Language of document : ECLI:EU:T:2007:298

Verbundene Rechtssachen T-8/95 und T-9/95

Wilhelm Pelle und Ernst-Reinhard Konrad

gegen

Rat der Europäischen Union und Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Außervertragliche Haftung – Milch – Zusatzabgabe – Referenzmenge – Verordnung (EWG) Nr. 2187/93 – Entschädigung der Erzeuger – Unterbrechung der Verjährung “

Leitsätze des Urteils

1.      Schadensersatzklage – Verjährungsfrist – Beginn

(Art. 235 EG und 288 Abs. 2 EG; EG-Satzung des Gerichtshofs, Art. 43 [jetzt Art. 46 der Satzung des Gerichtshofs]; Verordnungen Nrn. 1078/77 und 857/84 des Rates)

2.       Schadensersatzklage – Verjährungsfrist – Unterbrechung

(Art. 230 EG und 232 EG; EG-Satzung des Gerichtshofs, Art. 43 [jetzt Art. 46 der Satzung des Gerichtshofs]; Verordnungen Nrn. 1078/77, 857/84 und 2187/93 des Rates; Mitteilung 92/C 198/04 des Rates und der Kommission)

3.      Verfahren – Klagefristen – Ausschlusswirkung

1.      Die Verjährungsfrist des Art. 43 der EG-Satzung des Gerichtshofs (jetzt Art. 46 der Satzung des Gerichtshofs) für Klagen gegen die Gemeinschaften aus außervertraglicher Haftung beginnt nicht zu laufen, bevor alle Voraussetzungen, von denen die Ersatzpflicht abhängt, erfüllt sind, und insbesondere – in Fällen, in denen die Haftung auf einen Rechtsetzungsakt zurückgeht – nicht vor Eintritt der Schadensfolgen dieses Aktes, wobei diese Voraussetzungen ein rechtswidriges Verhalten der Gemeinschaftsorgane, ein tatsächlicher Schaden und ein Kausalzusammenhang zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden sind.

Der Schaden, der dadurch entstanden ist, dass ein Milcherzeuger keine Referenzmenge verwerten konnte, ist von dem Tag an eingetreten, an dem dieser Erzeuger nach Ablauf seiner gemäß der Verordnung Nr. 1078/77 eingegangenen Nichtvermarktungsverpflichtung die Milchlieferungen, ohne die Zusatzabgabe entrichten zu müssen, hätte wiederaufnehmen können, wenn ihm die Referenzmenge nicht verweigert worden wäre. An diesem Tag waren daher die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegen die Gemeinschaften erfüllt.

(vgl. Randnrn. 61-62)

2.      Nach Art. 43 der EG-Satzung des Gerichtshofs (jetzt Art. 46 der Satzung des Gerichtshofs) wird die Verjährung durch Einreichung einer Klageschrift bei einem Gericht der Gemeinschaften oder durch vorherige Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem zuständigen Organ der Gemeinschaft unterbrochen, wobei im letzteren Fall die Unterbrechung jedoch nur dann eintritt, wenn nach der Geltendmachung innerhalb der je nach Falllage maßgebenden Frist des Art. 230 EG oder des Art. 232 EG Klage erhoben wird.

Die Mitteilung des Rates und der Kommission betreffend den späteren Erlass der Verordnung Nr. 2187/93 über das Angebot einer Entschädigung an die betroffenen Erzeuger, mit der sich die Organe gegenüber bestimmten Erzeugern verpflichteten, auf die Einrede der Verjährung gemäß Art. 43 bis zu dem Zeitpunkt zu verzichten, zu dem die praktischen Modalitäten der Entschädigung der betroffenen Erzeuger festgelegt sein würden, hat keine neue Verjährungsfrist von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Ablaufs dieser Selbstbeschränkung in Gang gesetzt. Dennoch haben dieser Verzicht und der vorausgegangene Schriftwechsel aufgrund der vorher geltend gemachten Entschädigungsansprüche Einfluss auf die Berechnung der Verjährungsfrist. Die Unterbrechung der Verjährung aufgrund des einseitigen Verzichts der Organe in der erwähnten Mitteilung und gegebenenfalls auch in einem vorherigen Schriftwechsel, sich auf Verjährung zu berufen, bleibt unabhängig davon erhalten, zu welchem Zeitpunkt der Kläger Klage beim Gericht eingereicht hat.

Die aus dem einseitigen Verzicht der Organe auf Berufung auf die Verjährung resultierende Vergünstigung beschränkt sich nicht auf die Kategorie von Milcherzeugern, die keinen Antrag im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2187/93 eingereicht hatten. Das Vorhandensein oder das Fehlen eines solchen Antrags ist nur erheblich für die Bestimmung des letzten Tags der sich aus diesem Verzicht ergebenden Unterbrechung der Verjährungsfrist, die unterschiedlich ist, je nachdem, ob dieser Antrag vorliegt oder nicht.

(vgl. Randnrn. 67, 69, 71-73, 76)

3.      Im Rahmen der gemeinschaftlichen Regelung der Klagefristen ist der Begriff des entschuldbaren Irrtums eng auszulegen und kann sich nur auf Ausnahmefälle beziehen, insbesondere auf solche, in denen die betreffenden Organe ein Verhalten gezeigt haben, das für sich allein schon oder in entscheidendem Maß geeignet war, bei einem gutgläubigen Rechtsbürger, der alle Sorgfalt an den Tag legt, die von einem normal informierten Wirtschaftsteilnehmer verlangt wird, eine Verwirrung hervorzurufen, die in den Grenzen dessen liegt, was hingenommen werden kann. In einem solchen Fall kann sich nämlich die Verwaltung nicht auf ihren eigenen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes berufen, der für den Irrtum des Rechtsbürgers ursächlich war.

(vgl. Randnr. 93)