Language of document : ECLI:EU:C:2023:873

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

16. November 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 – Ausschließliche Zuständigkeiten – Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 – Rechtsstreitigkeiten über die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen – Zwischen einer Privatperson und einem Tourismusunternehmen, das einen Ferienpark betreibt, geschlossener Vertrag über die kurzzeitige Gebrauchsüberlassung eines Bungalows in diesem Ferienpark“

In der Rechtssache C‑497/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 8. Juli 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juli 2022, in dem Verfahren

EM

gegen

Roompot Service BV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin), der Richter J.‑C. Bonichot und S. Rodin sowie der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von EM, vertreten durch Rechtsanwalt V. Gensch,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Kienapfel und S. Noë als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Juni 2023

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen EM, die ihren Wohnsitz in Deutschland hat, und der Roompot Service BV, einem Tourismusunternehmen mit Sitz in den Niederlanden, über die Rückzahlung des von dieser Privatperson für die kurzzeitige Gebrauchsüberlassung eines Bungalows in einem von dem genannten Unternehmen betriebenen Ferienpark gezahlten Preises zuzüglich Zinsen und Kosten.

 Rechtlicher Rahmen

3        In den Erwägungsgründen 15, 16 und 34 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:

„(15)      Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. Diese Zuständigkeit sollte stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. …

(16)      Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten sollte durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind. Das Erfordernis der engen Verbindung soll Rechtssicherheit schaffen und verhindern, dass die Gegenpartei vor einem Gericht eines Mitgliedstaats verklagt werden kann, mit dem sie vernünftigerweise nicht rechnen konnte. …

(34)      Um die Kontinuität zwischen dem [am 27. September 1968 in Brüssel unterzeichneten] Übereinkommen [über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32)], der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 [des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1)] und dieser Verordnung zu wahren, sollten Übergangsvorschriften vorgesehen werden. Dies gilt auch für die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens von 1968 und der es ersetzenden Verordnungen durch den Gerichtshof der Europäischen Union.“

4        Art. 4 Abs. 1 in Kapitel II Abschnitt 1 („Allgemeine Bestimmungen“) der Verordnung Nr. 1215/2012 lautet:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“

5        In Abschnitt 6 („Ausschließliche Zuständigkeiten“) des Kapitels II der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt ihr Art. 24:

„Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der Parteien sind folgende Gerichte eines Mitgliedstaats ausschließlich zuständig:

1.      für Verfahren, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.

Jedoch sind für Verfahren betreffend die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum vorübergehenden privaten Gebrauch für höchstens sechs aufeinander folgende Monate auch die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, sofern es sich bei dem Mieter oder Pächter um eine natürliche Person handelt und der Eigentümer sowie der Mieter oder Pächter ihren Wohnsitz in demselben Mitgliedstaat haben;

…“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

6        Am 23. Juni 2020 buchte EM über die Website von Roompot Service einen Bungalow im Wasserpark „Waterpark Zwartkruis“ in Noardburgum (Niederlande) für die Zeit vom 31. Dezember 2020 bis zum 4. Januar 2021 für eine Gruppe von neun Personen aus mehr als zwei verschiedenen Haushalten.

7        Die betreffende Buchung für einen Gesamtbetrag von 1 902,80 Euro, der von EM vollständig gezahlt wurde, schloss die Bereitstellung von Bettwäsche und die Endreinigung ein.

8        Der Wasserpark hat Bungalows, die direkt an einem See liegen, wobei jeder Bungalow über einen eigenen Bootssteg verfügt. Gegen Aufpreis können Boote und Kanus gemietet werden.

9        Roompot Service bestätigte EM vor der Anreise und auf deren Anfrage per E‑Mail, dass der Wasserpark trotz der Covid‑19-Pandemie im Buchungszeitraum geöffnet sei, EM sich dort aber aufgrund der geltenden niederländischen Vorschriften nur mit ihrer Familie und höchstens zwei Personen aus einem anderen Haushalt in einem Bungalow aufhalten dürfe. Roompot Service bot EM zudem an, ihren Aufenthalt auf einen späteren Zeitpunkt umzubuchen.

10      Da EM den betreffenden Aufenthalt nicht angetreten und das Umbuchungsangebot nicht wahrgenommen hatte, wurde ihr von Roompot Service ein Betrag von 300 Euro zurückgezahlt.

11      EM erhob beim Amtsgericht Neuss (Deutschland) eine Klage, die auf Rückzahlung des restlichen Preises, d. h. eines Betrags von 1 602,80 Euro, zuzüglich Zinsen und Kosten durch Roompot Service gerichtet war. Die Beklagte bestritt die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Entscheidung über eine solche Klage.

12      Mit Urteil vom 1. Oktober 2021 wies das Amtsgericht Neuss diese Klage als unbegründet ab.

13      EM legte gegen dieses Urteil beim Landgericht Düsseldorf (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, Berufung ein.

14      Dieses Gericht hegt Zweifel, ob nach Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 eine ausschließliche internationale Zuständigkeit der niederländischen Gerichte für das Ausgangsverfahren besteht.

15      Insoweit stellt das vorlegende Gericht fest, dass sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Anwendung von Art. 16 Nr. 1 des am 27. September 1968 in Brüssel unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der durch die aufeinander folgenden Übereinkommen über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen), der zu Art. 16 Nr. 1 Buchst. a dieses Übereinkommens wurde und dessen Inhalt im Wesentlichen in Art. 24 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 übernommen wurde, nämlich den Urteilen vom 15. Januar 1985, Rösler (241/83, EU:C:1985:6), vom 26. Februar 1992, Hacker (C‑280/90, EU:C:1992:92), und vom 27. Januar 2000, Dansommer (C‑8/98, EU:C:2000:45), ergebe, dass für Verträge über die Miete einer Ferienwohnung im Ausland grundsätzlich ausschließlich die Gerichte des Ortes zuständig seien, an dem die betreffende unbewegliche Sache belegen sei. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gelte nur dann, wenn es sich bei dem betreffenden Vertrag um einen gemischten Vertrag handele, d. h. einen Vertrag, bei dem gegen einen vom Kunden gezahlten Gesamtpreis eine Gesamtheit von Dienstleistungen zu erbringen sei.

16      Das vorlegende Gericht stellt klar, dass im vorliegenden Fall als weitere Dienstleistungen das Angebot diverser Bungalows mit unterschiedlicher Ausstattung auf der Internetseite der Beklagten des Ausgangsverfahrens, die Reservierung des Bungalows für den Kunden, dessen Empfang am Ort und die Schlüsselübergabe, die Bereitstellung von Bettwäsche und die Durchführung einer Endreinigung in Betracht kämen. Nach seinem Verständnis der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs müssten diese Dienstleistungen in der Gesamtschau dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrag das Gepräge eines gemischten Vertrags im Sinne dieser Rechtsprechung geben.

17      Nach in der deutschen juristischen Literatur zum Teil vertretener Ansicht hätten untergeordnete Nebenleistungen wie die Instandhaltung des betreffenden Objekts bzw. dessen Reinigung, die Bereitstellung von Bettwäsche oder der Empfang des Kunden am Ort „kein hinreichendes Gewicht“, so dass nicht sicher sei, dass Dienstleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden weiteren Dienstleistungen für die Annahme eines gemischten Vertrags nach dieser Rechtsprechung ausreichten.

18      Das vorlegende Gericht weist auch darauf hin, dass der Bundesgerichtshof (Deutschland) diese Rechtsprechung anders verstanden habe. Der Bundesgerichtshof vertrete die Auffassung, dass die Einstufung eines Vertrags im Hinblick auf Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 von der Frage abhänge, ob der gewerbliche Reiseveranstalter selbst verpflichtet sei, die Nutzung eines Ferienhauses zu überlassen, dessen Eigentümer er nicht sei. In einem solchen Fall sei diese Bestimmung nicht anwendbar. Trete der gewerbliche Reiseveranstalter hingegen lediglich als Vermittler eines mit dem Eigentümer dieser Wohnung geschlossenen Mietvertrags auf, sei diese Bestimmung anwendbar.

19      Unter diesen Umständen hat das Landgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin gehend auszulegen, dass für einen Vertrag zwischen einer Privatperson und einem gewerblichen Vermieter von Ferienwohnungen über die kurzzeitige Gebrauchsüberlassung eines Bungalows in einem von dem Vermieter betriebenen Ferienpark, welcher neben der reinen Gebrauchsüberlassung als weitere Dienstleistungen eine Endreinigung und die Bereitstellung von Bettwäsche vorsieht, unabhängig von dem Umstand, ob der Ferienbungalow im Eigentum des Vermieters oder im Eigentum eines Dritten steht, der ausschließliche Gerichtsstand der belegenen Mietsache gilt?

 Zur Vorlagefrage

20      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass ein Vertrag zwischen einer Privatperson und einem Tourismusunternehmen, mit dem das Unternehmen eine in einem von ihm betriebenen Ferienpark gelegene Ferienwohnung zum kurzzeitigen persönlichen Gebrauch zur Verfügung stellt und der über die Gebrauchsüberlassung dieser Wohnung hinaus die Erbringung einer Gesamtheit von Dienstleistungen gegen einen Gesamtpreis umfasst, unter die Wendung „Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen“ im Sinne dieser Bestimmung fällt.

21      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass, da die Verordnung Nr. 1215/2012 die Verordnung Nr. 44/2001 aufgehoben und ersetzt hat, die ihrerseits das Brüsseler Übereinkommen ersetzt hat, die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung der Bestimmungen eines dieser Rechtsinstrumente auch für die Bestimmungen der anderen Rechtsinstrumente gilt, soweit die betreffenden Bestimmungen als gleichwertig angesehen werden können (Urteil vom 20. Juni 2022, London Steam-Ship Owners’ Mutual Insurance Association, C‑700/20, EU:C:2022:488, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Dies trifft auf Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 zu. Diese Bestimmung entspricht nämlich Art. 16 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens, später Art. 16 Nr. 1 Buchst. a dieses Übereinkommens, und Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001. Die vom Gerichtshof in Bezug auf die letztgenannten Bestimmungen vorgenommene Auslegung gilt daher auch für die Auslegung dieses Art. 24.

23      Nach ständiger Rechtsprechung liegt der gemeinsamen Zuständigkeitsordnung in Kapitel II der Verordnung Nr. 1215/2012 die in Art. 4 Abs. 1 der Verordnung aufgestellte allgemeine Regel zugrunde, dass Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Parteien vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen sind (Urteil vom 25. März 2021, Obala i lučice, C‑307/19, EU:C:2021:236, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Nur als Ausnahme von dieser allgemeinen Regel sieht Kapitel II Abschnitt 6 der Verordnung Nr. 1215/2012 eine Reihe von Regeln über ausschließliche Zuständigkeiten vor, u. a. jene von Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 dieser Verordnung, der für Verfahren, welche die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, eine Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, begründet.

25      Wie der Gerichtshof entschieden hat, dürfen die Bestimmungen des Art. 24 Nr. 1 dieser Verordnung wegen ihres Ausnahmecharakters nicht weiter ausgelegt werden, als ihr Ziel es erfordert (Urteil vom 25. März 2021, Obala i lučice, C‑307/19, EU:C:2021:236, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Hinsichtlich des mit dieser Bestimmung verfolgten Ziels geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass der Hauptgrund für die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Belegenheitsstaats der Umstand ist, dass das Gericht des Belegenheitsorts wegen der räumlichen Nähe am besten in der Lage ist, sich eine gute Kenntnis der Sachverhalte zu verschaffen und die insoweit geltenden Regeln und Gebräuche anzuwenden, die im Allgemeinen die des Belegenheitsstaats sind (Urteil vom 25. März 2021, Obala i lučice, C‑307/19, EU:C:2021:236, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Was insbesondere die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen angeht, so ist diese ausschließliche Zuständigkeit nach dieser Rechtsprechung durch die Komplexität des Verhältnisses zwischen Eigentümer und Mieter bzw. Pächter gerechtfertigt, das neben der Pflicht, den Mietzins bzw. die Pacht zu entrichten, eine Reihe von Rechten und Pflichten umfasst. Dieses Verhältnis unterliegt besonderen, teilweise zwingenden Rechtsvorschriften des Staates, in dem das Miet- bzw. Pachtobjekt belegen ist, z. B. Vorschriften, die bestimmen, wem die Instandhaltung der unbeweglichen Sache und die Zahlung der Grundsteuern obliegen, Vorschriften über die Pflichten des Besitzers der unbeweglichen Sache gegenüber den Nachbarn und Vorschriften, die das Recht des Eigentümers, die unbewegliche Sache nach Ablauf des Miet- bzw. Pachtvertrags wieder in Besitz zu nehmen, regeln oder einschränken (Urteil vom 25. März 2021, Obala i lučice, C‑307/19, EU:C:2021:236, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Die ausschließliche Zuständigkeit in Bezug auf die „Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen“ im Sinne von Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 zielt somit auf Streitigkeiten ab, die die Nutzungsbedingungen einer unbeweglichen Sache betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. März 2021, Obala i lučice, C‑307/19, EU:C:2021:236, Rn. 79), d. h. insbesondere solche, bei denen zwischen den Parteien über das Bestehen oder die Auslegung des Vertrags, den Ersatz für vom Mieter oder Pächter verursachte Schäden oder die Räumung der Sache gestritten wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 1977, Sanders, 73/77, EU:C:1977:208, Rn. 15).

29      Um festzustellen, ob eine Streitigkeit in diese ausschließliche Zuständigkeit fällt, ist zum einen zu prüfen, ob sich diese Streitigkeit auf einen Vertrag über die Miete oder Pacht einer unbeweglichen Sache bezieht, und zum anderen, ob ihr Gegenstand unmittelbar mit den Rechten und Pflichten aus diesem Miet- oder Pachtvertrag verknüpft ist, weil es nach der Rechtsprechung für die Zuständigkeit des Gerichts des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, nicht ausreicht, dass die Streitigkeit einen Zusammenhang mit einem Vertrag über die Miete oder Pacht der betreffenden unbeweglichen Sache aufweist (vgl. entsprechend Urteile vom 16. November 2016, Schmidt, C‑417/15, EU:C:2016:881, Rn. 34, und vom 10. Februar 2022, ShareWood Switzerland, C‑595/20, EU:C:2022:86, Rn. 31).

30      In den Urteilen vom 15. Januar 1985, Rösler (241/83, EU:C:1985:6), vom 26. Februar 1992, Hacker (C‑280/90, EU:C:1992:92), und vom 27. Januar 2000, Dansommer (C‑8/98, EU:C:2000:45), hatte der Gerichtshof Gelegenheit, sich zum ersten Teil dieser Prüfung zu äußern, und hat in diesem Rahmen die Kriterien festgelegt, anhand deren ein in diese ausschließliche Zuständigkeit fallender „Mietvertrag“ von einem gemischten Vertrag über eine Gesamtheit von Dienstleistungen abgegrenzt werden kann, der nicht in diese Zuständigkeit fällt.

31      Zur Einstufung eines Vertrags über die kurzzeitige Gebrauchsüberlassung einer Ferienwohnung hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Vertrag, durch den der Eigentümer eines Ferienhauses eine in diesem Haus gelegene Wohnung kurzzeitig vermietet hat und nach dem die Übernachtung von Besuchern nicht gestattet war, die Nebenkosten für Strom, Wasser und Gas nach Verbrauch abgerechnet werden sollten und die Endreinigung zusätzlich zu vergüten war, unter den Begriff „Mietvertrag“ fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Januar 1985, Rösler, 241/83, EU:C:1985:6, Rn. 2, 24 und 25).

32      Ein Vertrag über die Gebrauchsüberlassung einer Ferienwohnung, der die Buchung einer Schiffsüberfahrt zu dem betreffenden Zielort vorsah, die von einem gewerblichen Reiseveranstalter, der nicht der Eigentümer dieser Wohnung war, für seinen Kunden gegen ein zusätzliches Entgelt vorgenommen wurde, ist dagegen nicht als „Mietvertrag“ eingestuft worden, sondern als gemischter Vertrag über eine gegen einen Gesamtpreis erbrachte Gesamtheit von Dienstleistungen, da dieser Vertrag unabhängig von seiner Bezeichnung über die Überlassung des Gebrauchs dieser Wohnung hinaus weitere Leistungen mit sich brachte, wie etwa Auskünfte und Ratschläge, wenn der Reiseveranstalter dem betreffenden Kunden eine Reihe von Ferienangeboten unterbreitete, die Reservierung einer Wohnung für den vom Kunden gewählten Zeitraum, die Reservierung von Plätzen für die Beförderung, den Empfang am Ort und gegebenenfalls eine Reiserücktrittsversicherung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 1992, Hacker, C‑280/90, EU:C:1992:92, Rn. 3, 14 und 15).

33      Allerdings wurde ein Vertrag über die Gebrauchsüberlassung einer Ferienwohnung, der mit einem gewerblichen Reiseveranstalter geschlossen wurde, der nur Vermittler zwischen dem betreffenden Kunden und dem Eigentümer dieser Wohnung war, in dessen Rahmen die Prämie einer Reiserücktrittsversicherung im Preis enthalten war, wobei dieser gewerbliche Reiseveranstalter auch die Erstattung des Preises für den Fall der Zahlungsunfähigkeit sicherstellte und darüber hinaus keine weiteren Leistungen zu erbringen hatte, als „Mietvertrag“ eingestuft. So hat der Gerichtshof festgestellt, dass sich dieser Vertrag ausschließlich auf die Vermietung einer unbeweglichen Sache bezog, während die Klauseln über die Versicherung und die Sicherstellung der Erstattung des Reisepreises nur Nebenbestimmungen darstellten, die an der Qualifizierung dieses Vertrags nichts änderten. Der Umstand, dass sich in dem betreffenden Rechtsstreit nicht unmittelbar der Eigentümer der Wohnung und deren Mieter gegenüberstanden, führte zu keinem anderen Ergebnis, da der genannte Reiseveranstalter die Rechte dieses Eigentümers im Wege der Abtretung übernommen hatte und nicht als gewerblicher Reiseveranstalter handelte, sondern so, als ob er Eigentümer der betreffenden unbeweglichen Sache wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Januar 2000, Dansommer, C‑8/98, EU:C:2000:45, Rn. 7 bis 11 und 33 bis 37).

34      Aus der in den Rn. 31 bis 33 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt sich, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 28 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Einstufung eines Vertrags über eine Gesamtheit von Dienstleistungen neben der kurzzeitigen Gebrauchsüberlassung einer Ferienwohnung eine Beurteilung der betreffenden Vertragsbeziehung in ihrer Gesamtheit und in ihrem Kontext erfordert.

35      Im vorliegenden Fall fragt sich das vorlegende Gericht, wie ein Vertrag zwischen einer Privatperson und einem Tourismusunternehmen zu qualifizieren ist, mit dem dieses Unternehmen einen Bungalow in einem von ihm betriebenen Wasserpark zur Verfügung stellt und der neben der Gebrauchsüberlassung dieser Sache auch die Erbringung anderer Leistungen wie das Angebot diverser Bungalows mit unterschiedlicher Ausstattung auf der Internetseite der Beklagten des Ausgangsverfahrens, die Reservierung des Bungalows für den Kunden, den Empfang des Kunden am Ort und die Schlüsselübergabe an ihn, die Bereitstellung von Bettwäsche und die Durchführung einer Endreinigung umfasst.

36      Insbesondere möchte das vorlegende Gericht wissen, ob diese zusätzlichen Leistungen ausreichen, um den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrag als gemischten Vertrag über eine Gesamtheit von Dienstleistungen einzustufen, und ob es für diese Einstufung von Bedeutung ist, ob der betreffende Bungalow im Eigentum dieses Unternehmens oder eines Dritten steht.

37      Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrag unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Informationen einzustufen.

38      Zu diesem Zweck wird das vorlegende Gericht erstens zu prüfen haben, ob die betreffenden zusätzlichen Leistungen, die neben der Gebrauchsüberlassung der Ferienwohnung, die Gegenstand dieses Vertrags ist, erbracht werden, diesen Vertrag zu einem gemischten Vertrag machen.

39      Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn diese Leistungen gegen einen Gesamtpreis zu den gleichen Bedingungen angeboten werden, wie sie den Gästen einer Hotelanlage angeboten werden, so dass Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 nicht zur Anwendung kommt (vgl. entsprechend Urteil vom 13. Oktober 2005, Klein, C‑73/04, EU:C:2005:607, Rn. 27). Dagegen ändert nicht jede zusätzliche Leistung, die akzessorisch zu einer solchen Gebrauchsüberlassung ist, zwangsläufig die Einstufung des betreffenden Vertrags als Mietvertrag, sondern ist im Kontext dieses Vertrags zu prüfen.

40      Was die vom vorlegenden Gericht erwähnten zusätzlichen Leistungen angeht, so sind weder die Endreinigung noch die Bereitstellung von Bettwäsche hinreichend ausgeprägte Leistungen, um für sich genommen einen Mietvertrag von einem gemischten Vertrag über die Organisation eines Aufenthalts unterscheiden zu können. Zwar trifft es zu, dass die Reinigung am Ende eines Mietverhältnisses üblicherweise dem Mieter obliegt, doch lässt sich nicht ausschließen, dass der Vermieter aufgrund des besonderen Charakters der saisonalen Vermietung von Ferienhäusern eine solche Aufgabe übernehmen kann, ohne dass dies die Natur dieses Vertrags als Mietvertrag über eine unbewegliche Sache ändert. Gleiches gilt für die Bereitstellung von Bettwäsche und die Schlüsselübergabe.

41      Dagegen stellen Leistungen der Information, der Beratung, der Reservierung und des Empfangs, die mit der Gebrauchsüberlassung Teil des Angebots eines Tourismusunternehmens gegen einen Gesamtpreis sind, Leistungen dar, die in der Regel im Rahmen eines gemischten Vertrags über die Organisation eines Aufenthalts erbracht werden.

42      Zweitens wird das vorlegende Gericht im Rahmen der Gesamtwürdigung der ihm vorliegenden Informationen auch zu prüfen haben, in welcher Eigenschaft der betreffende Reiseveranstalter an dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertragsverhältnis beteiligt ist.

43      Wie sich aus der in Rn. 33 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, ändert der Umstand, dass der Reiseveranstalter nicht Eigentümer der Wohnung ist, sondern in dessen Rechte eingetreten ist, für sich genommen nichts an einer etwaigen Einstufung des betreffenden Vertrags als Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen. Dagegen kann, wie sich aus der in Rn. 32 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, wenn der Reiseveranstalter als Tourismusunternehmen tätig wird und im Rahmen eines organisierten Aufenthalts zusätzliche Leistungen anbietet, in Anbetracht deren das Angebot angenommen wird, dieser Umstand ein Indiz für die gemischte Natur dieses Vertrags sein.

44      Im vorliegenden Fall scheinen die Zurverfügungstellung einer Wohnung in einem Ferienpark mit standardisierten Unterbringungsstrukturen, die ein einheitliches Ganzes bilden, wie im Fall des „Waterpark Zwartkruis“, der von einem Tourismusunternehmen wie Roompot Service betrieben wird, sowie die Abgabe eines Aufenthaltsangebots gegen einen Gesamtpreis, der die Qualität und die Bedeutung aller in diesem Ferienpark angebotenen Leistungen widerspiegelt, vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen dafür zu sprechen, dass ein Vertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende vom Anwendungsbereich von Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 ausgeschlossen ist.

45      Dieses Ergebnis entspricht dem Erfordernis einer engen Auslegung der in Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 vorgesehenen Regel der ausschließlichen Zuständigkeit und dem mit dieser Bestimmung verfolgten Ziel, das, wie in Rn. 27 des vorliegenden Urteils ausgeführt, darin besteht, in ihren Anwendungsbereich nur Vertragsverhältnisse zwischen Vermietern und Mietern aufzunehmen, die eine Reihe von Rechten und Pflichten umfassen, die durch besondere, im Allgemeinen zwingende Rechtsvorschriften über die Nutzung des Eigentums an unbeweglichen Sachen in dem Mitgliedstaat geregelt sind, in dem die unbewegliche Sache belegen ist und dessen Gerichte aufgrund ihrer Nähe am besten in der Lage sind, über Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet der Miete oder Pacht zu entscheiden.

46      Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass ein Vertrag zwischen einer Privatperson und einem Tourismusunternehmen, mit dem das Unternehmen eine in einem von ihm betriebenen Ferienpark gelegene Ferienwohnung zum kurzzeitigen persönlichen Gebrauch zur Verfügung stellt und der über die Gebrauchsüberlassung dieser Wohnung hinaus die Erbringung einer Gesamtheit von Dienstleistungen gegen einen Gesamtpreis umfasst, nicht unter die Wendung „Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen“ im Sinne dieser Bestimmung fällt.

 Kosten

47      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

ist dahin auszulegen, dass

ein Vertrag zwischen einer Privatperson und einem Tourismusunternehmen, mit dem das Unternehmen eine in einem von ihm betriebenen Ferienpark gelegene Ferienwohnung zum kurzzeitigen persönlichen Gebrauch zur Verfügung stellt und der über die Gebrauchsüberlassung dieser Wohnung hinaus die Erbringung einer Gesamtheit von Dienstleistungen gegen einen Gesamtpreis umfasst, nicht unter die Wendung „Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen“ im Sinne dieser Bestimmung fällt.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Deutsch.