Language of document : ECLI:EU:C:2022:962

Rechtssache C460/20

TU und RE

gegen

Google LLC

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs)

 Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 8. Dezember 2022

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Richtlinie 95/46/EG – Art. 12 Buchst. b – Art. 14 Abs. 1 Buchst. a – Verordnung (EU) 2016/679 – Art. 17 Abs. 3 Buchst. a – Betreiber einer Internetsuchmaschine – Anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche – Anzeige eines Links zu angeblich unrichtige Informationen enthaltenden Artikeln in der Übersicht der Ergebnisse einer Suche – Anzeige der diese Artikel bebildernden Fotos in Gestalt von Vorschaubildern (,thumbnails‘) in der Übersicht der Ergebnisse einer Bildersuche – An den Betreiber der Suchmaschine gerichteter Auslistungsantrag – Abwägung der Grundrechte – Art. 7, 8, 11 und 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Verpflichtungen und Verantwortungsbereich des Betreibers der Suchmaschine bei der Bearbeitung eines Auslistungsantrags – Beweislast der die Auslistung begehrenden Person“

1.        Rechtsangleichung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Richtlinie 95/46 – Verordnung 2016/679 – Verarbeitung personenbezogener Daten – Begriff – Tätigkeit einer Suchmaschine – Suche, Indexierung, Speicherung und Zurverfügungstellung an Internetnutzer von Informationen, die von Dritten ins Internet gestellt oder dort veröffentlicht worden sind – Einbeziehung – Für die Verarbeitung Verantwortlicher – Begriff – Betreiber einer Suchmaschine – Einbeziehung

(Verordnung 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Nrn. 1 und 2 und Art. 7; Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 Buchst. b und d)

(vgl. Rn. 44, 49, 50, 91)

2.        Rechtsangleichung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Verordnung 2016/679 – Beachtung der Grundrechte – Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten – An den Betreiber einer Suchmaschine gerichteter Auslistungsantrag – Abwägung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Information bei der Bearbeitung dieses Antrags

(Charta der Grundreche der Europäischen Union, Art. 7, 8 und 11; Verordnung 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates; Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates)

(vgl. Rn. 51‑56, 58)

3.        Rechtsangleichung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Verordnung 2016/679 – Übersicht der Ergebnisse einer über eine Suchmaschine anhand des Namens einer natürlichen Person durchgeführten Suche – Anzeige eines Links zu angeblich unrichtige Informationen enthaltenden Artikeln – An den Betreiber dieser Suchmaschine gerichteter Auslistungsantrag – Abwägung der Grundrechte bei der Bearbeitung dieses Antrags – Relevante Kriterien – Feststellung der Richtigkeit der im aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen – Einbeziehung – Beweislast der die Auslistung begehrenden Person – Umfang – Verpflichtungen und Verantwortungsbereich des Betreibers der Suchmaschine bei der Bearbeitung eines solchen Auslistungsantrags – Umfang – Relevante und hinreichende Nachweise – Einbeziehung – Erfordernis, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist – Fehlen

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7, 8 und 11; Verordnung 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 17 Abs. 3 Buchst. a)

(vgl. Rn. 62‑65, 68‑73, 75‑77, Tenor 1)

4.        Rechtsangleichung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Richtlinie 95/46 – Verordnung 2016/679 – Zeitlicher Geltungsbereich – Gleichzeitige Auslegung von Bestimmungen mit ähnlichem Regelungsgehalt

(Verordnung 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates; Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates)

(vgl. Rn. 78‑80)

5.        Rechtsangleichung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Richtlinie 95/46 – Verordnung 2016/679 – Übersicht der Ergebnisse einer über eine Suchmaschine anhand des Namens einer natürlichen Person durchgeführten Bildersuche – Anzeige der diese Person darstellenden Fotos in Gestalt von Vorschaubildern – An den Betreiber der Suchmaschine gerichteter Auslistungsantrag – Abwägung der Grundrechte bei der Bearbeitung dieses Antrags – Relevante Kriterien – Berücksichtigung des Informationswerts der Fotos, und zwar unabhängig vom ursprünglichen Kontext ihrer Veröffentlichung, sowie der Textelemente, die mit ihrer Anzeige einhergehen und Aufschluss über diesen Wert geben können – Einbeziehung

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7, 8 und 11; Verordnung 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 17 Abs. 3 Buchst. a; Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a)

(vgl. Rn. 90, 93, 94, 96, 98, 100‑105, 108, Tenor 2)

Zusammenfassung

Die Kläger des Ausgangsverfahrens, zum einen TU, der mehrere leitende Posten bekleidet und Anteile an mehreren Gesellschaften hält, und zum anderen RE, die seine Lebensgefährtin und bis Mai 2015 Prokuristin einer dieser Gesellschaften war, waren Gegenstand dreier Artikel, die im Jahr 2015 auf einer Website von der G‑LLC, dem Betreiber dieser Website, veröffentlicht wurden. Diese Artikel, von denen einer mit vier Fotos bebildert war, die die Kläger darstellten und nahelegten, dass sie einen luxuriösen Lebensstil führten, stellten das Anlagemodell mehrerer ihrer Gesellschaften kritisch dar. Der Zugang zu diesen Artikeln war dadurch möglich, dass in der von der Google LLC (im Folgenden: Google) betriebenen Suchmaschine die Namen und Vornamen der Kläger sowohl einzeln als auch in Verbindung mit bestimmten Firmennamen eingegeben wurden. In der Ergebnisübersicht wurde mittels eines Links auf diese Artikel sowie auf die in Gestalt von Vorschaubildern angezeigten Fotos („thumbnails“) verwiesen.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens forderten Google als die für die mit ihrer Suchmaschine vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten verantwortliche Stelle auf, zum einen aus der Übersicht der Suchergebnisse die Links zu den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Artikeln auszulisten, weil sie unrichtige Behauptungen und verleumderische Ansichten enthielten, und zum anderen die Vorschaubilder aus der Übersicht der Suchergebnisse zu entfernen. Google lehnte es ab, dieser Aufforderung Folge zu leisten.

Da die Kläger des Ausgangsverfahrens sowohl im ersten Rechtszug als auch in der Berufungsinstanz keinen Erfolg hatten, legten sie beim Bundesgerichtshof (Deutschland) Revision ein, in deren Rahmen der Bundesgerichtshof den Gerichtshof um Vorabentscheidung über die Auslegung der DSGVO(1) und der Richtlinie 95/46(2) ersucht hat.

Mit seinem von der Großen Kammer erlassenen Urteil entwickelt der Gerichtshof seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen weiter, die für Anträge auf Auslistung gelten, die auf der Grundlage der Regeln über den Schutz personenbezogener Daten an den Betreiber einer Suchmaschine gestellt werden(3). Im Einzelnen untersucht er zum einen den Umfang der Verpflichtungen und des Verantwortungsbereichs des Betreibers einer Suchmaschine bei der Bearbeitung eines Auslistungsbegehrens, das auf die angebliche Unrichtigkeit der im aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen gestützt wird, und zum anderen die Beweislast der betroffenen Person in Bezug auf diese Unrichtigkeit. Ferner äußert er sich zu dem Erfordernis, bei der Prüfung eines Antrags auf Löschung von Fotos, die in der Übersicht der Ergebnisse einer Bildersuche in Gestalt von Vorschaubildern angezeigt werden, den ursprünglichen Kontext der Veröffentlichung dieser Fotos im Internet zu berücksichtigen.

Würdigung durch den Gerichtshof

Der Gerichtshof erkennt erstens für Recht, dass im Rahmen der Abwägung zwischen den Rechten auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten einerseits und dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Information andererseits(4), die bei der Prüfung eines an den Betreiber einer Suchmaschine gestellten Auslistungsantrags vorzunehmen ist, der darauf abzielt, dass in der Übersicht der Ergebnisse einer Suche der Link zu einem Inhalt, der angeblich unrichtige Informationen enthält, gelöscht wird, diese Auslistung nicht davon abhängt, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dem Antragsteller gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist.

Vorab hat der Gerichtshof hinsichtlich der Prüfung der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Betreiber einer Suchmaschine verpflichtet ist, einem Auslistungsantrag stattzugeben und folglich aus der im Anschluss an eine Suche anhand des Namens der betroffenen Person angezeigten Ergebnisliste den Link zu einer Website zu löschen, auf der sich Behauptungen befinden, die von dieser Person für unrichtig gehalten werden, auf Folgendes hingewiesen:

•      Durch die Tätigkeit einer Suchmaschine können die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten erheblich beeinträchtigt werden, und zwar zusätzlich zur Tätigkeit der Herausgeber von Websites. Der Betreiber dieser Suchmaschine hat als derjenige, der über die Zwecke und Mittel dieser Tätigkeit entscheidet, daher in seinem Verantwortungsbereich im Rahmen seiner Befugnisse und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass die in der Richtlinie 95/46 und der DSGVO vorgesehenen Garantien ihre volle Wirksamkeit entfalten können und ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Personen tatsächlich verwirklicht werden kann.

•      Der mit einem Auslistungsantrag befasste Betreiber einer Suchmaschine muss prüfen, ob die Aufnahme des Links zu der fraglichen Website in die Ergebnisübersicht für die Ausübung des Rechts auf freie Information der Internetnutzer, die potenziell Interesse an einem Zugang zu dieser Website mittels einer solchen Suche haben, erforderlich ist; dieses Recht wird durch das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit geschützt.

•      Die DSGVO verlangt ausdrücklich eine Abwägung zwischen den Grundrechten auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten einerseits und dem Grundrecht auf freie Information andererseits.

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die Rechte der betroffenen Person auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten zwar im Allgemeinen gegenüber dem berechtigten Interesse der Internetnutzer überwiegen, die potenziell Interesse an einem Zugang zu der fraglichen Information haben. Dieser Ausgleich kann aber von den relevanten Umständen des Einzelfalls abhängen, insbesondere von der Art dieser Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information, das u. a. je nach der Rolle, die die Person im öffentlichen Leben spielt, variieren kann.

Bei dieser Beurteilung ist auch die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts ein relevanter Gesichtspunkt. So können das Recht der Internetnutzer auf Information und die Meinungsäußerungsfreiheit des Inhalteanbieters unter bestimmten Umständen Vorrang vor den Rechten auf Schutz der Privatsphäre und auf Schutz personenbezogener Daten haben, insbesondere wenn die betroffene Person im öffentlichen Leben eine Rolle spielt. Dieses Verhältnis kehrt sich jedoch dann um, wenn zumindest ein für den gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil der Informationen, um die es in dem Auslistungsantrag geht, unrichtig ist. Denn in einem solchen Fall können das Recht, Informationen weiterzugeben, und das Recht, Informationen zu erhalten, nicht berücksichtigt werden, da sie nicht das Recht einschließen können, derartige Informationen zu verbreiten und Zugang zu ihnen zu erhalten.

Was sodann zum einen die Verpflichtungen hinsichtlich der Feststellung betrifft, ob die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen richtig sind, stellt der Gerichtshof klar, dass der Person, die wegen der Unrichtigkeit dieser Informationen die Auslistung begehrt, der Nachweis obliegt, dass diese Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist. Damit dieser Person jedoch keine übermäßige Belastung auferlegt wird, die die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Auslistung beeinträchtigen könnte, hat sie lediglich die Nachweise beizubringen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von ihr vernünftigerweise verlangt werden können. Diese Person kann grundsätzlich nicht dazu verpflichtet werden, bereits im vorgerichtlichen Stadium zur Stützung ihres Auslistungsantrags eine gegen den Herausgeber der Website erwirkte gerichtliche Entscheidung – selbst in Form einer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Entscheidung – vorzulegen.

Zum anderen hebt der Gerichtshof hinsichtlich der Verpflichtungen und des Verantwortungsbereichs des Suchmaschinenbetreibers hervor, dass sich dieser Betreiber bei der infolge eines Auslistungsantrags vorzunehmenden Prüfung, ob ein Inhalt in der Ergebnisübersicht der über seine Suchmaschine durchgeführten Suche verbleiben kann, auf alle betroffenen Rechte und Interessen sowie auf alle Umstände des Einzelfalls zu stützen hat. Dieser Betreiber ist allerdings nicht verpflichtet, den Sachverhalt zu ermitteln und hierfür mit dem Inhalteanbieter einen kontradiktorischen Schriftwechsel zu führen, der darauf gerichtet ist, fehlende Angaben zur Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts zu erlangen. Eine Verpflichtung, zur Feststellung der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts beizutragen, würde zu einer Belastung dieses Betreibers führen, die über das hinausginge, was von ihm im Hinblick auf seinen Verantwortungsbereich, seine Befugnisse und seine Möglichkeiten vernünftigerweise erwartet werden kann. Diese Lösung brächte die ernste Gefahr mit sich, dass Inhalte, die einem schutzwürdigen und überwiegenden Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit dienen, ausgelistet würden und es somit schwierig würde, sie im Internet zu finden. Somit bestünde die reale Gefahr einer abschreckenden Wirkung für die Ausübung der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit, wenn ein solcher Betreiber eine Auslistung nahezu systematisch vornähme, um zu vermeiden, dass er die Last der Ermittlung der Tatsachen zu tragen hat, die für die Feststellung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des aufgelisteten Inhalts relevant sind.

Folglich ist der Betreiber der Suchmaschine, wenn die eine Auslistung begehrende Person Nachweise vorlegt, die belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist, verpflichtet, diesem Auslistungsantrag stattzugeben. Das Gleiche gilt, wenn dieser Antragsteller eine gegenüber dem Herausgeber der Website ergangene gerichtliche Entscheidung vorlegt, die auf der Feststellung beruht, dass in dem aufgelisteten Inhalt enthaltene Informationen, die im Hinblick auf den gesamten Inhalt nicht unbedeutend sind, zumindest auf den ersten Blick unrichtig sind. Dagegen ist bei Nichtvorliegen einer solchen gerichtlichen Entscheidung der Betreiber der Suchmaschine, wenn sich aus den vom Antragsteller vorgelegten Nachweisen nicht offensichtlich ergibt, dass solche Informationen unrichtig sind, nicht verpflichtet, dem Auslistungsantrag stattzugeben. Wenn die fraglichen Informationen zu einer Debatte von allgemeinem Interesse beitragen können, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Information besondere Bedeutung beizumessen.

Schließlich fügt der Gerichtshof hinzu, dass sich die betroffene Person, wenn der Betreiber einer Suchmaschine einem Auslistungsantrag nicht stattgibt, an die Kontrollstelle oder das Gericht wenden können muss, damit diese die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den Verantwortlichen anweisen, die gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Insoweit ist es insbesondere Sache der Justizbehörden, die Abwägung der widerstreitenden Interessen zu gewährleisten, da sie am besten in der Lage sind, eine komplexe und eingehende Abwägung vorzunehmen, die alle in der einschlägigen Rechtsprechung aufgestellten Kriterien und Gesichtspunkte berücksichtigt.

Zweitens erkennt der Gerichtshof für Recht, dass im Rahmen der Abwägung, die zwischen den oben genannten Grundrechten vorzunehmen ist, um einen Auslistungsantrag zu prüfen, der darauf abzielt, dass in den Ergebnissen einer anhand des Namens einer natürlichen Person durchgeführten Bildersuche Fotos, die in Gestalt von Vorschaubildern angezeigt werden und diese Person darstellen, gelöscht werden, dem Informationswert dieser Fotos unabhängig vom ursprünglichen Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, von der sie stammen, Rechnung zu tragen ist. Allerdings ist jedes Textelement zu berücksichtigen, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann.

Zur Begründung dieses Ergebnisses hebt der Gerichtshof hervor, dass für die Bildersuche, die über eine Suchmaschine im Internet anhand des Namens einer Person durchgeführt wird, dieselben Grundsätze gelten wie für die Suche nach Internetseiten und den darin enthaltenen Informationen. Er weist darauf hin, dass die nach einer namensbezogenen Suche erfolgende Anzeige von Fotos der betroffenen Person in Gestalt von Vorschaubildern einen besonders starken Eingriff in die Rechte dieser Person auf Schutz des Privatlebens und ihrer personenbezogenen Daten darstellen kann.

Daher muss der Betreiber einer Suchmaschine, wenn er mit einem Auslistungsantrag befasst wird, der darauf abzielt, dass aus den Ergebnissen einer anhand des Namens einer Person durchgeführten Bildersuche Fotos gelöscht werden, die in Gestalt von diese Person darstellenden Vorschaubildern angezeigt werden, prüfen, ob die Anzeige der fraglichen Fotos erforderlich ist, um das Recht auf freie Information auszuüben, das den Internetnutzern zusteht, die potenziell Interesse an einem Zugang zu diesen Fotos mittels einer solchen Suche haben.

Soweit die Suchmaschine Fotos der betroffenen Person aber außerhalb desjenigen Kontexts anzeigt, in dem die Fotos auf der aufgelisteten Internetseite – zumeist zur Veranschaulichung der auf dieser Seite enthaltenen Textelemente – veröffentlicht sind, ist zu prüfen, ob dieser Kontext bei der vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen gleichwohl zu berücksichtigen ist. In diesem Rahmen hängt die Frage, ob in die genannte Beurteilung auch der Inhalt der Internetseite miteinzubeziehen ist, auf der sich das Foto befindet, in Bezug auf dessen Anzeige in Gestalt eines Vorschaubildes die Löschung begehrt wird, von dem Gegenstand und der Art der in Rede stehenden Verarbeitung ab.

Was zunächst den Gegenstand der in Rede stehenden Verarbeitung anbelangt, stellt der Gerichtshof fest, dass die Veröffentlichung von Fotos als nicht mündliches Kommunikationsmittel eine stärkere Wirkung als veröffentlichte Texte auf die Internetnutzer ausüben kann. Denn Fotos sind als solche ein wichtiges Mittel, um die Aufmerksamkeit der Internetnutzer auf sich zu ziehen, und können ein Interesse wecken, auf die Artikel zuzugreifen, die sie bebildern. Doch insbesondere aufgrund des Umstands, dass Fotos häufig mehreren Interpretationen zugänglich sind, kann ihre Anzeige als Vorschaubilder in der Übersicht der Suchergebnisse zu einem besonders schwerwiegenden Eingriff in das Recht der betroffenen Person auf Schutz am eigenen Bild führen, was bei der Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen zu berücksichtigen ist. Es ist eine unterschiedliche Abwägung je nachdem erforderlich, ob es sich einerseits um Artikel handelt, die mit Fotos versehen sind, die der Herausgeber der Internetseite veröffentlicht hat und die in ihrem ursprünglichen Kontext die in diesen Artikeln enthaltenen Informationen und die dort zum Ausdruck gebrachten Meinungen veranschaulichen, und andererseits um Fotos, die in Gestalt von Vorschaubildern in der Ergebnisübersicht vom Betreiber einer Suchmaschine außerhalb des Kontexts angezeigt werden, in dem sie auf der ursprünglichen Internetseite veröffentlicht worden sind.

Insoweit weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Grund für die Zulässigkeit der Veröffentlichung personenbezogener Daten auf einer Website nicht unbedingt derselbe ist wie der für die Tätigkeit der Suchmaschinen. Doch selbst wenn dies der Fall ist, kann die vorzunehmende Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen verschieden ausfallen, je nachdem, ob es sich um die vom Betreiber einer Suchmaschine oder die vom Herausgeber der Internetseite ausgeführte Verarbeitung handelt. Zum einen können die berechtigten Interessen, die die Verarbeitungen rechtfertigen, verschieden sein, und zum anderen sind die Folgen, die diese Verarbeitungen für die betroffene Person, insbesondere für ihr Privatleben, haben, nicht zwangsläufig dieselben(5).

Was sodann die Art der vom Suchmaschinenbetreiber vorgenommenen Verarbeitung anbelangt, stellt der Gerichtshof fest, dass der Betreiber einer Suchmaschine dadurch, dass er die im Internet veröffentlichten Fotos natürlicher Personen sammelt und sie in den Ergebnissen einer Bildersuche in Gestalt von Vorschaubildern getrennt anzeigt, einen Dienst anbietet, mit dem er eine eigenständige Verarbeitung personenbezogener Daten vornimmt, die sowohl von der des Herausgebers der Internetseite, von der die Fotos entnommen sind, als auch von derjenigen der Listung der Internetseite verschieden ist, für die dieser Betreiber ebenfalls verantwortlich ist.

Daher ist die Tätigkeit des Suchmaschinenbetreibers, die darin besteht, Ergebnisse einer Bildersuche in Gestalt von Vorschaubildern anzuzeigen, eigenständig zu beurteilen, da die zusätzliche Beeinträchtigung der Grundrechte, die sich aus einer solchen Tätigkeit ergibt, besonders stark sein kann, weil bei einer namensbezogenen Suche alle im Internet befindlichen Informationen über die betroffene Person zusammengestellt werden. Im Rahmen dieser eigenständigen Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass diese Anzeige als solche das vom Internetnutzer gesuchte Ergebnis darstellt, unabhängig davon, ob er sich später dazu entschließt, auf die ursprüngliche Internetseite zuzugreifen.

Der Gerichtshof weist jedoch darauf hin, dass eine solche spezifische Abwägung, die den eigenständigen Charakter der vom Suchmaschinenbetreiber vorgenommenen Verarbeitung berücksichtigt, die etwaige Relevanz von Textelementen, die mit der Anzeige eines Fotos in der Übersicht der Ergebnisse einer Suche unmittelbar einhergehen können, unberührt lässt, da solche Textelemente Aufschluss über den Informationswert dieses Fotos für die Öffentlichkeit geben und damit die Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen beeinflussen können.


1      Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1).


2      Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31).


3      Urteile vom 13. Mai 2014, Google Spain und Google (C‑131/12, EU:C:2014:317), sowie vom 24. September 2019, GC u. a. (Auslistung sensibler Daten) (C‑136/17, EU:C:2019:773), und Google (Räumliche Reichweite der Auslistung) (C‑507/17, EU:C:2019:772).


4      Durch die Art. 7, 8 und 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgte Grundrechte.


5      Vgl. Urteil Google Spain und Google, Rn. 86.