diese Bestimmung stützen zu können.

59      Außerdem konnte die Kommission, ohne die Grenzen des weiten Ermessens zu verkennen, über das sie gemäß der oben in Rn. 25 angeführten Rechtsprechung verfügt, davon ausgehen, dass die Existenzfähigkeit von Unternehmen, deren Tätigkeit durch die Covid‑19‑Pandemie zu einem erheblichen Teil beeinträchtigt war, erhalten werden musste und nicht jede durch diese Pandemie betroffene Tätigkeit, unabhängig von der Gesamtsituation des Unternehmens.

60      Die vorliegende Rüge ist folglich zurückzuweisen.

–       Zur Rüge, mit der die Erforderlichkeit des in Rede stehenden Förderkriteriums beanstandet wird

61      Die Klägerin macht geltend, durch die Anwendung eines alternativen Kriteriums, das die Verluste berücksichtige, die in den von der Covid‑19‑Pandemie betroffenen Tätigkeitsbereichen eingetreten seien, ohne die Situation des Unternehmens insgesamt zu berücksichtigen, hätte sich das Ziel von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV besser erreichen lassen, weil es keine wettbewerbsbeschränkende Wirkung wie das in Rede stehenden Förderkriterium gehabt hätte. Dieses alternative Kriterium sei von der Kommission in anderen Beschlüssen herangezogen worden.

62      Die Kommission entgegnet u. a., sie sei nicht verpflichtet, abstrakt über jede denkbare Alternative zu der streitigen Beihilferegelung eine Entscheidung zu treffen. Der von der Klägerin angestellte Vergleich mit bestimmten Beschlüssen, die die Kommission aufgrund der Covid‑19‑Pandemie erlassen habe, sei irrelevant, da diese Beschlüsse nicht die gleiche Rechtsgrundlage hätten.

63      Es trifft zu, dass die Kommission grundsätzlich nicht verpflichtet ist, eine abstrakte Betrachtung aller in Betracht kommenden alternativen Maßnahmen vorzunehmen, da der betreffende Mitgliedstaat zwar die Gründe, die zum Erlass der in Rede stehenden Beihilferegelung geführt haben, insbesondere in Bezug auf die festgelegten Förderkriterien, im Einzelnen darlegen muss, aber nicht darüber hinaus noch positiv belegen muss, dass keine andere vorstellbare, der Natur der Sache nach hypothetische Maßnahme es erlaubte, das angestrebte Ziel besser zu erreichen. Wenn der besagte Mitgliedstaat keiner solchen Verpflichtung unterliegt, kann ein Kläger nicht verlangen, dass das Gericht die Kommission auffordert, bei dieser normativen Sondierung zur Prüfung denkbarer alternativer Regelungen an die Stelle der nationalen Behörden zu treten (vgl. Urteil vom 6. Mai 2019, Scor/Kommission, T‑135/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:287, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Es ist jedoch festzustellen, dass diese Rechtsprechung unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht maßgeblich ist. Sie beruht nämlich auf der doppelten Annahme, dass zum einen die Förderkriterien einer Beihilferegelung vom betreffenden Mitgliedstaat festgelegt werden und zum anderen die Kommission lediglich dazu verpflichtet ist, ihre Erforderlichkeit auf der Grundlage der Erläuterungen dieses Staates zu prüfen. Im vorliegenden Fall ist aber unstreitig, dass das in der streitigen Beihilferegelung enthaltene Förderkriterium tatsächlich auf dem Befristeten Rahmen der Kommission beruht und das von der Klägerin in Betracht gezogene alternative Kriterium von der Kommission in anderen Beschlüssen herangezogen wurde, um bestimmte Beihilferegelungen, die aufgrund der Covid‑19‑Pandemie erlassen wurden, für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären.

65      Die vorliegende Rüge kann dennoch keinen Erfolg haben.

66      Erstens verfügt die Kommission – wie oben in den Rn. 25, 55 und 58 ausgeführt – über ein weites Ermessen bei der Durchführung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV. Der vorliegenden Rüge könnte daher nur dann stattgegeben werden, wenn sich anhand des von der Klägerin geltend gemachten alternativen Kriteriums offensichtlich zeigen würde, dass das in Rede stehende Förderkriterium nicht erforderlich ist.

67      Zweitens ist festzustellen, dass sich das von der Klägerin geltend gemachte alternative Kriterium von dem in Rede stehenden Förderkriterium im Hinblick auf den Umfang seiner Auswirkungen auf den Haushalt des betreffenden Mitgliedstaats unterscheidet. Denn während das alternative Kriterium zur Folge hätte, dass jedes Unternehmen, das aufgrund der Pandemie Verluste erlitten hat, unabhängig von seiner finanziellen Gesamtsituation öffentliche Mittel erhielte, beschränkt das in Rede stehende Förderkriterium die haushaltsrechtlichen Auswirkungen solcher Beihilfen, indem die Inanspruchnahme der streitigen Beihilferegelung durch Unternehmen, die in finanzieller Hinsicht von der Covid‑19‑Pandemie aufgrund anderer Einnahmequellen insgesamt in geringerem Maße betroffen waren, ausgeschlossen oder beschränkt wird.

68      Drittens und daraus folgend macht die Klägerin zu Unrecht im Wesentlichen geltend, dass das von ihr vorgetragene alternative Kriterium eine „ebenso angemessene“ Maßnahme im Sinne der oben in den Rn. 42 und 43 angeführten Rechtsprechung darstelle, anhand deren sich nachweisen lasse, dass das in Rede stehende Förderkriterium nicht erforderlich sei.

69      Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Vorbringen der Klägerin entkräftet, die Kommission habe anerkannt, dass in zwei Beschlüssen, mit denen Beihilferegelungen auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt worden seien, ein Kriterium angewandt werde, das auf den von der Covid‑19‑Pandemie betroffenen Tätigkeitsbereichen beruhe.

70      Insoweit genügt der Hinweis, dass der Umstand, dass die Kommission auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV, der mit dem Binnenmarkt von Rechts wegen vereinbare Beihilfen zur Beseitigung von Schäden betrifft, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, Beihilferegelungen genehmigen konnte, die einen Ausgleich von Verlusten umfassten, die durch Schließungsanordnungen im Zusammenhang mit der Covid‑19‑Pandemie entstanden sind, ohne die finanzielle Gesamtsituation der Begünstigten zu berücksichtigen, nicht bedeutet, dass sie bei der Ausübung ihres weiten Ermessens nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV, um Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären, verpflichtet war, einen entsprechenden Ansatz zu verfolgen.

–       Zur Rüge, mit der die Verhältnismäßigkeit des in Rede stehenden Förderkriteriums beanstandet wird

71      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, das in Rede stehende Förderkriterium sei im Hinblick auf die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen unverhältnismäßig, die dadurch für Unternehmen entstanden seien, bei denen nur bestimmte Tätigkeiten von der Covid‑19‑Pandemie betroffen gewesen seien. Anstatt neue Investitionen vorzunehmen, habe sie diese Tätigkeiten subventionieren müssen, während ihre Wettbewerber von der streitigen Beihilferegelung profitiert hätten. Sie weist im Wesentlichen darauf hin, dass die Kommission den Umfang der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen nicht habe ignorieren dürfen, die aufgrund des in Rede stehenden Förderkriteriums entstünden, nachdem die Obergrenze durch die Mitteilung, mit der der befristete Rahmen zum fünften Mal geändert worden sei, auf 10 Mio. Euro angehoben worden sei.

72      Ohne dass über die Frage entschieden zu werden braucht, ob die Kommission bei der Anwendung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV verpflichtet war, die positiven Auswirkungen einer streitigen Beihilferegelung gegen ihre negativen Auswirkungen auf die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs abzuwägen, genügt die Feststellung, dass das in Rede stehende Förderkriterium jedenfalls keine wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen nach sich zieht, die im Hinblick auf das mit der streitigen Beihilferegelung verfolgte Ziel, die Existenzfähigkeit der von der Covid‑19‑Pandemie betroffenen Unternehmen sicherzustellen, offensichtlich unverhältnismäßig sind.

73      Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass der Umstand, dass die Klägerin veranlasst war, einige ihrer Mittel aus Tätigkeiten, die nicht von der Covid‑19‑Pandemie betroffen waren, für die Finanzierung betroffener Tätigkeiten aufzuwenden, anstatt neue Investitionen zu tätigen, ihre Wettbewerbsposition in einer solchen Weise beeinträchtigt, dass die in Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV vorgesehene Ausnahme keine Anwendung finden könnte. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Wettbewerber der Klägerin, die die streitige Beihilferegelung in vollem Umfang in Anspruch nehmen können, ebenfalls einen Teil der durch diese Pandemie verursachten Verluste tragen müssen, da der angefochtene Beschluss gemäß Rn. 87 Buchst. c des Befristeten Rahmens vorsieht, dass die Beihilfeintensität 70 % der ungedeckten Fixkosten nicht übersteigen darf, außer bei kleinen und Kleinstunternehmen, bei denen diese Obergrenze 90 % dieser Kosten beträgt.

74      Zudem ist festzustellen, dass die Ausführungen der Klägerin auf der Annahme zu beruhen scheinen, dass die Beihilferegelung es den Begünstigten ermöglichen würde, in die Entwicklung ihrer bestehenden oder in neue Tätigkeiten zu investieren, und ihnen somit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Unternehmen verschaffen würde, die die Regelung aufgrund ihres Geschäftsmodells nicht oder nur in geringerem Maße in Anspruch nehmen können. Eine solche Annahme geht jedoch in tatsächlicher Hinsicht fehl, da diese Regelung zur Sicherstellung ihres Fortbestehens nur von Unternehmen in Anspruch genommen werden kann, die – im Gegensatz zu Unternehmen, bei denen ein erheblicher Teil ihrer Tätigkeiten nicht von der Covid‑19‑Pandemie beeinträchtigt wurde – durch diese Pandemie stark geschwächt wurden. Es kann daher vernünftigerweise nicht angenommen werden, dass sie aufgrund dieser Regelung ihre Tätigkeiten zulasten der Tätigkeiten ihrer Wettbewerber ausbauen können.

75      Nach alledem ist die vorliegende Rüge und damit der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: Keine individuelle Prüfung der streitigen Beihilferegelung und Begründungsmangel

76      Die Klägerin weist zum einen darauf hin, dass der Erlass des Befristeten Rahmens die Kommission nicht davon befreie, die streitige Beihilferegelung individuell zu prüfen, und wirft der Kommission zum anderen vor, im vorliegenden Fall keine solche Prüfung vorgenommen zu haben. Sie trägt insoweit vor, dass der angefochtene Beschluss ausschließlich durch Verweis auf den Befristeten Rahmen begründet und innerhalb von nur drei Tagen nach der Anmeldung dieser Beihilferegelung erlassen worden sei. Der angefochtene Beschluss sei zudem mit einem Begründungsmangel behaftet, da sich die Kommission in diesem darauf beschränkt habe, auf den Befristeten Rahmen zu verweisen.

77      Die Kommission, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, macht geltend, sie habe eine Prüfung der streitigen Beihilferegelung vorgenommen, aus der sich ergeben habe, dass kein Grund bestanden habe, vom Befristeten Rahmen abzuweichen. Außerdem weist sie jeglichen Begründungsmangel des angefochtenen Beschlusses zurück.

78      Aus den bereits oben in den Rn. 36 und 37 dargelegten Gründen ist festzustellen, dass die Klägerin zwar zu Recht geltend macht, dass der Erlass des Befristeten Rahmens die Kommission nicht davon befreie, die streitige Beihilferegelung individuell zu prüfen.

79      Im vorliegenden Fall kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission ihre Pflicht zur individuellen Prüfung der streitigen Beihilferegelung verletzt hat.

80      Erstens geht oben aus den Rn. 9 und 14 hervor, dass die Kommission sowohl im Beschluss C(2020) 8318 final als auch im Beschluss C(2021) 1066 final die Merkmale der streitigen Beihilferegelung erläutert hat.

81      Zweitens legt die Klägerin in ihren Schriftsätzen nicht dar, dass hinsichtlich der streitigen Beihilferegelung außergewöhnliche Umstände vorlägen, die es gerechtfertigt hätten, dass die Kommission Rn. 87 des Befristeten Rahmens nicht anwendet. Aus der Prüfung des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes ergibt sich nämlich, dass die verschiedenen geltend gemachten Rügen die Begründetheit des in Rede stehenden Förderkriteriums – wie in dieser Randnummer angeführt und im angefochtenen Beschluss angewandt – betreffen, sich aber nicht speziell auf diese Beihilferegelung beziehen.

82      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass es Unternehmen gibt, die ein Geschäftsmodell haben, gemäß dem sie sowohl Tätigkeiten, die von der Covid‑19‑Pandemie betroffen sind, als auch andere Tätigkeiten ausüben, die davon nicht betroffen sind, keine besondere Erwägung im Hinblick auf die streitige Beihilferegelung ist, die die Kommission im angefochtenen Beschluss hätte berücksichtigen müssen. Das Gleiche gilt für den Umstand, dass in der Mitteilung, mit der der Befristete Rahmen zum fünften Mal geändert wurde, die Obergrenze für gezahlte Beihilfen auf 10 Mio. Euro je Unternehmen angehoben wurde.

83      Da die Klägerin drittens keinen außergewöhnlichen Umstand darlegt, aufgrund dessen die Kommission von den Vorschriften abweichen könnte, die sie sich im Befristeten Rahmen selbst auferlegt hat, kann die Tatsache, dass die Kommission in der Lage war, innerhalb von drei Tagen nach der Anmeldung der Beihilferegelung einen Beschluss zu erlassen, folglich nicht als Anhaltspunkt dafür angesehen werden, dass die streitige Beihilferegelung nicht individuell geprüft wurde.

84      Viertens hat die Kommission mangels besonderer Umstände der streitigen Beihilferegelung ihre Begründungspflicht nicht verletzt, indem sie im angefochtenen Beschluss zur Erläuterung der Gründe, weshalb sie beschlossen hatte, die streitige Beihilferegelung gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären, auf die im Befristeten Rahmen enthaltenen Gründe verwiesen hat.

85      Im Übrigen ergibt sich aus sämtlichen vorstehenden Erwägungen, dass zum einen die Klägerin in der Lage war, die im angefochtenen Beschluss enthaltene Begründung nachzuvollziehen, und zum anderen das Gericht in der Lage war, die Stichhaltigkeit dieser Begründung zu überprüfen, so dass festzustellen ist, dass dieser Beschluss rechtlich hinreichend begründet wurde.

86      Nach alledem ist dieser Teil des Klagegrundes und damit der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 108 Abs. 2 AEUV

87      Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission, da die Frage der Vereinbarkeit der streitigen Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt ernsthafte Schwierigkeiten aufgeworfen habe, verpflichtet gewesen sei, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, und dass der angefochtene Beschluss daher ihre Verfahrensrechte gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV verletzt habe. Aus dem ersten Klagegrund gehe im Wesentlichen hervor, dass sich die Kommission nicht mit den Auswirkungen eines Ansatzes befasst habe, der auf der Beurteilung der Auswirkungen der Covid‑19‑Pandemie auf Unternehmen beruhe, und zwar auf solche Unternehmen, die in mehreren Bereichen tätig seien. Infolge der fünften Änderung des Befristeten Rahmens sei sich die Kommission der Bedeutung von Beihilfen für große Unternehmen bewusst geworden, habe daraus aber bei der Prüfung der Änderung der ursprünglichen Beihilferegelung keine Konsequenzen gezogen. Dies deute auf eine unzureichende und unvollständige Prüfung und mithin auf das Bestehen ernsthafter Schwierigkeiten hin, die Zweifel an der Vereinbarkeit der streitigen Regelung mit dem Binnenmarkt hervorrufen könnten. Schließlich sei der vorliegende Klagegrund gegenüber dem ersten Klagegrund inhaltlich eigenständig.

88      Die Kommission trägt vor, der vorliegende Klagegrund habe keinen eigenständigen Inhalt gegenüber dem ersten Klagegrund, so dass der vorliegende Klagegrund automatisch zurückzuweisen sei, falls der erste Klagegrund zurückgewiesen werde.

89      Es ist festzustellen, dass der vorliegende Klagegrund, der die Wahrung der Verfahrensrechte der Klägerin insofern betrifft, als die Kommission trotz des angeblichen Bestehens ernsthafter Zweifel kein förmliches Prüfverfahren eingeleitet hat, in Wirklichkeit subsidiären Charakter hat, für den Fall, dass das Gericht die Begründetheit der Beurteilung der Beihilfe als solche nicht prüfen sollte. Nach ständiger Rechtsprechung soll ein solcher Klagegrund es einer betroffenen Partei nämlich ermöglichen, in dieser Eigenschaft eine Klage nach Art. 263 AEUV zu erheben, was ihr andernfalls verweigert würde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex, C‑83/09 P, EU:C:2011:341, Rn. 48, sowie vom 27. Oktober 2011, Österreich/Scheucher‑Fleisch u. a., C‑47/10 P, EU:C:2011:698, Rn. 44). Da dieser Klagegrund, der sich auf die Begründetheit der Beurteilung der Beihilfe als solche bezieht, geprüft wurde, ist er gegenstandslos.

90      Außerdem ist zu beachten, dass der vorliegende Klagegrund keinen eigenständigen Inhalt hat. Die Klägerin kann zur Wahrung der ihr im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens zustehenden Verfahrensrechte nur Klagegründe anführen, die geeignet sind, zu zeigen, dass die Beurteilung der Informationen und Angaben, über die die Kommission in der Phase der vorläufigen Prüfung der angemeldeten Maßnahme verfügte oder hätte verfügen können, Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der fraglichen Maßnahme mit dem Binnenmarkt hätte geben müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Dezember 2008, Régie Networks, C‑333/07, EU:C:2008:764, Rn. 81, vom 9. Juli 2009, 3F/Kommission, C‑319/07 P, EU:C:2009:435, Rn. 35, sowie vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex, C‑83/09 P, EU:C:2011:341, Rn. 59), wie z. B. die Unzulänglichkeit oder Unvollständigkeit der von der Kommission im Vorprüfungsverfahren durchgeführten Prüfung oder das Vorliegen von Beschwerden Dritter. Indessen ist festzustellen, dass dieser Klagegrund die im ersten Klagegrund vorgebrachten Argumente zusammenfasst, ohne besondere Elemente in Bezug auf etwaige ernsthafte Schwierigkeiten hervorzuheben.

91      Da der erste Klagegrund in der Sache geprüft worden ist, braucht der vorliegende Klagegrund folglich nicht geprüft zu werden.

92      Nach alledem ist die vorliegende Klage abzuweisen.

 Kosten

93      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

94      Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

95      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Bundesrepublik Deutschland trägt daher ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die E. Breuninger GmbH & Co trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten.

Tomljenović

Schalin

Škvařilová-Pelzl

Nõmm

 

Kukovec

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Dezember 2022.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

M. van der Woude


*      Verfahrenssprache: Deutsch.