Language of document : ECLI:EU:T:2022:603

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

5. Oktober 2022(*)

„Öffentlicher Dienst – Bedienstete auf Zeit – Krankheitsurlaub – Unbefugtes Fernbleiben vom Dienst – Fristlose Kündigung des Vertrags – Art. 16 BBSB – Art. 48 Buchst. b BBSB – Haftung“

In der Rechtssache T‑618/21,

WV, vertreten durch Rechtsanwältinnen L. Levi und A. Champetier,

Kläger,

gegen

Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der Europäischen Union (CdT), vertreten durch M. Garnier als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. da Silva Passos sowie der Richter L. Truchot (Berichterstatter) und M. Sampol Pucurull,

Kanzler: I. Kurme, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2022

folgendes

Urteil

1        Mit seiner Klage nach Art. 270 AEUV beantragt der Kläger, WV, zum einen die Aufhebung der Entscheidung des Übersetzungszentrums für die Einrichtungen der Europäischen Union (CdT) vom 26. November 2020, mit der sein Beschäftigungsverhältnis auf unbestimmte Dauer fristlos gekündigt wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), sowie, soweit erforderlich, der Entscheidung vom 17. Juni 2021, mit der seine Beschwerde zurückgewiesen wurde (im Folgenden: Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde) und zum anderen Ersatz des Schadens, der ihm durch diese Entscheidungen entstanden sein soll.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Der Kläger wurde am 1. November 1997 vom CdT eingestellt. Am 16. Dezember 2004 unterschrieb er einen unbefristeten Vertrag. Vom 23. Juli 2019 bis zum 15. November 2019 befand sich der Kläger im bezahlten Krankheitsurlaub. Seine Abwesenheit vom 18. November 2019 bis zum 7. Februar 2020 wurde vom CdT als unbefugtes Fernbleiben vom Dienst erachtet. Seine Abwesenheiten vom 8. Februar bis zum 10. April 2020 und vom 29. April bis zum 4. Mai 2020 wurde vom CdT hingegen als gerechtfertigtes Fernbleiben vom Dienst akzeptiert. Ab dem 5. Mai 2020 wurde die Abwesenheit des Klägers als unbefugtes Fernbleiben vom Dienst erachtet.

3        Nach einer Telekonsultation, die am 4. Mai 2020 zwischen dem Kläger und dem vom CdT beauftragten medizinischen Dienst der Europäischen Kommission stattfand, kam der medizinische Dienst zu dem Ergebnis, dass der Kläger seine Tätigkeit für einen Monat ab dem 5. Mai 2020 halbtags wiederaufnehmen könne. Der medizinische Dienst informierte den Kläger, dass er die Stellungnahme eines unabhängigen Arztes beantragen könne. Am darauffolgenden Tag stellte der Kläger gemäß Art. 59 Abs. 1 Unterabs. 5 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) einen solchen Antrag.

4        Da der Kläger zu den verschiedenen für die Zwecke der Stellungnahme anberaumten Gesprächen nicht erschienen war, bestätigte der unabhängige Arzt die Entscheidung des medizinischen Dienstes der Kommission. Das CdT vertrat daher die Auffassung, dass der Kläger ab dem 5. Mai 2020 unbefugt vom Dienst ferngeblieben sei. Der Kläger wurde darüber mit Schreiben des Direktors des CdT vom 31. Juli 2020 informiert.

5        Mit Schreiben vom 10. August 2020 beantragte die Rechtsanwältin des Klägers seine Invalidisierung. Sie erklärte, dass unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands des Klägers mit der Wiederherstellung einer normalen Situation in naher Zukunft nicht zu rechnen sei.

6        Mit Schreiben vom 14. September 2020 wies der Direktor des CdT den Antrag auf Invalidisierung des Klägers zurück. Der Kläger wurde auch darüber informiert, dass das CdT unter Berücksichtigung insbesondere seines unbefugten Fernbleibens vom Dienst seit dem 5. Mai 2020, seiner Erklärung, dass er nicht in der Lage sei, seine Tätigkeit wiederaufzunehmen, seiner unterbliebenen Beantwortung der drei zwischen dem 7. Mai und dem 7. August 2020 abgesandten Schreiben des CdT und des dienstlichen Interesses erwäge, sein Beschäftigungsverhältnis gemäß Art. 48 Buchst. b der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union (im Folgenden: BBSB) zu kündigen. Das CdT forderte ihn zur Stellungnahme auf.

7        Mit Schreiben vom 14. Oktober 2020 übermittelte die Rechtsanwältin des Klägers unter Bezug auf das Schreiben des Direktors des CdT vom 14. September 2020 dem CdT die Stellungnahme des Klägers zu einer etwaigen Anwendung von Art. 48 Buchst. b BBSB.

8        Am 26. November 2020 wurde auf der Grundlage von Art. 48 Buchst. b BBSB die angefochtene Entscheidung erlassen, mit der das Beschäftigungsverhältnis des Klägers ab dem 31. Dezember 2020 fristlos gekündigt wurde.

9        Am 26. Februar 2021 legte der Kläger Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung ein.

10      Am 17. Juni 2021 wies der Direktor des CdT die Beschwerde zurück.

 Anträge der Parteien

11      Der Kläger beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        soweit erforderlich, die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde aufzuheben;

–        das CdT zum Ersatz des erlittenen materiellen Schadens und zur Zahlung von 15 000 Euro als Ersatz des erlittenen immateriellen Schadens zu verurteilen;

–        dem CdT die Kosten aufzuerlegen.

12      Das CdT beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

13      Der Kläger stellt Anträge auf Aufhebung und auf Schadensersatz.

 Zum Aufhebungsantrag

14      Der Kläger beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und, soweit erforderlich, der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde.

15      In Bezug auf den Antrag des Klägers, soweit erforderlich, die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde aufzuheben, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Aufhebungsantrag, der formal gegen die Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde gerichtet ist, in dem Fall, dass dieser Antrag keinen eigenständigen Gehalt hat, bewirkt, dass das Gericht mit der Maßnahme befasst wird, gegen die die Beschwerde gerichtet war (vgl. Urteil vom 14. Juli 2021, AQ/eu-LISA, T‑164/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:456, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16      Da im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde die angefochtene Entscheidung, mit der das Beschäftigungsverhältnis des Klägers fristlos gekündigt wurde, lediglich bestätigt, hat der Antrag auf Aufhebung der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde keinen eigenständigen Gehalt. Es ist daher nicht eigens über ihn zu entscheiden, auch wenn bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung die Begründung in der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde zu berücksichtigen ist, da davon auszugehen ist, dass diese Begründung mit derjenigen der angefochtenen Entscheidung übereinstimmt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2021, AQ/eu-LISA, T‑164/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:456, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Zur Stützung seines Aufhebungsantrags macht der Kläger drei Klagegründe geltend: Mit dem ersten wird geltend gemacht, die Rechtsgrundlage der Entscheidung über die Kündigung des streitigen Beschäftigungsverhältnisses sei fehlerhaft. Mit dem zweiten Klagegrund wird gerügt, dass das CdT nicht den Invaliditätsausschuss angerufen habe, dass das CdT das streitige Beschäftigungsverhältnis gekündigt habe, ohne alle maßgeblichen Gesichtspunkte und Umstände mit den Interessen des Klägers abzuwägen, und dass die Begründung widersprüchlich sei. Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstoß gegen das Recht auf Anhörung gerügt.

18      Im Rahmen seines ersten Klagegrundes trägt der Kläger vor, die Entscheidung über die Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses könne nicht auf Art. 48 Buchst. b BBSB gestützt werden, da er sich zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung nicht im bezahlten Krankheitsurlaub befunden habe, sondern nach Auffassung des CdT dem Dienst unbefugt ferngeblieben sei, so dass zum Zeitpunkt der Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses der bezahlte Krankheitsurlaub gemäß Art. 16 BBSB, auf den Art. 48 Buchst. b BBSB verweise, nicht abgelaufen gewesen sei.

19      Angenommen, der Kläger habe sich zum Zeitpunkt der Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses im bezahlten Krankheitsurlaub im Sinne von Art. 16 BBSB befunden, seien darüber hinaus die in dieser Vorschrift und in Art. 48 Buchst. b BBSB vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen. Da der Kläger 22 Jahre beim CdT gearbeitet habe, habe die Dauer seines bezahlten Krankheitsurlaubs nämlich der Dauer seiner Dienstzeit entsprechen müssen, und sein Beschäftigungsverhältnis könne vor dem Ablauf dieser Frist nicht gemäß Art. 48 Buchst. b BBSB beendet werden.

20      Der Kläger fügt hinzu, dass das CdT, wenn es ihn habe sanktionieren wollen, ein Disziplinarverfahren gegen ihn hätte einleiten müssen, anstatt Art. 16 und Art. 48 Buchst. b BBSB anzuwenden.

21      Das CdT trägt vor, dass es das Fernbleiben des Klägers vom Dienst ab dem 5. Mai 2020 für unbefugt erachtet habe und dass der Kläger wiederholt geltend gemacht habe, sein Gesundheitszustand erlaube ihm nicht, seine Tätigkeit wiederaufzunehmen.

22      Der Kläger habe seine Ansprüche auf Krankheitsurlaub ausgeschöpft, da, wie aus Art. 59 des Statuts, auf den Art. 16 BBSB verweise, hervorgehe, nur Zeiträume befugten Fernbleibens vom Dienst einen Anspruch auf Krankheitsurlaub begründen könnten. Somit sei der bezahlte Krankheitsurlaub des Klägers abgelaufen gewesen.

23      Trotz der in Art. 16 BBSB vorgesehenen Fristen für das Ende des Anspruchs auf Krankheitsurlaub habe der Kläger nämlich durch sein eigenes Verhalten seine sich aus dieser Bestimmung ergebenden Ansprüche ausgeschöpft, da sein Fernbleiben vom Dienst nicht mehr gerechtfertigt gewesen sei. Da sein Fernbleiben vom Dienst gerade keinen Anspruch auf Krankheitsurlaub mehr eröffnet habe, könne der Kläger nicht geltend machen, dass sein Anspruch erst am Ende des der Dauer seiner Dienstzeit entsprechenden Zeitraums von 22 Jahren hätte erlöschen müssen.

24      Das CdT macht außerdem geltend, da der bezahlte Krankheitsurlaub des Klägers abgelaufen sei, was eine Voraussetzung für das Ende des Anspruchs darstelle, könne die Anwendung von Art. 48 Buchst. b BBSB nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung nicht im bezahlten Krankheitsurlaub gewesen sei. Zudem sei der lange Zeitraum zwischen dem Beginn des unbefugten Fernbleibens des Klägers vom Dienst am 5. Mai 2020 und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung durch die verschiedenen Schritte des Stellungnahmeverfahrens und durch das Bemühen des CdT gerechtfertigt, dem Kläger mehr Zeit für die Vorlage seiner Stellungnahme einzuräumen.

25      Schließlich hebt das CdT hervor, dass es in Anwendung der Fürsorgepflicht dem Kläger mehrfach die Bereitschaft der Verwaltung zur Umsetzung von Maßnahmen mitgeteilt habe, die sowohl mit seinem Wohlbefinden als auch mit dem dienstlichen Interesse vereinbar seien. Die Bemühungen des CdT seien jedoch von Seiten des Klägers unbeantwortet geblieben, der somit seiner Mitwirkungspflicht gegenüber dem CdT nicht nachgekommen sei.

26      Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes ist zu prüfen, ob das CdT unter den Umständen des vorliegenden Falles die angefochtene Entscheidung auf Art. 48 Buchst. b BBSB stützen konnte, um das Beschäftigungsverhältnis des Klägers zu kündigen.

27      Gemäß Art. 48 Buchst. b BBSB können „[d]as Beschäftigungsverhältnis auf bestimmte Dauer und das Beschäftigungsverhältnis auf unbestimmte Dauer … durch das Organ fristlos gekündigt werden: … wenn der Bedienstete seine Tätigkeit nach Ablauf eines nach Artikel 16 [BBSB] gewährten bezahlten Krankheitsurlaubs nicht wiederaufnehmen kann.“

28      Art. 16 Abs. 2 BBSB bestimmt, dass „[d]er bezahlte Krankheitsurlaub nach Artikel 59 des Statuts … drei Monate oder die Dauer der von dem Bediensteten abgeleisteten Dienstzeit [nicht übersteigt], sofern diese länger ist[, und] nicht über die Laufzeit des Vertrags des Bediensteten hinaus andauern [kann].“

29      Aus Art. 16 Abs. 2 und Art. 48 Buchst. b BBSB geht somit hervor, dass das vertragliche Beschäftigungsverhältnis eines Bediensteten gekündigt werden kann, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich dass der bezahlte Krankheitsurlaub abgelaufen ist und es dem Bediensteten unmöglich ist, danach seine Tätigkeit wiederaufzunehmen (Urteil vom 11. Juni 2019, TO/EUA, T‑462/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:397, Rn. 56).

30      In Bezug auf die erste Voraussetzung (Ablauf des bezahlten Krankheitsurlaubs) ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem in Art. 48 Buchst. b BBSB genannten bezahlten Krankheitsurlaub, nach dessen Ablauf beurteilt werden muss, ob der Bedienstete seine Tätigkeit wiederaufnehmen kann, und, wenn er dies nicht kann, sein Beschäftigungsverhältnis gekündigt werden kann, um den Krankheitsurlaub im Sinne von Art. 16 Abs. 2 BBSB handelt.

31      Aus Art. 48 Buchst. b in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 BBSB geht hervor, dass das Beschäftigungsverhältnis eines Bediensteten nach Ablauf seines bezahlten Krankheitsurlaubs fristlos gekündigt werden kann, wenn dieser Krankheitsurlaub entweder drei Monate oder die Dauer der von dem Bediensteten abgeleisteten Dienstzeit übersteigt, sofern diese länger ist.

32      Für die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers auf der Grundlage von Art. 48 Buchst. b BBSB musste das CdT somit prüfen, ob diese Voraussetzung erfüllt war.

33      In der angefochtenen Entscheidung, ergänzt durch die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde, hat das CdT jedoch ausgeführt, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, nach Ablauf seines bezahlten Krankheitsurlaubs seine Tätigkeit wiederaufzunehmen, und festgestellt, dass er, da er nicht mehr gerechtfertigt vom Dienst ferngeblieben sei, seine sich aus Art. 16 BBSB ergebenden Ansprüche auf bezahlten Krankheitsurlaub ausgeschöpft habe, weil nur Zeiträume gerechtfertigten Fernbleibens vom Dienst einen solchen Anspruch eröffnen könnten, wie sich aus Art. 59 des Statuts ergebe, auf den Art. 16 BBSB verweise. Das CdT hat daraus geschlossen, dass der Kläger durch sein Verhalten den „Anspruch erst recht zum Erlöschen gebracht“ habe. Unter diesen Umständen habe der Kläger – dessen Fernbleiben vom Dienst gerade keinen Anspruch auf Krankheitsurlaub mehr eröffnet habe – nicht geltend machen können, dass der Anspruch am Ende des der Dauer seiner Dienstzeit entsprechenden Zeitraums von 22 Jahren hätte erlöschen müssen.

34      Der angefochtenen Entscheidung ist im Licht der ergänzenden Klarstellungen in der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde zu entnehmen, dass das CdT der Auffassung war, die fehlende Begründung für das Fernbleiben des Klägers vom Dienst zu dem Zeitpunkt, in dem über die Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers entschieden wurde, berechtige es zu dieser Kündigung, weil dieses unbefugte Fernbleiben vom Dienst die Ansprüche des Klägers auf bezahlten Krankheitsurlaub beendet und diese damit zum Erlöschen gebracht habe. Das CdT hat daher die Auffassung vertreten, dass das unbefugte Fernbleiben des Klägers vom Dienst, das seinen Anspruch auf bezahlten Krankheitsurlaub zum Erlöschen gebracht habe, es davon entbunden habe, die Voraussetzung des Ablaufs des dem Kläger zustehenden bezahlten Krankheitsurlaubs zu prüfen.

35      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Art. 48 Buchst. b BBSB, auf den die angefochtene Entscheidung gestützt ist, auf Art. 16 Abs. 2 BBSB verweist, der diese letztgenannte Voraussetzung festlegt, und festzustellen, dass keine dieser Vorschriften vorsieht, dass eine Entscheidung über eine fristlose Kündigung erlassen werden könnte, ohne dass zuvor geprüft wird, ob der bezahlte Krankheitsurlaub, der dem betreffenden Bediensteten gemäß den von Art. 16 Abs. 2 BBSB vorgesehenen Modalitäten zusteht, abgelaufen ist. Außerdem ergibt sich aus keiner dieser Bestimmungen und auch nicht aus Art. 59 des Statuts, in dem u. a. die rechtliche Regelung für den Krankheitsurlaub und unbefugtes Fernbleiben vom Dienst festgelegt ist, dass die Prüfung der in Art. 16 Abs. 2 BBSB vorgesehenen Voraussetzung des Ablaufs des bezahlten Krankheitsurlaubs im Fall eines unbefugten Fernbleibens vom Dienst im Zeitpunkt der streitigen Kündigung sowie davor durch die Feststellung dieses Fernbleibens ersetzt werden könnte. Daraus folgt, dass das CdT in der angefochtenen Entscheidung eine Voraussetzung unbefugten Fernbleibens vom Dienst angewendet hat, die in Art. 48 Buchst. b und Art. 16 Abs. 2 BBSB nicht vorgesehen ist.

36      Infolgedessen hat das CdT das Beschäftigungsverhältnis auf unbestimmte Dauer des Klägers gekündigt, ohne geprüft zu haben, ob die erste von diesen Bestimmungen festgelegte Voraussetzung erfüllt war.

37      In Bezug auf die zweite Voraussetzung (Unmöglichkeit für den Bediensteten, nach Ablauf des bezahlten Krankheitsurlaubs seine Tätigkeit wiederaufzunehmen) ist festzustellen, dass es in dem Schreiben der Rechtsanwältin des Klägers vom 10. August 2020 an das CdT heißt, dass „die [vom Kläger] konsultierten Ärzte – sowohl sein behandelnder Arzt als auch sein Psychiater – in naher Zukunft nicht mit der Wiederherstellung einer normalen Situation rechne[te]n“. In demselben Schreiben beantragte die Rechtsanwältin des Klägers außerdem dessen Invalidisierung.

38      Des Weiteren heißt es in dem Schreiben der Rechtsanwältin des Klägers vom 14. Oktober 2020 an das CdT, dass der vom Kläger konsultierte Facharzt „mit mehreren Attesten ebenfalls bestätigt hat, dass der Zustand [des Klägers] ihm nicht erlaubt, seine Tätigkeit wiederaufzunehmen“.

39      Aus diesen Schreiben geht hervor, dass der Kläger anerkannt hat, dass es ihm unmöglich war, seine Tätigkeit wiederaufzunehmen, was das CdT in der angefochtenen Entscheidung dadurch berücksichtigt hat, dass es den Inhalt dieser Schreiben übernommen hat.

40      Da jedoch der Zeitpunkt, zu dem diese Unmöglichkeit gemäß Art. 48 Buchst. b BBSB festgestellt werden musste, nach dem für den bezahlten Krankheitsurlaub festgelegten Zeitraum liegt, der, wie oben in Rn. 36 festgestellt, vom CdT nicht geprüft wurde, kann die zweite Voraussetzung nicht als erfüllt angesehen werden.

41      Daher ist festzustellen, dass das CdT mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung gegen Art. 48 Buchst. b und Art. 16 Abs. 2 BBSB verstoßen hat.

42      Nach alledem ist dem ersten Klagegrund stattzugeben. Infolgedessen ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben, ohne dass der zweite und der dritte Klagegrund geprüft zu werden brauchen.

 Zum Antrag auf Schadensersatz

43      Der Kläger beantragt Ersatz des materiellen und des immateriellen Schadens, der ihm entstanden sein soll.

44      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Europäische Union im Bereich des öffentlichen Dienstes verpflichtet ist, die durch ihre Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen oder die durch ihre Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schäden zu ersetzen. Nach ständiger Rechtsprechung hängt die Haftung der Union in diesem Bereich von der Erfüllung mehrerer Voraussetzungen ab, nämlich davon, dass das dem Organ, der Einrichtung oder sonstigen Stelle vorgeworfene Verhalten rechtswidrig war, dass tatsächlich ein Schaden eingetreten ist und dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden besteht. Diese drei Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, was bedeutet, dass eine Haftung der Union ausscheidet, wenn eine von ihnen nicht vorliegt (vgl. Urteil vom 14. Juli 2021, AQ/eu-LISA, T‑164/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:456, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      In Bezug auf die Voraussetzung, dass das der Verwaltung vorgeworfene Verhalten rechtswidrig sein muss, ist darauf hinzuweisen, dass die Union nach der Rechtsprechung, wenn sie als Arbeitgeberin auftritt, einer verschärften Haftung unterliegt, die sich in der Verpflichtung manifestiert, die Schäden zu ersetzen, die ihrem Personal durch jede Rechtswidrigkeit entstanden sind, die sie als Arbeitgeberin begangen hat (vgl. Urteil vom 14. Juli 2021, AQ/eu-LISA, T‑164/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:456, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Gemäß der Voraussetzung des tatsächlichen Vorliegens eines Schadens kann die Haftung der Union nur ausgelöst werden, wenn der Kläger einen tatsächlichen und sicheren Schaden erlitten hat. Der Kläger hat den Unionsgerichten die Beweise zum Nachweis des Vorliegens und des Umfangs eines solchen Schadens vorzulegen (vgl. Urteil vom 14. Juli 2021, AQ/eu-LISA, T‑164/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:456, Rn. 99 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Was die für die Auslösung der Haftung der Union verlangte Voraussetzung eines ursächlichen Zusammenhangs betrifft, ist es erforderlich, dass ein unmittelbarer und sicherer ursächlicher Zusammenhang zwischen der von dem Unionsorgan begangenen Rechtswidrigkeit und dem geltend gemachten Schaden besteht. Das vorgeworfene Verhalten muss somit die ausschlaggebende Ursache für den behaupteten Schaden sein (vgl. Urteil vom 14. Juli 2021, AQ/eu-LISA, T‑164/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:456, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Die Rügen des Klägers zur Stützung seines Antrags auf Schadensersatz sind in Anbetracht dieser Erwägungen zu prüfen.

 Zum materiellen Schaden

49      Zur Stützung seines Antrags auf Schadensersatz beantragt der Kläger die Zahlung seiner Dienstbezüge ab dem Wirksamwerden der Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses am 31. Dezember 2020 bis zum Zeitpunkt der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

50      Aufgrund seines Gesundheitszustandes beantrage er nicht, seine Tätigkeit wiederaufzunehmen, sondern verlange die Einleitung des Invalidisierungsverfahrens.

51      Das CdT trägt zum einen vor, dass die Voraussetzungen für die Auslösung der Haftung der Union nicht vorlägen, und zum anderen, dass der Antrag auf Einleitung eines Invalidisierungsverfahrens darauf hinauslaufe, vom Gericht zu verlangen, ihm eine Anweisung zu erteilen, was das Gericht nicht tun dürfe.

52      In Bezug auf die Voraussetzung des tatsächlichen Vorliegens des Schadens ist zu ermitteln, ob dem Kläger dadurch, dass das CdT das Beschäftigungsverhältnis des Klägers rechtswidrig gekündigt hat, ein Verdienstausfall entstanden ist, der dem Betrag der Dienstbezüge entspricht, der ihm seit dem 31. Dezember 2020, dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses, vorenthalten wurde.

53      Hierzu ist festzustellen, dass der Kläger seit dem 5. Mai 2020 unbefugt dem Dienst ferngeblieben war, was er nicht bestreitet. Seit diesem Zeitpunkt erhielt er somit keine Dienstbezüge. Daraus folgt, dass das tatsächliche Vorliegen des vom Kläger geltend gemachten Schadens nicht nachgewiesen ist.

54      Infolgedessen ist in Anbetracht seines unbefugten Fernbleibens vom Dienst, wodurch er ab dem 5. Mai 2020 keine Dienstbezüge erhielt, der Antrag auf Ersatz des materiellen Schadens zurückzuweisen, der dem Kläger seit dem 31. Dezember 2020, dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses, entstanden sein soll.

55      In Bezug auf den Antrag, ein Invalidisierungsverfahren einzuleiten, ist festzustellen, dass der Antrag des Klägers darauf hinausläuft, vom Gericht zu verlangen, dem CdT eine Weisung zu erteilen. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Gericht im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle nicht befugt, der Verwaltung Weisungen zu erteilen (vgl. Urteil vom 2. Februar 2022, LU/EIB, T‑536/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:40, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Dieser Antrag ist daher zurückzuweisen.

 Zum immateriellen Schaden

57      Der Kläger verlangt Ersatz seines immateriellen Schadens, der sich aus der Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses durch die angefochtene Entscheidung ohne Einleitung eines Invalidisierungsverfahrens ergebe und den er auf 15 000 Euro beziffert. Durch den Erlass der angefochtenen Entscheidung habe das CdT, dem sein Gesundheitszustand bekannt gewesen sei, seinen depressiven Zustand und seine Angstzustände verschlimmert.

58      Das CdT tritt diesem Vorbringen entgegen.

59      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Aufhebung einer rechtswidrigen Maßnahme als solche eine angemessene und grundsätzlich hinreichende Wiedergutmachung für den gesamten immateriellen Schaden sein kann, den diese Maßnahme möglicherweise verursacht hat, es sei denn, der Kläger weist nach, einen immateriellen Schaden erlitten zu haben, der durch diese Aufhebung nicht vollständig wiedergutgemacht werden kann (vgl. Urteil vom 14. Juli 2021, AQ/eu-LISA, T‑164/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:456, Rn. 130 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Im vorliegenden Fall legt der Kläger nicht dar, dass der behauptete immaterielle Schaden durch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, auf die er zurückgehe, nicht vollständig wiedergutgemacht werden könnte. Daher ist davon auszugehen, dass der durch die angefochtene Entscheidung verursachte Schaden durch ihre Aufhebung angemessen wiedergutgemacht wird.

61      Der Antrag auf Ersatz des geltend gemachten immateriellen Schadens ist daher zurückzuweisen, ohne dass der ursächliche Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit und diesem Schaden geprüft zu werden braucht.

62      Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Klage im Übrigen abzuweisen.

 Kosten

63      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

64      Da das CdT unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag des Klägers die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung vom 26. November 2020, mit der der Direktor des Übersetzungszentrums für die Einrichtungen der Europäischen Union (CdT) das Beschäftigungsverhältnis von WV als Bedienstetem auf Zeit gekündigt hat, wird aufgehoben.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Das CdT trägt die Kosten.

da Silva Passos

Truchot

Sampol Pucurull

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. Oktober 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.