Language of document : ECLI:EU:T:2023:252

URTEIL DES GERICHTS (Vierte erweiterte Kammer)

17. Mai 2023(*)

„Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Deutscher Strommarkt – Beschluss, mit dem der Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Nichtigkeitsklage – Klagebefugnis – Zulässigkeit – Begründungspflicht – Begriff ‚einziger Zusammenschluss‘ – Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Recht auf Anhörung – Abgrenzung des Marktes – Untersuchungszeitraum – Analyse der Marktmacht – Bestimmender Einfluss – Offensichtliche Beurteilungsfehler – Sorgfaltspflicht“

In der Rechtssache T‑312/20,

EVH GmbH mit Sitz in Halle (Saale) (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwältin I. Zenke und Rechtsanwalt T. Heymann,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Meessen und I. Zaloguin als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte T. Funke und A. Dlouhy,

Beklagte,

unterstützt durch

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch J. Möller und S. Costanzo als Bevollmächtigte,

durch

E.ON SE mit Sitz in Essen (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte C. Grave, C. Barth und D.‑J. dos Santos Goncalves,

und durch

RWE AG mit Sitz in Essen, vertreten durch Rechtsanwälte U. Scholz und J. Siegmund sowie Rechtsanwältin J. Ziebarth,

Streithelferinnen,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni, der Richter L. Madise und P. Nihoul, der Richterin R. Frendo sowie des Richters J. Martín y Pérez de Nanclares (Berichterstatter),

Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 15. und 16. Juni 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die EVH GmbH, die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2019) 1711 final der Kommission vom 26. Februar 2019 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.8871 – RWE/E.ON Assets) (ABl. 2020, C 111, S. 1, im Folgenden: angefochtener Beschluss).

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

A.      In Rede stehende Unternehmen

2        Die RWE AG ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die zum Zeitpunkt der Anmeldung des geplanten Zusammenschlusses auf den verschiedenen Stufen der Energieversorgungskette tätig war, u. a. in den Bereichen Stromerzeugung, ‑übertragung und ‑verteilung, im Stromgroß- und ‑einzelhandel sowie in energiebezogenen Kundenlösungen (wie Verbrauchsmessung, Elektromobilität usw.) (im Folgenden: Strommarkt). RWE und ihre Tochtergesellschaften, darunter die innogy SE (im Folgenden: Innogy), sind in mehreren europäischen Staaten tätig, nämlich in Belgien, in der Tschechischen Republik, in Deutschland, in Frankreich, in Italien, in Luxemburg, in Ungarn, in den Niederlanden, in Polen, in Rumänien, in der Slowakei und im Vereinigten Königreich.

3        Die E.ON SE ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die zum Zeitpunkt der Anmeldung des geplanten Zusammenschlusses auf den verschiedenen Stufen der Stromversorgungskette, der Stromerzeugung und ‑verteilung sowie dem Stromgroß- und ‑einzelhandel, tätig war. E.ON besitzt und betreibt Stromerzeugungsanlagen in mehreren europäischen Staaten, darunter Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und das Vereinigte Königreich.

4        Die Klägerin ist ein Unternehmen deutschen Rechts, das sowohl mittels seines Kraftwerksparks aus konventionellen Energiequellen Strom erzeugt (im Folgenden: konventioneller Strom) als auch über seine Windkraft- und Fotovoltaikanlagen aus erneuerbaren Energiequellen (im Folgenden: erneuerbarer Strom). Ihre Erzeugungsanlagen befinden sich in Deutschland.

B.      Kontext des Zusammenschlusses

5        Der im vorliegenden Fall in Rede stehende Zusammenschluss fügt sich ein in den Rahmen eines komplexen Austauschs von Vermögenswerten zwischen RWE und E.ON, der von den beiden beteiligten Unternehmen am 11. und 12. März 2018 angekündigt wurde (im Folgenden: Gesamttransaktion). So möchte RWE mit der ersten Transaktion, d. h. dem vorliegend in Rede stehenden Zusammenschluss, die alleinige oder gemeinsame Kontrolle über bestimmte Erzeugungsanlagen von E.ON erwerben. Die zweite Transaktion besteht darin, dass E.ON die alleinige Kontrolle über die Sparten Verteilung und Vertrieb sowie bestimmte Erzeugungsanlagen der von RWE kontrollierten Innogy erwirbt. Die dritte Transaktion sieht vor, dass RWE eine Beteiligung in Höhe von 16,67 % an E.ON erwirbt.

6        Die Klägerin übersandte am 17. April 2018 ein Schreiben an die Europäische Kommission, in dem sie dieser mitteilte, dass sie am den ersten und den zweiten Zusammenschluss betreffenden Verfahren beteiligt werden und daher die sich auf diese Zusammenschlüsse beziehenden Unterlagen erhalten möchte.

7        Am 26. Juni 2018 fand eine Besprechung zwischen dem Vertreter der Klägerin und der Kommission statt, in der dieser die Bedenken seiner Mandantin im Hinblick auf den ersten und den zweiten Zusammenschluss sowie ihren Wunsch nach Beteiligung an den entsprechenden Verfahren gegenüber der Kommission zum Ausdruck brachte.

8        Am 28. August 2018 fand eine individuelle Besprechung zwischen der Kommission und der Klägerin statt, bei der Letztere zum ersten und zum zweiten Zusammenschluss Stellung nahm.

9        Der zweite Zusammenschluss wurde am 31. Januar 2019 bei der Kommission angemeldet. Im Hinblick auf diese zweite Transaktion erließ die Kommission den Beschluss C(2019) 6530 final vom 17. September 2019 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.8870 – E.ON/Innogy) (ABl. 2020, C 379, S. 16, im Folgenden: Zusammenschluss M.8870).

10      Der dritte Zusammenschluss wurde beim Bundeskartellamt (Deutschland) angemeldet, das ihn mit Bescheid vom 26. Februar 2019 genehmigte (Sache B8‑28/19, im Folgenden: Zusammenschluss B8‑28/19).

C.      Verwaltungsverfahren

11      Am 22. Januar 2019 ging bei der Kommission die Anmeldung eines beabsichtigten Zusammenschlusses nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, L 24, S. 1) ein, mit dem RWE im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung die alleinige oder gemeinsame Kontrolle über bestimmte Erzeugungsanlagen von E.ON erwerben wollte.

12      Am 31. Januar 2019 veröffentlichte die Kommission gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 die vorherige Anmeldung dieses Zusammenschlusses (Sache M.8871 – RWE/E.ON Assets) im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2019, C 38, S. 22, im Folgenden: Zusammenschluss M.8871).

13      Zu den unter den Zusammenschluss M.8871 fallenden Vermögenswerten von E.ON im Bereich Stromerzeugung gehören zum einen folgende Gesellschaften und Beteiligungen an Gesellschaften, die auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien tätig sind:

–        E.ON Climate & Renewables GmbH (Deutschland);

–        Amrum Offshore West GmbH (Deutschland);

–        E.ON Climate & Renewables UK Limited (Vereinigtes Königreich);

–        E.ON Climate & Renewables North America, LLC (Vereinigte Staaten);

–        E.ON Wind Sweden AB (Schweden);

–        E.ON Climate & Renewables Italia Srl (Italien);

–        Arkona (Deutschland), in Betrieb genommen Anfang 2019; die Produktion wurde für die Ermittlung der Produktionszahlen von E.ON im Jahr 2017 nicht berücksichtigt;

–        Delta Nordsee (Deutschland), eine Anlage, die sich zum Zeitpunkt der Prüfung des Zusammenschlusses im Bau befand.

14      Darüber hinaus wird RWE 60,08 % der Anteile an Rampion NewCo (Vereinigtes Königreich), die 50 % der Anteile an der Rampion Offshore Wind Limited (Vereinigtes Königreich) hält, erwerben, was einer indirekten Beteiligung in Höhe von 30,1 % an der Rampion Offshore Wind entspricht.

15      Zu den unter den Zusammenschluss M.8871 fallenden Vermögenswerten von E.ON im Bereich Stromerzeugung gehören zum anderen Beteiligungen und damit zusammenhängende Strombezüge hinsichtlich kerntechnischer Anlagen, nämlich

–        eine Minderheitsbeteiligung von 12,5 % an der Kernkraftwerke Lippe-Ems GmbH (Deutschland);

–        eine Minderheitsbeteiligung von 25 % an der Kernkraftwerk Gundremmingen GmbH (Deutschland) sowie ein Anteil von 25 % an nuklearen Brennstoffen und Abfällen sowie Immobilien im Zusammenhang mit diesem Kernkraftwerk.

16      Im Rahmen ihrer Prüfung des Zusammenschlusses M.8871 führte die Kommission eine Marktbefragung durch und übermittelte daher bestimmten Unternehmen, darunter der Klägerin, einen Fragebogen, den diese am 30. Januar 2019 beantwortete.

17      Mit Schreiben vom 31. Januar 2019 wiederholte die Klägerin ihren Wunsch, an dem von der Kommission geführten Verfahren beteiligt und dabei von der Kommission angehört zu werden, falls diese entscheide, die Phase der eingehenden Prüfung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 139/2004 einzuleiten.

D.      Angefochtener Beschluss

18      Am 26. Februar 2019 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss. Der Zusammenschluss M.8871 wurde in der Prüfungsphase gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 und Art. 57 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt.

19      Im Wesentlichen prüfte die Kommission die Auswirkungen des Zusammenschlusses M.8871 hauptsächlich auf den Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels in Deutschland. Sie berücksichtigte bei dieser Prüfung insbesondere die Auswirkungen des Zusammenschlusses M.8870 und jene des Zusammenschlusses B8‑28/19. Zudem befasste sie sich mit den Risiken, die mit Strategien der Kapazitätszurückhaltung einhergehen, sowie mit den von RWE und Dritten vorgelegten „Residual Supply Index“-Analysen (Index bezüglich der verbleibenden Lieferkapazität, im Folgenden: RSI oder RSI-Index). Sie gelangte zu dem Ergebnis, dass die auf die Anlagen von E.ON zurückzuführende Zunahme des Marktanteils von RWE begrenzt und vorübergehend sei, so dass der Zusammenschluss M.8871 keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gebe. Nach Ansicht der Kommission wurde dieses Ergebnis durch die anderen von Dritten vorgetragenen Gesichtspunkte nicht in Frage gestellt. Schließlich prüfte die Kommission auch die Auswirkungen des Zusammenschlusses M.8871 auf den Markt für Stromübertragung, wobei sie die Verbindung zwischen RWE und der Amprion GmbH, einem der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber, berücksichtigte.

II.    Anträge der Parteien

20      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen, einschließlich der der Klägerin durch das Verfahren entstandenen Anwalts- und Reisekosten.

21      Die Kommission, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, E.ON und RWE, beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

22      Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf sechs Klagegründe, nämlich erstens auf eine fehlerhafte Aufteilung der Analyse der Gesamttransaktion, zweitens auf einen Verstoß gegen die Begründungspflicht, drittens auf eine Verletzung ihres Rechts auf Anhörung, viertens auf eine Verletzung ihres Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, fünftens auf offensichtliche Beurteilungsfehler und sechstens auf eine Verletzung der Sorgfaltspflicht.

23      Zunächst ist die von RWE erhobene Einrede der Unzulässigkeit zu prüfen.

A.      Zur Zulässigkeit

24      In ihrem Streithilfeschriftsatz macht RWE geltend, dass die Klage unzulässig sei, weil die Klägerin nicht klagebefugt sei. Insoweit bringt sie im Wesentlichen vor, dass es der Klägerin an der individuellen Betroffenheit fehle, um die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses beantragen zu können.

25      Zum einen zeige die Klägerin über eine allgemeine Betroffenheit als Marktteilnehmerin hinaus nicht auf, was sie spezifisch individualisiere und aus dem Kreis der übrigen Marktteilnehmer und Wettbewerber heraushebe. Zum anderen könne nicht davon ausgegangen werden, dass der deutsche Strommarkt eine beschränkte Zahl an Erzeugern umfasse.

26      Die Klägerin erwidert, dass RWE als Streithelferin formell keine Einrede der Unzulässigkeit erheben könne, da sie auf die Angriffs- und Verteidigungsmittel der Kommission beschränkt sei, zu deren Unterstützung sie als Streithelferin dem Rechtsstreit beigetreten sei. In der Sache tritt die Klägerin dem Vorbringen von RWE entgegen.

27      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission auf den Antrag beschränkt hat, die Klage als unbegründet abzuweisen, und die Klagebefugnis der Klägerin nicht in Frage gestellt hat.

28      Nach Art. 40 Abs. 4 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß Art. 53 dieser Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, können mit den aufgrund des Beitritts gestellten Anträgen nur die Anträge einer Partei des Rechtsstreits unterstützt werden. Zudem muss der Streithelfer nach Art. 142 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der dieser sich zum Zeitpunkt des Streitbeitritts befindet. RWE kann folglich keine Einrede der Unzulässigkeit erheben, und die Unionsgerichte sind grundsätzlich nicht verpflichtet, die von ihr geltend gemachten Unzulässigkeitsgründe zu prüfen. Nach ständiger Rechtsprechung stellt jedoch das Kriterium, das die Zulässigkeit der Klage einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine Entscheidung, die nicht an sie gerichtet ist, von den in Art. 263 Abs. 4 AEUV festgelegten Zulässigkeitsvoraussetzungen abhängig macht, eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung dar, deren Vorliegen die Unionsgerichte jederzeit – auch von Amts wegen – zu prüfen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, Stichting Woonlinie u. a./Kommission, C‑133/12 P, EU:C:2014:105, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Gericht hat daher von Amts wegen zu prüfen, ob die Klägerin in Bezug auf den angefochtenen Beschluss klagebefugt ist.

29      Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann eine natürliche oder juristische Person nur dann eine Klage gegen einen an eine andere Person gerichteten Beschluss erheben, wenn dieser Beschluss sie unmittelbar und individuell betrifft.

30      Deshalb ist zu prüfen, ob die Klägerin vom angefochtenen Beschluss unmittelbar und individuell betroffen ist.

31      Was die unmittelbare Betroffenheit der Klägerin betrifft, ist als Erstes festzustellen, dass der angefochtene Beschluss, da er die sofortige Durchführung des Zusammenschlusses M.8871 gestattete, zu einer unmittelbaren Änderung der Lage auf den betroffenen Märkten führen konnte. Da der Wille der am Zusammenschluss M.8871 Beteiligten, diesen zu bewirken, nicht in Frage stand, konnten die auf dem oder den betroffenen Märkten tätigen Wirtschaftsunternehmen im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses eine unmittelbare oder schnelle Änderung des Marktzustands als sicher erachten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission, T‑177/04, EU:T:2006:187, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daraus folgt, dass die Klägerin, die auf diesem Markt tätig ist, vom angefochtenen Beschluss unmittelbar betroffen ist.

32      Zur individuellen Betroffenheit der Klägerin ist als Zweites darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung Personen, die nicht Adressat eines Beschlusses sind, nur dann geltend machen können, individuell betroffen zu sein, wenn dieser Beschluss sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten des Beschlusses (vgl. Urteil vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission, T‑177/04, EU:T:2006:187, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Wird in einem Beschluss die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt festgestellt, so ist bei der Prüfung, ob ein Drittunternehmen individuell betroffen ist, zum einen darauf abzustellen, ob es am Verwaltungsverfahren beteiligt war, und zum anderen darauf, ob seine Marktstellung beeinträchtigt ist. Die bloße Teilnahme am Verfahren genügt zwar allein nicht, um festzustellen, dass der Kläger von dem Beschluss individuell betroffen ist, zumal wenn es sich um Zusammenschlüsse handelt, deren eingehende Prüfung regelmäßige Kontakte mit zahlreichen Unternehmen erfordert, doch ist die aktive Teilnahme am Verwaltungsverfahren ein Faktor, den die Rechtsprechung bei Wettbewerbsfragen einschließlich des spezielleren Gebietes der Kontrolle von Zusammenschlüssen regelmäßig berücksichtigt, um in Verbindung mit anderen spezifischen Umständen die Zulässigkeit der Klage festzustellen (vgl. Urteil vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission, T‑177/04, EU:T:2006:187, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Im Hinblick auf die oben in Rn. 33 angeführte Rechtsprechung hat das Gericht die Parteien im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme ersucht, in der mündlichen Verhandlung zur Prozessvoraussetzung Stellung zu nehmen, die es von Amts wegen zu prüfen beabsichtigte.

35      Zur Beteiligung der Klägerin am den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verwaltungsverfahren ist als Erstes festzustellen, dass die Klägerin der Kommission mit Schreiben vom 17. April 2018 eine schriftliche Stellungnahme übermittelt hat und dass sie anschließend bei einer individuellen Besprechung am 28. August 2018 angehört worden ist. Aus den Akten geht auch hervor, dass die Klägerin am 18. Oktober 2018 ein Schreiben übersandt hat, um ihre in der Besprechung vom 28. August 2018 getätigten Ausführungen zu ergänzen.

36      Mit Schreiben vom 4. Dezember 2018 hat die Klägerin der Kommission eine von ihr bei der Oxera Consulting LLP, einem Wirtschaftsberatungsunternehmen, in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel „Transaktion zwischen E.ON und RWE: Auswirkungen auf Erstabsatz- und Regelenergiemarkt“ vom 29. November 2018 (im Folgenden: Oxera-Studie) übermittelt. Mit E‑Mail vom 25. Januar 2019 hat sie außerdem die für die Erstellung dieser Studie verwendete Datenbank übersandt.

37      Am 24. Januar 2019 hat die Klägerin schließlich den Fragebogen zur Marktbefragung der Kommission erhalten, den sie am 30. Januar 2019 beantwortet hat.

38      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Klägerin aktiv am Verwaltungsverfahren teilgenommen hat, da sie gegenüber der Kommission in Form von Schreiben, im Rahmen einer individuellen Besprechung und dadurch zum Zusammenschluss M.8871 Stellung genommen hat, dass sie eine eigene Studie – die Oxera-Studie – über die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Markt vorgelegt und an der Marktbefragung teilgenommen hat. Dies ist von den anderen Parteien überdies auch nicht bestritten worden.

39      Als Zweites geht zur individuellen Betroffenheit der Marktstellung der Klägerin aus ihren Schriftsätzen hervor, dass sie als kommunale Energieversorgerin auf allen Stufen der Wertschöpfungskette – u. a. bei der Erzeugung von Strom – aktiv und damit Wettbewerberin der am Zusammenschluss Beteiligten ist. Die anderen Parteien sind dieser Beschreibung der Tätigkeit der Klägerin nicht entgegengetreten.

40      RWE vertritt hingegen im Wesentlichen die Ansicht, dass der Umstand, dass die Klägerin mit ihr in Wettbewerb stehe, nur eine objektive Eigenschaft sei, die die Klägerin nicht aus dem Kreis aller übrigen Wettbewerber hervorhebe, die sich tatsächlich oder potenziell in der gleichen Lage befänden. In diesem Sinne macht RWE insbesondere geltend, dass die Klägerin bei der Darlegung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf ihre Wettbewerbssituation keinen Unterschied zwischen ihr und den anderen Wettbewerbern aufzeige.

41      Im Übrigen haben die Parteien auf die Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass es nicht darauf ankomme, ob die Klägerin einer der hauptsächlichen Wettbewerber von RWE und E.ON sei, sondern darauf, ob sie dargetan habe, dass sie aufgrund besonderer Umstände vom angefochtenen Beschluss betroffen sei.

42      Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin geltend gemacht hat, dass ihre Wettbewerbsstellung insofern durch den Zusammenschluss M.8871 beeinträchtigt werde, als der Zusammenschluss die von der Klägerin vorgenommenen großen Investitionen, die unter Berücksichtigung des Bestehens eines dezentralen und immer volatiler werdenden Strommarktes langfristig kalkuliert worden seien, durch die Änderung der Struktur des deutschen Strommarktes entwerte.

43      Dieses Argument kann zwar auch von anderen Wettbewerbern als der Klägerin vorgebracht werden, die sich in einer ähnlichen Lage befinden.

44      Dies ändert jedoch nichts daran, dass es auf die Lage der Klägerin zutrifft und dass diese außerdem sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren ihre erheblichen Bedenken zu diesem Zusammenschluss zum Ausdruck gebracht und dabei wiederholt darauf hingewiesen hat, dass ihre Wettbewerbsstellung beeinträchtigt werde.

45      In diesem Zusammenhang hat die Klägerin das Gericht auf die verschiedenen Vorhaben im Zusammenhang mit der Modernisierung und der Errichtung von Kraftwerken hingewiesen, auf die sich der Zusammenschluss M.8871 auswirken werde. Dieser in der Klageschrift dargelegte Planungshorizont reiche bis 2035 und beruhe auf der Hypothese, dass es den Zusammenschluss M.8871 nicht gebe. Aufgrund der zunehmenden Marktkonzentration und des wachsenden Handlungsspielraums in der Hand von RWE im Anschluss an den Zusammenschluss M.8871 würden bestimmte Investitionen in neue Kapazitäten entwertet.

46      Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache, insbesondere der erheblichen Beteiligung der Klägerin am Verwaltungsverfahren, ihrer Eigenschaft als Wettbewerberin der am Zusammenschluss Beteiligten und der potenziellen Auswirkungen auf den Wert bestimmter, von der Klägerin konkret bezeichneter Investitionen aufgrund des Zusammenschlusses ist mithin davon auszugehen, dass die Klägerin vom angefochtenen Beschluss individuell betroffen ist.

47      Da die Klägerin vom angefochtenen Beschluss unmittelbar und individuell betroffen ist, ist zu folgern, dass die Klage zulässig ist.

B.      Zur Begründetheit

1.      Einleitende Erwägungen

48      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wenn sie einen Zusammenschluss nach Art. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 prüft, eine erste Untersuchungsphase durchführt, um festzustellen, ob der Zusammenschluss nach Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung ernsthafte Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt aufwirft. Wenn sie feststellt, dass der fragliche Zusammenschluss solche Bedenken aufwirft, eröffnet die Kommission eine zweite Untersuchungsphase, nach deren Abschluss sie zu entscheiden hat, ob der Zusammenschluss den Wettbewerb im Binnenmarkt gemäß Art. 8 der Verordnung Nr. 139/2004 erheblich behindert (Urteil vom 11. Dezember 2013, Cisco Systems und Messagenet/Kommission, T‑79/12, EU:T:2013:635, Rn. 45).

49      Zwar bezieht sich, im Gegensatz zu Art. 8 der Verordnung Nr. 139/2004, Art. 6 dieser Verordnung auf das Vorliegen oder Fehlen ernsthafter Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des angemeldeten Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt, jedoch muss sich die Kommission in beiden Fällen auf dieselben Beurteilungskriterien stützen, wie sie von Art. 2 dieser Verordnung vorgesehen sind. Ebenso sind die Beweisanforderungen für Entscheidungen nach Art. 6 der Verordnung Nr. 139/2004 nicht höher als für die nach Art. 8 dieser Verordnung. Die Beweisanforderungen sind nämlich unabhängig davon, ob die Kommission, wie im vorliegenden Fall, einen Zusammenschluss nach Abschluss der ersten Phase oder erst nach einer zweiten Untersuchungsphase genehmigt, identisch. Die Antwort auf die Frage, ob die Kommission nach Art. 6 oder nach Art. 8 der Verordnung Nr. 139/2004 entscheiden kann, hängt daher von der zeitlichen Verfügbarkeit der Beweise, jedoch nicht von deren Niveau ab (Urteil vom 11. Dezember 2013, Cisco Systems und Messagenet/Kommission, T‑79/12, EU:T:2013:635, Rn. 46).

50      Zu den Beweisanforderungen ergibt sich aus dem Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala (C‑413/06 P, EU:2008:392, Rn. 50 bis 53), dass die Kommission grundsätzlich entweder für die Genehmigung des Zusammenschlusses, mit dem sie befasst ist, oder für dessen Untersagung Stellung zu beziehen hat, je nachdem, welche wirtschaftliche Entwicklung des Zusammenschlusses sie für die wahrscheinlichste hält. Es handelt sich daher um eine Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten und nicht um eine Verpflichtung der Kommission, ohne vernünftige Zweifel nachzuweisen, dass ein Zusammenschluss keine Wettbewerbsprobleme aufwirft (Urteil vom 11. Dezember 2013, Cisco Systems und Messagenet/Kommission, T‑79/12, EU:T:2013:635, Rn. 47).

51      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 139/2004 nicht auf einer Vermutung der Unvereinbarkeit von Zusammenschlüssen mit dem Binnenmarkt beruht (Urteil vom 11. Dezember 2013, Cisco Systems und Messagenet/Kommission, T‑79/12, EU:T:2013:635, Rn. 48). Sie sieht nämlich eine symmetrische Beweisanforderung für die Genehmigung oder Untersagung eines Zusammenschlusses vor und begründet daher keine Vermutung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit von Zusammenschlüssen.

52      Zwar räumt Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 139/2004 der Kommission kein Ermessen im Hinblick auf die Eröffnung einer zusätzlichen Untersuchungsphase ein, wenn sie ernsthaften Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt begegnet. Hat die Kommission nämlich ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt, muss sie eine zweite Untersuchungsphase eröffnen. Der Begriff „ernsthafte Bedenken“ hat zwar objektiven Charakter, dennoch hat die Kommission vor dem Erlass einer Entscheidung nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 139/2004 komplexe wirtschaftliche Bewertungen durchzuführen und verfügt dabei über einen gewissen Spielraum, dem das Gericht Rechnung tragen muss (Urteile vom 3. April 2003, Royal Philips Electronics/Kommission, T‑119/02, EU:T:2003:101, Rn. 77, und vom 11. Dezember 2013, Cisco Systems und Messagenet/Kommission, T‑79/12, EU:T:2013:635, Rn. 49).

53      Folglich sieht die Rechtsprechung sowohl für Entscheidungen nach Art. 6 als auch für solche nach Art. 8 der Verordnung Nr. 139/2004 einen identischen gerichtlichen Kontrollgrad vor. In beiden Fällen hat sich die von den Unionsgerichten ausgeübte Kontrolle der komplexen wirtschaftlichen Beurteilungen der Kommission auf die Prüfung zu beschränken, ob die Vorschriften über das Verfahren und die Begründung eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt. Hierbei müssen die Unionsgerichte nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Stichhaltigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (Urteil vom 11. Dezember 2013, Cisco Systems und Messagenet/Kommission, T‑79/12, EU:T:2013:635, Rn. 50).

54      Die von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe sind im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

2.      Erster Klagegrund: fehlerhafte Aufspaltung der Untersuchung der Gesamttransaktion

55      Die Klägerin ist im Wesentlichen der Ansicht, dass die Trennung der Untersuchung des Zusammenschlusses M.8870 und des Zusammenschlusses M.8871 rein formaler Natur sei. Ihres Erachtens hätte die Kommission beide Zusammenschlüsse in Anbetracht dessen zusammen beurteilen müssen, dass sie wirtschaftlich voneinander abhängig seien, gleichzeitig verabredet worden seien und auch rechtlich miteinander verbunden seien.

56      Die Klägerin zieht den Schluss, dass die Gesamttransaktion einen einzigen Zusammenschluss im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 darstelle, da er gemäß deren 20. Erwägungsgrund Erwerbsvorgänge enthalte, die eng miteinander verknüpft seien, weil sie durch eine Bedingung miteinander verbunden seien.

57      Die Kommission, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, E.ON und RWE, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

a)      Zum Umfang des ersten Klagegrundes

58      Aus dem ersten Klagegrund, wie er in der Klageschrift vorgebracht wird, geht hervor, dass der Kommission vorgeworfen wird, sie habe die Zusammenschlüsse M.8870 und M.8871 nicht zusammen geprüft. Insbesondere im Rahmen ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz von RWE führt die Klägerin aus, dass die Gesamttransaktion einen einheitlichen Charakter habe und dass die Zuständigkeit der Kommission selbst in dem Fall als gegeben anzusehen sei, dass einem Unternehmen – in diesem Fall RWE – im Gegenzug für die Einbringung von Tochtergesellschaften in ein anderes Unternehmen – hier die Einbringung von Innogy in E.ON – eine nicht kontrollierende Minderheitsbeteiligung an dem Erwerber-Unternehmen eingeräumt werde, nämlich 16,67 % an E.ON.

59      Auf die in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage zum Umfang ihres Klagegrundes hat die Klägerin klargestellt, dass die Zusammenschlüsse M.8870, M.8871 und B8‑28/19 ihrer Ansicht nach einen einzigen Zusammenschluss darstellen. Sie hat eingeräumt, dass im Rahmen unterschiedlicher Verfahren, nämlich einem Verfahren nach deutschem Recht für den Zusammenschluss B8‑28/19 und zwei getrennten, dem Unionsrecht unterliegenden Verfahren für die Zusammenschlüsse M.8870 und M.8871, eine Kontrolle dieser drei Zusammenschlüsse erfolgt sei, sich jedoch gegen den gewählten Ansatz gewandt. Insbesondere sei die von RWE an E.ON erworbene Beteiligung von 16,67 % keine Minderheitsbeteiligung und stelle keine unbedeutende finanzielle Beteiligung dar. Diese Beteiligung ermögliche vielmehr einen bestimmenden Einfluss von RWE auf E.ON. Die Beurteilung, ob es sich bei der Gesamttransaktion um einen einzigen Zusammenschluss im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 handele, habe in diesem Licht zu erfolgen.

60      Die Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung lassen erkennen, dass mit dem ersten Klagegrund beanstandet wird, die Kommission habe zum einen den Zusammenschluss B8‑28/19 nicht geprüft und zum anderen die Zusammenschlüsse M.8870, M.8871 und B8‑28/19 nicht als Teile eines einzigen Zusammenschlusses betrachtet.

b)      Zur Prüfung des Zusammenschlusses B828/19

61      In Rn. 74 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission darauf hingewiesen, dass sie bei ihrer Beurteilung der Auswirkungen eines Kontrollerwerbs auf den Wettbewerb auch Minderheitsbeteiligungen des Erwerbers an etwaigen verbundenen Gesellschaften zu berücksichtigen habe. Gemäß dieser Regel hat die Kommission geprüft, ob die strukturelle Beziehung, die sich aus dem Erwerb der Minderheitsbeteiligung an E.ON durch RWE ergibt und die Gegenstand des Zusammenschlusses B8‑28/19 ist, zum einen das Interesse von RWE und E.ON verringern könnte, auf dem deutschen Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels miteinander in Wettbewerb zu treten, und zum anderen RWE oder E.ON in die Lage versetzen und bei ihnen ein Interesse daran wecken könnte, Wettbewerber entweder bereits im Vorfeld von der Stromerzeugung bzw. vom Stromgroßhandel oder aber auf späterer Stufe vom Stromeinzelhandel in Deutschland auszuschließen, oder auch beides (Rn. 75 des angefochtenen Beschlusses).

62      Mit anderen Worten hat die Kommission im Rahmen der Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses M.8871 die von RWE an E.ON erworbene Minderheitsbeteiligung berücksichtigt, nicht aber die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses B8‑28/19 mit dem Binnenmarkt gemäß der Verordnung Nr. 139/2004 geprüft.

63      Die Prüfung der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses B8‑28/19 ist durch das Bundeskartellamt nach Maßgabe der Bestimmungen des deutschen Rechts erfolgt.

64      Hierzu macht die Klägerin geltend, dass die Kommission den Zusammenschluss B8‑28/19 hätte prüfen müssen, da RWE aufgrund der an E.ON erworbenen Minderheitsbeteiligung einen bestimmenden Einfluss auf E.ON ausüben könne.

65      Insoweit bestimmt Art. 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 139/2004:

„(1)      Ein Zusammenschluss wird dadurch bewirkt, dass eine dauerhafte Veränderung der Kontrolle in der Weise stattfindet, dass

a)      zwei oder mehr bisher voneinander unabhängige Unternehmen oder Unternehmensteile fusionieren oder dass

b)      eine oder mehrere Personen, die bereits mindestens ein Unternehmen kontrollieren, oder ein oder mehrere Unternehmen durch den Erwerb von Anteilsrechten oder Vermögenswerten, durch Vertrag oder in sonstiger Weise die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über die Gesamtheit oder über Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen erwerben.

(2)      Die Kontrolle wird durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet, die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, insbesondere durch:

a)      Eigentums- oder Nutzungsrechte an der Gesamtheit oder an Teilen des Vermögens des Unternehmens;

b)      Rechte oder Verträge, die einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung, die Beratungen oder Beschlüsse der Organe des Unternehmens gewähren.“

66      Da Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 für das Vorliegen einer Kontrolle, die einen Zusammenschluss kennzeichnen kann, darauf abstellt, dass ein bestimmender Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens erworben wurde, ist aus dem Vorwurf der Klägerin zu schließen, dass diese den Zusammenschluss B8‑28/19 als Zusammenschluss im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 betrachtet und der Ansicht ist, dass die Kommission ihn vor diesem Hintergrund hätte prüfen müssen.

67      Gegenstand der vorliegenden Klage ist jedoch formal der Beschluss der Kommission vom 26. Februar 2019, mit dem der Zusammenschluss M.8871 für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurde. Auch wenn der angefochtene Beschluss Angaben zu der von RWE an E.ON erworbenen Minderheitsbeteiligung enthält, die nachvollziehen lassen, warum die Kommission den Zusammenschluss B8‑28/19 nicht als Zusammenschluss im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 betrachtet hat, ist insoweit festzustellen, dass in diesem Beschluss nicht ausdrücklich über diese Frage und in weiterer Folge über die Zuständigkeit der Kommission für die Entscheidung über die Vereinbarkeit dieses Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt befunden wurde. Daher kann sich die Klägerin nicht auf den Klagegrund einer fehlerhaften Aufspaltung der Gesamttransaktion berufen, um beim Gericht die Entscheidung über eine Zuständigkeitsfrage zu beantragen, die von der Kommission im vor dem Gericht tatsächlich angefochtenen Beschluss nicht behandelt worden ist.

68      Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass es der Klägerin, wenn sie der Ansicht war, dass der Zusammenschluss B8‑28/19 unionsweite Bedeutung haben könne, oblegen hätte, eine Beschwerde an die Kommission zu richten, um sie zu ersuchen, darüber zu befinden. In einem solchen Fall wäre die Kommission nämlich verpflichtet gewesen, über ihre Zuständigkeit als Kontrollbehörde im Grundsatz zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. September 2003, Schlüsselverlag J. S. Moser u. a./Kommission, C‑170/02 P, EU:C:2003:501, Rn. 27 bis 30). Ein etwaiger ergangener Beschluss hätte somit im Wege einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können. Alternativ hätte für den Fall, dass die Kommission nicht auf den Antrag reagiert, die Möglichkeit der Erhebung einer Untätigkeitsklage nach Art. 265 Abs. 3 AEUV bestanden.

69      Jedenfalls kann, wie aus den Nrn. 57 und 59 der Konsolidierten Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Verordnung Nr. 139/2004 (ABl. 2008, C 95, S. 1, berichtigt in ABl. 2009, C 43, S. 10, im Folgenden: Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen) hervorgeht, der Erwerb einer Minderheitsbeteiligung nur dann zu einem Kontrollerwerb führen, wenn die Minderheitsbeteiligung mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die rechtlich zu einer alleinigen Kontrolle führen, oder wenn der Minderheitsgesellschafter aufgrund besonderer Umstände die alleinige Kontrolle auf faktischer Grundlage erlangt.

70      Zum einen hat die Klägerin im vorliegenden Fall jedoch nicht vorgetragen, dass die von RWE erworbene Minderheitsbeteiligung mit besonderen Rechten ausgestattet sei. Insbesondere hat sie weder geltend gemacht, dass es sich bei den erworbenen Aktien um Vorzugsaktien handele, an die besondere Rechte geknüpft seien, die es RWE ermöglichten, die Geschäftsstrategie von E.ON zu bestimmen, zum Beispiel das Recht, mehr als die Hälfte der Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglieder zu ernennen, noch hat sie dargetan, dass RWE aufgrund der Organisationsstruktur befugt sei, die Tätigkeit von E.ON zu leiten und die Geschäftspolitik zu bestimmen.

71      Zum anderen sind, wie unten in den Rn. 374, 375 und 383 dargelegt, die Stimmrechte, die RWE ausüben kann, durch das zwischen RWE und E.ON geschlossene „Investor Relationship Agreement“ in Aktionärsversammlungen unabhängig von der Anwesenheitsquote auf 16,67 % beschränkt. Folglich kann RWE in der Hauptversammlung von E.ON keine Mehrheit erlangen, auch wenn nur wenige Anteilseigner anwesend sind. Zudem hat die Klägerin, wie im Wesentlichen in Rn. 388 unten ausgeführt, keine Anhaltspunkte vorgetragen, die es plausibel erscheinen ließen, dass sich [vertraulich] und RWE in den Hauptversammlungen von E.ON auf eine Art und Weise abstimmen würden, die RWE in diesen Versammlungen eine stabile Mehrheit verschaffen könnte. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass RWE eine alleinige Kontrolle auf faktischer Grundlage über E.ON erworben hat.

72      Die Klägerin kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Zusammenschluss B8‑28/19 einen Zusammenschluss im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 darstellt.

c)      Zum Vorliegen eines einzigen Zusammenschlusses

73      Da die Parteien sowohl in ihren Schriftsätzen als auch in der mündlichen Verhandlung unterschiedliche Ansichten zum Begriff „einziger Zusammenschluss“ vertreten haben, ist dieser zu definieren, bevor geprüft wird, ob es sich bei der Gesamttransaktion um einen solchen handelt.

1)      Zum Begriff „einziger Zusammenschluss“

74      Es ist freilich darauf hinzuweisen, dass sich der Begriff „einziger Zusammenschluss“ nur im 20. Erwägungsgrund, nicht aber in den Artikeln der Verordnung Nr. 139/2004 findet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Oktober 2017, Marine Harvest/Kommission, T‑704/14, EU:T:2017:753, Rn. 91).

75      Der 20. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004 lautet:

„Der Begriff des Zusammenschlusses ist so zu definieren, dass er Vorgänge erfasst, die zu einer dauerhaften Veränderung der Kontrolle an den beteiligten Unternehmen und damit an der Marktstruktur führen. In den Anwendungsbereich dieser Verordnung sollten daher auch alle Gemeinschaftsunternehmen einbezogen werden, die auf Dauer alle Funktionen einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllen. Ferner sollten Erwerbsvorgänge, die eng miteinander verknüpft sind, weil sie durch eine Bedingung miteinander verbunden sind oder in Form einer Reihe von innerhalb eines gebührend kurzen Zeitraums getätigten Rechtsgeschäften mit Wertpapieren stattfinden, als ein einziger Zusammenschluss behandelt werden.“

76      Zum einen enthält dieser Erwägungsgrund gleichwohl keine erschöpfende Definition der Voraussetzungen, unter denen zwei oder mehr Erwerbsvorgänge einen einzigen Zusammenschluss darstellen. Zum anderen kann ein Erwägungsgrund einer Verordnung zwar dazu beitragen, Aufschluss über die Auslegung einer Rechtsvorschrift zu geben, stellt aber selbst keine solche Vorschrift dar. Die Präambel eines Unionsrechtsakts ist rechtlich nicht verbindlich (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2017, Marine Harvest/Kommission, T‑704/14, EU:T:2017:753, Rn. 150 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Nach der Rechtsprechung können Erwägungsgründe eines Unionsrechtsakts also weder herangezogen werden, um von den Bestimmungen des betreffenden Rechtsakts abzuweichen, noch, um diese Bestimmungen in einem Sinne auszulegen, der ihrem Wortlaut offensichtlich widerspricht (vgl. Urteil vom 24. November 2005, Deutsches Milch-Kontor, C‑136/04, EU:C:2005:716, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher kann der 20. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004 zwar für die Auslegung ihrer Bestimmungen als Auslegungshilfe dienen, jedoch kann allein aus dem Wortlaut dieses Erwägungsgrundes nicht mit Erfolg eine Auslegung des Begriffs „einziger Zusammenschluss“ hergeleitet werden, die mit diesen Bestimmungen nicht in Einklang steht (Urteil vom 4. März 2020, Marine Harvest/Kommission, C‑10/18 P, EU:C:2020:149, Rn. 44).

78      Folglich ist der Begriff „einziger Zusammenschluss“, der im 20. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004 verwendet wird, so auszulegen, dass er mit dem in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 definierten Begriff „Zusammenschluss“ vereinbar ist. Der 20. Erwägungsgrund kann also nicht Gegenstand einer Auslegung sein, die den Geltungsbereich von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 erweitern würde.

79      In Anbetracht des Inhalts des oben in Rn. 65 wiedergegebenen Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 ist davon auszugehen, dass ein einziger Zusammenschluss ein Zusammenschluss ist, der aus mindestens zwei Erwerbsvorgängen besteht, die eng miteinander verknüpft sind, da sie durch eine Bedingung miteinander verbunden sind oder in Form einer Reihe von innerhalb eines gebührend kurzen Zeitraums getätigten Rechtsgeschäften mit Wertpapieren stattfinden, und die zu einer dauerhaften Veränderung der Kontrolle in der Weise führen, dass zwei oder mehr Unternehmen oder Unternehmensteile fusionieren oder dass eine oder mehrere Personen, die bereits mindestens ein Unternehmen kontrollieren, oder ein oder mehrere Unternehmen die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über die Gesamtheit oder über Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen erwerben.

80      Anders ausgedrückt müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein, damit zwei oder mehr Erwerbsvorgänge als ein einziger Zusammenschluss im Sinne des 20. Erwägungsgrundes und von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 betrachtet werden können. Zum einen müssen diese Erwerbsvorgänge voneinander abhängig sein, so dass die einen ohne die anderen nicht durchgeführt würden. Zum anderen muss ihr Ergebnis darin bestehen, dass einem oder mehreren Unternehmen die unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Kontrolle über die Tätigkeit eines oder mehrerer anderer Unternehmen übertragen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Februar 2006, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, T‑282/02, EU:T:2006:64, Rn. 109).

81      Insoweit macht die Klägerin geltend, dass der 20. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004 den Willen der Kommission konkretisiere, der in ihrem Grünbuch über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (KOM[2001] 745 endgültig, im Folgenden: Grünbuch) zum Ausdruck komme und darin bestehe, für eine kohärente Bewertung des gesamten Vorhabens den Tausch von Vermögenswerten ganz generell als einzigen Zusammenschluss zu behandeln.

82      Jedoch ist zum einen hervorzuheben, dass ein Grünbuch nur die Einleitung eines Konsultationsprozesses auf Unionsebene bezweckt und daher keine Verpflichtung der Kommission begründen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Oktober 2017, Marine Harvest/Kommission, T‑704/14, EU:T:2017:753, Rn. 178).

83      Zum anderen trifft es zwar zu, dass sich die Kommission in Nr. 133 des Grünbuchs dafür ausgesprochen hat, Bestimmungen zu erarbeiten, nach denen Erwerbsvorgänge, die aus dem Tausch von Vermögenswerten zwischen zwei Unternehmen bestehen, wie Zusammenschlüsse behandelt werden, die aus einem einzigen Erwerbsvorgang bestehen, doch fand dieser Vorschlag keinen Eingang in die Verordnung Nr. 139/2004. Insbesondere ist die im Grünbuch vorgesehene Änderung von Art. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 1989, L 395, S. 1) nicht erfolgt, der die Berechnung des Umsatzes für die Feststellung betrifft, ob die Kommission dafür zuständig ist, über einen Zusammenschluss zu befinden.

84      Somit geht aus der Entstehungsgeschichte der Verordnung Nr. 139/2004 hervor, dass dem Verzicht auf die Aufnahme von Bestimmungen, die sich an Nr. 133 des Grünbuchs anlehnen, eine bewusste Entscheidung des Unionsgesetzgebers zugrunde liegt.  Nr. 133 des Grünbuchs fand keinen Eingang in die endgültige Fassung der Verordnung Nr. 139/2004, wie sie erlassen wurde, und der Begriff „einziger Zusammenschluss“ wird lediglich im 20. Erwägungsgrund dieser Verordnung thematisiert.

85      Selbst wenn die Kommission zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ihres Grünbuchs also der Ansicht war, dass ein Tausch von Vermögenswerten wie im vorliegenden Fall als ein einziger Zusammenschluss zu betrachten sei, ist dies für die Beantwortung der Frage, ob die Zusammenschlüsse M.8870, M.8871 und B8‑28/19 einen einzigen Zusammenschluss darstellen, ohne Belang, da in diesem Zusammenhang allein die Verordnung Nr. 139/2004 und die Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen maßgeblich sind.

86      In Anbetracht der oben in Rn. 80 genannten Voraussetzungen umfasst der Begriff „einziger Zusammenschluss“ also nicht den Fall, dass unabhängige Unternehmen wie etwa beim Tausch von Vermögenswerten die Kontrolle über unterschiedliche Zielunternehmen erwerben.

2)      Anwendung auf den vorliegenden Fall

i)      Zur Voraussetzung, dass die Transaktionen voneinander abhängig sind

87      Die Voraussetzung, dass die in Rede stehenden Transaktionen voneinander abhängen, wurde in Nr. 43 der Konsolidierten Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen präzisiert.

88      Insoweit geht aus den Nrn. 1 und 4 der Konsolidierten Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen hervor, dass diese erlassen wurde, um die Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit des Vorgehens der Kommission zu gewährleisten (Urteil vom 5. Oktober 2020, HeidelbergCement und Schwenk Zement/Kommission, T‑380/17, EU:T:2020:471, Rn. 132).

89      Nr. 43 der Konsolidierten Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen sieht vor:

„Gegenseitige Abhängigkeit bedeutet, dass keine der Transaktionen ohne die anderen durchgeführt würde, so dass diese Transaktionen einen einzigen Vorgang bilden … Eine solche gegenseitige Abhängigkeit gilt normalerweise dann als erwiesen, wenn die Transaktionen rechtlich miteinander verbunden sind, d. h. wenn die Vereinbarungen selbst sich gegenseitig bedingen. Auch wenn eine faktische Abhängigkeit hinreichend nachgewiesen werden kann, kann dies ausreichen, um mehrere Transaktionen als einen einzigen Zusammenschluss zu behandeln. Dies erfordert eine wirtschaftliche Würdigung der Frage, ob jede einzelne Transaktion notwendigerweise vom Abschluss der anderen abhängt … Weitere Anhaltspunkte für die gegenseitige Abhängigkeit mehrerer Transaktionen können auch entsprechende Erklärungen der Beteiligten selbst sein oder die Gleichzeitigkeit ihres Abschlusses. Eine faktische gegenseitige Abhängigkeit mehrerer Transaktionen dürfte nur schwer festzustellen sein, wenn sie nicht gleichzeitig erfolgen. Ebenso stellt sich bei weitgehendem Fehlen von Gleichzeitigkeit rechtlich voneinander abhängiger Transaktionen die Frage, ob sie tatsächlich voneinander abhängig sind.“

90      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Zusammenschlüsse M.8870, M.8871 und B8‑28/19 Teil eines komplexen Tauschs von Vermögenswerten zwischen RWE und E.ON und rechtlich miteinander verbunden sind. Dies ergibt sich im Übrigen aus Rn. 3 des angefochtenen Beschlusses.

91      Außerdem heißt es in Fn. 34 des angefochtenen Beschlusses, dass „[d]ie Verträge über die Übertragung der Vermögenswerte von E.ON auf RWE davon abhängen, dass der Erwerb von Innogy durch E.ON abgeschlossen wird, so dass E.ON vorübergehend … oder dauerhaft die Kontrolle über die Reverse-Carve-Out-Assets erwirbt“. Ebenso wird in Rn. 74 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen ausgeführt, dass die Minderheitsbeteiligung von 16,67 %, die RWE an E.ON erworben hat, der Gegenleistung entspreche, die RWE für die Übertragung ihrer Sparten Verteilung und Vertrieb sowie bestimmter, gegenwärtig von Innogy betriebener Erzeugungsanlagen auf E.ON erhalten habe. Daraus ist zu schließen, dass die fraglichen Transaktionen rechtlich miteinander verbunden sind, dass sich also die verschiedenen Transaktionen des Tauschs von Vermögenswerten aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung gegenseitig bedingen.

92      Jedenfalls besteht zwischen den Zusammenschlüssen M.8870, M.8871 und B8‑28/19 eine faktische gegenseitige Abhängigkeit.

93      Die in Nr. 43 der Konsolidierten Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen genannten Indizien, die auf das Bestehen einer faktischen gegenseitigen Abhängigkeit schließen lassen – entsprechende Erklärungen der am Zusammenschluss Beteiligten selbst und die Gleichzeitigkeit des Abschlusses der in Rede stehenden Vereinbarungen –, liegen hier vor.

94      Daraus folgt, dass die Gesamttransaktion die Voraussetzung der gegenseitigen Abhängigkeit der in Rede stehenden Transaktionen erfüllt.

ii)    Zur Voraussetzung betreffend das Ergebnis

95      Die Voraussetzung betreffend das Ergebnis wird in den Nrn. 41 und 44 der Konsolidierten Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen näher erläutert. In Nr. 41 heißt es:

„Allerdings können mehrere voneinander abhängige Transaktionen nur dann als ein einziger Zusammenschluss behandelt werden, wenn letztlich die Kontrolle von dem- bzw. denselben Unternehmen übernommen wird. Nur in diesem Fall können zwei oder mehr Transaktionen von einheitlichem Charakter sein und infolgedessen für die Zwecke des Artikels 3 [der Verordnung Nr. 139/2004] als ein einziger Zusammenschluss behandelt werden … Dies schließt Spaltungen von Gemeinschaftsunternehmen, bei denen die einzelnen Teile eines Unternehmens zwischen den bisherigen Muttergesellschaften aufgeteilt werden, aus. Diese Vorgänge wird die Kommission als separate Zusammenschlüsse behandeln … Dasselbe gilt auch für den Fall, dass zwei oder mehr Unternehmen bei Transaktionen zur Spaltung von Gemeinschaftsunternehmen oder zur Übertragung von Vermögenswerten durch Swapgeschäfte Vermögenswerte austauschen. Obwohl die Beteiligten in der Regel diese Transaktionen als voneinander abhängig ansehen, erfordert die Fusionskontrollverordnung eine separate Bewertung der Ergebnisse jeder einzelnen Transaktion: Mehrere Unternehmen erwerben die Kontrolle über unterschiedliche Vermögenswerte; bei jedem erwerbenden Unternehmen erfolgt eine separate Zusammenlegung von Ressourcen; und die Auswirkungen jedes einzelnen Erwerbsvorgangs auf den Markt muss anhand der Fusionskontrollverordnung separat untersucht werden.“

96      Nr. 44 bestimmt:

„Der Grundsatz, dass unter den genannten Umständen mehrere Transaktionen als ein einziger Zusammenschluss behandelt werden können, gilt nur, wenn dadurch bewirkt wird, dass dieselben Personen oder Unternehmen die Kontrolle über ein oder mehrere Unternehmen übernehmen. Dies kann erstens der Fall sein, wenn ein einziger Geschäftsbereich oder ein einziges Unternehmen im Wege mehrerer Transaktionen erworben wird. Zweitens können auch Transaktionen zum Erwerb der Kontrolle über mehrere Unternehmen so miteinander verbunden sein, dass ein einziger Zusammenschluss vorliegt, wobei jeder Erwerbsvorgang einen Zusammenschluss darstellen könnte. Nach der Fusionskontrollverordnung ist es jedoch nicht zulässig, verschiedene Transaktionen, die nur zum Teil den Erwerb der Kontrolle betreffen, zum Teil aber auch den Erwerb von anderen Vermögenswerten, z. B. Minderheitsbeteiligungen ohne Kontrollbefugnisse an anderen Unternehmen, gemeinsam zu behandeln. Es würde nicht dem allgemeinen Rahmen und der Zielsetzung der Fusionskontrollverordnung entsprechen, wenn verschiedene einander bedingende Transaktionen gemäß der Fusionskontrollverordnung als Einheit behandelt würden, obwohl nur einige davon eine Änderung der Kontrolle bei einem bestimmten Zielunternehmen bewirken.“

97      Im vorliegenden Fall betrifft, wie oben in Rn. 5 ausgeführt, der Zusammenschluss M.8871 den Erwerb von Vermögenswerten von E.ON durch RWE, während der Zusammenschluss M.8870 den Erwerb von Innogy, einer Tochtergesellschaft von RWE, durch E.ON betrifft. Der Zusammenschluss B8‑28/19 ermöglicht wiederum RWE den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung von 16,67 % an E.ON.

98      Als Erstes ist festzustellen, dass die erwerbenden Unternehmen beim Zusammenschluss M.8870 einerseits und bei den Zusammenschlüssen M.8871 und B8‑28/19 andererseits nicht die gleichen sind. Es handelt sich nämlich um E.ON bzw. um RWE. Auch die erworbenen Unternehmen sind nicht dieselben, da der Zusammenschluss M.8870 Innogy, eine Tochtergesellschaft von RWE, betrifft und es bei den Zusammenschlüssen M.8871 und B8‑28/19 um die Vermögenswerte von E.ON bzw. um das Unternehmen E.ON geht.

99      Was als Zweites die Zusammenschlüsse M.8871 und B8‑28/19 betrifft, ist das erwerbende Unternehmen – RWE – zwar in beiden Fällen dasselbe, jedoch werden unterschiedliche Unternehmen erworben. Im Rahmen des Zusammenschlusses M.8871 erwirbt RWE nämlich Vermögenswerte von E.ON, während im Rahmen des Zusammenschlusses B8‑28/19 RWE eine Minderheitsbeteiligung an E.ON erwirbt. Die Kombination aus dem Erwerb von Vermögenswerten von E.ON und dem Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an E.ON führt jedoch nicht dazu, dass RWE die Kontrolle über E.ON erwirbt. Indem E.ON seine Vermögenswerte auf RWE überträgt, hat es nämlich keine Verbindung mehr zu diesen, so dass RWE vermittels dieser Vermögenswerte keinen bestimmenden Einfluss auf E.ON ausüben kann.

100    Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Ergebnis der Zusammenschlüsse darin bestehen soll, dass dasselbe oder dieselben Unternehmen die Kontrolle über ein oder mehrere andere Unternehmen erwerben. Schließlich besteht abgesehen von der absichtlich von RWE und E.ON geschaffenen gegenseitigen Abhängigkeit keine funktionelle Verbindung zwischen den Zusammenschlüssen M.8870, M.8871 und B8‑28/19, da die Gesamttransaktion im vorliegenden Fall keine Transaktion ist, bei der mehrere Zwischentransaktionen getätigt werden, um die Kontrolle über ein oder mehrere Unternehmen durch dasselbe oder dieselben Unternehmen zu erlangen.

101    Die Gesamttransaktion erfüllt die Voraussetzung betreffend das Ergebnis folglich nicht.

3)      Begriff „einziger Zusammenschluss“ und Erfordernis einer Gesamtwürdigung

102    Die Klägerin trägt vor, es sei widersprüchlich, dass die Kommission den Zusammenschluss M.8871 und den Zusammenschluss M.8870 getrennt betrachte, im Rahmen der Prüfung des Zusammenschlusses M.8871 aber die Übertragung von Innogy auf E.ON berücksichtige.

103    Die Kommission stützt sich in diesem Zusammenhang auf den Prioritätsgrundsatz.

104    Dieser Grundsatz bedeutet im Kern, dass die Kommission bei der Beurteilung der Auswirkungen eines Zusammenschlusses den Auswirkungen eines Zusammenschlusses Rechnung trägt, der vor dem zu prüfenden Zusammenschluss angemeldet wurde.

105    Sie habe nach diesem Grundsatz bei der Prüfung des Zusammenschlusses M.8871 den Zusammenschluss M.8870 deshalb berücksichtigt, weil dieser vor dem Zusammenschluss M.8871 angemeldet worden sei.

106    In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission auf Fragen des Gerichts jedoch eingeräumt, dass zum einen im angefochtenen Beschluss nicht auf den Prioritätsgrundsatz Bezug genommen worden sei und dass sie sich zum anderen nicht auf diesen hätte stützen müssen, um die Berücksichtigung des Zusammenschlusses M.8870 im Rahmen der Prüfung des Zusammenschlusses M.8871 zu erklären. Die bloße Tatsache, dass die beiden Zusammenschlüsse miteinander verbunden seien, reiche in diesem Fall aus, um zu erklären, warum sie den Zusammenschluss M.8870 im angefochtenen Beschluss berücksichtigt habe.

107    Es ist festzustellen, dass der Prioritätsgrundsatz ausschließlich auf der Entscheidungspraxis der Kommission beruht und durch keine Bestimmung der Verordnung Nr. 139/2004 oder der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 139/2004 (ABl. 2004, L 133, S. 1, berichtigt in ABl. 2004, L 172, S. 9) vorgesehen ist.

108    Im vorliegenden Fall wurde der Zusammenschluss M.8871 formal am 22. Januar 2019 angemeldet, also vor dem Zusammenschluss M.8870, der am 31. Januar 2019 angemeldet wurde.

109    Selbst wenn das Gericht bestätigen würde, dass der Prioritätsgrundsatz, wie er von der Kommission definiert wird, gilt, könnte daher dieser jedenfalls nicht als Rechtfertigung dafür dienen, dass die Auswirkungen des Zusammenschlusses M.8870 bei der Prüfung der Auswirkungen des Zusammenschlusses M.8871 berücksichtigt wurden.

110    Indessen ist die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt aufgrund der Informationen zu beurteilen, über die die Kommission beim Erlass des Beschlusses verfügte. Somit muss die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt tatsächliche und rechtliche Umstände zugrunde legen, die im Zeitpunkt der Anmeldung dieses Zusammenschlusses gegeben sind und deren wirtschaftliche Bedeutung zum Zeitpunkt des Erlasses des entsprechenden Beschlusses abgeschätzt werden kann (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2021, Polskie Linie Lotnicze „LOT“/Kommission, T‑296/18, EU:T:2021:724, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

111    Im Rahmen eines Tauschs von Vermögenswerten wie im vorliegenden Fall können aber die Kommission ebenso wie die Anmelder der verschiedenen Zusammenschlüsse vorhersehen, welche Auswirkungen die wahrscheinliche Durchführung jedes der Zusammenschlüsse – einzeln und gemeinsam – auf den Binnenmarkt haben wird. Die rechtliche und tatsächliche gegenseitige Abhängigkeit der Zusammenschlüsse im vorliegenden Fall ermöglicht es der Kommission nämlich zu verstehen, wie die Marktstruktur nach deren Durchführung aussehen wird.

112    Im vorliegenden Fall könnte sich mithin eine automatische Anwendung des Prioritätsgrundsatzes angesichts der gegenseitigen Abhängigkeit der in Rede stehenden Zusammenschlüsse willkürlich auf den Umfang der durch die Kommission vorgenommenen Prüfung auswirken.

113    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass mit dem Begriff „einziger Zusammenschluss“ das Ziel verfolgt wird, die gemeinsame Prüfung von Transaktionen zu ermöglichen, die letztlich auf dasselbe Ergebnis abzielen, nämlich den Erwerb der unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Kontrolle über die Tätigkeit eines oder mehrerer anderer Unternehmen durch ein oder mehrere Unternehmen. Der Grund dafür besteht darin, dass in einem solchen Fall die beabsichtigten Transaktionen die gleichen Probleme aufwerfen und sich in gleicher Art auf den Binnenmarkt auswirken.

114    Diese Interpretation entspricht der zutreffenden Auslegung des 20. Erwägungsgrundes und des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004, wobei sowohl auf deren Zielsetzung als auch auf ihre Systematik abgestellt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. September 2017, Austria Asphalt, C‑248/16, EU:C:2017:643, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

115    Sind Zusammenschlüsse wie im vorliegenden Fall hingegen nicht dazu angetan, zum selben Ergebnis zu führen, so bilden sie ihrem Wesen nach keine Einheit und müssen nicht zusammen als Transaktionen geprüft werden, die Teil eines einzigen Zusammenschlusses sind, da sie nicht notwendigerweise die gleichen Problemstellungen aufwerfen und auf dem Markt keine gleichartigen Auswirkungen zeitigen werden. Denn in einem solchen Fall erwerben mehrere Unternehmen die Kontrolle über unterschiedliche Vermögenswerte, so dass bei jedem erwerbenden Unternehmen eine separate Zusammenlegung von Ressourcen erfolgt und jeder einzelne Kontrollerwerb andere Auswirkungen auf den Markt hat.

116    Weisen die Zusammenschlüsse jedoch einen Zusammenhang auf, der es der Kommission ermöglicht, die wahrscheinlichen Auswirkungen jedes Zusammenschlusses auf den Markt vorherzusehen, so hat die Kommission dies bei der Gesamtbeurteilung aller relevanten Beweise, die sie für jeden dieser Zusammenschlüsse vornimmt, zu berücksichtigen. In diesem Fall stellt nämlich jede der in Rede stehenden Transaktionen im Hinblick auf die anderen Transaktionen einen Umstand dar, den die Kommission bei ihrer Gesamtbeurteilung der Auswirkungen der Transaktion auf den Binnenmarkt berücksichtigen muss.

117    Daraus folgt, dass es in keiner Weise widersprüchlich ist, dass die Kommission die in Rede stehenden Zusammenschlüsse M.8870 und M.8871 getrennt prüft und dabei im angefochtenen Beschluss die Auswirkungen berücksichtigt, die sie auf den jeweils anderen Zusammenschluss haben.

118    Aus den gleichen Gründen ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach die Kommission durch die Berücksichtigung des Zusammenschlusses M.8870 das Ergebnis der Beurteilung dieses Zusammenschlusses vorweggenommen habe und deshalb die beiden Zusammenschlüsse gemeinsam hätte prüfen müssen.

119    Um die möglichen Auswirkungen des Zusammenschlusses M.8871 auf den Binnenmarkt bestmöglich zu prüfen, musste die Kommission nämlich einen Markt berücksichtigen, der sich aufgrund der potenziellen Durchführung des Zusammenschlusses M.8870 möglicherweise verändern würde. Dies bedeutet jedoch weder, dass die beiden Zusammenschlüsse im Rahmen eines einzigen Verfahrens hätten geprüft werden müssen – denn die Voraussetzungen für eine Betrachtung als ein einziger Zusammenschluss lagen nicht vor –, noch bedeutet es, dass das Ergebnis der Prüfung des Zusammenschlusses M.8870 vorweggenommen wurde.

d)      Schlussfolgerung

120    Da im vorliegenden Fall eine der beiden Voraussetzungen für das Vorliegen eines einzigen Zusammenschlusses nicht erfüllt ist, nämlich jene betreffend das Ergebnis, hat die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten, dass die Zusammenschlüsse M.8870, M.8871 und B8‑28/19 nicht als Teile eines einzigen Zusammenschlusses zu betrachten sind.

121    Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

3.      Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

122    Nach Ansicht der Klägerin ist die Begründung des angefochtenen Beschlusses äußerst knapp und wird der Komplexität und den Auswirkungen der Gesamttransaktion nicht gerecht. Der Vortrag der Kommission stütze sich auf allgemeine Beschreibungen und bemühe in der Sache fast allein das nicht näher begründete Argument, dass der durch den Zusammenschluss bedingte Zuwachs bei RWE geringfügig und wegen des Atomausstiegs jedenfalls temporär sei.

123    Die Begründung des angefochtenen Beschlusses lasse allenfalls vage erkennen, wie die vielen Einwände gegen den Zusammenschluss aufgenommen, gewürdigt und abgewogen worden seien. Der Klägerin sei es jedenfalls unmöglich, die sachliche Richtigkeit der Genehmigung nachzuvollziehen. Ebenso habe die Kommission andere Wettbewerbsaspekte des Zusammenschlusses gar nicht aufgegriffen.

124    Die Kommission, unterstützt durch E.ON und RWE, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

125    Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Unionsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 166 und die dort angeführte Rechtsprechung).

126    Der Urheber eines solchen Rechtsakts braucht jedoch nicht zu Gesichtspunkten Stellung zu nehmen, die eindeutig untergeordnete Bedeutung haben, oder mögliche Einwände vorwegzunehmen. Außerdem müssen die Anforderungen, die an die Begründung eines Beschlusses zu stellen sind, den tatsächlichen Möglichkeiten sowie den technischen und zeitlichen Bedingungen angepasst werden, unter denen der Beschluss erlassen werden muss. So verstößt die Kommission nicht gegen ihre Begründungspflicht, wenn sie bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnis hinsichtlich der Zusammenschlüsse in ihrem Beschluss nicht genau die Gründe für die Würdigung bestimmter Aspekte des Zusammenschlusses darlegt, die ihrer Ansicht nach offenkundig neben der Sache liegen oder keine oder eine eindeutig untergeordnete Bedeutung für die Einschätzung dieses Zusammenschlusses haben. Ein solches Erfordernis wäre nämlich schwerlich vereinbar mit dem Beschleunigungsgebot und den kurzen Verfahrensfristen, denen die Kommission bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnis hinsichtlich der Zusammenschlüsse nachkommen muss und die zu den besonderen Umständen eines Verfahrens zu deren Kontrolle gehören (Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 167).

127    Daher ist, wenn die Kommission nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 einen Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt, der Begründungspflicht genügt, wenn in dem Beschluss deutlich dargelegt ist, aus welchen Gründen die Kommission der Meinung ist, dass der fragliche Zusammenschluss, gegebenenfalls nach entsprechenden Änderungen durch die beteiligten Unternehmen, keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gibt (vgl. Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 193 und die dort angeführte Rechtsprechung).

128    In diesem Zusammenhang muss die Kommission jedoch, auch wenn sie in der Begründung von Beschlüssen, die gemäß der Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen erlassen werden, nicht auf alle vor ihr geltend gemachten Faktoren und Argumente, einschließlich jener, die für die vorzunehmende Würdigung eindeutig untergeordnete Bedeutung haben, einzugehen braucht, die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen anführen, denen nach dem Aufbau des Beschlusses eine wesentliche Bedeutung zukommt. Ferner muss die Begründung folgerichtig sein und darf insbesondere keine inneren Widersprüche aufweisen (Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 169).

129    Aus der Rechtsprechung ergibt sich außerdem, dass der Vorwurf einer fehlenden oder unzureichenden Begründung einen Klagegrund darstellt, mit dem die Verletzung wesentlicher Formvorschriften geltend gemacht wird; als solcher ist er von dem im Rahmen der inhaltlichen Überprüfung eines Beschlusses zu untersuchenden Klagegrund zu unterscheiden, mit dem die Fehlerhaftigkeit ihrer Gründe gerügt wird (vgl. Urteil vom 19. Juni 2009, Qualcomm/Kommission, T‑48/04, EU:T:2009:212, Rn. 175 und die dort angeführte Rechtsprechung).

130    Der zweite Klagegrund der Klägerin ist im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

131    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss den relevanten Markt definiert und dabei die Gründe für diese Definition erläutert hat (Rn. 11 bis 24 des angefochtenen Beschlusses).

132    Zweitens hat die Kommission die Struktur des Marktes der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels in Deutschland erläutert, hat die Aufteilung der Marktanteile auf die dort tätigen Wirtschaftsteilnehmer dargelegt (Rn. 25 bis 29 des angefochtenen Beschlusses) und hat sodann die Vergrößerung des Anteils von RWE nach dem Zusammenschluss geprüft. Dabei hat sie insbesondere die Auswirkungen der Übertragung bestimmter Vermögenswerte von Innogy auf E.ON berücksichtigt (Rn. 30 bis 35 des angefochtenen Beschlusses). Außerdem hat sie auf die Funktionsweise der beiden im Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien vom 21. Juli 2014 (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2017) (BGBl. 2014 I S. 1066, im Folgenden: EEG) vorgesehenen Förderregime für Anlagen, mit denen erneuerbarer Strom erzeugt wird, hingewiesen (Rn. 36 bis 39 des angefochtenen Beschlusses). Nach Darlegung dieser verschiedenen Gesichtspunkte sowie des Standpunkts von RWE (Rn. 40 bis 42 des angefochtenen Beschlusses) hat sich die Kommission der Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels in Deutschland zugewandt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es auf den ersten Blick wenig wahrscheinlich sei, dass der sich aus dem Zusammenschluss ergebende begrenzte und jedenfalls vorübergehende reine Zuwachs die Marktmacht von RWE auf diesem Markt erheblich verstärken werde (Rn. 43 bis 47 des angefochtenen Beschlusses). Ungeachtet dieser Feststellung hielt es die Kommission im Hinblick auf das Funktionieren des Marktes der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels für zweckmäßig, das mit strategischen Kapazitätszurückhaltungen verbundene Risiko zu prüfen. Dabei hat sie u. a. die Antworten auf die von ihr durchgeführte Marktbefragung berücksichtigt (Rn. 48 bis 58 des angefochtenen Beschlusses). Sie hat auch die von RWE und Dritten vorgelegten RSI-Analysen geprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Zusammenschluss keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gebe (Rn. 59 bis 66 des angefochtenen Beschlusses). Schließlich hat sie auch die zusätzlichen, von Dritten geltend gemachten Bedenken berücksichtigt und diese daher geprüft (Rn. 67 bis 73 des angefochtenen Beschlusses).

133    Drittens hat die Kommission die Auswirkung untersucht, die der Erwerb einer Beteiligung von 16,67 % an E.ON durch RWE hat (Rn. 74 bis 78 des angefochtenen Beschlusses). Hierzu hat sie zum einen geprüft, ob dieser Erwerb geeignet sei, die horizontalen Auswirkungen des Zusammenschlusses zu verstärken, und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Erwerb einer Beteiligung von 16,67 % an E.ON durch RWE nichts daran ändere, dass es wenig wahrscheinlich sei, dass die Fähigkeit von RWE und ihr Interesse daran, Kapazitäten zurückzuhalten, durch den Zusammenschluss wesentlich zunähmen (Rn. 79 bis 81 des angefochtenen Beschlusses). Zum anderen ist die Kommission auf die vertikalen Auswirkungen des Zusammenschlusses und dabei die Abschottung bei den Einsatzmitteln sowie auf die Abschottung bei den Kunden eingegangen (Rn. 82 bis 88 des angefochtenen Beschlusses). In Anbetracht dessen, dass einige Teilnehmer der Marktbefragung Bedenken hinsichtlich der Auswirkung des Zusammenschlusses auf die Liquidität des Marktes der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels sowie hinsichtlich der Auswirkung auf den Zugang von RWE zu Informationen über die Strategien und die Tätigkeit von E.ON hegten, ist die Kommission auch diesen Fragen nachgegangen (Rn. 89 bis 95 des angefochtenen Beschlusses).

134    Viertens hat sich die Kommission mit der Frage des Verhältnisses zwischen RWE und Amprion befasst und diese analysiert (Rn. 96 bis 100 des angefochtenen Beschlusses).

135    Die Kommission hat die Gründe für den Erlass des angefochtenen Beschlusses also ausführlich dargelegt.

136    Das Vorbringen der Klägerin vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen.

137    Als Erstes ist festzustellen, dass die Klägerin der Kommission im Wesentlichen vorwirft, sich hauptsächlich oder gar ausschließlich auf die Feststellung gestützt zu haben, dass die Zunahme der Marktanteile von RWE nur geringfügig und vorübergehend sei. Im Kern vertritt die Klägerin die Auffassung, die Kommission habe allein diesen Grund herangezogen, um das Vorbringen der Dritten zurückzuweisen, mit dem sich diese gegen die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt wendeten.

138    Wenn dieselbe Erklärung undifferenziert herangezogen wird, um Argumente zurückzuweisen, die unterschiedliche Problemstellungen betreffen, stellt sich die Frage, wie gut der in Rede stehende Beschluss begründet ist. Denn auch wenn es sich um eine besonders überzeugende Erklärung handelt, muss sie doch angepasst oder so ergänzt werden, dass nachvollziehbar wird, inwieweit sie von Belang ist, um Argumente zurückzuweisen, die sich auf unterschiedliche Gesichtspunkte beziehen.

139    Demnach ist im vorliegenden Fall hervorzuheben, dass es sich beim angefochtenen Beschluss um einen Beschluss handelt, der auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 erlassen wurde, und dass das Gericht, wie sich im Wesentlichen aus der oben in den Rn. 126 und 127 angeführten Rechtsprechung ergibt, für diese Art von Beschluss erkannt hat, dass eine Begründung, in der nicht alle vor der Kommission geltend gemachten Gesichtspunkte erschöpfend behandelt werden, zulässig ist.

140    Es muss daher ein angemessenes Gleichgewicht gefunden werden zwischen einer Begründung, die in Wahrheit gekünstelt wäre, weil sie auf einer stereotypen Rechtfertigung beruht, und einer Begründung, die im Hinblick auf die Natur des erlassenen Beschlusses für das betroffene Organ einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde.

141    Im vorliegenden Fall lässt sich nicht leugnen, dass die Kommission mehrfach wiederholt hat, dass der Zusammenschluss ihrer Ansicht nach keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Markt gebe, da die sich aus dem Zusammenschluss ergebende Zunahme der Produktion bei RWE zum einen begrenzt und zum anderen jedenfalls vorübergehend sei. Diese Begründung ist Teil der Prüfung der sich aus dem Zusammenschluss ergebenden Zunahme (Rn. 31 und 35 des angefochtenen Beschlusses) und der allgemeinen Beurteilung der Kommission (Rn. 44 bis 47 des angefochtenen Beschlusses).

142    Diese Punkte bilden somit das Herzstück der Beurteilung durch die Kommission.

143    Im Rahmen ihrer Prüfung hat es die Kommission für die Schlussfolgerung, dass der Zusammenschluss keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gebe, jedoch nicht bei dieser Feststellung belassen. Sie hat im Rahmen der Prüfung des mit strategischen Kapazitätszurückhaltungen verbundenen Risikos nämlich auch die Besonderheiten der Erzeugung von Windstrom berücksichtigt und geprüft, welches Interesse RWE an strategischen Kapazitätszurückhaltungen haben könnte. Diese Prüfung umfasste die Funktionsweise des Förderregimes für Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarem Strom und den Gewinn, den RWE aus ihren kerntechnischen Anlagen erzielen könnte (Rn. 52, 53, 57 und 58 des angefochtenen Beschlusses). Ebenso hat die Kommission bei der Prüfung der von Dritten geäußerten zusätzlichen Bedenken die Ansicht vertreten, dass es hinsichtlich des möglichen Wettbewerbsvorteils für RWE, der in der Gewährung von Förderungen für die Entwicklung und die Errichtung neuer Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarem Strom bestehe, insbesondere angesichts der fragmentierten Struktur der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland wenig wahrscheinlich sei, dass dieser Vorteil tatsächlich eintrete (Rn. 69 des angefochtenen Beschlusses). Auch was das Interesse betrifft, bewusst fehlerhafte Prognosen zur Erzeugung von erneuerbarem Strom vorzulegen, hat sich die Kommission auf die Antworten auf ihre Marktbefragung gestützt, wonach die Stromversorger generell kein Interesse daran hätten, solche Prognosen vorzulegen (Rn. 71 des angefochtenen Beschlusses). Gleiches lässt sich im Hinblick auf die Untersuchung des Einflusses feststellen, den der Erwerb von 16,67 % der Anteile an E.ON durch RWE auf die horizontalen und vertikalen Auswirkungen des Zusammenschlusses hat. Die Kommission hat nämlich geprüft, welchen unmittelbaren Einfluss RWE auf E.ON ausüben könnte und von welchem Interesse dieser Einfluss für die beiden Unternehmen wäre (siehe insbesondere Rn. 81, 85, 87, 88, 91 und 94 des angefochtenen Beschlusses). Hinsichtlich der vertikalen Verbindung mit Amprion hat die Kommission schließlich ausgeführt, dass sich RWE und die Commerz Real AG die Kontrolle über Amprion teilten, hat auf die Rechtsvorschriften Deutschlands und der Union Bezug genommen und ist, gestützt auch auf das geringfügige und vorübergehende Wachstum der RWE, zu dem Ergebnis gelangt, dass der Zusammenschluss wenig geeignet sei, Amprion vom Zugang zum Übertragungsnetz abzuschotten (Rn. 98 und 100 des angefochtenen Beschlusses).

144    Folglich ist das oben in Rn. 137 wiedergegebene Hauptargument der Klägerin zurückzuweisen.

145    Als Zweites ist das Vorbringen der Klägerin, dass der angefochtene Beschluss nur wenige Seiten umfasse, zurückzuweisen. Ob ein Organ seiner Begründungspflicht nachgekommen ist, ist nämlich allein anhand des Inhalts seiner Entscheidung zu beurteilen. Die Anzahl der Seiten ist insoweit unerheblich, da eine – auch knappe – Begründung den oben in Rn. 125 genannten Kriterien genügen kann, indem sie es dem Betroffenen ermöglicht, die Gründe für den Erlass des Beschlusses zu verstehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2018, Syriatel Mobile Telecom/Rat, T‑411/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:902, Rn. 79). Außerdem wurde bereits entschieden, dass die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses nicht von der Zahl seiner Erwägungsgründe abhängen kann (Urteil vom 5. Oktober 2020, HeidelbergCement und Schwenk Zement/Kommission, T‑380/17, EU:T:2020:471, Rn. 363 [nicht veröffentlicht]) bzw. dass eine kurze Begründung nicht notwendigerweise den Anforderungen von Art. 296 AEUV widerspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2013, Cisco Systems und Messagenet/Kommission, T‑79/12, EU:T:2013:635, Rn. 111).

146    Als Drittes ist nach der oben in Rn. 129 angeführten Rechtsprechung bei der Prüfung des Klagegrundes bezüglich der Begründungspflicht das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, mit dem sie der Kommission im Wesentlichen vorwirft, zu Unrecht festgestellt zu haben, dass das Wachstum von RWE wegen des Atomausstiegs vernachlässigbar und nur vorübergehend sei. Denn obwohl die Klägerin mit ihren Argumenten rügt, dass die Kommission ihre Schlussfolgerung nicht begründet habe, wird von ihr in Wirklichkeit die Richtigkeit dieser Feststellung in Frage gestellt. Gleiches gilt auch für das Vorbringen, wonach die Kommission das sich aus dem Zusammenschluss ergebende Wachstum von RWE rechtswidrig ausgeglichen habe, indem sie die Übertragung von Innogy-Vermögenswerten auf E.ON berücksichtigt habe, wonach sie den Einfluss von RWE auf E.ON aufgrund des Erwerbs von 16,67 % der Anteile an E.ON durch RWE negiert und wonach sie verneint habe, dass die Zunahme der Marktanteile von RWE erheblich sei bzw. dass die pivotale Stellung von RWE deutlich gestärkt worden sei. Dieses Vorbringen soll nämlich einen offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses M.8871 durch die Kommission aufzeigen, nicht aber eine unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses belegen.

147    Als Viertes ist zu den Wettbewerbsaspekten, die die Kommission nicht geprüft haben soll, festzustellen, dass sie nach der oben in Rn. 128 angeführten Rechtsprechung nicht verpflichtet war, ausdrücklich auf Aspekte einzugehen, die eindeutig untergeordnete Bedeutung hatten. Ferner hat die Kommission zur Stellung von RWE im Bereich Regelenergie und Systemdienstleistungen zwar ausgeführt, warum sie es nicht für erforderlich halte, die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf diesen Markt separat zu prüfen, aber dennoch eine solche Prüfung vorgenommen (siehe Rn. 46 des angefochtenen Beschlusses). Außerdem hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin sowohl die von Dritten vorgelegten RSI-Analysen als auch die Folgen der Genehmigung dieses Zusammenschlusses für den Markt untersucht (siehe Rn. 59 ff. des angefochtenen Beschlusses).

148    Als Fünftes ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach die Begründung des angefochtenen Beschlusses allenfalls vage erkennen lasse, wie die vielen Einwände gegen den Zusammenschluss aufgenommen, gewürdigt und abgewogen worden seien. Dem angefochtenen Beschluss, insbesondere seinen Rn. 63, 64, 67 bis 73 und 89 bis 94, ist nämlich zu entnehmen, dass die Kommission die Stellungnahmen Dritter, die sich teilweise überschneiden, berücksichtigt und beantwortet hat.

149    Nach alledem reicht die Begründung der Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin dafür aus, es der Klägerin zu ermöglichen, die Gründe, aus denen die Kommission der Ansicht war, dass der Zusammenschluss keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gebe, zu verstehen, und es dem Gericht zu ermöglichen, seine Rechtmäßigkeitsprüfung durchzuführen.

4.      Dritter Klagegrund: Verletzung des Rechts der Klägerin auf Anhörung

150    Die Klägerin macht geltend, im Verfahren seien ihre Beteiligungsrechte verletzt worden. Denn erstens habe die Kommission ihren Input nicht berücksichtigt. Zweitens hätte die Kommission insbesondere unter Anhörung und weiter gehender Beteiligung der Klägerin am Verfahren aufklären müssen, ob gewisse spezifische Ansätze der Oxera-Studie – und wenn ja, welche – unzutreffend gewesen seien. Drittens habe es während des Verfahrens vor der Kommission keinen wirklichen Dialog gegeben.

151    Dass die Beteiligungsrechte der Klägerin verletzt worden seien, zeige sich zum einen auch daran, dass sich die Kommission dagegen gewandt habe, dass die Klägerin in geschlossene Akten des Bundeskartellamts Einsicht nehme, und zum anderen daran, dass die Kommission schlicht auf Analysen Dritter zur Marktstellung von RWE verwiesen habe, die auf unterschiedlichen Inputparametern basierten und zu anderen Ergebnissen gelangt seien, ohne dass es die Kommission für notwendig erachtet hätte, die erkannten Widersprüche aufzuklären.

152    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

153    Als Erstes ist festzustellen, dass die Klägerin mit ihrem Vorbringen, dass sie nicht hinreichend am Verwaltungsverfahren beteiligt worden und dass ihr „Beteiligungsrecht“ verletzt worden sei, im Wesentlichen eine Verletzung ihres Rechts auf Anhörung geltend macht.

154    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 11 Buchst. c der Verordnung Nr. 802/2004 das Recht auf Anhörung gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 139/2004 Dritten zusteht, und zwar natürlichen oder juristischen Personen einschließlich Kunden, Lieferanten und Wettbewerbern, sofern diese ein hinreichendes Interesse im Sinne von Art. 18 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung Nr. 139/2004 darlegen können.

155    Art. 18 Abs. 4 der Verordnung Nr. 139/2004 bestimmt außerdem:

„Sofern die Kommission oder die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten es für erforderlich halten, können sie auch andere natürliche oder juristische Personen anhören. Wenn natürliche oder juristische Personen, die ein hinreichendes Interesse darlegen, und insbesondere Mitglieder der Leitungsorgane der beteiligten Unternehmen oder rechtlich anerkannte Vertreter der Arbeitnehmer dieser Unternehmen einen Antrag auf Anhörung stellen, so ist ihrem Antrag stattzugeben.“

156    Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 802/2004 sieht vor:

„Beantragen Dritte nach Artikel 18 Absatz 4 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 schriftlich ihre Anhörung, so unterrichtet die Kommission sie schriftlich über Art und Gegenstand des Verfahrens und setzt ihnen eine Frist zur Äußerung.“

157    Somit wird Dritten wie der Klägerin, die ein hinreichendes Interesse darlegen und die Anhörung beantragt haben, im Rahmen des Verfahrens der Union zur Kontrolle von Zusammenschlüssen durch Art. 18 Abs. 4 der Verordnung Nr. 139/2004 sowie durch Art. 11 Buchst. c und Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 802/2004 ausdrücklich ein Recht auf Anhörung eingeräumt.

158    Diese Dritten haben auf entsprechenden Antrag ein Recht darauf, von der Kommission angehört zu werden, um zu den für sie nachteiligen Wirkungen des angemeldeten Zusammenschlussvorhabens Stellung zu nehmen, wobei aber dieses Recht mit der Beachtung der Verteidigungsrechte der am Zusammenschluss Beteiligten auf der einen und dem Hauptziel der Verordnung, der Sicherstellung einer wirksamen Kontrolle und der Rechtssicherheit für die der Verordnung unterliegenden Unternehmen, auf der anderen Seite in Einklang zu bringen ist (vgl. Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 202 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit ist im Rahmen dieses Systems des Schutzes der Rechte der Beteiligten bzw. der Dritten zu entscheiden, ob im vorliegenden Fall die Rechte der Klägerin verletzt worden sind.

159    Aus den Akten geht hervor, dass die Klägerin von der Dritten eingeräumten Möglichkeit, am Verwaltungsverfahren teilzunehmen und ihren Standpunkt zum Zusammenschluss zum Ausdruck zu bringen, umfassend Gebrauch gemacht hat.

160    Wie nämlich von der Kommission in der Klagebeantwortung ausgeführt und oben in den Rn. 35 bis 38 dargelegt, hat die Klägerin der Kommission ihre Stellungnahme zu dem in Rede stehenden Zusammenschluss zunächst im Rahmen ihres Schreibens vom 17. April 2018 und anschließend bei einer individuellen Besprechung am 28. August 2018 mitgeteilt.

161    Den Akten ist außerdem zu entnehmen, dass die Klägerin am 18. Oktober 2018 ein Schreiben übersandt hat, um ihre in der Besprechung vom 28. August 2018 getätigten Ausführungen zu ergänzen.

162    Mit Schreiben vom 4. Dezember 2018 hat die Klägerin der Kommission die Oxera-Studie übermittelt. Mit E‑Mail vom 25. Januar 2019 hat sie außerdem die für die Erstellung dieser Studie verwendete Datenbank übersandt.

163    Am 24. Januar 2019 hat die Klägerin schließlich den Fragebogen zur Marktbefragung der Kommission erhalten, den sie am 30. Januar 2019 beantwortet hat. Weitere Beteiligungsrechte standen der Klägerin nicht zur Verfügung.

164    Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin der Kommission nicht vorwerfen, dass sie ihr keine Gelegenheit gegeben habe, ihren Standpunkt im Verwaltungsverfahren hinreichend darzutun.

165    Was als Zweites die Frage der Einsicht in die Akten des Bundeskartellamts betrifft, genügt die Feststellung, dass der Antrag der Klägerin, der die Akten zum Zusammenschluss B8‑28/19 betraf, beim Bundeskartellamt am 18. März 2019, also nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses, gestellt wurde. Folglich konnte die Entscheidung des Bundeskartellamts vom 15. April 2019, mit der dieser Antrag abgelehnt wurde, für die Wahrung des Rechts der Klägerin auf Anhörung durch die Kommission im Rahmen des Verfahrens, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses geführt hat, keine Rolle gespielt haben.

166    Darüber hinaus wirft die Klägerin der Kommission zwar vor, sich gegen ihren Antrag gewandt zu haben; sie hatte diesen aber unter Berufung auf ihr Interesse an Akteneinsicht zwecks Beteiligung am Verfahren bezüglich des Zusammenschlusses M.8870 gestellt und trägt nicht vor, dass sie ohne Einsicht in die Akten dieses Verfahrens nicht in der Lage gewesen wäre, zu dem von der Kommission geprüften Zusammenschluss M.8871 Stellung zu nehmen.

167    Als Drittes rügt die Klägerin, dass die Kommission ihren Standpunkt sowie die Argumente und Gesichtspunkte, die sie im Lauf des Verwaltungsverfahrens vorgebracht habe, nicht hinreichend berücksichtigt habe, und wirft dabei der Kommission vor, die Umstände des vorliegenden Falles nicht ebenso beurteilt zu haben wie sie selbst.

168    Die Klägerin macht nämlich geltend, dass die Kommission bestimmte Punkte wie spezifische Ansätze der Oxera-Studie oder die Widersprüche, die in den Analysen Dritter hinsichtlich der Marktstellung von RWE festgestellt worden seien, nicht habe klären wollen, geht aber nicht darauf ein, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss Unterschiede zwischen den von Dritten vorgelegten Analysen festgestellt und gleichzeitig darauf verwiesen hat, dass in bestimmten Punkten alle Analysen übereinstimmten (siehe Rn. 62 des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission hat ihre Schlussfolgerungen aber auf diese übereinstimmenden Punkte gestützt. Zudem führt die Klägerin nicht aus, welche Präzisierungen sie in Bezug auf die Oxera-Studie oder die festgestellten Widersprüche hätte vornehmen können, wenn die Kommission sie zu diesen Punkten befragt hätte.

169    Die Klägerin rügt mit ihrem Vorbringen also weniger, dass die Kommission sie nicht angehört habe, sondern beanstandet vielmehr die Schlüsse, die die Kommission aus den verschiedenen ihr übermittelten Stellungnahmen gezogen hat. Dieses Argument geht daher im Rahmen der Prüfung des vorliegenden Klagegrundes ins Leere.

170    Gleiches gilt auch hinsichtlich der Schlussfolgerungen des Bundeskartellamts, die die Kommission einfach übernommen habe.

171    Nach alledem ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

5.      Vierter Klagegrund: Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

172    Die Klägerin macht geltend, die Veröffentlichung des angefochtenen Beschlusses sei nach Verstreichen einer beachtlichen Zeitspanne erfolgt. Diese späte Veröffentlichung habe zu einer Verletzung ihres Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz geführt. Der Umstand, dass die zweimonatige Klagefrist erst mit Veröffentlichung des angefochtenen Beschlusses zu laufen begonnen habe – selbst wenn dies zutreffe –, legitimiere nicht die Aushöhlung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz.

173    Außerdem bringt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass der Umstand, dass Art. 20 der Verordnung Nr. 139/2004 eine Veröffentlichung im Amtsblatt von auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung erlassenen Entscheidungen nicht vorschreibe, keine späte Veröffentlichung des angefochtenen Beschlusses rechtfertige. Nach ihrer eigenen Entscheidungspraxis und nach Art. 296 Abs. 2 AEUV veröffentliche die Kommission auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 erlassene Entscheidungen.

174    Schließlich ist die Klägerin im Wesentlichen der Auffassung, dass die Kommission weder den Kontext, nämlich dass sie den Zusammenschluss M.8870 vorrangig habe behandeln müssen, noch die Forderungen von RWE und E.ON nach vereinzelten Korrekturen ins Feld führen könne, um die für die Veröffentlichung des angefochtenen Beschlusses benötigte Zeit zu rechtfertigen.

175    Die Kommission, unterstützt durch E.ON und RWE, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

176    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union „[j]ede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, … das Recht [hat], nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.“

177    Dieses Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verlangt, dass der Betroffene Kenntnis von den Gründen, auf denen die ihm gegenüber ergangene oder die ihn beschwerende Entscheidung beruht, erlangen kann, entweder durch das Studium der Entscheidung selbst oder durch eine auf seinen Antrag hin erfolgte Mitteilung dieser Gründe, damit der Betroffene seine Rechte unter den bestmöglichen Bedingungen verteidigen und in Kenntnis aller Umstände entscheiden kann, ob es angebracht ist, das zuständige Gericht anzurufen, und damit dieses umfassend in die Lage versetzt wird, die Rechtmäßigkeit der fraglichen Entscheidung zu überprüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Oktober 1987, Heylens u. a., 222/86, EU:C:1987:442, Rn. 15 und 17, vom 17. November 2011, Gaydarov, C‑430/10, EU:C:2011:749, Rn. 41, und vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).

178    In Anbetracht dessen, dass der angefochtene Beschluss, der den am Zusammenschluss Beteiligten nach Art. 297 Abs. 2 Unterabs. 3 AEUV bekannt gegeben werden musste, außerdem geeignet war, nicht am Zusammenschluss beteiligte Dritte unmittelbar und individuell zu berühren, war die Kommission in Anwendung der oben in Rn. 177 angeführten Rechtsprechung verpflichtet, zur Gewährleistung des Rechts dieser Dritten auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz die geeigneten Bekanntmachungsmaßnahmen zu ergreifen, damit diese Dritten von den Gründen Kenntnis nehmen konnten, auf denen der angefochtene Beschluss beruhte.

179    Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Klägerin von der Begründung des angefochtenen Beschlusses Kenntnis nehmen und folglich Klagegründe und Gesichtspunkte zur Beantragung seiner Nichtigerklärung vorbringen konnte. Ebenso ist festzustellen, dass sie in die Lage versetzt wurde, vor dem Gericht Klage gegen den angefochtenen Beschluss zu erheben.

180    Nach Ansicht der Klägerin ist jedoch ihr Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz durch die späte Veröffentlichung des angefochtenen Beschlusses verletzt worden.

181    Hierzu ist zwar erstens der Kommission darin beizupflichten, dass sie nach Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 nur die nach Art. 8 Abs. 1 bis 6 sowie die nach Art. 14 und 15 erlassenen Entscheidungen, ausgenommen vorläufige Entscheidungen nach Art. 18 Abs. 2 dieser Verordnung, zusammen mit der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses im Amtsblatt veröffentlicht.

182    Da der angefochtene Beschluss im vorliegenden Fall auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 erging, der in Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 nicht ausdrücklich genannt wird, war die Kommission somit nach dieser Verordnung nicht verpflichtet, den angefochtenen Beschluss im Amtsblatt zu veröffentlichen.

183    Gleichwohl ist anzumerken, dass gemäß der Kommissionspraxis beim Erlass von Entscheidungen nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 im Amtsblatt eine Mitteilung veröffentlicht wird, aus der hervorgeht, dass der vollständige Wortlaut der Entscheidung in einer um etwaige Geschäftsgeheimnisse bereinigten Fassung veröffentlicht wird und entweder auf der Website der Kommission oder über EUR‑Lex abgerufen werden kann.

184    Außerdem weist die Kommission in Ziff. 5 des Dokuments „Guidance on the preparation of public versions of Commission Decisions adopted under the Merger Regulation“ (Leitfaden für die Erstellung öffentlicher Fassungen von Kommissionsentscheidungen, die nach der Fusionskontrollverordnung erlassen werden) vom 26. Mai 2015 (im Folgenden: Leitfaden) darauf hin, dass sie im Einklang mit dem sich aus Art. 15 AEUV ergebenden Transparenzgrundsatz und einer gefestigten Praxis auf ihrer Website auch die nicht vertraulichen Fassungen von Entscheidungen veröffentlicht, die nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 bzw. nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 dieser Verordnung erlassen wurden. Ferner erklärt sie in Ziff. 2 dieses Leitfadens, dass sie der Öffentlichkeit so viele Informationen wie möglich zur Verfügung stelle und nur Informationen zurückhalte, wenn dies aufgrund ihrer Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses erforderlich sei oder andere Ausnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung vorlägen.

185    Nach der Rechtsprechung ist die Kommission durch ihre Mitteilungen im Bereich der Kontrolle von Zusammenschlüssen gebunden, soweit diese Mitteilungen nicht von den Vorschriften des Vertrags und der Verordnung Nr. 139/2004 abweichen (Urteil vom 3. April 2003, BaByliss/Kommission, T‑114/02, EU:T:2003:100, Rn. 143; vgl. auch Urteil vom 9. Juli 2007, Sun Chemical Group u. a./Kommission, T‑282/06, EU:T:2007:203, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem tragen diese indikativen Regeln, durch die die Verhaltensmaßregeln festgelegt werden, nach denen die Kommission vorzugehen beabsichtigt, dazu bei, die Transparenz, die Vorhersehbarkeit und die Rechtssicherheit ihres Vorgehens zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. März 2002, Italien/Kommission, C‑310/99, EU:C:2002:143, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

186    Zwar sollte anhand der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung aufgezeigt werden, dass die Mitteilung der Kommission über im Rahmen der Verordnung Nr. 4064/89 und der Verordnung (EG) Nr. 447/98 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahmen (ABl. 2001, C 68, S. 3) und die Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, C 31, S. 5, im Folgenden: Leitlinien) für die Kommission verbindlich sind, allerdings ist diese sowohl für Verhaltensmaßregeln zur Beurteilung von Situationen, in denen die Kommission entscheiden muss, als auch für Verhaltensmaßregeln zu Verfahrensvorschriften maßgeblich. Alles andere würde bedeuten, es dem Ermessen der Kommission anheimzustellen, ob Entscheidungen, die die Rechtsstellung Dritter berühren können, veröffentlicht werden oder nicht; dies ist nicht mit dem Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und dem Grundsatz der Rechtssicherheit vereinbar.

187    Was im Übrigen die Vereinbarkeit des Leitfadens mit den Bestimmungen des Vertrags und der Verordnung Nr. 139/2004 betrifft, so äußert sich Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 zum einen zwar nicht zur Veröffentlichung von auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung erlassenen Entscheidungen im Amtsblatt, doch ist es der Kommission keineswegs untersagt, diese auf anderen Wegen zu veröffentlichen, wie sie es in der Praxis bereits tut.

188    Zum anderen werden nach Art. 1 Abs. 2 EUV Entscheidungen in der Union möglichst offen getroffen. Außerdem unterliegt die Kommission dem in Art. 15 AEUV verankerten Grundsatz der Transparenz. Dieser Grundsatz ermöglicht die Gewährleistung einer besseren Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess sowie einer größeren Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 45).

189    Folglich steht der Leitfaden weder zur Verordnung Nr. 139/2004 noch zum Vertrag im Widerspruch. Demnach ist entgegen dem Vorbringen der Kommission, von E.ON und RWE davon auszugehen, dass sich die Kommission die Verpflichtung auferlegt hat, die von ihr nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 erlassenen Entscheidungen zu veröffentlichen, und zwar unter Wahrung der Vertraulichkeit in Bezug auf Informationen, die dem Berufsgeheimnis oder anderen Ausnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung unterliegen. Eine solche Veröffentlichung von Entscheidungen, die auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 erlassen wurden, steht im Einklang mit der oben in Rn. 178 dargelegten Verpflichtung der Kommission, durch angemessene Bekanntmachungsmaßnahmen das Recht der von solchen Entscheidungen unmittelbar und individuell berührten Dritten auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten.

190    Zweitens steht fest, dass der angefochtene Beschluss am 26. Februar 2019 erlassen wurde und dass eine entsprechende Mitteilung am 3. April 2020, also 402 Tage später, im Amtsblatt veröffentlicht wurde. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, handelt es sich hierbei objektiv um einen langen Zeitraum.

191    Ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die von der Kommission zur Rechtfertigung der Verzögerung bei der Veröffentlichung des angefochtenen Beschlusses angeführten Gründe stichhaltig sind, ist jedoch festzustellen, dass die späte Veröffentlichung einer Handlung der Union im Amtsblatt die Gültigkeit dieser Handlung nicht beeinflusst (Urteil vom 23. November 1999, Portugal/Rat, C‑149/96, EU:C:1999:574, Rn. 54).

192    Drittens kann für die Gültigkeit des angefochtenen Beschlusses auch nicht das Vorbringen der Klägerin von Belang sein, dass ihr Rechtsbehelf deshalb nicht als effektiv betrachtet werden könne, weil die Klägerin in Anbetracht des Zeitpunkts der Veröffentlichung des angefochtenen Beschlusses erst 402 Tage nach dessen Erlass habe Klage erheben können, weshalb der Markt einer ungehinderten Entfaltung der Wettbewerbsfolgen des Zusammenschlusses ausgesetzt gewesen sei.

193    Würde der angefochtene Beschluss nämlich für nichtig erklärt, hätte die Kommission nach Art. 266 AEUV die sich aus dem ihr gegenüber ergangenen Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen und außerdem die Parteien in die Lage zurückzuversetzen, die vor Erlass des angefochtenen Beschlusses bestand (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. März 1971, Kommission/Rat, 22/70, EU:C:1971:32, Rn. 60, und vom 13. Dezember 2017, Crédit mutuel Arkéa/EZB, T‑712/15, EU:T:2017:900, Rn. 43).

194    Außerdem kann die Klägerin, wenn sie meint, durch die späte Veröffentlichung des angefochtenen Beschlusses einen Schaden erlitten zu haben, gemäß Art. 268 AEUV eine Schadensersatzklage gegen die Kommission erheben.

195    Folglich ist der vierte Klagegrund, soweit damit eine Verletzung des Rechts der Klägerin auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz aufgrund der späten Veröffentlichung des angefochtenen Beschlusses gerügt wird, als ins Leere gehend zurückzuweisen.

6.      Fünfter Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler

a)      Einleitende Erwägungen

196    Mit dem fünften Klagegrund, mit dem offensichtliche Beurteilungsfehler gerügt werden, macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Kommission habe sachlich und offensichtlich zu Unrecht angenommen, dass der Zusammenschluss mit dem Binnenmarkt vereinbar sei, obwohl sie die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehene Verfahrensphase hätte einleiten und anschließend den Zusammenschluss gemäß Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 für mit dem Binnenmarkt unvereinbar hätte erklären müssen.

197    Hinsichtlich der Intensität der gerichtlichen Kontrolle und der erforderlichen Beweisanforderungen wird auf die oben in den Rn. 48 bis 53 wiedergegebene Rechtsprechung verwiesen.

198    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 Zusammenschlüsse, durch die wirksamer Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung, für mit dem Binnenmarkt unvereinbar zu erklären sind.

199    Es ist Sache der Kommission, das Ergebnis des zur Beurteilung der Wettbewerbssituation herangezogenen Indizienbündels insgesamt zu bewerten. Dabei kann es sein, dass bestimmte Umstände privilegiert und andere außer Acht gelassen werden. Die Prüfung und die entsprechende Begründung sind Gegenstand der vom Gericht über die Entscheidungen der Kommission im Fusionsbereich ausgeübten Rechtmäßigkeitskontrolle (Urteil vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 136).

200    Nach ständiger Rechtsprechung räumen außerdem die Grundregeln der Verordnung Nr. 139/2004 und insbesondere ihr Art. 2 der Kommission vor allem bei wirtschaftlichen Beurteilungen ein gewisses Ermessen ein, so dass die von den Gerichten vorzunehmende Kontrolle der Ausübung eines solchen – für die Aufstellung der Regeln über Zusammenschlüsse wesentlichen – Ermessens unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums erfolgen muss, der den Bestimmungen wirtschaftlicher Art, die Teil der Regelung von Zusammenschlüssen sind, zugrunde liegt (vgl. Urteil vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

201    Auch wenn der Kommission in Bereichen, in denen komplexe wirtschaftliche Beurteilungen erforderlich sind, in Wirtschaftsfragen ein Beurteilungsspielraum zusteht, bedeutet dies nicht, dass die Unionsgerichte eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission unterlassen müssen. Sie müssen nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (Urteile vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, EU:C:2005:87, Rn. 39, und vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 54).

202    Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die inhaltliche Beurteilung, ob der in Rede stehende Zusammenschluss keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 gebe, auf das Vorliegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers zu prüfen ist. Zur Überprüfung, ob sich die Kommission beim Erlass ihres Beschlusses zu Recht auf die genannte Bestimmung gestützt hat, ist somit zu prüfen, ob sie bei der Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb keinen offensichtlichen Fehler begangen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 48).

203    Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

204    Die Klägerin erhebt im Wesentlichen vier Rügen, mit denen sie das Vorliegen offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission geltend macht. Sie wirft der Kommission insbesondere vor, dass diese erstens den relevanten Markt falsch definiert habe, zweitens den Untersuchungszeitraum falsch abgegrenzt habe, drittens die Marktmacht von RWE falsch eingeschätzt und viertens die Beziehung zwischen RWE und E.ON falsch beurteilt habe.

b)      Erste Rüge: fehlerhafte Definition des relevanten Marktes

205    Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie sei ohne Begründung von der durch das Bundeskartellamt in ständiger Entscheidungspraxis vorgenommenen Abgrenzung des relevanten Marktes abgewichen. In diesem Sinne stelle die Kommission auf einen tatsächlich nicht bestehenden „Markt für konventionell erzeugten Strom“ ab, der Bahnstrom und Strom für den industriellen Eigenverbrauch umfasse.

206    Nach Ansicht der Klägerin ist zwischen dem Markt der Erzeugung und des Großhandels von bzw. mit konventionellem Strom und dem Markt der Erzeugung von erneuerbarem Strom zu unterscheiden. Der letztgenannte Markt sei ein eigener Markt, da er dem Förderregime nach dem EEG unterliege und die Preisbildung dort – anders als auf dem Markt des Großhandels mit konventionellem Strom – im Wesentlichen nicht nach Angebot und Nachfrage erfolge. Außerdem habe die Kartellpraxis in der Vergangenheit insbesondere darin bestanden, Regelenergie und Systemdienstleistungen als eigenes Marktsegment zu behandeln.

207    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

208    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die angemessene Definition des relevanten Marktes eine notwendige Vorbedingung für jede Beurteilung des Einflusses eines Zusammenschlusses auf den Wettbewerb ist (vgl. Urteil vom 27. Januar 2021, KPN/Kommission, T‑691/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:43, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

209    Der Markt für die vom Zusammenschluss betroffenen Produkte ist unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Gesamtzusammenhangs so zu ermitteln, dass die tatsächliche Wirtschaftsmacht des oder der betreffenden Unternehmen beurteilt werden kann. Zu diesem Zweck ist vorab zu klären, welche Produkte, ohne mit anderen Erzeugnissen austauschbar zu sein, nicht nur aufgrund ihrer objektiven Merkmale, sondern auch aufgrund der Wettbewerbsbedingungen sowie der Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt hinreichend mit den von den Unternehmen angebotenen Produkten austauschbar sind (Urteil vom 6. Juni 2002, Airtours/Kommission, T‑342/99, EU:T:2002:146, Rn. 20).

210    Des Weiteren kann nach ständiger Rechtsprechung die Definition des in Rede stehenden Marktes, da sie mit der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission verbunden ist, nur Gegenstand einer beschränkten Kontrolle durch die Unionsgerichte sein (Urteile vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 482, und vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 53). Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung bezieht sich die gerichtliche Kontrolle der Beurteilung, die die Kommission hinsichtlich der Definition der Referenzmärkte vorgenommen hat, auf die Frage, ob ein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorliegt (Urteil vom 30. September 2003, Cableuropa u. a./Kommission, T‑346/02 und T‑347/02, EU:T:2003:256, Rn. 119; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 6. Juni 2002, Airtours/Kommission, T‑342/99, EU:T:2002:146, Rn. 26 und 32).

211    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Unionsgerichte anerkannt haben, dass die Kommission die Definition des in Rede stehenden Produktmarktes insofern offenlassen kann, als keine der Marktdefinitionen die Feststellung erlaubt, dass infolge des Zusammenschlusses eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs vorliegt, wie den von der Kommission im in Rede stehenden Beschluss dargelegten Gründen eindeutig und unmissverständlich zu entnehmen ist (Urteil vom 26. Oktober 2017, KPN/Kommission, T‑394/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:756‚ Rn. 60).

212    Schließlich haben die Unionsgerichte entschieden, dass die Kommission zwar nicht an die in ihren früheren Beschlüssen vorgenommenen Beurteilungen der relevanten Märkte gebunden ist, dies jedoch nicht bedeutet, dass solche früheren Beurteilungen von der Kommission bei ihrer Analyse nicht als einer der relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt werden können, wenn nichts darauf hindeutet, dass sich die Wettbewerbsbedingungen auf dem relevanten Markt gegenüber den früheren Beschlüssen wesentlich verändert hätten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2017, Topps Europe/Kommission, T‑699/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:2, Rn. 93).

213    Im vorliegenden Fall ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie Rn. 13 des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen ist, ihrer früheren Entscheidungspraxis folgte, die darin bestand, den Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels so zu definieren, dass er den Handel mit in einem bestimmten geografischen Markt erzeugten Strom auf dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels sowie den Stromimport in diesen geografischen Markt über Interkonnektoren umfasst, und zwar unabhängig davon, aus welcher Quelle der erzeugte Strom stammt.

214    Gleichwohl hat die Kommission, wie sich aus Rn. 14 des angefochtenen Beschlusses ergibt, die Praxis des Bundeskartellamts berücksichtigt, das im Gegensatz zur Kommission im Wesentlichen zwischen dem Markt für konventionellen Strom und dem Markt für Strom aus erneuerbaren Energien unterscheidet, für den im EEG Förderungen aus öffentlichen Mitteln vorgesehen sind.

215    Die Kommission hat jedoch in Rn. 15 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass eine solche Unterscheidung für die Prüfung der Auswirkungen des Zusammenschlusses nicht erforderlich sei, da weder bei einer gemeinsamen noch bei einer separaten Betrachtung dieser beiden Märkte wettbewerbsrechtliche Bedenken bestünden.

216    Im Übrigen hat die Kommission in Rn. 16 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass sie in der Vergangenheit den Markt in Stromerzeugung und Stromgroßhandel einerseits und Regelenergie und Systemdienstleistungen andererseits aufgeteilt habe, dass dies im vorliegenden Fall aber nicht erforderlich sei, da sich selbst dann keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken ergäben, wenn ein separater Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen definiert würde.

217    Zweitens hat die Kommission den Stromübertragungsmarkt in den Rn. 21 und 22 des angefochtenen Beschlusses als einen vom Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels getrennten Markt definiert.

218    Drittens hat die Kommission in den Rn. 23 und 24 des angefochtenen Beschlusses schließlich die Auffassung vertreten, dass die Definition des Stromeinzelhandelsmarktes sowohl in Bezug auf die Produkte als auch in Bezug auf die geografische Reichweite offenbleiben könne, da der Zusammenschluss unabhängig von der zugrunde gelegten Definition keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken aufwerfe.

219    Zum einen wirft die Klägerin der Kommission mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen vor, sie sei ohne entsprechende Erläuterungen von ihrer eigenen früheren Entscheidungspraxis abgewichen, indem sie nicht zwischen dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels und jenem für Regelenergie und Systemdienstleistungen unterschieden und im Rahmen der Abgrenzung des Stromeinzelhandelsmarktes nicht zwischen einem eigenen Markt für Bahnstrom und einem Markt für Strom für den industriellen Eigenverbrauch unterschieden habe. Zum anderen sei die Kommission bei der Definition des in Rede stehenden Produktmarktes zu Unrecht und ohne nähere Erläuterungen von der Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts abgewichen, das zwischen dem Markt für konventionellen Strom, der sowohl Strom aus konventionellen Energiequellen als auch Strom aus erneuerbaren Energiequellen umfasse, für den es keine Förderungen nach dem EEG gebe, und dem Markt für erneuerbaren Strom unterscheide, der den Strom aus erneuerbaren Energiequellen umfasse, für den es Förderungen nach dem EEG gebe.

220    Als Erstes ist jedoch festzustellen, dass sich aus den Rn. 213 bis 218 des vorliegenden Urteils ergibt, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin erläutert, warum sie erstens entschieden hat, sich nicht auf die gleiche Marktdefinition zu stützen wie das Bundeskartellamt, warum sie zweitens nicht zwischen dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels und dem Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen unterschieden hat und drittens bei der Abgrenzung des Stromeinzelhandelsmarktes nicht nach der Art der Kunden differenziert hat. Sie hat insoweit darauf hingewiesen, dass der Zusammenschluss unabhängig davon, welche Definitionen des Marktes der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels oder des Stromeinzelhandelsmarktes letztlich zugrunde gelegt würden, ihrer Ansicht nach keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken aufwerfe.

221    Die Klägerin hat kein spezifisches Argument vorgebracht, um die Beurteilung der Kommission in Frage zu stellen. In diesem Sinne erläutert sie nicht konkret, warum sich die Kommission auf eine andere Definition der beiden in Rede stehenden Märkte hätte stützen sollen. Insbesondere trägt sie nichts zu besonderen Merkmalen der verschiedenen Energiequellen, zu deren fehlender Austauschbarkeit, zu den Wettbewerbsbedingungen und zur Struktur des Angebots und der Nachfrage auf diesen Märkten vor, was eine weitere Unterteilung rechtfertigen würde. Zwar weist sie in der Klageschrift darauf hin, dass der Markt für Strom aus erneuerbaren Energiequellen, für den das Förderregime des EEG gelte, ein eigenständiger Markt sei, da im Gegensatz zum Markt für konventionellen Strom die Preisbildung dort im Wesentlichen nicht nach Angebot und Nachfrage erfolge. Sie führt dies jedoch nicht weiter aus, so dass diese Behauptung nicht geeignet ist, die von der Kommission verwendete Definition in Frage zu stellen.

222    Als Zweites ergibt sich, was erstens die Definition des Marktes der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels betrifft, soweit sie Regelenergie und Systemdienstleistungen umfasst, zum einen aus der oben in Rn. 212 angeführten Rechtsprechung, dass die Kommission nicht an in ihren früheren Beschlüssen vorgenommene Beurteilungen der relevanten Märkte gebunden ist. Daher konnte sie im vorliegenden Fall entscheiden, den Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels nicht vom Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen zu unterscheiden.

223    Zum anderen geht aus den Rn. 46 und 47 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Kommission dennoch die Auswirkungen des Zusammenschlusses für den Fall geprüft hat, dass für Regelenergie und Systemdienstleistungen ein gesonderter Markt zu betrachten wäre.

224    Zweitens ist, soweit die Kommission der Definition des Bundeskartellamts für den Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels nicht gefolgt ist, zum einen darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof festgestellt hat, dass Entscheidungen der nationalen Behörden angesichts der genauen Zuständigkeitsverteilung, auf der die Verordnung Nr. 139/2004 beruht, für die Kommission in Verfahren der Zusammenschlusskontrolle nicht bindend sein können (Urteil vom 18. Dezember 2007, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, C‑202/06 P, EU:C:2007:814, Rn. 56). Daher war die Kommission nicht verpflichtet, die gleiche Definition des relevanten Marktes heranzuziehen wie das Bundeskartellamt.

225    Zum anderen hat die Kommission, obwohl sie beschlossen hatte, die Definition des Marktes der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels offenzulassen und sich nicht auf die gleiche Definition des Marktes zu stützen wie das Bundeskartellamt, in den Rn. 31, 34, 45, 47 und 99 des angefochtenen Beschlusses die Auswirkungen der mit dem Zusammenschluss verbundenen Zunahme der Marktanteile von RWE für den Fall geprüft, dass bei den Märkten für Strom aus erneuerbaren Energien danach unterschieden werde, ob ihnen das Förderregime des EEG zugutekomme oder nicht. Folglich hat sie den Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels entsprechend der Definition des Bundeskartellamts berücksichtigt.

226    Drittens hat die Kommission zur Definition des Stromeinzelhandelsmarktes in den Fn. 27 und 29 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass die in Tabelle 1 genannte Zahl zur gesamten Stromerzeugung in Deutschland, die alle Energiequellen umfasse, und die in Tabelle 2 angegebene Zahl zur Erzeugung von konventionellem Strom auch den gegenwärtigen Verbrauch der Bahn berücksichtigten. Sie hat klargestellt, dass die Marktanteile der verschiedenen deutschen Stromerzeuger im Wesentlichen unverändert blieben, auch wenn man das mit diesen Faktoren verbundene Volumen ausschließe.

227    Die Klägerin vertritt zwar die Ansicht, dass die Kommission damit von einem tatsächlichen Volumen des Marktes der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels von 396,6 Terawattstunden (TWh) für das Jahr 2017 ausgegangen sei, anstelle eines Volumens von 363,5 TWh, doch sie wendet nicht ein, dass dies erhebliche Auswirkungen auf die von der Kommission im angefochtenen Beschluss dargestellte Aufteilung der Marktanteile gehabt habe.

228    Nach alledem ist es der Klägerin nicht gelungen, nachzuweisen, dass die Kommission bei der Definition des relevanten Marktes einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hätte. Die Rüge einer fehlerhaften Definition des relevanten Marktes ist daher zurückzuweisen.

c)      Zweite Rüge: fehlerhafte Abgrenzung des Untersuchungszeitraums

229    Die Klägerin wirft der Kommission vor, sich auf einen zu kurzen Untersuchungszeitraum beschränkt zu haben, indem sie auf den Zeitraum vor 2022 abgestellt habe. Außerdem habe die Kommission zum einen nur den Atomausstieg berücksichtigt und zum anderen nicht dem Umstand Rechnung getragen, dass die Energiewirtschaft durch langfristige Investitionszyklen gekennzeichnet sei, die auf 15 bis 20 Jahre kalkuliert würden. Der deutsche Strommarkt befinde sich aber unumkehrbar in der Energie- und Klimawende, die alle bisherigen Konstanten verändere. Schließlich führt die Klägerin aus, dass die Kommission in ihrer früheren Praxis bei ihren Prognosen den langen Amortisationszeiträumen häufig Rechnung getragen habe.

230    Die Kommission, unterstützt durch E.ON, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

231    Es ist daran zu erinnern, dass die Kommission bei der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen eine Prognose über die künftige Marktentwicklung zu erstellen hat. Sie muss nämlich prüfen, ob ein Zusammenschluss geeignet ist, einen wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich zu beeinträchtigen. Dies ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004.

232    Diese Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung muss sorgfältig durchgeführt werden, da es nicht darum geht, vergangene Ereignisse, für die häufig zahlreiche Anhaltspunkte vorliegen, die ein Verständnis ihrer Ursachen ermöglichen, oder auch gegenwärtige Ereignisse zu prüfen, sondern darum, Ereignisse vorherzusehen, die künftig mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit eintreten werden, wenn kein Beschluss ergeht, mit dem der Zusammenschluss zu den geplanten Bedingungen untersagt wird oder dessen Bedingungen näher festgelegt werden. Die Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung, bei der zu prüfen ist, inwieweit ein Zusammenschluss die für den Stand des Wettbewerbs auf einem bestimmten Markt maßgebenden Faktoren verändern könnte, um zu ermitteln, ob sich daraus ein erhebliches Hindernis für einen wirksamen Wettbewerb ergeben würde, erfordert es, sich die verschiedenen Kausalketten vor Augen zu führen und von denjenigen mit der größten Wahrscheinlichkeit auszugehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2005, General Electric/Kommission, T‑210/01, EU:T:2005:456, Rn. 64).

233    Schließlich darf, wie im Wesentlichen oben in Rn. 110 ausgeführt, die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt nur tatsächliche und rechtliche Umstände zugrunde legen, die im Zeitpunkt der Anmeldung dieser Transaktion gegeben sind, nicht aber hypothetische Gesichtspunkte, deren wirtschaftliche Bedeutung zum Zeitpunkt des Erlasses der Genehmigungsentscheidung nicht abgeschätzt werden kann (vgl. Urteil vom 13. September 2010, Éditions Odile Jacob/Kommission, T‑279/04, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:384, Rn. 327 und die dort angeführte Rechtsprechung).

234    Folglich wird von der Kommission erwartet, dass sie die Auswirkungen des Zusammenschlusses für einen Zeitraum prüft, der nicht länger währen darf, als bis bestimmte Ereignisse mit einem hinreichenden Grad an Gewissheit eintreten. Je weiter in der Zukunft das vorherzusehende Ereignis liegt, desto größer ist die Unsicherheit seines Eintretens. In diesem Sinne kann von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung auf der Grundlage von Faktoren durchführt, deren langfristige Auswirkungen sie mit einer vernünftigen Fehlermarge nicht vorhersehen kann.

235    Im vorliegenden Fall ist als Erstes festzustellen, dass die Kommission eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung vorgenommen hat, die der Energiewende und dem Atomausstieg Rechnung trug. Diese Ereignisse waren zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses hinreichend sicher, da sie von der deutschen Regierung beschlossen worden waren.

236    Dabei hat die Kommission die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die von RWE gehaltenen Marktanteile geprüft und dabei zwei Zeiträume unterschieden, nämlich den Zeitraum ab der Durchführung des Zusammenschlusses bis zum 31. Dezember 2022 und den Zeitraum nach diesem Tag; dies lässt sich insbesondere den Rn. 30 und 35 des angefochtenen Beschlusses entnehmen. Bei der Prüfung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf das Risiko im Zusammenhang mit strategischen Kapazitätszurückhaltungen (Rn. 56, 80 und 81 des angefochtenen Beschlusses), auf die pivotale Stellung von RWE (Rn. 62 und 65 des angefochtenen Beschlusses) und auf den Stromübertragungsmarkt (Rn. 99 und 100 des angefochtenen Beschlusses) ging sie ebenso vor. Der 31. Dezember 2022 wurde gewählt, da gemäß dem Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Energie vom 22. April 2002 (BGBl. 2002 I S. 1351) die vom Zusammenschluss betroffenen kerntechnischen Anlagen spätestens an diesem Tag stillgelegt werden sollten.

237    Zur Prüfung des Wettbewerbsvorteils bei der Gewährung von Förderungen für die Entwicklung und die Errichtung neuer Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, den RWE dank des Zusammenschlusses erlangen könnte, geht aus den Rn. 68 und 69 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Kommission nicht auf einen beschränkten Zeitraum abgestellt hat. Dies gilt auch für die von der Kommission in den Rn. 82 bis 88 des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Prüfung der Frage, ob der Erwerb der Minderheitsbeteiligung an E.ON durch RWE zu einer Abschottung bei den Einsatzmitteln oder bei den Kunden führen könnte, für die Untersuchung der Gefahr negativer Auswirkungen auf die Liquidität des Marktes der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels, die in den Rn. 89 bis 91 des angefochtenen Beschlusses dargelegt ist, sowie für die Prüfung des Risikos, dass RWE vorab Zugang zu Informationen über die Geschäftsstrategie von E.ON erlangt, wie in den Rn. 92 bis 94 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt.

238    Somit ist festzustellen, dass sich die Kommission nicht auf den Zeitraum vor 2022 beschränkt hat.

239    Das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe sich nur mit der Zeit vor 2022 befasst, ist daher zurückzuweisen.

240    Als Zweites kann, da die Kommission auch die Zeit nach 2022 berücksichtigt hat, ohne jedoch den Zeitraum, auf den sich die Prüfung der Auswirkungen des Zusammenschlusses längstens bezieht, genau abzugrenzen, vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass ihre Prüfung einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren ab der im Jahr 2019 erfolgten Anmeldung des Zusammenschlusses umfasst hat.

241    Diese Auslegung wird durch die Schriftsätze der Kommission und von E.ON gestützt.

242    Nach Ansicht der Klägerin hätte die Kommission einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren in Betracht ziehen müssen. Ein solcher Zeitraum würde zum einen den dem Strommarkt eigenen Investitionszyklen und zum anderen dem Umbruch Rechnung tragen, der aufgrund der Energiewende und des Atomausstiegs auf diesem Markt stattfinde. Die Klägerin wirft der Kommission außerdem vor, nur den Atomausstieg berücksichtigt zu haben und von ihrer früheren Entscheidungspraxis abgewichen zu sein.

243    Hinsichtlich der Beschlüsse der Kommission, auf die die Klägerin ihr Vorbringen stützt, ist der Kommission darin beizupflichten, dass diese in einem wirtschaftlichen und politischen Kontext erlassen wurden, der sich von jenem des vorliegenden Falles unterscheidet.

244    So betraf etwa der Beschluss C(2005) 5593 final der Kommission vom 21. Dezember 2005 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.3696 – E.ON/MOL) den ungarischen Strommarkt im Jahr 2005, dem zahlreiche Änderungen bevorstanden, von denen insbesondere die bereits beschlossenen Projekte zur Errichtung von Kraftwerken zeugten (siehe insbesondere Rn. 150, 594, 601 und 602). Der Beschluss C(2009) 9059 final der Kommission vom 12. November 2009 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt (Sache COMP/M.5549 – EDF/Segebel) betraf nicht nur den französischen, belgischen und niederländischen Strommarkt im Jahr 2009, sondern die Transaktion sah auch konkrete Fristen für die Umsetzung verschiedener Schritte vor (siehe insbesondere Rn. 66 und 75 des betreffenden Beschlusses). Der Beschluss der Kommission vom 7. Mai 2002 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt (Sache COMP/M.2745 – Shell/Enterprise Oil) betraf schließlich den Markt des Vereinigten Königreichs im Jahr 2002, und die von den die Anmeldung vornehmenden Beteiligten und von Dritten übermittelten Informationen ermöglichten es der Kommission, einen Zeitraum von zehn Jahren zu untersuchen.

245    Somit hat die Kommission keineswegs abstrakt entschieden, schlichtweg deshalb einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren für die Prüfung der Auswirkungen der bei ihr angemeldeten Zusammenschlüsse zu berücksichtigen, weil es um den Strommarkt ging. Ihr Handeln beruhte vielmehr darauf, dass sie im Besitz von Informationen war, die es ihr ermöglichten, mit hinreichender Sicherheit in diesem Zeitraum die Marktentwicklung und folglich die Auswirkungen der Zusammenschlüsse abzuschätzen.

246    Daher stellt sich die Frage, ob die Kommission im vorliegenden Fall über Informationen verfügte, die es ihr ermöglicht hätten, eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung durchzuführen, die weiter in die Zukunft reicht.

247    Wie oben in Rn. 235 ausgeführt, hat die Kommission die Energiewende und den Atomausstieg berücksichtigt. Dies spiegelt sich darin wider, dass sie zum einen im angefochtenen Beschluss mehrfach auf den Atomausstieg Bezug nahm und zum anderen auf die Auswirkungen des Zusammenschlusses unter Berücksichtigung der Auswirkungen des EEG einging.

248    Diese Feststellung genügt, um das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, dass die Kommission nur dem Atomausstieg Rechnung getragen habe.

249    Im Übrigen wirft die Klägerin der Kommission zwar vor, nicht berücksichtigt zu haben, dass sich die Investitionszyklen auf dem Strommarkt über Zeiträume von 15 bis 20 Jahren erstreckten, gleichwohl geht sie aber nur auf ihre eigenen Investitionsvorhaben ein. Sie führt also keine Investitionen an, die RWE nach dem Zusammenschluss vornehmen könnte und die geeignet wären, den Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels zu verändern. Im Gegenteil führt sie sogar aus, dass RWE und E.ON ihrer Ansicht nach infolge des Zusammenschlusses von massiven Investitionen abgeschreckt werden könnten. Daraus geht hervor, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses nicht klar war, ob RWE und E.ON nach dem Zusammenschluss Investitionen tätigen würden, die die Marktstruktur verändern könnten. Selbst wenn man also annimmt, dass sich die Investitionszyklen, wie von der Klägerin geltend gemacht, tatsächlich auf Zeiträume von 15 bis 20 Jahren erstrecken, konnte die Kommission ihre Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung nicht allein aus diesem Grund auf einen solchen Zeitraum ausrichten.

250    Zu den sowohl von der Klägerin als auch von RWE erwähnten möglichen Auswirkungen des Kohleausstiegs ist festzustellen, dass dieser im Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung vom 8. August 2020 (BGBl. 2020 I S. 1818, im Folgenden: Kohleausstiegsgesetz) festgelegt wurde. Mit anderen Worten wurde er also nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses beschlossen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Berücksichtigung der Auswirkungen dieses Gesetzes bei der Bestimmung des Untersuchungszeitraums durch die Kommission schon allein deshalb nicht möglich war.

251    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dieses Gesetz erlassen wurde, nachdem die von der deutschen Bundesregierung am 6. Juni 2018 eingesetzte Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung am 31. Januar 2019 ihren Bericht vorgelegt hatte. Dieser Bericht enthielt Empfehlungen für die Erstellung eines Plans zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung einschließlich der für die Verwirklichung dieses Plans notwendigen rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen, Renaturierungs- und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen. Der Kohleausstieg wurde für 2038 vorgesehen.

252    Die Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang auf das Verschwinden der Uniper SE, um darzutun, dass sich die Marktstruktur zugunsten von RWE ändern werde. Uniper ist ein ehemaliges Energieversorgungsunternehmen und eine Tochtergesellschaft von E.ON, die im Anschluss an den Erlass des Beschlusses C(2018) 3921 final der Kommission vom 15. Juni 2018 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.8660 – Fortum/Uniper) von der Fortum Oyj erworben wurde.

253    Zu Uniper ist festzustellen, dass der oben in Rn. 251 genannte Bericht kein konkretes Datum für die Stilllegung der Kohlekraftwerke von Uniper enthält, sondern ausführt, dass der Betreiber des Kohlebergwerks, das Uniper beliefere, einen Betrieb bis Mitte der 2030er Jahre plane.

254    Außerdem geht aus der von der Kommission in der Gegenerwiderung erwähnten Pressemitteilung der deutschen Bundesregierung vom 15. Januar 2020 hervor, dass zwischen der deutschen Bundesregierung und den Ländern eine Einigung zum Kohleausstieg erzielt worden sei. Ziel dieser Einigung war die Umsetzung der Empfehlungen der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung. Außerdem hat Uniper am 30. Januar 2020 in einer Pressemitteilung mitgeteilt, schrittweise aus der Kohleverstromung aussteigen zu wollen, und darauf hingewiesen, dass im Bericht der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung angeregt worden sei, dass sich die deutsche Bundesregierung und Uniper auf eine Nicht-Inbetriebnahme des Kohlekraftwerks Datteln 4 gegen Kompensationszahlung verständigen sollten. Das Kohleausstiegsgesetz wurde vor diesem Hintergrund erlassen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass § 4 dieses Gesetzes zwar einen Zeitplan vorsieht, um die Emissionen von Kohlekraftwerken zu reduzieren und zu beenden, dass aber anders als im Atomausstiegsgesetz die betroffenen Kraftwerke nicht namentlich genannt werden.

255    Auch wenn der Kommission bekannt war, dass ein Gesetz zum Kohleausstieg in Vorbereitung war und dass Uniper den Betrieb ihrer Kohlekraftwerke einstellen würde, hätte sie mithin die genauen Modalitäten der Durchführung dieses Gesetzes nicht kennen oder sie gar berücksichtigen können, da diese jedenfalls erst im Januar 2020 präzisiert wurden. Zudem befasst sich die Klägerin nur mit Uniper, ohne die wahrscheinlichen Auswirkungen dieses Gesetzes auf RWE zu berücksichtigen, die ebenfalls Kohlekraftwerke besitzt. Da es sich schließlich bei den vom Zusammenschluss betroffenen Anlagen zur Erzeugung konventionellen Stroms von E.ON um kerntechnische Anlagen handelt und nicht um Kohlekraftwerke, ist festzustellen, dass die Kommission nicht auf die durch das Kohleausstiegsgesetz herbeigeführten Änderungen auf dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels eingehen musste, um die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf einem neu definierten Markt vernünftig vorauszusehen. Dies war umso mehr gerechtfertigt, als eine Berücksichtigung des Kohleausstiegs, der sich bis 2038 hinziehen sollte, von der Kommission eine Prognose für eine sehr ferne Zukunft erfordert hätte, die durch weitere Änderungen gekennzeichnet sein könnte, die noch nicht vorhersehbar und dennoch geeignet sind, die Marktstruktur weiter zu verändern.

256    Dieses Vorbringen der Klägerin sowie ihr Vorbringen zur Änderung der Marktstruktur aufgrund der Verschlechterung der Stellung von Uniper durch die Stilllegung ihrer Kohlekraftwerke sind daher zurückzuweisen.

257    Die Klägerin bringt außerdem vor, dass das Kohleausstiegsgesetz zu einer Wettbewerbsverzerrung führe, da die deutsche Regierung RWE mit erheblichen Finanzmitteln ertüchtige. Insoweit ist jedenfalls festzustellen, dass die Kommission – wie von ihr geltend gemacht – den Ausschreibungsmechanismus der Bundesrepublik Deutschland gerade nicht als wettbewerbsverzerrend eingestuft hat. Sie ist vielmehr zu dem Ergebnis gelangt, dass die aus diesen Finanzmitteln bestehenden Beihilfen mit dem Binnenmarkt vereinbar sind (Beschluss C[2020] 8065 final der Kommission vom 25. November 2020 über die staatliche Beihilfe SA.58181 [2020/N] – Ausschreibungsmechanismus für den Steinkohleausstieg in Deutschland).

258    Nach alledem verfügte die Kommission nicht über Informationen, die es ihr erlaubt hätten, eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung auf der Grundlage eines längeren als des von ihr gewählten Zeitraums, nämlich drei bis fünf Jahre ab Anmeldung des Zusammenschlusses, durchzuführen. Sie hat somit bei der Abgrenzung des Untersuchungszeitraums keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

259    Die Rüge einer fehlerhaften Abgrenzung des Untersuchungszeitraums ist daher zurückzuweisen.

d)      Dritte Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Marktmacht von RWE

260    Die Klägerin wirft der Kommission vor, die Marktstellung von RWE falsch beurteilt zu haben, indem sie zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Zunahme der Marktmacht von RWE keine Behinderung darstelle. Als Erstes macht sie geltend, dass sich die Kommission bei der Analyse der Marktmacht von RWE ausschließlich auf die Marktanteile dieses Unternehmens gestützt habe. Als Zweites sei der Kommission bei der Untersuchung der Marktanteile und anderer relevanter Faktoren, nämlich der pivotalen Stellung von RWE auf dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels, der für RWE bestehenden Anreize für strategische Kapazitätszurückhaltungen und für andere strategische Nutzungen ihres Erzeugungsportfolios sowie der pivotalen Stellung von RWE auf dem Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen, ein Fehler unterlaufen.

261    Die Kommission, unterstützt durch E.ON und RWE, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

262    Jeder Kritikpunkt der Klägerin ist zu prüfen, wobei mit jenem zu beginnen ist, der die von der Kommission berücksichtigten Gesichtspunkte betrifft.

1)      Zu den Gesichtspunkten, die die Kommission bei ihrer Analyse der Marktmacht von RWE berücksichtigt hat

263    Die Klägerin beanstandet, dass sich die Kommission bei der Analyse der wachsenden Marktmacht von RWE ausschließlich auf deren Marktanteile gestützt habe, ohne zusätzliche Faktoren zu berücksichtigen. Die Kommission habe die Analyse der Marktmacht auf die Marktanteile der Erzeuger beschränkt, die auf der Grundlage der erzeugten Strommengen und der Kapazitäten berechnet worden seien, ohne auf andere Faktoren zurückzugreifen, die nach den Standards der Prüfung von Zusammenschlüssen relevant seien und bei früheren Analysen des deutschen Marktes der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels zur Anwendung gelangt seien. Die Klägerin verweist insbesondere auf den auf der Grundlage des Herfindahl-Hirschman-Index (im Folgenden: HHI) berechneten Konzentrationsgrad, auf die pivotale Stellung von RWE, die sich im RSI-Index zeige, auf die von Dritten vorgelegten Analysen, auf die Oxera-Studie oder auch die Marktbefragung. Somit sei die Kommission auf den Großteil der sich aus dem Zusammenschluss ergebenden wettbewerbsrechtlichen Bedenken nicht eingegangen. Die Kommission habe dadurch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

264    Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission bei ihrer Prüfung hauptsächlich in Abschnitt 5.1.1. („Marktstruktur“) des angefochtenen Beschlusses (Rn. 25 bis 29) und in Abschnitt 5.1.2. („Zunahme durch den Zusammenschluss“) des angefochtenen Beschlusses (Rn. 30 bis 35) auf die Marktanteile eingegangen ist.

265    Außerdem hat sie das „Förderregime für Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien“ (Abschnitt 5.1.3. des angefochtenen Beschlusses, Rn. 36 bis 39) dargestellt und den „Standpunkt der Anmelderin“ (Abschnitt 5.1.4. des angefochtenen Beschlusses, Rn. 40 bis 42) erläutert, der hauptsächlich darin bestehe, dass erstens die insgesamt gehaltenen Marktanteile gering seien, zweitens die Zunahme der Marktanteile minimal sei, drittens andere Wettbewerber vorhanden seien und viertens die pivotale Stellung von RWE nicht verstärkt werde.

266    Die Kommission hat bei ihrer Analyse in Abschnitt 5.1.5. („Beurteilung durch die Kommission“) die Marktanteile und die in der vorstehenden Randnummer genannten Gesichtspunkte berücksichtigt (Rn. 43 bis 65). Sie hat dabei festgestellt, dass es angesichts der beschränkten und vorübergehenden Zunahme der Marktanteile am Gesamtmarkt oder in allen in Betracht gezogenen Bereichen auf den ersten Blick wenig wahrscheinlich sei, dass die Marktmacht von RWE aufgrund dieser Zunahme erheblich steige (Rn. 47 des angefochtenen Beschlusses).

267    Die Kommission beließ es jedoch nicht bei dieser Feststellung. Sie hat nämlich auch anerkannt, dass ein Unternehmen mit begrenztem Marktanteil aufgrund der Natur des Marktes der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels gleichwohl in der Lage sein könne, Preise zu beeinflussen. Folglich hat sie untersucht, ob RWE in der Lage sei und ein Interesse daran habe, die Preisbildung zu beeinflussen (Rn. 48 des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission hat diese Untersuchung mit der Bewertung des mit strategischen Kapazitätszurückhaltungen verbundenen Risikos begonnen (Rn. 49 bis 58 des angefochtenen Beschlusses) und ist zu dem Schluss gelangt, dass angesichts des Erzeugungsportfolios von RWE und angesichts der Antworten auf die Marktbefragung die Fähigkeit von RWE, einen Teil ihrer Stromerzeugung in einem entscheidenden Maß zurückzuhalten, aufgrund des Zusammenschlusses nicht zunehme (Rn. 54 des angefochtenen Beschlusses). Anschließend hat die Kommission die von RWE und Dritten vorgelegten RSI-Analysen geprüft (Abschnitt 5.1.5.1. des angefochtenen Beschlusses, Rn. 59 bis 65) und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Analysen sie nicht zu einer Änderung ihrer Schlussfolgerung veranlassen könnten, dass der Zusammenschluss die Fähigkeit oder das Interesse von RWE, den Wettbewerb zu verzerren, nicht wesentlich beeinflussen würde (Rn. 65 des angefochtenen Beschlusses).

268    In Anbetracht der Marktanteile und insbesondere ihrer geringen und vorübergehenden Zunahme, der Analyse der Kapazitätszurückhaltung von RWE sowie der Prüfung der pivotalen Stellung von RWE hat die Kommission festgestellt, dass der Zusammenschluss keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gebe. Diese Feststellung gelte unabhängig davon, ob der Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels in Deutschland so verstanden werde, dass er die gesamte Stromerzeugung umfasse, oder so, dass er in die Bereiche Erzeugung von konventionellem Strom und Erzeugung von erneuerbarem Strom unterteilt werde (Abschnitt 5.1.6. des angefochtenen Beschlusses, Rn. 66).

269    Außerdem hat die Kommission im Hinblick auf die Natur des betreffenden Industriezweigs beschlossen, weitere Gesichtspunkte zu prüfen, die wettbewerbliche Auswirkungen auf die Märkte aufzeigen könnten, z. B. Analysen auf der Grundlage des RSI-Index hinsichtlich der pivotalen Stellung oder den „Return on Withholding Capacity Index“ (Index zur Ermittlung der Anreize für Kapazitätszurückhaltungen, im Folgenden: RWC-Index), um die Zurückhaltungskapazität zu analysieren. Die Kommission hat auch die Antworten auf ihre Marktbefragung berücksichtigt, auf die sie mehrfach verwiesen hat (Rn. 53, 59, 67, 71, 92, 94 und Fn. 9 des angefochtenen Beschlusses). Schließlich hat sie die Bedenken geprüft, die Dritte im Rahmen der Beantwortung der Marktbefragung im Hinblick auf die Minderheitsbeteiligung von RWE an E.ON sowie bezüglich der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf andere Märkte als den Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels in Deutschland geäußert hatten.

270    Zugegebenermaßen hat die Kommission, wie von der Klägerin geltend gemacht, den HHI-Index im angefochtenen Beschluss nicht berücksichtigt.

271    Nach Ziff. 14 der Leitlinien ist der Konzentrationsgrad ein Anhaltspunkt für die Marktstruktur und die wettbewerbliche Bedeutung der Fusionspartner. Aus Ziff. 16 der Leitlinien ergibt sich außerdem, dass der Konzentrationsgrad eines Marktes nützliche Hinweise zur Wettbewerbssituation liefern kann. Um den Konzentrationsgrad zu ermitteln, wendet die Kommission danach häufig den HHI an, der durch die Summe des Quadrats der jeweiligen Marktanteile sämtlicher Unternehmen in einem Markt errechnet wird. Während die absolute Höhe des HHI eine erste Aussage über den Wettbewerbsdruck in dem betreffenden Markt nach dem Zusammenschluss machen kann, ist die Veränderung im Index, als „Delta“ bezeichnet, ein nützlicher Hinweis für die durch den Zusammenschluss unmittelbar herbeigeführten Änderungen in der Konzentration. Weder Ziff. 14 noch Ziff. 16 der Leitlinien verpflichtet die Kommission jedoch dazu, den HHI in allen ihren Entscheidungen zu prüfen (vgl. Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 65 und 66 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

272    Es ist außerdem festzustellen, dass die Ziff. 19 bis 21 der Leitlinien im Wesentlichen die HHI-Schwellenwerte festlegen, unterhalb deren ein Zusammenschluss aller Wahrscheinlichkeit nach keine Wettbewerbsbedenken aufwirft. So hält die Kommission in den Leitlinien u. a. horizontale Wettbewerbsbedenken in einem Markt für wenig wahrscheinlich, wenn der HHI nach dem Zusammenschluss zwischen 1 000 und 2 000 und der Delta-Wert unterhalb von 250 liegt, oder wenn der HHI oberhalb von 2 000 und der Delta-Wert unter 150 liegt, es sei denn, besondere Umstände lägen vor.

273    Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keine eigenen Berechnungen des HHI vorgelegt. Dies hätte sie aber tun müssen, um darzutun, dass die Kommission hinsichtlich der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Markt zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn sie diese Werte berücksichtigt hätte.

274    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission nicht nur andere relevante Faktoren als die Marktanteile berücksichtigt hat, um die Marktmacht von RWE zu beurteilen, sondern dass die Klägerin ferner nicht dargetan hat, inwiefern die Berücksichtigung des HHI – die nach der oben in Rn. 271 angeführten Rechtsprechung nicht erforderlich war – oder etwaiger anderer Faktoren geeignet gewesen wäre, die Schlussfolgerungen der Kommission in Frage zu stellen.

275    Daher ist die von der Kommission durchgeführte Analyse erstens der Marktanteile von RWE und zweitens der anderen Faktoren zu prüfen.

2)      Zur Analyse der Marktanteile

276    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe bei der Bewertung der Marktanteile einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

277    Insoweit beruft sich die Klägerin als Erstes auf andere Daten als die von den am Zusammenschluss Beteiligten übermittelten, auf die die Kommission die Prüfung der Marktanteile von RWE gestützt habe. Indessen nennt die Klägerin keine Rechtsvorschrift, die es der Kommission untersagen würde, sich auf die von den am Zusammenschluss Beteiligten selbst im Rahmen des Verwaltungsverfahrens gelieferten Daten zu stützen, oder die sie im Gegenteil dazu verpflichten würde, eine eigene, von den Daten der am Zusammenschluss Beteiligten unabhängige Marktuntersuchung durchzuführen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 126).

278    Zudem beschränkt sich die Klägerin auf die Verwendung ihrer eigenen Daten, ohne zu erläutern, weshalb die von der Kommission herangezogenen Daten falsch seien.

279    Es kann aber für den Nachweis, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, nicht genügen, dass die Klägerin andere Daten verwendet als die Kommission im angefochtenen Beschluss, ohne einen konkreten Anhaltspunkt zu liefern, aus dem sich ergäbe, dass die Berücksichtigung der Daten im angefochtenen Beschluss einen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 156).

280    Nach alledem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die von der Kommission verwendeten Daten falsch waren.

281    Als Zweites ist zu prüfen, ob die Kommission bei der Prüfung der von ihr herangezogenen Daten einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

282    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Bewertung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen eines Zusammenschlusses die sich aus dem Zusammenschluss ergebenden Wettbewerbsbedingungen mit dem Zustand vergleicht, wie er ohne den Zusammenschluss fortbestanden hätte (Urteil vom 23. Mai 2019, KPN/Kommission, T‑370/17, EU:T:2019:354, Rn. 115).

283    Das Bestehen erheblicher Marktanteile ist in hohem Maße bedeutsam, und das Verhältnis zwischen den Marktanteilen des (oder der) am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen(s) und denen seiner (ihrer) Konkurrenten, insbesondere der nächstkleineren, ein taugliches Indiz für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung. Außerdem kann ein besonders hoher Marktanteil ohne Weiteres den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung liefern, besonders wenn die übrigen Marktteilnehmer nur erheblich geringere Anteile innehaben (Urteil vom 23. Februar 2006, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, T‑282/02, EU:T:2006:64, Rn. 201). Im Gegensatz dazu kann bei Zusammenschlüssen, die wegen des begrenzten Marktanteils der beteiligten Unternehmen nicht geeignet sind, wirksamen Wettbewerb zu behindern, davon ausgegangen werden, dass sie mit dem Binnenmarkt vereinbar sind (32. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004).

284    Nach Ziff. 17 der Leitlinien können zum einen nur sehr hohe Marktanteile von 50 % oder mehr für sich allein ein Nachweis für das Vorhandensein einer beherrschenden Marktstellung sein und zum anderen bei einem Zusammenschluss mit einem Marktanteil von unter 50 % trotzdem Wettbewerbsbedenken hinsichtlich anderer Faktoren bestehen, insbesondere hinsichtlich Stärke und Anzahl der Wettbewerber (Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 59).

285    In diesem Rahmen ist daher zu prüfen, ob die Kommission im vorliegenden Fall – wie von der Klägerin geltend gemacht – einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie die Marktstellung von RWE fehlerhaft beurteilt und festgestellt hat, dass die Zunahme der Marktmacht von RWE keine Behinderung darstelle.

286    Im vorliegenden Fall hat die Kommission erstens in den Rn. 26 ff. des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass RWE auf dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels vor dem Zusammenschluss einen Marktanteil von 20‑30 % an der Gesamtstromerzeugung gehalten habe, und zwar [vertraulich](1) % an der Stromerzeugung, und 20‑30 %, nämlich [vertraulich] %, an der installierten Erzeugungskapazität. Durch den Zusammenschluss erlange RWE einen zusätzlichen Marktanteil von 0‑1 %, und zwar [vertraulich] % (d. h. [vertraulich] TWh), an der Gesamtstromerzeugung, und von 0‑1 %, nämlich [vertraulich] % (d. h. [vertraulich] MW), an der installierten Erzeugungskapazität (Rn. 27, Tabelle 1 und Fn. 26 des angefochtenen Beschlusses). Aufgrund des Zusammenschlusses M.8870 liege die Erhöhung jedoch nur noch bei 0‑1 %, und zwar bei [vertraulich] %, bei der Stromerzeugung (d. h. [vertraulich] TWh) und bei 0‑1 %, nämlich bei [vertraulich] % (d. h. [vertraulich] MW), bei der installierten Erzeugungskapazität (Rn. 34 und Fn. 36 des angefochtenen Beschlusses). Dies liegt daran, dass im Rahmen des Zusammenschlusses M.8870 bestimmte Stromerzeugungsanlagen von Innogy, einer ehemaligen Tochtergesellschaft von RWE, auf E.ON übertragen werden.

287    Zweitens hat die Kommission zur Erzeugung von konventionellem Strom festgestellt, dass RWE vor dem Zusammenschluss einen Marktanteil von 30‑40 %, nämlich [vertraulich] %, an der Stromerzeugung und einen Anteil von 20‑30 %, nämlich [vertraulich] %, an der installierten Erzeugungskapazität gehalten habe und dass der Zusammenschluss RWE einen zusätzlichen Marktanteil von 0‑1 %, nämlich [vertraulich] % (d. h. [vertraulich] TWh), an der Stromerzeugung und von 0‑1 %, nämlich [vertraulich] % (etwa [vertraulich] MW), an der installierten Erzeugungskapazität verschaffen werde (Rn. 28, Tabelle 2 und Fn. 28 des angefochtenen Beschlusses). Aufgrund des Zusammenschlusses M.8870 liege die Zunahme bei der Stromerzeugung nur noch bei 0‑1 %, nämlich bei [vertraulich] % (Rn. 34 des angefochtenen Beschlusses).

288    Drittens hat die Kommission zur Erzeugung von erneuerbarem Strom ausgeführt, dass der Marktanteil von RWE vor dem Zusammenschluss 0‑5 %, und zwar [vertraulich] %, an der Stromerzeugung und 0‑5 %, nämlich [vertraulich] %, an der installierten Erzeugungskapazität betragen habe. Der Zusammenschluss verschaffe RWE einen zusätzlichen Marktanteil von 0‑1 %, nämlich [vertraulich] % (d. h. [vertraulich] TWh), an der Stromerzeugung und von 0‑1 %, nämlich [vertraulich] % (etwa [vertraulich] MW), an der installierten Erzeugungskapazität (Rn. 29, Tabelle 3 und Fn. 31 des angefochtenen Beschlusses). Aufgrund des Zusammenschlusses M.8870 betrage die Zunahme nur noch 0‑1 %, nämlich [vertraulich] %, an der Stromerzeugung (Rn. 34 des angefochtenen Beschlusses).

289    Folglich verschafft der Zusammenschluss RWE einen zusätzlichen Marktanteil von höchstens 0‑1 %, und zwar genau [vertraulich] %. Eine derart beschränkte Zunahme kann für sich genommen nicht als erheblich betrachtet werden.

290    Daraus ist zu schließen, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie die Auffassung vertrat, dass die Marktanteile von RWE aufgrund des Zusammenschlusses unabhängig von der zugrunde gelegten Abgrenzung des Marktes nicht erheblich zunehmen würden.

291    Außerdem fällt durch die für den 31. Dezember 2021 vorgesehene Stilllegung von Gundremmingen C und die spätestens für den 31. Dezember 2022 vorgesehene Stilllegung von Emsland ein Teil der zusätzlichen Marktanteile wieder weg, nämlich [vertraulich] der [vertraulich] TWh der Erzeugung und [vertraulich] der [vertraulich] MW an installierter Erzeugungskapazität. Die auf Dauer bestehende Zunahme betrifft also die Windkraftanlagen und beträgt [vertraulich] MW. Da die Zunahme der Marktanteile auf dem Markt für konventionellen Strom ausschließlich auf dem Erwerb von Kernkraftwerken beruht, sollte sie nach dem spätestens für den 31. Dezember 2022 vorgesehenen Atomausstieg hinfällig werden. Die Nettozunahme der Marktanteile nach der Durchführung des Zusammenschlusses M.8871 beläuft sich also nur noch auf 0‑1 %, und zwar auf [vertraulich] % (d. h. [vertraulich] TWh), der Stromerzeugung auf dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels. Außerdem sollte sich die Stromerzeugung aufgrund des bis spätestens 31. Dezember 2022 vorgesehenen Atomausstiegs um [vertraulich] TWh verringern. Folglich ist die Zunahme der Marktanteile infolge des Zusammenschlusses vorübergehend und kehrt sich ab 2023 sogar ins Negative.

292    Nach alledem hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die tatsächliche Zunahme aufgrund des Zusammenschlusses nur vorübergehender Natur sei, da sie sich nach der endgültigen Stilllegung der kerntechnischen Anlagen bis spätestens Ende 2022 weitgehend erübrigen sollte (Rn. 35 des angefochtenen Beschlusses). Der geringe Anstieg von [vertraulich] % auf [vertraulich] % Marktanteil am Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels in Deutschland wird nach dem Atomausstieg also wieder in Wegfall geraten.

293    Dieses Ergebnis wird durch die anderen Argumente der Klägerin nicht in Frage gestellt.

294    Was erstens das Argument betrifft, die Kommission habe verkannt, dass RWE den Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels vor dem Zusammenschluss beherrscht habe, trifft es zwar zu, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht erwähnt hat, dass RWE bereits vor dem Zusammenschluss eine beherrschende Stellung innegehabt habe. Ist die Kommission jedoch aufgrund des Akteninhalts in der Lage, festzustellen, dass ein Zusammenschluss nicht geeignet ist, eine beherrschende Stellung zu begründen oder zu verstärken, ist sie nicht verpflichtet, vorab festzustellen, ob das betreffende Unternehmen bereits eine beherrschende Stellung innehatte.

295    Dass die Kommission nicht geprüft hat, ob RWE vor dem Zusammenschluss ein marktbeherrschendes Unternehmen war, stellt also keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler dar.

296    Wie unten in Rn. 310 ausgeführt, ist das wichtigste quantitative Element, auf das sich die Klägerin stützt, um das Vorliegen einer bereits bestehenden marktbeherrschenden Stellung von RWE zu belegen, nämlich die von RWE eingenommene pivotale Stellung, gemessen durch den in der Oxera-Studie genannten RSI-Index, jedenfalls kein Indiz für eine solche Stellung.

297    Zweitens macht die Klägerin geltend, der fast vollständige Erwerb der Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarem Strom von E.ON ermögliche es RWE, sich als größter Erzeuger konventionellen Stroms noch weiter abzusetzen und zum größten Erzeuger erneuerbaren Stroms aufzusteigen. Diese Kombination würde RWE erhebliche Handlungsspielräume auf dem Markt eröffnen, was die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb angesichts der hohen strukturellen Eintrittsbarrieren und der Notwendigkeit sehr hoher Kapitalinvestitionen und einer langfristigen Planung verstärken würde.

298    Wie oben in den Rn. 290 und 292 festgestellt, hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie die Zunahme der Marktanteile als beschränkt und vorübergehend betrachtet hat. Außerdem weist die Kommission zu Recht darauf hin, dass der gemeinsame Marktanteil von E.ON und RWE an der Erzeugung von erneuerbarem Strom mit nur 0‑5 %, nämlich [vertraulich] %, sehr gering ist. Was die Erzeugung von Strom aus konventionellen Energiequellen betrifft, so ist RWE zwar der größte Anbieter in Deutschland (Marktanteil von [vertraulich] %), doch die Nettozunahme hält sich in Grenzen ([vertraulich] %) und ist jedenfalls vollständig auf kerntechnische Anlagen zurückzuführen, die bis spätestens Ende 2022 endgültig stillgelegt werden sollten (Rn. 45 des angefochtenen Beschlusses). Somit ist die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, zu dem Schluss gelangt, dass es auf den ersten Blick wenig wahrscheinlich sei, dass die Marktmacht von RWE auf dem deutschen Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels aufgrund der Zunahme erheblich gestärkt werde (Rn. 47 des angefochtenen Beschlusses).

299    Nach alledem hat die Kommission bei der Prüfung der Marktanteile von RWE keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

3)      Zur pivotalen Stellung von RWE auf dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels

300    Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe die insbesondere durch den RSI-Index belegte steigende Pivotalität von RWE auf dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels nicht abschließend untersucht.

301    Insbesondere im Licht der Oxera-Studie habe RWE bereits vor dem Zusammenschluss eine pivotale Stellung auf dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels innegehabt, was auf eine marktbeherrschende Stellung hindeute. Durch den Zusammenschluss steige die Pivotalität von RWE.

302    Wie Rn. 60 des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen ist, besteht eine RSI-Analyse darin, festzustellen, ob ein Unternehmen eine pivotale Stellung hat, also ob es für die Befriedigung der Nachfrage unverzichtbar ist. In der Praxis dient der RSI dazu, für sämtliche Stunden eines Jahres zu prüfen, ob die Kapazität der Wettbewerber zur Befriedigung der Nachfrage ausreichen würde, wenn die Kapazität des aus dem Zusammenschluss hervorgegangenen Unternehmens vom Markt genommen würde.

303    Hierzu hat die Kommission in Rn. 60 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, das Bundeskartellamt und die Monopolkommission (Deutschland) hätten die Auffassung vertreten, dass es auf Marktmacht hindeute, wenn ein Anbieter in mehr als 5 % der Stunden eines bestimmten Jahres eine pivotale Stellung innehabe.

304    Die Kommission hat zwar den Nutzen des RSI-Indexes eingeräumt, hat in Rn. 61 des angefochtenen Beschlusses aber die Auffassung vertreten, dass er bestimmte Grenzen habe, die es bei der Prüfung der Auswirkungen von Zusammenschlüssen zu berücksichtigen gelte. Ein Unternehmen, das keine pivotale Stellung innehabe, könne nämlich trotzdem die Großhandelspreise beeinflussen, z. B. durch Kapazitätszurückhaltungen. Ebenso könne es sein, dass für ein Unternehmen, das zwar eine pivotale Stellung innehabe, womöglich kaum Anreize bestünden, diese Stellung auszunutzen, da der Restbedarf, der von den anderen Wettbewerbern nicht abgedeckt werden könne, gering sei.

305    Die Kommission hat dargelegt, warum sie von einer eingeschränkten Nützlichkeit der RSI-Analysen für die Prüfung von Zusammenschlüssen ausgeht, diese aber dennoch berücksichtigt und geprüft. Insoweit steht es der Kommission im Rahmen ihres Ermessens in diesem Bereich frei, auf die Grenzen des auf dem RSI-Index beruhenden Wirtschaftsanalysemodells aufmerksam zu machen, die bei der Gesamtbeurteilung des Zusammenschlusses zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 116 bis 118). Daher kann die Klägerin der Kommission nicht vorwerfen, im Rahmen ihrer Prüfung der pivotalen Stellung von RWE die Grenzen der auf dem RSI-Index beruhenden Analysen berücksichtigt zu haben.

306    Außerdem hat die Kommission in Fn. 46 des angefochtenen Beschlusses – ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte – darauf hingewiesen, dass in Abhängigkeit von Dritten die Stärkung der pivotalen Stellung, d. h. die absolute Zunahme des Prozentsatzes aller Stunden des Jahres, in denen RWE für die Befriedigung der Nachfrage unverzichtbar sei, im Jahr 2017 zwischen 0,4 % und 1,1 % und im Jahr 2019 zwischen 0,7 % und 1,1 % betragen habe.

307    Außerdem ist Rn. 62 des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen, dass die verschiedenen der Kommission vorgelegten RSI-Analysen alle darin übereinstimmten, dass zum einen RWE kurzfristig, d. h. bis 2022, in deutlich weniger als 10 % aller Stunden des Jahres ein für die Befriedigung der Nachfrage unverzichtbarer Anbieter sei, und zum anderen, dass jede Zunahme der Zeiträume, in denen RWE unverzichtbar bleibe, spätestens nach dem für Ende 2022 vorgesehenen Atomausstieg wieder hinfällig sei.

308    Im Übrigen hat die Kommission in Rn. 64 des angefochtenen Beschlusses hervorgehoben, dass nur die Oxera-Studie ein Szenario mit relativ bedeutenderen Auswirkungen beinhalte, das auf einer Zurückhaltung von Windenergiekapazitäten und auf der Kontrolle der Anlagen von E.ON zur Erzeugung von Strom aus konventionellen Energiequellen basiere. Die Kommission vertrat jedoch die Ansicht, dass die Umstände des vorliegenden Falles die Annahmen, auf denen dieses Szenario beruhe, nicht untermauerten: Zum einen sei RWE nicht in der Lage, bei der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien auf Stundenbasis Kapazitäten zurückzuhalten, da sich Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien nicht für Zurückhaltungen eigneten; zum anderen verschaffe die Minderheitsbeteiligung an E.ON RWE nicht die volle Kontrolle über den laufenden Betrieb der bei E.ON verbliebenen Anlagen.

309    Das Vorbringen der Kommission, wonach sich zum einen die Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarem Strom nicht für Zurückhaltungen eigneten und zum anderen RWE nicht die Kontrolle über den laufenden Betrieb bei E.ON erlangen werde, ist, wie unten in den Rn. 322 und 391 festgestellt, insoweit erwiesen. Die Kommission konnte daher nachvollziehbarerweise davon ausgehen, dass die Annahmen, auf die sich das Modell der Oxera-Studie stützte, nicht die Realität widerspiegeln.

310    Außerdem kann die Oxera-Studie das Vorliegen einer erheblichen Behinderung des wirksamen Wettbewerbs nicht auf die pivotale Stellung von RWE stützen. Zunächst geht aus dieser Studie hervor, dass RWE im Jahr 2019 ohne den Zusammenschluss in 4 % der Stunden des Jahres eine pivotale Stellung innehätte und damit die Schwelle von 5 % unterschreite, die nach Ansicht des Bundeskartellamts und der Monopolkommission ein Indiz für Marktmacht darstellt, so dass nicht angenommen werden kann, dass RWE insoweit vor dem Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung innehatte. Ferner sei der Anstieg des RSI nach dem Zusammenschluss begrenzt. Für 2019 prognostiziert dieses Modell, dass der Anteil der Stunden des Jahres, in denen RWE eine pivotale Stellung innehat, von 4 % ohne den Zusammenschluss auf 5,5 % nach Durchführung des Zusammenschlusses ansteige. Für das Jahr 2022 geht das Modell ohne den Zusammenschluss von 8,6 % und nach Durchführung des Zusammenschlusses von 9,9 % aus. Dies bedeutet also, dass die Anzahl der Stunden, während denen RWE eine pivotale Stellung zukommt, 2019 um 1,5 Prozentpunkte und 2022 um 1,3 Prozentpunkte zunimmt. Somit unterscheidet sich die in der Oxera-Studie festgestellte Stärkung der pivotalen Stellung von RWE nicht grundlegend von der, die von den Dritten festgestellt und oben in Rn. 306 dargelegt wurde. Außerdem sind die RSI-Werte für das Jahr 2024 identisch, unabhängig davon, ob der Zusammenschluss stattfindet oder nicht, was zeigt, dass die pivotale Stellung von RWE aufgrund des Zusammenschlusses nach dem Atomausstieg nicht stärker wird.

311    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Klägerin keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der von der Kommission vorgenommenen Prüfung der pivotalen Stellung von RWE nachgewiesen hat.

4)      Zu den für RWE bestehenden Anreizen für strategische Kapazitätszurückhaltungen und für andere strategische Verwendungen ihres Erzeugungsportfolios

312    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe das Potenzial von Kapazitätszurückhaltungen durch RWE zu Unrecht verneint, indem sie zum einen auf die Geringfügigkeit des Zuwachses von RWE und zum anderen auf die Marktbefragung abgestellt habe, statt die sich zusätzlich ergebenden Spielräume zu bewerten. Hierzu trägt die Klägerin u. a. vor, dass der RWC-Index, der den Ertrag aus Kapazitätszurückhaltungen betrifft, zeige, dass RWE bereits vor dem Zusammenschluss aufgrund ihrer Marktmacht in der Lage gewesen sei, durch Kapazitätszurückhaltungen die Preisbildung zu beeinflussen und die Erträge ihres Portfolios zu optimieren. Durch den Zusammenschluss könne RWE zusätzliche Kapazitäten zurückhalten und noch mehr von Preiserhöhungen profitieren. So zeige der RWC-Index, dass die Zurückhaltung für RWE mehrere Tausend Stunden pro Jahr rentabel sei.

313    Strategische Kapazitätszurückhaltungen durch die Anbieter bestehen darin, einen Teil des von ihnen erzeugten Stroms physisch oder wirtschaftlich zurückzuhalten, um eine Preiserhöhung zu erzielen. Um daraus Profit erzielen zu können, ist eine Kombination von flexibler Erzeugung (Kohle oder Gas), die Zurückhaltungen möglich macht, und von einer Basiserzeugung (Kernenergie, Braunkohle und erneuerbare Energien) erforderlich, die betriebsbereit bleibt und von dem sich aus dieser Situation resultierenden Preisanstieg profitiert.

314    Als Erstes ist es Sache der Kommission, das Ergebnis des zur Beurteilung der Wettbewerbssituation herangezogenen Indizienbündels insgesamt zu bewerten. In Anwendung dieser Gesamtbeurteilung kann die Kommission bestimmte Umstände privilegieren und andere außer Acht lassen. Das Gericht prüft die Rechtmäßigkeit dieser Prüfung und ihre Begründung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 136).

315    Es ist festzustellen, dass die Kommission in Rn. 51 des angefochtenen Beschlusses die Auffassung vertreten hat, dass die von RWE erworbene zusätzliche Kapazität ihre Fähigkeit zu oder ihr Interesse an einer Kapazitätszurückhaltung nicht wesentlich verstärke.

316    Zum einen hätten Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien die niedrigsten Grenzkosten der flexiblen Erzeugungstechnologien, so dass sie für Zurückhaltungen am teuersten seien (Rn. 52 des angefochtenen Beschlusses). Die Stromerzeuger hätten im Rahmen der Marktbefragung bestätigt, dass diese Anlagen für gewöhnlich mit voller Kapazität betrieben würden und eine Zurückhaltung technisch zwar möglich sei, sich aus wirtschaftlicher Sicht jedoch nur in den seltenen Fällen als sinnvoll erweise, in denen die Großhandelspreise negativ seien (Rn. 53 des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission hat in Rn. 54 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass der Erwerb von Windparks aufgrund des Zusammenschlusses die Fähigkeit von RWE, Kapazität zurückzuhalten, in keiner Weise entscheidend erhöhe. Aus Rn. 57 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass auch das Interesse von RWE an einer Kapazitätszurückhaltung aufgrund dieses Erwerbs nicht steige, da der vorübergehende Nettoanstieg um [vertraulich] TWh an Kapazität aus erneuerbarer Windkraft nach der Regelung für den „Direktverkauf“ vergütet werde, so dass ein Preisanstieg auf dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels tendenziell dazu führe, dass eine Anlage, die vom Förderregime des EEG profitiere, einen erheblich geringeren Nutzen aus einem Preisanstieg auf diesem Markt ziehe.

317    Zum anderen hat die Kommission in den Rn. 55, 56 und 58 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die Zunahme der Kapazitätszurückhaltung von RWE durch den Erwerb der kerntechnischen Kapazitäten vorübergehend sei, sich auf [vertraulich] TWh bzw. 0‑1 %, und zwar [vertraulich] %, der Gesamtproduktion beschränke und kaum geeignet sei, sich spürbar auf das Interesse von RWE an einer strategischen Kapazitätszurückhaltung auszuwirken.

318    Die Kommission hat in Rn. 63 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass nur die Oxera-Studie ein Simulationsmodell verwendet habe, mit dem das Interesse von RWE an einer geplanten Kapazitätszurückhaltung eingeschätzt werden sollte. Aus diesem Modell schloss die Kommission, dass im Fall einer Zurückhaltung von Kapazitäten zur Erzeugung von Strom aus konventionellen Energiequellen wie Gas- und Kohlekraftwerken die Auswirkungen des Zusammenschlusses sehr begrenzt wären.

319    So ist dem angefochtenen Beschluss, insbesondere seiner Rn. 65, zu entnehmen, dass die Kommission die Oxera-Studie analysiert hat, mit der die Klägerin ihre Behauptungen hinsichtlich der Fähigkeit von und der Anreize für RWE, Kapazitäten zurückzuhalten, untermauern wollte, und zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die verschiedenen vorgelegten Analysen, einschließlich der Oxera-Studie selbst, nichts an ihren Schlussfolgerungen zu ändern vermochten.

320    Als Zweites ist zu prüfen, ob die Kommission bei ihrer Analyse der Gefahr einer Zurückhaltung von Erzeugungskapazitäten einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

321    Wie oben in den Rn. 290 und 292 ausgeführt, hat die Kommission keinen offensichtlichen Fehler begangen, als sie die Zunahme der Marktanteile als nicht erheblich betrachtet hat und davon ausgegangen ist, dass diese Erhöhung jedenfalls vorübergehend sei. Daraus ist zu schließen, dass sich ab dem für das Ende des Jahres 2022 vorgesehenen Atomausstieg keine zusätzliche Zurückhaltungskapazität aus dem Zusammenschluss mehr ergeben kann. Diese Feststellung wird durch die Oxera-Studie bestätigt, deren Modell zeigt, dass es für das Jahr 2024 im Vergleich zur Situation vor dem Zusammenschluss keinen zusätzlichen Anreiz für Zurückhaltungen geben wird.

322    Was die nur für kurze Zeit, und zwar bis zum für Ende 2022 vorgesehenen Atomausstieg, zusätzlich bestehende(n) Fähigkeit von oder Anreize für Zurückhaltungen anbelangt, so hat die Kommission im Hinblick auf die Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien zum einen festgestellt, dass die Teilnehmer an der Marktbefragung ausgeführt haben, dass mit erneuerbaren Energien betriebene Anlagen nicht für Zurückhaltungsstrategien geeignet seien. Die Klägerin wendet sich auch nicht gegen die Feststellung der Kommission, dass die Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien die niedrigsten Grenzkosten aller Energieanlagen aufwiesen, so dass sie am rentabelsten seien und sich am wenigsten für Zurückhaltungen eigneten. Die Kommission hat auch geprüft, ob der vorübergehende Erwerb zusätzlicher Kapazitäten aus erneuerbaren Energien RWE zu Zurückhaltungen bei ihren anderen, nicht auf der Basis von erneuerbaren Energien betriebenen Anlagen verleiten könnte. In diesem Zusammenhang hat sie festgestellt, dass ein eventueller Anstieg des Preises, der durch die Zurückhaltung anderer Energieanlagen verursacht werde, eine geringere Vergütung für die Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien auf der Grundlage des EEG bedeuten würde. Somit sei zum temporären Charakter der möglichen Zunahme der Zurückhaltungskapazität auch zu sagen, dass jeglicher zusätzliche Anreiz für kurzfristige Zurückhaltungen, basierend auf Kapazitäten zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, begrenzt wäre.

323    Was zum anderen den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an den Kernkraftwerken Emsland und Gundremmingen C betrifft, wären die zusätzlichen Kapazitäten oder Anreize für eine Zurückhaltung in Anbetracht einer Stilllegung dieser Kraftwerke bis spätestens Ende 2022 vorübergehend und begrenzt. Außerdem ist festzustellen, dass in der Oxera-Studie kein erheblicher Anstieg der Anreize für Zurückhaltungen nachgewiesen wurde. Was Strom aus konventionellen Energiequellen betrifft, so zeigt die Oxera-Studie keine erhebliche Änderung der Preise und der Anzahl der profitablen Stunden im Zusammenhang mit der Herausnahme eines Gaskraftwerks nach dem Zusammenschluss. Im Fall der Herausnahme eines Kohlekraftwerks erhöht sich die Zahl der profitablen Stunden für die Jahre 2019 und 2022 etwas und ist für das Jahr 2024 nahezu gleich.

324    Nach alledem ist festzustellen, dass der Kommission bei ihrer Analyse der Fähigkeit von und der Anreize für RWE, nach dem Zusammenschluss Kapazitäten zurückzuhalten, kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist.

325    Als Drittes sind die zusätzlichen Bedenken der Klägerin im Zusammenhang mit der potenziellen strategischen Verwendung des Erzeugungsportfolios von RWE zu prüfen, nämlich erstens die Erstellung bewusst falscher Prognosen im Bereich der erneuerbaren Energie Wind, zweitens die strategische Nutzung der Zeitdifferenz zwischen dem Day-Ahead-Markt und dem volatileren Intraday-Markt und drittens Preismanipulationen.

326    Hierzu hat die Kommission in Rn. 71 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass die Rentabilität einer auf bewusst falschen Prognosen beruhenden Strategie zur Generierung einer stärkeren Nachfrage nach Regelenergie, die durch höhere Preise gekennzeichnet sei, schwer nachzuweisen sei und dass zudem den Ausführungen der meisten Wettbewerber, die an der Marktbefragung teilgenommen hätten, zu entnehmen sei, dass die Anbieter im Allgemeinen kein Interesse an der Vorlage falscher Prognosen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien hätten. Die Kommission kam in Rn. 72 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass Auswirkungen des Zusammenschlusses nur in zwei alternativen Szenarien möglich seien, nämlich wenn die Kapazitäten von RWE zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien erheblich stiegen oder wenn die Stellung von RWE auf dem Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen gestärkt würde. Da die Klägerin weder die Relevanz dieser beiden Szenarien in Abrede gestellt noch andere Konstellationen möglicher Auswirkungen des Zusammenschlusses dargelegt hat, ist nur zu prüfen, ob diese beiden Szenarien im vorliegenden Fall eingetreten sind.

327    Hinsichtlich der Kapazität zur Erzeugung von Strom aus Windkraft und der Kapazitäten im Bereich Regelenergie und Systemdienstleistungen wird jedoch oben in Rn. 290 und unten in Rn. 331 festgestellt, dass die Kommission davon ausgehen konnte, dass die auf den Zusammenschluss zurückzuführenden Zunahmen beschränkt und vorübergehend seien, ohne dabei einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen. Außerdem stehen die Fähigkeit von RWE, die Preise auf irgendeine Art und Weise zu bestimmen, und die hierfür bestehenden Anreize nicht mit der Fähigkeit zu und den Anreizen für Kapazitätszurückhaltungen oder mit dem Regelenergiemarkt in Verbindung, da der Verkauf auf dem Day-Ahead-Markt und der Verkauf auf dem Intraday-Markt auf demselben Markt, nämlich dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels, erfolgen. Der beschränkte und vorübergehende Charakter jeder Zunahme der Kapazität von RWE führt zum gleichen Ergebnis: Die Fähigkeit von RWE, Preise zu manipulieren, und die Anreize, dies zu tun, können aufgrund des Zusammenschlusses nur beschränkt und vorübergehend zunehmen. Folglich ist keines der beiden oben in Rn. 326 beschriebenen Szenarien eingetreten.

328    Jedenfalls sind die Kapazitätszunahmen ungeachtet dessen, welche Auswirkungen sie auf kurze Sicht haben könnten, ungewiss, und die Klägerin hat die erforderlichen Beweisanforderungen nicht durch den Nachweis erfüllt, dass es in dieser Hinsicht einen ernsthaften Anhaltspunkt für eine erhebliche Behinderung des wirksamen Wettbewerbs gebe.

329    Folglich ist festzustellen, dass die Kommission bei ihrer Prüfung der zusätzlichen Bedenken, die sich aus einer strategischen Verwendung des Erzeugungsportfolios von RWE ergeben, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

5)      Zur pivotalen Stellung von RWE auf dem Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen

330    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass RWE bereits vor dem Zusammenschluss ein zentraler Anbieter auf dem Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen gewesen sei und dass sich die Zahl der Stunden, in denen RWE eine pivotale Rolle spiele, durch den Zusammenschluss zwar nicht verändere, dass aber E.ON als Wettbewerberin verschwinde. Die Kommission sei auch nicht spezifisch auf den Umstand eingegangen, dass RWE im Bereich Regelenergie und Systemdienstleistungen eine pivotale Stellung innehabe.

331    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Rn. 46 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die sich aus dem Zusammenschluss ergebende Zunahme auf dem Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen sehr beschränkt und vorübergehend sei. Sie hat darauf hingewiesen, dass die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien üblicherweise nicht Regelenergiezwecken diene und dass die Kapazitäten aus kerntechnischen Anlagen für diese Verwendung präqualifiziert sein müssten. Diese Präqualifikation ergebe sich aus dem Verfahren, das ein Anbieter einleite, der mit einer Erzeugungseinheit am Regelenergiemarkt teilnehmen möchte und der sich bei dem Übertragungsnetzbetreiber angemeldet habe, der für die Ausschreibung von Regelenergie zuständig sei. Was die erworbenen Kapazitäten aus kerntechnischen Anlagen betreffe, sei das Kraftwerk Emsland zum einen zwar präqualifiziert, RWE habe aber bereits über sämtliche Rechte für die Vermarktung von Regelenergie verfügt. Zum anderen sei das Kraftwerk Gundremmingen C für die Bildung von Primärreserven, d. h. der ersten Stromreserven, die im Fall einer Instabilität des Netzes automatisch aktiviert würden, und für die Bildung von Minutenreserven, d. h. der dritten Stromreserven, die vom Übertragungsnetzbetreiber auf der Grundlage eines Anpassungsmechanismus aktiviert würden, präqualifiziert, habe aber nie an der Versteigerung von Primärreserven teilgenommen.

332    Es ist festzustellen, dass die Klägerin einräumt, dass sich die Zahl der Stunden, in denen RWE eine pivotale Rolle auf dem Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen innehat, durch den Zusammenschluss nicht ändert. Außerdem wird in der Oxera-Studie dargelegt, dass Kernkraftwerke in der Praxis nicht für Regelenergiezwecke verwendet werden, und es wird ausgeführt, dass unmittelbare Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen nicht wahrscheinlich seien.

333    Der Zusammenschluss hat daher keinen Einfluss darauf, wie unverzichtbar RWE für die Befriedigung des gesamten Strombedarfs auf dem Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen ist. Die Kommission ist daher, ohne einen offensichtlichen Fehler zu begehen, zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die pivotale Stellung von RWE auf dem Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen nicht weiter verstärken werde.

334    Was als Zweites die Auswirkungen des Verschwindens von E.ON als Wettbewerberin betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Oxera-Studie die Stärkung der Stellung von RWE auf dem Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen auf diesem Verschwinden beruhe. Das Verhältnis zwischen RWE und E.ON wird unten in den Rn. 339 bis 391 analysiert, aber es kann bereits jetzt festgehalten werden, dass E.ON mit den geringen Erzeugungskapazitäten, die ihr nach dem Verkauf von Uniper an Fortum verblieben, bereits vor der Durchführung des Zusammenschlusses auf dem Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen nicht mehr von maßgeblicher Bedeutung sein konnte. Zudem dienten die durch den Zusammenschluss an RWE übertragenen Anlagen aus den oben in Rn. 331 dargelegten Gründen vor dem Zusammenschluss nicht der Erzeugung von Regelenergie.

335    Der Klägerin ist es also nicht gelungen, die Richtigkeit der Feststellungen in Frage zu stellen, die die Kommission im angefochtenen Beschluss zur pivotalen Stellung von RWE auf dem Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen getroffen hat.

6)      Schlussfolgerung

336    Nach alledem hat die Kommission vorbehaltlich der Prüfung der Begründetheit des Vorbringens der Klägerin zur Nähe der am Zusammenschluss Beteiligten (siehe Rn. 339 bis 346 unten) und zur dauerhaften Eliminierung von E.ON (siehe Rn. 347 bis 365 unten) bei ihrer Analyse der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Marktmacht von RWE keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen. Insoweit hat sie zu Recht die Auffassung vertreten, dass aus der Prüfung der durch den Zusammenschluss erworbenen Marktanteile sowie anderer Faktoren nicht geschlossen werden könne, dass der Zusammenschluss geeignet sei, die Marktmacht von RWE erheblich zu verändern. Folglich ist die von der Klägerin erhobene Rüge einer fehlerhaften Beurteilung der Marktmacht von RWE zurückzuweisen.

e)      Vierte Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Beziehung zwischen RWE und E.ON

337    Die Klägerin bringt im Wesentlichen vor, dass die Kommission die Beziehung zwischen RWE und E.ON nicht sachgerecht geprüft habe, insbesondere die Verflechtungen und die Nähe zwischen RWE und E.ON, die dauerhafte Eliminierung von E.ON, den steuernden Einfluss von RWE auf E.ON sowie die von RWE und E.ON beschlossene Aufteilung des Strommarktes. Hätte die Kommission den Sachverhalt im Zusammenhang mit der Beziehung zwischen RWE und E.ON vollständig und korrekt ermittelt und eine sorgfältige wirtschaftliche Beurteilung vorgenommen, hätte sie den Zusammenschluss nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt.

338    Die Kommission, unterstützt durch E.ON und RWE, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

1)      Zu den Verflechtungen und der Nähe zwischen RWE und E.ON

339    Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission die Marktmacht von RWE fehlerhaft bestimmt habe, indem sie die Verflechtungen und die Nähe zwischen RWE und E.ON nicht berücksichtigt habe.

340    Was erstens die direkten oder indirekten Beteiligungen von RWE und E.ON an Energieunternehmen in Deutschland betrifft, macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, da sie die Beteiligungen von RWE und E.ON in der gesamten Energiewirtschaft nicht berücksichtigt habe.

341    Die Klägerin erläutert jedoch nicht, wie sich diese Beteiligungen auf die Untersuchung der mit dem Zusammenschluss verbundenen Behinderungen des Wettbewerbs ausgewirkt haben könnten. Sie beschränkt sich nämlich darauf, die Zahl der Beteiligungen von RWE und E.ON an anderen Unternehmen anzugeben, ohne zu erläutern, ob diese Unternehmen auf den relevanten Märkten tätig sind, welche Stellung sie auf dem Markt einnehmen, wie ihre Beziehung zu RWE und E.ON den Wettbewerb behindern könnte oder ob diese hypothetischen Behinderungen mit dem Zusammenschluss in Verbindung stünden.

342    Außerdem hat die Kommission bei ihrer Beurteilung des Zusammenschlusses in der Tat auch die Erzeugungskapazitäten von Tochtergesellschaften und Unternehmen berücksichtigt, an denen RWE und E.ON beteiligt sind. So hat die Kommission bei den in Tabelle 1 des angefochtenen Beschlusses RWE und E.ON zugeordneten Marktanteilen RWE und E.ON sämtliche Erzeugungskapazitäten zugerechnet, die diese direkt oder indirekt über Tochtergesellschaften kontrollieren. Folglich hat die Kommission sowohl die unmittelbaren als auch die mittelbaren Beteiligungen von RWE und E.ON durchaus berücksichtigt.

343    Zweitens trägt die Klägerin zu ihrem Vorbringen, dass E.ON und RWE sehr ähnlich strukturiert und positioniert seien, im Wesentlichen vor, dass diese Nähe ein zusätzliches Indiz für die Marktmacht von RWE sei.

344    Insoweit erläutert die Klägerin jedoch nicht, wie die Parallelität der Entwicklung der Börsenkurse dieser beiden Unternehmen sowie des festgestellten Betriebsergebnisses oder der Umstand, dass E.ON und RWE ihren Sitz in derselben Stadt haben, die Anwendung des Fusionsrechts betreffe und insbesondere, wie sich diese Faktoren auf die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung von RWE auswirken könnten. Hierbei handelt es sich vielmehr um beiläufige Faktoren. Dass beide Unternehmen ihren Sitz in Essen (Deutschland) haben, ist für die Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels nämlich nicht von Bedeutung. Die parallele Entwicklung ihrer Erträge und ihres Börsenwerts lässt sich durch die normale Entwicklung zweier im selben Bereich tätiger Unternehmen erklären.

345    Drittens legt die Klägerin auch nicht dar, auf welche Art die bloße räumliche Nähe der Mitarbeiter von RWE und E.ON zu einer Abstimmung zwischen den beiden Unternehmen führen könnte, die gegen Art. 101 AEUV oder gegen das Fusionsrecht verstößt.

346    Folglich hat die Kommission in Bezug auf die Verflechtungen und die Nähe zwischen RWE und E.ON keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

2)      Zur dauerhaften Eliminierung von E.ON

347    Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission das Verschwinden von E.ON und die damit verbundenen negativen Folgen für den Wettbewerb nicht geprüft habe, was das zentrale Wettbewerbsproblem des Zusammenschlusses darstelle.

348    Im Wesentlichen habe E.ON gegenüber RWE einen gesunden Wettbewerbsdruck entfaltet, und der dauerhafte Wegfall von E.ON als potenzieller Wettbewerberin im Bereich der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien sowie auf dem Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen sei die bedeutendste Folge dieses Zusammenschlusses. So habe die Kommission im Hinblick auf erstens die Nähe des Wettbewerbs der am Zusammenschluss Beteiligten, zweitens die Fähigkeit dieser Unternehmen, kleinere Wettbewerber am Wachstum zu hindern, und drittens die Beseitigung einer wichtigen Wettbewerbskraft durch den Zusammenschluss die Ziff. 27 der Leitlinien verkannt.

349    Wie oben in Rn. 185 ausgeführt, ist die Kommission durch ihre Mitteilungen im Bereich der Kontrolle von Zusammenschlüssen gebunden, soweit diese Mitteilungen nicht von den Vorschriften des Vertrags und der Verordnung Nr. 139/2004 abweichen (Urteile vom 3. April 2003, BaByliss/Kommission, T‑114/02, EU:T:2003:100, Rn. 143, und vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 58).

350    Die Leitlinien verlangen jedoch nicht in allen Fällen eine Prüfung sämtlicher darin genannter Faktoren; die Kommission verfügt über ein Ermessen, das es ihr erlaubt, bestimmte Faktoren in Betracht zu ziehen oder unberücksichtigt zu lassen (Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 274).

351    Die Kontrolle des angefochtenen Beschlusses durch das Gericht kann sich schließlich nicht allein darauf beschränken, zu untersuchen, ob die Kommission Faktoren, die in den Leitlinien als maßgeblich für die Beurteilung der Auswirkungen eines Zusammenschlusses auf den Wettbewerb genannt werden, in Betracht gezogen oder unbeachtet gelassen hat. Das Gericht muss im Rahmen dieser Kontrolle auch prüfen, ob etwaige Versäumnisse der Kommission das Ergebnis der Prüfung in Frage stellen können, wonach der vorliegende Zusammenschluss keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2007, Sun Chemical Group u. a./Kommission, T‑282/06, EU:T:2007:203, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

352    Aus dem angefochtenen Beschluss geht hervor, dass die Marktanteile von RWE vor dem Zusammenschluss (im Jahr 2017) begrenzt waren. Sie beliefen sich auf 20‑30 % (und zwar [vertraulich] %) des Marktes der Gesamtstromerzeugung in Deutschland, auf 30‑40 % (und zwar [vertraulich] %) des Marktes der Erzeugung von konventionellem Strom in Deutschland und auf 0‑5 % (und zwar [vertraulich] %) des Marktes der Erzeugung von erneuerbarem Strom in Deutschland. Die jeweiligen Zunahmen auf diesen Märkten nach dem Zusammenschluss seien beschränkt und beliefen sich auf 0‑1 % (und zwar [vertraulich] %), 0‑1 % (und zwar [vertraulich] %) und 0‑1 % (und zwar [vertraulich] %) (Rn. 27 bis 29 des angefochtenen Beschlusses). Die Zunahme werde sogar noch geringer ausfallen, sobald nach Abschluss des Zusammenschlusses M.8870 bestimmte Erzeugungsanlagen von Innogy endgültig auf E.ON übertragen würden, so dass die Zunahme der Marktanteile von RWE auf diesen Märkten nach dem Zusammenschluss [vertraulich] %, [vertraulich] % und [vertraulich] % betragen werde (Rn. 33 und 34 des angefochtenen Beschlusses).

353    Zur Erzeugung von erneuerbarem Strom hat die Kommission mit Blick auf die Marktanteile zu Recht festgestellt, dass sie fragmentiert sei, sich auf zahlreiche Anbieter aufteile, dass RWE mit [vertraulich] TWh im Jahr 2017 über einen Marktanteil von 0‑5 %, und zwar von weniger als [vertraulich] %, verfügt habe und dass die Erzeugungsanlagen von E.ON mit [vertraulich] TWh, also 0‑1 % (nämlich [vertraulich] %), einem noch geringeren Anteil entsprochen hätten (Rn. 29 des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission hat ferner festgestellt, dass sich der Anteil von RWE an der gesamten installierten Kapazität auf 0‑5 %, nämlich [vertraulich] %, belaufe und dass die Kapazität der Anlagen von E.ON zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen etwa [vertraulich] MW betrage, was 0‑1 %, und zwar etwa [vertraulich] %, der installierten Kapazität zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Deutschland entspreche (Fn. 31 des angefochtenen Beschlusses).

354    Wie sich aus den vorstehenden Rn. 290, 292 und 321 ergibt, ist die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Zunahme der Marktanteile von RWE aufgrund des Zusammenschlusses beschränkt und vorübergehend sei.

355    Nach alledem können, obwohl die Kommission bestimmte Faktoren nicht geprüft hat, auf die in Ziff. 27 der Leitlinien abgestellt wird, solche Versäumnisse ihre Schlussfolgerung, dass der Zusammenschluss keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gebe, nicht in Frage stellen.

356    Außerdem verkennt die Klägerin die Tragweite von Ziff. 27 der Leitlinien. In den Leitlinien werden Wettbewerbselemente genannt, die im Zusammenhang mit den nicht koordinierten Wirkungen zu prüfen sind. Es ist zu klären, ob erstens die fusionierenden Unternehmen nahe Wettbewerber sind (Ziff. 28 bis 30), ob zweitens das fusionierte Unternehmen die Wettbewerber am Wachstum hindern kann (Ziff. 36) oder ob drittens durch den Zusammenschluss eine wichtige Wettbewerbskraft beseitigt wird (Ziff. 37 und 38).

357    Insoweit genügt erstens der Hinweis, dass der Zusammenschluss RWE und die Vermögenswerte von E.ON betrifft, nicht RWE und E.ON selbst, so dass E.ON durch den Zusammenschluss nicht verschwinden wird. Zweitens scheint die Klägerin geltend zu machen, dass RWE und E.ON nahe Wettbewerberinnen seien und andere Wettbewerber am Wachstum hindern könnten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob zum einen die von RWE erworbenen Vermögenswerte von E.ON und RWE nahe Wettbewerber sind und ob zum anderen die von RWE erworbenen Vermögenswerte von E.ON und RWE andere Wettbewerber am Wachstum hindern können. Die Klägerin geht von der unzutreffenden Prämisse aus, RWE habe durch ihre Minderheitsbeteiligung an E.ON dieses Unternehmen vollständig erworben, was – wie unten in den Rn. 366 bis 391 dargelegt – nicht zutrifft.

358    Was drittens das durch den Zusammenschluss bedingte Verschwinden des Wettbewerbsdrucks betrifft, den E.ON auf RWE ausgeübt habe, ist festzustellen, dass das bloße Nachlassen des Wettbewerbsdrucks, das insbesondere auf dem Wegfall eines Unternehmens beruht, dessen Rolle größer ist, als es seine Marktanteile vermuten ließen, für sich genommen für den Nachweis einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs nicht ausreicht.

359    Hierzu ist festzustellen, dass die Verringerung der Erzeugungskapazität von E.ON nicht nur durch den Zusammenschluss bedingt ist.

360    Zum einen ist nämlich, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte, festzustellen, dass E.ON bereits selbständig die Entscheidung getroffen hatte, essenzielle Teile ihres Erzeugungsgeschäfts im Bereich des konventionellen Stroms – im Wesentlichen mit Ausnahme der Kapazitäten ihrer Kernkraftwerke – an ihre ehemalige Tochtergesellschaft Uniper abzutreten und den von ihr an Uniper gehaltenen Anteil an Fortum zu verkaufen.

361    Zum anderen hat der deutsche Gesetzgeber beschlossen, dass die Kernkraftwerke von E.ON bis spätestens Ende 2022 stillzulegen seien, so dass E.ON, selbst wenn sie diese Anlagen behalten hätte, sie ab diesem Zeitpunkt nicht mehr hätte nutzen können. Somit war die Stromerzeugung durch E.ON bereits vor dem Zusammenschluss stark zurückgegangen und dazu angetan, noch weiter abzunehmen.

362    Darüber hinaus lässt sich der Tabelle 1 des angefochtenen Beschlusses entnehmen, dass nur ungefähr [vertraulich] der Gesamtproduktion von E.ON im Jahr 2017 von RWE erworben wird. Hinsichtlich Strom aus konventionellen Energiequellen entspricht der von RWE erworbene Teil nur etwa [vertraulich] der Gesamtproduktion von E.ON im Jahr 2017 (Tabelle 2 des angefochtenen Beschlusses). Was die erneuerbaren Energien angeht, so erwirbt RWE vier Siebtel der Erzeugung von E.ON (Tabelle 3 des angefochtenen Beschlusses). E.ON verschwindet nach dem Zusammenschluss also nicht als Wettbewerberin.

363    Auch wenn die Bedeutung von E.ON auf dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels abnimmt, liegt dies folglich nicht ausschließlich am Zusammenschluss, sondern auch an den anderen von dieser Wirtschaftsteilnehmerin getätigten Transaktionen.

364    Im Übrigen hat die Kommission auch Kriterien berücksichtigt, die über die Marktanteile hinausgingen (Rn. 48 ff. des angefochtenen Beschlusses). Auch wenn die Kommission das Wettbewerbsverhältnis zwischen E.ON und RWE in erster Linie auf der Grundlage der Analyse der Marktanteile beurteilt hat, ändert dies nichts daran, dass sie andere Faktoren wie die pivotale Stellung oder die Zurückhaltungskapazitäten von RWE (siehe Rn. 267 oben) sowie die Minderheitsbeteiligung von RWE an E.ON (siehe Rn. 372 unten) geprüft hat.

365    Nach alledem hat die Kommission Ziff. 27 der Leitlinien nicht verkannt.

3)      Zum steuernden Einfluss von RWE auf E.ON

366    Die Klägerin macht geltend, dass die Beteiligung an E.ON RWE nicht nur steuernden Einfluss auf wichtige Unternehmensentscheidungen vermittele, sondern Wirkung und eigentlicher Zweck der Gesamttransaktion vielmehr darin bestünden, es RWE zu ermöglichen, das operative Geschäft von E.ON zu kontrollieren und Wettbewerb seitens E.ON bei der Stromerzeugung konkret und nachhaltig auszuschließen, wodurch verhindert werde, dass E.ON noch einmal ein Erzeugungsgeschäft aufbaue und zu RWE in Wettbewerb trete. Somit könne RWE durch ihren Aktionärseinfluss bei E.ON den Wettbewerb beschränken und ihre Position in der Erzeugung festigen.

367    Vorab ist klarzustellen, dass das Gericht im Rahmen der materiellen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nicht zu prüfen hat, ob es sich beim von RWE auf E.ON ausgeübten Einfluss um einen bestimmenden Einfluss im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 handelte, sondern nur, ob RWE einen steuernden Einfluss auf E.ON ausüben konnte (siehe Rn. 76 des angefochtenen Beschlusses), so dass der Zusammenschluss zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs im Sinne von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 führen konnte.

368    Wie oben in Rn. 114 ausgeführt, ist, wenn die Auslegung des Wortlauts einer Bestimmung des Unionsrechts nicht die Beurteilung ihrer genauen Bedeutung ermöglicht, bei der Auslegung der betreffenden Regelung sowohl auf ihre Zielsetzung als auch auf ihre Systematik abzustellen.

369    Zu den Zielsetzungen der Verordnung Nr. 139/2004 ergibt sich aus ihren Erwägungsgründen 5, 6 und 8, dass mit ihr gewährleistet werden soll, dass Umstrukturierungen von Unternehmen keine dauerhafte Schädigung des Wettbewerbs verursachen. Das Unionsrecht muss nach diesen Erwägungsgründen deshalb für Zusammenschlüsse, die geeignet sind, wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich zu beeinträchtigen, Vorschriften enthalten, die eine wirksame Kontrolle sämtlicher Zusammenschlüsse im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur in der Union ermöglichen. Daher sollte die Verordnung für bedeutsame Strukturveränderungen gelten, deren Auswirkungen auf den Markt die Grenzen eines Mitgliedstaats überschreiten (Urteil vom 7. September 2017, Austria Asphalt, C‑248/16, EU:C:2017:643, Rn. 20 und 21).

370    In wettbewerbsrechtlicher Hinsicht können Minderheitsbeteiligungen an Wettbewerbern auch koordinierte wettbewerbswidrige Auswirkungen haben, indem sie Marktteilnehmern die Möglichkeit und den Anreiz bieten können, sich stillschweigend oder ausdrücklich abzustimmen, um höhere Gewinne als bei wirksamem Wettbewerb zu erzielen.

371    Daher muss die Kommission im Rahmen der Untersuchung des Zusammenschlusses prüfen, ob die von RWE an E.ON erworbene Minderheitsbeteiligung zu einer erheblichen Behinderung des wirksamen Wettbewerbs im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben führen kann.

372    Im vorliegenden Fall hat die Kommission im angefochtenen Beschluss zum einen die horizontalen Auswirkungen, d. h. die Verringerung des Interesses von RWE und E.ON, auf dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels miteinander in Wettbewerb zu treten, und zum anderen die vertikalen Auswirkungen untersucht, die als die Fähigkeit oder das Interesse von RWE und E.ON definiert werden, vor- und nachgelagerte Wettbewerber zu verdrängen (Rn. 75 und 79 bis 95 des angefochtenen Beschlusses).

373    Die Kommission, RWE und E.ON beziehen sich auf das zwischen RWE und E.ON geschlossene Investor-Relationship-Agreement, um den Einfluss, den RWE im Anschluss an den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung von 16,67 % an E.ON haben könnte, zu relativieren.

374    Erstens ergibt sich aus dieser Vereinbarung, dass die Stimmrechte, die RWE in der Hauptversammlung ausüben kann, unabhängig von der Anwesenheitsquote auf 16,67 % beschränkt sind (Rn. 76 des angefochtenen Beschlusses).

375    Aufgrund dieser Beschränkung hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie davon ausging, dass RWE keinen erheblichen Einfluss auf den täglichen Betrieb der Erzeugungsanlagen von E.ON haben werde (Rn. 81 des angefochtenen Beschlusses). Selbst wenn RWE durch diese Beteiligung zum größten Anteilseigner von E.ON wird und sich die Aktien von E.ON in Streubesitz befinden, ändert dies nichts daran, dass die Stimmrechte von RWE stets auf das Ausmaß ihrer Beteiligung beschränkt sind, unabhängig von der Anzahl der Aktien, die bei der Abstimmung in der Hauptversammlung vertreten sind, was RWE de facto daran hindert, strategische Entscheidungen zu treffen oder sogar durch eine Sperrminorität in der Hauptversammlung eine negative Kontrolle über E.ON zu erlangen.

376    Die Streuung der Aktionärsbasis bei E.ON-Aktien vermag diese Beurteilung nicht in Frage zu stellen. Denn auch wenn die Anwesenheitsquote in den Hauptversammlungen niedriger ausfallen kann, wenn sich die Aktien eines Unternehmens in Streubesitz befinden, sind die Stimmrechte von RWE stets auf 16,67 % beschränkt.

377    Darüber hinaus verpflichtet sich RWE durch diese Vereinbarung, ihre Stimmrechte nicht gemeinsam mit anderen Minderheitsaktionären auszuüben, keine zusätzlichen Anteile zu erwerben, die Rechts- und Finanzstruktur sowie das Management von E.ON nicht zu verändern und ihre Stimmrechte nicht gegen den Verwaltungsrat oder den Aufsichtsrat einzusetzen.

378    All diese Beschränkungen der Ausübung der Gesellschafterrechte von RWE verringern den Einfluss, den RWE auf E.ON ausüben kann.

379    Die Klägerin vertritt zu Unrecht die Auffassung, dass das Investor-Relationship-Agreement aufgrund seiner vertraglichen Natur irrelevant sei.

380    Hierzu ist festzustellen, dass im Rahmen der Anwendung von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 die Kontrolle durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet wird, die die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auszuüben. Im Umkehrschluss kann sich die fehlende Möglichkeit, einen bestimmenden Einfluss auszuüben, aus Vertragsbestimmungen ergeben. Entsprechend muss sich das Vorliegen oder Fehlen eines steuernden Einflusses, der zur Entstehung einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs im Sinne von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 beitragen kann, aus einer vertraglichen Bestimmung ergeben können.

381    Jedenfalls muss unabhängig von der Behandlung dieser Vereinbarung nach deutschem Recht die Nichteinhaltung des Investor-Relationship-Agreements oder eine Änderung desselben als neuer Zusammenschluss geprüft werden, der gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 angemeldet werden muss, soweit RWE durch diese Nichteinhaltung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht einen bestimmenden Einfluss über E.ON erlangen könnte.

382    Das Vorbringen, RWE werde infolge des Erwerbs der Minderheitsbeteiligung einen steuernden Einfluss auf E.ON erlangen, da RWE zum größten Einzelaktionär von E.ON werde und sich die Aktien von E.ON in Streubesitz befänden, wird also nicht durch Tatsachen gestützt. Der Klägerin misslingt daher der Nachweis eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers der Kommission in dieser Hinsicht.

383    Zweitens ist hinsichtlich der Auswirkung, die eine geringe Teilnahme an den Hauptversammlungen auf die Fähigkeit von RWE hat, E.ON zu beeinflussen, darauf hinzuweisen, dass die im Investor-Relationship-Agreement vorgesehene Beschränkung der Stimmrechte von RWE diese davon abhält, einen steuernden Einfluss auf die Hauptversammlung von E.ON zu nehmen. Auch wenn, wie von der Klägerin vorgebracht, die Anwesenheitsquote bei einer Hauptversammlung von E.ON in den sieben Jahren vor dem Zusammenschluss durchschnittlich nur 38,35 % betragen hat, könnte RWE ihre Stimmrechte nicht in einem Ausmaß von über 6,39 % des Grundkapitals von E.ON ausüben. Das Argument, wonach die gemeinsame Historie und Kultur und die Überlappung ihrer Tätigkeiten auf dem Markt darauf hindeute, dass RWE innerhalb von E.ON nicht nur finanzielle, sondern auch strategische Interessen verfolge, ist im Licht der Bestimmungen des Investor-Relationship-Agreements unerheblich.

384    Drittens macht die Klägerin geltend, die Kommission habe den gebündelten Einfluss von RWE und [vertraulich] nicht angemessen geprüft. [vertraulich] habe zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses etwa 6,5 % der Anteile an E.ON und rund 6,18 % der Anteile an RWE gehalten.

385    Es ist darauf hinzuweisen, dass „gemeinsame Beteiligungen“, mit anderen Worten das Halten von Aktien an konkurrierenden Unternehmen durch dieselben institutionellen Anleger und deren nicht koordinierte Wirkungen auf den Wettbewerb, von der Kommission vor Kurzem berücksichtigt wurden.

386    In ihrer Entscheidungspraxis hat die Kommission die Auffassung vertreten, dass bei Vorhandensein gemeinsamer Beteiligungen, wie sie in bestimmten Bereichen vorkämen, der Konzentrationsgrad der Marktstruktur und folglich die Marktmacht der Parteien durch die Maßzahlen für die Marktkonzentration (z. B. Marktanteile oder der HHI) unterschätzt werden könnten. Gemeinsame Beteiligungen in diesen Wirtschaftszweigen sollten daher bei der Beurteilung jeder erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs als Teil des Kontexts betrachtet werden (siehe z. B. Beschluss C[2017] 1946 final der Kommission vom 27. März 2017 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen [Sache M.7932 – Dow/DuPont], Rn. 4 und 81, sowie Beschluss C[2018] 1709 final der Kommission vom 21. März 2018 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen [Sache M.8084 – Bayer/Monsanto], Rn. 224 und 3303).

387    Selbst wenn man also davon ausgeht, dass gemeinsame Beteiligungen zu einer Verringerung des Wettbewerbsdrucks auf die anderen Wettbewerber führen könnten, reicht die bloße Wirkung dieser Verringerung für sich genommen grundsätzlich nicht aus, um im Rahmen einer auf nicht koordinierte Wirkungen gestützten Schadenstheorie eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs nachzuweisen.

388    Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keine Anhaltspunkte vorgetragen, die es plausibel erscheinen lassen, dass sich [vertraulich] und RWE in den Hauptversammlungen von E.ON auf irgendeine Art und Weise abstimmen. Insoweit hat die Klägerin nicht erläutert, wie [vertraulich] die Verwaltung von E.ON oder RWE beeinflusse. Selbst wenn man von der Möglichkeit der Einflussnahme auf das Management von E.ON oder RWE ausginge, müsste die Klägerin Anhaltspunkte vorlegen, die den Nachweis ermöglichen, dass die Beteiligung von [vertraulich] am Kapital von RWE und E.ON darauf hindeutet, dass bereits eine Tendenz zu kollektiver Marktbeherrschung besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juni 2002, Airtours/Kommission, T‑342/99, EU:T:2002:146, Rn. 91).

389    Dass die Kommission nicht auf eine derartige Beziehung eingegangen ist, kann daher keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler darstellen.

390    Viertens ist zum Einfluss auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und des Vorstands festzustellen, dass nach § 12 Abs. 3 der Satzung von E.ON die Beschlüsse ihres Aufsichtsrats mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden und dass für keine Beschlussfassung des Aufsichtsrats von E.ON eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist. Mit einem von 14 Mitgliedern hat RWE im Aufsichtsrat von E.ON sehr beschränkten Einfluss und ist daher nicht in der Lage, dessen Beschlüsse durch ein Veto zu blockieren. Was den Vorstand betrifft, dessen Mitglieder vom Aufsichtsrat benannt werden, reicht die Feststellung, dass RWE den Aufsichtsrat nicht kontrolliert und somit auch den Vorstand nicht kontrolliert.

391    Es ist daher festzustellen, dass der Kommission hinsichtlich des Einflusses, den RWE aufgrund des Erwerbs einer Minderheitsbeteiligung an E.ON auf diese ausübt, kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist.

4)      Zu der von RWE und E.ON beschlossenen Aufteilung der Strommärkte

392    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass sich RWE und E.ON durch die Gesamttransaktion die Stufen der Wertschöpfungskette auf dem deutschen Strommarkt aufgeteilt hätten, was eine gegen Art. 101 AEUV verstoßende Wettbewerbsbeschränkung darstelle.

393    Wie sich aus Art. 21 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 ergibt, gilt diese Verordnung allein für Zusammenschlüsse im Sinne ihres Art. 3, auf die die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) grundsätzlich nicht anwendbar ist. Die letztgenannte Verordnung bleibt jedoch auf Verhaltensweisen von Unternehmen anwendbar, die zwar keinen Zusammenschluss im Sinne der Verordnung Nr. 139/2004 darstellen, aber gleichwohl zu einer gegen Art. 101 AEUV verstoßenden Koordinierung zwischen ihnen führen können und aus diesem Grund der Kontrolle durch die Kommission oder die nationalen Wettbewerbsbehörden unterliegen (Urteil vom 7. September 2017, Austria Asphalt, C‑248/16, EU:C:2017:643, Rn. 32 und 33).

394    Es ist unstreitig, dass ein Zusammenschluss Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist. Nach alledem geht das Vorbringen eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV ins Leere.

5)      Schlussfolgerung

395    Nach alledem hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie die Beziehung zwischen RWE und E.ON sowie die Art beurteilt hat, in der sich diese aufgrund des Zusammenschlusses verändern und damit den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt beeinflussen könnte. Daher ist die Rüge der Klägerin in Bezug auf eine fehlerhafte Beurteilung der Beziehung zwischen RWE und E.ON zurückzuweisen.

f)      Schlussfolgerung zum fünften Klagegrund

396    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der Definition des relevanten Marktes, der Abgrenzung des Untersuchungszeitraums und der Beurteilung der Marktmacht von RWE sowie der Beziehung zwischen RWE und E.ON keine offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat. Die Schlussfolgerung der Kommission, dass der Zusammenschluss keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 gibt, ist also nicht mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet.

397    Daher ist der fünfte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

7.      Sechster Klagegrund: Verletzung der Sorgfaltspflicht

398    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe den Sachverhalt unter Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht unzureichend geprüft. So habe die Kommission nicht mit Umsicht und Sorgfalt die Umstände festgestellt, die sich auf das Ergebnis des Entscheidungsprozesses auswirken könnten. Auch die ihr von den Parteien und Dritten mitgeteilten Fakten und Informationen sowie zusätzliche relevante Parameter habe sie nicht berücksichtigt.

399    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

400    Nach ständiger Rechtsprechung kommt, soweit die Unionsorgane über einen Beurteilungsspielraum verfügen, wie bei der Kontrolle von Zusammenschlüssen, eine umso größere Bedeutung der Beachtung der Garantien zu, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt. Zu diesen Garantien gehören insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen, das Recht des Betroffenen, seinen Standpunkt zu Gehör zu bringen, und das Recht auf eine ausreichende Begründung der Entscheidung (Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14, und vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 31).

401    Auf dem Gebiet der Fusionskontrolle verfügt die Kommission nach gefestigter Rechtsprechung vor allem bei wirtschaftlichen Beurteilungen über einen Beurteilungsspielraum. Der Beachtung der durch die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährten Garantien durch die Kommission, zu denen die Sorgfaltspflicht gehört, die ihr auferlegt, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen, kommt daher auf diesem Gebiet eine umso größere Bedeutung zu (Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 164).

402    Da die Kommission bei ihrem Handeln auf diesem Gebiet die Sorgfaltspflicht zu beachten hat, muss sie mit der gebührenden Sorgfalt die für die Ausübung ihres Ermessens maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände feststellen, indem sie die für die Ausübung dieses Ermessens unerlässlichen Fakten zusammenträgt, die erhebliche Auswirkungen auf das Ergebnis des Entscheidungsprozesses haben können. Diese Verpflichtung bedeutet, dass die Kommission erstens gehalten ist, sowohl die ihr von den Anmeldern als auch die ihr von am Verfahren aktiv beteiligten Dritten mitgeteilten Fakten und Informationen zu berücksichtigen, und dass sie zweitens diese Fakten gegebenenfalls durch Marktuntersuchungen oder an die Marktteilnehmer gerichtete Auskunftsverlangen ermitteln muss (Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 165).

403    Allerdings ist auf diesem Gebiet das Erfordernis der Beachtung der durch die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährten Garantien, zu der die Kommission verpflichtet ist, und damit auch das Erfordernis der Beachtung der Sorgfaltspflicht ebenso wie das Erfordernis der Beachtung der Begründungspflicht im Einklang mit dem Beschleunigungsgebot auszulegen, das die allgemeine Systematik der Verordnung Nr. 139/2004 kennzeichnet und der Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens die Einhaltung strenger Fristen auferlegt (vgl. Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 166 und die dort angeführte Rechtsprechung).

404    Im Licht der insbesondere im Rahmen des fünften Klagegrundes getroffenen Feststellungen kann nicht geleugnet werden, dass die Kommission alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen Umstände mit der gebührenden Sorgfalt geprüft hat, da sie alle Tatsachen und Informationen berücksichtigt hat, die sowohl von der Anmelderin als auch von den am Verfahren beteiligten Dritten übermittelt wurden. Die Kommission hat im Wege der Marktbefragung und durch Auskunftsverlangen an die Marktteilnehmer auch eigene Nachforschungen angestellt. Im Übrigen geht aus dem angefochtenen Beschluss klar hervor, dass die Kommission die Ergebnisse dieser Untersuchungen berücksichtigt hat.

405    Der sechste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

C.      Zum Antrag auf persönliches Erscheinen oder, hilfsweise, auf Vernehmung von Zeugen

406    Am 30. Mai 2022 hat die Klägerin bei der Kanzlei des Gerichts einen Antrag auf Anordnung des persönlichen Erscheinens von A, dem früheren Vorstandsvorsitzenden von E.ON, von B, dem früheren Vorstandsvorsitzenden von RWE, und von C, Leiter der 8. Beschlussabteilung beim Bundeskartellamt, in der mündlichen Verhandlung gestellt. Hilfsweise hat sie die Durchführung einer Zeugenvernehmung beantragt.

407    Die Kommission, E.ON und RWE wenden sich im Wesentlichen gegen das persönliche Erscheinen und hilfsweise gegen die Vernehmung der in der vorstehenden Randnummer genannten Personen.

408    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es allein Sache des Gerichts ist, zu entscheiden, ob das ihm in einer Rechtssache vorliegende Beweismaterial der Ergänzung bedarf (vgl. Urteil vom 22. November 2007, Sniace/Kommission, C‑260/05 P, EU:T:2007:700, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

409    Es ist also Sache des Gerichts, die Sachdienlichkeit eines Antrags auf Anordnung des persönlichen Erscheinens oder auf Zeugeneinvernahme im Hinblick auf den Streitgegenstand und die Erforderlichkeit eines persönlichen Erscheinens oder einer Vernehmung der genannten Zeugen zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. November 2007, Sniace/Kommission, C‑260/05 P, EU:C:2007:700, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

410    Abgesehen davon, dass die Klägerin nicht gemäß Art. 88 Abs. 2 der Verfahrensordnung erläutert hat, warum diese Maßnahmen der Beweisaufnahme betreffenden Anträge erst nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens und erst zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung gestellt wurden, und abgesehen davon, dass sie unpräzise sind, ist unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin nicht ausgeführt hat, warum genau diese drei Personen gehört werden sollten, festzustellen, dass der Inhalt der Akten und die in der mündlichen Verhandlung gemachten Ausführungen ausreichen, um dem Gericht eine Entscheidung zu ermöglichen, da es auf der Grundlage der Anträge, Klagegründe und Argumente, die im Lauf des Verfahrens vorgebracht wurden, und unter Berücksichtigung der von den Parteien eingereichten Dokumente sachgerecht über die Klage entscheiden konnte.

411    Den Beweisanträgen ist daher nicht stattzugeben.

412    Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

413    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr entsprechend den Anträgen der Kommission, von E.ON und RWE ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission, von E.ON und RWE aufzuerlegen.

414    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Bundesrepublik Deutschland trägt daher ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die EVH GmbH trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission, der E.ON SE und der RWE AG.

3.      Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten.

Gervasoni

Madise

Nihoul

Frendo

 

Martín y Pérez de Nanclares

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Mai 2023.

Der geschäftsführende Kanzler

 

Der Präsident

T. Henze

 

      M. van der Woude


Inhaltsverzeichnis


I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

A. In Rede stehende Unternehmen

B. Kontext des Zusammenschlusses

C. Verwaltungsverfahren

D. Angefochtener Beschluss

II. Anträge der Parteien

III. Rechtliche Würdigung

A. Zur Zulässigkeit

B. Zur Begründetheit

1. Einleitende Erwägungen

2. Erster Klagegrund: fehlerhafte Aufspaltung der Untersuchung der Gesamttransaktion

a) Zum Umfang des ersten Klagegrundes

b) Zur Prüfung des Zusammenschlusses B828/19

c) Zum Vorliegen eines einzigen Zusammenschlusses

1) Zum Begriff „einziger Zusammenschluss“

2) Anwendung auf den vorliegenden Fall

i) Zur Voraussetzung, dass die Transaktionen voneinander abhängig sind

ii) Zur Voraussetzung betreffend das Ergebnis

3) Begriff „einziger Zusammenschluss“ und Erfordernis einer Gesamtwürdigung

d) Schlussfolgerung

3. Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

4. Dritter Klagegrund: Verletzung des Rechts der Klägerin auf Anhörung

5. Vierter Klagegrund: Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

6. Fünfter Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler

a) Einleitende Erwägungen

b) Erste Rüge: fehlerhafte Definition des relevanten Marktes

c) Zweite Rüge: fehlerhafte Abgrenzung des Untersuchungszeitraums

d) Dritte Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Marktmacht von RWE

1) Zu den Gesichtspunkten, die die Kommission bei ihrer Analyse der Marktmacht von RWE berücksichtigt hat

2) Zur Analyse der Marktanteile

3) Zur pivotalen Stellung von RWE auf dem Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels

4) Zu den für RWE bestehenden Anreizen für strategische Kapazitätszurückhaltungen und für andere strategische Verwendungen ihres Erzeugungsportfolios

5) Zur pivotalen Stellung von RWE auf dem Markt für Regelenergie und Systemdienstleistungen

6) Schlussfolgerung

e) Vierte Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Beziehung zwischen RWE und E.ON

1) Zu den Verflechtungen und der Nähe zwischen RWE und E.ON

2) Zur dauerhaften Eliminierung von E.ON

3) Zum steuernden Einfluss von RWE auf E.ON

4) Zu der von RWE und E.ON beschlossenen Aufteilung der Strommärkte

5) Schlussfolgerung

f) Schlussfolgerung zum fünften Klagegrund

7. Sechster Klagegrund: Verletzung der Sorgfaltspflicht

C. Zum Antrag auf persönliches Erscheinen oder, hilfsweise, auf Vernehmung von Zeugen

Kosten


*      Verfahrenssprache: Deutsch.


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