Language of document : ECLI:EU:T:2022:261

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

27. April 2022(*)

„Außervertragliche Haftung – Zusammenarbeit der Polizeibehörden und anderer Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten – Bekämpfung der Kriminalität – Übermittlung von Informationen durch Europol an einen Mitgliedstaat – Behauptete rechtswidrige Datenverarbeitung – Verordnung (EU) 2016/794 – Art. 50 Abs. 1 – Immaterieller Schaden“

In der Rechtssache T‑436/21,

Leon Leonard Johan Veen, wohnhaft in Oss (Niederlande), vertreten durch Rechtsanwalt T. Lysina,

Kläger,

gegen

Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol), vertreten durch A. Nunzi als Bevollmächtigten im Beistand der Rechtsanwälte G. Ziegenhorn und M. Kottmann,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Svenningsen (Berichterstatter) sowie der Richter R. Barents und C. Mac Eochaidh,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit seiner auf Art. 268 AEUV gestützten Klage beantragt der Kläger, Herr Leon Leonard Johan Veen, Ersatz des Schadens, der ihm infolge der rechtswidrigen Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) entstanden sein soll.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Im Rahmen der Ermittlungen nach der Beschlagnahme von 1,5 Tonnen Methamphetamin ersuchte die slowakische Polizei Europol um Unterstützung auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 Buchst. a, b und h der Verordnung (EU) 2016/794 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Europol und zur Ersetzung und Aufhebung der Beschlüsse 2009/371/JI, 2009/934/JI, 2009/935/JI, 2009/936/JI und 2009/968/JI des Rates (ABl. 2016, L 135, S. 53), wobei sie Europol insbesondere mitteilte, dass der Kläger verdächtigt werde, in den Handel mit dieser Substanz verwickelt zu sein.

3        Auf der Grundlage von Informationen, die von den Mitgliedstaaten übermittelt und gemäß Art. 17 Abs. 1 Buchst. a, Art. 18 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a, c und d sowie Art. 31 der Verordnung 2016/794 verarbeitet wurden, nahm Europol einen Abgleich gemäß Art. 18 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung vor und erstellte anschließend einen Bericht (im Folgenden: Bericht).

4        Der Bericht wurde mit dem Vertraulichkeitsgrad „Nicht als Europol-Verschlusssache eingestuft – Basisschutzniveau“ versehen und nur an die Französische Republik, das Königreich der Niederlande, die Slowakische Republik und die United States Drug Enforcement Administration (Drogenbekämpfungsbehörde, Vereinigte Staaten von Amerika) übermittelt.

5        In dem in englischer Sprache verfassten Bericht wird der Name des Klägers im folgenden Absatz genannt:

„Both, Leon Leonard Johan Veen and [A] came into noticed in several Dutch investigations concerning suspicious transactions. In addition, Leon Leonard Johan Veen had been reported also in a Swedish investigation concerning drugs trafficking and a Polish investigation concerning fraud.“ (Sowohl Leon Leonard Johan Veen als auch [A] fielen in mehreren niederländischen Ermittlungen wegen verdächtiger Transaktionen auf. Darüber hinaus wurde Leon Leonard Johan Veen auch in einer schwedischen Ermittlung wegen Drogenhandels und in einer polnischen Ermittlung wegen Betrugs ausgeschrieben.)

 Anträge der Parteien

6        Der Kläger beantragt,

–        Europol zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 50 000 Euro zu zahlen;

–        Europol die Kosten aufzuerlegen.

7        Europol beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

8        Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger ein schädigendes Verhalten von Europol infolge widerrechtlicher Datenverarbeitung geltend und begehrt auf der Grundlage der Art. 268 und 340 AEUV sowie von Art. 50 Abs. 1 der Verordnung 2016/794 Ersatz des dadurch entstandenen immateriellen Schadens in Höhe von 50 000 Euro.

9        Nach Art. 50 Abs. 1 der Verordnung 2016/794 hat jede Person, der wegen einer widerrechtlichen Datenverarbeitung ein Schaden entsteht, das Recht, entweder von Europol nach Art. 340 AEUV oder von dem Mitgliedstaat, in dem der Schadensfall eingetreten ist, nach den nationalen Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats Schadensersatz zu fordern.

10      Da der Kläger beim Gericht Klage gegen Europol erhoben hat, ist seine Klage auf der Grundlage der Art. 268 und 340 AEUV zu prüfen.

 Zur Zulässigkeit

11      Europol hält die Klage wegen fehlender Klarheit und Deutlichkeit der Klageschrift für unzulässig.

12      Nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß ihrem Art. 53 Abs. 1 auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, sowie nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift den Streitgegenstand, die geltend gemachten Klagegründe und Argumente sowie eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Angaben müssen hinreichend klar und deutlich sein, um dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht – gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen – die Entscheidung über die Klage zu ermöglichen. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben (vgl. Beschluss vom 11. März 2021, Techniplan/Kommission, T‑426/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:129, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

13      Eine Klage auf Ersatz von Schäden, die ein Organ der Europäischen Union verursacht haben soll, genügt den Erfordernissen der Klarheit und Deutlichkeit nur, wenn sie Angaben, Beweise oder Beweisangebote enthält, anhand deren sich das dem Organ vom Kläger vorgeworfene Verhalten bestimmen lässt, die Gründe angibt, aus denen nach Auffassung des Klägers ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden besteht, sowie Art und Umfang dieses Schadens bezeichnet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Oktober 2015, Accorinti u. a./EZB, T‑79/13, EU:T:2015:756, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

14      Im vorliegenden Fall geht aus der Klageschrift hervor, dass der Kläger Ersatz des Schadens begehrt, der ihm durch zwei Verhaltensweisen von Europol entstanden sein soll, nämlich zum einen durch die Nennung von ihn betreffenden personenbezogenen Daten im Bericht (erster Teil des Antrags) und zum anderen durch die Weiterreichung dieses Berichts durch Europol zur Akte des gegen den Kläger geführten slowakischen Strafverfahrens (zweiter Teil des Antrags), wobei er deren Rechtswidrigkeit im Licht von Rechtsnormen darlegt, die einem Einzelnen Rechte verleihen, darunter die Bestimmungen, die die Achtung seiner personenbezogenen Daten sicherstellen.

15      Daher ist festzustellen, dass der Streitgegenstand und die vom Kläger in der Klageschrift vorgetragenen Klagegründe sich hinreichend verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben. Im Übrigen wird diese Feststellung durch den Umstand bestätigt, dass Europol in der Lage war, auf diese Klagegründe zu antworten.

16      Außerdem ist zum Vorbringen von Europol zur Einrede der Unzulässigkeit, die auf die Unzulänglichkeit der vom Kläger vorgelegten Beweise in Bezug auf das behauptete rechtswidrige Verhalten und den behaupteten Schaden gestützt wird, festzustellen, dass solche Fragen nicht in die Beurteilung der Zulässigkeit des Schadensersatzbegehrens, sondern in die Beurteilung seiner Begründetheit fallen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2021, Kočner/Europol, T‑528/20, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2021:631, Rn. 39).

17      Daher ist davon auszugehen, dass die Klage den Erfordernissen des Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung genügt und somit zulässig ist.

 Zur Begründetheit

18      Gemäß Art. 340 Abs. 2 AEUV ersetzt die Union im Bereich der außervertraglichen Haftung den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.

19      Zum einen ergibt sich daraus, dass Art. 340 Abs. 2 AEUV den Unionsgerichten nur die Zuständigkeit für Klagen auf Ersatz derjenigen Schäden verleiht, die die Organe der Union oder deren Bedienstete in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursacht haben, also auf Ersatz der Schäden, die die außervertragliche Haftung der Union auslösen können (Beschluss vom 9. Juli 2019, Scaloni und Figini/Kommission, T‑158/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:491, Rn. 19, und Urteil vom 29. September 2021, Kočner/Europol, T‑528/20, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2021:631, Rn. 59).

20      Nach ständiger Rechtsprechung umfasst der Begriff „Organ“ im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV nicht nur die in Art. 13 Abs. 1 EUV aufgeführten Organe der Union, sondern auch alle Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, die mit den Verträgen oder kraft der Verträge errichtet wurden und zur Verwirklichung der Ziele der Union beitragen sollen (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2020, Rat u. a./K. Chrysostomides & Co. u. a., C‑597/18 P, C‑598/18 P, C‑603/18 P und C‑604/18 P, EU:C:2020:1028, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung), einschließlich der Agenturen der Union, also Europol (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2021, Kočner/Europol, T‑528/20, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2021:631, Rn. 60).

21      Zum anderen hängt die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV vom Vorliegen dreier kumulativer Voraussetzungen ab, nämlich der Rechtswidrigkeit des dem Unionsorgan vorgeworfenen Verhaltens, dem tatsächlichen Bestehen des Schadens und der Existenz eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten des Organs und dem geltend gemachten Schaden (Urteil vom 16. Dezember 2020, Rat u. a./K. Chrysostomides & Co. u. a. C‑597/18 P, C‑598/18 P, C‑603/18 P und C‑604/18 P, EU:C:2020:1028, Rn. 79).

22      Da diese drei Voraussetzungen für die Haftung kumulativ sind, genügt es für die Abweisung einer Schadensersatzklage, dass eine von ihnen nicht vorliegt (Urteil vom 25. Februar 2021, Dalli/Kommission, C‑615/19 P, EU:C:2021:133, Rn. 42).

23      Jeder der beiden Teile des Antrags ist im Licht der oben genannten Grundsätze zu prüfen.

 Zum ersten Teil des Antrags

24      Der Kläger beantragt Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entstanden sein soll, dass Europol in ihrem Bericht unrichtig und unbewiesen angegeben habe, dass gegen ihn wegen Drogenhandels in Schweden und wegen Betrugs in Polen ermittelt worden sei, obwohl in diesen Staaten keine Ermittlungen gegen ihn anhängig seien oder durchgeführt worden seien.

25      Die Angabe dieser unrichtigen und unbewiesenen Informationen über ihn stelle eine widerrechtliche Verarbeitung personenbezogener Daten dar, die sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und sein Recht auf Schutz seiner personenbezogenen Daten verletze sowie gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstoße, die alle durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) gewährleistet seien. Diese Informationen stellten ihn nämlich als eine Person dar, die mit Drogen gehandelt oder einen Betrug begangen habe.

26      Diese Beeinträchtigung sei umso rechtswidriger, als er sich nicht zu den im Bericht enthaltenen Informationen habe äußern können, dem Bericht keine gerichtliche Entscheidung oder Entscheidung einer unabhängigen Verwaltungsbehörde vorausgegangen sei und Europol über keine Nachweise für die Richtigkeit der Informationen über ihn verfügt habe.

27      Dadurch habe er sich ungerecht behandelt gefühlt, und seine Ehre, sein guter Ruf sowie sein Privatleben, insbesondere in seinen Beziehungen zu seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn, seien beeinträchtigt worden.

28      Europol tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

29      Zur Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des Europol vorgeworfenen Verhaltens ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen des Klägers, der Bericht habe rechtswidrig zwei Ermittlungen gegen ihn in Schweden und Polen genannt, auf einem fehlerhaften Verständnis dieses Berichts beruht.

30      Entgegen dem Vortrag des Klägers heißt es in dem streitigen Absatz des Berichts ungeachtet seiner sprachlich ungeschickten Formulierung in der englischen Sprache und trotz der Art und Weise, wie der Kläger ihn ausgelegt hat, nämlich nicht, dass gegen den Kläger zwei Ermittlungen in Schweden und in Polen geführt worden seien, sondern nur, dass sein Name im Rahmen dieser beiden Ermittlungen ausgeschrieben worden sei, wie aus dem folgenden Wortlaut des Berichts hervorgeht: „In addition, Leon Leonard Johan Veen had been reported also in a Swedish investigation concerning drugs trafficking and a Polish investigation concerning fraud.“ (Darüber hinaus wurde Leon Leonard Johan Veen auch in einer schwedischen Ermittlung wegen Drogenhandels und in einer polnischen Ermittlung wegen Betrugs ausgeschrieben.) Außerdem hat Europol in der Klagebeantwortung erläutert, dass sie, wenn sie in einem Bericht an die nationalen Polizeibehörden darauf hinweisen möchte, dass eine Person im Rahmen von Ermittlungen verdächtig sei oder dies gewesen sei, dies ausdrücklich und eindeutig angebe, u. a. durch die Verwendung von Ausdrücken wie „verdächtig“ oder „Ziel von Ermittlungen“.

31      Daher wirft der Kläger Europol zu Unrecht vor, im Bericht rechtswidrig angegeben zu haben, dass gegen ihn zwei Ermittlungen in Schweden und in Polen geführt worden seien, und ihn damit als an einem Drogenhandel oder Betrug beteiligt eingeordnet zu haben.

32      Jedenfalls kann darin, dass personenbezogene Informationen über eine Person, deren Familienname oder persönliche Daten von Europol erhoben wurden oder gespeichert werden, in einem Bericht von Europol Erwähnung finden, für sich genommen kein rechtswidriges Verhalten bestehen, das Europols Haftung auslösen kann.

33      Wie nämlich aus Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 2016/794 in Verbindung mit ihren Erwägungsgründen 12 und 13 hervorgeht, fungiert Europol als Knotenpunkt für den Informationsaustausch in dem Bereich strafrechtlich relevanter Erkenntnisse zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten, der die Tätigkeit der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sowie deren gegenseitige Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung bestimmter, zwei oder mehr Mitgliedstaaten betreffender schwerer Kriminalität unterstützen und verstärken soll.

34      Zur Erreichung dieser Ziele und gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung 2016/794 hat Europol u. a. die Aufgabe, Informationen, einschließlich strafrechtlich relevanter Erkenntnisse, zu erheben, zu speichern, zu verarbeiten, zu analysieren und auszutauschen sowie die Mitgliedstaaten unverzüglich über alle sie betreffenden Informationen und etwaige Zusammenhänge zwischen Straftaten zu unterrichten, wobei diese Unterrichtung nach Art. 22 der Verordnung sogar zwingend sein kann.

35      Zu diesem Zweck ermächtigt Art. 18 Abs. 1 und 2 der Verordnung 2016/794 in Verbindung mit ihren Erwägungsgründen 24 und 25 Europol, Informationen einschließlich personenbezogener Daten zu verarbeiten, insbesondere durch die Vornahme eines Abgleichs zur Ermittlung etwaiger Zusammenhänge oder anderer relevanter Verbindungen zwischen Informationen in Bezug auf unterschiedliche Kategorien von Personen.

36      Dennoch verpflichtet Art. 18 Abs. 4 der Verordnung 2016/794 Europol, die in dieser Verordnung festgelegten Datenschutzgarantien einzuhalten. Wie aus Kapitel VI („Datenschutzgarantien“) der Verordnung sowie aus ihrem 40. Erwägungsgrund hervorgeht, ist dieser Schutz autonom und dem spezifischen Charakter der Verarbeitung personenbezogener Daten im Strafverfolgungsbereich angepasst, was durch die dem EUV und dem AEUV beigefügte Erklärung Nr. 21 zum Schutz personenbezogener Daten im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen und der polizeilichen Zusammenarbeit ermöglicht wird, in der der spezifische Charakter der Verarbeitung personenbezogener Daten im Strafverfolgungsbereich anerkannt wird.

37      In diesem Rahmen präzisiert Art. 38 Abs. 2, 4, 5 und 7 der Verordnung 2016/794 in Verbindung mit ihrem 47. Erwägungsgrund die Aufteilung der Verantwortung für den Schutz personenbezogener Daten insbesondere zwischen Europol und den Mitgliedstaaten.

38      Europol trägt somit u. a. die Verantwortung für die Einhaltung der allgemeinen Grundsätze des Datenschutzes nach Art. 28 der Verordnung, mit Ausnahme des Erfordernisses der sachlichen Richtigkeit dieser Daten und deren Haltung auf dem neuesten Stand, sowie die Verantwortung für alle von ihr durchgeführten Datenverarbeitungsvorgänge, mit Ausnahme des unter Nutzung der Struktur von Europol erfolgenden bilateralen Austauschs von Daten. Die Mitgliedstaaten sind ihrerseits für die Qualität der personenbezogenen Daten, die sie an Europol übermitteln, sowie für die Rechtmäßigkeit der Übermittlung dieser Daten verantwortlich.

39      Im vorliegenden Fall bringt der Kläger jedoch nichts vor, was belegen könnte, dass Europol hinsichtlich der Nennung seines Namens oder der Nennung von ihn betreffenden personenbezogenen Daten in dem Bericht gegen eine ihrer Verpflichtungen aus der Verordnung 2016/794 verstoßen hätte, für die sie nach Art. 38 in Verbindung mit Art. 50 Abs. 1 der Verordnung verantwortlich gemacht werden könnte.

40      In diesem Sinne trägt der Kläger nicht vor und weist erst recht nicht nach, dass Europol durch den Abgleich der ihr zur Verfügung stehenden Informationen über ihn und deren anschließender vertraulicher Übermittlung an eine begrenzte Zahl von Strafverfolgungsbehörden außerhalb des in Art. 18 Abs. 5 der Verordnung Nr. 2016/794 festgelegten Anwendungsbereichs tätig geworden wäre oder die ihr u. a. in Art. 18 Abs. 2 der Verordnung übertragenen Befugnisse überschritten hätte.

41      Soweit der Kläger andeutet, dass die im Bericht enthaltenen Informationen über ihn falsch seien, ist darauf hinzuweisen, dass er keineswegs geltend gemacht hat, dass sein Name im Rahmen der genannten Ermittlungen nicht aufgetaucht sei.

42      Selbst wenn diese Informationen falsch wären, hat er mitnichten dargetan, dass Europol für diese Unrichtigkeit verantwortlich gemacht werden könnte. Wie oben in Rn. 38 ausgeführt, kann Europol nämlich nicht für die etwaige Unrichtigkeit von von einem Mitgliedstaat übermittelten Daten haftbar gemacht werden. Der Kläger hat jedoch keinen Beweis oder Anfangsbeweis vorgelegt, der zumindest vermuten ließe, dass Europol von den schwedischen und den polnischen Behörden übermittelte Informationen verfälscht hätte.

43      Soweit der Kläger Europol schließlich vorwirft, ihn nicht angehört zu haben, bevor Europol ihn betreffende personenbezogene Daten im Bericht angegeben habe, oder diese Daten ohne vorherige Genehmigung eines Richters oder einer unabhängigen Verwaltungsbehörde verarbeitet zu haben, so genügt der Hinweis, dass solche Verpflichtungen in der Verordnung 2016/794 nicht vorgesehen sind.

44      Insbesondere könnte eine Verpflichtung von Europol, jede Person anzuhören, bevor sie betreffende personenbezogene Daten in einem Bericht genannt werden, der ausschließlich für bestimmte Polizei- und Strafverfolgungsbehörden bestimmt ist, die praktische Wirksamkeit der Verordnung 2016/794 sowie die Tätigkeit dieser Behörden in Frage stellen, die durch die Verordnung unterstützt und verstärkt werden soll.

45      Darüber hinaus ist das Vorbringen zurückzuweisen, mit dem ein Verstoß gegen die Art. 7, 8 sowie 48 Abs. 1 der Charta betreffend die Achtung des Privat- und Familienlebens, den Schutz personenbezogener Daten und die Unschuldsvermutung geltend gemacht wird.

46      Zum geltend gemachten Verstoß gegen die Art. 7 und 8 der Charta ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 52 Abs. 1 der Charta jede Einschränkung der Ausübung der in ihr anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein muss, was insbesondere bedeutet, dass die gesetzliche Grundlage für den Eingriff in die Grundrechte den Umfang, in dem die Ausübung des betreffenden Rechts eingeschränkt wird, selbst festlegen muss und dass die Regelung, die eine Maßnahme enthält, die einen solchen Eingriff ermöglicht, klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der betreffenden Maßnahme vorsehen und Mindesterfordernisse aufstellen muss, damit die Personen, deren personenbezogene Daten übermittelt worden sind, über ausreichende Garantien verfügen, die einen wirksamen Schutz ihrer Daten vor Missbrauchsrisiken ermöglichen (vgl. Urteil vom 24. Februar 2022, Valsts ieņēmumu dienests [Verarbeitung personenbezogener Daten für steuerliche Zwecke], C‑175/20, EU:C:2022:124, Rn. 54 und 55 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Wie im 76. Erwägungsgrund der Verordnung 2016/794 ausgeführt wird, wurde diese Verordnung jedoch konzipiert, um insbesondere gemäß den Art. 8 und 7 der Charta die Achtung des Rechts auf den Schutz personenbezogener Daten sicherzustellen und das Recht auf Achtung des Privatlebens zu gewährleisten sowie um zugleich das legitime und erforderliche Ziel der wirksamen Bekämpfung der zwei oder mehr Mitgliedstaaten betreffenden oder sogar über die Außengrenzen der Union hinausgehenden schweren Kriminalität zu verfolgen.

48      In diesem Rahmen hat der Unionsgesetzgeber, wie insbesondere aus Kapitel VI der Verordnung 2016/794 in Verbindung mit ihrem 50. Erwägungsgrund hervorgeht, klare und präzise Regeln zur Tragweite der Europol übertragenen Befugnisse erarbeitet, die Tätigkeit von Europol an Mindestanforderungen des Schutzes personenbezogener Daten geknüpft und unabhängige, transparente und rechenschaftspflichtige Aufsichtsstrukturen geschaffen.

49      Da der Kläger nicht dargetan hat, dass Europol gegen ihre Verpflichtungen verstoßen hat, indem sie in dem Bericht ihn betreffende personenbezogene Daten angegeben hat, lässt sich daher insoweit kein Verstoß gegen die Art. 7 und 8 der Charta feststellen.

50      Der gerügte Verstoß gegen Art. 48 Abs. 1 der Charta, der die Unschuldsvermutung betrifft, wird durch kein Vorbringen gestützt. Die Rüge genügt daher nicht den Erfordernissen des Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung und ist folglich unzulässig.

51      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Kläger das Vorliegen eines rechtswidrigen Verhaltens von Europol in Bezug auf den ersten Teil des Antrags nicht dargetan hat.

52      Zu den Voraussetzungen des tatsächlichen Vorliegens des geltend gemachten Schadens und des Bestehens eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Schaden und dem Verhalten von Europol ist zweitens jedenfalls darauf hinzuweisen, dass der Kläger lediglich geltend gemacht hat, dass der Bericht dem Staatsanwalt, dem Ermittler, dem nationalen Richter sowie den Verfahrensbeteiligten, die er im Übrigen nicht namhaft macht, „zugänglich“ gewesen sei.

53      Da der Kläger nicht dargetan hat, dass der Vertraulichkeit, mit der Europol den Bericht belegt hat, Abbruch getan worden sei oder dass andere Personen als die Adressaten des Berichts Zugang zu diesem gehabt hätten, kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Nennung von ihn betreffenden personenbezogenen Daten im Bericht für ihn rufschädigend oder ehrabschneidend gewesen sei.

54      Aus ähnlichen Gründen und mangels eines Beweises zur Stützung seines Vorbringens hat der Kläger auch nicht dargetan, dass die Erwähnung dieser Daten im Bericht seine Beziehungen zu seiner Lebensgefährtin und seinem Kind beeinträchtigt habe, die in Anbetracht der dem Gericht vorgelegten Angaben keinen Zugang zu dem genannten Bericht hatten.

55      Nach alledem ist der erste Teil des Antrags auf Schadensersatz als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des Antrags

56      Der Kläger beantragt den Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entstanden sein soll, dass Europol den Bericht zur Akte des gegen den Kläger geführten slowakischen Strafverfahrens gereicht habe, da er sich durch diese Weitergabe ebenfalls ungerecht behandelt gefühlt habe und sie seine Ehre, seinen guten Ruf sowie sein Recht auf Familienleben beeinträchtigt habe.

57      Europol tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und macht insbesondere geltend, dass sie den Bericht nicht zur Akte des fraglichen Strafverfahrens gereicht habe.

58      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger keinen Beweis oder auch nur einen Anfangsbeweis dafür erbringt, dass tatsächlich Europol und nicht die slowakischen Strafverfolgungsbehörden den Bericht zur Akte des Strafverfahrens gereicht hätte.

59      Außerdem geht aus Rn. 17 der Klageschrift ausdrücklich hervor, dass Europol den Ausführungen des Klägers selbst zufolge den Bericht den slowakischen Polizeibehörden übermittelt hat.

60      Diese Feststellung wird im Übrigen durch die Logik der Verordnung 2016/794 und durch die Aufgabe untermauert, die Europol in dem durch diese Verordnung geschaffenen System der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung übertragen wurde.

61      Aus Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 2016/794 ergibt sich nämlich, dass Europol die Aufgabe hat, die Tätigkeit derjenigen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu unterstützen und zu verstärken, die in Art. 2 Buchst. a der Verordnung als „alle in den Mitgliedstaaten bestehenden Polizeibehörden und anderen Strafverfolgungsbehörden, die nach nationalem Recht für die Verhütung und Bekämpfung von Straftaten zuständig sind“, definiert werden.

62      Daher kann entgegen dem Vorbringen des Klägers und in Hinblick auf die von ihm dem Gericht vorgelegten Nachweise nicht davon ausgegangen werden, dass die Weiterreichung des Berichts zur Akte des gegen ihn geführten slowakischen Strafverfahrens von Europol vorgenommen worden wäre.

63      Folglich ist der Schaden, der durch die Weiterreichung des Berichts zur Akte des Strafverfahrens entstanden sein soll, Europol nicht zuzurechnen.

64      Nach alledem ist der zweite Teil des Antrags auf Schadensersatz als unbegründet zurückzuweisen; ebenso ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass über die Beweisangebote des Klägers sowie über seine Anträge auf prozessleitende Maßnahmen und Maßnahmen der Beweisaufnahme, insbesondere über deren Zulässigkeit, entschieden zu werden braucht, da sich das Gericht durch die zur Akte gereichten Angaben für hinreichend unterrichtet hält, um über den Rechtsstreit zu entscheiden.

 Kosten

65      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag von Europol die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Herr Leon Leonard Johan Veen trägt die Kosten.

Svenningsen

Barents

Mac Eochaidh

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. April 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Slowakisch.