Language of document : ECLI:EU:C:2017:973

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 14. Dezember 2017(1)

Verbundene Rechtssachen C331/16 und C366/16

K.

gegen

Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie

(Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Middelburg [Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Middelburg, Niederlande])

und


H. F.

gegen

Belgische Staat

(Vorabentscheidungsersuchen des Raad voor Vreemdelingenbetwistingen [Rat für Ausländerstreitsachen, Belgien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Unionsbürgerschaft – Richtlinie 2004/38/EG – Art. 27 Abs. 2 – Beschränkung der Freizügigkeit und der Aufenthaltsfreiheit aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit – Tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt – Vom Flüchtlingsstatus aus den in Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens und in Art. 12 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2011/95/EU genannten Gründen ausgeschlossene Person – Verhältnismäßigkeit – Art. 28 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG – Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens“






I.      Einleitung

1.        Die Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Middelburg (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Middelburg, Niederlande), und der Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen, Belgien) ersuchen den Gerichtshof um die Auslegung von Art. 27 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG(2) in Verbindung mit Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und Art. 8 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK).

2.        Diese Vorabentscheidungsersuchen stehen im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten über die Vereinbarkeit von Maßnahmen zur Beschränkung der Freizügigkeit und der Aufenthaltsfreiheit aufgrund der Richtlinie 2004/38, die gegen Personen getroffen werden, die, bevor sie Unionsbürger oder Familienangehöriger eines Unionsbürgers wurden, gemäß Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (im Folgenden: Genfer Abkommen)(3) vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen wurden, mit den genannten Bestimmungen.

3.        Nach Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens – dessen Wortlaut in Art. 12 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2011/95/EU(4) übernommen wurde – genießen Asylbewerber, in Bezug auf die aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sie ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, nicht den Schutz des Abkommens.

4.        Die vorlegenden Gerichte möchten im Wesentlichen wissen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Tatsache, dass auf eine Person in der Vergangenheit die in Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens vorgesehene Ausschlussklausel angewendet wurde, es rechtfertigen kann, die dieser Person nach der Richtlinie 2004/38 zustehende Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit zu beschränken.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Völkerrecht

5.        Art. 1 des Genfer Abkommens bestimmt, nachdem in Abschnitt A u. a. der Begriff „Flüchtling“ definiert wurde, in Abschnitt F:

„Die Bestimmungen dieses Abkommens finden keine Anwendung auf Personen, in Bezug auf die aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist,

a)      dass sie ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen haben, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen;

b)      dass sie ein schweres nichtpolitisches Verbrechen außerhalb des Aufnahmelandes begangen haben, bevor sie dort als Flüchtling aufgenommen wurden;

c)      dass sie sich Handlungen zuschulden kommen ließen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen.“

B.      Unionsrecht

1.      Richtlinie 2004/38

6.        Art. 27 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/38 lautet:

„(1)      Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Kapitels dürfen die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken. Diese Gründe dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden.

(2)      Bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen.

Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.“

7.        In Art. 28 dieser Richtlinie heißt es:

„(1)      Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

(2)      Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3)      Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a)      ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben …

…“

2.      Richtlinie 2011/95

8.        Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95 sieht vor:

„Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser ist von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass er

a)      ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen;

…“

C.      Nationales Recht

1.      Niederländisches Recht

9.        Art. 67 der Vreemdelingenwet (Ausländergesetz) vom 23. November 2000 (im Folgenden: niederländisches Ausländergesetz) bestimmt:

„(1)      Vorbehaltlich der Anwendbarkeit von Abschnitt 3 kann der [Minister van Veiligheid en Justitie (Minister für Sicherheit und Justiz, Niederlande)] einen Ausländer für unerwünscht erklären:

e)      im Interesse der internationalen Beziehungen der Niederlande.

(3)      Abweichend von Art. 8 kann der für unerwünscht erklärte Ausländer keinen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus haben.“

2.      Belgisches Recht

10.      Gemäß Art. 40bis§ 2 der Wet betreffende de toegang tot het grondgebied, het verblijf, de vestiging en de verwijdering van vreemdelingen (Gesetz über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern) vom 15. Dezember 1980 (im Folgenden: belgisches Ausländergesetz) in seiner zur Zeit der in der Rechtssache C‑366/16 entscheidungserheblichen Tatsachen geltenden Fassung werden u. a. die Verwandten in aufsteigender Linie eines Unionsbürgers oder seines Ehepartners, denen von diesen Unterhalt gewährt wird, als Familienmitglieder des Unionsbürgers betrachtet.

11.      Durch Art. 43 dieses Gesetzes wird Art. 27 der Richtlinie 2004/38 in belgisches Recht umgesetzt.

III. Ausgangsrechtsstreitigkeiten, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

A.      Rechtssache C331/16

12.      Herr K. besitzt die doppelte Staatsangehörigkeit von Bosnien-Herzegowina und Kroatien. Er reiste 2001 in Begleitung seiner Ehefrau und seines ältesten Sohnes in die Niederlande ein. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts hielt er sich seither ohne Unterbrechung in diesem Mitgliedstaat auf. Sein jüngster Sohn wurde dort 2006 geboren.

13.      Herr K. stellte kurze Zeit nach seiner Ankunft in den Niederlanden im Jahr 2001 einen ersten Asylantrag. Der Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie (Staatssekretär für Sicherheit und Justiz, Niederlande, im Folgenden: niederländischer Staatssecretaris) wies den Antrag mit Entscheidung vom 15. Mai 2003 zurück. Diese Entscheidung beruhte auf dem Vorliegen schwerwiegender Gründe, aus denen die Annahme gerechtfertigt war, dass Herr K. im Gebiet Ex‑Jugoslawiens in der Zeit von April 1992 bis Februar 1994 Verbrechen der in Art. 1 Abschnitt F Buchst. a und b des Genfer Abkommens genannten Art begangen hatte. Diese Entscheidung wurde im Anschluss an ein Urteil des Raad van State (Staatsrat, Niederlande) vom 21. Februar 2005, mit dem sie bestätigt wurde, rechtskräftig.

14.      2011 stellte Herr K. einen zweiten Asylantrag, der durch Entscheidung des niederländischen Staatssecretaris vom 16. Januar 2013 in Anwendung der in Art. 1 Abschnitt F Buchst. a und b des Genfer Abkommens genannten Ausschlussklauseln ebenfalls zurückgewiesen wurde. Diese Entscheidung war mit einem Einreiseverbot in das niederländische Hoheitsgebiet für die Dauer von zehn Jahren versehen. Der Raad van State (Staatsrat) bestätigte die Entscheidung mit Urteil vom 10. Februar 2014, woraufhin sie rechtskräftig wurde.

15.      Außerdem beantragte Herr K. beim niederländischen Staatssecretaris die Aufhebung des gegen ihn verhängten Einreiseverbots in die Niederlande. Mit Entscheidung vom 22. Juli 2015 hob diese Behörde das Einreiseverbot auf und ersetzte es durch eine Unerwünschterklärung auf der Grundlage von Art. 67 Abs. 1 Buchst. e des niederländischen Ausländergesetzes. Grund für diese Entscheidung war der Erwerb der Unionsbürgerschaft durch Herrn K. infolge des Beitritts der Republik Kroatien zur Europäischen Union am 1. Juli 2013. Anders als ein Einreiseverbot, das sich nur gegen Drittstaatsangehörige richten kann, kann sich eine Unerwünschterklärung auch gegen einen Unionsbürger richten.

16.      Herr K. legte gegen die Unerwünschterklärung beim niederländischen Staatssecretaris Beschwerde ein. Seine Beschwerde wurde mit Entscheidung vom 9. Dezember 2015 (im Folgenden: in der Rechtssache C‑331/16 streitige Entscheidung) zurückgewiesen.

17.      In der streitigen Entscheidung bezog sich der niederländische Staatssecretaris auf seine Entscheidungen vom 15. Mai 2003 und vom 16. Januar 2013, mit denen er die Asylanträge von Herrn K. zurückgewiesen hatte. Unter Bezugnahme auf die erste dieser Entscheidungen sowie auf den Entwurf, der zu ihrer Verabschiedung geführt hatte, stellte er fest, dass Herr K. von durch Spezialeinheiten der bosnischen Armee, denen er angehört habe, begangene Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit Kenntnis gehabt haben müsse („knowing participation“) und an ihnen persönlich teilgenommen habe („personal participation“).

18.      Der niederländische Staatssecretaris nahm allein auf der Grundlage dieser früheren Feststellungen an, dass Herr K. durch seine Anwesenheit in den Niederlanden die internationalen Beziehungen dieses Mitgliedstaats beeinträchtige. Es müsse verhindert werden, dass dieser Mitgliedstaat ein Aufnahmeland für Personen werde, bei denen schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigten, dass sie sich eines Verhaltens der in Art. 1 Abschnitt F des Genfer Abkommens genannten Art strafbar gemacht hätten. Außerdem erfordere es der Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, dass alle notwendigen Maßnahmen ergriffen würden, um zu verhindern, dass niederländische Bürger mit solchen Personen in Kontakt träten, und insbesondere, dass die Opfer der Herrn K. zur Last gelegten Verbrechen oder ihre Familienangehörigen mit ihm in den Niederlanden konfrontiert würden.

19.      In Anbetracht dessen stelle Herr K. eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft im Sinne von Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 dar.

20.      Der niederländische Staatssecretaris stützte diese Schlussfolgerung auf Urteile des Raad van State (Staatsrat) vom 12. September 2008(5), vom 16. Juni 2015(6) und vom 21. August 2015(7). Darin hatte der Raad van State ausgeführt, dass in Anbetracht der besonderen Schwere der in Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens genannten Verbrechen die Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft in Form der Anwesenheit einer auf der Grundlage dieser Bestimmungen vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossenen Person ihrem Wesen nach dauerhaft gegenwärtig sei. Die Feststellung einer solchen Gefahr erfordere keine Bewertung des wahrscheinlichen künftigen Verhaltens der betreffenden Person.

21.      Der niederländische Staatssecretaris ergänzte, dass der in Art. 8 EMRK verankerte Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens der Erklärung von Herrn K. als unerwünscht nicht entgegenstehe.

22.      Herr K. erhob bei der Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Middelburg (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Middelburg), Klage gegen die in der Rechtssache C‑331/16 streitige Entscheidung.

23.      In diesem Zusammenhang stellt sich dieses Gericht erstens die Frage, ob die streitige Entscheidung mit Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/38 vereinbar ist. In Anbetracht insbesondere der seit dem Zeitraum, in dem Herr K. Verbrechen der in Art. 1 Abschnitt F Buchst. a und b des Genfer Abkommens genannten Art begangen haben solle, verstrichenen Zeit sei fraglich, ob das Bestehen schwerwiegender Gründe für die Annahme, dass Herr K. solche Verbrechen begangen habe, als Beleg dafür ausreiche, dass seine Anwesenheit im niederländischen Hoheitsgebiet eine „tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft“ im Sinne von Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Richtlinie darstelle. Herr K. sei auch nicht strafrechtlich verurteilt worden.

24.      Insoweit hegt das vorlegende Gericht Zweifel an der Vereinbarkeit der in Nr. 19 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung des Raad van State (Staatsrat), auf die sich die in der Rechtssache C‑331/16 streitige Entscheidung stützt, mit der genannten Bestimmung. Seine Zweifel beruhen sowohl auf dem Wortlaut dieser Bestimmung als auch auf der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere in den Urteilen Bouchereau(8), B und D(9), I(10) und H. T.(11).

25.      Das vorlegende Gericht erwähnt außerdem ein am 27. März 2013 in Belgien ergangenes Urteil des Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen)(12), in dem jeder Automatismus zwischen der Anwendung von Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens durch die niederländischen Behörden aufgrund von früheren Handlungen eines Familienangehörigen eines Unionsbürgers und dem Bestehen einer Gefahr, die es rechtfertige, ihm das Recht auf Freizügigkeit und auf freien Aufenthalt zu verweigern, zurückgewiesen werde.

26.      Außerdem macht Herr K. im Rahmen seines Rechtsmittels gegen die in der Rechtssache C‑331/16 streitige Entscheidung u. a. geltend, dass die internationalen Beziehungen nicht unter den Begriff „öffentliche Ordnung“ im Sinne von Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/38 fielen. Darüber hinaus überdehne die Annahme, dass jeder mögliche Kontakt zwischen ihm und einem seiner Opfer bereits eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen würde, diesen Begriff. Jedenfalls habe der niederländische Staatssecretaris die Gründe, aus denen seine Anwesenheit in den Niederlanden den internationalen Beziehungen dieses Mitgliedstaats schaden solle, nicht ausreichend dargestellt. Er habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass sich Opfer von Herrn K. auf niederländischem Boden befänden.

27.      Zweitens bezweifelt die Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Middelburg (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Middelburg), die Vereinbarkeit der streitigen Entscheidung mit dem in Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/38 genannten Erfordernis, nach dem jede Beschränkung der Freizügigkeit und des Aufenthalts eines Unionsbürgers den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten muss. Fraglich sei in Anbetracht von Abschnitt 3.3 der Mitteilung der Kommission betreffend die Leitlinien zur Verbesserung der Umsetzung und Anwendung der [Richtlinie 2004/38/EG] (im Folgenden: Leitlinien der Kommission)(13) zudem, ob diese Entscheidung mit Art. 28 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie vereinbar sei.

28.      Insoweit führt das vorlegende Gericht aus, Herr K. und seine Familienangehörigen seien perfekt in die niederländische Gesellschaft integriert, da sie seit 2001 in den Niederlanden wohnen, wo der zweite Sohn von Herrn K. geboren worden sei und wo seine beiden Söhne zur Schule gingen. Herr K. hat außerdem erklärt, seine Familie habe die kroatische Staatsangehörigkeit aus rein technischen Gründen erworben; ihr sei dieses Land völlig fremd, da sie dort weder gelebt noch Verwandte habe. Außerdem könnten Kroaten, die katholisch seien, kein Leben mehr in Bosnien-Herzegowina aufbauen, einem Land, zu dem seine Kinder im Übrigen keine Verbindung hätten.

29.      Unter diesen Umständen hat die Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Middelburg (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Middelburg), entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Gestattet es Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, einen Unionsbürger, bei dem, wie in der vorliegenden Rechtssache, rechtskräftig feststeht, dass Art. 1 Abschnitt F Buchst. a und b des Genfer Abkommens auf ihn Anwendung findet, für unerwünscht zu erklären, weil aufgrund der besonderen Schwere der Verbrechen, auf die sich diese Bestimmung des Abkommens bezieht, davon auszugehen ist, dass die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr ihrem Wesen nach dauerhaft gegenwärtig ist?

2.      Sofern Frage 1 verneint wird: Wie ist im Rahmen einer beabsichtigten Unerwünschterklärung zu prüfen, ob das Verhalten des genannten Unionsbürgers, auf den Art. 1 Abschnitt F Buchst. a und b des Genfer Abkommens für anwendbar erklärt wurde, als eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr zu betrachten ist, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt?Inwiefern spielt es dabei eine Rolle, dass die unter Art. 1 Abschnitt F fallenden Verhaltensweisen wie im vorliegenden Fall vor vielen Jahren – hier in der Zeit von 1992 bis 1994 – stattgefunden haben?

3.      Inwiefern spielt bei der Beurteilung der Frage, ob eine Unerwünschterklärung gegen einen Unionsbürger ausgesprochen werden kann, auf den – wie in der vorliegenden Rechtssache – Art. 1 Abschnitt F Buchst. a und b des Genfer Abkommens für anwendbar erklärt wurde, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Rolle? Sind dabei – oder unabhängig davon – die in Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 genannten Faktoren einzubeziehen? Ist dabei – oder unabhängig davon – auch der in Art. 28 Abs. 3 Buchst. a genannte Aufenthaltszeitraum von zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat zu berücksichtigen? Sind die in den Leitlinien der Kommission unter 3.3 genannten Faktoren uneingeschränkt einzubeziehen?

B.      Rechtssache C366/16

30.      Herr H. F. gab an, afghanischer Staatsangehöriger zu sein. Im Jahr 2000 reiste er in die Niederlande ein und stellte dort einen Asylantrag.

31.      Mit Entscheidung vom 26. Mai 2003 schloss der Immigratie- en Naturalisatiedienst (Behörde für Immigration und Einbürgerung, Niederlande, im Folgenden: niederländische Asylbehörde) Herrn H. F. auf der Grundlage von Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens vom Flüchtlingsstatus aus. Mit Entscheidung vom 9. Januar 2006 lehnte es die Behörde ab, ihm auf der Grundlage von Art. 3 EMRK eine befristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Diese beiden Entscheidungen wurden gerichtlich bestätigt und sind rechtskräftig.

32.      Im Anschluss erteilte der niederländische Staatssecretaris Herrn H. F. ein Einreiseverbot. Auf der Grundlage dieser Entscheidung wurde Herr H. F. gemäß Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006(14) in den Jahren 2013 und 2014 unbefristet zum Zweck der Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung im Schengenraum ausgeschrieben.

33.      Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass in Belgien oder den Niederlanden keine strafrechtlichen Verurteilungen gegen Herrn H. F. ergangen sind. Er hat auch einen Auszug aus dem afghanischen Strafregister ohne Einträge vorgelegt.

34.      Die volljährige Tochter von Herrn H. F. besitzt die niederländische Staatsangehörigkeit. Im Jahr 2011 haben Herr H. F. und seine Tochter sich in Belgien niedergelassen, wo Letztere wirtschaftlich tätig ist.

35.      Herr H. F. stellte beim Vertreter des Staatssecretaris voor Asiel en Migratie, Maatschappelijke Integratie en Armoedebestrijding (Staatssekretär für Asyl und Migration, Sozialeingliederung und Armutsbekämpfung, Belgien, im Folgenden: belgischer Staatssecretaris) nacheinander vier Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Die letzten drei Anträge betrafen einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger eines Unionsbürgers im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2004/38, genauer gesagt als Verwandter in aufsteigender Linie seiner in Belgien ansässigen volljährigen Tochter niederländischer Staatsangehörigkeit. Diese vier Anträge wurden abgelehnt, und ihm wurde aufgegeben, das belgische Hoheitsgebiet zu verlassen.

36.      Die auf den vierten Antrag von Herrn H. F. ergangene Versagung des Aufenthaltstitels, verbunden mit der Anordnung, das belgische Hoheitsgebiet zu verlassen, wurde durch Urteil des Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen) vom 17. Juni 2015 für nichtig erklärt. Im Anschluss an dieses Urteil erließ der Vertreter des belgischen Staatssecretaris am 8. Oktober 2015 gegen Herrn H. F. eine weitere Entscheidung, mit der ihm ein Aufenthalt von mehr als drei Monaten versagt wurde, ohne dass ihm aufgegeben wurde, das Hoheitsgebiet zu verlassen (im Folgenden: in der Rechtssache C‑366/16 streitige Entscheidung). Rechtsgrundlage dieser Entscheidung ist Art. 43 des belgischen Ausländergesetzes, mit dem Art. 27 der Richtlinie 2004/38 in belgisches Recht umgesetzt wird.

37.      Der Vertreter des belgischen Staatssecretaris stützte diese Entscheidung auf Informationen in der Akte über das niederländische Asylverfahren von Herrn H. F., die er mit dessen Mitwirkung erhalten hatte. Aus dieser Akte ergibt sich, dass es nach den Schlussfolgerungen der niederländischen Asylbehörde schwerwiegende Gründe für die Annahme gibt, dass Herr H. F. Verbrechen der in Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens genannten Art begangen habe. Herr H. F. habe an Kriegsverbrechen oder an Verbrechen gegen die Menschlichkeit teilgenommen oder habe aufgrund der Aufgaben, die er in Afghanistan wahrgenommen habe, den Befehl erteilt, solche Verbrechen zu begehen. Als politischer Sekretär habe er mit dem KhAD, einem afghanischen Nachrichtendienst unter der alten kommunistischen Herrschaft, in Kontakt gestanden und in diesem Rahmen über illoyale Mitglieder berichtet. Dadurch habe Herr H. F. bewirkt, dass ihre Grundrechte vom KhAD verletzt worden seien.

38.      Der Vertreter des belgischen Staatssecretaris nahm an, dass die Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft aufgrund der Anwesenheit einer Person, bei der schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigten, dass sie solche Verbrechen begangen habe, ihrem Wesen nach dauerhaft gegenwärtig sei. Auf die Bewertung des künftigen Verhaltens dieser Person komme es in Anbetracht von Art und Schwere der Verbrechen sowie des Zeitraums, des Ortes und der Umstände, unter denen sie begangen worden seien, in einer solchen Situation nicht an. Deshalb müssten die Gegenwärtigkeit der sich aus dem Verhalten dieser Person ergebenden Gefahr und die Wiederholungsgefahr nicht glaubhaft gemacht werden.

39.      Die Verweigerung des Aufenthalts diene in einem solchen Fall dem Schutz der Opfer der Verbrechen und damit dem Schutz der belgischen Gesellschaft und der internationalen Rechtsordnung. Aus diesen Gründen sei die Ablehnung eines Aufenthaltsrechts von Herrn H. F. mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.

40.      Herr H. F. erhob gegen diese Entscheidung Klage auf Aussetzung und Nichtigerklärung vor dem Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen).

41.      Dieses Gericht hegt Zweifel an der Vereinbarkeit der in der streitigen Entscheidung in der Rechtssache C‑366/16 vertretenen und in Nr. 38 der vorliegenden Schlussanträge dargestellten Auffassung mit Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38. Es weist darauf hin, dass diese Auffassung der in den Niederlanden vom Raad van State (Staatsrat) in seinem Urteil vom 16. Juni 2015(15) vertretenen Auffassung entspreche.

42.      Das vorlegende Gericht fragt sich insbesondere, ob das Bestehen einer etwa zehn Jahre zuvor von einem anderen Mitgliedstaat getroffenen Entscheidung über den Ausschluss vom Flüchtlingsstatus die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats von der Prüfung entbinde, ob die sich aus dem Verhalten des Betroffenen ergebende Gefahr gegenwärtig und tatsächlich sei. Es weist insoweit darauf hin, dass eine solche Entscheidung ihrem Wesen nach Tatsachen betreffe, die sich in der Vergangenheit in dessen Herkunftsland zugetragen hätten.

43.      Herr H. F. mache im Rahmen seiner Klage gegen die in der Rechtssache C‑366/16 streitige Entscheidung insbesondere geltend, dass die Entscheidung der niederländischen Asylbehörden über den Ausschluss vom Flüchtlingsstatus auf unzutreffenden Informationen über Afghanistan beruht habe.

44.      Außerdem stelle sich die Frage der Vereinbarkeit der in der Rechtssache C‑366/16 streitigen Entscheidung mit dem in Art. 7 der Charta und in Art. 8 EMRK verankerten Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens.

45.      Unter diesen Umständen hat der Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen) entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 7 der Charta, dahin auszulegen, dass ein Antrag auf Aufenthaltsgewährung, den ein Familienangehöriger, der Drittstaatsangehöriger ist, im Rahmen der Familienzusammenführung mit einem Unionsbürger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit und seiner Niederlassungsfreiheit Gebrauch gemacht hat, stellt, in einem Mitgliedstaat abgelehnt werden kann, weil von der bloßen Anwesenheit dieses Familienangehörigen – der in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund von Tatsachen, die ihn in einem spezifischen historisch-gesellschaftlichen Kontext in seinem Herkunftsland betreffen, nach Art. 1 Abschnitt F des Genfer Abkommens und Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95 von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen wurde – in der Gesellschaft eine Gefahr ausgehen soll, wenn das Vorliegen einer tatsächlichen und gegenwärtigen Gefahr aufgrund des Verhaltens dieses Familienangehörigen im Aufenthaltsmitgliedstaat ausschließlich aus der Ausschlussentscheidung abgeleitet wird, ohne dass dabei eine Einschätzung der Wiederholungsgefahr im Aufenthaltsmitgliedstaat stattfindet?

C.      Verfahren vor dem Gerichtshof

46.      Die Vorabentscheidungsersuchen in den Rechtssachen C‑331/16 und C‑366/16 sind am 13. Juni 2016 und am 5. Juli 2016 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofs eingetragen worden. Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 21. Juli 2016 sind diese beiden Rechtssachen zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

47.      Herr K., die belgische, die hellenische, die französische und die niederländische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

48.      An der mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2017 haben Herr K. und Herr H. F., die belgische, die französische und die niederländische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission teilgenommen.

IV.    Würdigung

A.      Vorbemerkungen

49.      Bei ihrer Einreise in das Unionsgebiet versuchten Herr K. und Herr H. F., die seinerzeit nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38 fielen, den Flüchtlingsstatus zu erlangen. Dieser Status wurde ihnen auf der Grundlage von Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens – im Fall von Herrn H. F. allein aufgrund dieser Bestimmung, im Fall von Herrn K. in Verbindung mit ihrem Buchst. b – verweigert.

50.      Herr K. erwarb später infolge des Beitritts der Republik Kroatien zur Union den Status eines Unionsbürgers. Nach den Angaben des Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen) erwarb Herr H. F. die Eigenschaft eines Familienangehörigen eines Unionsbürgers, nachdem er zu seiner im belgischen Staatsgebiet wohnenden Tochter, einer niederländischen Staatsangehörigen, gezogen war(16). Diese Sachverhaltsänderungen haben zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38 auf Herrn K. und Herrn H. F. geführt.

51.      Art. 1 Abschnitt F des Genfer Abkommens verlangt zwar, die von ihm erfassten Personen vom Flüchtlingsstatus im Sinne des Abkommens auszuschließen, steht aber der Gewährung eines vom Flüchtlingsstatus unabhängigen Aufenthaltsrechts für diese Personen nicht entgegen, sofern nicht die Gefahr besteht, dass das Aufenthaltsrecht nicht mit diesem Status verwechselt wird(17). Es ist unstreitig, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn einer vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossenen Person ein Aufenthaltsrecht als Unionsbürger oder als Familienangehöriger eines Unionsbürgers gewährt wird.

52.      Im vorliegenden Fall wurden die Aufenthaltsrechte, die Herr K. und Herr H. F. aus der Richtlinie 2004/38 ableiten, durch Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit im Sinne von Art. 27 Abs. 2 dieser Richtlinie (im Folgenden: restriktive Maßnahmen) beschränkt(18). Diese Maßnahmen wurden darauf gestützt, dass gegen beide in der Vergangenheit von den Asylbehörden des Aufnahmemitgliedstaats (im Fall von Herrn K.) oder eines anderen Mitgliedstaats (im Fall von Herrn H. F.) Entscheidungen über den Ausschluss vom Flüchtlingsstatus gemäß Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens getroffen worden waren.

53.      Die vorlegenden Gerichte möchten im Wesentlichen wissen, ob diese Maßnahmen unter Beachtung der in Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 – der, da er es gestattet, von den durch den AEU-Vertrag verliehenen Grundrechten abzuweichen, restriktiv auszulegen ist – genannten Voraussetzungen zustande gekommen sind(19).

54.      Außerdem möchten sie vom Gerichtshof wissen, ob die restriktiven Maßnahmen, die Gegenstand der Ausgangsverfahren sind, mit dem Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 7 der Charta und Art. 8 EMRK vereinbar sind. Darüber hinaus fragt die Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Middelburg (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Middelburg), ob der in Art. 28 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. a dieser Richtlinie vorgesehene Schutz vor Ausweisung in einer Situation wie der von Herrn K. anwendbar ist.

B.      Zur Feststellung einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft

55.      Mit der ersten und der zweiten Frage in der Rechtssache C‑331/16 und der Frage in der Rechtssache C‑366/16 möchten die vorlegenden Gerichte im Wesentlichen wissen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Mitgliedstaat annehmen kann, dass die Anwesenheit eines Unionsbürgers oder eines Familienangehörigen eines Unionsbürgers eine „tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft“ im Sinne von Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 darstellt, weil diese Person in der Vergangenheit gemäß Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen wurde.

56.      Insbesondere fragt die Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Middelburg (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Middelburg), den Gerichtshof, ob es in diesem Zusammenhang auf die große Zeitspanne (vorliegend mehr als zwanzig Jahre) zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Verbrechen begangen worden sein sollen, mit denen der Ausschluss vom Flüchtlingsstatus gerechtfertigt wurde, und der fraglichen restriktiven Maßnahme ankommt. Der Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen) fragt, ob es notwendig ist, die Gefahr der Wiederholung der in Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens genannten Verhaltensweisen im Aufnahmemitgliedstaat zu prüfen, wenn diese Verhaltensweisen im Herkunftsland des Betroffenen in einem besonderen historischen und gesellschaftlichen Kontext stattfanden.

57.      Diese Fragen spiegeln die Zweifel wider, die die vorlegenden Gerichte hinsichtlich der Vereinbarkeit der Begründung der streitigen Entscheidungen – wonach die Anwendung von Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens in der Vergangenheit in Anbetracht der besonderen Schwere der von dieser Bestimmung erfassten Verbrechen impliziert, dass die Anwesenheit des Betroffenen im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eine „ihrem Wesen nach dauerhaft gegenwärtige“ Gefahr darstellt(20) – mit Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 haben.

58.      Die Bewertung einer Gefahr im Sinne von Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 setzt zunächst voraus, dass ein „Grundinteresse der Gesellschaft“ festgestellt wird, dessen Schutz zur öffentlichen Ordnung oder öffentlichen Sicherheit gehören kann. Im vorliegenden Fall macht Herr K. geltend, dass die Wahrung der Interessen, auf denen die streitigen Entscheidungen beruhten, nicht unter die Begriffe „öffentliche Ordnung“ oder „öffentliche Sicherheit“ im Sinne dieser Bestimmung falle. Ich werde meine Ausführungen mit der Zurückweisung dieses Arguments beginnen (1. Abschnitt).

59.      Sodann impliziert die Feststellung einer solchen Gefahr, dass der betreffende Mitgliedstaat begründet, inwiefern seine Interessen in einem konkreten Fall durch das persönliche Verhalten des Betroffenen tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet sind. Ich werde im Folgenden ausführen, was dieses Erfordernis in Fällen wie denen der Ausgangsverfahren impliziert (2. Abschnitt).

1.      Zur Feststellung eines „Grundinteresses der Gesellschaft“, dessen Schutz zur öffentlichen Ordnung oder öffentlichen Sicherheit gehört

60.      Nach ständiger Rechtsprechung sind die Begriffe „öffentliche Ordnung“ und „öffentliche Sicherheit“ als Rechtfertigungen einer Ausnahme von der Freizügigkeit und der Aufenthaltsfreiheit der Unionsbürger oder ihrer Familienangehörigen eng auszulegen, so dass ihre Reichweite nicht einseitig durch einen Mitgliedstaat ohne Kontrolle durch die Unionsorgane erfolgen kann. Das Unionsrecht schreibt jedoch keinen einheitlichen Wertmaßstab vor und erkennt an, dass die Erfordernisse der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit von einem Land zum anderen und im Lauf der Zeit variieren können. Den Mitgliedstaaten steht es im Wesentlichen weiterhin frei, den Inhalt dieser Erfordernisse im Einklang mit ihren nationalen Bedürfnissen zu bestimmen(21).

61.      Im Licht dieser Grundsätze hat der Gerichtshof bereits anerkannt, dass sich die Erfordernisse der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit im Sinne dieser Bestimmungen, die es erlauben, die genannten Freiheiten zu beschränken, nicht auf den Schutz der Ruhe und der unmittelbaren körperlichen Sicherheit der Bevölkerung vor der Gefahr der Begehung von Straftaten beschränken.

62.      So hat der Gerichtshof entschieden, dass die öffentliche Sicherheit, die sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit des betreffenden Mitgliedstaats umfasst, insbesondere „die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen“ umfasst(22).

63.      Die Erfordernisse der öffentlichen Ordnung können, auch wenn sie weder den Schutz wirtschaftlicher Zwecke(23) noch die bloße Vermeidung von Störungen der gesellschaftlichen Ordnung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt(24), erfassen, den Schutz verschiedener Interessen umfassen, die der betreffende Mitgliedstaat als grundlegend für sein eigenes Wertesystem ansieht. Insbesondere hat der Gerichtshof die Möglichkeit eines Mitgliedstaats anerkannt, unter bestimmten Umständen unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung den Schutz eines Grundinteresses geltend zu machen, das ebenso weit von der Ruhe und der unmittelbaren körperlichen Sicherheit seiner Bevölkerung entfernt ist wie die Notwendigkeit, die Beitreibung seiner Steuerforderungen sicherzustellen(25).

64.      Wie sich im vorliegenden Fall aus der Vorlageentscheidung in der Rechtssache C‑331/16 ergibt, wurde die restriktive Maßnahme gegen Herrn K. erstens auf eine niederländische Rechtsvorschrift gestützt, die es erlaubt, einen Ausländer „im Interesse der internationalen Beziehungen der Niederlande“ für unerwünscht zu erklären. Der niederländische Staatssecretaris hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, es müsse verhindert werden, dass dieser Mitgliedstaat ein Aufnahmeland für Personen werde, bei denen schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigten, dass sie ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hätten. Auf der gleichen Linie gibt die Vorlageentscheidung in der Rechtssache C‑366/16 an, dass die gegen Herrn H. F. ergriffene restriktive Maßnahme insbesondere auf den Schutz der internationalen Rechtsordnung gerichtet war.

65.      Insoweit hat die französische Regierung geltend gemacht, dass solche Maßnahmen auch dem Interesse dienen könnten, rigorose Modalitäten für den Schutz der Grundwerte der französischen Gesellschaft und der internationalen Rechtsordnung, die insbesondere in Art. 21 Abs. 1 EUV genannt seien, festzulegen. Diese Maßnahmen seien für die Aufrechterhaltung des sozialen Zusammenhalts und, wie auch die Regierung des Vereinigten Königreichs vorträgt, des öffentlichen Vertrauens in die Rechts- und Immigrationssysteme notwendig. Die letztgenannte Regierung beruft sich außerdem auf das Interesse, die Glaubwürdigkeit der Verpflichtung der Union und ihrer Mitgliedstaaten in Bezug auf den Schutz der in den Art. 2 und 3 EUV genannten Grundwerte zu wahren(26).

66.      Zweitens rechtfertigte der niederländische Staatssecretaris die in dieser Rechtssache in Rede stehende restriktive Maßnahme mit der Notwendigkeit, zu verhindern, dass die niederländische Bevölkerung mit solchen Personen in Kontakt trete und dass insbesondere ihre möglichen Opfer oder deren Familienangehörige mit ihnen konfrontiert würden. In ähnlicher Weise heißt es in der Vorlageentscheidung in der Rechtssache C‑366/16, dass die in dieser Rechtssache streitige Entscheidung das Ziel gehabt habe, die Opfer von Personen, die vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen seien, sowie die belgische Gesellschaft zu schützen.

67.      Die niederländische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs fügen insoweit hinzu, restriktive Maßnahmen gegen Unionsbürger oder deren Familienangehörige, die gemäß Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen seien, trügen der Notwendigkeit Rechnung, den mit dem Skandal, den die Tatsache auslösen könnte, dass sich ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhalte, ohne strafrechtlich belangt zu werden, verbundenen Schaden für die Gesellschaft abzuwenden.

68.      Meines Erachtens können die Mitgliedstaaten, ohne den ihnen zustehenden Spielraum bei der Bestimmung des Inhalts der Erfordernisse der öffentlichen Ordnung zu überschreiten, annehmen, dass der Schutz der dargestellten Interessen diesen Erfordernissen genügt. In Anbetracht der in den Nrn. 60 und 63 der vorliegenden Schlussanträge aufgestellten Grundsätze sehe ich keinen Grund, auszuschließen, dass die Mitgliedstaaten annehmen können, dass diese Interessen nach ihren eigenen Wertmaßstäben Grundinteressen der Gesellschaft im Sinne von Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 darstellen, deren Schutz zur öffentlichen Ordnung gehört.

69.      Die Möglichkeit, die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht, die sich aus der Richtlinie 2004/38 ergeben, im Namen der insoweit geltend gemachten Grundinteressen zu beschränken, wird allerdings durch die in Art. 27 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen beschränkt.

2.      Zur Feststellung einer Gefahr für die Grundinteressen, die aufgrund des persönlichen Verhaltens des Betroffenen geltend gemacht werden

70.      Gemäß Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 muss sich eine „tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr …, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“, im Sinne dieser Bestimmung ausschließlich aus dem persönlichen Verhalten des Betroffenen ergeben. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Gründe der Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Außerdem können frühere strafrechtliche Verurteilungen für sich genommen eine restriktive Maßnahme nicht rechtfertigen.

71.      Insoweit hat der Gerichtshof wiederholt festgestellt, dass eine Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft nicht allein auf der Grundlage einer früheren strafrechtlichen Verurteilung wegen bestimmter Straftaten automatisch festgestellt werden kann(27). Die Umstände, die zu dieser Verurteilung geführt haben, können jedoch bei einer solchen Feststellung berücksichtigt werden, soweit sie bei einer Einzelfallanalyse ein persönliches Verhalten belegen, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Aufnahmegesellschaft darstellt(28).

72.      Auch wenn die Feststellung einer solchen Gefahr im Allgemeinen „eine Neigung des Betroffenen nahelegt, [das strafrechtlich geahndete Verhalten] in Zukunft beizubehalten“(29), kann in diesem Zusammenhang auch das bloße Verhalten in der Vergangenheit unter bestimmten Umständen den Tatbestand einer solchen Gefährdung erfüllen(30).

73.      Ich werde im Folgenden die Gründe darstellen, aus denen ich der Meinung bin, dass die in Nr. 71 der vorliegenden Schlussanträge genannten Grundsätze analog anwendbar sind, wenn die betreffende Person zuvor nicht strafrechtlich verurteilt, sondern gemäß Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen wurde (unter a).

74.      Sodann werde ich in Anbetracht der in Nr. 72 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung die Gründe darstellen, die mich zu der Schlussfolgerung veranlassen, dass das Verhalten dieser Person in der Vergangenheit, wie es sich aus den die fragliche Entscheidung stützenden Feststellungen ergibt, zur Rechtfertigung der Feststellung einer „gegenwärtigen“ Gefahr ausreichen kann, auch wenn die mutmaßliche Begehung der ihr vorgeworfenen Verbrechen lange zurückliegt und keine Neigung erkennbar ist, solche Verbrechen auch im Aufnahmemitgliedstaat zu begehen (unter b)(31).

a)      Zur Relevanz der vorherigen Anwendung von Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens

1)      Zu den anwendbaren Grundsätzen

75.      Bei der Feststellung, ob die in Nr. 71 der vorliegenden Schlussanträge genannten Grundsätze auf die Situation einer Person, die in der Vergangenheit gemäß Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen wurde, angemessen angewendet werden können, müssen zwei besondere Erwägungen berücksichtigt werden.

76.      Zum einen könnte die außergewöhnliche Schwere der in dieser Bestimmung genannten Verbrechen für eine flexiblere Handhabung durch die Mitgliedstaaten sprechen, die es ihnen erlauben würde, eine Gefahr im Sinne von Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 allein deshalb anzunehmen, weil auf den Betroffenen die in Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens vorgesehene Ausschlussklausel angewandt wurde. Die dort genannten Verbrechen verstoßen nämlich gegen fundamentalste Werte, die die Grundlage sowohl der internationalen Rechtsordnung als auch der Menschenrechte bilden(32) und die gesamte Staatengemeinschaft betreffen(33).

77.      Zum anderen spricht der Umstand, dass die Anwendung dieser Bestimmung weder eine Verurteilung(34) noch einen Beweis der fraglichen Verbrechen im strafrechtlichen Sinne voraussetzt, eher für erhöhte Vorsicht bei der Berücksichtigung von Umständen, die zu der Ausschlussentscheidung geführt haben und sich aus den Einschätzungen der Asylbehörden bei der Begründung der Feststellung einer solchen Gefahr ergeben.

78.      Meines Erachtens stehen diese Erwägungen der Anwendung der oben genannten Grundsätze nicht entgegen.

79.      Erstens bin ich der Meinung, dass eine Gefahr im Sinne von Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 nicht automatisch ohne weitere Prüfung allein aufgrund der Tatsache festgestellt werden kann, dass die Asylbehörden den Betroffenen in der Vergangenheit auf der Grundlage von Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen haben. Die Erforderlichkeit einer Prüfung des individuellen Verhaltens, die sich aus dem Wortlaut von Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ergibt, lässt, so scheint es mir, keine Ausnahme zu, selbst wenn die dem Betroffenen vorgeworfenen Handlungen äußerst schwerwiegend sind.

80.      Dieser Ansatz ist auch durch die Tatsache gerechtfertigt, dass mit Art. 1 Abschnitt F des Genfer Abkommens und mit Art. 27 der Richtlinie 2004/38 unterschiedliche Ziele verfolgt werden(35).

81.      Wie der Gerichtshof im Urteil B und D(36) festgestellt hat, wurden die Ausschlussklauseln in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95, der Art. 1 Abschnitt F des Genfer Abkommens entspricht, mit dem Ziel geschaffen, „von der Flüchtlingsanerkennung Personen auszuschließen, die als des sich aus ihr ergebenden Schutzes unwürdig angesehen werden, und zu verhindern, dass diese Anerkennung den Urhebern bestimmter schwerwiegender Straftaten ermöglicht, sich einer strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen“.

82.      Diese Ausnahmen haben jedoch nicht den Zweck, die Aufnahmegesellschaft vor der möglichen Gefahr zu schützen, die die Anwesenheit des betreffenden Asylbewerbers in dieser Gesellschaft darstellen könnte – ein solches Ziel wird mit anderen Bestimmungen der Richtlinie 2011/95 verfolgt(37). Deshalb hat der Gerichtshof entschieden, dass die Anwendung von Art. 12 Abs. 2 dieser Richtlinie nicht voraussetzt, dass diese Person eine gegenwärtige Gefahr für die Aufnahmegesellschaft darstellt(38).

83.      In Anbetracht der verschiedenen Ziele dieser Bestimmungen decken sich die für die Anwendung von Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens maßgebenden Beurteilungen ebenso wie die einer strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegenden(39) nicht unbedingt mit denen, die aus dem Blickwinkel der dem Schutz der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit im Sinne von Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 inhärenten Interessen vorzunehmen sind(40).

84.      Zweitens können jedoch die Gründe, auf denen eine Entscheidung über den Ausschluss vom Flüchtlingsstatus beruht, berücksichtigt werden, wenn sie in Anbetracht der besonderen Umstände des Einzelfalls ein persönliches Verhalten zeigen, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt(41). In einem solchen Fall können die Erwägungen, die die Anwendung von Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens gerechtfertigt haben, auch die Feststellung einer Gefahr im Sinne von Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 begründen(42).

85.      Dieser Grundsatz wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Ausschluss vom Flüchtlingsstatus weder eine strafrechtliche Verurteilung voraussetzt noch verlangt, dass die dem Betroffenen vorgeworfenen Verbrechen im Einklang mit den allgemein im Strafrecht der Mitgliedstaaten und im internationalen Strafrecht geltenden Beweisstandards („kein vernünftiger Zweifel“) nachgewiesen werden(43).

86.      Nach der Rechtsprechung ist nämlich eine strafrechtliche Verurteilung weder ausreichend noch notwendig, um die Feststellung einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft zu stützen. Gegebenenfalls kann schon der bloße Verdacht, dass ein Verbrechen begangen wurde, in Verbindung mit weiteren Umständen des Einzelfalls die Feststellung einer Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit stützen(44).

87.      Erst recht können „schwerwiegende Gründe für die Annahme“, dass der Betroffene ein Verbrechen der in Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens genannten Art begangen hat – die über einen bloßen Verdacht hinaus klare, zuverlässige, glaubwürdige und überzeugende Beweise erfordern(45) – zusammen mit anderen Faktoren(46) zur Rechtfertigung einer solchen Feststellung herangezogen werden.

88.      Dass der Beweisstandard in Art. 1 Abschnitt F des Genfer Abkommens niedriger ist als im Strafrecht, liegt im Übrigen daran, dass diese Bestimmung meistens Personen betrifft, denen Verbrechen vorgeworfen werden, die nicht Gegenstand eines Strafverfahrens, geschweige denn einer Verurteilung waren(47). Eines der Ziele der Ausschlussklauseln vom Flüchtlingsstatus besteht gerade darin, die Straffreiheit zu bekämpfen, indem verhindert wird, dass das Rechtsinstitut des Asyls genutzt wird, um strafrechtlicher Verfolgung zu entgehen(48). Außerdem verfügen die Asylbehörden weder über die Kompetenzen noch über die Ressourcen, um den Beweis für strafbare Handlungen zu erbringen, die überdies vermutlich unter besonders schwer aufzuklärenden tatsächlichen Umständen begangen wurden(49).

89.      Vorliegend ergibt sich aus den Vorlageentscheidungen, dass die gegen Herrn K. und Herrn H. F. ergriffenen restriktiven Maßnahmen vor allem dazu dienten, eine etwaige durch ihre Anwesenheit im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats auftretende Unruhe in der Gesellschaft und insbesondere bei ihren potenziellen Opfern zu verhindern. Die niederländische Regierung hat ausgeführt, die geltend gemachte Unruhe bestehe in dem Schock, der entstehen könnte, wenn sich Personen, die schwerster Verbrechen des internationalen Rechts verdächtigt würden, straffrei in ihrem Hoheitsgebiet aufhielten.

90.      Nach alledem bin ich der Meinung, dass die Tatsache, dass eine Person gemäß Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen wurde, zwar nicht automatisch die Feststellung einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft stützen kann, aber zu diesem Zweck berücksichtigt werden kann, sofern die aus den Beurteilungen der Asylbehörden hervorgehenden Umstände, die zur Anwendung dieser Bestimmung geführt haben, ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine solche Gefahr begründet.

2)      Zu den Faktoren, anhand deren beurteilt werden kann, ob die Umstände, die zum Ausschluss vom Flüchtlingsstatus geführt haben, ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt

91.      Wie der Gerichtshof in den Urteilen B und D(50) und Lounani(51) hervorgehoben hat, erfordert der Ausschluss vom Flüchtlingsstatus eine vollständige Prüfung der genauen Umstände jedes Einzelfalls. Wie sich aus verschiedenen Stellungnahmen des HCR ergibt, umfassen diese neben der Art der Verbrechen, die der Betroffene begangen haben soll, den Grad seiner persönlichen Beteiligung an diesen Verbrechen sowie das etwaige Vorliegen von Gründen für eine Freistellung von der strafrechtlichen Verantwortung wie etwa Zwang oder Notwehr(52).

92.      Meines Erachtens müssen bei der Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des Betroffenen eine Gefahr im Sinne von Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 darstellt, auch alle von den Asylbehörden festgestellten Umstände berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang kann der besonderen Schwere der ihm vorgeworfenen, von Artikel 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens erfassten Verbrechen erhebliches Gewicht beigemessen werden. Auch alle anderen relevanten Faktoren müssen jedoch berücksichtigt werden.

93.      Speziell zum Grad der persönlichen Beteiligung ist festzustellen, dass nach Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95 ein Asylbewerber ein Verbrechen im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels „begangen“ hat, wenn er zu diesem Verbrechen angestiftet oder in sonstiger Weise daran teilgenommen hat(53).

94.      Hierzu hat der Gerichtshof im Urteil B und D(54) entschieden, dass die Asylbehörden einer Person nicht allein aufgrund des Umstands, dass sie in der Vergangenheit einer Organisation angehört hat, die an der Begehung von Verbrechen der in Art. 1 Abschnitt F des Genfer Abkommens genannten Art beteiligt war, den Flüchtlingsstatus versagen dürfen, ohne zu prüfen, ob dieser Person im Licht aller Umstände ein Teil der Verantwortung für die dieser Organisation vorgeworfenen Verbrechen angelastet werden kann. Zu diesen Umständen gehören „die Rolle …, die die betreffende Person bei der Verwirklichung der fraglichen Handlungen tatsächlich gespielt hat, ihre Position innerhalb dieser Organisation, de[r] Grad der Kenntnis, die sie von deren Handlungen hatte oder haben musste, die etwaigen Pressionen, denen sie ausgesetzt gewesen wäre, oder andere Faktoren, die geeignet waren, ihr Verhalten zu beeinflussen“(55).

95.      Vorliegend macht Herr K. geltend, er sei aufgrund der Funktion, die er in der bosnischen Armee habe wahrnehmen müssen, von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen worden. Er rügt, dass die Praxis der niederländischen Asylbehörden dem Erfordernis einer individuellen Prüfung des Grades der persönlichen Beteiligung des betreffenden Asylbewerbers nicht gerecht werde.

96.      Herr H. F. macht geltend, die niederländischen Asylbehörden hätten ihn allein deshalb ausgeschlossen, weil er eine einfache logistische Funktion beim KhAD innegehabt habe(56).

97.      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats im Rahmen des Erlasses einer restriktiven Maßnahme zwar nicht berechtigt sind, die Begründetheit einer Entscheidung über den Ausschluss vom Flüchtlingsstatus in Frage zu stellen(57), aber gleichwohl prüfen müssen, ob die Faktoren, auf die die Asylbehörden diese Entscheidung gestützt haben, auch die Feststellung einer Gefahr im Sinne von Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 zu rechtfertigen vermögen.

98.      Aus dem Blickwinkel dieser Bestimmung kann der Umstand, dass der Betroffene einer an Straftaten beteiligten Organisation angehört oder angehört hat, die Feststellung einer solchen Gefahr nur stützen, wenn dieser Umstand von einem die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit beeinträchtigenden persönlichen Verhalten zeugt(58).

99.      Im Urteil H. T.(59) hat der Gerichtshof die im Urteil B und D(60) entwickelte (und in Nr. 94 der vorliegenden Schlussanträge dargestellte) Argumentation im Rahmen der Auslegung von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 analog angewandt. Diese Bestimmung gestattet es, einem Flüchtling die Ausstellung eines Aufenthaltstitels aus „zwingende[n] Gründe[n] der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ zu versagen. Wie der Gerichtshof ausgeführt hat, setzt der Begriff „öffentliche Ordnung“ im Sinne dieser Bestimmung ähnlich wie in Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 „eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft“ voraus(61). Der Gerichtshof hat aber entschieden, dass sich eine solche Gefahr nicht ausschließlich aus früheren Handlungen zur Unterstützung einer an Straftaten beteiligten Organisation ergeben kann, ohne dass die individuelle Verantwortung des betreffenden Flüchtlings für die Ausführung dieser Handlungen anhand präziser Tatsachen geprüft wird(62). Diese Schlussfolgerung scheint mir für die Auslegung sowohl von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 als auch von Art. 27 der Richtlinie 2004/38 zu gelten, da der Gerichtshof im Urteil H. T.(63) zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Begriff „öffentliche Ordnung“ im Sinne dieser beiden Bestimmungen ähnlich auszulegen ist.

100. Die vorlegenden Gerichte werden zu beurteilen haben, ob die restriktiven Maßnahmen, um die es in den Ausgangsverfahren geht, im Anschluss an eine – ihrerseits auf der Grundlage der Feststellungen, die zum Ausschluss von Herrn K. und Herrn H. F. vom Flüchtlingsstatus führten, vorgenommene – Einzelfallprüfung aller im Licht der vorstehenden Erwägungen relevanten Umstände ergriffen wurden.

b)      Zur Relevanz der seit der mutmaßlichen Begehung der Verbrechen verstrichenen Zeit und der fehlenden Wiederholungsgefahr

101. Bei den von Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens erfassten Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt es sich in der Regel um Taten, die in einem Drittland vor der Einreise des betreffenden Asylbewerbers in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats begangen wurden. Wie Herr K., die französische und die niederländische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs festgestellt haben, ist es sehr unwahrscheinlich, dass solche Verbrechen in diesem Mitgliedstaat nach der Einreise erneut begangen werden(64). Der Grund dafür besteht, wie der Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen) festgestellt hat, darin, dass diese Taten mit dem speziellen geografischen, historischen und gesellschaftlichen Kontext des Drittlandes und insbesondere mit einer Konfliktsituation in diesem Land zusammenhängen.

102. Meines Erachtens sind diese Erwägungen bei Sachverhalten wie denen der Ausgangsverfahren nicht zwangsläufig ausschlaggebend.

103. Erstens erfordert, wie sich aus der in Nr. 72 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung ergibt, die Gegenwärtigkeit der Gefahr nicht zwangsläufig, dass die Gefahr der Wiederholung eines die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit beeinträchtigenden Verhaltens besteht. Unter bestimmten Umständen kann allein das Verhalten in der Vergangenheit ausreichen, um die Feststellung zu rechtfertigen, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen eine Gefahr darstellt, die die in Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 genannten Voraussetzungen erfüllt.

104. Zu diesen Umständen gehören meines Erachtens Sachverhalte, in denen ein Mitgliedstaat eine restriktive Maßnahme auf eine Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft stützt, die nicht von der Gefahr der Wiederholung eines strafbaren Verhaltens abhängt(65).

105. Im vorliegenden Fall sind die streitigen Entscheidungen nicht ergangen, um der Gefahr vorzubeugen, dass Herr K. und Herr H. F. künftig im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen. Mit ihnen sollten vielmehr Störungen der gesellschaftlichen Ordnung und der internationalen Beziehungen abgewendet werden, zu denen ihre Anwesenheit in diesem Hoheitsgebiet aufgrund der außergewöhnlichen Schwere der ihnen zur Last gelegten Handlungen in der Vergangenheit führen könnte, unabhängig von ihrem gegenwärtigen und künftigen Verhalten. Angesichts der geltend gemachten Grundinteressen besteht die fragliche Gefahr somit in der bloßen Anwesenheit von Personen, die im Verdacht stehen, früher solche Verbrechen begangen zu haben, und nicht in ihrem gegenwärtigen oder künftigen Verhalten im Aufnahmemitgliedstaat. Eine solche Gefahr kann die in Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 vorgesehene Voraussetzung der Gegenwärtigkeit erfüllen, weil, wie die niederländische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs hervorgehoben haben, nicht das Verhalten des Betroffenen gegenwärtig sein muss, sondern die Gefahr.

106. Zweitens ist die seit der mutmaßlichen Begehung der fraglichen Verbrechen verstrichene Zeit zwar bei der Prüfung, ob die behauptete Gefahr gegenwärtig ist, zu berücksichtigen(66), nimmt ihr aber nicht zwangsläufig ihre Gegenwärtigkeit. Die Gefahr von Störungen der gesellschaftlichen Ordnung und der internationalen Beziehungen aufgrund der Anwesenheit einer Person, die im Verdacht steht, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats kann nämlich auch dann fortbestehen – und manchmal sogar steigen –, wenn diese Person lange Zeit straffrei geblieben ist. Im Übrigen können die von Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens erfassten Verbrechen aufgrund verschiedener Instrumente des internationalen Strafrechts nicht verjähren(67).

107. Sollte die Prüfung des individuellen Verhaltens der Betroffenen im Licht der vorstehenden Erwägungen dazu führen, dass eine Gefahr im Sinne des Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 festgestellt wird, müsste noch geprüft werden, ob die restriktiven Maßnahmen, um die es in den Ausgangsverfahren geht, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Grundrechten der Betroffenen im Einklang stehen.

C.      Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der restriktiven Maßnahmen und ihrer Vereinbarkeit mit dem Recht auf Privat- und Familienleben

108. Mit ihrer dritten Frage befragt die Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Middelburg (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Middelburg), den Gerichtshof zu den Modalitäten der im Rahmen des Erlasses einer restriktiven Maßnahme gegen eine Person, die zuvor gemäß Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen wurde, erforderlichen Beurteilung der Verhältnismäßigkeit.

109. Das Gericht möchte insbesondere wissen, ob in diesem Zusammenhang die in Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 genannten – und in Ziff. 3.3 der Leitlinien der Kommission übernommenen – Faktoren berücksichtigt werden müssen. Es möchte außerdem wissen, ob der erhöhte Schutz, den Unionsbürger, die sich während der vergangenen zehn Jahre im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben, nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a dieser Richtlinie genießen, im Fall von Herrn K. zur Anwendung kommt.

110. Der Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen) hat den Gerichtshof auch zur Vereinbarkeit einer restriktiven Maßnahme wie der in der Rechtssache C‑366/16 streitigen Entscheidung mit Art. 7 der Charta befragt. Wie ich nachfolgend darlegen werde, ist die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven Maßnahme jedoch untrennbar mit der Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit den Grundrechten verbunden. Unter diesen Umständen bedarf es, um diesem Gericht eine sachgerechte Antwort zu geben, auch einiger Hinweise zu den Modalitäten dieser Prüfung im Kontext der Rechtssache, mit der es befasst ist.

1.      Zum Erfordernis der Angemessenheit und Notwendigkeit der restriktiven Maßnahmen

111. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dessen Beachtung Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 vorschreibt, impliziert, dass jede restriktive Maßnahme „geeignet [ist], die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten“, und „nicht über das hinausgeh[t], was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist“(68).

112. Um diesen Anforderungen zu genügen, muss der Aufnahmemitgliedstaat insbesondere die Möglichkeit prüfen, alternative, die Freizügigkeit und die Aufenthaltsfreiheit des Betroffenen weniger beeinträchtigende Maßnahmen zu ergreifen, die die geltend gemachten Grundinteressen ebenso wirksam schützen(69).

113. Insoweit könnte man sich fragen, ob, wie Herr K. in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, den vorliegend geltend gemachten Grundinteressen nicht durch ein Gerichtsverfahren gegen den Betroffenen im Aufnahmemitgliedstaat besser gedient wäre(70), wenn dieser Mitgliedstaat eine extraterritoriale Zuständigkeit hierfür besitzt(71). Die Ausweisung des Betroffenen in einen anderen Mitgliedstaat (wie im Fall von Herrn K.) oder in einen Drittstaat ist nämlich in Ermangelung von Garantien, dass er dort vor Gericht gestellt wird, nicht geeignet, den Problemen abzuhelfen, die mit der Straffreiheit der mutmaßlichen Täter der von Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens erfassten Verbrechen verbunden sind(72).

114. Meines Erachtens ist jedoch insoweit Zurückhaltung geboten und anzuerkennen, dass es den Mitgliedstaaten unbeschadet der ihnen durch das internationale Strafrecht auferlegten Pflichten zur Wahrnehmung der extraterritorialen Zuständigkeit(73) frei steht, der Gefahr, die die Anwesenheit einer vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossenen Person darstellen kann, dadurch zu begegnen, dass sie ihr den Aufenthalt verweigern, statt sie vor Gericht zu stellen. Wie die Regierung des Vereinigten Königreichs geltend gemacht hat, kann sich ein Mitgliedstaat unter Umständen außerstande sehen – sei es auch nur aufgrund der Schwierigkeit, Beweise zu sammeln und die relevanten Tatsachen zu ermitteln –, eine solche Person strafrechtlich zu verfolgen(74). Diese Aspekte gehen meines Erachtens über den Rahmen der vorliegenden Rechtssachen hinaus.

2.      Zur Abwägung der betroffenen berechtigten Interessen

a)      Zu den anwendbaren Grundsätzen

115. Das Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 zu entnehmende Erfordernis der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven Maßnahme setzt auch die Suche nach einem angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz der Rechte der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen durch diese Richtlinie einerseits und den Grundinteressen der Aufnahmegesellschaft andererseits voraus(75).

116. Eine solche Abwägung ist untrennbar mit der Prüfung einer restriktiven Maßnahme aus dem Blickwinkel der Grundrechte, deren Beachtung der Gerichtshof sicherstellt, und insbesondere des in Art. 7 der Charta und in Art. 8 EMRK verankerten Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens verbunden(76). Diese Bestimmungen implizieren nämlich, dass ein Gleichgewicht zwischen den zur Rechtfertigung eines Eingriffs in dieses Recht geltend gemachten kollektiven Interessen und den individuellen Interessen des Betroffenen angestrebt wird. Sie müssen gegebenenfalls in Verbindung mit der Pflicht zur Berücksichtigung des im Unionsrecht durch Art. 24 Abs. 2 der Charta anerkannten Kindeswohls gesehen werden(77).

117. Art. 27 („Allgemeine Grundsätze“) der Richtlinie 2004/38 erfasst alle restriktiven Maßnahmen. Er enthält keine näheren Angaben zu den Kriterien, die bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen und ihrer Vereinbarkeit mit den Grundrechten ihrer Adressaten zu berücksichtigen sind. Dagegen ist Abs. 1 von Art. 28 („Schutz vor Ausweisung“) der Richtlinie auf „Ausweisungen“ anwendbar und enthält eine nicht abschließende Aufzählung der Faktoren, die die Mitgliedstaaten vor dem Erlass solcher Entscheidungen berücksichtigen müssen. Dazu gehören die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in diesem Mitgliedstaat sowie das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

118. Diese Faktoren, die sich auch in Abschnitt 3.3 der Leitlinien der Kommission finden, spiegeln im Wesentlichen diejenigen wider, die es nach der vom EGMR insbesondere in seinen Urteilen Boultif gegen Schweiz(78) und Üner gegen Niederlande(79) entwickelten Rechtsprechung erlauben, die Vereinbarkeit einer Ausweisung mit Art. 8 EMRK zu überprüfen.

119. Hervorzuheben ist jedoch, dass die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Beschränkung der Freizügigkeit und der Aufenthaltsfreiheit der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen nicht zwangsläufig mit der aus dem Blickwinkel dieser Bestimmung vorzunehmenden Beurteilung übereinstimmt. Ausgangspunkt der Rechtsprechung des EGMR ist nämlich, dass Art. 8 EMRK nicht das Recht eines Ausländers garantiert, in ein bestimmtes Land einzureisen und dort zu wohnen(80). Dagegen haben die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen unter den Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 ein Recht auf Einreise in den und Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat, der jede Einschränkung dieses Rechts rechtfertigen muss(81). Das relative Gewicht der abzuwägenden Kriterien kann daher variieren, auch in Anbetracht der speziellen Ziele dieser Richtlinie, zu denen, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 23 und 24 ergibt, die Stärkung der Integration dieser Personen in die Aufnahmegesellschaft gehört.

b)      Zur Anwendbarkeit der in Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 aufgestellten Kriterien auf Fälle wie die der Ausgangsverfahren

1)      Zu Fällen wie dem von Herrn K.

120. Wie aus der dem Gerichtshof vom vorlegenden Gericht unterbreiteten Akte hervorgeht, war die gegen Herrn K. in den Niederlanden ausgesprochene Erklärung der Unerwünschtheit mit einer Anordnung verbunden, das niederländische Hoheitsgebiet zu verlassen. Die niederländische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass gegen ihn eine Maßnahme der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung ergriffen werden könne, wenn er der Anordnung nicht fristgerecht nachkomme.

121. Die in der Rechtssache C‑331/16 streitige Entscheidung fällt also in den Anwendungsbereich von Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38, was die niederländische Regierung im Übrigen anerkannt hat.

122. Insoweit kommt es erstens nicht darauf an, dass gegen Herrn K., wie die niederländische Regierung in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, keine Maßnahme der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung ergriffen wurde. Wie sich aus der Rechtsprechung(82) ergibt, ist diese Bestimmung nämlich auf jede Maßnahme anwendbar, die mit der Ausweisung eines Unionsbürgers oder eines Angehörigen seiner Familie einhergeht. Sie zielt nicht nur auf zwangsweise Repatriierungsmaßnahmen ab, mit denen gegebenenfalls bestimmte Ausweisungen umgesetzt werden, weil ihre Adressaten nicht freiwillig ausgereist sind(83).

123. Zweitens ist die Berücksichtigung der in Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 genannten Faktoren geboten, obwohl Herr K. – wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt und vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht – in den Niederlanden nur ein vorläufiges Aufenthaltsrecht hatte, das es ihm gestattete, bis zur Entscheidung über seine Asylanträge und seine etwaigen Rechtsbehelfe in den Niederlanden zu bleiben. Herr K. scheint nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidungen, ihn vom Flüchtlingsstatus auszuschließen und ihm ein Einreiseverbot aufzuerlegen, in den Niederlanden geblieben zu sein, ohne dort ein Aufenthaltsrecht zu haben(84).

124. Der EGMR hat hierzu bereits entscheiden, dass die Abwägung der kollektiven und individuellen Interessen im Licht aller insbesondere in den Urteilen Boultif gegen Schweiz(85) und Üner gegen Niederlande(86) genannten Faktoren auch dann erforderlich ist, wenn sich der Betroffene in den Aufnahmemitgliedstaat integriert hat, ohne dort ein Aufenthaltsrecht zu haben. Dieser Umstand kann jedoch im Rahmen der vom nationalen Gericht vorzunehmenden Abwägung berücksichtigt werden(87).

2)      Zu Fällen wie dem von Herrn H. F.

125. Der Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen) hat hervorgehoben, dass die Entscheidung, Herrn H. F. einen Aufenthaltstitel zu versagen, nicht mit der Anordnung verbunden gewesen sei, das Hoheitsgebiet zu verlassen. Seine Anwesenheit im belgischen Hoheitsgebiet sei gewissermaßen „toleriert“ worden, ohne dass er dort jedoch über ein Aufenthaltsrecht und einen besonderen Status verfügt hätte(88).

126. Deshalb stellt sich die Frage, ob beim Erlass einer solchen restriktiven Maßnahme, auch wenn sie nicht die Ausweisung ihres Adressaten impliziert, gleichwohl die in Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 aufgezählten Kriterien berücksichtigt werden müssen.

127. Hierzu ist festzustellen, dass die Versagung eines Aufenthaltstitels – ebenso, wenn auch in geringerem Maß, wie eine Ausweisung – geeignet ist, die Integration des Betroffenen im Mitgliedstaat zu gefährden und seinem Privat- und Familienleben zu schaden.

128. Mehrere der in Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 genannten Faktoren – wie die Dauer des Aufenthalts und das Ausmaß der Bindungen zum Aufnahmemitgliedstaat – sind aber untrennbar mit der Integration im Anschluss an den Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat verbunden. Aus diesem Blickwinkel können diese Faktoren für die Prüfung relevant sein, ob eine restriktive Maßnahme, mit der keine Ausweisung des Betroffenen verbunden ist, verhältnismäßig und mit Art. 7 der Charta vereinbar ist, sofern er aufgrund seines Aufenthalts schon in der Lage war, sich in diesem Mitgliedstaat zu integrieren und dort ein Privat- und Familienleben zu entwickeln(89). Wie die belgische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs geltend gemacht haben, bleiben diese Faktoren hingegen bei Entscheidungen, die in erster Linie mit der Verweigerung der Einreise in einen Mitgliedstaat verbunden sind, außer Betracht. Ihre Adressaten hatten zwangsläufig keine Gelegenheit, sich dort zu integrieren oder dort ein Privat- und Familienleben aufzubauen.

129. Im Licht dieser Erwägungen verstehe ich Abschnitt 3.3 der Leitlinien der Kommission, in dem es heißt, dass die in Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 aufgezählten Faktoren beim Erlass jeder restriktiven Maßnahme im Sinne von Art. 27 der Richtlinie berücksichtigt werden müssen. Dieser Abschnitt bedeutet meines Erachtens, dass diese Faktoren berücksichtigt werden müssen, soweit sie in einem konkreten Fall relevant sind.

130. Die von mir vorgeschlagene Herangehensweise spiegelt auch die Rechtsprechung des EGMR wider, nach der das Kriterium des „angemessenen Gleichgewichts“ zwischen den Interessen der öffentlichen Ordnung und den Individualinteressen im Rahmen der Prüfung anwendbar ist, ob ein Vertragsstaat sowohl seine „negativen Pflichten“ beachtet, das Recht auf Privat- und Familienleben einer Person bei der Beendigung ihres Aufenthalts in seinem Hoheitsgebiet nicht zu verletzen, als auch seine „positiven Pflichten“, ihr insbesondere durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die effektive Ausübung dieses Rechts zu gestatten. Wie sich aus dieser Rechtsprechung ergibt, ist die Abgrenzung zwischen diesen beiden Kategorien von Pflichten überdies keiner präzisen Definition zugänglich(90).

131. Der EGMR hat sich im Übrigen bereits mit einer Sache befasst, deren Sachverhalt dem der Rechtssache C‑366/16 ähnelt. Die Entscheidung K. gegen Niederlande(91) betraf die Vereinbarkeit einer von den Niederlanden getroffenen Maßnahme zur Beendigung des Aufenthalts eines gemäß Art. 1 Abschnitt F des Genfer Abkommens vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossenen afghanischen Staatsangehörigen, deren Vollstreckung ausgesetzt worden war, mit Art. 8 EMRK. Wie sich aus dieser Entscheidung ergibt, bleibt das oben beschriebene Kriterium des „angemessenen Gleichgewichts“ in einem solchen Kontext anwendbar.

132. Zu den dabei zu berücksichtigenden Faktoren hat der EGMR allerdings das Maß gezählt, in dem das Familienleben tatsächlich durch die fragliche staatliche Maßnahme beeinträchtigt wird. Er hat hierzu ausgeführt, dass der Tatsache, dass der Betroffene nicht Gefahr läuft, das Hoheitsgebiet des Aufnahmelandes verlassen zu müssen oder von seiner Familie getrennt zu werden, erhebliches Gewicht beigemessen werden kann(92).

133. Meines Erachtens ist dieser Gesichtspunkt auch im Rahmen der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven Maßnahme aus der Perspektive von Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 relevant. Hinzuzufügen ist jedoch, dass den die Integration der fraglichen Person betreffenden Gesichtspunkten im Rahmen der Anwendung dieser Bestimmung in Anbetracht der mit der Richtlinie 2004/38 verfolgten Ziele besondere Bedeutung zukommt(93).

3.      Zur Anwendbarkeit von Art. 28 Abs. 3 Buchst. a in einem Fall wie dem von Herrn K.

134. Die Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Middelburg (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Middelburg), hat darauf hingewiesen, dass sich Herr K. zum Zeitpunkt des Erlasses der in der Rechtssache C‑331/16 streitigen Entscheidung seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen in den Niederlanden aufgehalten habe(94). Dieses Gericht möchte deshalb wissen, ob Herr K. sich auf die erhöhten Garantien in Bezug auf die Ausweisung berufen kann, die Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 – der ebenfalls Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist(95) – vorsieht.

135. Wie sich aus den Erwägungsgründen 23 und 24 dieser Richtlinie ergibt, schafft sie ein System des graduellen Schutzes vor Ausweisungen, abhängig vom Grad der Integration im Aufnahmemitgliedstaat. Dieser Integrationsgrad wird gewissermaßen je nach der Dauer des Aufenthalts in diesem Mitgliedstaat objektiv vermutet. Je länger der Aufenthalt gedauert hat, desto größer ist die zu vermutende Integration in die Aufnahmegesellschaft und desto umfassender ist deshalb der Schutz vor Ausweisung(96).

136. Aus dieser Sicht erfordert nicht nur Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie die Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung, sondern auch die Abs. 2 und 3 dieses Artikels sehen vor, dass eine Person nur aus „schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“ aus dem Aufnahmemitgliedstaat ausgewiesen werden kann, wenn sie dort ein Recht auf Daueraufenthalt genießt, und nur aus „zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit“, wenn sie ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren vor dem Erlass einer solchen Maßnahme im Aufnahmemitgliedstaat hatte.

137. Der Fall von Herrn K. weist insofern eine Besonderheit auf, als er sich in den Niederlanden aufhielt, bevor er infolge des Beitritts der Republik Kroatien zur Union die Unionsbürgerschaft erwarb. Außerdem scheint der Vorlageentscheidung – wie ich in Nr. 123 der vorliegenden Schlussanträge hervorgehoben habe und wiederum vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht – zu entnehmen zu sein, dass Herr K. sich in den Niederlanden aufhielt, ohne dort ein Aufenthaltsrecht zu haben.

138. Insoweit bin ich erstens der Ansicht, dass die Tatsache, dass der Aufenthaltszeitraum vor dem Beitritt der Republik Kroatien zur Union lag, als solche der Berücksichtigung dieses Zeitraums bei der Berechnung der Dauer des Aufenthalts von Herrn K. in den Niederlanden im Rahmen der Anwendung von Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 nicht entgegensteht.

139. Der Gerichtshof hat nämlich im Urteil Ziolkowski und Szeja(97) entschieden, dass vorbehaltlich etwaiger Übergangsvorschriften in der Akte über den Beitritt dieses Mitgliedstaats zur Union(98) die Aufenthaltszeiträume eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats, die vor dem Beitritt des erstgenannten Mitgliedstaats zur Union liegen und unter Beachtung der in der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Voraussetzungen zurückgelegt wurden, beim Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt im anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie berücksichtigt werden müssen.

140. Der Gerichtshof begründet dies damit, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 auf die gegenwärtigen und künftigen Wirkungen von Sachverhalten angewandt werden müssen, die vor dem Beitritt des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit der Betroffene hat, zur Union und damit vor dem Zeitpunkt der Umsetzung dieser Richtlinie in diesem Mitgliedstaat entstanden sind. Diese Argumentation gilt meines Erachtens auch im Rahmen der Auslegung von Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie.

141. Zweitens würde allerdings, wie die niederländische Regierung und die Kommission geltend gemacht haben, der Umstand – sein Vorliegen unterstellt –, dass Herr K. kein Aufenthaltsrecht hatte, das es ihm nach dem nationalen Recht der Niederlande gestattete, sich rechtmäßig in diesem Mitgliedstaat aufzuhalten, meines Erachtens der Inanspruchnahme des durch diese Bestimmung gewährten Schutzes entgegenstehen.

142. Insoweit kann dem Wortlaut von Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 nicht entnommen werden, ob der Aufenthaltszeitraum, der nach dieser Vorschrift das Recht auf Schutz vor Ausweisung eröffnet, nur die Zeiträume rechtmäßigen Aufenthalts umfasst. Der Wortlaut dieser Bestimmung unterscheidet sich insoweit vom Wortlaut von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie, der vorsieht, dass ein Recht auf Daueraufenthalt – und der damit nach Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie verbundene Schutz vor Ausweisung – nur durch einen ununterbrochenen „rechtmäßigen Aufenthalt“ von fünf Jahren erworben werden kann. Wie sich aus dem 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38 ergibt, setzt das in Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie genannte Erfordernis der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht nur voraus, dass gegen den Betroffenen keine Entscheidung über die Ausweisung ergangen ist, sondern auch, dass sein Aufenthalt den in der Richtlinie vorgesehenen Bedingungen entspricht(99). Der Gerichtshof hat noch nicht darüber entschieden, ob der für die Inanspruchnahme des in Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 geregelten Schutzes erforderliche Aufenthaltszeitraum auch die Erfüllung dieser Bedingungen voraussetzt(100).

143. Ich werde davon absehen, zu dieser Frage allgemein Stellung zu nehmen, weil die im Rahmen der Rechtssache C‑331/16 zu klärende Frage ausschließlich dahin geht, ob zu diesem Aufenthaltszeitraum auch Aufenthaltszeiträume gehören, die der Betroffene vor dem Beitritt des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit er hat, zur Union zurückgelegt hat, ohne dass er über ein Aufenthaltsrecht verfügte, das es ihm gestattete, sich nach dem nationalen Recht des Aufnahmemitgliedstaats rechtmäßig dort aufzuhalten.

144. Meines Erachtens ist dies zu verneinen.

145. Ich weise insoweit darauf hin, dass Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38, wie sich aus deren Erwägungsgründen 23 und 24 ergibt, Personen vor Ausweisung schützen soll, die vollständig in den Aufnahmemitgliedstaat integriert sind. Diese Bestimmung verfolgt ein eigenes, die Förderung der Integration von Unionsbürgern in der Union betreffendes Ziel(101) und geht über die Garantien, die sich aus Art. 7 der Charta und aus Art. 8 EMRK ergeben, hinaus.

146. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kommt es bei der Beurteilung, ob sich der Betroffene ausreichend in den Aufnahmemitgliedstaat integriert hat, um den Schutz des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 in Anspruch nehmen zu können, darauf an, ob er sich in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisung dort aufgehalten hat(102).

147. Der Gerichtshof hat jedoch die Berücksichtigung qualitativer Faktoren im Rahmen einer solchen Beurteilung nicht ausgeschlossen. So hat er im Urteil G.(103) entschieden, dass Zeiträume der Verbüßung einer Freiheitsstrafe nicht in die Berechnung des Aufenthaltszeitraums von zehn Jahren, der den in Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 geregelten Schutzanspruch begründet, einbezogen werden. Die Nichtbeachtung der nationalen Vorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern lässt sich zwar kaum mit der Begehung einer Straftat vergleichen. Die Herangehensweise des Gerichtshofs impliziert gleichwohl, dass er eine – wenn auch sehr eingeschränkte – Berücksichtigung bestimmter qualitativer Elemente im Zusammenhang mit der für die Inanspruchnahme dieses Schutzes erforderlichen Integration zulässt, wie es auch beim Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie der Fall ist(104).

148. Hierzu hat der Gerichtshof im Urteil Dias(105) entschieden, dass ein vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2004/38 liegender Zeitraum der Anwesenheit im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats ohne jedes Aufenthaltsrecht die Integration in diesem Mitgliedstaat in Frage stellt. Ein solcher Zeitraum ist deshalb für den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt nicht zu berücksichtigen.

149. Dieser Gedankengang impliziert meines Erachtens, dass sich eine Person, die sich vor dem Erwerb der Unionsbürgerschaft ohne sicheren Status im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, obwohl sie nach dessen nationalem Recht nicht dazu befugt war, nicht auf eine vollständige Integration berufen kann, die ihr einen Anspruch auf den größtmöglichen in der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Schutz vor Ausweisung eröffnen würde. Dies gilt umso mehr, wenn sich die betreffende Person, wie im vorliegenden Fall, entgegen eines ihr zuvor auferlegten Einreiseverbots im Aufnahmemitgliedstaat aufhielt.

V.      Ergebnis

150. Nach alledem schlage ich vor, die Fragen der Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Middelburg (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Middelburg, Niederlande), und des Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen, Belgien) wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG ist dahin auszulegen, dass die Tatsache, dass ein Unionsbürger oder ein Angehöriger seiner Familie in der Vergangenheit gemäß Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen wurde, zwar nicht automatisch die Feststellung einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft stützen kann, aber zu diesem Zweck berücksichtigt werden kann, sofern die Umstände, die zur Anwendung dieser Bestimmung geführt haben, ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine solche Gefahr begründet.

Dabei muss der Aufnahmemitgliedstaat eine individuelle Prüfung des persönlichen Verhaltens des Betroffenen im Licht insbesondere der Feststellungen der Asylbehörden zur Schwere der ihm vorgeworfenen Verbrechen, zum Grad seiner persönlichen Beteiligung an der Begehung dieser Verbrechen sowie zum etwaigen Vorliegen von Gründen für eine Freistellung von der strafrechtlichen Verantwortung vornehmen.

Das Fehlen einer Gefahr, dass der Betroffene im Aufnahmemitgliedstaat erneut Verbrechen der in Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens genannten Art begehen wird, sowie die Tatsache, dass seit der mutmaßlichen Begehung der Verbrechen erhebliche Zeit verstrichen ist, stehen als solche der Feststellung einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft nicht entgegen.

2.      Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ist in Verbindung mit Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass jede Beschränkung der Freizügigkeit und der Aufenthaltsfreiheit eines Unionsbürgers oder eines Angehörigen seiner Familie durch einen Mitgliedstaat mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen und das Recht auf Privat- und Familienleben dieser Person beachten muss. In diesem Kontext muss der Mitgliedstaat den Schutz der zur Stützung einer solchen Beschränkung angeführten Grundinteressen gegen die Interessen des Betroffenen im Bereich der Ausübung dieser Freiheiten und des Privat- und Familienlebens abwägen. Der Mitgliedstaat muss insbesondere die in Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie genannten Faktoren berücksichtigen, soweit sie für die in Rede stehende besondere Situation relevant sind.

3.      Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 ist dahin auszulegen, dass der Aufenthaltszeitraum von zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat, der das durch diese Vorschrift geschaffene Recht auf Schutz vor Ausweisung eröffnet, keine Zeiträume umfasst, in denen sich ein Unionsbürger vor dem Beitritt des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, zur Union im Aufnahmemitgliedstaat aufhielt, ohne hierzu nach dem nationalen Recht dieses Mitgliedstaats befugt zu sein.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77).


3      Dieses am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichnete Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Band 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]) trat am 22. April 1954 in Kraft. Es wurde ergänzt durch das am 31. Januar 1967 in New York abgeschlossene Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, das am 4. Oktober 1967 in Kraft trat.


4      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung) (ABl. 2011, L 337, S. 9). Diese Bestimmung übernimmt Art. 12 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2004, L 304, S. 12), die zu der für den relevanten Sachverhalt maßgebenden Zeit anwendbar war und durch die Richtlinie 2011/95 ersetzt wurde.


5      NL:RVS:2008:BF1415.


6      NL:RVS:2015:2008.


7      NL:RVS:2015:2737.


8      Urteil vom 27. Oktober 1977 (30/77, EU:C:1977:172, Rn. 27 bis 29).


9      Urteil vom 9. November 2010 (C‑57/09 und C‑101/09, EU:C:2010:661, Rn. 103 bis 105).


10      Urteil vom 22. Mai 2012 (C‑348/09, EU:C:2012:300, Rn. 30).


11      Urteil vom 24. Juni 2015 (C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 92).


12      Urteil Nr. 99921.


13      Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat (KOM[2009] 313 final). In diesem Abschnitt werden die Faktoren in Bezug auf die persönliche und familiäre Lage des Betroffenen aufgezählt, die gegen die grundlegenden Interessen der Gesellschaft abgewogen werden müssen, wenn die Verhältnismäßigkeit einer zum Schutz dieser Interessen dienenden Maßnahme der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit zu prüfen ist.


14      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) (ABl. 2006, L 381, S. 4). Art. 24 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt: „Die Daten zu Drittstaatsangehörigen, die zur Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung ausgeschrieben sind, werden aufgrund einer nationalen Ausschreibung eingegeben, die auf einer Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörden oder Gerichte beruht, wobei die Verfahrensregeln des nationalen Rechts zu beachten sind; diese Entscheidung darf nur auf der Grundlage einer individuellen Bewertung ergehen.“ Gemäß Art. 24 Abs. 2 wird „eine Ausschreibung … eingegeben, wenn die Entscheidung nach Absatz 1 auf die Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder die nationale Sicherheit gestützt wird, die die Anwesenheit des betreffenden Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats darstellt“. Art. 24 Abs. 3 lautet: „Eine Ausschreibung kann auch eingegeben werden, wenn die Entscheidung nach Absatz 1 darauf beruht, dass der Drittstaatsangehörige ausgewiesen, zurückgewiesen oder abgeschoben worden ist, wobei die Maßnahme nicht aufgehoben oder ausgesetzt worden sein darf, ein Verbot der Einreise oder gegebenenfalls ein Verbot des Aufenthalts enthalten oder davon begleitet sein muss und auf der Nichtbeachtung der nationalen Rechtsvorschriften über die Einreise oder den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen beruhen muss.“


15      NL:RVS:2015:2008. Siehe Nr. 21 der vorliegenden Schlussanträge.


16      Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 gilt sie „für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Artikel 2 Nummer 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen“. Gemäß Art. 2 Nr. 2 Buchst. d der Richtlinie sind Verwandte in gerader aufsteigender Linie eines Unionsbürgers nur dann „Familienangehörige“, wenn er ihnen Unterhalt gewährt. Aus der Vorlageentscheidung geht nicht hervor, ob Herrn H. F., wie er in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, von seiner Tochter Unterhalt gewährt wird. Darin heißt es jedoch, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2004/38 auf Herrn H. F. anwendbar sei (siehe Nr. 35 der vorliegenden Schlussanträge), was voraussetzt, dass diese Voraussetzung erfüllt ist. Der Gerichtshof ist grundsätzlich verpflichtet, die tatsächlichen Umstände zugrunde zu legen, die das vorlegende Gericht als erwiesen betrachtet (vgl. Urteile vom 28. Januar 1999, van der Kooy, C‑181/97, EU:C:1999:32, Rn. 30, sowie, in diesem Sinne, vom 12. Februar 2009, Cobelfret, C‑138/07, EU:C:2009:82, Rn. 23). Es obliegt allein dem vorlegenden Gericht, im vorliegenden Fall zu beurteilen, ob Herr H. F. tatsächlich ein Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist.


17      Vgl. Urteil vom 9. November 2010, B und D (C‑57/09 und C‑101/09, EU:C:2010:661, Rn. 115 bis 120). Der Gerichtshof hat dort ausgeführt, dass die Richtlinie 2011/95 ebenso wie das Genfer Abkommen von dem Grundsatz ausgeht, dass die Mitgliedstaaten auf der Grundlage ihres nationalen Rechts eine andere Art von Schutz gewähren können, die sich von dem durch die Richtlinie und das Abkommen gewährten Schutz unterscheidet, und Personen, die vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen sind, ein Aufenthaltsrecht in ihrem Hoheitsgebiet gewähren können.


18      Vgl. entsprechend Urteil vom 27. Oktober 1977, Bouchereau (30/77, EU:C:1977:172, Rn. 21).


19      Vgl. u. a. Urteil vom 13. September 2016, Rendón Marín (C‑165/14, EU:C:2016:675, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Urteil vom 29. April 2004, Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262, Rn. 65), hat der Gerichtshof entschieden, dass Ausnahmen von Rechten, die an den Unionsbürgerstatus anknüpfen, „besonders eng“ auszulegen sind.


20      Hinsichtlich der in der Rechtssache C‑331/16 streitigen Entscheidung geht diese Begründung auf einige Urteile des Raad van State (Staatsrat) zurück, auf die in der Entscheidung Bezug genommen wird (siehe Nr. 20 der vorliegenden Schlussanträge).


21      Vgl. u. a. Urteile vom 28. Oktober 1975, Rutili (36/75, EU:C:1975:137, Rn. 26 und 27), vom 27. Oktober 1977 (30/77, EU:C:1977:172, Rn. 33 und 34), und vom 22. Mai 2012, I (C‑348/09, EU:C:2012:300, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).


22      Vgl. u. a. Urteil vom 13. September 2016, CS (C‑304/14, EU:C:2016:674, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23      Wie sich aus dem Wortlaut des Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 ergibt.


24      Urteil vom 13. September 2016, Rendón Marín (C‑165/14, EU:C:2016:675, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).


25      Urteil vom 17. November 2011, Aladzhov (C‑434/10, EU:C:2011:750, Rn. 37).


26      Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht außerdem geltend, dass die Mitgliedstaaten ihren Pflichten im Bereich der Terrorbekämpfung aufgrund verschiedener Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen nachkommen müssten, die ihnen auferlegten, Personen, die Terrorakte begingen oder deren Begehung erleichterten, keinen Zufluchtsort zu bieten. Terroristische Handlungen sind jedoch Gegenstand der Ausschlussklausel in Art. 1 Abschnitt F Buchst. c des Genfer Abkommens. Diese ist hier nicht einschlägig.


27      Vgl. u. a. Urteile vom 29. April 2004, Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262, Rn. 68 und 93), vom 17. November 2011, Gaydarov (C‑430/10, EU:C:2011:749, Rn. 38), und vom 13. September 2016, Rendón Marín (C‑165/14, EU:C:2016:675, Rn. 64 bis 67). Vgl. auch entsprechend Urteil vom 19. Januar 1999, Calfa (C‑348/96, EU:C:1999:6, Rn. 25).


28      Vgl. u. a. Urteile vom 27. Oktober 1977, Bouchereau (30/77, EU:C:1977:172, Rn. 28), vom 29. April 2004, Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262, Rn. 77), und vom 7. Juni 2007, Kommission/Niederlande (C‑50/06, EU:C:2007:325, Rn. 41). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 13. September 2016, CS (C‑304/14, EU:C:2016:674, Rn. 46).


29      Urteile vom 27. Oktober 1977, Bouchereau (30/77, EU:C:1977:172, Rn. 29), und vom 22. Mai 2012, I (C‑348/09, EU:C:2012:300, Rn. 30). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 50).


30      Urteil vom 27. Oktober 1977, Boucheau (30/77, EU:C:1977:172, Rn. 29).


31      Diese Formulierung ziehe ich der Formulierung vor, dass es an einer „Rückfallgefahr“ fehle. Wie die belgische Regierung ausgeführt hat, setzt der Begriff „Rückfall“ üblicherweise eine strafrechtliche Verurteilung voraus. Aus den Vorlageentscheidungen ergibt sich jedoch, dass Herr K. und Herr H. F. wegen der ihnen gemäß Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens vorgeworfenen Verhaltensweisen nicht verurteilt worden sind.


32      Hierzu hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden EGMR) im Urteil vom 21. Oktober 2013, Janowiec u. a. gegen Russland (CE:ECHR:2013:1021JUD005550807, § 150), auf das die französische Regierung in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen hat, entschieden, dass schwere Verbrechen des internationalen Rechts wie Kriegsverbrechen, Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit eine größere Dimension aufweisen als gewöhnliche Straftaten und „die Negierung der Grundlagen der [EMRK] selbst“ darstellen.


33      Vgl. Art. 5 der am 17. Juli 1998 in Rom unterzeichneten und am 1. Juli 2002 in Kraft getretenen Satzung des Internationalen Strafgerichtshofs (United Nations Treaty Series, Band 2187, Nr. 38544).


34      Nach Ansicht des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (im Folgenden HCR) kann Art. 1 Abschnitt F Buchst. a des Genfer Abkommens jedoch in manchen Fällen, wenn es um besonders grauenvolle Verbrechen geht, auch dann angewendet werden, wenn der Betroffene verurteilt wurde und seine Strafe verbüßt hat. Vgl. HCR, „Background Note on the Application of the Exclusion Clauses: Article 1F of the 1951 Convention relating to the Status of Refugees“ (im Folgenden: Background Note des HCR), Rn. 72 und 73. Der 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95 lautet: „Konsultationen mit dem [HCR] können den Mitgliedstaaten wertvolle Hilfe bei der Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft nach Artikel 1 [des Genfer Abkommens] bieten.“


35      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2015, H. T. (C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 77).


36      Urteil vom 9. November 2010 (C‑57/09 und C‑101/09, EU:C:2010:661, Rn. 104).


37      Im Urteil vom 9. November 2010, B und D (C‑57/09 und C‑101/09, EU:C:2010:661, Rn. 101), heißt es, dass „eine möglicherweise von einem Flüchtling für den betreffenden Mitgliedstaat ausgehende gegenwärtige Gefahr nicht im Rahmen des Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie Berücksichtigung findet, sondern im Rahmen zum einen ihres Art. 14 Abs. 4 Buchst. a, wonach dieser Mitgliedstaat die einem Flüchtling zuerkannte Rechtsstellung insbesondere dann aberkennen kann, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass dieser eine Gefahr für die Sicherheit darstellt, und zum anderen ihres Art. 21 Abs. 2, nach dem der Aufnahmemitgliedstaat, wozu ihn auch Art. 33 Abs. 2 [des Genfer Abkommens] ermächtigt, einen Flüchtling zurückweisen kann, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass dieser eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt“.


38      Urteil vom 9. November 2010, B und D (C‑57/09 und C‑101/09, EU:C:2010:661, Rn. 105).


39      Vgl. Urteil vom 27. Oktober 1977, Bouchereau (30/77, EU:C:1977:172, Rn. 27), sowie entsprechend Urteil vom 11. Juni 2015, Zh. und O. (C‑554/13, EU:C:2015:377, Rn. 59).


40      Dieser Schlussfolgerung steht nicht entgegen, dass Herr H. F. im Anschluss an die gegen ihn ergangene Entscheidung über den Ausschluss vom Flüchtlingsstatus aus den Niederlanden ausgewiesen und im SIS ausgeschrieben wurde, was nach Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1987/2006 die Annahme des ausschreibenden Mitgliedstaats voraussetzt, dass die Anwesenheit des betreffenden Drittstaatsangehörigen in seinem Hoheitsgebiet eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder die nationale Sicherheit darstellt (siehe Fn. 14 der vorliegenden Schlussanträge). Wie sich aus dem Urteil vom 10. Juli 2008, Jipa (C‑33/07, EU:C:2008:396, Rn. 25), ergibt, darf eine restriktive Maßnahme nämlich nicht ausschließlich auf Gründe gestützt werden, die ein anderer Mitgliedstaat geltend gemacht hat, um den Erlass einer solchen Maßnahme zu rechtfertigen. Eine restriktive Maßnahme muss „im Licht von Erwägungen erlassen werden …, die sich auf den Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit des Mitgliedstaats beziehen, der die Maßnahme erlässt“. Umso weniger kann eine solche Maßnahme ausschließlich auf Gründe gestützt werden, die ein anderer Mitgliedstaat für den Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots gegen einen Drittstaatsangehörigen geltend gemacht hat, der nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38 fiel.


41      In der Praxis obliegt es den nationalen Behörden, die Asylakte des Betroffenen zur Kenntnis zu nehmen, bevor sie eine restriktive Maßnahme ergreifen. Wenn es um den Ausschluss vom Flüchtlingsstatus, der eine Ausschreibung im SIS zur Folge hatte, durch einen anderen Mitgliedstaat geht, obliegt es diesem Mitgliedstaat nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, dem Aufnahmemitgliedstaat der ausgeschriebenen Person die ergänzenden Informationen zur Verfügung zu stellen, die es diesem ermöglichen, das Ausmaß der Gefährdung, die von der ausgeschriebenen Person ausgehen kann, konkret zu beurteilen (vgl. Urteil vom 31. Januar 2006, Kommission/Spanien, C‑503/03, EU:C:2006:74, Rn. 56).


42      Ich werde die in diesem Kontext zu berücksichtigenden Gesichtspunkte in den Nrn. 91 bis 100 der vorliegenden Schlussanträge näher darstellen.


43      Vgl. insbesondere Art. 66 Abs. 3 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs sowie Art. 87 Abschnitt A der am 11. Februar 1994 angenommenen und zuletzt am 8. Juli 2015 geänderten Verfahrens- und Beweisordnung des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien.


44      Der Gerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 11. Juni 2015, Zh. und O. (C‑554/13, EU:C:2015:377, Rn. 52), in Bezug auf die Auslegung von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. 2008, L 348, S. 98) in diesem Sinne geäußert. Diese Bestimmung erlaubt es den Mitgliedstaaten, von ihrer Pflicht, im Fall der Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen eine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren, abzugehen, wenn er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt. Der Gerichtshof hat diese Schlussfolgerung damit begründet, dass „es den Mitgliedstaaten im Wesentlichen weiterhin freisteht, nach ihren nationalen Bedürfnissen zu bestimmen, was die öffentliche Ordnung erfordert, und [keine der Bestimmungen der Richtlinie 2008/115] die Feststellung [erlaubt], dass insoweit eine strafrechtliche Verurteilung erforderlich ist“. Meines Erachtens sind diese Überlegung und die sich daraus ergebende Schlussfolgerung auf die Auslegung von Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 übertragbar. Die Mitgliedstaaten verfügen nämlich auch im Kontext dieser Bestimmung über einen weiten Spielraum bei der Festlegung der Erfordernisse der öffentlichen Ordnung, und auch die Richtlinie 2004/38 sieht nicht die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Verurteilung vor.


45      Vgl. HCR, „Guidelines on International Protection No. 5: Application of the Exclusion Clauses: Article 1F of the 1951 Convention relating to the Status of Refugees“, 4. September 2003 (Nrn. 34 und 35), im Anhang zu Handbook and guidelines on procedures and criteria for determining refugee status, Genf, Dezember 2011 (im Folgenden: Leitlinien des HCR), Background Note des HCR, Rn. 107 bis 109, sowie „Statement on Article 1F of the 1951 Convention“, Juli 2009, S. 10.


46      Siehe Nrn. 91 bis 100 der vorliegenden Schlussanträge.


47      Siehe jedoch Fn. 34 der vorliegenden Schlussanträge.


48      Siehe Nr. 81 der vorliegenden Schlussanträge.


49      Vgl. hierzu Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Schweiz) vom 11. Mai 2010, Y. und Familie gegen Bundesamt für Migration (BFM) (E‑5538/2006, BVGE, § 5.3.2.2). Dieses Gericht hebt dort hervor, dass der Beweisstandard in Art. 1 Abschnitt F des Genfer Abkommens durch den Gegenstand der auf diese Bestimmung gestützten Entscheidungen – mit denen ungeachtet ihrer Schwere keine Strafen verhängt werden – und die begrenzten Ermittlungsmöglichkeiten gerechtfertigt ist, über die die Asylbehörden bei der Sammlung von Beweisen für Tatsachen verfügen, die sich unter oft schwer aufklärbaren Bedingungen zugetragen haben.


50      Urteil vom 9. November 2010 (C‑57/09 und C‑101/09, EU:C:2010:661, Rn. 87).


51      Urteil vom 31. Januar 2017 (C‑573/14, EU:C:2017:71, Rn. 72).


52      Vgl. u. a. Leitlinien des HCR, Nrn. 10 bis 13 und 18 bis 23, sowie Background Note des HCR, Nrn. 50 bis 75.


53      Vgl. auch Background Note des HCR, Nrn. 50 bis 56.


54      Urteil vom 9. November 2010 (C‑57/09 und C‑101/09, EU:C:2010:661, Rn. 88 bis 99). Auch wenn dieses Urteil die Anwendung der von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b und c der Richtlinie 2011/95 – der Art. 1 Abschnitt F Buchst. b und c des Genfer Abkommens entspricht – erfassten Ausschlussklauseln betraf, gelten die Erwägungen des Gerichtshofs und der daraus gezogene Schluss meines Erachtens auch für die in Buchst. a dieser Bestimmungen vorgesehene Ausschlussklausel.


55      Urteil vom 9. November 2010, B und D (C‑57/09 und C‑101/09, EU:C:2010:661, Rn. 97).


56      Herr H. F. führt ein vom vorlegenden Gericht in der Rechtssache C‑366/16 zur Akte des Gerichtshofs gereichtes Dokument an, in dem der HCR öffentlich bezweifelt hat, ob die niederländische Praxis, die Anwendbarkeit der Ausschlussklauseln auf afghanische Asylbewerber, die im KhAD den Rang eines Offiziers oder eines Unteroffiziers innehatten, zu vermuten, mit dem Genfer Abkommen vereinbar ist. Vgl. auch HCR, Note on the Structure and Operation of the KhAD/WAD in Afghanistan 1978-1992, Mai 2008.


57      Stammt die Ausschlussentscheidung von einem anderen Mitgliedstaat, wäre eine solche Infragestellung im Übrigen mit dem gegenseitigen Vertrauen unvereinbar, das dem mit der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung) (ABl. 2013, L 180, S. 31), geschaffenen System zugrunde liegt, wie im 22. Erwägungsgrund dieser Verordnung hervorgehoben wird.


58      Vgl. hierzu Urteil vom 4. Dezember 1974, van Duyn (41/74, EU:C:1974:133, Rn. 17), angeführt in Abschnitt 3.2 der Leitlinien der Kommission.


59      Urteil vom 24. Juni 2015 (C‑373/13, EU:C:2015:413).


60      Urteil vom 9. November 2010 (C‑57/09 und C‑101/09, EU:C:2010:661, Rn. 88 bis 99).


61      Urteil vom 24. Juni 2015, H. T. (C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 77 und 79).


62      Urteil vom 24. Juni 2015, H. T. (C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 86 bis 90).


63      Urteil vom 24. Juni 2015 (C‑373/13, EU:C:2015:413, Rn. 77).


64      Der Gerichtshof hat im Übrigen bereits klargestellt, dass die Anwendung einer Ausschlussklausel vom Flüchtlingsstatus nicht vom Bestehen einer „gegenwärtigen Gefahr“ für den betreffenden Mitgliedstaat abhängt (siehe Nr. 82 der vorliegenden Schlussanträge).


65      Meines Erachtens sind auch die Ausführungen in Abschnitt 3.2 der Leitlinien der Kommission, wonach „es … entscheidend [ist], die Wiederholungsgefahr zu berücksichtigen“, aus dieser Perspektive zu verstehen. Diese Ausführungen sind nur für restriktive Maßnahmen relevant, die zum Schutz der Ruhe und körperlichen Sicherheit der Bevölkerung vor der Gefahr einer erneuten strafbaren Handlung besteht. Sie gelten nicht für restriktive Maßnahmen, die auf die Wahrung von Grundinteressen anderer Art abzielen.


66      Vgl. entsprechend Urteil vom 11. Juni 2015, Zh. und O. (C‑554/13, EU:C:2015:377, Rn. 62). Das Bestehen einer Gefahr im Sinne von Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ist nämlich nach der Rechtsprechung zu dem Zeitpunkt zu beurteilen, zu dem die betreffende restriktive Maßnahme ergriffen wird (Urteil vom 29. April 2004, Orfanopoulos und Oliveri, C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262, Rn. 77 bis 79).


67      Vgl. insbesondere Art. 29 der Satzung des Internationalen Strafgerichtshofs sowie das am 25. Januar 1974 unterzeichnete Europäische Übereinkommen über die Unverjährbarkeit von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen (Sammlung der Europäischen Verträge, Nr. 82).


68      Vgl. u. a. Urteile vom 26. November 2002, Oteiza Olazabal (C‑100/01, EU:C:2002:712, Rn. 43), vom 10. Juli 2008, Jipa (C‑33/07, EU:C:2008:396, Rn. 29), und vom 17. November 2011, Gaydarov (C‑430/10, EU:C:2011:749, Rn. 40).


69      Urteil vom 17. November 2011, Aladzhov (C‑434/10, EU:C:2011:750, Rn. 47), sowie entsprechend Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 49).


70      Insoweit heißt es im siebten Erwägungsgrund des Beschlusses 2003/335/JI des Rates vom 8. Mai 2003 betreffend die Ermittlung und Strafverfolgung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen (ABl. 2003, L 118, S. 12): „Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass, wenn sie Informationen erhalten, denen zufolge eine Person, die eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt hat, im Verdacht steht, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen begangen oder sich an deren Begehung beteiligt zu haben, die betreffenden Handlungen gemäß dem innerstaatlichen Recht Gegenstand von Ermittlungen und, sofern begründet, Strafverfolgungsmaßnahmen sein können.“ Im vorliegenden Fall hat die niederländische Regierung in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass einige Personen, die vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen worden seien, später in den Niederlanden Gegenstand von Strafverfolgungsmaßnahmen gewesen seien.


71      Gegebenenfalls kann die Strafverfolgung auf der Grundlage der universellen Zuständigkeit eingeleitet werden. Insbesondere verpflichten die vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte die Vertragsstaaten, von dieser Zuständigkeit für die in ihren Anwendungsbereich fallenden Verbrechen Gebrauch zu machen (vgl. Art. 49 des Genfer Abkommens [I] zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde, Art. 50 des Genfer Abkommens [II] zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See, Art. 129 des Genfer Abkommens [III] über die Behandlung der Kriegsgefangenen, und Art. 146 des Genfer Abkommens [IV] über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten). Vgl. auch die Erwägungsgründe 3 und 7 des Beschlusses 2002/494/JI des Rates vom 13. Juni 2002 zur Einrichtung eines Europäischen Netzes von Anlaufstellen betreffend Personen, die für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verantwortlich sind (ABl. 2002, L 167, S. 1).


72      Vgl. in diesem Sinne Background Note des HCR, Ziff. 4, nach der „die Entwicklung der universellen Zuständigkeit und die Schaffung internationaler Strafgerichte … die Bedeutung der Ausweisung als Mittel zur Gewährleistung, dass Flüchtige vor Gericht gestellt werden[, verringern], was die Argumente für einen restriktiven Ansatz stärkt“.


73      Siehe Fn. 71 der vorliegenden Schlussanträge.


74      Für eine Darstellung der Herausforderungen der Strafverfolgung von mutmaßlichen Tätern schwerer Verbrechen des internationalen Rechts durch die nationalen Gerichte vgl. Réseau concernant les enquêtes et les poursuites pénales relatives aux génocides, aux crimes contre l’humanité et aux crimes de guerre, Stratégie du Réseau génocide de l’UE pour lutter contre l’impunité du crime de génocide, des crimes contre l’humanité et des crimes de guerre au sein de l’Union européenne et de ses États membres, Den Haag, November 2014, S. 15 bis 23.


75      Vgl. u. a. Urteil vom 29. April 2004, Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262, Rn. 95).


76      Vgl. u. a. Urteile vom 23. November 2010, Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 52), vom 13. September 2016, Rendón Marín (C‑165/14, EU:C:2016:675, Rn. 81), und vom 13. September 2016, CS (C‑304/14, EU:C:2016:674, Rn. 41). Gemäß Art. 52 Abs. 3 der Charta haben darin enthaltene Rechte, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der EMRK verliehen werden. Diese Bestimmung steht jedoch dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt. Da Art. 7 der Charta Rechte enthält, die den durch Art. 8 EMRK garantierten Rechten entsprechen, ist ihnen deshalb die gleiche Bedeutung und die gleiche Tragweite zu geben, wie sie ihnen in Art. 8 EMRK nach dessen Auslegung durch die Rechtsprechung des EGMR verliehen werden (vgl. Urteil vom 5. Oktober 2010, McB., C‑400/10 PPU, EU:C:2010:582, Rn. 53).


77      Urteile vom 13. September 2016, Rendón Marín (C‑165/14, EU:C:2016:675, Rn. 81), und vom 13. September 2016, CS (C‑304/14, EU:C:2016:674, Rn. 36). Vgl. auch EGMR, 3. Oktober 2014, Jeunesse gegen Niederlande (CE:ECHR:2014:1003JUD001273810, § 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).


78      EGMR, 2. August 2001 (CE:ECHR:2001:0802JUD005427300, § 48).


79      EGMR, 18. Oktober 2006 (CE:ECHR:2006:1018JUD004641099, §§ 57 und 58).


80      Vgl. u. a. EGMR, 2. August 2001, Boultif gegen Schweiz (CE:ECHR:2001:0802JUD005427300, § 39).


81      Vgl. hierzu auch Guild, E., Peers, S., und Tomkin, J., The EU Citizenship Directive, A Commentary, Oxford University Press, Oxford, 2014, S. 267.


82      Insbesondere in den Urteilen vom 23. November 2010, Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 2), vom 22. Mai 2012, I (C‑348/09, EU:C:2012:300, Rn. 2), und vom 17. März 2016, Bensada Benallal (C‑161/15, EU:C:2016:175, Rn. 2), hat der Gerichtshof Maßnahmen, die mit dem Verlust des Rechts auf Einreise und auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einhergingen und den Betroffenen unter Androhung einer Abschiebung aufgaben, das Hoheitsgebiet zu verlassen, ohne dass diese Drohung jedoch umgesetzt worden wäre, als Ausweisungen im Sinne von Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 behandelt.


83      Ich sehe in diesem Sinne eine gewisse Analogie zwischen dem Begriff „Ausweisung“ im Sinne von Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 und dem Begriff „Rückkehrentscheidung“ gegen einen Drittstaatsangehörigen im Sinne von Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie 2008/115. Letzterer Begriff bezeichnet eine „behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird“. Gemäß Art. 8 Abs. 3 dieser Richtlinie in Verbindung mit ihrem Art. 3 Nr. 5 kann ein Mitgliedstaat zur Vollstreckung einer Rückkehrentscheidung eine getrennte Entscheidung oder Maßnahme erlassen, mit der die Vollstreckung der Rückkehrverpflichtung angeordnet wird, d. h. die tatsächliche Verbringung aus dem Mitgliedstaat.


84      Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass Herr K. sich zunächst in der Zeit von seiner Ankunft in den Niederlanden im Jahr 2001 bis zur Bestätigung der Ablehnung seines Asylantrags durch den Raad van State (Staatsrat) im Jahr 2005 vorläufig, bis zur endgültigen Entscheidung über seinen Antrag, rechtmäßig in diesem Mitgliedstaat aufhielt. Danach blieb Herr K. trotz der ersten Entscheidung über den Ausschluss vom Flüchtlingsstatus vom 15. Mai 2003 in den Niederlanden. Der Vorlageentscheidung kann nicht entnommen werden, ob er dann aus einem anderen Grund befugt war, dort zu bleiben. Schließlich verließ Herr K. die Niederlande auch nach der zweiten, mit einem Einreiseverbot verbundenen und am 16. Januar 2013 ergangenen Entscheidung über den Ausschluss vom Flüchtlingsstatus nicht.


85      EGMR, 2. August 2001 (CE:ECHR:2001:0802JUD005427300, § 48).


86      EGMR, 18. Oktober 2006 (CE:ECHR:2006:1018JUD004641099, §§ 57 und 58).


87      Vgl. u. a. EGMR, 3. November 2011, Arvelo Aponte gegen Niederlande (CE:ECHR:2011:1103JUD002877005, §§ 55 und 59), und EGMR, 3. Oktober 2014, Jeunesse gegen Niederlande (CE:ECHR:2014:1003JUD001273810, §§ 108 und 113 bis 123). In den Urteilen vom 23. November 2010, Tsakouridis(C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 53), vom 13. September 2016, Rendón Marín (C‑165/14, EU:C:2016:675, Rn. 86), und vom 13. September 2016, CS (C‑304/14, EU:C:2016:674, Rn. 42), hat der Gerichtshof ebenfalls die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts als einen der Faktoren erwähnt, die bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven Maßnahme und ihrer Vereinbarkeit mit den Grundrechten zu berücksichtigen sind.


88      Wie der Gerichtshof im Urteil vom 9. November 2010, B und D (C‑57/09 und C‑101/09, EU:C:2010:661, Rn. 110), hervorgehoben hat, impliziert der Ausschluss vom Flüchtlingsstatus keine Stellungnahme dazu, ob der Betroffene in sein Herkunftsland ausgewiesen werden darf. Fälle, in denen eine Person weder zugelassen wird noch ausgewiesen werden kann, können auftreten, wenn Art. 4 der Charta und Art. 3 EMRK – die keine Ausnahme zulassen – seiner Ausweisung in ein Land, in dem er einer realen Gefahr der Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt ist, entgegenstehen. Der Vorlageentscheidung kann nicht entnommen werden, ob sich die Unmöglichkeit, Herrn H. F. auszuweisen, aus diesen Bestimmungen ergibt.


89      Ein gewisser Vergleich kann mit der Schlussfolgerung im Urteil vom 9. November 2000, Yiadom (C‑357/98, EU:C:2000:604, Rn. 43), angestellt werden, wonach eine Entscheidung über die Ablehnung des Aufenthalts, die gegen einen Unionsbürger ergangen ist, nachdem er sich bis zur Entscheidung über seinen Antrag mehrere Monate im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufgehalten hat, nicht mit einer Einreiseverweigerung im Sinne von Art. 8 der inzwischen aufgehobenen Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. 1964, Nr. 56, S. 850), gleichgesetzt werden kann. Eine solche Entscheidung müsste wie eine „Entscheidung über die Entfernung“ im Sinne von Art. 9 dieser Richtlinie behandelt werden und als solche mit weitergehenden Verfahrensgarantien einhergehen. Generalanwalt Léger (Schlussanträge in der Rechtssache Yiadom, C‑357/98, EU:C:2000:174) hatte zugunsten einer solchen Herangehensweise ausgeführt: „Der Betroffene, der sich bereits im Staatsgebiet befindet, hat, auch solange er auf die Regelung seiner Situation wartet, von Anfang an objektiv eine weiter gehende Gelegenheit zur Aufnahme sozialer, persönlicher oder beruflicher Beziehungen als jemand, der die Grenze noch nicht überschritten hat. Er ist kurzum eher in das Aufnahmeland integriert.“


90      Vgl. u. a. EGMR, 28. Juni 2011, Nunez gegen Norwegen (CE:ECHR:2011:0628JUD005559709, § 68), EGMR, 3. November 2011, Arvelo Aponte gegen Niederlande (CE:ECHR:2011:1103JUD002877005, § 53), und EGMR, 3. Oktober 2014, Jeunesse gegen Niederlande (CE:ECHR:2014:1003JUD001273810, § 106).


91      EGMR, Entscheidung vom 25. September 2012 (CE:ECHR:2012:0925DEC003340311, § 42). Unter diesen Bedingungen hat der EGMR angezweifelt, dass der Kläger als „Opfer“ im Sinne von Art. 34 ERK zu qualifizieren ist, und angenommen, dass die niederländischen Behörden, auch wenn er so zu qualifizieren gewesen wäre, bei der Abwägung zwischen den bestehenden kollektiven und individuellen Interessen keinen Fehler gemacht haben.


92      EGMR, Entscheidung vom 25. September 2012, K. gegen Niederlande (CE:ECHR:2012:0925DEC003340311, § 47).


93      Siehe Nr. 119 der vorliegenden Schlussanträge.


94      Die niederländische Regierung bestreitet die Sachverhaltsdarstellung durch das vorlegende Gericht in Bezug auf den kontinuierlichen Aufenthalt von Herrn K. in den Niederlanden. Das vorlegende Gericht wird diese Frage klären müssen. Gleichwohl ist der Gerichtshof verpflichtet, die tatsächlichen Umstände zugrunde zu legen, auf denen die Vorlageentscheidung beruht (siehe Fn. 16 der vorliegenden Schlussanträge).


95      Vgl. hierzu den 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38 sowie den Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 10. Dezember 2008 über die Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (KOM[2008] 840 final, S. 9).


96      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:322, Nr. 45).


97      Urteil vom 21. Dezember 2011 (C‑424/10 und C‑425/10, EU:C:2011:866, Rn. 60 bis 62). Diese Schlussfolgerung hat der Gerichtshof im Urteil vom 6. September 2012, Czop und Punakova (C‑147/11 und C‑148/11, EU:C:2012:538, Rn. 35), bestätigt.


98      Anhang V der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien zur Europäischen Union und die Anpassungen des [EUV], des [AEUV] und des [Euratom-Vertrags] (ABl. 2012, L 112, S. 21) erlaubt es den Mitgliedstaaten, übergangsweise von einzelnen Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 abzuweichen.


99      Zu diesen Bedingungen gehören insbesondere die in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 genannten in Bezug auf die Verfügbarkeit ausreichender Existenzmittel, so dass im Aufnahmemitgliedstaat keine Sozialleistungen in Anspruch genommen werden müssen. Vgl. Urteil vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja (C‑424/10 und C‑425/10, EU:C:2011:866, Rn. 47).


100      In der anhängigen Rechtssache C‑424/16 (ABl. 2016, C 350, S. 19) ist der Gerichtshof mit einer konnexen Vorlagefrage befasst; der Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof, Vereinigtes Königreich) möchte von ihm wissen, ob der Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt im Sinne der Art. 16 und 28 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 eine Vorbedingung für die Inanspruchnahme des in Art. 28 Abs. 3 Buchst. a geregelten Schutzes ist. In seinen Schlussanträgen in den verbundenen Rechtssachen B und Vomero (C‑316/16 und C‑424/16, EU:C:2017:797, Nr. 59) hat Generalanwalt Szpunar dem Gerichtshof vorgeschlagen, dies zu bejahen.


101      Im Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis(C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 50), hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Integration eines Unionsbürgers neben dessen individuellen Interessen auch die Interessen der Union im Allgemeinen betrifft.


102      Urteile vom 23. November 2010, Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 31), und vom 16. Januar 2014, G. (C‑400/12, EU:C:2014:9, Rn. 23).


103      Urteil vom 16. Januar 2014 (C‑400/12, EU:C:2014:9, Rn. 32 und 33).


104      Vgl. Urteile vom 21. Juli 2011, Dias (C‑325/09, EU:C:2011:498, Rn. 64), und vom 16. Januar 2014, Onuekwere (C‑378/12, EU:C:2014:13, Rn. 25).


105      Urteil vom 21. Juli 2011 (C‑325/09, EU:C:2011:498, Rn. 55 und 63).