Language of document : ECLI:EU:C:2013:442

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 27. Juni 2013(1)

Rechtssache C‑284/12

Deutsche Lufthansa AG

gegen

Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Koblenz [Deutschland])

„Staatliche Beihilfen – Einer Billigfluggesellschaft von einem öffentlichen Unternehmen, das einen Flughafen betreibt, gewährte Vorteile – Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens – Eventuelle Verpflichtung der Gerichte der Mitgliedstaaten, sich nach der Beurteilung der Kommission hinsichtlich des Vorliegens einer Beihilfe zu richten“





1.        Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens stellt das Oberlandesgericht Koblenz dem Gerichtshof einige Vorlagefragen zur Auslegung von Art. 107 Abs. 1 und Art. 108 Abs. 3 AEUV. Diese Fragen ergehen im Rahmen einer von der Deutschen Lufthansa AG (im Folgenden: Lufthansa) gegen die Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH (im Folgenden: FFH), eine Kapitalgesellschaft in mehrheitlich öffentlicher Hand, die den Flughafen Frankfurt-Hahn betreibt, eingereichten Klage mit dem Ziel, u. a. die Rückforderung der angeblichen Beihilfen zu erlangen, die die Beklagte der Ryanair Ltd (im Folgenden: Ryanair) in Form von vorteilhaften Flughafenentgelten und anderen Vertragsbedingungen gewährt habe. Zum einen fragt das Oberlandesgericht Koblenz, ob es bei der Beurteilung des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe für die Anwendung von Art. 108 Abs. 3 AEUV an die Entscheidung der Kommission, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, in Bezug auf die Maßnahmen, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens sind, gebunden ist. Zum anderen stellt es Fragen an den Gerichtshof zur Voraussetzung der Selektivität der Beihilfen im Sinne von Art. 107 AEUV.

2.        Im Vorlagebeschluss stellt das Oberlandesgericht Koblenz fest, dass sich der Ausgangsrechtsstreit in eine Reihe von Klagen einfüge, die vor deutschen Gerichten von Wettbewerbern sogenannter Billigflieger erhoben worden seien und die angeblichen Subventionen zum Gegenstand hätten, die von den Betreibern verschiedener in Deutschland gelegener Flughäfen zugunsten dieser Billigflieger gewährt worden seien(2).

I –    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

3.        Am 26. November 2006 rief Lufthansa das Landgericht Bad Kreuznach an und rügte eine Serie von Geschäftspraktiken, die FFH zugunsten von Ryanair umgesetzt habe und die ihrer Ansicht nach nicht angemeldete staatliche Beihilfen darstellten, die unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV gewährt worden seien. Lufthansa machte im Wesentlichen geltend, die von FFH 2001 und 2006 erlassenen Flughafenentgelte seien auf der Grundlage von Verträgen festgesetzt worden, die vorher mit Ryanair, die für über 95 % des Passagieraufkommens des Flughafens Frankfurt-Hahn verantwortlich sei, abgeschlossen worden seien und die Bedingungen enthielten, die diese Fluggesellschaft de facto begünstigten. Insbesondere seien Ryanair durch die Ermäßigung der abhängig von der Zahl der abfliegenden Passagiere berechneten Gebühren sowie einer „Marketing-Support“ genannten Subvention, die für den Fall der Eröffnung neuer Strecken gewährt worden sei, besonders niedrige Tarife gewährt worden(3). Diese Maßnahmen würden weiter gewährt, selbst wenn FFH weiterhin Verlust mache. Lufthansa beantragte, die Rückforderung der an Ryanair als Marketing-Support zwischen 2002 und 2005 gezahlten Beträge sowie derjenigen Beträge anzuordnen, die der Ermäßigung der Flughafenentgelte entsprächen, in deren Genuss Ryanair 2003 infolge der Anwendung der von FFH für 2001 erlassenen Entgeltordnung gekommen sei(4), sowie die Unterlassung dieser und anderer Beihilfen an Ryanair für die Zukunft.

4.        Am 16. Mai 2007 wies das Landgericht Bad Kreuznach die Klage von Lufthansa als unbegründet ab(5). Die von Lufthansa vor dem Oberlandesgericht Koblenz eingelegte Berufung wurde ebenfalls mit Urteil vom 25. Februar 2009 zurückgewiesen. Am 10. Februar 2011 hob der von Lufthansa angerufene Bundesgerichtshof dieses Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung über das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV an das Oberlandesgericht Koblenz zurück.

5.        Am 17. Juni 2008 beschloss die Kommission die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV im Hinblick auf mögliche von der Bundesrepublik Deutschland an FFH und Ryanair gewährte staatliche Beihilfen(6). Unter den Maßnahmen, die den Gegenstand dieser Entscheidung bildeten, befanden sich die Ermäßigungen der Gebühren und Flughafenentgelte sowie besondere Bestimmungen über die Vermarktung zugunsten von Ryanair.

6.        Am 4. Januar 2012 richtete das Oberlandesgericht Koblenz an die Kommission eine Bitte um Stellungnahme auf der Grundlage von Abschnitt 3.2 der Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte (im Folgenden: Bekanntmachung)(7). Aus den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen geht hervor, dass diese Anfrage die Gewährung des Marketing-Supports, die Gewährung von Anlaufbeihilfen und die Vergünstigung von Flughafenentgelten auf Grundlage der Entgeltordnung von 2006 betraf. Das Oberlandesgericht Koblenz fragte im Wesentlichen, ob diese Maßnahmen dem Staat zurechenbar(8) und selektiv seien. Die Kommission antwortete mit einer Stellungnahme vom 29. Februar 2012, in der sie unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zunächst die Auffassung vertrat, dass das Oberlandesgericht Koblenz im vorliegenden Fall nicht verpflichtet sei, das Vorliegen staatlicher Beihilfen zu bewerten, da es sich auf die Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens stützen könne, um alle notwendigen Konsequenzen aus dem Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV zu ziehen. Außerdem stellte sie zu diesem Punkt einen Widerspruch zwischen der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs und der Rechtsprechung des Gerichtshofs fest. Auf die vom Oberlandesgericht Koblenz gestellte Frage antwortete die Kommission, dass die fraglichen Maßnahmen dem Staat zurechenbar und zugleich selektiv seien.

7.        Da es im Gegensatz zu dem, was die Kommission in ihrer Stellungnahme vorgeschlagen hatte, der Ansicht war, prüfen zu müssen, ob die fraglichen Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellen, hat das Oberlandesgericht Koblenz entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Hat eine nicht angefochtene Entscheidung der Kommission, das förmliche Prüfungsverfahren nach Art. 108 Abs. 3 Satz 2 AEUV einzuleiten, zur Folge, dass ein nationales Gericht in einem Klageverfahren, das auf die Rückforderung geleisteter Zahlungen und auf die Unterlassung künftiger Zahlungen gerichtet ist, hinsichtlich der Beurteilung des Beihilfecharakters an die Rechtsauffassung der Kommission in der Eröffnungsentscheidung gebunden ist?

2.      Für den Fall, dass Frage 1 verneint wird:

Sind Maßnahmen eines öffentlichen Unternehmens im Sinne des Art. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2006/111/EG(9), das einen Flughafen betreibt, beihilferechtlich schon deshalb als selektive Maßnahmen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV zu werten, weil sie nur den Luftfahrtunternehmen zugutekommen, die den Flughafen nutzen?

3.      Für den Fall, dass Frage 2 verneint wird:

a)      Ist das Merkmal der Selektivität dann nicht erfüllt, wenn das öffentliche Unternehmen, das den Flughafen betreibt, allen Fluggesellschaften, die sich zur Nutzung des Flughafens entschließen, die gleichen Bedingungen hierfür in transparenter Weise gewährt?

b)      Gilt dies auch dann, wenn der Flughafenbetreiber ein bestimmtes Geschäftsmodell verfolgt (hier: Zusammenarbeit mit sogenannten Billigfliegern – Low-cost-carrier), die Nutzungsbedingungen auf diesen Kundenkreis zugeschnitten und deshalb nicht für alle Fluggesellschaften gleichermaßen attraktiv sind?

c)      Liegt jedenfalls dann eine selektive Maßnahme vor, wenn der wesentliche Teil des Passagieraufkommens des Flughafens über viele Jahre auf eine Fluggesellschaft entfällt?

8.        Mit Schreiben vom 18. Juni 2012 hat das vorlegende Gericht den Gerichtshof darüber informiert, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens Rechtsbeschwerde gegen den Vorlagebeschluss erhoben hat.

II – Verfahren

9.        Neben den Parteien des Ausgangsverfahrens haben die deutsche Regierung, die polnische Regierung, die belgische Regierung und die niederländische Regierung sowie die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht. Lufthansa, FFH und Ryanair, die deutsche Regierung, die belgische Regierung und die Kommission wurden in der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2013 gehört.

III – Würdigung

A –    Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

10.      Obwohl die im Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Koblenz enthaltene Darstellung des rechtlichen und tatsächlichen Rahmens, in den sich die Vorlagefragen einfügen, zweifelsohne dürftig ist, ist sie meiner Ansicht nach ausreichend dafür, dass der Gerichtshof diesem Gericht eine nützliche Antwort geben kann, und genügt also den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen(10). Die von Lufthansa in ihren Erklärungen geltend gemachte Rüge der Unzulässigkeit des Vorlagebeschlusses ist daher zurückzuweisen.

B –    Zur ersten Vorlagefrage

11.      Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein nationales Gericht, vor dem ein Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV im Rahmen einer Klage geltend gemacht wird, die darauf gerichtet ist, die Aussetzung von angeblich rechtswidrigen Beihilfen und die Rückforderung der bereits gezahlten Beihilfen zu erlangen, sich an die Beurteilung der fraglichen Maßnahmen durch die Kommission in der Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens halten muss, obwohl diese Beurteilung bloß vorläufigen Charakter hat. Dieses Gericht ist der Ansicht, dass, falls die Frage bejaht werde, die Kontrollbefugnis der nationalen Gerichte übermäßig eingeschränkt würde, und bemerkt, dass die deutschen Obergerichte sich dazu negativ geäußert und sich dabei insbesondere auf die Urteile des Gerichtshofs Transalpine Ölleitung in Österreich(11) und SFEI u. a.(12) gestützt hätten. Außerdem könne, wenn die nationalen Gerichte berechtigt seien, selbständig die Art der fraglichen Maßnahmen auch nach der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens und während dessen Anhängigkeit zu prüfen, das Risiko sich widersprechender Entscheidungen entweder dadurch vermieden werden, dass die Kommission um eine Stellungnahme gebeten werde, oder dadurch, dass der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung befragt werde.

12.      Die von den deutschen Obergerichten und hier vom vorlegenden Gericht vertretene Sichtweise stützt sich auf die Rolle, die den nationalen Gerichten vom Gerichtshof bei der Sicherstellung der Beachtung der den Mitgliedstaaten nach Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV obliegenden Verpflichtung zuerkannt wird, keine geplanten Beihilfemaßnahmen durchzuführen, bevor die Kommission eine endgültige Entscheidung darüber gefällt hat.

13.      Bekanntlich ist die unmittelbare Wirkung dieser Bestimmung (genauer gesagt des damals geltenden Art. 93 Abs. 3 letzter Satz EGV) seit dem bekannten Urteil Costa Enel anerkannt(13). Der Gerichtshof hat dann weiter präzisiert, dass die von dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung zur Nichtdurchführung − und folglich auch der Schutz, auf den sich die Einzelnen wegen deren unmittelbarer Wirkung vor den nationalen Gerichten berufen können − nicht nur die bei der Kommission angemeldeten Beihilfevorhaben betrifft, wie sich ausdrücklich aus dem Vertrag ergibt, sondern jede Beihilfemaßnahme, die der Mitgliedstaat trotz fehlender vorheriger Anmeldung einzurichten beabsichtigt, und erstreckt sich auf den gesamten Zeitraum, in dem das Verbot wirksam ist(14).

14.      Um den nationalen Gerichten einen angemessenen Schutz der durch den Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV Geschädigten zu ermöglichen, hat der Gerichtshof ihnen die Befugnis zur Auslegung und Anwendung des Begriffs der Beihilfe zuerkannt, insbesondere um bestimmen zu können, ob eine ohne vorherige Anmeldung erlassene staatliche Maßnahme dem vom Vertrag vorgesehenen Prüfverfahren hätte unterworfen werden müssen(15).

15.      Der den Privatpersonen im nationalen Verfahren gewährte Schutz trägt zum reibungslosen Funktionieren des vom Vertrag vorgesehenen Systems der Kontrolle der staatlichen Beihilfen(16) und dadurch zur Sicherstellung seiner Wirksamkeit bei, insbesondere angesichts fehlender direkter Zwangsbefugnisse seitens der Kommission gegenüber den Empfängern der Beihilfen. Die den nationalen Gerichten im Rahmen dieses Systems zuerkannte zentrale Rolle wird von der Kommission ohne Zögern in der Bekanntmachung – und im Aktionsplan staatliche Beihilfen(17), der dieser vorausging – bekräftigt, aus der insbesondere die Tendenz hervorgeht, diese Rolle zu verstärken und Anreize zum private enforcement insbesondere durch Unternehmen zu schaffen, die Wettbewerber von Beihilfeempfängern sind(18).

16.      In diesem Zusammenhang haben die nationalen Gerichte und die Kommission also unterschiedliche, aber komplementäre Rollen(19). Den nationalen Gerichten obliegt es insbesondere, den Berechtigten zu garantieren, dass sie sich im Verfahren auf die Nichtbeachtung der in Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV vorgesehenen Verpflichtung berufen können und dass aus dieser Nichtbeachtung sämtliche vom nationalen Recht vorgesehenen Rechtsfolgen sowohl bezüglich der Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung der Beihilfemaßnahmen als auch bezüglich der Beitreibung der unter Verletzung dieser Bestimmung gewährten finanziellen Unterstützungen gezogen werden(20). Die vor den nationalen Gerichten verfügbaren Abhilfemittel schließen daher die Aussetzung der Auszahlung der rechtswidrigen Beihilfe(21), die Rückforderung rechtswidriger Beihilfen(22) und die Zahlung von Zinsen(23), Schadensersatz(24) und den Erlass einstweiliger Maßnahmen(25) ein.

17.      Aus dem bisher Dargestellten geht einerseits hervor, dass der Schutz, den die nationalen Gerichte den Einzelnen sicherzustellen verpflichtet sind, funktional ist für die Realisierung des durch die Auferlegung der Verpflichtung zur Nichtdurchführung in Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV verfolgten Ziels, und andererseits, dass der Bereich dieses Schutzes von der Tragweite dieser Verpflichtung abhängt. Im Folgenden werde ich nacheinander diese beiden Gesichtspunkte prüfen, d. h. Ziel und Tragweite der Verpflichtung zur Nichtdurchführung (vgl. unten 1. und 2.), um die Grenzen der Befugnis, die den nationalen Gerichten kraft der dem Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV zuerkannten unmittelbaren Wirksamkeit eingeräumt wird, abzustecken (vgl. unten 3.).

1.      Zum Ziel der in Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV vorgesehenen Verpflichtung zur Nichtdurchführung

18.      Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV legt den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auf, die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen zu unterrichten. Wenn die Kommission nach einer vorläufigen Prüfung der Auffassung ist, dass das angemeldete Vorhaben mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, eröffnet sie das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV (Art. 108 Abs. 3 Satz 2 AEUV und Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 659/1999). Der letzte Satz von Art. 108 Abs. 3 AEUV verbietet, wie wir gesehen haben, dem betreffenden Mitgliedstaat, die beabsichtigten Maßnahmen durchzuführen, bevor dieses Verfahren zu einer abschließenden Entscheidung der Kommission geführt hat(26).

19.      Der Gerichtshof hat bereits geklärt, dass das von dieser Bestimmung aufgestellte Verbot „… gewährleisten [soll], dass die Wirkungen einer Beihilferegelung nicht eintreten, bevor die Kommission innerhalb einer angemessenen Frist das Vorhaben im Einzelnen prüfen und gegebenenfalls das in … Absatz 2 vorgesehene Verfahren einleiten konnte“(27), indem so „die beabsichtigte Einführung neuer Beihilfen einer vorbeugenden Prüfung“ unterworfen wird(28).

20.      Neben dieser Funktion, die genauer gesagt verfahrensrechtlichen Charakter hat, hat der Gerichtshof diesem Verbot auch eine materiell-rechtliche Funktion zuerkannt, die darin besteht, „zu gewährleisten, dass eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe niemals durchgeführt wird“(29). Diese Funktion, der der Gerichtshof im Urteil CELF I ausdrücklich einen „Sicherungs“-Charakter zuschreibt, wird zunächst „vorläufig“ verfolgt durch Auferlegung einer Stillhalte-Verpflichtung, solange das Prüfverfahren anhängig ist, und anschließend endgültig in dem Fall, in dem am Ende dieses Verfahrens eine negative Entscheidung erlassen wird(30). Das der Verpflichtung zur Nichtdurchführung zugrunde liegende Ziel der „Vorbeugung“ wird also anfänglich verfolgt, indem die Durchführung des Beihilfevorhabens aufgeschoben wird, solange Zweifel hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt bestehen(31). In diesem Zusammenhang ist es Sache der nationalen Gerichte, die Rechte der Einzelnen gegen „eine mögliche Verletzung“ des in Art. 108 Abs. 3 AEUV enthaltenen Verbots durch die staatlichen Stellen bis zu einer abschließenden Entscheidung der Kommission zu schützen(32), indem sie die vollständige Rückforderung der unter Verstoß gegen dieses Verbot gezahlten Beihilfen anordnen. Wie der Gerichtshof im Urteil CELF II weiter ausgeführt hat, „[ist] Gegenstand der Aufgabe der nationalen Gerichte … die Anordnung von Maßnahmen, die geeignet sind, die Rechtswidrigkeit der Durchführung der Beihilfen zu beseitigen, damit der Empfänger in der bis zur Entscheidung der Kommission noch verbleibenden Zeit nicht weiterhin frei über sie verfügen kann“(33).

21.      Hierbei ist interessant, dass die Verpflichtung für das nationale Gericht, die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe, die also unter Verstoß gegen die Stillhalte-Verpflichtung durchgeführt worden ist, anzuordnen, aufhört, zu bestehen, nachdem die Kommission ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt festgestellt und so die vorher formulierten Zweifel zerstreut hat. Wie der Gerichtshof in dem genannten Urteil CELF I klargestellt hat, steht nämlich die Durchführung einer mit dem Binnenmarkt vereinbaren Beihilfe dem von Art. 108 Abs. 3 AEUV verfolgten Ziel, das darin besteht, nur die Durchführung von unvereinbaren Beihilfen zu verhindern, nicht entgegen(34). Hingegen verstößt eine solche Durchführung gegen die spezifisch verfahrensrechtliche Funktion des von dieser Bestimmung aufgestellten Verbots, das − wie wir gesehen haben − darin besteht, zu garantieren, dass die Wirkungen einer Beihilfe, auch wenn sie mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, nicht eintreten, bevor die Kommission sich endgültig dazu geäußert hat. Unter diesen Umständen ist das nationale Gericht daher verpflichtet, die Rückforderung der Zinsen für den „Zeitraum der Rechtswidrigkeit“ anzuordnen, d. h. ab dem Tag, an dem die Beihilfe dem Empfänger unter Verstoß gegen die Verpflichtung zur Nichtdurchführung zur Verfügung gestellt wurde, bis zum Erlass der endgültigen Entscheidung seitens der Kommission.

2.      Zur Tragweite der von Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV aufgestellten Verpflichtung zur Nichtdurchführung

22.      Auf der Grundlage der Ausführungen des Gerichtshofs führt das von Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehene Kontrollsystem eine Verpflichtung zur vorherigen Anmeldung ein, „die als solche die im letzten Satz dieses Absatzes bezeichnete aufschiebende Wirkung hat“(35).

23.      Obwohl feststeht, dass diese Verpflichtung nur die Einführung und Umgestaltung von Beihilfevorhaben betrifft, führen der vorbeugende Charakter des von Art. 108 Abs. 3 AEUV geschaffenen Kontrollsystems, die Untrennbarkeit von Verpflichtungen zur Anmeldung und zur Nichtdurchführung(36), sowie deren verfahrensrechtliche Wertigkeit, von der oben die Rede war, zu der Erwägung, dass sich das vom letzten Satz dieser Bestimmung vorgesehene Durchführungsverbot automatisch aus der Wirkung der erfolgten Anmeldung ergibt. Daraus folgt, dass diese Verpflichtung die Mitgliedstaaten für die gesamte Dauer des Prüfungsverfahrens bindet(37), unabhängig von der Art der angemeldeten Beihilfen, und somit auch dann, wenn diese objektiv keine Beihilfen darstellen, eine im Übrigen ausdrücklich von der Verordnung Nr. 659/1999 vorgesehene Möglichkeit(38).

24.      Diese Auslegung spiegelt meiner Ansicht nach die Natur und die Zielsetzung des vom Vertrag vorgesehenen Verfahrens zur Kontrolle von Beihilfen wider. Einem Mitgliedstaat zu gestatten, sich bei der Durchführung einer Maßnahme auf die Beurteilung dieser Maßnahme zu stützen, die von derjenigen, die ihn veranlasst hat, sie bei der Kommission anzumelden, abweicht, würde ein Element der Unsicherheit einführen und die praktische Wirksamkeit von Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV als Mechanismus, „der den durch diesen Artikel eingeführten Kontrollmechanismus sichert“, schwächen(39). Dies umso mehr, weil die immer größere Komplexität der öffentlichen Eingriffe in die Märkte es oft objektiv schwierig macht, zu bestimmen, ob diese Eingriffe Elemente von Beihilfen in sich bergen, so dass sie − sofern die aufschiebende Klausel durch die Anmeldung nicht ausgelöst worden ist − das konkrete Risiko erhöhen, dass mit dem Binnenmarkt tatsächlich unvereinbare Maßnahmen durchgeführt werden.

25.      Bei fehlender Anmeldung ist die Wirksamkeit der Stillhalte-Verpflichtung hingegen an das objektive Vorliegen einer staatlichen Beihilfe gebunden: Der Mitgliedstaat, der eine Beihilfemaßnahme im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV durchführt, ohne sie vorher bei der Kommission anzumelden, verstößt gegen die Verpflichtungen, die ihm nach Art. 108 Abs. 3 AEUV obliegen. Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof im Wesentlichen dazu aufgerufen, zu präzisieren, ob ein Mitgliedstaat darüber hinaus verpflichtet ist, unabhängig von der tatsächlichen Natur der fraglichen Maßnahme, die Durchführung dieser Maßnahme bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung der Kommission auszusetzen, wenn diese nach einer vorläufigen Prüfung aufgrund einer Anzeige oder von Amts wegen beschließt, das von Art. 108 Abs. 2 AEUV vorgesehene förmliche Prüfverfahren zu eröffnen.

26.      Wie die Kommission und die Klägerin des Ausgangsverfahrens meine ich, dass diese Frage zu bejahen ist.

27.      Die Verpflichtung, die Durchführung einer Maßnahme, hinsichtlich derer ein förmliches Prüfverfahren eröffnet worden ist, findet ihre Grundlage in Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV, wie er vom Gerichtshof ausgelegt wird(40), und besteht wie im Fall der Anmeldung unabhängig von der objektiven Beihilfenatur der fraglichen Maßnahme.

28.      Diese Schlussfolgerung geht aus der Analyse der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts hervor. Im Urteil vom 9. Oktober 2001, Italien/Kommission(41), bestätigte der Gerichtshof im Rahmen seiner Entscheidung über die von der Kommission erhobene Einrede gegen die Klage, die Italien gegen die Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens bezüglich einiger Maßnahmen zugunsten der Tirrenia-Gruppe, die in dieser Entscheidung als „neue Beihilfe“ qualifiziert worden waren, erhoben hatte, unter Bezugnahme auf die Urteile Spanien/Kommission (Cenemesa)(42) und Italien/Kommission (Italgrani)(43): „Wenn es sich um eine in der Durchführung begriffene Beihilfe handelt, deren Zahlung andauert und die nach Ansicht des Mitgliedstaats eine bestehende Beihilfe darstellt, so entfaltet die gegenteilige Einstufung als neue Beihilfe, die die Kommission – und sei es vorläufig – in ihrer Entscheidung, das Verfahren nach [Art. 108 Abs. 2 AEUV] über diese Beihilfe einzuleiten, vornimmt, eigenständige Rechtswirkung.“(44) Er führte weiter aus: „Zwar entspricht die Einstufung als Beihilfe einer objektiven Situation, die unabhängig von der Beurteilung ist, die im Stadium der Einleitung des Verfahrens … vorgenommen wird. Eine [solche] Entscheidung impliziert jedoch, … dass [nach Ansicht der Kommission] die Beihilfe unter Missachtung des Durchführungsverbots, das für neue Beihilfen aus [Art.108 Abs. 2 letzter Satz AEUV] folgt, rechtswidrig durchgeführt wurde und wird“(45), und „ändert insbesondere im Hinblick auf die Fortführung der fraglichen Maßnahme notwendigerweise ihre Rechtslage …“(46). [N]ach dem Erlass [der Entscheidung bestehen nämlich] zumindest erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme, die unbeschadet der Möglichkeit, beim zuständigen Richter einstweilige Anordnungen zu beantragen, den Mitgliedstaat veranlassen müssen, die Zahlung auszusetzen, da die Einleitung des Verfahrens nach [Art. 108 Abs. 2 AEUV] es ausschließt, dass eine sofortige Entscheidung ergeht, mit der die Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt würde und die es ermöglichen würde, die Durchführung der Maßnahme ordnungsgemäß fortzusetzen.“(47) In diesem Sinne wirkt sich deshalb die Entscheidung, das genannte Verfahren einzuleiten, „unmittelbar auf die Aussetzung der fraglichen Maßnahmen aus“(48).

29.      Meiner Ansicht nach geht aus den oben wiedergegebenen Passagen hinreichend klar hervor, dass sich die vom Gerichtshof angesprochenen „eigenständigen Rechtswirkungen“ der Entscheidung zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens, insbesondere die Verpflichtung des Mitgliedstaats, die Durchführung der Maßnahme auszusetzen, aus der Qualifizierung dieser Maßnahme als „neue Beihilfe“ ergeben(49). Es besteht kein Zweifel, und der Gerichtshof bekräftigt es eindeutig in dem genannten Urteil, dass diese Einstufung rein vorläufigen Charakter hat, da die Kommission auf der Grundlage der während des förmlichen Prüfverfahrens zusammengetragenen Informationen zu dem Ergebnis kommen kann, dass die fragliche Maßnahme keine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt oder dass sie eine bestehende Beihilfe darstellt. Dennoch bringt die Kommission, wenn sie eine nicht angemeldete und in der Durchführung begriffene Maßnahme als „neue Beihilfe“ qualifiziert und in Bezug auf sie die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens anordnet, zumindest ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme und ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt zum Ausdruck. Wie vom Gerichtshof bestätigt, reichen solche Zweifel aus, um den von Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV vorgesehenen Sicherheitsmechanismus auszulösen und dem Mitgliedstaat aufzugeben, die Durchführung der Maßnahme auszusetzen(50).

30.      Entgegen der von FFH vorgeschlagenen Auslegung bin ich der Meinung, dass die Tragweite des Urteils vom 9. Oktober 2001 in der Rechtssache Italien/Kommission über die Fallgestaltung, dass die Qualifizierung der Maßnahme als Beihilfe feststeht und die Meinungsverschiedenheit zwischen dem betroffenen Mitgliedstaat und der Kommission lediglich ihre Eigenschaft als bestehende oder neue Beihilfe betrifft, hinausgeht. Die Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, betraf nämlich auch staatliche Maßnahmen, die nach Ansicht des klagenden Mitgliedstaats zu Unrecht – und jedenfalls infolge einer unzureichenden Prüfung – in der angefochtenen Entscheidung als Beihilfen qualifiziert worden waren(51). In Randnr. 69 des Urteils hat der Gerichtshof die Klage ausdrücklich auch in Bezug auf diese Maßnahmen „[i]n Analogie zu den oben in den Randnummern 59 und 60 dargestellten Gründen“ für zulässig erklärt. In dem am 10. Mai 2005 ergangenen Endurteil bestätigt der Gerichtshof einerseits diese im Urteil vom 9. Oktober 2001 vertretene Auffassung(52) und lässt andererseits klar erkennen, dass die Rechtsfolgen einer Entscheidung, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, sowohl in dem Fall, in dem die vorläufig als neue Beihilfen qualifizierten Maßnahmen vom betroffenen Mitgliedstaat für bestehende Beihilfen gehalten werden, als auch in dem Fall, in dem dieser Mitgliedstaat der Auffassung ist, diese stellten keinesfalls Beihilfen dar, identisch sind(53). Die angefochtene Entscheidung in der Rechtssache, in der die genannten Urteile ergangen sind, ist vom Gerichtshof im Übrigen für nichtig erklärt worden, gerade weil sie die Aussetzung, ohne vorherige Erörterung mit dem betroffenen Mitgliedstaat, von Maßnahmen mit sich brachte, die dieser nicht als Beihilfen betrachtete(54) und die die Kommission in der Entscheidung über die teilweise Schließung des förmlichen Prüfverfahrens implizit für nicht selektiv gehalten hatte.

31.      Außerdem ist festzustellen, dass das Gericht die im oben genannten Urteil vom 9. Oktober 2001 aufgestellten Grundsätze bereits auf eine Situation angewandt hat, in der die Maßnahmen, hinsichtlich derer das förmliche Prüfverfahren eingeleitet worden war, nach Ansicht des betroffenen Mitgliedstaats keine Beihilfen darstellten(55). Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen zutreffend ausgeführt hat, besteht überhaupt kein Grund, diese beiden Fallgestaltungen zu unterscheiden.

32.      Aus alledem folgt, dass die Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens für den betroffenen Mitgliedstaat die Verpflichtung mit sich bringen kann, Maßnahmen auszusetzen, die vermeintlich nicht dem Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 3 AEUV unterliegen oder sie keine Beihilfen oder bestehende Beihilfen darstellen. Während sich im Fall von Maßnahmen, die unter die Begriffe der Beihilfe und der neuen Beihilfe fallen, die Verpflichtung zur Aussetzung, die sich aus der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens ergibt, dem Verbot aus Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV überordnet, entsteht diese Verpflichtung dagegen im Fall von Maßnahmen, die nicht unter diese Begriffe fallen, neu als Folge ihrer vorläufigen Qualifizierung in der Eröffnungsentscheidung als neue Beihilfen.

33.      Entgegen der Auffassung, die die deutsche Regierung offenbar in ihren schriftlichen Erklärungen vertritt, hindert die Befugnis der Kommission, dem betroffenen Mitgliedstaat nach Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 aufzuerlegen, die Auszahlung rechtswidrig gewährter Beihilfen auszusetzen, nicht daran, das Bestehen einer Aussetzungsverpflichtung, die die Maßnahmen zum Gegenstand hat, die dem förmlichen Prüfverfahren unterworfen sind, als eigenständige Wirkung der Entscheidung über die Eröffnung dieses Verfahrens zu bejahen. Hierzu erinnere ich daran, dass Art. 11 der Verordnung Nr. 659/1999 eine Kodifizierung der im Urteil Boussac(56) aufgestellten Grundsätze darstellt, in dem der Gerichtshof der Kommission die oben genannte Anordnungsbefugnis mit dem Ziel eines Ausgleichs für die ihr auferlegte Verpflichtung, die Vereinbarkeit der nicht angemeldeten Beihilfen zu prüfen, ohne sich darauf beschränken zu können, deren Rechtswidrigkeit zu erklären, zuerkannt hat(57). Im Gegensatz zur Nichtbeachtung des Durchführungsverbots nach Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV, die nur vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden kann, berechtigt die Nichtdurchführung einer Aussetzungsentscheidung nach Art. 11 der Verordnung Nr. 659/1999 die Kommission, direkt den Gerichtshof auf der Grundlage des von Art. 108 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV vorgesehenen Verfahrens anzurufen. Es handelt sich daher um zwei Abhilfemittel und zwei Verfahren, die grundlegend verschieden sind.

34.      FFH und Ryanair haben zudem hervorgehoben, dass, sollte man einer Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens aufschiebende Wirkung zuerkennen, dies die Verteidigungsrechte der Betroffenen verletzen würde, insbesondere des von der fraglichen Maßnahme Begünstigten, der die Folgen einer Aussetzung tragen müsste, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, seinen Standpunkt vor dem Erlass der Entscheidung geltend zu machen. Gemäß ständiger Rechtsprechung ist zwar die Verpflichtung für die Kommission, die Betroffenen, u. a. die Empfänger der Beihilfe und die Stellen, die diese auszahlen, aufzufordern, ihre Stellungnahme abzugeben, nur im Rahmen der Prüfungsphase nach Art. 108 Abs. 2 AEUV vorgesehen(58); gleichwohl verfügen diese Betroffenen über einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung, mit der die Kommission am Ende der vorläufigen Prüfung das förmliche Prüfverfahren eröffnet – ein Recht, das gerade in Anbetracht der Rechtswirkungen, die diese Entscheidung entfaltet, anerkannt wurde. Der Umstand, dass im Rahmen der Klagen gegen diese Entscheidungen wegen des vorläufigen Charakters der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung die Kontrolle des Unionsrichters begrenzt ist(59), da dieser sich nicht abschließend über das Vorliegen einer Beihilfe äußern kann, verletzt entgegen dem Vorbringen von FFH das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz nicht. Da es sich dabei um verfahrensrechtliche Maßnahmen handelt, kann diese Kontrolle nur auf die Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen begrenzt sein, die den Übergang in die folgende Phase des Verfahrens rechtfertigen, aus deren Einleitung sich die Rechtswirkungen ergeben, die diese Handlungen anfechtbar machen.

3.      Der Umfang des Schutzes, den die nationalen Gerichte den durch einen eventuellen Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV Geschädigten zu gewähren verpflichtet sind

35.      Wie oben in den Nrn. 22 und 24 gesehen, behauptet sich die von Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV vorgesehene, allein durch die Anmeldung bewirkte Verpflichtung zur Nichtdurchführung in den Fällen, in denen eine Anmeldung stattgefunden hat. Die nationalen Gerichte sind daher verpflichtet, alle Konsequenzen aus einer eventuellen Nichtbeachtung dieser Verpflichtung zu ziehen, unabhängig von ihrer eigenständigen Beurteilung der Maßnahmen, die Gegenstand der Anmeldung sind, auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 1 AEUV.

36.      Wenn hingegen die Maßnahme nicht Gegenstand einer Anmeldung war, obliegt es den nationalen Gerichten, vor denen Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV geltend gemacht wird, zu prüfen, ob diese Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellt, die als solche der Stillhalte-Verpflichtung unterliegt, und, falls dies bejaht wird, die Aussetzung jeder weiteren Zahlung und die Rückforderung der bereits gezahlten Beträge anzuordnen. Wie in Nr. 14 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, sind diese insoweit berechtigt, den Begriff der Beihilfe auszulegen und anzuwenden. Wenn sie Zweifel an der Qualifizierung der fraglichen Maßnahme haben, können sie entweder die Kommission im Rahmen der von der Bekanntmachung eingeführten Zusammenarbeit um Aufklärung bitten(60) oder den Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung anrufen(61).

37.      Wie wirkt sich die Entscheidung der Kommission, das förmliche Prüfverfahren im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV zu eröffnen, in diesem Zusammenhang aus?

38.      Der Gerichtshof hat bereits in dem angeführten Urteil SFEI u. a. klargestellt, dass die Einleitung eines Vorprüfungsverfahrens oder des förmlichen Prüfverfahrens durch die Kommission die nationalen Gerichte nicht von ihrer Verpflichtung entbindet, die Rechte der Einzelnen bei Verletzung der Verpflichtung zur vorherigen Unterrichtung zu schützen(62).

39.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts und der deutschen Regierung ist diesem Urteil die Befugnis/Pflicht der nationalen Gerichte zu entnehmen, den Begriff der Beihilfe auch nach Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens auszulegen und anzuwenden, ohne an die Bewertungen der Kommission in der Eröffnungsentscheidung gebunden zu sein. Zwar bestätigt der Gerichtshof im Urteil SFEI u. a. klar die Befugnis der nationalen Gerichte, sich zum Vorliegen angeblicher rechtswidriger Beihilfen zu äußern, obwohl die fraglichen Maßnahmen parallel Gegenstand einer Prüfung seitens der Kommission sind, doch ist diese Aussage ausdrücklich auf den Fall begrenzt, in dem die Kommission zur Qualifizierung der Maßnahmen als staatliche Beihilfen noch keine Stellung bezogen hat (63); sie betrifft dagegen nicht die Situation, in der wie im vorliegenden Fall eine solche Stellungnahme, wenn auch in einer Entscheidung zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens, erfolgt ist. Unbeschadet also der Befugnis der nationalen Gerichte, die zum Schutz der Rechte der durch den Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV Geschädigten notwendigen Maßnahmen zu erlassen, auch nachdem das Verfahren nach Abs. 2 dieses Artikels eröffnet worden ist, können aus dem Urteil SFEI u. a. keine Schlüsse hinsichtlich der Auswirkung der Eröffnungsentscheidung auf die Ausübung dieser Befugnis gezogen werden.

40.      Für die Zwecke der Beurteilung einer solchen Auswirkung ist hingegen darauf hinzuweisen, dass Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 EUV den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegt, alle allgemeinen oder besonderen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Erfüllung der sich aus den Verträgen ergebenden oder aus den Handlungen der Organe folgenden Verpflichtungen zu garantieren und vom Erlass jedweder Maßnahme abzusehen, die das Risiko in sich birgt, die Verwirklichung der Ziele der Union zu gefährden, und dass diese Verpflichtung sich auf alle Organe der Mitgliedstaaten erstreckt einschließlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit, der Gerichte(64). Daraus folgt, dass eine Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens die Gerichte des Mitgliedstaats bindet, an den sie gerichtet ist, und dass diese Gerichte, wenn sie über Maßnahmen zu entscheiden haben, die dazu bestimmt sind, Gegenstand einer zukünftigen Entscheidung der Kommission zu sein, vermeiden müssen, endgültige Anordnungen zu treffen, die mit dieser unvereinbar sein können(65). Zudem obliegt es, wie der Gerichtshof klargestellt hat, bei der Sicherstellung der Beachtung des Durchführungsverbots nach Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV den Gerichten der Mitgliedstaaten, das Interesse der Union voll zu berücksichtigen(66).

41.      Dies vorausgesetzt und im Licht der Erwägungen in den Nrn. 25 bis 34 oben können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden.

42.      Kraft des Zusammenwirkens von Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV und der Qualifizierung der fraglichen Maßnahme als (neue) Beihilfe bringt die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens die Verpflichtung für den betroffenen Mitgliedstaat mit sich, die Durchführung dieser Maßnahme ab dem Zeitpunkt des Erlasses der Eröffnungsentscheidung bis zum Ergehen einer endgültigen Entscheidung auszusetzen, und dies unabhängig von der objektiven Natur der fraglichen Maßnahme (vgl. insbesondere oben, Nr. 32). Die nationalen Gerichte sind daher verpflichtet, alle Maßnahmen zu erlassen, die notwendig sind, um die Beachtung der oben genannten Verpflichtung sicherzustellen und die Folgen eines eventuellen Verstoßes dagegen unabhängig von einer vorherigen Beurteilung der Maßnahme im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu beseitigen. Wenn sie das Vorliegen der Voraussetzungen, die die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens rechtfertigen, hinsichtlich der Qualifizierung der Maßnahme als Beihilfe bezweifeln, können diese Gerichte eine Vorlagefrage nach der Gültigkeit im Sinne von Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV stellen(67).

43.      In dem Zeitraum, der der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens vorausgeht, ist die Wirksamkeit der Aussetzungsklausel nach Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV hingegen an das objektive Vorliegen einer Beihilfe gebunden (vgl. oben, Nr. 25). Eine eventuelle Anordnung zur Rückforderung der zwischen der Durchführung der Maßnahme und der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens gezahlten Beträge hängt daher von der Feststellung ab, dass es sich tatsächlich um eine Beihilfe handelt.

44.      Auch im Rahmen dieser Feststellung muss das nationale Gericht die Entscheidung der Kommission, das Verfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten, berücksichtigen, die, auch wenn sie nach einer vorläufigen Prüfung erlassen wurde, zumindest eine Stellungnahme dieses Organs zum Prima-facie-Vorliegen einer Beihilfe enthält. Eine solche Stellungnahme ist zumindest als ausreichend für die Erfüllung der Voraussetzung des fumus boni iuris zum Erlass einer einstweiligen Anordnung anzusehen. Daher kann dieses Gericht, auch wenn es entgegen der von der Kommission vorab getroffenen Feststellung der Auffassung ist, dass die fragliche Maßnahme keine Beihilfe darstellt, den Antrag auf Rückforderung der im Zeitraum zwischen der Durchführung der Maßnahme und der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens gezahlten Beträge nicht zurückweisen, ohne vorher den Gerichtshof mit einer Vorlagefrage nach der Gültigkeit der Eröffnungsentscheidung nach Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV zu befassen. Es kann hingegen, wenn dies nach nationalem Recht zulässig ist, entscheiden, keine endgültige Rückforderung vorzunehmen, bis eine endgültige Entscheidung der Kommission ergangen ist, und in der Zwischenzeit eine vorläufige Rückforderungsanordnung erlassen und bestimmen, dass die Zahlungen auf ein Sperrkonto erfolgen, bis der Rechtsstreit in der Sache entschieden ist(68).

45.      In jedem Fall kann es zweckdienlich sein, dass das nationale Gericht, wenn es Zweifel an der Qualifizierung der Maßnahme hat, die Kommission im Sinne des Abschnitts 3 der Bekanntmachung befragt, um sich entweder über den Stand des Fortgangs des anhängigen Verfahrens zu informieren oder um Aufklärung auch im Licht eventueller ihm zur Verfügung stehender Gesichtspunkte zu bitten, die der Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung zur Eröffnung des Verfahrens nicht bekannt waren. Die Kommission kann sich ihrerseits einer solchen Bitte um Stellungnahme nicht dadurch entziehen, dass sie auf den Inhalt dieser Entscheidung verweist.

a)      Ergebnis zur ersten Vorlagefrage

46.      Auf der Grundlage der bis hierhin gemachten Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:

Ein mit einem Antrag auf Anordnung der Unterlassung künftiger Zahlungen und der Rückforderung geleisteter Zahlungen, die sich aus der Durchführung einer dem Staat zuzurechnenden Maßnahme ergeben, die nicht gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV angemeldet wurde und hinsichtlich derer die Kommission eine Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV erlassen hat, befasstes nationales Gericht ist verpflichtet, alle Maßnahmen zu erlassen, die notwendig sind, um die Beachtung der Verpflichtung zur Aussetzung, die sich aus dem Zusammenwirken von Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV und der in der genannten Entscheidung enthaltenen vorläufigen Qualifizierung als Beihilfe ergibt, seitens der nationalen Behörden sicherzustellen sowie die Folgen eines eventuellen Verstoßes gegen diese Verpflichtung zu beseitigen. Diese Maßnahmen schließen die Aussetzung der Durchführung der fraglichen Maßnahme und die Rückforderung der eventuell bereits gezahlten Beträge mit ein.

Wenn dieses Gericht die von der Kommission in der Entscheidung zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens vorgenommene Qualifizierung der fraglichen Maßnahme nicht teilt, kann es, außer den Gerichtshof gegebenenfalls mit einer Vorlagefrage nach der Gültigkeit im Sinne von Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV zu befassen, entscheiden − wenn dies nach nationalem Recht zulässig ist −, keine endgültige Rückforderung der fraglichen Beträge vorzunehmen, bis eine endgültige Entscheidung der Kommission ergangen ist, und in der Zwischenzeit eine vorläufige Rückforderungsanordnung erlassen und bestimmen, dass diese Beträge auf ein Sperrkonto gezahlt werden, bis über den Rechtsstreit in der Sache entschieden ist.

C –    Zur zweiten und zur dritten Vorlagefrage

47.      Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass das Oberlandesgericht Koblenz die von der Kommission in der Entscheidung zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens vertretene Auslegung der Voraussetzung der Selektivität und die Schlussfolgerung, zu der dieses Organ bezüglich des selektiven Charakters der fraglichen Maßnahmen gelangt ist, nicht teilt. Unter diesen Umständen oblag es dem vorlegenden Gericht, eine Frage nach der Gültigkeit dieser Entscheidung im Sinne von Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV aufzuwerfen. Offenbar beabsichtigte dieses Gericht mit seiner zweiten und seiner dritten Vorlagefrage jedoch nicht, eine solche Frage zu stellen, sondern eher eine Frage nach der Auslegung im Sinne von Buchst. a dieser Bestimmung, die indessen von einer Verneinung der ersten Vorlagefrage durch den Gerichtshof abhängt. Auf der Grundlage der Ausführungen zu dieser Vorlagefrage schlage ich daher dem Gerichtshof vor, auf die zweite und die dritte Vorlagefrage nicht zu antworten.

48.      Die folgenden kurzen Ausführungen dienen somit dazu, einen Denkanstoß für den Fall zu geben, dass der Gerichtshof meine Ausführungen nicht teilt und entscheidet, die erste Vorlagefrage zu verneinen.

49.      Mit der zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die von FFH in den Jahren 2001 und 2006 angewandten Entgeltordnungen nur deshalb als selektive Maßnahmen zu betrachten sind, weil sie allein für die Fluggesellschaften gelten, die den Flughafen Frankfurt-Hahn benutzen. Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob im Fall der Verneinung der zweiten Frage die Selektivität aus den Sachverhalt kennzeichnenden besonderen Gesichtspunkten abgeleitet werden kann. Entgegen dem Vorbringen von FFH in ihren schriftlichen Erklärungen sind diese Fragen zulässig(69).

50.      Die zweite Vorlagefrage, die zusammen mit dem ersten Teil der dritten Frage zu prüfen ist, ist meiner Ansicht nach zu bejahen. Die vom vorlegenden Gericht, FFH und Ryanair vertretene These führt im Wesentlichen dazu, die Möglichkeit einer Qualifizierung der Bedingungen, zu denen ein öffentliches Unternehmen die eigenen Dienstleistungen anbietet, als staatliche Beihilfen grundsätzlich zu verneinen, wenn diese Bedingungen unterschiedslos auf alle Wettbewerber dieses Unternehmens anwendbar sind. Diese These hätte nun zur Folge, vom System der Kontrolle der staatlichen Beihilfen a priori eventuelle wettbewerbswidrige Vorteile auszuschließen, die durch öffentliche Mittel finanziert und über ein öffentliches Unternehmen spezifischen Wirtschaftsteilnehmern, die sich dadurch auszeichnen, dass sie mit diesem Unternehmen Geschäftsbeziehungen unterhalten, gewährt werden(70). Wie die Kommission meiner Ansicht nach zutreffend ausführt, steht ein solcher Ausschluss weder in Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach auch öffentliche Eingriffe, die unterschiedslos alle Wirtschaftsteilnehmer eines bestimmten Wirtschaftssektors betreffen, selektiven Charakter haben können(71), noch mit verschiedenen Präzedenzfällen, in denen Vorteile aus der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen seitens öffentlicher (oder privater) Unternehmen zu identischen Tarifen oder Bedingungen für alle eine bestimmte Tätigkeit ausübende Wirtschaftsteilnehmer als selektiv angesehen wurden(72).

51.      Im vorliegenden Fall kommen die angeblichen Vorteile aus der Anwendung der Entgeltordnungen, um die es geht, nur den Fluggesellschaften zugute, die in Geschäftsbeziehungen mit FFH treten, und somit einem umgrenzten Personenkreis innerhalb des betroffenen Wirtschaftssektors. Der von FFH hervorgehobene Umstand, dass jede Fluggesellschaft, die dies wünsche, den Flughafen Frankfurt-Hahn nutzen könnte – dessen Kapazität sich leicht einer eventuell gesteigerten Nachfrage anpassen könnte – und so die von FFH praktizierten Tarife in Anspruch nehmen könnte, scheint mir nicht von besonderer Relevanz zu sein. Die Tatsache, dass die Möglichkeit, in den Genuss der Vorteile aus einer bestimmten Regelung zu kommen, von der Entscheidung des einzelnen Wirtschaftsteilnehmers abhängt – in diesem Fall der Fluggesellschaft, die beschließt, sich des Flughafens Frankfurt-Hahn zu bedienen –, erlaubt nämlich nicht, die Selektivität dieser Vorteile auszuschließen(73). Im vorliegenden Fall sind jedoch die von FFH angewandten Tarifbedingungen gemäß einer genauen, von FFH beschlossenen Geschäftsstrategie einem bestimmten Typus von Benutzern, den Billigfliegern, angepasst, wohingegen sie wenig oder weniger verlockend für traditionelle Fluggesellschaften sind. Die Wahlfreiheit von Letzteren ist damit faktisch eingeschränkt, zumal, wie sich sowohl aus dem Vorlagebeschluss als auch aus der Entscheidung zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens ergibt, die fraglichen Entgeltordnungen den Inhalt von zwischen FFH und Ryanair geschlossenen Verträgen widerspiegeln und somit auf die Bedürfnisse dieses Unternehmens abgestimmt sind.

52.      Schließlich stimme ich mit der Kommission darin überein, dass die Prüfung der Selektivität in einem Fall wie dem vorliegenden nicht die Anwendung der vom Gerichtshof in Bezug auf bestimmte nationale Steuerregelungen entwickelten Prüfungsmethode in zwei Etappen erfordert, wonach für die Bewertung der Selektivität einer Maßnahme in einem ersten Schritt zu prüfen ist, ob die genannte Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung einen Vorteil für bestimmte Unternehmen darstellt, die sich in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Situation befinden(74), und zweitens, ob die eventuelle Unterscheidung zwischen Unternehmen aufgrund der Natur und der Struktur der Regelung, um die es geht, gerechtfertigt ist.

53.      Sollte der Gerichtshof diese Methode im vorliegenden Fall dennoch für anwendbar halten, stelle ich zunächst fest, dass die Ansicht, wie sie das vorlegende Gericht und FFH vertreten und der zufolge sich nur die Fluggesellschaften, die Geschäftsbeziehungen mit dem Flughafen Frankfurt-Hahn aufnehmen wollen, in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Situation in Bezug auf die fraglichen Entgeltordnungen befinden, bedeutet, im Wesentlichen in einem Zirkelschluss die Ansicht zu vertreten, dass nur diejenigen, die die Kriterien oder die Bedingungen erfüllen, die vorgesehen sind, um die Vorteile aus der Anwendung einer bestimmten Maßnahme zu erhalten, für die Prüfung des selektiven Charakters der Maßnahme relevant sind(75).

54.      Wenn man wirklich einen Kreis von Personen ermitteln muss, die sich in Bezug auf die fraglichen Entgeltordnungen in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, setzt sich dieser Kreis meiner Ansicht nach (zumindest) aus allen Fluggesellschaften zusammen, die fähig sind, den Flughafen Frankfurt-Hahn zu benutzen und die in den genannten Entgeltordnungen enthaltenen Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen(76). Von diesen Unternehmen profitieren nur diejenigen, die den Flughafen tatsächlich benutzen, von den vermeintlichen Vorteilen aus der Anwendung der fraglichen Entgeltordnungen, und von diesen Unternehmen profitiert nach den Akten nur Ryanair von Tarifen und anderen Übergangsbedingungen, die Gegenstand einer vorherigen bilateralen Verhandlung mit FFH waren(77).

55.      Sollte der Gerichtshof, entgegen meinem Vorschlag in den vorhergehenden Nummern, entscheiden, die zweite Vorlagefrage zu verneinen, meine ich, dass die vom vorlegenden Gericht in der dritten Frage (unter Buchst. b und c) herausgestellten und oben bereits wiedergegebenen Gesichtspunkte, und zwar die von FFH getroffene Entscheidung für ein auf einer Zusammenarbeit mit Billigfluggesellschaften beruhendes Geschäftsmodell und für Nutzungsbedingungen, die den Bedürfnissen dieser Unternehmen angepasst sind, sowie der Umstand, dass der Großteil des Passagieraufkommens des Flughafens von einer einzigen Fluggesellschaft generiert wird, im Rahmen einer globalen Beurteilung zu der Schlussfolgerung führen, dass die streitigen Entgeltordnungen ebenfalls selektiven Charakter haben.

IV – Ergebnis

56.      Nach alledem schlage ich daher dem Gerichtshof vor, auf die vom Oberlandesgericht Koblenz vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

Ein mit einem Antrag auf Anordnung der Unterlassung künftiger Zahlungen und der Rückforderung geleisteter Zahlungen, die sich aus der Durchführung einer dem Staat zuzurechnenden Maßnahme ergeben, die nicht gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV angemeldet wurde und hinsichtlich derer die Kommission eine Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV erlassen hat, befasstes nationales Gericht ist verpflichtet, alle Maßnahmen zu erlassen, die notwendig sind, um die Beachtung der Verpflichtung zur Aussetzung, die sich aus dem Zusammenwirken von Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV und der in der genannten Entscheidung enthaltenen vorläufigen Qualifizierung als Beihilfe ergibt, seitens der nationalen Behörden sicherzustellen sowie die Folgen eines eventuellen Verstoßes gegen diese Verpflichtung zu beseitigen. Diese Maßnahmen schließen die Aussetzung der Durchführung der fraglichen Maßnahme und die Rückforderung der eventuell bereits gezahlten Beträge mit ein.

Wenn dieses Gericht die von der Kommission in der Entscheidung zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens vorgenommene Qualifizierung der fraglichen Maßnahme nicht teilt, kann es, außer den Gerichtshof gegebenenfalls mit einer Vorlagefrage nach der Gültigkeit im Sinne von Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV zu befassen, entscheiden − wenn dies nach nationalem Recht zulässig ist −, keine endgültige Rückforderung der fraglichen Beträge vorzunehmen, bis eine endgültige Entscheidung der Kommission ergangen ist, und in der Zwischenzeit eine vorläufige Rückforderungsanordnung erlassen und bestimmen, dass diese Beträge auf ein Sperrkonto gezahlt werden, bis über den Rechtsstreit in der Sache entschieden ist.

Angesichts der Antwort auf die erste Vorlagefrage brauchen die zweite und die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.


1 – Originalsprache: Italienisch.


2 – Eine dieser Klagen, die von Air Berlin gegen den Flughafen Lübeck erhoben wurde, liegt einem weiteren Vorabentscheidungsersuchen zugrunde, das vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht (Rechtssache C‑27/13) eingereicht wurde, in dem dieselbe Frage nach dem Autonomiespielraum gestellt wurde, über den das nationale Gericht bei der Prüfung des Vorliegens einer Beihilfe in dem Fall verfügt, in dem die Kommission parallel ein förmliches Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV eröffnet hat.


3 – Auf der Grundlage der von Lufthansa in ihren Erklärungen gemachten Ausführungen ist diese Subvention nicht nach dem Passagieraufkommen auf der neuen Strecke berechnet worden, sondern nach dem von der betreffenden Gesellschaft beförderten Passagieraufkommen insgesamt.


4 – Nach Angaben von Lufthansa belaufen sich diese Ermäßigungen auf 2,679 Mio. Euro.


5 – Diese Entscheidung betraf die Anwendung von § 823 Abs. 2 BGB und die Möglichkeit, Art. 108 Abs. 3 AEUV als Schutzgesetz zu werten.


6 – Staatliche Beihilfe C 29/08 (ex NN 54/07) – Deutschland – Flughafen Frankfurt Hahn und Ryanair (ABl. 2009, C 12, S. 6).


7 – ABl. 2009, C 85, S. 1.


8 – Diese Frage betraf insbesondere die auf der Grundlage des zwischen FFH und Ryanair 2001 geschlossenen Vertrags gewährten Maßnahmen, als der Aufsichtsrat von FFH nicht mehrheitlich aus Vertretern der öffentlichen Hand bestand.


9 –      Richtlinie 2006/111/EG vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen (ABl. L 318, S. 17).


10 – Vgl. u. a. Urteil vom 31. Januar 2008, Centro Europa 7 (C‑380/05, Slg. 2008, I‑349, Randnrn. 47 bis 49).


11 – Urteil vom 5. Oktober 2006 (C‑368/04, Slg. 2006, I‑9957).


12 – Urteil vom 11. Juli 1996 (C‑39/94, Slg. 1996, I‑3547).


13 – Urteil vom 15. Juli 1964 (6/64, Slg. 1964, 1253), vgl. auch u. a. Urteile vom 11. Dezember 1973, Lorenz (120/73, Slg. 1973, 1471, Randnr. 8), vom 22. März 1977, Steinike & Weinlig (78/76, Slg. 1977, 595, Randnr. 14), vom 21. November 1991, Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires u. a. („FNCE“) (C‑354/90, Slg. 1991, I‑5505, Randnr. 11), und SFEI u. a. (Randnr. 39).


14 – Urteil Lorenz (Randnr. 8).


15 – Urteile vom 30. November 1993, Kirsammer-Hack (C‑189/91, Slg. 1993, I‑6185, Randnr. 14), Steinike & Weinlig (Randnr. 14), SFEI u. a. (Randnr. 49) und FNCE (Randnr. 10).


16 – In diesem Sinne Urteil FNCE (Randnr. 8). 


17 – KOM(2005) 107 endgültig.


18 – Vgl. insbesondere die Randnrn. 1, 5 und 24 der Bekanntmachung


19 – Vgl. Urteile SFEI u. a. (Randnr. 41), vom 21. Oktober 2003, van Calster u. a. (C‑261/01 und C‑262/01, Slg. 2003, I‑12249, Randnr. 74), Transalpine Ölleitung in Österreich u. a. (Randnr. 37), und vom 8. Dezember 2011, Residex Capital IV (C‑275/10, Slg. 2011, I‑13043, Randnr. 26).


20 – Urteile FNCE (Randnr. 12), SFEI u. a. (Randnr. 40), van Calster u. a. (Randnr. 64), vom 21. Juli 2005, Xunta de Galicia (C‑71/04, Slg. 2005, I‑7419, Randnr. 49), Transalpine Ölleitung in Österreich u. a. (Randnr. 47), vom 12. Februar 2008, CELF und Ministre de la Culture et de la Communication („CELF I“) (C‑199/06, Slg. 2008, I‑469, Randnr. 45), und Residex Capital IV (Randnr. 29). Vgl. auch Randnr. 30 der Bekanntmachung.


21 – Vgl. insbesondere Urteil FNCE (Randnr. 12) und Bekanntmachung, Abschnitt 2.2.1.


22 – Vgl. insbesondere Urteile Xunta de Galicia (Randnr. 49), SFEI u. a. (Randnrn. 40 und 68) und FNCE (Randnr. 12) sowie Bekanntmachung, Abschnitt 2.2.2.


23 – Vgl. insbesondere Urteil CELF I (Randnrn. 53 bis 55) und Bekanntmachung, Abschnitt 2.2.3.


24 – Vgl. insbesondere Urteile CELF I (Randnrn. 53 bis 55), Transalpine Ölleitung in Österreich (Randnr. 56), vom 11. Dezember 2008, Kommission/Freistaat Sachsen (C‑334/07 P, Slg. 2008, I‑9465, Randnr. 54), sowie Bekanntmachung, Abschnitt 2.2.4.


25 – Vgl. insbesondere Urteile SFEI u. a. (Randnr. 52), Transalpine Ölleitung in Österreich (Randnr. 46). Vgl. Randnrn. 26 ff. der Bekanntmachung.


26 – Vgl. auch Art. 3 („Durchführungsverbot“) der Verordnung Nr. 659/1999.


27 – Vgl. Urteile vom 14. Februar 1990, Frankreich/Kommission (C‑301/87, Slg. 1990, I‑307, Randnr. 17), und CELF I (Randnr. 36).


28 – Vgl. Urteile CELF I (Randnr. 37) und Lorenz (Randnr. 2).


29 – Vgl. Urteil CELF I (Randnr. 47). Hervorhebung nur hier.


30 – Ebd.


31 – Vgl. Urteil CELF I (Randnr. 48).


32 – Vgl. Urteil CELF I (Randnr. 38).


33 – Vgl. Urteil vom 11. März 2010, CELF und Ministre de la Culture et de la Communication („CELF II“) (C‑1/09, Slg. 2010, I‑2099, Randnr. 30).


34 – Vgl. Urteil CELF I (Randnrn. 47 bis 49).


35 – Vgl. Urteil vom 22. Juni 2000, Frankreich/Kommission (C‑332/98, Slg. 2000, I‑4833, Randnr. 31).


36 – Vgl. Urteil Frankreich/Kommission (C‑332/98, Randnr. 32).


37 – Vgl. Urteile vom 30. Juni 1992, Italien/Kommission (C‑47/91, Slg. 1992, I‑4145, Randnr. 24), SFEI u. a. (Randnr. 38), Lorenz (Randnr. 8), und FNCE (Randnr. 11).


38 – Gelangt die Kommission nach einer vorläufigen Prüfung oder am Ende des förmlichen Prüfverfahrens zu dem Schluss, „dass die angemeldete Maßnahme keine Beihilfe darstellt, so stellt sie dies durch Entscheidung fest“, so der Wortlaut von Art. 4 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999.


39 – Vgl. Urteil Frankreich/Kommission (C‑332/98, Randnr. 32).


40 – Vgl. Nr. 12.


41 – Rechtssache C‑400/99 (Slg. 2001, I‑7303).


42 –      Urteil vom 30. Juni 1992 (C‑312/90, Slg. 1992, I‑4117).


43 – Urteil vom 30. Juni 1992 (C‑47/91, Slg. 1992, I‑4145).


44 – Randnr. 57. Hervorhebung nur hier.


45 – Randnr. 58.


46 – Randnr. 59.


47 –      Randnr. 59. Hervorhebung nur hier.


48 – Randnr. 65.


49 – Vgl. auch Urteil vom 10. Mai 2005, Italien/Kommission (C‑400/99, Slg. 2005, I‑3657, Randnr. 24).


50 – Vgl. Randnrn. 59 und 64.


51 – Vgl. die Beschreibung der fraglichen Maßnahmen in den Randnrn. 23 bis 26 des Urteils sowie Randnr. 28.


52 – In Randnr. 9 dieses Urteils übernimmt der Gerichtshof den Inhalt des Urteils vom 9. Oktober 2001 und bestätigt, dass die Klage für zulässig erklärt worden sei, „da die Kommission die streitigen Maßnahmen als rechtswidrig durchgeführte neue Beihilfen angesehen habe, während nach dem Vortrag der italienischen Regierung einige von ihnen … bestehende Beihilfen seien und andere keinen Beihilfecharakter aufwiesen, so dass diese Maßnahmen – anders als sich aus der angefochtenen Entscheidung ergebe – nicht ausgesetzt werden müssten“.


53 – Vgl. Randnr. 29.


54 – Vgl. Randnrn. 31 und 34 sowie Nr. 1 des Tenors. Ich weise darauf hin, dass der Gerichtshof im Urteil vom 9. Oktober 2001 ausdrücklich ausgeschlossen hat, dass die Aussetzung der Maßnahmen von einer in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen mutmaßlichen Aussetzungsanordnung herrühre.


55 – Vgl. Urteile vom 23. Oktober 2002, Diputación Foral de Guipúzcoa u. a./Kommission (T‑269/99, T‑271/99 und T‑272/99, Slg. 2002, II‑4217, Randnrn. 36 bis 42), vom 30. April 2002, Government of Gibraltar/Kommission (T‑195/01 und T‑207/01, Slg. 2002, II‑2309, Randnrn. 80 bis 86), und vom 25. März 2009, Alcoa Trasformazioni/Kommission (T‑332/06, Randnrn. 33 bis 42).


56 – Urteil vom 14. Februar 1990, Frankreich/Kommission. Bekanntlich hat der Gerichtshof in diesem Urteil, nachdem er festgestellt hatte, dass die Wirksamkeit des vom Vertrag eingeführten Kontrollsystems den Erlass von Maßnahmen verlangt, die darauf gerichtet sind, die Nichtbeachtung der Vorschriften des damals geltenden Art. 93 Abs. 3 EGV zu verhindern, bestätigt, dass die Kommission − wenn sie feststellt, dass eine Beihilfe eingeführt oder umgestaltet worden ist, ohne dass sie davon zuvor unterrichtet wurde, oder dass sie zwar von der Beihilfe unterrichtet wurde, diese jedoch durchgeführt wurde, ohne den Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens abzuwarten − die Befugnis hat, dem betreffenden Mitgliedstaat vorläufig aufzugeben, die Zahlung unverzüglich bis zum Abschluss ihrer Prüfung einzustellen und, wenn der Mitgliedstaat dieser Entscheidung nicht nachkommt, bei gleichzeitiger Fortsetzung ihrer Sachprüfung den Gerichtshof unmittelbar anzurufen (Randnrn. 18 bis 23).


57 – Randnrn. 9 bis 23.


58 – Vgl. Urteile vom 19. Mai 1993, Cook/Kommission (C‑198/91, Slg. 1993, I‑2487, Randnr. 22), vom 15. Juni 1993, Matra/Kommission (C‑225/91, Slg. 1993, I‑3203, Randnr. 16), vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France (C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 38), vom 13. Dezember 2005, Kommission/Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (C‑78/03 P, Slg. 2005, I‑10737, Randnr. 34), sowie vom 11. September 2008, Deutschland u. a./Kronofrance (C‑75/05 P und C‑80/05 P, Slg. 2008, I‑6619, Randnr. 37).


59 – Vgl. Urteil vom 21. Juli 2011, Alcoa Trasformazioni/Kommission (C‑194/09 P, Slg. 2011, I‑6311, Randnr. 61), und Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Diputación Foral de Guipúzcoa u. a./Kommission (T‑269/99, T‑271/99 und T‑272/99, Slg. 2002, II‑4217, Randnr. 49), in denen sich die Kontrolle des Gerichtshofs ausdrücklich auf offenkundige Beurteilungsfehler beschränkt. Beiläufig stelle ich fest, dass eine solche Beschränkung der Kontrolle des Gerichtshofs überhaupt nicht vereinbar erscheint mit seiner Rechtsprechung, wonach „der Gemeinschaftsrichter die Frage, ob eine Maßnahme in den Anwendungsbereich von [Art. 107 Abs. 1 AEUV] fällt, grundsätzlich unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits und des technischen oder komplexen Charakters der von der Kommission vorgenommenen Beurteilungen umfassend zu prüfen [hat]“ (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission, C‑487/06 P, Slg. 2008, I‑10515, Randnr. 111). Es hätte meiner Auffassung nach mehr im Einklang mit dieser Rechtsprechung gestanden, anzuerkennen, dass auch im Fall einer Entscheidung zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens der Unionsrichter eine tendenziell vollständige Kontrolle ausübt, wenn auch begrenzt auf die Frage, ob auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen die Kommission rechtmäßig zu dem vorläufigen Ergebnis gelangen konnte, dass eine Beihilfe vorliegt oder zumindest ernstliche Zweifel in dieser Hinsicht weiter bestehen.


60 – Urteil SFEI u. a. (Randnr. 50) und Bekanntmachung, Abschnitt 3.


61 – Urteil SFEI u. a. (Randnr. 51).


62 – Urteil SFEI u. a. (Randnr. 44); vgl. in diesem Sinne schon zuvor Urteile Lorenz (Randnr. 8) und FNCE (Randnrn. 10 und 11). Dem Gerichtshof zufolge würde eine andere Auslegung dem Verbot in Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV die praktische Wirksamkeit nehmen und dadurch die Nichtbeachtung seitens der Mitgliedstaaten fördern (vgl. Urteil SFEI u. a., Randnr. 55). 


63 – Randnr. 53 und Tenor. Wie von der Kommission in der mündlichen Verhandlung zutreffend hervorgehoben wurde, hatte die Kommission in dem Verfahren, in dem dieses Urteil ergangen ist, im Unterschied zum vorliegenden Verfahren nur eine vorläufige Prüfung der in Rede stehenden Maßnahmen vorgenommen und hatte zu dem Zeitpunkt, zu dem das Vorabentscheidungsersuchen eingereicht wurde, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV noch nicht eröffnet: vgl. Randnr. 11 des Urteils und Nr. 7 der Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs.


64 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2000, Masterfoods und HB (C‑344/98, Slg. 2000, I‑11369, Randnr. 49).


65 – Vgl. in diesem Sinne, was die Anwendung der Art. 85 EG und 86 EG betrifft, Randnr. 47 des Urteils vom 28. Februar 1991, Delimitis (C‑234/89, Slg. 1991, I‑935).


66 – Vgl. Urteil Transalpine Ölleitung in Österreich (Randnr. 48).


67 – Unabhängig von jeder Erwägung hinsichtlich der eingeschränkten Möglichkeiten für den nationalen Richter, von Amts wegen eine Vorlagefrage nach der Gültigkeit in dem Fall zu stellen, dass gegen die Entscheidung nicht rechtzeitig ein Rechtsbehelf von denjenigen eingelegt worden ist, gegen die sie geltend gemacht wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Januar 2006, Cassa di Risparmio di Firenze u. a., C‑222/04, Slg. 2004, I‑289, Randnrn. 72 bis 74), bin ich nicht der Ansicht, dass eine solche Frage in dem Vorabentscheidungsersuchen in dem vorliegenden Verfahren erkennbar ist, noch, dass sie von Amts wegen vom Gerichtshof geprüft werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2007, Lucchini, C‑119/05, Slg. 2007, I‑6199, Randnr. 56).


68 – Vgl. Randnr. 62 der Bekanntmachung. Ein Antrag in diesem Sinne wurde von Lufthansa im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen gestellt und vom Oberlandesgericht Koblenz mit Beschluss vom 12. Juli 2012 zurückgewiesen.


69 – Auf der Grundlage einer ständigen Rechtsprechung (vgl. u. a. Urteil vom 22. Dezember 2008, Régie Networks, C‑333/07, Slg. 2008, I‑10807, Randnr. 46) darf der Gerichtshof die Entscheidung über ein Vorabentscheidungsersuchen nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind. Keine dieser Fallgestaltungen ist im vorliegenden Fall gegeben.


70 – Die etwaige gegenteilige Lösung, d. h., zu sagen, die Bedingungen, zu denen ein öffentliches Unternehmen die eigenen Waren oder Dienstleistungen anbietet, stellten immer selektive Maßnahmen dar, scheint mir hingegen keine besonderen Probleme zu bereiten. Sie impliziert offensichtlich nicht automatisch, dass diese Bedingungen als Beihilfen anzusehen sind, da diese Schlussfolgerung nur in dem Fall zulässig ist, in dem diese Bedingungen durch öffentliche Mittel finanzierte Vorteile mit sich bringen, die eine Verfälschung des Wettbewerbs bewirken.


71 – Soweit sie nicht für alle Wirtschaftsteilnehmer des betroffenen Mitgliedstaats gelten, stellen solche Eingriffe keine allgemeinen Maßnahmen dar (vgl. Urteile vom 17. Juni 1999, Belgien/Kommission, C‑75/97, Slg. 1999, I‑3671, Randnr. 33, und vom 15. Dezember 2005, Unicredito Italiano, C‑148/04, Slg. 2005, I‑11137, Randnrn. 45 bis 49).


72 – Vgl. z. B. Urteile vom 20. November 2003, GEMO (C‑126/01, Slg. 2003, I‑13769), in dem sich die Wirkungen der fraglichen Maßnahme, aufgrund derer alle Eigentümer oder Besitzer von Tierkörpern eines bestimmten Gewichts kostenlos die Dienstleistungen von privaten Tierkörperbeseitigungsunternehmen, die Zuschlagsempfänger öffentlicher Ausschreibungen waren, in Anspruch nehmen konnten, hauptsächlich zugunsten bestimmter Personen, d. h. von Viehzüchtern und Schlachthöfen, auswirkten (vgl. Randnrn. 37 bis 39), und vom 2. Februar 1988, Kwekerij van der Kooy u. a./Kommission (67/85, 68/85 und 70/85, Slg. 1988, 219), in dem der angefochtene, von Gasunie praktizierte Vorzugstarif für alle im Bereich des Gemüseanbaus in Gewächshäusern tätigen Unternehmen galt.


73 – Der Bezug der im Rahmen einer bestimmten Beihilferegelung vorgesehenen Vorteile hängt oft von einer Entscheidung (z. B. Investitionen vorzunehmen) des Empfängers ab: vgl. z. B. Urteil Unicredito Italiano (Randnr. 8), in dem die fragliche, innerhalb des Bankensektors anwendbare Steuererleichterung nur den Banken gewährt wurde, die Zusammenschlüsse oder ähnliche Umstrukturierungen in fünf aufeinanderfolgenden Steuerjahren vornahmen.


74 – Bekanntlich geht diese Rechtsprechung zurück auf das Urteil vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, Slg. 2001, I‑8365), bezüglich der Reduzierung der Energieabgabe, die in Österreich Unternehmen gewährt wurde, die hauptsächlich im Fertigungsbereich tätig waren; für weitere Präzedenzfälle vgl. insbesondere Urteile vom 13. Februar 2003, Spanien/Kommission (C‑409/00, Slg. 2003, I‑1487, Randnr. 47), vom 6. September 2006, Portugal/Kommission (C‑88/03, Slg. 2006, I‑7115, Randnr. 54), vom 11. September 2008, UGT‑Rioja u. a. (C‑428/06 bis C‑434/06, Slg. 2008, I‑6747, Randnr. 46), und British Aggregates (Randnr. 82). Der Gerichtshof und das Gericht haben auf eine ähnliche Prüfungsmethode in anderen Bereichen als dem der steuerlichen Maßnahmen zurückgegriffen, vgl. z. B. Urteile vom 4. Juli 2007, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission (T‑475/04, Slg. 2007, II‑2097), vom 2. April 2009, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission (C‑431/07 P, Slg. 2009, I‑2665), und vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, Slg. 2004, I‑6717).


75 – Bei Zugrundelegung einer solchen Argumentation hätten sich z. B. in der Rechtssache Adria-Wien Pipeline nur die hauptsächlich im Fertigungsbereich tätigen Unternehmen in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Situation hinsichtlich der in Rede stehenden steuerlichen Maßnahme befunden, die folglich nicht als selektiv hätte angesehen werden können.


76 – Entgegen dem Vorbringen von FFH in ihren Erklärungen erlauben die Entscheidungen in Bezug auf den Flughafen Manchester (Entscheidung vom 14. Juni 1999, staatliche Beihilfe NN 109/98 – United Kingdom Manchester Airport) und den Flughafen Bratislava (Entscheidung vom 27. Januar 2010, staatliche Beihilfe C 12/08 [ex NN 74/07] – Slowakei – Vereinbarung zwischen dem Flughafen Bratislava und Ryanair, ABl. 2011, L 27, S. 24) nicht die Schlussfolgerung, dass es eine Praxis der Kommission gibt, die darin besteht, den Kreis derjenigen, deren Situation zum Zweck der Prüfung der Selektivität verglichen werden kann, nur auf die Fluggesellschaften zu beschränken, die den in Rede stehenden Flughafen benutzen. Die in diesen Entscheidungen enthaltenen Bewertungen, auf die FFH verweist, betreffen die Prüfung des Vorliegens einer Verfälschung des Wettbewerbs bzw. die Anwendung des Kriteriums des privaten Investors in der Marktwirtschaft und nicht die Prüfung des selektiven Charakters der in Rede stehenden Maßnahme.


77 – Obwohl die Frage weder im Vorlagebeschluss noch in den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen aufgeworfen wurde, stelle ich abschließend fest, dass in Fällen wie dem vorliegenden die Prüfung einer möglichen objektiven Rechtfertigung „auf der Grundlage des Wesens und des Sinns und Zwecks der Regelung“ im Kern dahin tendiert, sich mit der Prüfung der Vereinbarkeit des Verhaltens des öffentlichen Unternehmens – im vorliegenden Fall die Art und Weise, wie FFH die Geschäftsbeziehungen mit den Fluggesellschaften, die den Flughafen Frankfurt-Hahn nutzen, abwickelt – mit dem eines privaten Wirtschaftsteilnehmers in einer Marktwirtschaft zu vermischen. Diese Prüfung wird üblicherweise im Rahmen der Feststellung des Vorliegens eines Vorteils durchgeführt.