Language of document : ECLI:EU:T:2013:552

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

23. Oktober 2013(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke Klassiklotterie – Ältere nationale Wortmarke NKL-Klassiklotterie – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑155/12

Hans Gerd Schulze, wohnhaft in Hamburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt K. Lodigkeit,

Kläger,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

Streithelferin vor dem Gericht, vormals NKL Nordwestdeutsche Klassenlotterie, andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:

GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder mit Sitz in Hamburg, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. Russlies,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 30. Januar 2012 (Sache R 600/2011‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen NKL Nordwestdeutsche Klassenlotterie und Hans Gerd Schulze,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich (Berichterstatter), der Richterin I. Wiszniewska-Białecka und des Richters M. Prek,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 2. April 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 20. Juli 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 13. Juni 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 16. September 2009 meldete Hans Gerd Schulze gemäß der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen „Klassiklotterie“.

3        Die Marke wurde für Waren und u. a. für folgende Dienstleistungen der Klassen 35 und 41 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 35: „Vermittlung von Adressen zu Werbezwecken“;

–        Klasse 41: „Betrieb eines Spielcasinos über das Internet; Durchführung von Spielen im Internet; Glücksspiele; Sportwetten; Poker; Bingo“.

4        Am 22. Januar 2010 legte die Streithelferin, GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder, vormals NKL Nordwestdeutsche Klassenlotterie, gemäß Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 Widerspruch gegen die Eintragung der Marke für alle in der Markenanmeldung aufgeführten Waren und Dienstleistungen ein.

5        Der Widerspruch war auf die deutsche Wortmarke NKL-Klassiklotterie gestützt, die am 10. August 2009 unter der Nummer 302009016174 für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 41 eingetragen wurde:

–        Klasse 16: „Lotterielose“;

–        Klasse 35: „Marketing und Werbung (einschließlich Rundfunk- und Fernsehwerbung sowie im Internet) im Zusammenhang mit Losen und Gewinnspielen von Lotterien, Vermittlung von Kaufverträgen über Lotterielose, insbesondere über das Internet; Einzelhandelsdienstleistungen mit Lotterielosen, insbesondere über das Internet“;

–        Klasse 41: „Veranstaltung von Lotterien und anderen Gewinnspielen, insbesondere auch mit Hilfe von elektronischen Medien wie Fernsehen, Rundfunk und Internet; Rundfunk- und Fernsehunterhaltung, Unterhaltungsveranstaltungen“.

6        Als Widerspruchsgrund wurde Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 angeführt.

7        Am 20. Januar 2011 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch teilweise statt und wies die Anmeldung für die oben in Randnr. 3 genannten Dienstleistungen zurück.

8        Am 18. März 2011 legte der Kläger nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

9        Mit Entscheidung vom 30. Januar 2012 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Insbesondere hielt sie die fraglichen Dienstleistungen für teilweise identisch und teilweise ähnlich. Zudem war sie der Auffassung, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen visuell und phonetisch hochgradig ähnlich und begrifflich ähnlich seien, weil beide Zeichen in identischer Form den kennzeichnungskräftigen Bestandteil „Klassiklotterie“ enthielten. Angesichts des Grades der Ähnlichkeit zwischen den Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der Dienstleistungen kam die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke bei den maßgeblichen Verkehrskreisen Verwechslungsgefahr bestehe.

 Anträge der Parteien

10      Der Kläger beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

11      Das HABM und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

12      Der Kläger macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend. Er beruft sich im Wesentlichen darauf, dass bei der älteren Marke der Bestandteil „Klassiklotterie“ hinter den Bestandteil „NKL“ zurücktrete, so dass jegliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen sei.

13      Das HABM und die Streithelferin treten dem Vorbringen des Klägers entgegen.

14      Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Zu den „älteren Marken“ gehören nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 207/2009 die in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke.

15      Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Verwechslungsgefahr vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr umfassend gemäß der Wahrnehmung der betreffenden Zeichen und Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, Slg. 2003, II‑2821, Randnrn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen

16      Nach der Rechtsprechung ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf einen durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren abzustellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der fraglichen Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, Slg. 2007, II‑449, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Im vorliegenden Fall stellte die Beschwerdekammer zutreffend und vom Kläger insoweit unbestritten fest, dass sich die von den fraglichen Dienstleistungen der Klassen 35 und 41 angesprochenen Verkehrskreise zum einen aus Fachleuten und zum anderen aus normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen durchschnittlichen Endverbrauchern mit durchschnittlichem Aufmerksamkeitsgrad zusammensetzten. Da es sich bei der älteren Marke um eine deutsche Marke handelt, ist die Verwechslungsgefahr schließlich in Bezug auf das deutsche Publikum zu beurteilen.

 Zum Dienstleistungsvergleich

18      Die Beschwerdekammer stellte zutreffend und vom Kläger insoweit unbestritten fest, dass die in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen der Klasse 41 identisch mit denen der älteren Marke seien. Sämtliche in der Anmeldung aufgeführten Dienstleistungen der Klasse 41 fallen nämlich unter die Dienstleistung „Veranstaltung von Lotterien und anderen Gewinnspielen“ der älteren Marke.

19      Weiter führte die Beschwerdekammer zutreffend aus, dass die in der Markenanmeldung aufgeführte Dienstleistung der Klasse 35, nämlich „Vermittlung von Adressen zu Werbezwecken“, und die von der älteren Marke erfasste Dienstleistung der Klasse 35 „Marketing und Werbung (einschließlich Rundfunk- und Fernsehwerbung sowie im Internet) im Zusammenhang mit Losen und Gewinnspielen von Lotterien“ aufgrund der gleichen Zweckbestimmung, des Ergänzungsverhältnisses sowie der Identität der angesprochenen Verkehrskreise ähnlich seien; dies wird vom Kläger nicht bestritten.

20      Die Streithelferin hält diese Dienstleistungen sogar für identisch, da die Dienstleistung „Vermittlung von Adressen zu Werbezwecken“ von der Dienstleistung „Marketing und Werbung … im Zusammenhang mit Losen und Gewinnspielen von Lotterien“ der älteren Marke umfasst werde. Diese Ansicht ist jedoch zurückzuweisen. Zwar trifft es zu, dass es sich bei der Dienstleistung „Vermittlung von Adressen zu Werbezwecken“ um eine Dienstleistung handelt, die es dem Adressaten ermöglicht oder erleichtert, Werbung zu betreiben, doch ist diese vorbereitende Dienstleistung nicht identisch mit der des Marketings oder der Werbung selbst.

 Zum Zeichenvergleich

21      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der visuellen, phonetischen oder begrifflichen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Zeichen hervorrufen, wobei insbesondere die kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke vom Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen wird. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf ihre verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, Slg. 2007, I‑4529, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zu den im Rahmen des Zeichenvergleichs zu berücksichtigenden Elementen der älteren Marke

22      Die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken darf sich nicht darauf beschränken, dass nur ein Bestandteil einer komplexen Marke berücksichtigt und mit einer anderen Marke verglichen wird. Vielmehr sind die betreffenden Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen, was nicht ausschließt, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der maßgeblichen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein könnten (Urteil HABM/Shaker, oben in Randnr. 21 angeführt, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Für die Beurteilung der Ähnlichkeit kann es nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Bestandteile der Marke zu vernachlässigen sind (Urteile des Gerichtshofs HABM/Shaker, oben in Randnr. 21 angeführt, Randnr. 42, und vom 20. September 2007, Nestlé/HABM, C‑193/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42). Das könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn schon dieser Bestandteil allein geeignet ist, das Bild dieser Marke, das die angesprochenen Verkehrskreise im Gedächtnis behalten, so zu prägen, dass alle übrigen Bestandteile der Marke in dem durch diese hervorgerufenen Gesamteindruck zu vernachlässigen sind (vgl. Urteil Nestlé/HABM, Randnr. 43).

23      Im vorliegenden Fall macht der Kläger im Wesentlichen geltend, bei der älteren Marke dominiere der Bestandteil „NKL“ und der Bestandteil „Klassiklotterie“ trete hinter diesen zurück. Dazu trägt der Kläger zum einen vor, dem Element „NKL“ komme innerhalb der älteren Marke ein sehr großes Gewicht zu, da es am Anfang der Marke stehe und kennzeichnungsstark sei. Zum anderen besitze der Bestandteil „Klassiklotterie“ erhebliche beschreibende Anklänge und sei kennzeichnungsschwach.

24      Daher sind zunächst die beim Zeichenvergleich zu berücksichtigenden Bestandteile der älteren Marke zu bestimmen.

25      Die ältere Marke besteht aus zwei Bestandteilen, nämlich erstens aus dem Bestandteil „NKL“ und zweitens aus dem Bestandteil „Klassiklotterie“. Diese beiden Bestandteile sind durch den zwischen ihnen stehenden Bindestrich deutlich als unterschiedliche Bestandteile wahrnehmbar.

26      Der zweite Bestandteil, „Klassiklotterie“, besteht aus den deutschen Wörtern „Klassik“ und „Lotterie“. Wie die Beschwerdekammer ausgeführt hat, bezeichnet das Wort „Lotterie“ eine Auslosung von Gewinnen, an der jemand durch Kauf eines Loses teilnimmt. Das deutsche Substantiv „Klassik“ bezieht sich in seiner gewöhnlichen Bedeutung auf eine bestimmte Epoche. Da das deutsche Adjektiv „klassisch“ aber auch „traditionell“ bedeuten kann, kann das Substantiv „Klassik“ je nach Zusammenhang auch als Hinweis auf etwas Traditionelles verstanden werden.

27      Der Kläger hält das Element „Klassiklotterie“ für kennzeichnungsschwach, weil es auf Dienstleistungen einer Lotterie Bezug nehme, die klassisch sei und nichts mit moderner Lotterie zu tun habe.

28      Das Element „Klassiklotterie“ hat jedoch keinen anerkannten Bedeutungsgehalt. Das Publikum unterscheidet nicht zwischen einer „klassischen“ und einer „modernen“ Lotterie. Außerdem erklärt der Kläger nicht, welchem Lotterietyp seiner Meinung nach in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise eine traditionelle oder eine moderne Lotterie entspricht. Sein Vorbringen vermag daher nicht zu überzeugen.

29      Wie die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt hat, ist das Element „Klassik“ für Lotteriedienstleistungen nicht beschreibend.

30      Somit ist festzustellen, dass es sich bei dem Bestandteil „Klassiklotterie“ um ein kennzeichnungskräftiges Element der älteren Marke handelt.

31      Im Übrigen behauptet der Kläger nicht, dass das Element „Klassiklotterie“ keine Kennzeichnungskraft habe, was zudem zur Folge hätte, dass der Eintragung der angemeldeten Marke ein absolutes Eintragungshindernis entgegenstünde.

32      Zum Bestandteil „NKL“ trägt der Kläger vor, dass die Beschwerdekammer nicht festgestellt habe, dass es sich dabei um eine sehr kennzeichnungsstarke Marke handele, obwohl die Streithelferin im Verfahren vor dem HABM bestätigt habe, dass es sich um eine bekannte Marke handele, und obwohl es eine Vielzahl von Marken mit dem Bestandteil „NKL“ gebe.

33      Der Umstand, dass ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke für sich allein eine bekannte Marke darstellt, kann bei der Bewertung des Gewichts der verschiedenen Komponenten dieser Marke im Verhältnis zueinander durchaus eine Rolle spielen. Wenn also ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke für sich allein eine bekannte Marke darstellt, kann ihm aufgrund dessen innerhalb der zusammengesetzten Marke ein größeres Gewicht zukommen.

34      Gleichwohl bedeutet allein die Tatsache, dass einem Bestandteil einer aus zwei Bestandteilen bestehenden zusammengesetzten Marke größeres Gewicht zukommt als dem anderen, nicht ohne Weiteres, dass der Vergleich der einander gegenüberstehenden Marken sich darauf beschränken kann, nur ersteren Bestandteil zu berücksichtigen. Wie aus der oben in Randnr. 22 angeführten Rechtsprechung hervorgeht, kann es für die Beurteilung der Ähnlichkeit nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Bestandteile der Marke zu vernachlässigen sind.

35      Hier kann das Element „Klassiklotterie“ nicht als vernachlässigbar für den von der älteren Marke hervorgerufenen Gesamteindruck angesehen werden. Dies wäre selbst dann nicht möglich, wenn die Bekanntheit des Elements „NKL“ bejaht würde.

36      Insoweit ist festzustellen, dass das Element „Klassiklotterie“ zwar nach dem Element „NKL“ steht, aber ein aus elf Buchstaben bestehendes fünfsilbiges Wort und damit sehr viel länger als das Element „NKL“ ist, das aus drei in drei Silben ausgesprochenen Buchstaben besteht. In Anbetracht der Länge des kennzeichnungskräftigen Elements „Klassiklotterie“ wird dieses von den deutschen Verkehrskreisen nicht vernachlässigt werden.

37      Nach alledem ist das Element „Klassiklotterie“ der älteren Marke nicht vernachlässigbar und muss beim Vergleich der einander gegenüberstehenden Marken berücksichtigt werden.

 Zur visuellen Ähnlichkeit

38      Im vorliegenden Fall ist die angemeldete Marke identisch mit dem zweiten Bestandteil der älteren Marke.

39      Dieses Element steht allerdings an zweiter Stelle der älteren Marke, und der Verbraucher widmet dem Anfang einer Marke im Allgemeinen mehr Aufmerksamkeit als deren Ende (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Mai 2010, Wessang/HABM – Greinwald [star foods], T‑492/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vorliegend weisen der erste Bestandteil „NKL“ der älteren Marke und die angemeldete Marke keine Ähnlichkeiten auf.

40      Da jedoch der zweite Bestandteil der älteren Marke mit der angemeldeten Marke identisch und viel länger als der erste ist (elf Buchstaben im Vergleich zu drei), ist von einer visuellen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken auszugehen.

41      Diese visuelle Ähnlichkeit wird nicht durch das Vorbringen des Klägers in Frage gestellt, dass das Element „NKL“ kennzeichnungsstark sei, weil es sich um eine bekannte Marke handele und es eine Vielzahl von Marken gebe, die das Element „NKL“ enthielten. Selbst bei Berücksichtigung eines größeren Gewichts des Elements „NKL“ innerhalb der älteren Marke zöge doch auch das zweite Element, das von der angemeldeten Marke in unveränderter Form übernommen wird, die Aufmerksamkeit der maßgeblichen deutschen Verkehrskreise auf sich.

42      Selbst wenn innerhalb der älteren Marke dem Element „NKL“ aufgrund der vom Kläger behaupteten hohen Kennzeichnungskraft ein größeres Gewicht zukäme, erlaubte die Übereinstimmung beider Zeichen im Element „Klassiklotterie“ dennoch den Schluss, dass eine durchschnittliche visuelle Ähnlichkeit der Zeichen besteht.

43      Da eine Verwechslungsgefahr selbst dann nachgewiesen werden kann, wenn die visuelle Ähnlichkeit nur als durchschnittlich qualifiziert wird (siehe unten, Randnrn. 50 und 51), ist es nicht erforderlich, auf die Frage einzugehen, ob die Beschwerdekammer zu Unrecht das Vorbringen des Klägers zur erhöhten Kennzeichnungskraft des Elements „NKL“ zurückgewiesen und die visuelle Ähnlichkeit als hoch eingestuft hat.

 Zur phonetischen Ähnlichkeit

44      Der erste Bestandteil der älteren Marke wird in drei Silben ausgesprochen, weil das deutsche Publikum die Konsonanten „N“, „K“ und „L“ getrennt ausspricht. Der zweite Bestandteil wird von ihm in fünf Silben ausgesprochen. Zudem ist das deutsche Publikum in der Lage, den zweiten Bestandteil selbst im Rahmen einer phonetischen Wahrnehmung der älteren Marke deutlich vom ersten zu unterscheiden. Da jeder Buchstabe des ersten Bestandteils einzeln ausgesprochen wird, unterscheidet sich dieser Bestandteil deutlich vom zweiten, der als Wort ausgesprochen wird.

45      Die fünf Silben der angemeldeten Marke sind identisch mit den letzten fünf der acht Silben, aus denen die ältere Marke besteht.

46      Selbst wenn innerhalb der älteren Marke dem Element „NKL“ aufgrund der vom Kläger behaupteten hohen Kennzeichnungskraft ein größeres Gewicht zukäme, erlaubte die Übereinstimmung beider Zeichen im Element „Klassiklotterie“ dennoch den Schluss, dass eine durchschnittliche phonetische Ähnlichkeit der Zeichen besteht.

47      Da eine Verwechslungsgefahr selbst dann nachgewiesen werden kann, wenn die phonetische Ähnlichkeit nur als durchschnittlich qualifiziert wird (siehe unten, Randnrn. 50 und 51), ist es nicht erforderlich, auf die Frage einzugehen, ob die Beschwerdekammer zu Unrecht das Vorbringen des Klägers zur erhöhten Kennzeichnungskraft des Elements „NKL“ zurückgewiesen und die phonetische Ähnlichkeit als hoch eingestuft hat.

 Zur begrifflichen Ähnlichkeit

48      Wie die Beschwerdekammer festgestellt hat, hat der Bestandteil „Klassiklotterie“ keinen klaren Bedeutungsgehalt, doch stimmen die Zeichen in den Bestandteilen „Klassik“ und „Lotterie“ begrifflich überein. Somit besteht zwischen den fraglichen Zeichen eine gewisse begriffliche Ähnlichkeit.

 Zur umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr

49      Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung der berücksichtigten Faktoren, insbesondere zwischen der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit den Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 17, und Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, Slg. 2006, II‑5409, Randnr. 74).

50      Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass die fraglichen Dienstleistungen teilweise identisch und teilweise ähnlich sind. Weiter wurde festgestellt, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen, selbst wenn innerhalb der älteren Marke dem Element „NKL“ aufgrund der vom Kläger behaupteten hohen Kennzeichnungskraft ein größeres Gewicht zukäme, eine durchschnittliche begriffliche und phonetische Ähnlichkeit sowie eine gewisse begriffliche Ähnlichkeit aufweisen.

51      Wie die Beschwerdekammer in Randnr. 23 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, ist aufgrund der Übereinstimmung beider Zeichen im kennzeichnungskräftigen Element „Klassiklotterie“ für die fraglichen Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr zu bejahen. Wie oben dargelegt, handelt es sich bei dem Element „Klassiklotterie“ um einen nicht vernachlässigbaren Bestandteil für den von der älteren Marke hervorgerufenen Gesamteindruck; dies gilt selbst dann, wenn dem Element „NKL“ innerhalb der älteren Marke ein größeres Gewicht als dem anderen Element zukäme. Es besteht die Gefahr, dass die Verbraucher annehmen, die fraglichen Dienstleistungen stammten aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen, wenn sie einmal unter der älteren und einmal unter der angemeldeten Marke angeboten werden.

52      Nach alledem ist der einzige Klagegrund des Klägers zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

53      Gemäß Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm gemäß den Anträgen des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Herr Hans Gerd Schulze trägt die Kosten.

Dittrich

Wiszniewska-Białecka

Prek

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 23. Oktober 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.