Language of document : ECLI:EU:T:2022:605

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

5. Oktober 2022(*)

„Unionsmarke – Anmeldung einer Unionsmarke, die aus einem lichtblauen Farbton besteht – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 – Einschränkung des Warenverzeichnisses der Anmeldung – Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 – Erfordernisse der Klarheit und der Eindeutigkeit – Art. 33 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 – Begründungspflicht – Art. 94 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001“

In der Rechtssache T-168/21,

Magnetec GmbH mit Sitz in Langenselbold (Deutschland), vertreten durch die Rechtsanwälte M. Kloth, R. Briske und D. Habel,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch M. Eberl und E. Markakis als Bevollmächtigte,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung der Präsidentin M. J. Costeira, der Richterin T. Perišin und des Richters P. Zilgalvis (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere der schriftlichen Fragen des Gerichts an die Parteien und deren Antworten hierauf, die am 13. bzw. 19. April 2022 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von drei Wochen nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Die Magnetec GmbH beantragt mit ihrer Klage gemäß Art. 263 AEUV, die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 18. Januar 2021 (Sache R 217/2020-4) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) aufzuheben.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 13. Februar 2019 meldete die Klägerin nach der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) beim EUIPO eine Unionsmarke an.

3        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Farbzeichen:

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4        Im Anmeldeformular wurde das angemeldete Zeichen als Farbmarke mit folgender Angabe beschrieben: „Lichtblau: RAL 5012“

5        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 6, 9 und 17 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 6: „Metallische Legierungen; Legierungen aus Nichteisenmetallen; Metallische Legierungen in Form von Ringen zur Ummantelung von Motorkabeln; Legierungen aus unedlen Metallen; Unedle Metalle und deren Legierungen einschließlich rostfreier Stahl; Eisenlegierungen; Kabelkanäle aus Metall für Elektrokabel; Rohe und teilweise bearbeitete unedle Metalle und deren Legierungen, insbesondere Magnetwerkstoffe mit hoher Anfangs‑, Sättigungs- oder Maximalpermeabilität, einschließlich Legierungen und Magnetwerkstoffe, die durch rasche Abkühlung aus der Schmelze ein amorphes, teilweise amorphes oder polykristallines Gefüge aufweisen“;

–        Klasse 9: „Magnetkerne; Induktive Komponenten für das Ableiten von Wellenströmen; Induktive Komponenten zum Motorenschutz; Motorkabel und Elektroleiter; Schutzvorrichtungen für Stromleitungen; Schutzhüllen für elektronische Drähte; Kompensations-Drosselspulen; Teile von physikalischen, chemischen, optischen und elektrotechnischen Geräten, soweit in Klasse 9 enthalten“;

–        Klasse 17: „Isolierhüllen zur elektrischen Abschirmung von Kabeln; Isolierhüllen zur elektrischen Abschirmung von Drähten“.

6        Am 26. November 2019 wies der Prüfer die Anmeldung dieser Marke gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zurück.

7        Am 27. Januar 2020 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfers beim EUIPO eine Beschwerde nach den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 ein.

8        Die Klägerin beantragte u. a. eine Einschränkung des Warenverzeichnisses der angemeldeten Marke auf folgende Waren:

–        Klasse 6: „Metallische Legierungen; Legierungen aus Nichteisenmetallen; Legierungen aus unedlen Metallen; Unedle Metalle und deren Legierungen einschließlich rostfreier Stahl; Eisenlegierungen; Rohe und teilweise bearbeitete unedle Metalle und deren Legierungen, nämlich Magnetwerkstoffe mit hoher Anfangs-, oder Maximalpermeabilität, sowie hoher Sättigungsinduktion einschließlich Legierungen und Magnetwerkstoffe, die durch rasche Abkühlung aus der Schmelze ein amorphes, teilweise amorphes oder polykristallines Gefüge aufweisen[,] zur Herstellung von Ringen oder ovalen Formen zur Ummantelung von Motor- und Netzkabeln“;

–        Klasse 9: „Magnetkerne aus Werkstoffen mit hoher Anfangs- … oder Maximalpermeabilität … sowie hoher Sättigungsinduktion[,] nämlich Legierungen und Magnetwerkstoffe, die durch rasche Abkühlung aus der Schmelze ein amorphes, teilweise amorphes oder polykristallines Gefüge aufweisen; Induktive Komponenten für das Filtern und Ableiten von Wellenströmen; Induktive Komponenten zum Motorenschutz; Motorkabel und Elektroleiter; Schutzvorrichtungen für Stromleitungen; Schutzhüllen für elektronische Drähte; Kompensations-Drosselspulen; Teile von physikalischen, chemischen, optischen und elektrotechnischen Geräten, soweit in Klasse 9 enthalten“;

–        Klasse 17: „Isolierhüllen zur elektrischen und magnetischen Abschirmung von Kabeln, bestehend aus Magnetwerkstoffen die durch rasche Abkühlung aus der Schmelze ein amorphes, teilweise amorphes oder polykristallines Gefüge aufweisen; Isolierhüllen zur elektrischen und magnetischen Abschirmung von Drähten, bestehend aus Magnetwerkstoffen[,] die durch rasche Abkühlung aus der Schmelze ein amorphes, teilweise amorphes oder polykristallines Gefüge aufweisen“.

9        Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Beschwerdekammer die Beschwerde zurück und verwies die Sache zur Prüfung des Vorliegens einer durch Benutzung erlangten Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke an den Prüfer zurück.

10      Im Einzelnen wies die Beschwerdekammer zunächst den Antrag auf Einschränkung des Warenverzeichnisses der angemeldeten Marke mit der Begründung als unzulässig zurück, dass er nicht den Voraussetzungen von Art. 33 und Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 entspreche. Sie führte im Wesentlichen aus, die von der Klägerin vorgenommene Präzisierung des Warenverzeichnisses führe zu einer „Vermischung der Grenzen“ zwischen Rohmaterial und Endprodukt.

11      Sodann stellte die Beschwerdekammer fest, dass der Prüfer den Antrag der Klägerin, zuerst über die inhärente Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke zu entscheiden, nicht berücksichtigt habe, da die Klägerin entschieden habe, sich noch nicht auf die durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft der Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 zu berufen.

12      Schließlich führte die Beschwerdekammer aus, der beanspruchten Farbe fehle für die von der angemeldeten Marke erfassten Waren jede Unterscheidungskraft. Insbesondere vertrat sie in Bezug auf die maßgeblichen Verkehrskreise die Ansicht, dass sich die Magnetkerne der Klasse 9 an Fachverkehrskreise richteten, die ein erhöhtes technisches Fachwissen im Bereich der Elektrotechnik mitbrächten. Bei den Waren der Klassen 6 und 17, die sich an ein breiteres Publikum richteten, sei dies hingegen nicht der Fall.

 Anträge der Parteien

13      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten des Verfahrens einschließlich der im Laufe des Beschwerdeverfahrens angefallenen Kosten aufzuerlegen.

14      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

15      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe; mit dem ersten Klagegrund macht sie einen Verstoß gegen Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 in Verbindung mit ihrem Art. 33 geltend und mit dem zweiten einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 in Verbindung mit ihrem Art. 33

16      Die Klägerin macht geltend, ihr Antrag auf Einschränkung des Warenverzeichnisses der angemeldeten Marke erfülle die Voraussetzungen von Art. 33 und Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 und sei daher zulässig.

17      Das EUIPO vertritt die Auffassung, dass der Beschwerdekammer kein Fehler unterlaufen sei, und trägt vor, die beantragten Änderungen führten zu Unklarheit und zu einer Vermischung der Grenzen zwischen den Rohmaterialien und den entsprechenden Endprodukten. Entgegen der Ansicht der Klägerin unterscheide die Nizza-Klassifikation klar zwischen Rohmaterialien und Endprodukten. Aus den Allgemeinen Anmerkungen zur Nizza-Klassifikation gehe hervor, dass Rohmaterialien, unbearbeitet oder teilweise bearbeitet, grundsätzlich anhand des Materials, aus dem sie bestünden, klassifiziert würden, wohingegen Fertigwaren grundsätzlich anhand ihrer Funktion oder Bestimmung klassifiziert würden.

18      Außerdem weist das EUIPO darauf hin, dass die Klägerin in Bezug auf die Waren der Klasse 6 nicht nur das Wort „nämlich“ hinzugefügt habe, sondern auch die Worte „zur Herstellung von Ringen oder ovalen Formen zur Ummantelung von Motor- und Netzkabeln“. Zudem habe die Klägerin nicht erläutert, weshalb das neue Verzeichnis der Waren der Klasse 17 Art. 49 Abs. 1 und Art. 33 der Verordnung 2017/1001 entsprechen solle.

19      Nach Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 kann der Anmelder seine Anmeldung der Unionsmarke jederzeit zurücknehmen oder das in der Anmeldung enthaltene Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen einschränken.

20      Zudem sind nach Art. 33 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 die Waren und Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, vom Anmelder so klar und eindeutig anzugeben, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den beantragten Schutzumfang bestimmen können.

21      Nach der Rechtsprechung kann eine Einschränkung des Warenverzeichnisses, die zu Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Umfangs des Markenschutzes führen könnte, nicht zugelassen werden. Außerdem müssen nach Art. 4 der Verordnung 2017/1001 in Verbindung mit ihrem Art. 31 Abs. 1 Buchst. c die von der Anmeldung erfassten Waren klar und eindeutig gekennzeichnet sein, um in das Register eingetragen zu werden (vgl. Urteil vom 31. Mai 2018, Nosio/EUIPO [MEZZA], T-314/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:315, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Ferner geht aus dem Urteil vom 12. Februar 2004, Koninklijke KPN Nederland (C-363/99, EU:C:2004:86), hervor, dass eine Einschränkung, um Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Umfangs des Schutzes einer Marke zu vermeiden, nur dann eingetragen werden kann, wenn sie das Verzeichnis der Waren, die eingetragen bleiben, klar erkennen lässt, und nicht zum Ziel haben darf, Waren mit bestimmten Merkmalen auszuschließen. Eine gegenteilige Praxis würde zu Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Umfangs des Schutzes der Marke führen. Dritte – insbesondere Konkurrenten – wären im Allgemeinen nicht darüber informiert, dass sich bei bestimmten Waren oder Dienstleistungen der durch die Marke verliehene Schutz nicht auf diejenigen Waren oder Dienstleistungen erstreckt, die ein bestimmtes Merkmal aufweisen, und könnten so dazu veranlasst werden, bei der Beschreibung ihrer eigenen Produkte auf die Verwendung der Zeichen oder Angaben zu verzichten, aus denen die Marke besteht und die dieses Merkmal beschreiben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Februar 2004, Koninklijke KPN Nederland, C-363/99, EU:C:2004:86, Rn. 115).

23      Außerdem hat das Gericht festgestellt, dass der Zweck oder die Bestimmung einer Ware oder Dienstleistung ein relevanter Anhaltspunkt dafür ist, ob eine beantragte Einschränkung zu berücksichtigen ist. Insoweit ist entschieden worden, dass für die Auswahlentscheidung des Verbrauchers, der vor allem eine Ware oder Dienstleistung sucht, die voraussichtlich seinen speziellen Bedürfnissen entspricht, der Zweck oder die Bestimmung der betreffenden Ware oder Dienstleistung ausschlaggebend ist. Folglich ist das Kriterium des Zwecks oder der Bestimmung, da die Verbraucher selbst es vor jedem Kauf heranziehen, ein für die Definition einer Untergruppe von Waren oder Dienstleistungen maßgebendes Kriterium (vgl. Urteil vom 8. November 2013, Kessel/HABM – Janssen-Cilag [Premeno], T-536/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:586, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin – wie sich Rn. 6 der angefochtenen Entscheidung entnehmen lässt – bei der Beschwerdekammer beantragt, im Wege der Einschränkung des Warenverzeichnisses der angemeldeten Marke folgende Änderungen vorzunehmen:

–        Streichung der Waren „Metallische Legierungen in Form von Ringen zur Ummantelung von Motorkabeln“ und „Kabelkanäle aus Metall für Elektrokabel“ aus dem Warenverzeichnis der Klasse 6;

–        Ersetzung des Wortes „insbesondere“ durch „nämlich“ und Ergänzung um die Angabe „zur Herstellung von Ringen oder ovalen Formen zur Ummantelung von Motor- und Netzkabeln“ in Bezug auf die Waren „Rohe und teilweise bearbeitete unedle Metalle und deren Legierungen, nämlich Magnetwerkstoffe mit hoher Anfangs- … oder Maximalpermeabilität … sowie hoher Sättigungsinduktion einschließlich Legierungen und Magnetwerkstoffe, die durch rasche Abkühlung aus der Schmelze ein amorphes, teilweise amorphes oder polykristallines Gefüge aufweisen“ der Klasse 6; darüber hinaus sollten hinsichtlich der letztgenannten Waren die Angabe „hoher ... Sättigungs[permeabilität]“ gestrichen und die Angabe „sowie hoher Sättigungsinduktion“ hinzugefügt werden;

–        Ergänzung der Waren „Magnetkerne“ der Klasse 9 um die Angabe „aus Werkstoffen mit hoher Anfangs- … oder Maximalpermeabilität … sowie hoher Sättigungsinduktion[,] nämlich Legierungen und Magnetwerkstoffe, die durch rasche Abkühlung aus der Schmelze ein amorphes, teilweise amorphes oder polykristallines Gefüge aufweisen“;

–        Hinzufügung der Angabe „Filtern“ bei den Waren „Induktive Komponenten für das Filtern und Ableiten von Wellenströmen“ der Klasse 9;

–        Hinzufügung der Angabe „bestehend aus Magnetwerkstoffen[,] die durch rasche Abkühlung aus der Schmelze ein amorphes, teilweise amorphes oder polykristallines Gefüge aufweisen“ sowie der Angabe „magnetischen“ bei den Waren „Isolierhüllen zur elektrischen und magnetischen Abschirmung von Kabeln“ und „Isolierhüllen zur elektrischen und magnetischen Abschirmung von Drähten“ der Klasse 17.

25      Hierzu stellte die Beschwerdekammer fest, die beantragte Änderung sei unzulässig, da sie nicht die Voraussetzungen von Art. 33 und Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 erfülle. Zum einen sei hinsichtlich der Waren der Klasse 6 unklar, wie eine „metallische Legierung“ weiter definiert werden könne als „zur Herstellung von Ringen“. Es handele sich entweder um das Rohmaterial „Legierung“ oder um das aus der Legierung gefertigte Endprodukt „Ringe“. Zum anderen würde bei den Waren der Klasse 9 die Formulierung „nämlich Legierungen und Magnetwerkstoffe“ eine entsprechende Unklarheit und eine „Vermischung der Grenzen zwischen Rohmaterial und Endprodukt“ mit sich bringen, zumal unklar sei, ob sich die Angabe „nämlich“ auf die „Magnetkerne“ oder die „Werkstoffe“ beziehe. Unklar sei weiter, wieso die Herstellung in einem Verfahren mit „rascher Abkühlung“ ein Merkmal des Endprodukts sein könne. Die Beschwerdekammer fügte hinzu: „Die gleichen Unklarheiten würde die Neufassung von Klasse 17 begründen.“

26      Als Erstes verstößt der Einschränkungsantrag hinsichtlich der Änderung des Warenverzeichnisses der angemeldeten Marke durch die Streichung der Waren „Metallische Legierungen in Form von Ringen zur Ummantelung von Motorkabeln“ und „Kabelkanäle aus Metall für Elektrokabel“ der Klasse 6 offensichtlich nicht gegen Art. 33 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001. Die Streichung dieser Waren aus dem Warenverzeichnis der angemeldeten Marke hat nämlich keinen Einfluss auf die Klarheit und Eindeutigkeit der Formulierung der übrigen von dieser Marke erfassten Waren.

27      Insoweit ist hinzuzufügen, dass eine Einschränkung, die sich aus der Streichung von Waren oder Dienstleistungen ergibt, selbst vor dem Gericht zulässig ist. Eine gemäß Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 nach Erlass der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Einschränkung kann nämlich vom Gericht berücksichtigt werden, wenn sich der Anmelder strikt darauf beschränkt, den Streitgegenstand dadurch einzuschränken, dass er bestimmte Kategorien von Waren oder Dienstleistungen aus dem Verzeichnis der von der Markenanmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen streicht (vgl. Urteil vom 8. Mai 2014, Pyrox/HABM – Köb Holzheizsysteme [PYROX], T-575/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:242, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Somit hat die Beschwerdekammer zu Unrecht festgestellt, dass ein Antrag auf Streichung der oben in Rn. 26 genannten Waren unzulässig sei.

29      Dasselbe gilt für die Ersetzung des Adverbs „insbesondere“ durch „nämlich“ im Warenverzeichnis der Klasse 6, da die Klägerin damit eine spezifische Variante von rohen und teilweise bearbeiteten unedlen Metallen und deren Legierungen erfassen wollte, nämlich solche, die als „Magnetwerkstoffe mit hoher Anfangs- … oder Maximalpermeabilität … sowie hoher Sättigungsinduktion“ definiert werden können. Somit werden von der angemeldeten Marke unter den rohen und teilweise bearbeiteten unedlen Metallen und deren Legierungen allein die Magnetwerkstoffe mit hoher Anfangs- oder Maximalpermeabilität sowie hoher Sättigungsinduktion erfasst.

30      Hierzu hat das Gericht bereits entschieden, dass der Ausdruck „nämlich“ die Eintragung auf die anschließend konkret aufgeführten Waren beschränkt (Urteil vom 4. Oktober 2016, Lidl Stiftung/EUIPO – Horno del Espinar [Castello], T‑549/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:594, Rn. 71).

31      Zur Ergänzung der Beschreibung „Legierungen und Magnetwerkstoffe, die durch rasche Abkühlung aus der Schmelze ein amorphes, teilweise amorphes oder polykristallines Gefüge aufweisen“ im Verzeichnis der Waren der Klasse 6 um die Angabe „zur Herstellung von Ringen oder ovalen Formen zur Ummantelung von Motor- und Netzkabeln“ ist festzustellen, dass es sich hierbei um den Zweck der fraglichen Legierungen und Magnetwerkstoffe handelt. Folglich ist diese Einschränkung nach der oben in Rn. 23 angeführten Rechtsprechung ebenfalls zulässig.

32      Entgegen den Erwägungen der Beschwerdekammer ist diese Änderung nämlich nicht unklar, da das Rohmaterial (nämlich Legierungen und Magnetwerkstoffe) zur Herstellung eines Endprodukts (nämlich Ringe oder ovale Formen zur Ummantelung von Motor- und Netzkabeln) bestimmt ist. Im Übrigen hat die Beschwerdekammer in Rn. 9 der angefochtenen Entscheidung selbst anerkannt, dass Ringe aus Legierungen hergestellt werden können.

33      Das Vorbringen des EUIPO, Rohmaterial und Endprodukte gehörten zu verschiedenen Klassen der Nizza-Klassifikation, ist unerheblich. Die von der Klägerin beantragte Einschränkung zielt nämlich nicht darauf ab, Endprodukte in das Verzeichnis der Waren der Klasse 6 aufzunehmen, sondern soll – wie oben aus Rn. 32 hervorgeht – die Bestimmung dieser Waren präzisieren.

34      Hinsichtlich der Möglichkeit, die Bestimmung der Waren zu präzisieren, unterscheidet die oben in Rn. 23 angeführte Rechtsprechung nicht zwischen Rohmaterial und Endprodukten.

35      Unter diesen Umständen hat die Beschwerdekammer die Einschränkung der Waren der Klasse 6 zu Unrecht als unzulässig angesehen, soweit sie in der Streichung zweier Waren, der Ersetzung des Adverbs „insbesondere“ durch „nämlich“ und der Ergänzung um die Angabe „zur Herstellung von Ringen oder ovalen Formen zur Ummantelung von Motor- und Netzkabeln“ besteht.

36      Als Zweites bestand bei den „Magnetkernen“ der Klasse 9 die Einschränkung in der Hinzufügung folgender Angabe: „aus Werkstoffen mit hoher Anfangs- … oder Maximalpermeabilität … sowie hoher Sättigungsinduktion[,] nämlich Legierungen und Magnetwerkstoffe, die durch rasche Abkühlung aus der Schmelze ein amorphes, teilweise amorphes oder polykristallines Gefüge aufweisen“.

37      Der Beschwerdekammer erschien es zum einen nicht klar, ob sich die Angabe „nämlich Legierungen und Magnetwerkstoffe“ auf die „Magnetkerne“ oder die „Werkstoffe mit hoher Anfangs- … oder Maximalpermeabilität … sowie hoher Sättigungsinduktion“ bezieht. Zum anderen warf sie die Frage auf, inwiefern die Herstellung in einem Verfahren mit „rascher Abkühlung“ ein Merkmal des Endprodukts sein kann.

38      Insoweit hat die Beschwerdekammer erstens der Klägerin nicht ausdrücklich die Befugnis abgesprochen, zu präzisieren, dass die Ringe als aus Werkstoffen mit hoher Anfangs- oder Maximalpermeabilität sowie hoher Sättigungsinduktion hergestellt definiert werden können. Das Material, das zur Herstellung einer Ware verwendet wird, stellt nämlich ein Merkmal dar, das die Ware definieren kann. Desgleichen wird dieses Merkmal in den Warenverzeichnissen von Marken oft mittels eines Bindestrichs angefügt. Als Beispiel sind „Leichtmetall-Felgen“ zu nennen, die in den Warenverzeichnissen verschiedener Marken enthalten sind (Urteile vom 25. November 2015, bd breyton-design/HABM [RACE GTP], T‑520/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:884, Rn. 3, und vom 30. Januar 2019, Bekat/EUIPO – Borbet [ARBET], T-79/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:39, Rn. 5), oder „Leichtmetall-Räder“ (Urteil vom 23. April 2013, Apollo Tyres/HABM – Endurance Technologies [ENDURACE], T-109/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:211, Rn. 7).

39      Folglich muss es für die Einschränkung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen nach Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 möglich sein, das zur Herstellung der Waren verwendete Material zu präzisieren, sofern die Definition dieses Materials selbst klar und eindeutig ist. Die zur Herstellung der Magnetkerne verwendeten Materialien entsprechen jedoch im Wesentlichen den von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klasse 6, gegen die beide Instanzen des EUIPO keine Einwände erhoben haben.

40      Was zweitens den Gebrauch des Ausdrucks „nämlich“ im vorliegenden Fall betrifft, so bezieht er sich unbestreitbar auf die „Werkstoffe mit hoher Anfangs- … oder Maximalpermeabilität … sowie hoher Sättigungsinduktion“ und nicht auf die „Magnetkerne“. Zwar hat die Klägerin in Bezug auf die Waren der Klasse 9 den Ausdruck „nämlich“ anstelle des für Waren der Klasse 6 verwendeten Ausdrucks „einschließlich“ gewählt, doch kann nicht geltend gemacht werden, dass sie für Unklarheit und eine „Vermischung der Grenzen“ zwischen Rohmaterial und Endprodukt sorgen wollte. Es ist klar erkennbar, dass sie Magnetkerne aus Werkstoffen mit hoher Anfangs- oder Maximalpermeabilität sowie hoher Sättigungsinduktion schützen wollte, die ihrerseits als Legierungen und Magnetwerkstoffe definiert wurden.

41      Drittens sah die Beschwerdekammer es als unklar an, inwiefern die Nennung des Verfahrens mit rascher Abkühlung ein Merkmal des Endprodukts sein kann. Wie die Klägerin u. a. geltend gemacht hat, beschreibt diese Angabe aber die Methode zur Herstellung von Legierungen und Magnetwerkstoffen und stellt daher ein Merkmal derselben dar. Im Übrigen ist diese Angabe auch in der Formulierung der ursprünglich angemeldeten Waren der Klasse 6 enthalten, gegen die das EUIPO keine Einwände erhoben hat. Folglich ist der Kommentar der Beschwerdekammer zur etwaigen Unerheblichkeit dieser Angabe unbegründet.

42      Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer nach der Rechtsprechung einen Einschränkungsantrag nicht allein mit der Begründung zurückweisen darf, dass darin auf ein Kriterium Bezug genommen wird, das für die Abgrenzung einer Untergruppe der von der Unionsmarkenanmeldung erfassten Waren unerheblich ist, sofern dieser Einschränkungsantrag jedenfalls auf ein für die Bildung einer Untergruppe dieser Waren wesentliches Kriterium gestützt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2014, HABM/Kessel medintim, C-31/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2436, Rn. 39). Im vorliegenden Fall sind jedoch – wie oben aus den Rn. 38 und 39 hervorgeht – die übrigen von der Klägerin in Bezug auf die Magnetkerne vorgenommenen Präzisierungen erheblich.

43      Was als Drittes die Waren der Klasse 17 anbelangt, hat die Klägerin zwar – wie das EUIPO zutreffend ausführt – keine konkreten Argumente vorgebracht, um den Einwänden der Beschwerdekammer entgegenzutreten. Die Beschwerdekammer ist jedoch, da sie sich auf die Feststellung beschränkt hat, dass „[d]ie gleichen Unklarheiten … die Neufassung von Klasse 17 begründen [würden]“, ebenfalls sehr vage in Bezug auf ihre Einwände gegen diese Waren geblieben. Da die den Waren der Klasse 17 hinzugefügte präzisierende Angabe „bestehend aus Magnetwerkstoffen[,] die durch rasche Abkühlung aus der Schmelze ein amorphes, teilweise amorphes oder polykristallines Gefüge aufweisen“ derjenigen entspricht, mit der die Waren der Klassen 6 und 9 versehen sind, ist zudem – anknüpfend an die oben in den Rn. 36 bis 42 angestellten Überlegungen –festzustellen, dass diese Angabe hinreichend klar und eindeutig ist, um „Isolierhüllen zur elektrischen und magnetischen Abschirmung von Kabeln“ und „Isolierhüllen zur elektrischen und magnetischen Abschirmung von Drähten“ zu kennzeichnen.

44      Als Viertes ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer nicht angegeben hat, aus welchen Gründen sie bestimmte Änderungen des ursprünglichen Warenverzeichnisses der angemeldeten Marke durch die Klägerin abgelehnt hat.

45      Diese Änderungen beziehen sich erstens auf die Waren „Rohe und teilweise bearbeitete unedle Metalle und deren Legierungen, nämlich Magnetwerkstoffe mit hoher Anfangs- … oder Maximalpermeabilität … sowie hoher Sättigungsinduktion einschließlich Legierungen und Magnetwerkstoffe, die durch rasche Abkühlung aus der Schmelze ein amorphes, teilweise amorphes oder polykristallines Gefüge aufweisen“ der Klasse 6. In dieser geänderten Beschreibung wurde von der Klägerin hinsichtlich der Waren „Magnetwerkstoffe“ die Angabe „hoher ... Sättigungs[permeabilität]“ gelöscht und die Angabe „sowie hoher Sättigungsinduktion“ hinzugefügt.

46      Zweitens wurden bei den Waren „Induktive Komponenten für das Filtern und Ableiten von Wellenströmen“ der Klasse 9 die Wörter „Filtern und“ hinzugefügt.

47      Drittens hat die Klägerin bei den „Isolierhüllen zur elektrischen und magnetischen Abschirmung von Kabeln“ und den „Isolierhüllen zur elektrischen und magnetischen Abschirmung von Drähten“ der Klasse 17 das Wort „magnetischen“ hinzugefügt.

48      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001 die Entscheidungen des EUIPO mit Gründen zu versehen sind. Diese Begründungspflicht, die sich auch aus Art. 296 AEUV ergibt, ist Gegenstand einer ständigen Rechtsprechung, wonach die Begründung die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass zum einen der jeweilige Betroffene sein Recht auf gerichtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung wirksam wahrnehmen kann und zum anderen der Unionsrichter seine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidung ausüben kann (vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, Cipriani/EUIPO – Hotel Cipriani [CIPRIANI], T‑343/14, EU:T:2017:458, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Überdies enthält die Feststellung einer fehlenden oder unzureichenden Begründung den Vorwurf einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne von Art. 263 AEUV und stellt einen Gesichtspunkt zwingenden Rechts dar, den der Unionsrichter von Amts wegen prüfen muss (Urteil vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C-367/95 P, EU:C:1998:154, Rn. 67).

50      Der Unionsrichter muss seine Pflicht, einen Gesichtspunkt zwingenden Rechts von Amts wegen zu prüfen, allerdings im Licht des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens erfüllen (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2017, Sony Computer Entertainment Europe/EUIPO – Vieta Audio [Vita], T-35/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:886, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Da das Gericht im vorliegenden Fall entschieden hat, von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerdekammer ihrer Begründungspflicht nachgekommen ist, hat es die Parteien gebeten, eine im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme nach Art. 89 der Verfahrensordnung des Gerichts gestellte Frage zu beantworten. Die Parteien sind insbesondere gebeten worden, sich dazu zu äußern, ob die Begründung der Beschwerdekammer zur Einschränkung in Bezug auf die oben in den Rn. 45 bis 47 genannten Waren Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001 genügt.

52      Hierzu trägt die Klägerin vor, die Beschwerdekammer sei nicht auf die oben in den Rn. 45 bis 47 genannten Einschränkungen eingegangen und habe keine weiteren Gründe für die festgestellte Unklarheit des eingeschränkten Warenverzeichnisses genannt.

53      Das EUIPO macht hingegen geltend, die Beschwerdekammer habe in Rn. 9 der angefochtenen Entscheidung ausreichend begründet, warum die Zurückweisung der Einschränkung des Warenverzeichnisses erfolgt sei. Diese Begründung ermögliche es der Klägerin, die Gründe für die angefochtene Entscheidung zu erfahren, um ihre Rechte verteidigen zu können, und dem Gericht, die Rechtmäßigkeit dieses Teils der Entscheidung zu überprüfen.

54      Trotz der vom EUIPO vorgebrachten Rechtfertigungen ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer nicht begründet hat, weshalb sie es abgelehnt hat, die Einschränkung des Warenverzeichnisses der angemeldeten Marke in Bezug auf die oben in den Rn. 45 bis 47 dargelegten Änderungen zu berücksichtigen. Daher vermag das Gericht nicht zu beurteilen, ob diese Änderungen den in Art. 33 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 aufgestellten Voraussetzungen entsprechen. Folglich hat die Beschwerdekammer gegen die Begründungspflicht nach Art. 94 Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung verstoßen.

55      Nach alledem ist dem vorliegenden Klagegrund stattzugeben, und die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben, soweit sie die Waren betrifft, deren Formulierung durch den Einschränkungsantrag der Klägerin geändert wird, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob Rohmaterialien und Endprodukte im Abkommen von Nizza klar abgegrenzt sind.

56      Unter diesen Umständen wird sich die Prüfung des zweiten Klagegrundes nur auf die Waren beziehen, die vom Einschränkungsantrag der Klägerin nicht betroffen sind, also zum einen die Waren „Metallische Legierungen; Legierungen aus Nichteisenmetallen; Legierungen aus unedlen Metallen; Unedle Metalle und deren Legierungen einschließlich rostfreier Stahl; Eisenlegierungen“ der Klasse 6 und zum anderen die Waren „Induktive Komponenten zum Motorenschutz; Motorkabel und Elektroleiter; Schutzvorrichtungen für Stromleitungen; Schutzhüllen für elektronische Drähte; Kompensations-Drosselspulen; Teile von physikalischen, chemischen, optischen und elektrotechnischen Geräten, soweit in Klasse 9 enthalten“ der Klasse 9.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001

57      Die Klägerin hält die angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig, und zwar sowohl für die Waren, für die sie ursprünglich angemeldet wurde, als auch für die Waren, wie sie im Zuge des bei der Beschwerdekammer gestellten Einschränkungsantrags konkretisiert wurden. Nach ihren Angaben sind Ringbandkerne, die um Kabel montiert werden und die Entstehung elektromagnetischer Interferenzen in (Elektro-)Motoren verhindern, mögliche von ihr aus der Legierung gefertigte Endprodukte. Diese Waren könnten regelmäßig nur von besonders spezialisierten Fachleuten in Motoren bzw. den Motorkabeln verbaut werden.

58      Das EUIPO vertritt die Ansicht, die Beschwerdekammer habe nicht gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 verstoßen, und tritt infolgedessen dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Die angemeldete Marke sei nicht unterscheidungskräftig und werde vom Verkehr nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der von ihr erfassten Waren wahrgenommen.

59      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Bestimmung bedeutet, dass die Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteile vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C-456/01 P und C-457/01 P, EU:C:2004:258, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Somit ist die Unterscheidungskraft einer Marke anhand der Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und anhand der Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. Urteil vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C-456/01 P und C-457/01 P, EU:C:2004:258, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Farben oder Farbzusammenstellungen können eine Unionsmarke im Sinne von Art. 4 der Verordnung 2017/1001 sein, wenn sie drei Voraussetzungen erfüllen. Erstens müssen sie ein Zeichen sein. Zweitens müssen sich diese Zeichen grafisch darstellen lassen. Drittens müssen die Zeichen geeignet sein, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteil vom 6. Mai 2003, Libertel, C-104/01, EU:C:2003:244, Rn. 23; vgl. auch entsprechend Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C-49/02, EU:C:2004:384, Rn. 22).

62      Farben und abstrakten Farbkombinationen kommt nur unter außergewöhnlichen Umständen inhärente Unterscheidungskraft zu, da sie mit dem Erscheinungsbild der gekennzeichneten Waren verschmelzen und grundsätzlich nicht als Mittel zur Identifizierung der betrieblichen Herkunft verwendet werden (vgl. entsprechend Urteile vom 6. Mai 2003, Libertel, C-104/01, EU:C:2003:244, Rn. 65 und 66, und vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C-49/02, EU:C:2004:384, Rn. 39).

63      Der vorliegende Klagegrund ist im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

64      Zur Bestimmung der maßgeblichen Verkehrskreise trägt die Klägerin vor, der Abnehmerkreis der in Rede stehenden Waren sei ein Fachpublikum mit erhöhtem Aufmerksamkeitsgrad und technischem Fachwissen im Bereich der Elektrotechnik. Zwar habe die Beschwerdekammer in Bezug auf die Waren der Klasse 9 zutreffend auf Fachkreise abgestellt – allerdings deren Verständnis bei der weiteren Prüfung nicht konsequent zugrunde gelegt –, doch sie habe einen verfälschten und verzerrten, nicht der Realität entsprechenden Sachverhalt zugrunde gelegt, als sie davon ausgegangen sei, dass sich die Waren der Klasse 6 nicht nur an Fachkreise, sondern auch an Endverbraucher richteten.

65      Das EUIPO vertritt die Ansicht, die in Rede stehenden Waren richteten sich nicht nur an besondere Fachkreise mit erhöhtem Aufmerksamkeitsgrad und technischem Wissen in der Elektrotechnik. So hätten die Waren „Unedle Metalle“ der Klasse 6 einen weiten Abnehmerkreis. Außerdem sei selbst das von den Waren der Klasse 9 angesprochene Fachpublikum nicht so limitiert, wie die Klägerin vorbringe, denn Motorkabel würden in jeder Autowerkstatt verwendet.

66      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klasse 9 Magnetkerne zur elektromagnetischen und elektrischen Abschirmung seien. Es handele sich um spezielle Bauteile zum Einbau in größere Maschinen oder (Windkraft-)Anlagen, wobei diese Bauteile in einer Weise verwendet würden, in der sie für den Anwender nicht sichtbar seien. Aus diesen Erwägungen zog die Beschwerdekammer den Schluss, dass sich die Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke für diese Waren auf die Wahrnehmung durch die mit Maschinen oder Anlagen befassten Fachverkehrskreise in der gesamten Union zu richten habe, die ein erhöhtes technisches Fachwissen im Bereich der Elektrotechnik besäßen.

67      In Rn. 20 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass die von ihr in Rn. 19 genannten spezifischen technischen Gegebenheiten auf die von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klasse 6 nicht zuträfen. Insbesondere seien alle in eine dreidimensionale Form gegossenen Legierungen metallische Legierungen der Klasse 6, nicht nur solche für die Herstellung von Magnetkernen. Folglich seien diese Waren für einen breiter gefassten Abnehmerkreis von Interesse.

68      Was zum einen die Waren der Klasse 6 anbelangt, hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass „[d]iese Waren … für einen breiter gefassten Abnehmerkreis von Interesse sein [werden]“. Diese Feststellung legt die Klägerin dahin aus, dass mit ihr die breite Öffentlichkeit gemeint sei (siehe oben, Rn. 64).

69      Zwar hat die Beschwerdekammer angenommen, dass sich die Waren der Klasse 6 nicht an ein so begrenztes Publikum richteten wie die Magnetkerne der Klasse 9. Diese Erwägungen lassen jedoch nicht klar und eindeutig erkennen, ob die Beschwerdekammer davon ausgegangen ist, dass sich diese Waren an die breite Öffentlichkeit oder an ein weniger begrenztes Fachpublikum als die Magnetkerne richteten.

70      Da das Gericht im Einklang mit der oben in den Rn. 48 bis 50 angeführten Rechtsprechung entschieden hat, von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerdekammer ihrer Begründungspflicht nachgekommen ist, hat es die Parteien gebeten, eine im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme nach Art. 89 der Verfahrensordnung gestellte Frage zu beantworten. Die Parteien wurden gefragt, ob die Erwägungen der Beschwerdekammer, wonach „[d]iese Waren … für einen breiter gefassten Abnehmerkreis von Interesse sein [werden]“, Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001 sowie der oben in Rn. 48 angeführten Rechtsprechung genügen.

71      Hierzu macht die Klägerin geltend, dass sich die Beschwerdekammer hinsichtlich der maßgeblichen Verkehrskreise nur in Bezug auf „Metallische Legierungen“ der Klasse 6 und „Isolierhüllen“ der Klasse 17 geäußert habe, nicht aber zu den von den anderen Waren der Klasse 6 angesprochenen Verkehrskreisen.

72      Das EUIPO trägt dagegen vor, die Beschwerdekammer habe die Entscheidung des Prüfers bestätigt, der bereits in seinem Schreiben vom 19. März 2019 darauf hingewiesen habe, dass sich die in Rede stehenden Waren an gewerbliche Abnehmer richteten. Die Entscheidung des Prüfers und ihre Begründung seien aber Teil des Kontexts, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen sei. Die Beschwerdekammer habe somit ihrer sich aus Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001 ergebenden Pflicht genügt.

73      Zwar sind – wie das EUIPO vorbringt – unter Berücksichtigung der funktionalen Kontinuität zwischen dem Prüfer und der Beschwerdekammer die Entscheidung des Prüfers und ihre Begründung Teil des der Klägerin bekannten und dem Gericht eine vollständige Rechtmäßigkeitskontrolle ermöglichenden Kontexts, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen ist (vgl. Urteil vom 8. September 2021, Eos Products/EUIPO [Form eines kugelförmigen Behälters], T-489/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:547, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Im vorliegenden Fall hat der Prüfer in seinem Schreiben vom 19. März 2019 ausgeführt, dass sich die in Rede stehenden Waren an gewerbliche Abnehmer mit vertieften technischen Kenntnissen richteten, und in seiner zurückweisenden Entscheidung vom 26. November 2019 hinzugefügt, aus dem Warenverzeichnis der Klasse 6 sei nicht ersichtlich, dass der Markt, an den sich diese Waren richteten, sehr spezifisch sei.

75      Diese Erwägungen lassen jedoch nicht klar und eindeutig erkennen, ob sich die Waren der Klasse 6 an einen breiteren als den von den Magnetkernen der Klasse 9 angesprochenen Kreis gewerblicher Abnehmer oder an die breite Öffentlichkeit richten (siehe oben, Rn. 69).

76      Daher ist davon auszugehen, dass der Standpunkt der Beschwerdekammer, wonach die Waren der Klasse 6 für einen breiter gefassten Abnehmerkreis von Interesse seien, nicht klar und eindeutig erkennen lässt, welche Verkehrskreise von diesen Waren erfasst werden.

77      Nach der oben in Rn. 48 angeführten Rechtsprechung muss die Begründung eines Rechtsakts aber die Überlegungen seines Urhebers so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass zum einen die Betroffenen ihr Recht auf gerichtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung wirksam wahrnehmen können und zum anderen der Unionsrichter seine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidung ausüben kann (vgl. Urteil vom 29. Juni 2017, CIPRIANI, T-343/14, EU:T:2017:458, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Da die Unterscheidungskraft nach der oben in Rn. 60 angeführten Rechtsprechung u. a. anhand der Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen ist, kann zudem der Umstand, dass die Beschwerdekammer die maßgeblichen Verkehrskreise gar nicht oder mehrdeutig definiert hat, ihre gesamten zur Beurteilung der Unterscheidungskraft angestellten Überlegungen beeinträchtigen. Dies gilt umso mehr, als es nur unter außergewöhnlichen Umständen vorstellbar ist, dass einer Farbe als solcher unabhängig von ihrer Benutzung Unterscheidungskraft zukommt, und zwar insbesondere bei einer sehr begrenzten Zahl von Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet wird, und einem sehr spezifischen maßgeblichen Markt (Urteil vom 6. Mai 2003, Libertel, C-104/01, EU:C:2003:244, Rn. 66).

79      Daraus folgt, dass die Beschwerdekammer gegen ihre Begründungspflicht aus Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001 verstoßen hat. Unter diesen Umständen ist über das Vorbringen der Klägerin, dass sich die Erwägungen der Beschwerdekammer nicht auf alle Waren der Klasse 6 erstreckten, nicht zu entscheiden.

80      Was zum anderen die von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klasse 9 – „Induktive Komponenten zum Motorenschutz; Motorkabel und Elektroleiter; Schutzvorrichtungen für Stromleitungen; Schutzhüllen für elektronische Drähte; Kompensations-Drosselspulen; Teile von physikalischen, chemischen, optischen und elektrotechnischen Geräten, soweit in Klasse 9 enthalten“ – betrifft, ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer die maßgeblichen Verkehrskreise, an die sich diese Waren richten, nicht ausdrücklich definiert hat. Sie hat in Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung lediglich Magnetkerne erwähnt und ausgeführt, dass diese sich an Fachverkehrskreise mit einem erhöhten technischen Fachwissen im Bereich der Elektrotechnik richteten. Diese Erwägungen können aber nicht automatisch und ohne weitere Erläuterung für alle von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klasse 9 gelten, die nicht den „Magnetkernen“ entsprechen.

81      Da das Gericht im Einklang mit der oben in den Rn. 48 bis 50 angeführten Rechtsprechung entschieden hat, von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerdekammer ihrer Begründungspflicht nachgekommen ist, hat es die Parteien gebeten, eine im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme nach Art. 89 der Verfahrensordnung gestellte Frage zu beantworten. Die Parteien wurden gefragt, ob die Beschwerdekammer die für die Waren der Klasse 9 mit Ausnahme der „Magnetkerne“ maßgeblichen Verkehrskreise definiert hat und ob ihre Begründung insoweit Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001 genügt.

82      Hierauf hat die Klägerin geantwortet, die Beschwerdekammer habe sich nicht dazu geäußert, an welche maßgeblichen Verkehrskreise sich die von den „Magnetkernen“ verschiedenen Waren der Klasse 9 richteten.

83      Das EUIPO hat geantwortet, in Bezug auf die oben in Rn. 68 genannten Waren habe die Beschwerdekammer die maßgeblichen Verkehrskreise durch die Bestätigung der Entscheidung des Prüfers, wonach sich diese Waren an gewerbliche Abnehmer richteten, definiert.

84      Diese Erläuterungen können jedoch die oben in Rn. 80 getroffene Feststellung, dass die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall die maßgeblichen Verkehrskreise nur in Bezug auf die Magnetkerne ausdrücklich definiert hat, nicht in Frage stellen. Ebenso wenig kann sich das EUIPO, insbesondere aus den oben in Rn. 78 genannten Gründen, mit Erfolg auf die funktionale Kontinuität zwischen dem Prüfer und der Beschwerdekammer berufen.

85      Daraus folgt, dass die Beschwerdekammer gegen ihre Begründungspflicht aus Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001 verstoßen hat.

86      Nach alledem ist dem zweiten Klagegrund stattzugeben und die angefochtene Entscheidung auch hinsichtlich der Waren „Metallische Legierungen; Legierungen aus Nichteisenmetallen; Legierungen aus unedlen Metallen; Unedle Metalle und deren Legierungen einschließlich rostfreier Stahl; Eisenlegierungen“ der Klasse 6 sowie der Waren „Induktive Komponenten zum Motorenschutz; Motorkabel und Elektroleiter; Schutzvorrichtungen für Stromleitungen; Schutzhüllen für elektronische Drähte; Kompensations-Drosselspulen; Teile von physikalischen, chemischen, optischen und elektrotechnischen Geräten, soweit in Klasse 9 enthalten“ der Klasse 9 aufzuheben.

87      Somit ist die angefochtene Entscheidung insgesamt aufzuheben.

 Kosten

88      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das EUIPO unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

89      Die Klägerin hat außerdem beantragt, dem EUIPO die ihr im Verfahren vor der Beschwerdekammer entstandenen Kosten aufzuerlegen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 190 Abs. 2 der Verfahrensordnung Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren, als erstattungsfähige Kosten gelten. Das EUIPO ist daher auch zur Tragung der notwendigen Kosten der Klägerin im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu verurteilen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 18. Januar 2021 (Sache R 217/2020‑4) wird aufgehoben.

2.      Das EUIPO trägt die Kosten.

Costeira

Perišin

Zilgalvis

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. Oktober 2022.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

M. van der Woude


*      Verfahrenssprache: Deutsch.