Language of document : ECLI:EU:T:2023:832

Rechtssache T106/17

(auszugsweise Veröffentlichung)

JPMorgan Chase & Co. u. a.

gegen

Europäische Kommission

 Urteil des Gerichts (Zehnte erweiterte Kammer) vom 20. Dezember 2023

„Wettbewerb – Kartelle – Sektor der Euro-Zinsderivate – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens festgestellt wird – Manipulation der Euribor-Referenzzinssätze im Interbankengeschäft – Austausch vertraulicher Informationen – Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – ‚Hybrides‘, zeitlich gestuftes Verfahren – Unschuldsvermutung – Unparteilichkeit – Geldbußen – Grundbetrag – Umsatz – Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Begründungspflicht – Änderungsbeschluss, mit dem die Begründung ergänzt wird – Gleichbehandlung – Verhältnismäßigkeit – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung“

1.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beschluss der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Art des Nachweises – Indizienbündel – Berücksichtigung von außerhalb des Zeitraums der Zuwiderhandlung nachgewiesenen Umständen – Zulässigkeit

(Art. 101 Abs. 1 AEUV)

(vgl. Rn. 64-71)

2.      Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen und abgestimmte Verhaltensweisen – Begriff – Beteiligung an einem Netz bilateraler Kontakte mit wettbewerbswidrigem Zweck – Passive Formen der Beteiligung – Einbeziehung – Voraussetzung – Fehlende Distanzierung – Voraussetzung erfüllt

(Art. 101 Abs. 1 AEUV)

(vgl. Rn. 279-312)

3.      Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Begriff – Mit der Pflicht jedes Unternehmens, sein Marktverhalten autonom zu bestimmen, unvereinbare Koordinierung und Zusammenarbeit – Informationsaustausch unter Wettbewerbern – Austausch vertraulicher Informationen zwischen Händlern von Finanzinstituten – Austausch in Bezug auf versuchte Manipulationen der Euribor-Referenzzinssätze im Interbankengeschäft – Austausch von Informationen über Handelspositionen und Preisstrategien im Sektor der an den Euribor oder den EONIA gekoppelten Produkte – Fehlen wettbewerbsfördernder Auswirkungen, die erwiesen, relevant, allein auf die betreffende Vereinbarung zurückzuführen und hinreichend erheblich sind – Austausch, der eine hinreichende Beeinträchtigung darstellt, um als bezweckte Beschränkung eingestuft zu werden

(Art. 101 Abs. 1 AEUV)

(vgl. Rn. 325-337, 341-364, 377-438)

4.      Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Beschluss über die Anwendung der Wettbewerbsregeln – Beschluss der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt und eine Geldbuße verhängt wird

(Art. 101 Abs. 1 und Art. 296 Abs. 2 AEUV)

(vgl. Rn. 338, 339, 368-375)

5.      Kartelle – Verbot – Zuwiderhandlungen – Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen – Verantwortlichmachung eines Unternehmens für die gesamte Zuwiderhandlung – Voraussetzungen – Rechtswidrige Praktiken und Verhaltensweisen, die sich in einen Gesamtplan einfügen – Beurteilung – Kriterien – Beitrag zum einheitlichen Ziel der Zuwiderhandlung – Kenntnis oder Vorhersehbarkeit des Gesamtplans des Kartells und seiner wesentlichen Elemente

(Art. 101 Abs. 1 AEUV)

(vgl. Rn. 441-450, 453-473, 477-501, 504-508)

6.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Vergleichsverfahren – Verfahren, das nicht alle Teilnehmer an einem Kartell erfasst – Zeitversetzter Erlass eines Vergleichsbeschlusses und eines ein ordentliches Verfahren abschließenden Beschlusses – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Wahrung der Pflicht zur Unparteilichkeit und der Unschuldsvermutung – Wahrung der Verteidigungsrechte – Umfang

(Art. 101 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41 und 48; Verordnung Nr. 773/2004 der Kommission, Art. 10a)

(vgl. Rn. 514-544)

7.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beschluss der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Verpflichtung der Kommission, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen – Öffentliche, im Laufe des Verwaltungsverfahrens getätigte Äußerungen des für Wettbewerb zuständigen Mitglieds der Kommission – Äußerungen, die möglicherweise auf fehlende subjektive Unparteilichkeit schließen lassen – Keine Auswirkung auf die unparteiische Würdigung der Sache durch die Kommission

(Art. 101 Abs. 1 AEUV)

(vgl. Rn. 549-558)

8.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Gerichtliche Nachprüfung – Befugnis des Unionsrichters zu unbeschränkter Nachprüfung – Umfang – Festsetzung des Betrags der verhängten Geldbuße – Beurteilungskriterien

(Art. 101 Abs. 1 und Art. 261 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 3 und Art. 31)

(vgl. Rn. 567, 568, 698-728)

9.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Festlegung des Grundbetrags – Ermittlung des Umsatzes – Anwendung der in den Leitlinien vorgesehenen Methode – Ersatzwert, der auf der Grundlage der durch Anwendung eines Abzinsungsfaktors aktualisierten Bareinnahmen ermittelt wird – Begründungsmangel in Bezug auf die Ermittlung des Abzinsungsfaktors

(Art. 101 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2, Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 13 und 37)

(vgl. Rn. 583-595, 602-608, 612-621)

10.    Nichtigkeitsklage – Gründe – Verletzung wesentlicher Formvorschriften – Verletzung der Begründungspflicht – Gerichtliche Prüfung von Amts wegen

(Art. 263 AEUV)

(vgl. Rn. 609-611)

11.    Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Beschluss über die Anwendung der Wettbewerbsregeln – Heilung eines Begründungsmangels im Lauf des gerichtlichen Verfahrens durch Erlass eines Änderungsbeschlusses – Unzulässigkeit

(Art. 101 Abs. 1 und Art. 296 Abs. 2 AEUV)

(vgl. Rn. 627-633)

12.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Festlegung des Grundbetrags – Ermittlung des Umsatzes – Anwendung der in den Leitlinien vorgesehenen Methode – Ersatzwert, der auf der Grundlage der durch Anwendung eines Abzinsungsfaktors aktualisierten Bareinnahmen ermittelt wird – Berechnung der Bareinnahmen der an derselben Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen nach unterschiedlichen Methoden – Vernachlässigbarer Einfluss auf die herangezogenen Werte – Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz – Fehlen

(Art. 101 Abs. 1 AEUV)

(vgl. Rn. 636-671)

13.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Anpassung des Grundbetrags – Mildernde Umstände – Geringere Intensität der Beteiligung an der Zuwiderhandlung im Vergleich zur Beteiligung der Hauptakteure – Herabsetzung des Grundbetrags um zehn Prozent – Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung oder der individuellen Sanktionsfestsetzung – Fehlen

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 29)

(vgl. Rn. 674-695)

Zusammenfassung

Im Jahr 2011 beantragte die Bankengruppe Barclays bei der Europäischen Kommission die Anwendung der Kronzeugenregelung und informierte sie über das Bestehen eines Kartells im Sektor der Euro-Zinsderivate (Euro Interest Rate Derivatives, im Folgenden: EIRD).

Die EIRD sind bzw. waren an den Euribor (Euro Interbank Offered Rate) – eine Gesamtheit von Referenzzinssätzen, die die Kosten von Krediten in Euro im Interbankengeschäft widerspiegeln soll – oder an den EONIA (Euro Over-Night Index Average) gebunden, der seinerzeit eine mit dem Euribor vergleichbare Funktion erfüllte, sich aber auf Übernacht-Zinssätze bezog. Der Euribor-Zinssatz beruht auf der individuellen Notierung, die von den Banken übermittelt wird, die einem aus 47 Finanzinstituten bestehenden Panel (im Folgenden Euribor-Panel) angehören.

Nach Eröffnung eines Zuwiderhandlungsverfahrens durch die Kommission entschieden sich die Finanzinstitute Barclays, Deutsche Bank, Royal Bank of Scotland und Société générale, an einem Vergleichsverfahren nach Art. 10a der Verordnung (EG) Nr. 773/2004(1) teilzunehmen. Am Ende dieses Verfahrens erließ die Kommission am 4. Dezember 2013 einen Beschluss(2), in dem sie feststellte, dass sich diese Finanzinstitute an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt hätten, die eine Störung des normalen Verlaufs der Preisfestsetzung auf dem EIRD-Markt zum Gegenstand gehabt habe.

Da die Finanzinstitute JPMorgan Chase & Co., JPMorgan Chase Bank, National Association und J. P. Morgan Services LLP (im Folgenden gemeinsam: JP Morgan), Crédit agricole und HSBC keine Vergleichsausführungen vorlegten, führte die Kommission die Untersuchung gegen sie fort.

Mit Beschluss vom 7. Dezember 2016(3) stellte die Kommission fest, dass JP Morgan gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen habe, indem sie sich vom 27. September 2006 bis zum 19. März 2007 an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt habe, die eine Störung des normalen Verlaufs der Preisfestsetzung auf dem EIRD-Markt zum Gegenstand gehabt habe, und verhängte eine Geldbuße von 337 196 000 Euro gegen sie.

Nach Ansicht der Kommission bestanden die rechtswidrigen Verhaltensweisen von JP Morgan in einem Austausch zwischen einem ihrer Händler und Händlern zweier anderer dem Euribor-Panel angehörender Finanzinstitute. Dabei sei es im Wesentlichen um die Manipulation der Quotierungen ihrer Banken beim Euribor-Panel für die Zwecke der Berechnung des Euribor, um Handelspositionen in Bezug auf EIRD sowie um ihre Absichten und ihre Strategie in Bezug auf die Festsetzung der EIRD-Preise gegangen.

Vor dem Gericht beantragt JP Morgan zum einen die teilweise Nichtigerklärung dieses Beschlusses und zum anderen, hilfsweise, die Aufhebung oder Herabsetzung der verhängten Geldbuße.

Nach Erhebung der Klage hat die Kommission einen Änderungsbeschluss(4) erlassen, um die Begründung des angefochtenen Beschlusses nach Maßgabe des Urteils HSBC Holdings u. a./Kommission zu ergänzen, welches das Gericht in einem Parallelverfahren erlassen hatte(5).

Mit ihrem Urteil präzisiert die Zehnte erweiterte Kammer des Gerichts die Kriterien, anhand deren die Beteiligung eines Unternehmens an wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, insbesondere durch Informationsaustausch, im Sektor der Finanzprodukte festgestellt werden kann. Das Gericht erklärt den angefochtenen Beschluss jedoch wegen unzureichender Begründung für nichtig, soweit damit gegen JP Morgan eine Geldbuße verhängt wird. Es übt sodann seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung aus und verhängt gegen JP Morgan eine Geldbuße, die genauso hoch ist wie die im angefochtenen Beschluss festgesetzte.

Würdigung durch das Gericht

Nachdem das Gericht bestätigt hat, dass der im angefochtenen Beschluss geprüfte Austausch zwischen den Händlern von JP Morgan, der Deutschen Bank und Barclays mit Ausnahme eines bestimmten Kontakts tatsächlich stattgefunden hat, weist es das Vorbringen von JP Morgan zurück, dass dieser Austausch nicht den Zweck gehabt habe, den Euribor oder den EONIA zu manipulieren. Insoweit hebt das Gericht insbesondere hervor, dass die Zuwiderhandlung, die JP Morgan zur Last gelegt wird, nicht in der Manipulation des Euribor als solcher besteht, sondern in der Beteiligung an einem Netz bilateraler Kontakte, das den Zweck hatte, die normale Entwicklung der Preisgestaltungselemente im EIRD-Sektor im Zusammenhang mit dem Euribor und/oder dem EONIA zu verfälschen.

Was die von der Kommission vorgenommene Einstufung als einheitliche Zuwiderhandlung anbelangt, weist das Gericht darauf hin, dass für die Feststellung der Beteiligung eines Unternehmens an einer solchen Zuwiderhandlung drei Gesichtspunkte entscheidend sind:

i) Die verschiedenen in Rede stehenden Verhaltensweisen müssen Teil eines „Gesamtplans“ mit einheitlichem Ziel sein.

ii) Das Unternehmen muss von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung derselben Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten rechtswidrigen Verhalten gewusst haben oder in der Lage gewesen sein, es vernünftigerweise vorherzusehen, und bereit gewesen sein, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen.

iii) Das Unternehmen muss die Absicht gehabt haben, durch sein eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen Teilnehmern verfolgten gemeinsamen Ziele beizutragen.

Zum ersten Gesichtspunkt stellt das Gericht fest, dass die Kommission das einheitliche Ziel hinreichend genau definiert hat, nämlich dahin gehend, dass angestrebt worden sei, den im Rahmen von EIRD-Kontrakten geschuldeten Cashflow zum Nachteil der Gegenparteien dieser Kontrakte zu beeinflussen. Der gesamte Austausch, der JP Morgan zur Last gelegt wird, trug zu diesem einheitlichen Ziel bei.

Diese Schlussfolgerung wird im Übrigen durch weitere Gesichtspunkte gestützt, die die Kommission im angefochtenen Beschluss anführt. Die fraglichen Verhaltensweisen betrafen nämlich dieselben Produkte, nämlich EIRD, und erfolgten in Form von relativ regelmäßigen bilateralen Kontakten, die sich zeitlich überschnitten und innerhalb einer festen Gruppe von Personen stattfanden, die bei den betreffenden Banken beschäftigt waren.

Was den zweiten Gesichtspunkt betrifft, hat JP Morgan konkret nur ihre Kenntnis von den Verhaltensweisen bestritten, die die anderen Kartellteilnehmer in Bezug auf die Manipulation der Euribor-Fixings an den Tag gelegt hatten. Hierzu stellt das Gericht jedoch fest, dass die Beweise – bei einer Gesamtwürdigung als Indizienbündel – erkennen lassen, dass der Händler von JP Morgan vernünftigerweise vorhersehen konnte, dass der fragliche Austausch, an dem er beteiligt war, Teil einer einheitlichen Zuwiderhandlung war, an der andere Banken beteiligt waren und mit der bezweckt wurde, die im Rahmen der EIRD geschuldeten Cashflows durch abgestimmte Maßnahmen zur Manipulation des Euribor-Zinssatzes zu beeinflussen, und dass er bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen.

Zum dritten Gesichtspunkt stellt das Gericht fest, dass der Händler von JP Morgan gemeinsam mit den Händlern der anderen Banken an den kollusiven Verhaltensweisen beteiligt war und somit durch sein eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte.

Nachdem das Gericht somit die Feststellung der vorgeworfenen Zuwiderhandlung und ihre Einstufung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bestätigt hat und den Antrag auf Nichtigerklärung, soweit er diese Feststellung im angefochtenen Beschluss betraf, zurückgewiesen hat, gibt es hingegen dem Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses, soweit JP Morgan damit eine Geldbuße auferlegt wurde, mit der Begründung statt, dass die Kommission ihre Begründungspflicht in Bezug auf die Festsetzung der Höhe dieser Geldbuße verletzt hat.

Die Kommission hat zwar keinen Beurteilungsfehler begangen, indem sie sich bei der Festsetzung der Höhe der gegen JP Morgan verhängten Geldbuße auf die abgezinsten Bareinnahmen als Ersatzwert für den Umsatz gestützt hat, doch hat sie nicht hinreichend erläutert, warum der auf diese Einnahmen angewandte Abzinsungsfaktor auf 98,849 % festgesetzt wurde. Da die Kommission im Übrigen nicht dargetan hat, dass es ihr praktisch unmöglich gewesen sei, den angefochtenen Beschluss in diesem Punkt rechtlich hinreichend zu begründen, kann auch die insoweit im Änderungsbeschluss vorgenommene Ergänzung der Begründung, mit der der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses nicht geändert wird, nicht akzeptiert werden.

Schließlich prüft das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung den Antrag von JP Morgan auf Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße.

Unter Betonung der Tatsache, dass die Festsetzung einer Geldbuße kraft seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung kein streng mathematischer Vorgang ist, verwendet das Gericht entsprechend der Vorgehensweise der Kommission den Wert der abgezinsten Bareinnahmen als Ausgangspunkt für die Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße, da dieser Wert die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des Unternehmens bei der Zuwiderhandlung widerspiegelt. Zur Ermittlung des Abzinsungsfaktors – dessen Anwendung erforderlich ist, um die Verhängung einer übermäßig abschreckenden Geldbuße zu vermeiden – weist das Gericht darauf hin, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass sich dieser Faktor auf mindestens 98,849 % beläuft.

Zur Schwere der Zuwiderhandlung stellt das Gericht fest, dass die in Rede stehenden Verhaltensweisen, soweit sie die für die Bestimmung der EIRD-Preise maßgeblichen Faktoren betrafen, ihrer Natur nach zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsbeschränkungen gehören. Zudem sind diese Verhaltensweisen insofern besonders schwerwiegend und schädlich, als sie nicht nur den Wettbewerb auf dem EIRD-Markt verfälschen, sondern auch, allgemeiner, das Vertrauen in das Bankensystem und die Finanzmärkte insgesamt sowie ihre Glaubwürdigkeit beeinträchtigen können.

Zu den mildernden Umständen stellt das Gericht fest, dass JP Morgan bei der Zuwiderhandlung zwar eine weniger wichtige Rolle gespielt hat als die Hauptakteure. Der Austausch, an dem JP Morgan beteiligt war, ist jedoch durch besondere Häufigkeit und Regelmäßigkeit gekennzeichnet, und ihre Beteiligung an den rechtswidrigen Verhaltensweisen erfolgte vorsätzlich. Darüber hinaus sind diese Verhaltensweisen besonders schwerwiegend. Folglich können die festgestellten mildernden Umstände nur eine geringe Auswirkung haben.

Im Ergebnis hält es das Gericht bei angemessener Würdigung der Umstände des vorliegenden Falles für geboten, die Geldbuße auf 337 196 000 Euro festzusetzen.

Nach alledem erklärt das Gericht den angefochtenen Beschluss für nichtig, soweit damit eine Geldbuße gegen JP Morgan verhängt wird, setzt die Geldbuße auf denselben Betrag fest wie die Kommission, nämlich 337 196 000 Euro, und weist die Klage im Übrigen ab.


1      Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101] und [102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18) in geänderter Fassung.


2      Beschluss C(2013) 8512 final der Kommission in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39914, Euro Interest Rate Derivative [EIRD] [Settlement]) (im Folgenden: Vergleichsbeschluss).


3      Beschluss C(2016) 8530 final der Kommission vom 7. Dezember 2016 in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39914 – Euro-Zinsderivate [EIRD]) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).


4      Beschluss C(2021) 4610 final der Kommission vom 28. Juni 2021 zur Änderung des angefochtenen Beschlusses.


5      Urteil vom 24. September 2019, HSBC Holdings u. a./Kommission (T‑105/17, EU:T:2019:675). Dieses Urteil wurde durch das Urteil des Gerichtshofs vom 12. Januar 2023, HSBC Holdings u. a./Kommission (C‑883/19 P, EU:C:2023:11), teilweise aufgehoben.