Language of document : ECLI:EU:C:2012:563

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 12. September 2012(1)

Rechtssache C‑300/11

ZZ

gegen

Secretary of State for the Home Department

(Vorabentscheidungsersuchen des Court of Appeal [England & Wales] [Civil Division] [Vereinigtes Königreich])

„Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – Entscheidung, einem Unionsbürger die Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aus Gründen der öffentlichen Sicherheit zu verbieten – Verpflichtung, dem betroffenen Bürger die Gründe dieser Entscheidung mitzuteilen – Der Sicherheit des Staates zuwiderlaufende Bekanntgabe – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz“






1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG(2).

2.        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen ZZ und dem Secretary of State for the Home Department (im Folgenden: Secretary of State) wegen dessen Entscheidung, ZZ aus Gründen der öffentlichen Sicherheit die Einreise in das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zu verbieten und seine Ausweisung zu verfügen.

3.        In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof um eine Entscheidung darüber ersucht, inwieweit sich ein Mitgliedstaat unter Berufung auf die Sicherheitserfordernisse des Staates weigern kann, einem Unionsbürger die mit der öffentlichen Sicherheit zusammenhängenden Gründe mitzuteilen, die eine von ihm gegen diesen Bürger erlassene Ausweisungsmaßnahme rechtfertigen. Damit wird das schwierige Problem des angestrebten Ausgleichs zwischen der für den Mitgliedstaat bestehenden Notwendigkeit, seine wesentlichen Sicherheitsinteressen zu wahren, und der Gewährleistung der den Unionsbürgern zustehenden Verfahrensrechte aufgeworfen.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Das Unionsrecht

4.        Art. 27 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/38 bestimmt:

„(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Kapitels dürfen die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken. Diese Gründe dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden.

(2) Bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne weiteres diese Maßnahmen nicht begründen.

Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.“

5.        Art. 28 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2004/38 bestimmt:

„(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a)      ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben …“

6.        Art. 30 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/38 lautet:

„(1) Entscheidungen nach Artikel 27 Absatz 1 müssen dem Betroffenen schriftlich in einer Weise mitgeteilt werden, dass er deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann.

2. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der Entscheidung zugrunde liegen, schriftlich mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Staatssicherheit dieser Mitteilung entgegenstehen.“

7.        Hinsichtlich der Verfahrensgarantien bestimmt Art. 31 der Richtlinie 2004/38:

„(1) Gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit müssen die Betroffenen einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können.

(3) Im Rechtsbehelfsverfahren sind die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sowie die Tatsachen und die Umstände, auf denen die Entscheidung beruht, zu überprüfen. Es gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Artikel 28 nicht unverhältnismäßig ist.

(4) Die Mitgliedstaaten können dem Betroffenen verbieten, sich während des anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens in ihrem Hoheitsgebiet aufzuhalten, dürfen ihn jedoch nicht daran hindern, sein Verfahren selbst zu führen, es sei denn, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit können durch sein persönliches Erscheinen ernsthaft gestört werden oder der Rechtsbehelf richtet sich gegen die Verweigerung der Einreise in das Hoheitsgebiet.“

B –    Das englische Recht

1.      Einreise und Verbot der Einreise in das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs

8.        Die Immigration (European Economic Area) Regulations 2006 (Verordnung von 2006 über die Einreise [Europäischer Wirtschaftsraum], im Folgenden: Einreiseverordnung) setzen die Richtlinie 2004/38 in nationales Recht um. Art. 11 Abs. 1 und 5 bestimmt:

„(1) Einem Bürger des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ist die Einreise in das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs zu gestatten, wenn er bei seiner Einreise einen von einem Mitgliedstaat des EWR ausgestellten gültigen Personalausweis oder Reisepass vorweist.

(5) Dieser Artikel gilt jedoch vorbehaltlich des Art. 19 Abs. 1 …“

9.        Art. 19 der Einreiseverordnung, der die Überschrift „Verbot der Einreise in das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs und Ausweisung“ trägt, bestimmt in Art. 1:

„Einer Person wird die Einreise in das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs gemäß Art. 11 nicht gestattet, wenn das Einreiseverbot aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit gemäß Art. 21 gerechtfertigt ist.“

10.      In Art. 25 der Einreiseverordnung heißt es:

„(1) In diesem Abschnitt bezeichnet:

Commission den in dem Special Immigration Appeals Commission Act 1997 (Gesetz von 1997 über den Sonderausschuss für Rechtsbehelfe in Einwanderungssachen, im Folgenden: Gesetz über die SIAC) bezeichneten Ausschuss …“

11.      Art. 28 der Einreiseverordnung bestimmt:

„(1) In den Fällen, in denen Abs. 2 oder Abs. 4 anwendbar ist, kann eine Klage gegen eine EWR-Entscheidung bei der Commission erhoben werden.

(4) Dieser Absatz ist anwendbar, wenn der Secretary of State bestätigt, dass die EWR-Entscheidung ganz oder teilweise aufgrund von Informationen erlassen wurde, die seiner Meinung nach nicht öffentlich bekannt gegeben werden dürfen

(a) aus Gründen der nationalen Sicherheit;

(8) Das Gesetz [über die SIAC] ist auf die nach der vorliegenden Verordnung bei der Commission erhobenen Klagen ebenso anwendbar wie auf die nach Art. 2 des genannten Gesetzes erhobenen Klagen, wenn Abs. 2 dieses Artikels anwendbar ist (Klagen gegen eine die Einreise betreffende Entscheidung); Buchstabe (i) dieses Absatzes ist jedoch auf solche Klagen nicht anwendbar.“

2.      Die Vorschriften über Klagen gegen eine Entscheidung, mit der ein Einreiseverbot ausgesprochen wird

12.      Nach Art. 1 Abs. 3 des Gesetzes über die SIAC muss die Commission ein höheres ordentliches Gericht sein.

13.      Art. 5 Abs. 1, 3 und 6 dieses Gesetzes bestimmt:

„(1) Der Lord Chancellor kann Vorschriften erlassen

(3) Die in Abs. 1 genannten Vorschriften können namentlich

(a)       vorsehen, dass das Verfahren vor der Commission stattfinden kann, ohne dass die Begründung der mit der Klage angefochtenen Entscheidung dem Kläger in allen Einzelheiten bekannt gegeben wird.

(6) Beim Erlass der in diesem Artikel genannten Vorschriften berücksichtigt der Lord Chancellor insbesondere:

(a)       die Notwendigkeit sicherzustellen, dass die mit einer Klage angefochtenen Entscheidungen ordnungsgemäß überprüft werden, und

(b)      die Notwendigkeit sicherzustellen, dass Informationen nicht entgegen dem öffentlichen Interesse bekannt gegeben werden.“

14.      Art. 6 des Gesetzes über die SIAC sieht die Benennung von Spezialanwälten vor. Dazu bestimmt Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes, dass der Attorney General eine Person benennen kann, die befugt ist, vor dem High Court of Justice (Vereinigtes Königreich) aufzutreten, „um die Interessen eines Klägers in allen Verfahren vor dem Sonderausschuss für Rechtsbehelfe in Einwanderungssachen (im Folgenden: SIAC) zu vertreten, von denen der Kläger und alle seine Vertreter ausgeschlossen sind“. Art. 6 Abs. 4 des Gesetzes bestimmt weiter, dass diese Person „gegenüber der Person, deren Interessen zu vertreten sie beauftragt ist, nicht verantwortlich ist“.

15.      Die Special Immigration Appeals Commission (Procedure) Rules 2003 (Verfahrensordnung des Sonderausschusses für Rechtsbehelfe in Einwanderungssachen von 2003, im Folgenden: Verfahrensordnung der SIAC) bestimmen in Art. 4 Abs. 1 und 3:

„(1) Die Commission sorgt in Ausübung ihrer Aufgaben dafür, dass Informationen nicht entgegen den Interessen der nationalen Sicherheit bekannt gegeben werden …

(3) Vorbehaltlich der Abs. 1 und 2 muss die Commission zu der Überzeugung gelangt sein, dass die Informationen, über die sie verfügt, es ihr erlauben, den Rechtsstreit auf befriedigende Weise zu entscheiden.“

16.      Art. 10 der Verfahrensordnung der SIAC bestimmt:

„(1) Wenn der Secretary of State Einwände gegen eine Klage erheben will, muss er bei der Commission einreichen:

(a)      eine Erklärung, in der er die Beweismittel aufführt, auf die er seine Einwände gegen die Klage stützt, und

(b)      alle ihm bekannten entlastenden Beweise.

(2) Außer in den Fällen, in denen der Secretary of State der Bekanntgabe der Erklärung an den Kläger oder seinen Vertreter widerspricht, muss er dem Kläger gleichzeitig mit der Vorlage bei der Commission eine Kopie der Erklärung zustellen.

(3) Wenn der Secretary of State der Bekanntgabe der nach Abs. 1 eingereichten Erklärung an den Kläger oder seinen Vertreter widerspricht, sind die Art. 37 und 38 anwendbar.

…“

17.      Hinsichtlich der Aufgaben des in Art. 6 des Gesetzes über die SIAC vorgesehenen Spezialanwalts bestimmt Art. 35 der Verfahrensordnung der SIAC:

„Der Spezialanwalt hat die Aufgabe, die Interessen des Klägers zu vertreten, indem er

(a)      in allen Sitzungen, von denen der Kläger und seine Vertreter ausgeschlossen sind, vor der Commission eine Stellungnahme abgibt;

(b)      in diesen Sitzungen Beweismittel vorlegt und Zeugen kontradiktorisch vernimmt und

(c)      bei der Commission schriftliche Erklärungen einreicht.“

18.      Hinsichtlich des schriftlichen und mündlichen Verkehrs zwischen dem Kläger und dem Spezialanwalt sieht Art. 36 der Verfahrensordnung der SIAC Folgendes vor:

„(1) Der Spezialanwalt kann mit dem Kläger oder seinem Vertreter jederzeit schriftlich oder mündlich verkehren, bevor der Secretary of State ihm Tatsachen mitteilt, deren Bekanntgabe an den Kläger er verbietet.

(2) Nachdem der Secretary of State dem Spezialanwalt Tatsachen wie in Abs. 1 angegeben mitgeteilt hat, darf der Spezialanwalt mit niemandem über irgendeine mit dem Verfahren zusammenhängende Frage sprechen, außer in den in Abs. 3 oder 6 Buchst. b genannten Fällen oder gemäß einer Weisung, die die Commission in Beantwortung eines Ersuchens nach Abs. 4 erteilt.

(3) Der Spezialanwalt kann ohne Weisungen der Commission mit folgenden Personen oder Stellen über das Verfahren sprechen:

(a)       mit der Commission;

(b)       mit dem Secretary of State oder jeder in seinem Namen handelnden Person;

(c)       mit dem zuständigen Richter oder jeder in seinem Namen handelnden Person;

(d)       mit jeder anderen Person außer dem Kläger oder seinem Vertreter, mit der zu sprechen für ihn zu administrativen Zwecken notwendig ist, über Gegenstände, die nicht mit dem eigentlichen Verfahren zusammenhängen.

(4) Der Spezialanwalt kann die Commission um Weisungen ersuchen, durch die diese es ihm gestattet, mit dem Kläger oder seinem Vertreter oder einer anderen Person schriftlich oder mündlich in Kontakt zu treten.

(5)       Wenn der Spezialanwalt gemäß Abs. 4 um Weisungen ersucht,

(a)      muss die Commission das Ersuchen dem Secretary of State übermitteln und

(b)      der Secretary of State muss binnen einer von der Commission festgesetzten Frist eventuelle Einwände gegen den vorgeschlagenen Kontakt oder die dafür vorgeschlagene Form bei der Commission einreichen und dem Spezialanwalt zustellen.

(6)      Abs. 2 verbietet es dem Kläger nicht, mit dem Spezialanwalt schriftlich oder mündlich zu verkehren, nachdem der Secretary of State ihm Tatsachen wie in Abs. 1 dargelegt mitgeteilt hat, allerdings

(a)      darf der Kläger mit dem Spezialanwalt nur schriftlich über einen gesetzlichen Vertreter verkehren und

(b)      der Spezialanwalt darf auf die Mitteilung nur im Einklang mit Weisungen der Commission antworten; in Ermangelung solcher Weisungen darf er dem gesetzlichen Vertreter des Klägers jedoch eine schriftliche Eingangsbestätigung erteilen.“

19.      Art. 37 der Verfahrensordnung der SIAC definiert den Begriff „geheim zu haltendes Material“ und bestimmt insoweit:

„(1) Im Sinne dieses Artikels bedeutet ‚geheim zu haltendes Material‘

(a)      Material, auf das sich der Secretary of State in Verfahren vor der Commission berufen möchte;

(b)      Material, das gegen sein Vorbringen spricht oder das Vorbringen des Klägers stützt, oder

(c)      Auskünfte, die er aufgrund einer gemäß Art. 10A Abs. 7 ergangenen Weisung erteilen muss,

gegen deren Mitteilung an den Kläger oder seinen Vertreter er jedoch Einwände erhebt.

(2)      Der Secretary of State darf sich nicht auf geheim zu haltendes Material berufen, solange kein Spezialanwalt zur Vertretung der Interessen des Klägers benannt worden ist.

(3)      Wenn der Secretary of State gemäß Art. 10 Abs. 2 oder Art. 10A Abs. 8 verpflichtet ist, dem Kläger geheim zu haltendes Material zu übermitteln oder wenn er sich darauf berufen will und wenn ein Spezialanwalt benannt worden ist, muss der Secretary of State Folgendes bei der Commission einreichen und dem Spezialanwalt übermitteln:

(a)      eine Kopie des geheim zu haltenden Materials, sofern er dies noch nicht getan hat;

(b)      eine Mitteilung der Gründe, aus denen er der Bekanntgabe dieses Materials widerspricht, und

(c)      eine Beschreibung des Materials in einer Form, in der es dem Kläger übermittelt werden kann, falls und soweit dies möglich ist, ohne Informationen entgegen dem öffentlichen Interesse bekannt zu geben.

(4)      Der Secretary of State muss alle Beschreibungen, die er nach Art. 3 Buchst. c einreicht, zur gleichen Zeit dem Kläger zustellen.

(4A)      Wenn der Secretary of State dem Spezialanwalt geheim zu haltendes Material zustellt, das er aus anderen Gründen als solchen des Berufsgeheimnisses zensiert hat,

(a)      muss er das Material bei der Commission in unzensierter Form einreichen und die Gründe für die Änderungen erklären und

(b)      muss die Commission dem Secretary of State Weisungen dahin gehend erteilen, was er zensieren darf.

(5)      Der Secretary of State kann mit Genehmigung der Commission oder mit Zustimmung des Spezialanwalts Material, das er gemäß diesem Artikel eingereicht hat, jederzeit ändern oder ergänzen.“

20.      Hinsichtlich der Einwände des Secretary of State bestimmt Art. 38 der Verfahrensordnung der SIAC Folgendes:

„(1)  Wenn der Secretary of State einen Einwand gemäß Art. 36 Abs. 5 Buchst. b oder gemäß Art. 37 erhebt, muss die Commission nach diesem Artikel entscheiden, ob sie dem Einwand stattgibt oder nicht.

(2)      Die Commission muss eine mündliche Verhandlung anberaumen, in der der Secretary of State und der Spezialanwalt mündliche Stellung nehmen können …

(5)      Die nach diesem Artikel abgehaltenen Sitzungen finden in Abwesenheit des Klägers und seines Vertreters statt.

(6)      Die Commission kann dem Einwand des Secretary of State stattgeben oder ihn zurückweisen.

(7)      Die Commission muss dem vom Secretary of State gemäß Art. 37 erhobenen Einwand stattgeben, wenn sie der Auffassung ist, dass die Bekanntgabe des Materials dem öffentlichen Interesse widerspricht.

(8)      Wenn die Commission einem vom Secretary of State gemäß Art. 37 erhobenen Einwand stattgibt, muss sie

(a)      prüfen, ob sie den Secretary of State anweisen will, dem Kläger eine Zusammenfassung des geheim zu haltenden Materials zuzustellen, und

(b)      jede derartige Zusammenfassung genehmigen, um sicherzustellen, dass sie keine Informationen und keine anderen Angaben enthält, deren Bekanntgabe dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen würde.

(9)      Wenn die Commission den vom Secretary of State gemäß Art. 37 erhobenen Einwand zurückweist oder ihn anweist, dem Kläger eine Zusammenfassung des geheim zu haltenden Materials zuzustellen,

(a)      ist der Secretary of State nicht verpflichtet, dieses Material oder diese Zusammenfassung zuzustellen, aber

(b)      die Commission kann, wenn er dies nicht tut, in einer mündlichen Verhandlung, in der der Secretary of State und der Spezialanwalt Stellung nehmen können,

(i)      wenn sie meint, dass das Material oder die Informationen, die zusammenzufassen sind, gegen das Vorbringen des Secretary of State sprechen oder das Vorbringen des Klägers stützen könnte, den Secretary of State anweisen, sich bei seinem Vorbringen nicht auf diese Punkte zu berufen oder die von der Commission festzulegenden Zugeständnisse zu machen oder Maßnahmen zu ergreifen, oder

(ii)      in allen anderen Fällen den Secretary of State anweisen, sich bei seinem Vorbringen nicht auf dieses Material oder ggf. auf die zusammenzufassenden Informationen zu stützen.“

21.      Hinsichtlich der unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Sitzungen bestimmt Art. 43 der Verfahrensordnung der SIAC:

„(1)      Wenn die Commission es für erforderlich hält, den Kläger und seinen Vertreter von einer Sitzung ganz oder teilweise auszuschließen, um sicherzustellen, das keine Informationen entgegen dem öffentlichen Interesse bekannt gegeben werden, muss sie

(a)       dies anordnen und

(b)      die Sitzung oder den Teil der Sitzung, von der oder dem der Kläger und sein Vertreter ausgeschlossen sind, unter Ausschluss der Öffentlichkeit abhalten.

…“

22.      Art. 47 der Verfahrensordnung der SIAC bestimmt hinsichtlich der von der Commission zu treffenden Entscheidung:

„(1)      Dieser Artikel ist in allen Verfahren anwendbar, in denen die Commission entscheidet.

(2)      Die Commission muss ihre Entscheidung schriftlich niederlegen und begründen.

(3)      Die Kommission muss in einer angemessenen Frist den Parteien ein Schriftstück zustellen, das ihre Entscheidung und, wenn und soweit dies möglich ist, ohne Informationen entgegen dem öffentlichen Interesse bekannt zu geben, ihre Begründung enthält.

(4)      Wenn das in Abs. 3 genannte Schriftstück nicht die vollständige Begründung der Entscheidung enthält, muss die Commission dem Secretary of State und dem Spezialanwalt ein gesondertes Schriftstück zustellen, das diese Begründung enthält.

(5)      Wenn die Commission ein gesondertes Schriftstück gemäß Abs. 4 zustellt, kann der Spezialanwalt beantragen, dieses Schriftstück und das in Abs. 3 bezeichnete Schriftstück zu ändern, indem er diesen Antrag damit begründet, dass das gesonderte Schriftstück Angaben enthält, deren Bekanntgabe dem öffentlichen Interesse nicht zuwiderläuft.

(6)      Der Spezialanwalt muss dem Secretary of State eine Kopie des in Abs. 5 bezeichneten Antrags zustellen.

(7)      Die Commission muss dem Spezialanwalt und dem Secretary of State die Möglichkeit einräumen, sich zu äußern. Sie kann über die Anwendung des Gesetzes aufgrund einer mündlichen Verhandlung oder ohne mündliche Verhandlung entscheiden.“

II – Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefrage

23.      ZZ besitzt die französische und die algerische Staatsangehörigkeit. Er ist seit 1990 mit einer Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs verheiratet, mit der er acht Kinder hat, die zwischen 9 und 20 Jahre alt sind. ZZ hatte von 1990 bis 2005 einen ordnungsgemäßen Wohnsitz im Vereinigten Königreich.

24.      Am 19. August 2005 verließ ZZ das Vereinigte Königreich, um nach Algerien zu reisen. Am 26. August 2005 wurde ihm mitgeteilt, dass der Secretary of State beschlossen habe, sein Aufenthaltsrecht aufzuheben und ihm die Einreise in das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs zu verbieten, da seine Anwesenheit dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufe. In demselben Schreiben hieß es weiter, dass seine Ausweisung aus dem Vereinigten Königreich aus Gründen der nationalen Sicherheit gerechtfertigt sei.

25.      Am 18. September 2006 reiste ZZ in das Vereinigte Königreich ein. Am 19. September 2006 beschloss der Secretary of State gemäß Art. 19 Abs. 1 der Einreiseverordnung, ZZ die Einreise in das Vereinigte Königreich zu verbieten und ihn aus Gründen der öffentlichen Sicherheit auszuweisen. Am selben Tag wurde ZZ nach Algerien zurückgeschickt. Er wohnt derzeit in Frankreich.

26.      Am 9. Oktober 2006 erhob ZZ Klage gegen die Entscheidung vom 19. September 2006. Diese wurde am 30. Juli 2008 vom SIAC mit der Begründung abgewiesen, dass die Verweigerung der Einreise aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sei. Vor der SIAC wurde ZZ von einem Solicitor und einem Barrister seiner Wahl vertreten.

27.      Gemäß den auf die SIAC anwendbaren Vorschriften wurden zwei Spezialanwälte benannt, um die Interessen von ZZ wahrzunehmen. Diese sprachen mit ihm auf der Grundlage der „öffentlichen Beweise“.

28.      In der Folgezeit wurden die übrigen Informationen, auf die die streitige Entscheidung gestützt war, nämlich diejenigen, die als „vertrauliche Beweise“ eingestuft worden waren, diesen Spezialanwälten bekannt gegeben, denen es forthin untersagt war, ohne Zustimmung der SIAC von ZZ oder seinen Anwälten neue Weisungen einzuholen oder ihnen Informationen zu geben. Vorbehaltlich dieser Einschränkungen vertraten die Spezialanwälte weiterhin die Interessen von ZZ vor der SIAC unter Berücksichtigung der „vertraulichen Beweise“.

29.      Zur Prüfung der Einwände des Secretary of State gegen die Bekanntgabe bestimmter Beweise an den Kläger hielt die SIAC eine Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit, in Abwesenheit von ZZ und seinen Anwälten, aber in Anwesenheit seiner Spezialanwälte ab. Die SIAC legte endgültig fest, in welchem Maß die Bekanntgabe der vom Secretary of State herangezogenen „vertraulichen Beweise“ an ZZ dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen würde.

30.      In der Folgezeit fand eine mündliche Verhandlung über die Klage von ZZ statt, die teilweise öffentlich und teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten wurde. Die Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit fanden in Abwesenheit von ZZ und seinen Anwälten, aber in Anwesenheit seiner Spezialanwälte statt, die im Namen von ZZ Stellung nahmen.

31.      Die SIAC erließ zwei Urteile, ein „öffentliches“ und ein „vertrauliches“, das nur dem Secretary of State und den Spezialanwälten von ZZ zugestellt wurde.

32.      In ihrem öffentlichen Urteil führte die SIAC u. a. aus, dass ZZ „nur wenige der gegen ihn erhobenen Vorwürfe bekannt gegeben“ worden seien, dass diese „nicht wirklich die wesentlichen Fragen betrafen“ und dass sie „aus Gründen, die nur in dem vertraulichen Urteil angegeben werden, zu der Überzeugung gelangt [ist], dass das persönliche Verhalten von ZZ eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich ihre öffentliche Sicherheit, berührt, und dass dieses Interesse Vorrang hat vor dem Recht des Klägers und seiner Familie, ihr Familienleben im Vereinigten Königreich zu führen“.

33.      ZZ legte gegen dieses Urteil Berufung zum Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Vereinigtes Königreich) (im Folgenden: vorlegendes Gericht) ein, der die Berufung zuließ.

34.      Das vorlegende Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Verlangt der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes im Sinne von Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 in dessen Auslegung im Licht von Art. 346 Abs. 1 Buchst. a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, dass ein Rechtsprechungsorgan bei der Prüfung einer Klage gegen eine Entscheidung, mit der ein Mitgliedstaat gegen einen Unionsbürger gemäß Kapitel VI der Richtlinie 2004/38 aus Gründen der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit ein Aufenthaltsverbot verhängt hat, sicherstellen muss, dass der betroffene Unionsbürger über die wesentlichen gegen ihn vorliegenden Gründe informiert wird, obwohl die Behörden des Mitgliedstaats und das zuständige nationale Gericht nach Prüfung aller ihn belastenden Beweise, auf die sich die Behörden des Mitgliedstaats gestützt haben, zu dem Ergebnis gekommen sind, dass die Bekanntgabe der wesentlichen gegen ihn vorliegenden Gründe den Sicherheitsinteressen des Staates zuwiderlaufen würde?

III – Untersuchung

A –    Vorbemerkungen

35.      Die Prüfung von Fällen wie dem, um den es im vorliegenden Verfahren geht, kann nicht erfolgen, ohne dass auf die besondere Natur einer kriminellen Tätigkeit wie des Terrorismus und die Natur der Bekämpfung dieser Plage eingegangen wird.

36.      Der Terrorismus ist eine vom Totalitarismus inspirierte kriminelle Aktivität, die den Grundsatz der individuellen Freiheit leugnet und das Ziel verfolgt, in einer bestimmten Gesellschaft die politische, wirtschaftliche und richterliche Macht an sich zu reißen, um die ihr zugrunde liegende Ideologie dort zu verankern.

37.      Terrorakte bilden als subversive Technik das bevorzugte Mittel, um durch die Erschütterung der politischen Einrichtungen, denen die Fähigkeit genommen wird, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten, die ein entscheidender Faktor des sozialen Zusammenlebens ist, das angestrebte Ziel zu erreichen. Zugleich soll nach diesem Konzept das so geschaffene Klima des Terrors die Bürger veranlassen, aus Angst vor Terrorakten zu resignieren und die Beherrschung zu akzeptieren, um ihre Sicherheit wiederzufinden.

38.      Diese Philosophie des Terrors, der zum Selbstzweck wird, wird durch die Anwendung extrem gewalttätiger und grausamer Methoden umgesetzt, weil die gewalttätigsten und grausamsten, da sie die schockierendsten sind, als zur Erreichung des Ziels am besten geeignet angesehen werden. Die Wahl der Opfer, z. B. Kinder, der Ort der Begehung der Attentate wie Schulen, Krankenhäuser oder Kirchen und die Art der Begehung – isolierte Akte oder Massenmorde – sind Teil dieser Strategie.

39.      Wirkungsvolle Terrorakte müssen vor allem unvorhersehbar sein; der Rückgriff auf „schlafende“ Organisationen oder Agenten ist in diesem Bereich ein klassisches Rezept. Die Art des Angriffs, der vielerlei Gestalt haben muss, um einen größeren Überraschungs- und Terroreffekt zu haben, entspricht derselben Logik.

40.      Die zerstörerische Wirkung der begangenen Handlungen zwingt die öffentliche Gewalt, alle denkbaren Vorbeugungsmaßnahmen zu treffen. Die Vorbeugung wird besonders erschwert durch die soeben – nicht abschließend – beschriebenen Merkmale, die die Anwendung der innovativsten Mittel der modernsten Ermittlungstechniken zwingend erforderlich macht, ohne dass die klassischeren Methoden vernachlässigt werden dürften. Der Schutz der Informationsmittel und ‑quellen hat absoluten Vorrang. Das Ergebnis muss es ermöglichen, das Maß einer potenziellen Bedrohung zu beurteilen, der die auf die ermittelte Gefahr abgestimmte Vorbeugungsmaßnahme entsprechen muss.

41.      Dies erfordert aufgrund der Vielfalt der konkreten Gegebenheiten eine sehr flexible Vorgehensweise. Tatsächlich können sich die Voraussetzungen der Bedrohung und ihrer Bekämpfung je nach Ort und Zeit unterscheiden, wie auch das Bestehen und die Intensität der Gefahr im Rhythmus der Veränderungen der geopolitischen Weltlage variieren können.

42.      Den vielfältigen Formen der Gefahr müssen also ebenso vielfältige Antworten entsprechen, die unter Beachtung der Garantien des Rechtsstaats gegeben werden müssen, obgleich der Terrorismus gerade diesen bedroht.

43.      In einer demokratischen Gesellschaft ist die Wahrung der rechtsstaatlichen Garantien selbst gegenüber denen, die den Rechtsstaat bekämpfen, unerlässlich, um den absoluten Vorrang der demokratischen Werte sicherzustellen; sie darf aber nicht zu einer Art Selbstmord der Demokratie führen.

44.      Somit muss in jedem Einzelfall anhand der Schwere der festgestellten Bedrohung und des mehr oder minder einschneidenden Charakters der Vorbeugungsmaßnahme eine Güterabwägung vorgenommen werden zwischen dem Maß, in dem das Funktionieren des Rechtsstaats eingeschränkt werden kann, einerseits und der Schwere der Gefahr, der dieser durch den Terrorismus ausgesetzt ist, andererseits.

45.      Jemanden zu inhaftieren ist nicht dasselbe wie ihn daran zu hindern, mit dieser oder jener Person aus seinem Bekanntenkreis Kontakt zu halten oder über seine finanziellen Ressourcen zu verfügen, soweit diese nicht für eine angemessene Lebensführung unerlässlich sind.

46.      Somit muss die demokratische Gesellschaft diese Güterabwägung sowohl in der Sache selbst als auch im Hinblick auf die Verfahrensvorschriften vornehmen. Dies macht eine innerstaatliche gerichtliche Kontrolle erforderlich, die glaubhaft und zugleich fähig ist, sich auf die Gegebenheiten jedes konkreten Einzelfalls einzustellen.

B –    Zur Vorlagefrage

47.      Aufgrund der Akten, namentlich der Entscheidung des vorlegenden Gerichts vom 19. April 2011(3), werde ich von dem – natürlich vom vorlegenden Gericht zu bestätigenden – Postulat ausgehen, dass der Fall von ZZ unter Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 fällt, der den stärkstmöglichen Schutz vor Ausweisung vorsieht. Danach darf wie erinnerlich ein Unionsbürger, der seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat hatte, nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit aus diesem Staat ausgewiesen werden.

48.      Wie der Gerichtshof im Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis(4), entschieden und kürzlich im Urteil vom 22. Mai 2012, P. I.(5), bestätigt hat, ergibt sich aus dem Wortlaut und der Systematik von Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38, dass der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er jede Ausweisungsverfügung in den in dieser Bestimmung genannten Fällen vom Vorliegen „zwingender Gründe“ der öffentlichen Sicherheit – einem Begriff, der erheblich enger ist als der der „schwerwiegenden Gründe“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels – abhängig gemacht hat, die auf Abs. 3 gestützten Maßnahmen ganz offensichtlich entsprechend der Ankündigung im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie auf „außergewöhnliche Umstände“ beschränken wollte(6).

49.      Der Gerichtshof hat weiter ausgeführt, dass der Ausdruck „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit“ nicht nur eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit voraussetze, sondern auch einen besonders hohen Schweregrad dieser Beeinträchtigung, der durch die Formulierung „zwingende Gründe“ ausgedrückt werde(7). Nach Auffassung des Gerichtshofs muss es sich um eine besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses handeln, die geeignet sei, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen(8).

50.      Im Übrigen müsse eine Ausweisungsmaßnahme auf eine individuelle Prüfung des Einzelfalls gestützt werden und könne nur dann mit zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit im Sinne von Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 gerechtfertigt werden, wenn sie angesichts der außergewöhnlichen Schwere der Bedrohung für den Schutz der Interessen, die mit ihr gewahrt werden sollten, erforderlich sei, vorausgesetzt, dass dieses Ziel unter Berücksichtigung der Dauer des Aufenthalts des Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat und insbesondere der schweren negativen Folgen, die eine solche Maßnahme für Unionsbürger haben könne, die vollständig in den Aufnahmemitgliedstaat integriert seien, nicht durch weniger strikte Maßnahmen erreicht werden könne(9). Im Rahmen der entsprechenden Beurteilung sei den Grundrechten Rechnung zu tragen, deren Beachtung der Gerichtshof sichere und zu denen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gehöre(10).

51.      Anders als in den Rechtssachen, die zu den Urteilen Tsakouridis und P. I. geführt haben, fragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof hier nicht nach dem Sinn des Begriffs der öffentlichen Sicherheit und ersucht auch nicht um Hinweise für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der vom Secretary of State ergriffenen Maßnahme. Nach der Prüfung dieser Maßnahme durch die SIAC als erster Instanz haben die zwingenden Erfordernisse des Schutzes der öffentlichen Sicherheit hier offensichtlich Vorrang vor dem Recht von ZZ, ein Familienleben im Vereinigten Königreich zu führen(11).

52.      Im vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen geht es vielmehr um die Verfahrensrechte, auf die sich ein Unionsbürger in der Lage von ZZ berufen kann. Der Gerichtshof soll insbesondere entscheiden, ob es dem Unionsrecht entspricht, dass gegen einen Unionsbürger die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit verfügt wird, ohne dass ihm die diese Maßnahme rechtfertigenden Gründe im Einzelnen oder in Form einer Zusammenfassung bekannt gegeben werden, wenn dem Erfordernisse der Sicherheit des Staates entgegenstehen.

53.      Die Bestimmung, die im Mittelpunkt des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens steht, nämlich Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, geht auf Art. 6 der Richtlinie 64/221/EWG zurück(12). Dieser lautet: „Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, bekanntzugeben, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit des Staates dieser Bekanntgabe entgegenstehen.“ Schon im Urteil vom 28. Oktober 1975, Rutili(13), hat der Gerichtshof diese Bestimmung dahin ausgelegt, dass sie insbesondere erfordere, dass der betreffende Staat dem Betroffenen „die Gründe [für die Entscheidung] genau und vollständig eröffnet“, um ihm Gelegenheit zu geben, sich zweckentsprechend zu verteidigen(14).

54.      Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 verweist vor allem auf die „[Einhaltung des Grundsatzes] …, dass behördliche Handlungen ausreichend begründet sein müssen“, wie der Unionsgesetzgeber es im 25. Erwägungsgrund der Richtlinie ausgedrückt hat.

55.      Nach dem Wortlaut des Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 bildet es eindeutig die Regel, dass dem Unionsbürger, gegen den eine Maßnahme verhängt wird, die seine Bewegungs- und Aufenthaltsfreiheit aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit einschränkt, die Gründe für diese Maßnahme genau und vollständig mitgeteilt werden. Nur Gründe der Sicherheit des Staates können dieser Mitteilung ausnahmsweise entgegenstehen.

56.      Die Idee, dass die Verfahrensrechte der Unionsbürger ausnahmsweise eingeschränkt werden können, wenn Gründe der Sicherheit des Staates dies rechtfertigen, findet somit ihren Ausdruck im Wortlaut des Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 selbst.

57.      Das hauptsächliche Problem, das das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen aufwirft, besteht darin, zu bestimmen, wie weit diese Einschränkung gehen kann, ohne dass die Verfahrensrechte, auf die sich die Unionsbürger berufen können, übermäßig beeinträchtigt werden.

58.      Anders ausgedrückt: Wie weit geht die den Mitgliedstaaten durch Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 eröffnete Möglichkeit, von dem Grundsatz einer genauen und vollständigen Mitteilung der Gründe für eine Ausweisungsverfügung abzuweichen? Kann sich genauer gesagt ein Mitgliedstaat unter Berufung auf die Sicherheit des Staates weigern, einem Unionsbürger die Gründe der öffentlichen Sicherheit mitzuteilen, die eine gegen ihn ergangene Ausweisungsverfügung rechtfertigen, und sei es auch nur in Form einer Zusammenfassung der wesentlichen Behauptungen?

59.      Zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage ist darauf hinzuweisen, dass die Begründungspflicht eng mit dem Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte und der Garantie eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes zusammenhängt. So soll die Verpflichtung, eine beschwerende Maßnahme zu begründen, es den Betroffenen ermöglichen, die Gründe für die ergangene Maßnahme in Erfahrung zu bringen, damit sie deren Rechtmäßigkeit beurteilen können, und dem zuständigen Gericht die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe gestatten(15).

60.      Die Verteidigungsrechte sind Grundrechte, die zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, deren Wahrung der Gerichtshof sicherstellt(16). Sie erfordern zum einen, dass dem Betroffenen die ihn belastenden Tatsachen mitgeteilt werden, auf die die ihn beschwerende Maßnahme gestützt wird. Zum anderen muss er zu diesen Tatsachen sachgerecht Stellung nehmen können(17).

61.      Der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt und in den Art. 6 und 13 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)(18) sowie in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankert ist. Dieser Letztere bestimmt in den Abs. 1 und 2:

„Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.“

62.      Nach den Erläuterungen zu Art. 47 der Charta(19) stützt sich dessen Abs. 1 auf Art. 13 EMRK. Abs. 2 entspricht, was das Niveau der gewährten Garantien betrifft, Art. 6 Abs. 1 EMRK; sein Anwendungsbereich geht jedoch über Streitigkeiten im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Ansprüchen und Verpflichtungen hinaus.

63.      Die Vorlagefrage betrifft hauptsächlich den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, denn dem Ersuchen des Secretary of State, ZZ die vertraulichen Informationen, auf die die Entscheidung, ihn nicht in das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs einreisen zu lassen und ihn aus diesem Gebiet auszuweisen, gestützt wurde, wurde von der SIAC in dem bei ihr anhängigen gerichtlichen Verfahren stattgegeben. So fragt das vorlegende Gericht im Wesentlichen, ob es dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes entspricht, dass die zuständige innerstaatliche Behörde und das zuständige innerstaatliche Gericht es in einem gerichtlichen Verfahren zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines Unionsbürgers unter Berufung auf Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit Art. 346 Abs. 1 Buchst. a AEUV ablehnen, dem Betroffenen die wesentliche Gründe für diese Maßnahme mitzuteilen.

64.      Art. 47 der Charta ist im vorliegenden Verfahren sehr wohl anwendbar und kann dem Gerichtshof bei seiner Auslegung als Leitschnur dienen, denn die Entscheidung des Secretary of State, ZZ die Einreise in das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs zu verbieten und ihn aus diesem Gebiet auszuweisen, erging in Durchführung der Richtlinie 2004/38 und insbesondere, wenn man davon ausgeht, dass ZZ der stärkstmögliche Schutz vor Ausweisung zusteht, des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie.

65.      Art. 52 Abs. 1 der Charta lässt Einschränkungen der in dieser verankerten Rechte und Freiheiten zu, sofern diese Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten, unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind und den von der Europäischen Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer entsprechen.

66.      Das in Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 genannte dem Gemeinwohl dienende Ziel besteht im Schutz der Sicherheit des Staates. Dieses Ziel steht im Zusammenhang mit Art. 4 Abs. 2 EUV, wo es heißt:

„[Die Union] achtet die grundlegenden Funktionen des Staates, insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der nationalen Sicherheit. Insbesondere die nationale Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten.“

67.      Im Zusammenhang mit dieser Vorschrift bestimmt Art. 346 Abs. 1 Buchst. a AEUV, dass „ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seines Erachtens seinen wesentlichen Sicherheitsinteressen widerspricht“.

68.      Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 bringt im Bereich der Freizügigkeit und des Aufenthaltsrechts der Unionsbürger das zum Ausdruck, was Art. 346 Abs. 1 Buchst. a AEUV allgemein bestimmt. Das Verständnis dieser letzten Vorschrift ist somit für das vorliegende Verfahren entscheidend.

69.      Dazu enthalten die Urteile vom 15. Dezember 2009, Kommission/Finnland, Kommission/Schweden, Kommission/Deutschland, Kommission/Italien, Kommission/Griechenland, Kommission/Dänemark und Kommission/Italien(20) eine Reihe von Hinweisen. In den diesen Urteilen zugrunde liegenden Rechtssachen warf die Europäische Kommission den genannten Mitgliedstaaten vor, sich zu Unrecht auf Art. 346 AEUV berufen zu haben, um die Zahlung von Zoll für die Einfuhr von militärischen oder sowohl für den zivilen als auch den militärischen Gebrauch bestimmten Gütern zu verweigern. Im Rahmen des Verteidigungsvorbringens dieser Mitgliedstaaten machte die Republik Finnland insbesondere geltend, sie hätte bei der Einfuhr des fraglichen Verteidigungsguts das gemeinschaftliche Zollverfahren nicht einhalten können, ohne Gefahr zu laufen, dass für ihre Sicherheit wesentliche Informationen Dritten zur Kenntnis gelangt wären(21).

70.      In diesen Urteilen hat der Gerichtshof zunächst daran erinnert, dass es nach ständiger Rechtsprechung zwar Sache der Mitgliedstaaten sei, die geeigneten Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer inneren und äußeren Sicherheit zu ergreifen. Dies bedeute jedoch nicht, dass solche Maßnahmen der Anwendung des Unionsrechts völlig entzogen seien(22). Er hat ferner darauf hingewiesen, dass die in Art. 346 AEUV vorgesehenen Ausnahmen eng auszulegen seien. Zwar spreche dieser Artikel von Maßnahmen, die ein Mitgliedstaat als für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich ansehe, und von Auskünften, deren Preisgabe nach Ansicht des Mitgliedstaats diesen Interessen widerspreche, jedoch könne er nicht als eine Ermächtigung der Mitgliedstaaten dazu ausgelegt werden, durch bloße Berufung auf diese Interessen von den Bestimmungen des AEU-Vertrags abzuweichen(23). Es sei daher Sache des Mitgliedstaats, der sich auf Art. 346 AEUV berufe, nachzuweisen, dass eine Inanspruchnahme der in diesem Artikel geregelten Abweichung erforderlich sei, um seine wesentlichen Sicherheitsinteressen zu wahren.

71.      In dem besonderen Zusammenhang der diesen Urteilen zugrunde liegenden Rechtssachen hat der Gerichtshof entschieden, dass die Mitgliedstaaten der Kommission alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen hätten, die erforderlich seien, um zu überprüfen, ob die Eigenmittel der Union ordnungsgemäß überwiesen worden seien. Diese Verpflichtung schließe jedoch nicht aus, dass die Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Art. 346 EG die Übermittlung der Informationen im Einzelfall ausnahmsweise auf bestimmte Teile eines Schriftstücks beschränken oder ganz ablehnen könnten(24).

72.      Den Überlegungen des Gerichtshofs in diesen Rechtssachen lassen sich mehrere nützliche Hinweise für die Entscheidung der vorliegenden Rechtssache entnehmen.

73.      Zunächst ist klar, dass die Berufung eines Mitgliedstaats auf Gründe der Sicherheit des Staates die Anwendung des Unionsrechts, namentlich der von der Charta geschützten Grundrechte, nicht ausschließt. Diese Berufung allein reicht auch nicht als Rechtfertigung dafür aus, dass ein Mitgliedstaat es ablehnt, einem Unionsbürger die Gründe für eine gegen ihn erlassene Ausweisungsverfügung oder Einreiseverweigerung genau und vollständig mitzuteilen.

74.      Wenn ein Mitgliedstaat geltend machen will, dass Gründe der Sicherheit des Staates es verbieten, einem Unionsbürger die seine Ausweisung rechtfertigenden Gründe der öffentlichen Sicherheit mitzuteilen, muss er vor dem nationalen Gericht, das mit einer Klage gegen die Ausweisungsverfügung befasst ist, beweisen, dass die Anwendung der in Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Ausnahme notwendig ist. Er muss somit den Nachweis dafür erbringen, dass legitime Sicherheitsbedürfnisse betreffend die Natur und die Quellen der beim Erlass der Entscheidung berücksichtigten Informationen dafür sprechen, die Gründe nur teilweise oder gar nicht bekannt zu geben. Mangels eines solchen Nachweises muss das nationale Gericht dem Grundsatz der genauen und vollständigen Mitteilung der die Ausweisung eines Unionsbürgers rechtfertigenden Gründe stets Vorrang einräumen.

75.      Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der zuständigen nationalen Behörde, die Gründe für eine Ausweisungsmaßnahme nicht genau und vollständig bekannt zu geben, muss das nationale Gericht berücksichtigen, dass die in Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Ausnahme eng auszulegen ist.

76.      Ferner müsste eine Bekanntgabe der wesentlichen Vorwürfe, auf die die Feststellung gestützt wird, dass der Unionsbürger eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend immer der Geheimhaltung der Gründe vorgezogen werden, vorausgesetzt, dass eine Zusammenfassung der Gründe mit dem Erfordernis des Schutzes der Sicherheit des Staates vereinbar ist. Folglich dürfen die mit der öffentlichen Sicherheit zusammenhängenden Gründe nur in Ausnahmefällen völlig verschwiegen werden.

77.      Somit kann gemäß der Regel, dass die Erfüllung der Verpflichtung zur Begründung eines beschwerenden Rechtsakts insbesondere anhand seines Kontexts zu beurteilen ist(25), die Bekanntgabe gegenüber dem Unionsbürger der seine Ausweisung rechtfertigenden Gründe der öffentlichen Sicherheit nach Maßgabe der zwingenden Erfordernisse der Sicherheit des Staates abgestuft werden. Diese Abstufung muss nach einer Skala vorgenommen werden, die von der genauen und vollständigen Mitteilung der Gründe über die Mitteilung einer Zusammenfassung der Gründe als Zwischenlösung bis hin zum Verschweigen der Gründe reicht, wenn die Sicherheit des Staates dies erfordert.

78.      Meines Erachtens ist es in Fällen, in denen die bloße Bekanntgabe der wesentlichen gegen einen Unionsbürger erhobenen Vorwürfe die Sicherheit des Staates, insbesondere die legitimen Sicherheitsbedürfnisse der Mitgliedstaaten betreffend die Natur und die Quellen der beim Erlass der Ausweisungsentscheidung berücksichtigten Informationen, beeinträchtigen kann, absolut erforderlich, die Möglichkeit der Geheimhaltung der Gründe der öffentlichen Sicherheit für diese Entscheidung aufrechtzuerhalten.

79.      Selbst wenn diese Möglichkeit auf Ausnahmefälle beschränkt ist, muss sie im Rahmen der Auslegung des Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 aufrechterhalten werden, da anderenfalls Art. 346 Abs. 1 Buchst. a AEUV seine praktische Wirksamkeit weitgehend verlieren würde.

80.      Auch wenn die Mitgliedstaaten die Ausübung des Freizügigkeitsrechts der Unionsbürger nicht willkürlich beschränken dürfen, dürfen umgekehrt die Zwänge, die sich für sie aus der Wahrung der Verteidigungsrechte und des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ergeben, sie nicht davon abhalten, die zum Schutz der öffentlichen Sicherheit geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Union nach Art. 3 Abs. 2 EUV zwar ihren Bürgern einen Raum bieten will, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, jedoch auch das Ziel verfolgt, einen Raum der Sicherheit zu bieten, in dem die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität gewährleistet werden. Die von einigen im vorliegenden Verfahren vertretene Auffassung, dass ein Mitgliedstaat, nach dessen Überzeugung die Bekanntgabe der wesentlichen Gründe der Sicherheit des Staates zuwiderläuft, nur zwei Möglichkeiten habe, nämlich entweder die Ausweisung unter Bekanntgabe der sie rechtfertigenden Gründe der öffentlichen Sicherheit vorzunehmen oder ganz einfach auf die Ausweisung des Betroffenen zu verzichten, ist deshalb zurückzuweisen. Mit anderen Worten besteht meines Erachtens keine allgemeine und systematische Verpflichtung zur Bekanntgabe der Gründe, die die Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen veranlassen könnte, auf – gerichtlich nachprüfbare – Maßnahmen zu verzichten, die sie für den Schutz der öffentlichen Sicherheit für erforderlich halten.

81.      Nach alledem bin ich der Meinung, dass Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 unter Berücksichtigung von Art. 47 der Charta und Art. 346 Abs. 1 Buchst. a AEUV dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat in Ausnahmefällen, die durch die Notwendigkeit, die Sicherheit des Staates zu gewährleisten, gerechtfertigt sind, gestattet, es unter der Kontrolle des nationalen Gerichts abzulehnen, einem Unionsbürger die Gründe der öffentlichen Sicherheit für seine Ausweisung im Einzelnen oder auch nur in Form einer Zusammenfassung bekannt zu geben.

82.      Diese Antwort reicht jedoch nicht aus, um zu einem befriedigenden Ausgleich zwischen den Sicherheitsinteressen des Staates und den den Unionsbürgern zustehenden Verfahrensrechten zu gelangen.

83.      Die Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte und des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes durch die Anwendung der in Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Ausnahme ist nur dann mit Art. 47 der Charta vereinbar, wenn sie durch angemessene Verfahrensmechanismen ausgeglichen wird, die geeignet sind, ein billiges Ergebnis des Verfahrens zu gewährleisten. Nur unter dieser Voraussetzung steht die Beeinträchtigung der dem Unionsbürger zustehenden Verfahrensrechte in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ziel des Schutzes der wesentlichen Sicherheitsinteressen des Mitgliedstaats.

84.      Die Richtlinie 2004/38 enthält keine derartigen Verfahrensmechanismen. Es ist deshalb Sache der Mitgliedstaaten, diese entsprechend dem Grundsatz der Verfahrensautonomie zu entwickeln.

85.      Ob ein gerechter Ausgleich zwischen dem Anspruch des Unionsbürgers auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und den Erfordernissen der Sicherheit des Staates gewährleistet ist, ist also letztlich in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung des Kontexts des Verfahrens zu entscheiden, in dem sich ein Mitgliedstaat auf die Ausnahmeregelung des Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 beruft.

86.      Somit ist, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgeführt hat, zu prüfen, ob das fragliche nationale Verfahrensrecht „Techniken vorsieht, die es ermöglichen, die legitimen Sicherheitsbedürfnisse betreffend die Natur und die Quellen von Informationen mit der Notwendigkeit in Einklang zu bringen, dem Bürger ausreichenden Verfahrensschutz zu gewähren“(26).

87.      Das vom Vereinigten Königreich geschaffene System beruht auf einer von der SIAC vorzunehmenden formellen wie auch inhaltlichen gerichtlichen Nachprüfung der Ausweisungsverfügungen und Einreiseverbote. Wenn sich der Secretary of State auf die Vertraulichkeit bestimmter Informationen beruft, kann die SIAC prüfen, ob deren Geheimhaltung notwendig ist. Ihr sind alle Tatsachen und Beweise bekannt, auf die der Secretary of State seine Entscheidung gestützt hat. Bestätigt die Prüfung aller dieser Gegebenheiten die Notwendigkeit, bestimmte Informationen nicht bekannt zu geben, so ergeht in der Angelegenheit nicht nur ein öffentliches Urteil, sondern auch ein vertrauliches Urteil, dessen Inhalt weder dem Kläger noch seinem Vertreter bekannt gegeben wird.

88.      Außer der gerichtlichen Nachprüfung sowohl der Rechtmäßigkeit der Ausweisung als auch der Notwendigkeit der Geheimhaltung bestimmter Informationen sieht das Verfahrensrecht in Fällen, die die nationale Sicherheit berühren, zusätzlich die Benennung eines „Spezialanwalts“ vor. Dieser hat in Fällen, in denen es aus Gründen der nationalen Sicherheit notwendig ist, dass das angerufene Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Abwesenheit des Betroffenen und seines Vertreters tagt, die Aufgabe, im Verfahren die Interessen des Betroffenen wahrzunehmen. Insoweit besteht seine Rolle darin, eine möglichst weitgehende Bekanntgabe der belastenden Umstände zu erreichen und die Relevanz der vertraulich bleibenden Informationen zu beurteilen.

89.      Dieses vom Vereinigten Königreich im Rahmen seiner Verfahrensautonomie geschaffene System entspricht meines Erachtens den Anforderungen, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung zu den Verfahrensgarantien bei der Ausweisung oder beim Einreiseverbot für Ausländer aufgestellt hat. Diese ergeben sich je nachdem aus den Art. 8 und 13 EMRK(27) und aus Art. 1 des am 22. November 1984 in Straßburg unterzeichneten Protokolls Nr. 7 zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: Protokoll Nr. 7)(28).

90.      Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verpflichtet Art. 13 in Verbindung mit Art. 8 EMRK, wenn die Ausweisung das Recht eines Ausländers auf Achtung seines Familienlebens beeinträchtigen kann, die Mitgliedstaaten dazu, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, diese Ausweisung effektiv in einem Verfahren anzufechten, in dem alle für deren Erlass wesentlichen Umstände unter Anwendung ausreichender Verfahrensgarantien gründlich durch eine Instanz nachgeprüft werden, die angemessene Garantien für ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bietet(29).

91.      Bei Ausweisungen aus Gründen der nationalen Sicherheit können nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestimmte Verfahrensbeschränkungen notwendig sein, um sicherzustellen, dass keine Information zum Schaden der nationalen Sicherheit bekannt gegeben wird, und die mit einer Klage gegen eine Ausweisungsverfügung befasste unabhängige Instanz ist möglicherweise gehalten, den zuständigen nationalen Behörden insoweit ein weites Ermessen einzuräumen. Derartige Beschränkungen können es jedoch nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte keinesfalls rechtfertigen, jeden Rechtsbehelf auszuschließen, sobald sich die zuständige nationale Behörde auf die „nationale Sicherheit“ beruft(30).

92.      Der Maßstab, den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei der konkreten Prüfung der Vereinbarkeit einer Ausweisung mit Art. 13 EMRK anlegt, umfasst zunächst das Erfordernis, dass, auch wenn eine Beeinträchtigung der nationalen Sicherheit geltend gemacht wird, die Gewährleistung einer effektiven Klagemöglichkeit zumindest verlangt, dass die unabhängige Instanz, die über die Klage zu entscheiden hat, über die Gründe der streitigen Entscheidung unterrichtet wird, selbst wenn diese der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Diese Instanz muss befugt sein, die Behauptung der zuständigen nationalen Stelle, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestehe, zurückzuweisen, wenn sie sie für willkürlich oder missbräuchlich hält. Darüber hinaus muss ein auf die eine oder andere Weise kontradiktorisch ausgestaltetes Verfahren bestehen, zu dem erforderlichenfalls ein Spezialvertreter hinzugezogen wird, der über eine Zulassung verfügt, die den Sicherheitsbedürfnissen Rechnung trägt. Außerdem muss die unabhängige Instanz prüfen, ob die streitige Maßnahme das Recht auf den Schutz des Familienlebens des Betroffenen verletzt, und gegebenenfalls, ob ein gerechter Ausgleich zwischen dem Gemeinwohl und den Rechten des Einzelnen gefunden wurde(31).

93.      Wenn nur Art. 8 EMRK angewandt wird, sind die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geforderten Verfahrensgarantien im Wesentlichen dieselben(32).

94.      Auch Art. 1 des Protokolls Nr. 7 enthält meines Erachtens keine Garantien, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die sich aus den Art. 8 und 13 EMRK ergeben, so dass die Feststellung eines Verstoßes gegen die Art. 8 und/oder 13 automatisch auch die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 1 des Protokolls Nr. 7 impliziert(33).

95.      In den genannten Rechtssachen stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass die gerichtliche Nachprüfung durch die nationalen Organe nicht stattgefunden hatte oder rein formal war, sei es, weil diese nicht über genug Informationen verfügten, um nachzuprüfen, ob die Behauptung, dass der Kläger eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstelle, zutraf oder nicht(34), sei es, weil sie meinten, für eine solche Nachprüfung nicht zuständig zu sein(35).

96.      Deshalb fordert der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in erster Linie, dass die Ausweisungsmaßnahmen einer unabhängigen und strengen gerichtlichen Kontrolle zu unterscheiden seien. Diese Kontrolle müsse außerdem in einem Verfahren erfolgen, das auf die eine oder andere Weise kontradiktorisch ausgestaltet ist. Dieser Gerichtshof weist insoweit auf die Lösung der Benennung eines Spezialvertreters hin, der über eine Zulassung verfügt, die den Sicherheitsbedürfnissen Rechnung trägt.

97.      Die weitere Feststellung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in einigen dieser Rechtssachen, dass den Klägern nicht mitgeteilt worden sei, welche Handlungen ihnen zur Last gelegt würden(36), scheint mir für die Prüfung der Frage, ob zu ihren Gunsten ausreichende Garantien gegen Willkür bestanden, nicht entscheidend, denn in diesen Rechtssachen ergab sich der Verstoß gegen die Art. 8 und 13 EMRK meines Erachtens daraus, dass die Geheimhaltung der belastenden Umstände gegenüber den Klägern weder durch eine unabhängige und strenge gerichtliche Kontrolle des tatsächlichen Bestehens der Gefahr für die nationale Sicherheit noch durch die Einführung eines wirklich kontradiktorischen Verfahrens ausgeglichen wurde.

98.      Unter Berücksichtigung des Maßstabs, den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an die bei Ausweisungen und Einreiseverboten zu beachtenden Verfahrensgarantien angelegt hat, bin ich der Auffassung, dass das vom Vereinigten Königreich geschaffene Verfahren es ermöglicht, in diesem Bereich einen gerechten Ausgleich zwischen den den Unionsbürgern zustehenden Verfahrensrechten und den Sicherheitsinteressen des Staates herzustellen.

99.      Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in den gegen das Vereinigte Königreich angestrengten Verfahren ausgeführt hat, ist die SIAC ein völlig unabhängiges Justizorgan, das über die Handlungen vollständig informiert ist, die einer von einer Ausweisungsmaßnahme betroffenen Person vorgeworfen werden, und auch befugt ist, diese Maßnahme aufzuheben, wenn nicht ordnungsgemäß nachgewiesen ist, dass diese Person eine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellt. Die SIAC würdigt zu diesem Zweck alle relevanten vertraulichen und nicht vertraulichen Beweismittel, wobei sie dafür Sorge trägt, dass dem Kläger keine Information unnötig vorenthalten wird(37). Ferner kann die Befugnis der Spezialanwälte, die Belastungszeugen über die Notwendigkeit der Vertraulichkeit zu befragen und die Richter um Bekanntgabe zusätzlicher Informationen zu ersuchen, eine weitere Garantie bilden(38) und zu einer Verringerung des Risikos von Irrtümern beitragen, die der SIAC bei der Berücksichtigung geheim gehaltener Beweise unterlaufen könnten(39).

100. Angesichts dessen und in Anbetracht des Ermessens, das den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Verfahrensgarantien zur Sicherstellung eines Ausgleichs zwischen den verschiedenen bestehenden Interessen eingeräumt werden muss, meine ich, dass die vom Vereinigten Königreich erlassenen Verfahrensregeln dem nationalen Gericht die Mittel an die Hand geben, die dieses benötigt, um zu einem billigen Ergebnis zu gelangen.

101. Da die Gründe für Einreiseverbote und Ausweisungsverfügungen Unionsbürgern prinzipiell genau und vollständig mitgeteilt werden müssen, ist das nationale Gericht nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, alle ihm zur Verfügung stehenden Verfahrensmechanismen zu nutzen, um den Umfang der Bekanntgabe der Gründe der öffentlichen Sicherheit an die Erfordernisse der Sicherheit des Staates anzupassen.

102. Aufgrund dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 unter Berücksichtigung von Art. 47 der Charta und Art. 346 Abs. 1 Buchst. a AEUV dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat in Ausnahmefällen, die durch die Notwendigkeit, die Sicherheit des Staates zu gewährleisten, gerechtfertigt sind, gestattet, es unter der Kontrolle des nationalen Gerichts abzulehnen, einem Unionsbürger die Gründe der öffentlichen Sicherheit für seine Ausweisung im Einzelnen oder auch nur in Form einer Zusammenfassung bekannt zu geben, sofern das nationale Verfahrensrecht Techniken vorsieht, die es ermöglichen, die legitimen Sicherheitsbedürfnisse betreffend die Natur und die Quellen der beim Erlass der Ausweisungsentscheidung berücksichtigten Informationen mit der Notwendigkeit in Einklang zu bringen, dem Bürger ausreichenden Verfahrensschutz zu gewähren. Das nationale Gericht ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, alle ihm zur Verfügung stehenden Verfahrensmechanismen zu nutzen, um den Umfang der Bekanntgabe der Gründe der öffentlichen Sicherheit an die Erfordernisse der Sicherheit des Staates anzupassen.

103. Entgegen dem Vorbringen von ZZ, der Kommission und der EFTA-Überwachungsbehörde glaube ich nicht, dass das genannte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Rechtssache A. u. a./Vereinigtes Königreich etwas an dem soeben beschriebenen Maßstab für Einreiseverbote und Ausweisungen von Unionsbürgern aus Gründen der öffentlichen Sicherheit ändert. Insbesondere stellt dieses Urteil keinen Grundsatz dahin gehend auf, dass den von derartigen Maßnahmen Betroffenen mindestens und ausnahmslos die wesentlichen gegen sie sprechenden Gründe der öffentlichen Sicherheit bekannt gegeben werden müssten, und zwar auch dann, wenn Erfordernisse der Sicherheit des Staates dem entgegenstehen.

104. Entscheidend ist insoweit vor allem, dass dieses Urteil die Besonderheit aufweist, dass es Voraussetzungen für die Beachtung von Art. 5 Abs. 4 EMRK bei Inhaftierung von Ausländern aufstellt, die terroristischer Handlungen verdächtigt werden. Es ging dort um Vorschriften des Vereinigten Königreichs, nach denen diese bis zu ihrer Abschiebung ohne Prozess und für unbeschränkte Zeit in Haft gehalten werden konnten.

105. Art. 5 Abs. 4 EMRK ist eine Spezialvorschrift gegenüber den allgemeineren Voraussetzungen des Art. 13 EMRK(40). Im Rahmen der Anwendung des Art. 5 Abs. 4 EMRK hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte anerkannt, dass sich die Verwendung von vertraulichen Informationen als unerlässlich erweisen könne, wenn die nationale Sicherheit im Spiel sei; er hat jedoch gleichzeitig klargestellt, dass dies nicht bedeute, dass die nationalen Behörden keiner Kontrolle durch die innerstaatlichen Gerichte unterlägen, sobald sie erklärten, dass die Rechtssache die nationale Sicherheit und den Terrorismus betreffe(41).

106. In seinem Urteil A. u. a./Vereinigtes Königreich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zunächst festgestellt: „Unter Berücksichtigung der Umstände der vorliegenden Rechtssache und der dramatischen Folgen, die der lange Freiheitsentzug der Kläger – der seinerzeit offensichtlich unbegrenzt andauern konnte – für die ihnen zustehenden Grundrechte hatte, muss davon ausgegangen werden, dass Art. 5 Abs. 4 [EMRK] Garantien enthält, die im Wesentlichen mit denen übereinstimmen, die in dem das Strafrecht betreffenden Teil des Art. 6 Abs. 1 [EMRK] vorgesehen sind.“(42)

107. Was die im Strafverfahren zu beachtenden Anforderungen betrifft, heißt es in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: „Der durch Art. 6 [EMRK] garantierte Anspruch auf ein faires Strafverfahren umfasst das Recht auf Bekanntgabe aller im Besitz der Strafverfolgungsbehörden befindlichen entscheidungserheblichen Beweise, und zwar der belastenden ebenso wie der entlastenden Beweise.“(43) Dieser Gerichtshof hat jedoch weiter erklärt, dass „es sich bisweilen aus Gründen des öffentlichen Interesses als notwendig erweisen kann, der Verteidigung bestimmte Beweise nicht bekannt zu geben“(44). Er hat dazu ausgeführt, dass der Anspruch auf Bekanntgabe der erheblichen Beweise nicht absolut sei(45) und dass „das Recht auf ein völlig kontradiktorisches Verfahren in dem Maße eingeschränkt werden kann, in dem dies unerlässlich ist für die Wahrung eines wesentlichen öffentlichen Interesses wie der nationalen Sicherheit, der Notwendigkeit der Geheimhaltung bestimmter kriminalpolizeilicher Ermittlungsmethoden oder des Schutzes der Grundrechte eines Dritten“(46). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch klargestellt: „Wenn man dem Angeklagten ein faires Verfahren garantieren will, müssen alle Schwierigkeiten, die der Verteidigung aus einer Einschränkung ihrer Rechte erwachsen, in ausreichendem Maße durch das Verfahren vor dem Gericht ausgeglichen werden.“(47) Er hat sodann geprüft, ob das Verfahren insgesamt fair war(48) und „inwieweit die bestehenden ausgleichenden Maßnahmen dem Umstand abhelfen konnten, dass das Verfahren nur teilweise kontradiktorischen Charakter hatte“(49). Abschließend hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgeführt, dass eine Verurteilung nicht ausschließlich oder wesentlich auf vertrauliche Beweismittel gestützt werden dürfe, deren Inhalt dem Angeklagten oder seinem Vertreter in keinem Stadium des Verfahrens zur Kenntnis gebracht worden sei(50).

108. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat somit im Rahmen des Art. 5 Abs. 4 EMRK Garantien angewandt, die wesentlich mit denen übereinstimmen, die in dem das Strafrecht betreffenden Teil des Art. 6 Abs. 1 EMRK vorgesehen sind, und in seinem vorgenannten Urteil A. u. a./Vereinigtes Königreich ausgeführt, dass „es wesentlich ist, dass jedem Kläger so viele Informationen wie möglich über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und ihn belastenden Umstände gegeben werden, ohne dass die nationale Sicherheit oder die Sicherheit Dritter dadurch beeinträchtigt wird“(51). Er hat weiter dargelegt: „Wenn die vollständige Bekanntgabe der fraglichen Informationen ausgeschlossen war, erforderte es die Beachtung des Art. 5 Abs. 4 [EMRK], die sich aus dieser Einschränkung ergebenden Nachteile so auszugleichen, dass jeder Betroffene die Möglichkeit hatte, die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen sachgerecht zu bestreiten.“(52)

109. Im Rahmen der Prüfung des in dem Gesetz über die SIAC vorgesehenen Verfahrens im Hinblick auf diese Erfordernisse hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt, dass „die SIAC die am besten geeignete Instanz sei, um darüber zu wachen, dass den Inhaftierten keine Information überflüssigerweise verschwiegen wird“(53), und auch die „wichtige Rolle“(54) der Spezialanwälte betont, jedoch zugleich darauf hingewiesen, dass diese „[ihre] Aufgabe nur dann wirksam erfüllen können, wenn die Inhaftierten so ausreichend über die gegen sie erhobenen Vorwürfe unterrichtet worden sind, dass sie ihnen zweckdienliche Weisungen erteilen können“(55). Weiter hat er ausgeführt: „Wenn die nicht vertraulichen Elemente ausschließlich in allgemeinen Behauptungen bestanden hätten und sich die SIAC ausschließlich oder wesentlich auf geheime Dokumente gestützt hätte, um der Ausstellung eines Zertifikats zuzustimmen oder die Haft der Betroffenen zu verlängern, wären die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 4 [EMRK] nicht erfüllt gewesen.“(56)

110. Zwar lässt sich, wenn man das Ausgangsverfahren unter dem Gesichtspunkt der so verstandenen Anforderungen des Art. 5 Abs. 4 EMRK prüft, schwerlich bejahen, dass das Verfahren der Billigkeit entsprach. Denn unstreitig hat ZZ nur wenige Informationen über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe erhalten, und die wesentlichen Gründe für die Ausweisungsmaßnahme blieben während des gesamten Verfahrens vor der SIAC vertraulich. Diese hat selbst eingeräumt, dass es aus Gründen, die nur in dem vertraulichen Urteil angegeben würden, zu der Überzeugung gelangt sei, dass das persönliche Verhalten von ZZ eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich die öffentliche Sicherheit, berühre, und dass diese Gefahr schwerer wiege als sein Recht, ein Familienleben im Vereinigten Königreich zu führen(57).

111. Meines Erachtens verlangt Art. 47 der Charta jedoch nicht, dass ebenso strenge Garantien wie die, die sich aus dem das Strafrecht betreffenden Teil des Art. 6 Abs. 1 EMRK ergeben, entsprechend für Klagen gegen Ausweisungsverfügungen gelten müssen. Es trifft meiner Meinung nach zu, dass die Anforderungen, die an ein der Billigkeit entsprechendes Verfahren zu stellen sind, nach der Art der angefochtenen Entscheidung und den Umständen des Einzelfalls variieren können(58). Ich verstehe deshalb, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte angesichts der Situation inhaftierter Kläger einen strengeren Maßstab an die Verfahrensrechte angelegt hat als bei der Beurteilung der Vereinbarkeit von Ausweisungsverfügungen mit den Art. 8 und 13 EMRK. Im Übrigen hat er in seinem vorgenannten Urteil Othman (Abu Qatada)/Vereinigtes Königreich deutlich gemacht, dass die Erwägungen, die er im Urteil A. u. a./Vereinigtes Königreich angestellt hat, keine allgemeine Geltung besäßen. Er hat damit klargestellt, dass ein und dasselbe nationale Verfahren hinsichtlich der Frage der Billigkeit unterschiedlich beurteilt werden kann, je nachdem, in welchem Kontext die Beurteilung erfolgt(59).

112. Im Zuge dieser Überlegungen zur Variabilität des je nach dem Kontext anzuwendenden Maßstabs ist weiter festzustellen, dass die Besonderheit des nationalen Verfahrensrechts, um das es im Ausgangsverfahren geht, sowie der Umstand, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern betrifft, gegen eine analoge Anwendung der Erwägungen des Gerichtshofs im Urteil Kadi und Al Barakka International/Rat und Kommission sprechen. In diesem Urteil hatte der Gerichtshof hinsichtlich der Verteidigungsrechte und des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes Anforderungen bezüglich des Einfrierens von Geldern und Finanzquellen gestellt, die sich aus dem besonderen Verfahrenskontext des Erlasses derartiger Maßnahmen erklären. Dies hindert nicht den Hinweis darauf, dass der Gerichtshof ausdrücklich festgestellt hat, dass „zwingende Erwägungen der Sicherheit oder der Gestaltung der internationalen Beziehungen der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten der Mitteilung bestimmter Umstände an die Betroffenen entgegenstehen können“(60).

113. Ich wende mich schließlich dem Vorbringen der EFTA‑Überwachungsbehörde zu, dass es nicht folgerichtig sei, dass nach einer Rechtsprechung des House of Lords(61) einer Person, gegen die ein „Control order“ nach dem Prevention of Terrorism Act 2005 (Gesetz von 2005 zur Verhütung des Terrorismus) ergehe, die wesentlichen gegen sie erhobenen Vorwürfe mitgeteilt werden könnten, nicht dagegen einem Unionsbürger, gegen den eine Ausweisungsverfügung erlassen werde.

114. Wie ich bereits ausgeführt habe, kann der Umfang der Bekanntgabe der mit der öffentlichen Sicherheit zusammenhängenden Gründe nach dem Kontext des Verfahrens, in dem die streitige Entscheidung ergeht, und nach der Art der in Rede stehenden Maßnahmen variieren. „Control orders“ sind Maßnahmen, durch die in verschiedenen Formen die Freiheit von Personen eingeschränkt wird, gegen die Terrorismusverdacht besteht, z. B., was ihren Wohnort, ihre Reisen, ihre Beziehungen und die Benutzung von Kommunikationsmitteln betrifft. Diese Maßnahmen können in ihrer schärfsten Form ähnliche Wirkungen haben wie eine Inhaftierung. Bei den „Control orders“ handelt es sich somit um Maßnahmen besonderer Art, die meines Erachtens mit den Ausweisungsverfügungen nach der Richtlinie 2004/38 nicht vergleichbar sind. Ohnehin ist der bloße Umstand, dass ein nationales Gericht es für zweckmäßig hält, den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil A. u. a./Vereinigtes Königreich aufgestellten Maßstab im Rahmen der Anwendung eines nationalen Gesetzes zur Verhütung des Terrorismus nicht nur auf die Haft, sondern darüber hinaus auf andere Maßnahmen anzulegen, nicht geeignet, einen Einfluss auf die Strenge der Verfahrensanforderungen auszuüben, die sich meines Erachtens im Rahmen der Anwendung des Unionsrechts aus Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 unter Berücksichtigung von Art. 47 der Charta und Art. 346 Abs. 1 Buchst. a AEUV ergeben.

IV – Ergebnis

115. Aufgrund dieser Überlegungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG ist unter Berücksichtigung von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 346 Abs. 1 Buchst. a AEUV dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat in Ausnahmefällen, die durch die Notwendigkeit, die Sicherheit des Staates zu gewährleisten, gerechtfertigt sind, gestattet, es unter der Kontrolle des nationalen Gerichts abzulehnen, einem Unionsbürger die Gründe der öffentlichen Sicherheit für seine Ausweisung im Einzelnen oder auch nur in Form einer Zusammenfassung bekannt zu geben, sofern das nationale Verfahrensrecht Techniken vorsieht, die es ermöglichen, die legitimen Sicherheitsbedürfnisse betreffend die Natur und die Quellen der beim Erlass der Ausweisungsentscheidung berücksichtigten Informationen mit der Notwendigkeit in Einklang zu bringen, dem Bürger ausreichenden Verfahrensschutz zu gewähren.

Das nationale Gericht ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, alle ihm zur Verfügung stehenden Verfahrensmechanismen zu nutzen, um den Umfang der Bekanntgabe der Gründe der öffentlichen Sicherheit an die Erfordernisse der Sicherheit des Staates anzupassen.


1 – Originalsprache: Französisch.


2–      ABl. L 158, S. 77 und Berichtigung ABl. 2004, L 229, S. 35.


3 – ZZ gegen Secretary of State for the Home Department [2011] EWCA Civ 440 (Randnr. 11), zu konsultieren unter der Internetadresse http://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Civ/2011/440.html.


4–      C‑145/09, Slg. 2010, I-11979.


5–      C‑348/09.


6–      Ebd. (Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).


7–      Ebd. (Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).


8–      Ebd. (Randnr. 28).


9–      Urteil Tsakouridis (Randnr. 49).


10–      Ebd. (Randnr. 52).


11 – Siehe ZZ v Secretary of State for the Home Department [2008] UKSIAC 63/2007, nachzulesen unter der Internetadresse http://www.bailii.org/uk/cases/SIAC/2008/63_2007.html. Die SIAC führt in Nr. 21 aus:


„For reasons which are given in the open and closed Judgments, read together, we are satisfied that the imperative grounds of public security which we have identified in the closed Judgment outweigh the compelling family circumstances of ZZ’s family so as to justify the Secretary of State’s decision to exclude him from the United Kingdom.“


12–      Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. 1964, Nr. 56, S. 850).


13–      36/75 (Slg. 1975, 1219).


14–      Randnr. 39.


15–      Vgl. u. a. Urteil vom 29. Juni 2010, E und F (C‑550/09, Slg. 2010, I‑6213, Randnr. 54).


16–      Vgl. u. a Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission (C‑110/10 P, Slg. 2011, I‑10439, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).


17 – Vgl. u. a. Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 21. März 2012, Fulmen und Mahmoudian/Rat (T‑439/10 und T‑440/10, Randnr. 72).


18–      Vgl. u. a. Urteil vom 22. Dezember 2010, DEB (C‑279/09, Slg. 2010, I‑13849, Randnr. 29).


19–      Vgl. Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17).


20 – C‑284/05 (Slg. 2005, I‑11705); C‑294/05 (Slg. 2005, I‑11777); C‑372/05 (Slg. 2005, I‑11801); C‑387/05 (Slg. 2005, I‑11831); C‑409/05 (Slg. 2005, I‑11859); C‑461/05 (Slg. 2005, I‑11887) und C‑239/06 (Slg. 2005, I‑11913).


21–      Urteil Kommission/Finnland (Randnr. 36). Vgl. in demselben Sinne die vorgenannten Urteile Kommission/Deutschland (Randnrn. 58 f.), Kommission/Griechenland (Randnrn. 44 f.) und Kommission/Dänemark (Randnrn. 42 f.).


22 – Vgl. unter diesen Urteilen das Urteil Kommission/Finnland (Randnr. 45).


23–      Ebd. (Randnr. 47).


24–      Ebd. (Randnr. 53).


25–      Vgl. u. a. Urteil vom 28. Juli 2011, Agrana Zucker (C‑309/10, Slg. 2011, I‑7333, Randnr. 35).


26 – Vgl. Urteil des EGMR vom 15. November 1996, Chahal/Vereinigtes Königreich, Recueil des arrêts et décisions 1996-V, Randnr. 131. Vgl. auch betreffend Gemeinschaftsmaßnahmen zum Einfrieren von Geldern Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, Slg. 2005, I‑6351, Randnr. 344).


27 – Vgl. u. a. Urteile des EGMR vom 20. Juni 2002, Al-Nashif/Bulgarien; vom 11. Februar 2010, Raza/Bulgarien; vom 2. September 2010, Kaushal u. a./Bulgarien, und vom 26. Juli 2011, Liu/Russland.


28 – Vgl. u. a. Urteile des EGMR vom 12. Oktober 2006, Kaya/Rumänien; vom 24. April 2008, C.G. u. a./Bulgarien, und vom 15. Februar 2011, Geleri/Rumänien. Obwohl das Protokoll Nr. 7 im Vereinigten Königreich nicht anwendbar ist, halte ich es der Vollständigkeit halber für sachdienlich, die dieses Protokoll betreffende Rechtsprechung zu erwähnen.


29 – Vgl. u. a. die vorgenannten Urteile des EGMR Al-Nashif/Bulgarien (Randnr. 133); C. G. u. a./Bulgarien (Randnr. 56); Kaushal u. a./Bulgarien (Randnr. 35) und Liu/Russland (Randnr. 99).


30 – Vgl. namentlich die vorgenannten Urteile des EGMR Al-Nashif/Bulgarien (Randnrn. 136 f.); C.G. u. a./Bulgarien (Randnr. 57) und Kaushal u. a./Bulgarien (Randnr. 36).


31 – Vgl. namentlich die vorgenannten Urteile des EGMR Al-Nashif/Bulgarien (Randnr. 137); C.G. u. a./Bulgarien (Randnr. 57); Kaushal u. a./Bulgarien (Randnr. 36) sowie Liu/Russland (Randnr. 99).


32 – Vgl. namentlich die vorgenannten Urteile des EGMR Al-Nashif/Bulgarien (Randnrn. 123 f.); C.G. u. a./Bulgarien (Randnr. 40); Kaushal u. a./Bulgarien (Randnr. 29) sowie Liu/Russland (Randnrn. 87 f.).


33–      Vgl. die oben in Fn. 28 angeführte Rechtsprechung.


34 – Vgl. namentlich das vorgenannte Urteil des EGMR C.G. u. a./Bulgarien (Randnr. 47).


35 – Vgl. dazu die vorgenannten Urteile des EGMR Raza/Bulgarien (Randnr. 54) und Liu/Russland (Randnrn. 89 und 91).


36 – Vgl. namentlich die vorgenannten Urteile des EGMR C.G. u. a./Bulgarien (Randnrn. 46 und 60) und Liu/Russland (Randnr. 90).


37 – Vgl. in diesem Sinne die Urteile des EGMR vom 19. Februar 2009, A. u. a./Vereinigtes Königreich (Randnr. 219), und vom 17. Januar 2012, Othman (Abu Qatada)/Vereinigtes Königreich (Randnr. 220).


38 – Vgl. das vorgenannte Urteil des EGMR A. u. a./Vereinigtes Königreich (Randnr. 219).


39 – Vgl. das vorgenannte Urteil des EGMR Othman (Abu Qatada)/Vereinigtes Königreich (Randnr. 223).


40 – Vgl. namentlich die vorgenannten Urteile des EGMR Chahal/Vereinigtes Königreich (Randnr. 126) und A. u. a./Vereinigtes Königreich (Randnr. 202).


41 – Vgl. das vorgenannte Urteil des EGMR Chahal/Vereinigtes Königreich (Randnr. 131).


42 – Vgl. das Urteil des EGMR A. u. a/Vereinigtes Königreich (Randnr. 217).


43 – Ebd. (Randnr. 206).


44–      Ebd.


45 – Vgl. namentlich die Urteile des EGMR vom 16. Februar 2000, Jasper/Vereinigtes Königreich (Randnr. 52), und vom 18. Mai 2010, Kennedy/Vereinigtes Königreich (Randnr. 187 und die dort angeführte Rechtsprechung).


46 – Vgl. namentlich das vorgenannte Urteil des EGMR A. u. a./Vereinigtes Königreich (Randnr. 205 und die dort angeführte Rechtsprechung).


47–      Ebd.


48–      Ebd. (Randnr. 208 und die dort angeführte Rechtsprechung).


49 – Ebd. (Randnr. 207).


50–      Ebd. (Randnrn. 206 und 208 und die dort angeführte Rechtsprechung).


51 – Ebd. (Randnr. 218).


52–      Ebd.


53 – Ebd. (Randnr. 219).


54 – Ebd. (Randnr. 220).


55–      Ebd.


56–      Ebd.


57 – ZZ/Secretary of State for the Home Department, oben in Fn. 11 angeführt (Randnr. 20). Zu beachten ist jedoch, dass das öffentliche Urteil bereits eine Reihe von schweren Beschuldigungen enthält, zu denen ZZ im Verfahren Stellung nehmen konnte. In der dem Kläger zur Kenntnis gebrachten Zusammenfassung wird ausgeführt, dass er in Aktivitäten des Netzwerks der Groupe Islamique Armé (GIA) und in Terrorakte verwickelt gewesen sei. Genauer heißt es dort, dass er Eigentümer von Gegenständen sei oder gewesen sei, die in Belgien in von einem bekannten Extremisten angemieteten Räumlichkeiten gefunden worden seien, wo u. a. Waffen und Munition gefunden worden seien. Ferner geht aus den Akten hervor, dass der Kläger zu anderen ihm vorgeworfenen Handlungen Stellung genommen hat, z. B. zu Kontakten mit bestimmten namentlich bezeichneten Personen und von diesen gewährter Unterstützung sowie zum Besitz großer Geldbeträge.


58 – Vgl. in diesem Sinne Urteil des EGMR Kennedy/Vereinigtes Königreich (Randnr. 189).


59 – Vgl. Urteil des EGMR Othman (Abu Qatada)/Vereinigtes Königreich (Randnr. 223).


60–      Randnr. 342.


61 – Secretary of State for the Home Departments/AF u. a. [2009] UKHL 28, nachzulesen unter der Internetadresse http://www.bailii.org/uk/cases/UKHL/2009/28.html.