Language of document : ECLI:EU:T:2011:64

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

2. März 2011 (*)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Antrag auf einstweilige Anordnung – Offensichtliche Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑22/11 R

Westfälisch-Lippischer Sparkassen- und Giroverband mit Sitz in Münster (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Rosenfeld und I. Liebach,

Antragsteller,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Flynn, B. Martenczuk und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs des Beschlusses der Kommission vom 21. Dezember 2010 C (2010) 9525 final, Staatliche Beihilfe MC 8/2009 und C 43/2009 – Deutschland – WestLB Veräußerungen, soweit sich daraus die Verpflichtung zur Einstellung des Neugeschäfts der Westdeutsche ImmobilienBank AG nach dem 15. Februar 2011 ergibt,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt und Verfahren

1        Der Antragsteller hält 25,03% der Anteile an der WestLB, einer deutschen Landesbank, die u. a. als Zentralbank der Sparkassen in Nordrhein-Westfalen fungiert. Er verfolgt mit dem vorliegenden Antrag das Ziel, die Abwicklung der Westdeutsche ImmobilienBank AG (im Folgenden: WestImmo), einer im Immobiliengeschäft tätigen hundertprozentigen Tochtergesellschaft der WestLB, abzuwenden. Diese Abwicklung hat die Kommission in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit den Ziff. 5.4, 5.7 und 6.7 des Anhangs ihrer Entscheidung vom 12. Mai 2009 K (2009) 3900 endgültig korr. über die staatliche Beihilfe C 43/2008 (ex N 390/2008), die Deutschland zur Umstrukturierung der WestLB AG gewähren will (im Folgenden: Entscheidung vom 12. Mai 2009), verbindlich festgelegt.

2        Mit der Entscheidung vom 12. Mai 2009 hat die Kommission eine staatliche Beihilfe für die WestLB unter Bedingungen und Auflagen genehmigt. In Bezug auf die WestImmo sahen die Bedingungen ursprünglich eine vollständige Veräußerung bis zum 31. März 2010 vor, die bis zum 31. Dezember 2010 aufgeschoben werden konnte; sollte die WestImmo nicht innerhalb dieser Fristen veräußert worden sein, war ihr Neugeschäft einzustellen und das noch bestehende Geschäft abzuwickeln.

3        Da sich der Veräußerungsprozess bei der WestImmo schwierig gestaltete, wurde die zunächst gültige Veräußerungsfrist bis zum 31. Dezember 2010 verlängert. Als sich auch diese Fristverlängerung als unzureichend erwies, beantragte die Bundesrepublik Deutschland am 28. Oktober 2010 bei der Kommission, die Frist für die Veräußerung der WestImmo in angemessenem Umfang zu verlängern, wobei sie in einer ergänzenden Mitteilung vom 11. November 2010 eine Fristverlängerung um drei Jahre für sinnvoll hielt. Schließlich beantragte die Bundesrepublik Deutschland am 1. Dezember 2010 „unabhängig vom Fristverlängerungsantrag vom 28. Oktober 2010“, die Frist für die Veräußerung der WestImmo „zunächst bis zum 15. Februar 2011“ zu verlängern. Bis zum 15. Februar 2011 sollte nämlich ein neues Restrukturierungskonzept für die WestLB vorgelegt werden. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 erklärte die Kommission, dass sie den Antrag vom 28. Oktober 2010 als durch den Antrag vom 1. Dezember 2010 überholt ansehe.

4        Mit Beschluss vom 21. Dezember 2010 C (2010) 9525 final, Staatliche Beihilfe MC 8/2009 und C 43/2009 – Deutschland – WestLB Veräußerungen (im Folgenden: angefochtener Beschluss), hat die Kommission die von der Bundesrepublik Deutschland beantragte Fristverlängerung für die Veräußerung der WestImmo bis zum 15. Februar 2011 gewährt. Dabei hat sie die beiden oben genannten Fristverlängerungsanträge zu einem einheitlichen Antrag dahin gehend zusammengefasst, dass der zweite (15. Februar 2011) den ersten (drei Jahre) präzisiere.

5        Im Tenor des angefochtenen Beschlusses „stimmt [die Kommission] einer Verlängerung der Frist für die Beendigung des Neugeschäfts und damit auch für die Veräußerung der WestImmo bis zum 15. Februar 2011 zu“. Zugleich erinnert sie in Randnr. 25 des angefochtenen Beschlusses an die gemäß der Entscheidung vom 12. Mai 2009 bestehende Verpflichtung, nach Ablauf der erweiterten Veräußerungsfrist das Neugeschäft der WestImmo zu beenden.

6        Mit Klageschrift, die am 19. Januar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Antragsteller Klage mit dem Ziel erhoben, den angefochtenen Beschluss

–        teilweise für nichtig zu erklären, soweit dadurch die mit Antrag Deutschlands vom 28. Oktober 2010 beantragte Fristverlängerung für die Veräußerung und die Beendigung des Neugeschäfts der WestImmo über den 15. Februar 2011 hinaus abgelehnt worden ist;

–        hilfsweise, insoweit für nichtig zu erklären, als die Kommission damit konkludent beschlossen hat, dass Deutschland nur einen einheitlichen Fristverlängerungsantrag für die Veräußerung und die Beendigung des Neugeschäfts der WestImmo bis zum 15. Februar 2011 gestellt hat und daher über eine darüber hinausgehende Fristverlängerung nicht zu entscheiden ist.

7        Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, der darauf abzielt,

–        den Vollzug des angefochtenen Beschlusses auszusetzen, soweit sich daraus ergibt, dass das Neugeschäft der WestImmo nach dem 15. Februar 2011 zu beenden ist,

–        bis das Gericht über die Klage in der Hauptsache entschieden hat,

–        oder bis zu einem Zeitpunkt, den der Präsident des Gerichts bestimmt;

–        hilfsweise, jede andere oder zusätzliche einstweilige Anordnung zu treffen, die der Präsident des Gerichts für erforderlich oder angemessen hält;

–        dem Antrag ohne Stellungnahme der Antragsgegnerin gemäß Art. 105 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts stattzugeben;

–        die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der Hauptsache vorzubehalten.

8        In ihrer schriftlichen Stellungnahme zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, die am 14. Februar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt die Kommission,

–        den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Beschlusses als unzulässig oder unbegründet zurückzuweisen;

–        die Entscheidung über die Kosten dem Verfahren in der Hauptsache vorzubehalten.

9        Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2011 hat die WestImmo beantragt, sie als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Antragstellers zuzulassen.

 Gründe

10      Die Einhaltung der Vorschriften der Verfahrensordnung stellt eine unabdingbare Prozessvoraussetzung dar. Daher ist vor Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung von Amts wegen zu prüfen, ob die betreffenden Vorschriften beachtet worden sind (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 7. Mai 2002, Aden u. a./Rat und Kommission, T‑306/01 R, Slg. 2002, II‑2387, Randnr. 43).

11      Wie aus Art. 104 § 1 der Verfahrensordnung hervorgeht, muss ein enger Zusammenhang zwischen der beantragten einstweiligen Anordnung und dem Gegenstand der Klage bestehen. Denn nach Absatz 1 dieser Bestimmung sind Anträge auf Aussetzung des Vollzugs von Maßnahmen eines Organs im Sinne von Artikel 278 AEUV nur zulässig, wenn der Antragsteller die betreffende Maßnahme durch Klage beim Gericht angefochten hat. Außerdem soll das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die volle Wirksamkeit der künftigen Entscheidung in der Hauptsache sicherstellen und auf diese Weise verhindern, dass eine Lücke in dem vom Unionsrichter gewährten Rechtsschutz entsteht (in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. Mai 1996, Deutschland/Kommission, C‑399/95 R, Slg. 1996, I‑2441, Randnr. 46, und Beschluss Aden u. a./Rat und Kommission, Randnrn. 44 und 45).

12      Der Antragsteller muss daher ein Rechtsschutzinteresse an der beantragten Anordnung nachweisen (vgl. u. a. Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 17. Dezember 1996, Moccia Irme/Kommission, T‑164/96 R, Slg. 1996, II‑2261, Randnr. 26, und Aden u. a./Rat und Kommission, Randnr. 57). Ein solches Interesse besteht insbesondere nur dann, wenn der Eilantrag, mit dem die Aussetzung des Vollzugs des durch Nichtigkeitsklage angefochtenen Verwaltungsakts begehrt wird, dem Antragsteller im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (in diesem Sinne Beschluss des Gerichts vom 17. Oktober 2005, First Data u. a./Kommission, T‑28/02, Slg. 2005, II‑4119, Randnr. 34, und Urteil des Gerichts vom 28. September 2004, MCI/Kommission, T‑310/00, Slg. 2004, II‑3253, Randnr. 44 und die dort zitierte Rechtsprechung).

13      Im vorliegenden Fall macht der Antragsteller geltend, aufgrund des angefochtenen Beschlusses stehe fest, dass die WestImmo nach dem 15. Februar 2011 gemäß Ziff. 5.7 des Anhangs der Entscheidung vom 12. Mai 2009 abgewickelt werden müsse.

14      Dazu ist festzustellen, dass sich die Verpflichtung zur Abwicklung der WestImmo nicht aus dem angefochtenen Beschluss, sondern allein aus der Entscheidung vom 12. Mai 2009 ergibt, wobei diese Abwicklung aufgrund der letztgenannten Entscheidung ursprünglich bis zum 31. März 2010, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2010 zu erfolgen hatte.

15      Die Entscheidung vom 12. Mai 2009 hat der Antragsteller am 13. November 2009 mit einer Nichtigkeitsklage angefochten (Rechtssache T‑457/09, Westfälisch-Lippischer Sparkassen- und Giroverband/Kommission). Er hat außerdem am 19. Januar 2011 in derselben Rechtssache vorläufigen Rechtsschutz beantragt; in diesem Zusammenhang begehrt er die Aussetzung des Vollzugs von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit den Ziff. 5.4, 5.7 und 6.7 des Anhangs der Entscheidung vom 12. Mai 2009, soweit sich daraus die Verpflichtung zur Einstellung des Neugeschäfts der WestImmo ergibt, hilfsweise, die Aussetzung des Vollzugs der vorgenannten Bestimmungen in Verbindung mit dem angefochtenen Beschluss, soweit sich daraus die Verpflichtung zur Einstellung des Neugeschäfts der WestImmo nach dem 15. Februar 2011 ergibt (Rechtssache T-457/09 R, Westfälisch-Lippischer Sparkassen- und Giroverband/Kommission). Seinen Hilfsantrag hat er damit begründet, dass die Kommission auf Antrag der Bundesrepublik Deutschland eine Fristverlängerung für die Beendigung des Neugeschäfts der WestImmo bis zum 15. Februar 2011 gewährt habe, so dass die WestImmo nach diesem Datum ihr Neugeschäft beenden müsse.

16      Mit Beschluss vom 31. Januar 2011 (Rechtssache T-457/09 R, Westfälisch-Lippischer Sparkassen- und Giroverband/Kommission) hat der Präsident des Gerichts diesem Antrag gemäß Art. 105 Abs. 2 der Verfahrensordnung zunächst stattgegeben und den Vollzug von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit den Ziff. 5.4, 5.7 und 6.7 des Anhangs der Entscheidung vom 12. Mai 2009 sowie in Verbindung mit dem angefochtenen Beschluss bis auf weiteres ausgesetzt, soweit sich daraus die Verpflichtung zur Einstellung des Neugeschäfts der WestImmo nach dem 15. Februar 2011 ergibt.

17      Es erweist sich somit, dass der im vorliegenden Eilverfahren gestellte Aussetzungsantrag im Kern bereits Gegenstand der Rechtssache T‑457/09 R ist und dort sogar zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes geführt hat. Der vorliegende Antrag kann in seiner Tragweite nicht über den in der Rechtssache T‑457/09 R gestellten Antrag hinausgehen und dem Antragsteller daher im Ergebnis keinen weitergehenden Vorteil verschaffen.

18      Eine isolierte Aussetzung des Vollzugs allein des Beschlusses vom 21. Dezember 2010, wie in der Rechtssache T‑22/11 R formuliert, wäre im Gegenteil von keinerlei Nutzen für den Antragsteller. Im Tenor des angefochtenen Beschlusses beschränkt sich die Kommission nämlich darauf, einer Verlängerung der Frist für die Beendigung des Neugeschäfts der WestImmo bis zum 15. Februar 2011 zuzustimmen. In Ermangelung eines gleichzeitigen Antrags auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung vom 12. Mai 2009, wie in der Rechtssache T‑457/09 R formuliert, hätte der vorliegende isolierte Aussetzungsantrag lediglich die Aufschiebung der Fristverlängerung zur Folge.

19      Ein Vergleich des angefochtenen Beschlusses mit der Entscheidung vom 12. Mai 2009 lässt in der Tat erkennen, dass dieser Beschluss hinsichtlich der WestImmo als einziges neues Element die Verlängerung der Abwicklungsfrist bis zum 15. Februar 2011 enthält. Diese Fristverlängerung stellt – unabhängig davon, ob sie als ausreichend anzusehen ist – gegenüber den ursprünglichen Fristsetzungen eine begünstigende Maßnahme dar. Wenn der Vollzug des angefochtenen Beschlusses insoweit aufgeschoben würde, hätte dies ein Wiederaufleben der früheren (bereits abgelaufenen) Fristen zur Folge. Es fehlt dem Antragsteller also am Rechtsschutzinteresse für seinen isolierten Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Beschlusses, da dieser Antrag ihm im Ergebnis keinen Vorteil verschaffen kann.

20      Der vorliegende Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist somit mangels Rechtsschutzinteresses für unzulässig zu erklären.

21      Unter diesen Umständen erübrigt sich eine Entscheidung über den Streithilfeantrag.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1)      Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird zurückgewiesen.

2)      Der Streithilfeantrag der Westdeutsche ImmobilienBank AG hat sich erledigt.

3)      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 2. März 2011.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Deutsch.