Language of document : ECLI:EU:T:2021:196

URTEIL DES GERICHTS (Zehnte erweiterte Kammer)

14. April 2021(*)

„Staatliche Beihilfen – Finnischer Luftverkehrsmarkt – Von Finnland gewährte Beihilfe zugunsten von Finnair im Zusammenhang mit der COVID‑19-Pandemie – Staatliche Garantie in Verbindung mit einem Darlehen – Beschluss, keine Einwände zu erheben – Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfemaßnahmen – Maßnahme zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats – Fehlende Abwägung der positiven Auswirkungen der Beihilfe gegen ihre negativen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen und auf die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs – Gleichbehandlung – Niederlassungsfreiheit – Freier Dienstleistungsverkehr -Begründungspflicht“


In der Rechtssache T‑388/20,

Ryanair DAC mit Sitz in Swords (Irland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte E. Vahida, F.-C. Laprévote, S. Rating, und I.‑G. Metaxas‑Maranghidis,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Flynn, S. Noë und F. Tomat als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch L. Aguilera Ruiz als Bevollmächtigten,

durch

Französische Republik, vertreten durch E. de Moustier und P. Dodeller als Bevollmächtigte

und durch

Republik Finnland, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2020) 3387 final der Kommission vom 18. Mai 2020 über die staatliche Beihilfe SA.56809 (2020/N) – Finnland COVID‑19: Staatliche Garantie zugunsten von Finnair,

erlässt

DAS GERICHT (Zehnte erweiterte Kammer),

unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richter A. Kornezov und E. Buttigieg, der Richterin K. Kowalik‑Bańczyk sowie des Richters G. Hesse (Berichterstatter),

Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2020

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 13. Mai 2020 meldete die Republik Finnland bei der Europäischen Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV eine Beihilfemaßnahme in Form einer staatlichen Garantie zugunsten der Finnair, Plc, an.

2        Die in Rede stehende Maßnahme zielt darauf ab, Finnair dabei zu helfen, ein Darlehen in Höhe von 600 Mio. Euro von einem Pensionsfonds zu erhalten, um ihren Betriebskapitalbedarf zu decken. Die staatliche Garantie deckt 90 % des Darlehens und ist auf eine maximale Laufzeit von drei Jahren begrenzt. Die restlichen 10 % des Darlehens werden von einer Geschäftsbank zu Marktkonditionen abgedeckt. Die Garantie soll nur im Falle eines Ausfalls von Finnair gegenüber dem Pensionsfonds ausgelöst werden.

3        Die Maßnahme stützt sich auf Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV in der Auslegung durch die Abschnitte 2 und 3.2 der Mitteilung „Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID‑19“ der Kommission vom 19. März 2020 (ABl. 2020 C 91 I, S. 1) in der am 3. April 2020 geänderten Fassung (ABl. 2020, C 112 I, S. 1) (im Folgenden: Befristeter Rahmen).

4        Am 18. Mai 2020 erließ die Kommission den Beschluss C(2020) 3387 final über die staatliche Beihilfe SA.56809 (2020/N) – Finnland COVID‑19: Staatliche Garantie zugunsten von Finnair, mit dem sie entschied, keine Einwände gegen die in Rede stehende Maßnahme zu erheben, da sie nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV in der Auslegung durch den Befristeten Rahmen mit dem Binnenmarkt vereinbar sei (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

5        In diesem Beschluss vertrat die Kommission die Auffassung, die in Rede stehende Maßnahme stelle im Licht von Art. 107 Abs. 1 AEUV eine staatliche Beihilfe dar (Rn. 30 bis 35 des angefochtenen Beschlusses). Zunächst einmal sei, was die Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt angehe, das von den finnischen Behörden geschilderte Szenario bezüglich des Liquiditätsengpasses, der sich für Finnair abzeichne, realistisch gewesen. Sodann habe Finnair versucht, sich auf den Kreditmärkten zu finanzieren, sei aber nicht in der Lage gewesen, ihren gesamten Liquiditätsbedarf zu decken. Insbesondere habe Finnair am 29. April 2020 bekannt gegeben, dass ihr Verwaltungsrat beschlossen habe, eine Rekapitalisierung (Aktienemission) vorzubereiten, da die durch das Auftreten von COVID‑19 verursachten Verluste sich auf ihr Eigenkapital ausgewirkt hätten. Insbesondere habe sich das Angebot zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses auf ca. 500 Mio. Euro belaufen, und es sei nicht sicher gewesen, dass das Vorhaben erfolgreich sein werde (Rn. 40 bis 44 des angefochtenen Beschlusses). Schließlich kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehende Maßnahme angesichts der Bedeutung von Finnair für die finnische Wirtschaft erforderlich, geeignet und verhältnismäßig sei, um eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben Finnlands zu beheben (Rn. 45 bis 52 des angefochtenen Beschlusses). Sie prüfte auch, ob die in Rede stehende Maßnahme alle einschlägigen Voraussetzungen des Befristeten Rahmens erfüllte, und stellte fest, dass dies der Fall sei (Rn. 53 des angefochtenen Beschlusses).

 Sachverhalt nach Klageerhebung

6        Am 29. Juli 2020, nach Erhebung der Klage, berichtigte die Kommission den angefochtenen Beschluss durch den Beschluss C(2020) 5339 final („Berichtigung des Beschlusses C[2020] 3387 final vom 18. Mai 2020 über die staatliche Beihilfe SA.56809 [2020/N] – Finnland COVID‑19: Staatliche Garantie zugunsten von Finnair“). Der angefochtene Beschluss wurde in seiner berichtigten Fassung am 31. Juli 2020 auf der Website der Kommission veröffentlicht.

 Verfahren und Anträge der Parteien

7        Mit Schriftsatz, der am 26. Juni 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin, die Ryanair DAC, die vorliegende Klage erhoben.

8        Mit Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß den Art. 151 und 152 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, über die vorliegende Klage im beschleunigten Verfahren zu entscheiden.

9        Am 6. Juli 2020 hat die Kommission die Aussetzung des Verfahrens bis zur Endentscheidung in den Rechtssachen T‑238/20 und T‑259/20 beantragt; die Klägerin ist diesem Antrag am 9. Juli 2020 entgegengetreten. Mit Beschluss vom 10. Juli 2020 hat der Präsident der Zehnten Kammer des Gerichts den Aussetzungsantrag der Kommission zurückgewiesen.

10      Mit Beschluss vom 15. Juli 2020 hat das Gericht (Zehnte Kammer) dem Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren stattgegeben.

11      Auf Vorschlag der Zehnten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung beschlossen, die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

12      Die Kommission hat ihre Klagebeantwortung am 31. Juli 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

13      Gemäß Art. 106 Abs. 2 der Verfahrensordnung hat die Klägerin am 13. August 2020 einen begründeten Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

14      Mit Schriftsatz, der am 16. September 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Königreich Spanien beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Mit Schriftsatz, der am 25. September 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Art. 144 Abs. 7 der Verfahrensordnung beantragt, dem Königreich Spanien bestimmte in der Klageschrift und in der Kurzfassung der Klageschrift enthaltene Angaben nicht zu übermitteln. Sie hat eine nicht vertrauliche Fassung der Klageschrift, der Kurzfassung der Klageschrift und ihrer Anlagen beigefügt.

15      Mit Schriftsatz, der am 29. September 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Republik Finnland beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Mit Schriftsatz, der am 6. Oktober 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Art. 144 Abs. 7 der Verfahrensordnung beantragt, der Republik Finnland die oben in Rn. 14 genannten Angaben nicht zu übermitteln.

16      Mit Schriftsatz, der am 29. September 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Französische Republik beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Mit Schriftsatz, der am 6. Oktober 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Art. 144 Abs. 7 der Verfahrensordnung beantragt, der Französischen Republik die oben in Rn. 14 genannten Angaben nicht zu übermitteln.

17      Mit Beschluss vom 14. Oktober 2020 hat der Präsident der Zehnten erweiterten Kammer des Gerichts das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Republik Finnland als Streithelfer zugelassen und die Übermittlung der Klageschrift, der Kurzfassung der Klageschrift sowie ihrer Anlagen bis zu deren etwaigen Stellungnahmen zu den Anträgen auf vertrauliche Behandlung vorläufig auf die von der Klägerin vorgelegten nicht vertraulichen Fassungen beschränkt.

18      Mit prozessleitender Maßnahme vom 14. Oktober 2020 ist dem Königreich Spanien, der Französischen Republik und der Republik Finnland gemäß Art. 154 Abs. 3 der Verfahrensordnung die Einreichung eines Streithilfeschriftsatzes gestattet worden.

19      Am 29. Oktober 2020 haben das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Republik Finnland ihren Streithilfeschriftsatz bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht, ohne einen Einwand gegen den Antrag der Klägerin auf vertrauliche Behandlung zu erheben.

20      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären,

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

21      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen,

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

22      Das Königreich Spanien beantragt, die Klage insgesamt abzuweisen und der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

23      Die Französische Republik und die Republik Finnland beantragen, die Klage abzuweisen.

 Rechtliche Würdigung

24      Der Unionsrichter ist befugt, anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob es nach den Grundsätzen einer geordneten Rechtspflege gerechtfertigt ist, eine Klage als unbegründet zurückzuweisen, ohne zuvor über ihre Zulässigkeit zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Februar 2002, Rat/Boehringer, C‑23/00 P, EU:C:2002:118, Rn. 51 und 52, und vom 14. September 2016, Trajektna luka Split/Kommission, T‑57/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:470, Rn. 84). Daher ist insbesondere in Anbetracht der Erwägungen, die im vorliegenden Fall zur Bewilligung eines beschleunigten Verfahrens geführt haben, und der Bedeutung, die sowohl für die Klägerin als auch für die Kommission, das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Republik Finnland einer raschen Entscheidung in der Sache zukommt, zunächst die Begründetheit der Klage zu prüfen, ohne zuvor über ihre Zulässigkeit zu entscheiden.

25      Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV, zweitens einen Verstoß gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit, drittens einen Verstoß gegen Art. 108 Abs. 2 AEUV und viertens eine Verletzung der Begründungspflicht geltend macht.

26      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Erhebung der Klage den angefochtenen Beschluss korrigiert hat (siehe oben, Rn. 6). Insoweit ist festzustellen, dass sich die Berichtigung nur auf Schreibfehler bezieht, die lediglich drei in Fn. 9 des angefochtenen Beschlusses enthaltene Angaben betreffen (siehe unten, Rn. 117 bis 124). Diese Berichtigung hat keinen Einfluss auf den Gegenstand und den Rahmen des Rechtsstreits, wie sie durch die Klage festgelegt sind, und erforderte daher keine Anpassung der Klageschrift. Es ist Sache des Gerichts, im Interesse einer geordneten Rechtspflege diese Berichtigung bei der Beurteilung der von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe zu berücksichtigen, um ihnen praktische Wirksamkeit zu verleihen.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV

27      Der erste Klagegrund besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen.

28      Die Klägerin macht zum einen geltend, eine Einzelmaßnahme zugunsten von Finnair sei nicht geeignet, eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben Finnlands zu beheben. Mit Ausnahme des Bankensektors gebe es nur sehr wenige Beschlüsse, die eine auf Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV gestützte Maßnahme für einzelne Unternehmen genehmigten. Außerdem werde in dem angefochtenen Beschluss nicht glaubhaft dargetan, dass der von Finnair geschaffene Mehrwert oder die von ihr geschaffenen Arbeitsplätze als solche den Schluss zuließen, dass die in Rede stehende Maßnahme zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Finnlands gerechtfertigt sei. Somit habe die Kommission einen Rechtsfehler und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie davon ausgegangen sei, dass die in Rede stehende Maßnahme an sich eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben Finnlands behebe.

29      Zum anderen sei die Kommission verpflichtet, die positiven Auswirkungen der Beihilfe auf die Erreichung der in Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV genannten Ziele gegen ihre nachteiligen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen und die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs abzuwägen. Die Kommission habe diesen Abwägungsprozess nicht durchgeführt und daher einen Rechtsfehler und einen offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts begangen, die die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses rechtfertigten. Der Befristete Rahmen befreie die Kommission nicht davon, eine Abwägung der in Frage stehenden Maßnahme oder einer anderen ihr mitgeteilten Einzelbeihilfe vorzunehmen. Vielmehr sei die Kommission nach Abschnitt 1.2 des Befristeten Rahmens zur Vornahme einer solchen Abwägung verpflichtet.

30      Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Republik Finnland, weist das Vorbringen der Klägerin zurück.

 Zum ersten Klagegrund: Ungeeignetheit der in Rede stehenden Maßnahme zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Finnlands

31      Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV sieht u. a. vor, dass Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können.

32      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV eine Ausnahme von dem in Art. 107 Abs. 1 AEUV niedergelegten allgemeinen Grundsatz der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Binnenmarkt darstellt. Sie ist daher eng auszulegen (vgl. Urteil vom 9. April 2014 in der Rechtssache T‑150/12, Griechenland/Kommission, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:191, Rn. 146 und die dort angeführte Rechtsprechung). Art. 107 Abs. 1 AEUV besagt, dass staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen „gleich welcher Art“ mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind. Daher ist der Hinweis von Bedeutung, dass Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV sowohl für Beihilferegelungen als auch für Einzelbeihilfen gilt.

33      Nach der Rechtsprechung kann die Kommission eine Beihilfe nur dann nach Art. 107 Abs. 3 AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären, wenn sie feststellen kann, dass diese Beihilfe zur Verwirklichung eines der angeführten Ziele beiträgt, die das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen durch eigene Maßnahmen nicht erreichen könnte. Mit anderen Worten kann eine Beihilfemaßnahme nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden, wenn sie eine Verbesserung der Finanzlage des begünstigten Unternehmens bewirkt, ohne zur Erreichung der in Art. 107 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Ziele erforderlich zu sein (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Januar 2009, Kronoply/Kommission, T‑162/06, EU:T:2009:2, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Unter diesen Umständen können Einzelbeihilfen wie die vorliegende für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden, wenn sie zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben des betreffenden Mitgliedstaats erforderlich, geeignet und verhältnismäßig sind.

35      Im vorliegenden Fall bestreitet die Klägerin, wie sich aus Rn. 44 der Klageschrift ergibt, weder, dass die COVID‑19-Pandemie zu einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Finnlands geführt hat, noch dass der Luftverkehrssektor als Ganzes von der durch diese Pandemie verursachten Krise besonders betroffen ist.

36      Sowohl das Vorliegen einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftslebens Finnlands infolge der COVID‑19-Pandemie als auch deren erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Luftverkehrssektor in Finnland sind im Übrigen in den Rn. 40 und 41 des angefochtenen Beschlusses rechtlich hinreichend nachgewiesen.

37      In diesem Zusammenhang stellten die finnischen Behörden fest, dass Finnair aufgrund der plötzlichen Erosion ihres Geschäfts infolge der COVID‑19-Pandemie vom Konkurs bedroht war. Sie waren der Ansicht, dass ein Konkurs von Finnair wiederum die finnische Wirtschaft, einschließlich ihrer Versorgungssicherheit, ernsthaft beeinträchtigen würde. Ein gut funktionierendes Luftverkehrsnetz sei für die gesamte Wirtschaft des Landes unerlässlich, und sein möglicher Wegfall hätte gravierende Folgen für viele Regionen. Daher würde der Konkurs von Finnair angesichts der Bedeutung des Unternehmens für die finnische Wirtschaft die derzeitige beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben Finnlands noch verschärfen (Rn. 4 des angefochtenen Beschlusses).

38      Das wesentliche Ziel der in Rede stehenden Maßnahme besteht darin, sicherzustellen, dass Finnair über ausreichende Liquidität verfügt, um ihre Lebensfähigkeit und ihre Flugdienste in einer Zeit aufrechtzuerhalten, in der die COVID‑19-Pandemie die gesamte finnische Wirtschaft erheblich beeinträchtigt, und zu verhindern, dass ein möglicher Konkurs von Finnair die Wirtschaft in diesem Mitgliedstaat noch stärker beeinträchtigt (Rn. 3 und 39 des angefochtenen Beschlusses).

39      In dem angefochtenen Beschluss stellte die Kommission fest, dass der Einbruch der Nachfrage infolge der Verbreitung von COVID‑19 und der Flugbeschränkungen eine unmittelbare und dramatische negative Auswirkung auf den Cashflow von Finnair gehabt habe. Nach Auffassung der Kommission erschien das von den finnischen Behörden geschilderte Szenario realistisch und zeigte, dass Finnair mit ernsten und unmittelbaren Schwierigkeiten konfrontiert sei, ihre Tätigkeit aufrechtzuerhalten. Finnair habe im Übrigen zwar versucht, sich auf den Kreditmärkten zu finanzieren, sei aber aufgrund der derzeitigen Situation und der unsicheren Aussichten nicht in der Lage gewesen, ihren gesamten Liquiditätsbedarf zu decken (Rn. 40 bis 43 des angefochtenen Beschlusses). Die Klägerin stellt diese Feststellungen nicht in Frage.

40      Dagegen macht sie geltend, die Kommission habe einen Rechtsfehler und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie davon ausgegangen sei, dass die in Rede stehende Maßnahme als solche eine beträchtliche Störung im Wirtschaftslebens Finnlands behoben habe. Dieses Vorbringen beruht auf einer falschen Auslegung des angefochtenen Beschlusses. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat die Kommission in diesem Beschluss nicht die Auffassung vertreten, dass die in Rede stehende Maßnahme als solche die beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben Finnlands behebe. Die Kommission versuchte darzutun, dass diese Maßnahme wegen der Bedeutung von Finnair für die finnische Wirtschaft dazu diene, die durch die COVID‑19-Pandemie verursachte beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben Finnlands zu beheben.

41      Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV verlangt nicht, dass die betreffende Beihilfe als solche geeignet ist, die beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben des betreffenden Mitgliedstaats zu beheben. Sobald die Kommission nämlich feststellt, dass eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats vorliegt, könnte dieser, sofern auch die übrigen Voraussetzungen dieses Artikels erfüllt sind, ermächtigt werden, staatliche Beihilfen in Form von Beihilferegelungen oder Einzelbeihilfen zu gewähren, die zur Behebung dieser beträchtlichen Störung beitragen. Dies könnte mehrere Beihilfemaßnahmen umfassen, die jede für sich zu diesem Ziel beitragen. Dementsprechend kann nicht verlangt werden, dass eine Beihilfemaßnahme als solche eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats beheben muss, um diese wirksam auf Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV stützen zu können.

42      Soweit die Klägerin geltend macht, die in Rede stehende Beihilfe sei nicht geeignet, die beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben Finnlands zu beheben, ist zu prüfen, ob die Kommission in dem angefochtenen Beschluss hinreichend dargetan hat, dass diese Maßnahme wegen der Bedeutung von Finnair für das Wirtschaftsleben Finnlands tatsächlich zur Behebung der durch die COVID‑19-Pandemie verursachten beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Finnlands bestimmt war.

43      Die Kommission kam zu dieser Schlussfolgerung, indem sie mehrere Gesichtspunkte wie die Personen- und die Frachtbeförderung, die Beschäftigungslage, die Einkäufe bei Lieferanten und den Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) berücksichtigte.

44      Zunächst einmal hat die Kommission der Bedeutung von Finnair für die Personenbeförderung Rechnung getragen (Rn. 45 des angefochtenen Beschlusses).

45      Insoweit ist mit der Kommission festzustellen, dass Finnair zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses ein bedeutendes inländisches und internationales Netz betrieb, das die Anbindung Finnlands sicherstellte. Wie von der Kommission festgestellt und von der Klägerin nicht bestritten, war Finnair das größte Luftfahrtunternehmen in Finnland und beförderte im Jahr 2019 fast 15 Mio. Fluggäste, was 67 % aller in diesem Jahr nach, von und innerhalb Finnlands beförderten Fluggäste entsprach. Ihr Status als führende Fluggesellschaft wird durch den statistischen Bericht 2019 von Finavia bestätigt. Finavia ist die Verwaltungsgesellschaft des Flughafens Helsinki-Vantaa (Finnland) sowie aller regionalen Flughäfen in Finnland. Diesem Bericht zufolge machten die Passagiere von Finnair mehr als 60 % der auf internationalen Flügen beförderten Passagiere und mindestens 80 % der auf Inlandsflügen beförderten Passagiere aus. Ihr Gesamtmarktanteil machte 2019 mehr als 40 % des Flugdienstemarkts an den Flughäfen von Finavia aus. Im selben Jahr entfielen auf die beiden anderen großen Luftfahrtunternehmen nur 12 % bzw. 3,4 % der beförderten Fluggäste. Im Übrigen zeichnet sich Finnair dadurch aus, dass sie das einzige Luftfahrtunternehmen ist, das die Mehrzahl der finnischen Regionalflughäfen ganzjährig und in regelmäßigen Abständen bedient.

46      Sodann hat die Kommission die Rolle berücksichtigt, die Finnair für Finnland bei der Luftfracht spielte (Rn. 46 des angefochtenen Beschlusses).

47      Insoweit ist Finnair das wichtigste Luftfrachtunternehmen in Finnland und erfüllt den Bedarf mehrerer in Finnland ansässiger Unternehmen sowohl für die Ausfuhr als auch für die Einfuhr von Waren, was von der Klägerin ebenfalls nicht bestritten wird. Im Übrigen verfügt Finnair über ein umfangreiches Netz in Asien, wie sich aus dem in Fn. 14 des angefochtenen Beschlusses angeführten Presseartikel der Online-Nachrichten-Website Aviation Business News ergibt. Dieses Netz ist bereits für den Handel zwischen finnischen und asiatischen Unternehmen essenziell, im Zusammenhang mit der durch die COVID‑19-Pandemie verursachten Krise aber noch wichtiger. Finnair unterhält nämlich tägliche Frachtrouten nach Südkorea, China und Japan, um die finnische Nachfrage nach Produkten, insbesondere Pharmazeutika und medizinischen Geräten, zu decken, die zur Bewältigung der COVID‑19-Krise erforderlich sind. Da sich die einschränkenden Maßnahmen, wie z. B. die Reisebeschränkungen oder die vorübergehende Schließung einer oder mehrerer Kategorien von Einrichtungen mit Publikumsverkehr, unmittelbar auf die Wirtschaft auswirken, ist die Sicherheit der Versorgung mit Arzneimitteln und medizinischer Ausrüstung, die zur Bekämpfung des Virus erforderlich sind, von strategischer Bedeutung, um die einschränkenden Maßnahmen zu begrenzen und so die Wirtschaft des betreffenden Mitgliedstaats schnell wieder zu beleben.

48      Die Kommission hat ferner darauf verwiesen, dass Finnair ein bedeutender direkter und indirekter Arbeitgeber in Finnland sei (Rn. 47 des angefochtenen Beschlusses).

49      Hierzu ist festzustellen, dass Finnair Ende 2019 etwa 6 800 Mitarbeiter hatte, was von der Klägerin nicht bestritten wird. Wie die Kommission in Rn. 50 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, hätte ein Konkurs von Finnair daher soziale Folgen, die geeignet wären, die beträchtliche Störung, mit der die finnische Wirtschaft derzeit konfrontiert ist, zu verschärfen.

50      Darüber hinaus hat die Kommission festgestellt, dass sich die Einkäufe von Finnair bei ihren Lieferanten im Jahr 2019 auf 1,9 Mrd. Euro belaufen hätten, wovon 40 % von finnischen Unternehmen gestammt hätten (Rn. 48 des angefochtenen Beschlusses).

51      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass einer der wichtigsten lokalen Versorger von Finnair Finavia ist. Aus dem angefochtenen Beschluss geht hervor, dass die Situation von Finavia in hohem Maße vom Erfolg oder, im vorliegenden Zusammenhang, vom Fortbestand von Finnair abhängt. Kurzfristig hängt also das ordnungsgemäße Funktionieren des Flughafens Helsinki-Vantaa und aller Regionalflughäfen in Finnland, die von Finavia verwaltet werden, vom Fortbestand von Finnair ab.

52      Ein weiterer Beitrag von Finnair zur finnischen Wirtschaft, der von der Kommission berücksichtigt wurde, betrifft die Forschung. Finnair ist nämlich an einem Forschungsprojekt zur Entwicklung von Elektroflugzeugen beteiligt, wie ein Artikel auf der Luftfahrtnachrichten-Website Simple Flying im September 2019 bestätigte.

53      Schließlich ist dem angefochtenen Beschluss zu entnehmen, dass Finnair im Jahr 2017 nach Angaben der finnischen Behörden das sechzehntgrößte Unternehmen in Finnland war, was seinen Beitrag zum BIP dieses Landes angeht, mit einem Mehrwert in Höhe von 600 Mio. Euro.

54      Aus diesen Tatsachenfeststellungen ergibt sich, dass die Kommission die Bedeutung von Finnair für das finnische Wirtschaftsleben rechtlich hinreichend nachgewiesen hat. Die Klägerin stellt die Richtigkeit dieser Feststellungen nicht in Frage. Sie räumt zwar ein, dass die Zahlen in Bezug auf die Beschäftigung, die Einkäufe und den Beitrag von Finnair zum finnischen BIP „nicht unerheblich“ seien, meint jedoch, sie seien angesichts der Größe der Erwerbsbevölkerung und der finnischen Wirtschaft nicht bedeutend genug, um die Beihilfe nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären, da der Mehrwert von Finnair im Falle eines Konkurses dieses Unternehmens nicht „völlig“ untergehen würde.

55      Erstens läuft ein Vergleich der in den Rn. 47 bis 49 des angefochtenen Beschlusses enthaltenen Angaben über die Einkäufe und die Beschäftigten von Finnair mit dem finnischen BIP und der Zahl der Erwerbstätigen in Finnland, wie ihn die Klägerin vornimmt, in Wirklichkeit auf die Annahme hinaus, dass die Kommission die in Rede stehende Maßnahme genehmigt habe, weil die Fortführung der Tätigkeit von Finnair als solche geeignet sei, die beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben Finnlands zu beheben. Der Klägerin zufolge ist die Summe von 600 Mio. Euro, die den Mehrwert von Finnair darstellt, im Vergleich zu den 241 Mrd. Euro des finnischen BIP nur minimal. Ebenso seien die 6 800 Mitarbeiter von Finnair nur ein kleiner Bruchteil der 2,5 Mio. Beschäftigten in Finnland.

56      Aus der Lektüre des angefochtenen Beschlusses geht jedoch hervor, dass die Kommission die Auffassung vertrat, angesichts der Bedeutung von Finnair für das Wirtschaftsleben Finnlands hätte der Ausfall dieses Unternehmens im Rahmen einer Krise schwerwiegende Folgen für das finnische Wirtschaftsleben gehabt, und die in Rede stehende Maßnahme sei daher, soweit sie auf die Aufrechterhaltung der Tätigkeit von Finnair abziele, geeignet, zur Behebung der beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Finnlands beizutragen.

57      Insoweit ist festzustellen, dass Finnair, wie die Kommission und die Republik Finnland im Wesentlichen geltend machen, für das reibungslose Funktionieren des finnischen Luftverkehrsnetzes, das seinerseits für das finnische Wirtschaftsleben von wesentlicher Bedeutung ist, essenziell ist. Zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses hatte Finnair eine einzigartige Stellung im Verhältnis zu allen in Finnland tätigen Luftfahrtunternehmen. So geht aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass die für Finnland wichtigsten Luftfahrtunternehmen, abgesehen von Finnair, Norwegian und SAS waren, gefolgt von Lufthansa, KLM und Air Baltic. Im Jahr 2019 beförderte Norwegian 12 % der Passagiere, während SAS-Passagiere 3,4 % der beförderten Fluggäste ausmachten. Zwar bediente Norwegian vier Regionalflughäfen im Norden des Landes, und SAS flog ebenfalls drei Regionalflughäfen an, doch war Finnair das einzige Luftfahrtunternehmen mit regelmäßigen Verbindungen zu den meisten finnischen Regionalflughäfen. Darüber hinaus verfügte Finnair über ein umfangreiches internationales Streckennetz mit mehr als 100 Routen, die Finnland mit den wichtigsten Wirtschaftszentren in Europa und anderen Teilen der Welt, insbesondere Asien, verbanden. Finnair war das einzige Luftfahrtunternehmen, welches das ganze Jahr über regelmäßig das finnische Inlandsnetz bediente. Fast 30 % der Nachfrage nach Luftverkehrsdienstleistungen von Finnair für internationale Flüge von und nach Finnland entfielen auf Geschäftsreisen, bei Inlandsflügen waren es 50 %.

58      Die Bedeutung von Finnair für das finnische Wirtschaftsleben beschränkte sich nicht auf die Personenbeförderung. Finnair war auch das führende Luftfahrtunternehmen im Luftfrachtbereich, und ihr Konkurs hätte den Handel zwischen finnischen und asiatischen Unternehmen erheblich beeinträchtigt. Seit Beginn der Krise kooperiert Finnair mit Huoltovarmuuskeskus (Nationale Notfallversorgungsagentur, Finnland) und nutzt ihr internationales Netzwerk, um den finnischen Bedarf an Ausrüstungsgegenständen zu decken, die zur Bewältigung der COVID‑19-Pandemie erforderlich sind.

59      Ein erheblicher Teil der Unternehmen, der Arbeitnehmer und der Bürger Finnlands sowie der Union ist somit auf die Dienstleistungen von Finnair angewiesen, die im Falle eines Konkurses dieses Unternehmens nicht kurzfristig und nicht im gleichen Umfang von anderen Luftfahrtunternehmen erbracht werden könnten. In diesem Zusammenhang ist hinzuzufügen, dass, wie die Kommission in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt hat, aufgrund des Klimas und der relativ isolierten geografischen Lage Finnlands in Europa andere Transportarten nicht immer eine zufriedenstellende Alternative zum Luftverkehr darstellen. Andere Wirtschaftsakteure waren daher nicht in der Lage, Finnair kurzfristig und im gleichen Umfang zu ersetzen.

60      Aus alledem ergibt sich, dass es, auch wenn die dem Mehrwert von Finnair entsprechende Summe von 600 Mio. Euro nur einen Teil des finnischen BIP darstellt, und die 6 800 Beschäftigten von Finnair nur einen Bruchteil der Beschäftigten in Finnland ausmachen, wahrscheinlich keine praktikable Alternative zum Beitrag von Finnair zu den Bedürfnissen der finnischen Wirtschaft und der Anbindung Finnlands gab. In Anbetracht dieses Beitrags war die in Rede stehende Maßnahme, die darauf abzielte, die Tätigkeit von Finnair während und nach der Krise aufrechtzuerhalten, daher entgegen dem Vorbringen der Klägerin geeignet, die beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben Finnlands zu beheben.

61      Zweitens ist zu dem Vorbringen, dass der Mehrwert von Finnair im Falle eines Konkurses dieses Unternehmens nicht „völlig“ untergehen würde, festzustellen, dass die Klägerin diese Behauptung lediglich aufstellt, ohne Erläuterungen oder Beweise vorzulegen, die es ermöglichen würden, sie nachzuvollziehen oder zu belegen. Folglich ist dieses Vorbringen nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung als unzulässig zurückzuweisen.

62      Drittens ist zu dem auf die Entscheidungspraxis der Kommission und die Mitteilung der Kommission über die „Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der derzeitigen globalen Finanzkrise“ (ABl. 2008, C 270, S. 8) gestützten Vorbringen der Klägerin zum einen darauf hinzuweisen, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses ausschließlich im Rahmen von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV und nicht unter Bezugnahme auf eine angebliche frühere Praxis zu beurteilen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2013, Nitrogénművek Vegyipari/Kommission, T‑387/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:98, Rn. 126 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zum anderen ist festzustellen, dass die in Rede stehende Maßnahme auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV in der Auslegung durch den Befristeten Rahmen getroffen wurde. Die Mitteilung der Kommission über die „Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der derzeitigen globalen Finanzkrise“ ist für den vorliegenden Fall nicht relevant und kann jedenfalls nicht belegen, dass ein Unternehmen wie Finnair keine Einzelbeihilfe nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV erhalten könnte, weil es keine Bank sei, die im Falle eines Konkurses ein systemisches Risiko für die Wirtschaft darstellen würde.

63      Nach alledem gibt es keinen Grund, die Richtigkeit der in dem angefochtenen Beschluss vorgenommenen Beurteilung der Eignung der in Rede stehenden Maßnahme zur Behebung der beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben des betreffenden Mitgliedstaats in Frage zu stellen. Folglich sind alle Argumente der Klägerin zurückzuweisen, mit denen sie die Auffassung der Kommission rügt, dass eine Einzelbeihilfe wie die vorliegende zur Behebung der beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Finnlands im Sinne von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV geeignet sei.

64      Folglich ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Missachtung der angeblichen Verpflichtung, die positiven Auswirkungen der Beihilfe auf die Erreichung der in Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV genannten Ziele gegen ihre nachteiligen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen und die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs abzuwägen

65      Nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV können „[a]ls mit dem Binnenmarkt vereinbar … angesehen werden … Beihilfen … zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass ihre Verfasser der Auffassung waren, es liege im Interesse der Union als Ganzer, dass der eine oder andere Mitgliedstaat in der Lage sei, eine größere oder gar existenzielle Krise zu überwinden, die nur schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft aller oder einiger der anderen Mitgliedstaaten und damit für die Union als solche haben könne. Diese Auslegung des Wortlauts von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV wird insofern durch den Vergleich mit Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV bestätigt, der „Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft“, betrifft, als der Wortlaut der letztgenannten Bestimmung eine Voraussetzung enthält, die sich auf den Nachweis bezieht, dass die Handelsbedingungen nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, und die in Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV nicht enthalten ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission, C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 20 und 39).

66      Soweit also die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV erfüllt sind, d. h. im vorliegenden Fall, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat tatsächlich eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben vorliegt und dass die zur Behebung dieser Störung beschlossenen Beihilfemaßnahmen zu diesem Zweck sowohl erforderlich als auch geeignet und verhältnismäßig sind, sind diese Maßnahmen als im Interesse der Union getroffen anzusehen, so dass diese Bestimmung die Kommission nicht dazu verpflichtet, die positiven Auswirkungen der Beihilfe gegen ihre negativen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen und auf die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs abzuwägen, anders als es Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV verlangt. Mit anderen Worten bedarf es im Rahmen von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV keiner solchen Abwägung, da von einem positiven Ergebnis ausgegangen wird. Dass es einem Mitgliedstaat gelingt, eine beträchtliche Störung seines Wirtschaftslebens zu beheben, kann nämlich für die Union im Allgemeinen und den Binnenmarkt im Besonderen nur von Vorteil sein.

67      Folglich ist festzustellen, dass Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV die Kommission – anders als Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV – nicht verpflichtet, die positiven Auswirkungen der Beihilfe gegen ihre negativen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen und auf die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs abzuwägen, sondern lediglich, zu prüfen, ob die fragliche Beihilfemaßnahme zur Behebung der beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben des betreffenden Mitgliedstaats erforderlich, geeignet und verhältnismäßig ist. Das Argument der Klägerin, die Verpflichtung zur Abwägung ergebe sich aus dem Ausnahmecharakter vereinbarer Beihilfen, einschließlich der nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV für vereinbar erklärten Beihilfen, ist daher zurückzuweisen.

68      Die Klägerin kann sich auch nicht auf den zwingenden Charakter einer Abwägung auf der Grundlage des Befristeten Rahmens berufen und argumentieren, dieser sei für die Kommission verbindlich und stelle eine zweite, gesonderte Grundlage für die diesbezügliche Verpflichtung der Kommission dar, da eine solche Verpflichtung im Befristeten Rahmen nicht enthalten ist. Insbesondere enthält Abschnitt 1.2 („Die Notwendigkeit einer engen Abstimmung der einzelstaatlichen Beihilfemaßnahmen auf europäischer Ebene“) des Befristeten Rahmens, auf den die Klägerin sich bezieht, einen einzigen Punkt, nämlich Rn. 10, der keine diesbezügliche Vorschrift enthält. Sie kann sich daher nicht darauf berufen.

69      Aus denselben Gründen kann auch das Hilfsvorbringen der Kommission, wonach der Befristete Rahmen selbst eine solche Abwägung enthält, nur zurückgewiesen werden.

70      Das Urteil vom 6. Juli 1995, AITEC u. a./Kommission (T‑447/93 bis T‑449/93, EU:T:1995:130), auf das sich die Klägerin beruft, ist ebenfalls nicht geeignet, die Auffassung zu stützen, dass die Kommission in dem angefochtenen Beschluss eine Abwägung hätte vornehmen müssen. In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, hatte die Kommission nämlich einen Beschluss erlassen, mit dem sie auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV die Durchführung einer allgemeinen Beihilferegelung genehmigte, diese aber von bestimmten Voraussetzungen abhängig machte. In diesem Urteil stellte das Gericht fest, dass sich aus dem Wortlaut dieser „Voraussetzungen“ ergebe, dass nach Ansicht der Kommission in Fällen, in denen einige in diesem Beschluss festgelegte Schwellenwerte überschritten wurden, die Feststellung der beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben des betreffenden Mitgliedstaats für sich allein nicht ausreiche, um die fragliche Beihilfe für zulässig zu erklären (Urteil vom 6. Juli 1995, AITEC u. a./Kommission, T‑447/93 bis T‑449/93, EU:T:1995:130, Rn. 127 bis 129). Es rügte sodann, dass die Kommission nicht geprüft habe, in welchem Umfang der Wettbewerb habe verfälscht und der Handel innerhalb der Union durch die fragliche Beihilfe habe beeinträchtigt werden können, obwohl sie sich in dem Beschluss zur Genehmigung der fraglichen Beihilferegelung selbst dazu verpflichtet habe (Urteil vom 6. Juli 1995, AITEC u. a./Kommission, T‑447/93 bis T‑449/93, EU:T:1995:130, Rn. 135).

71      Der Sachverhalt, zu dem das Urteil vom 6. Juli 1995, AITEC u. a./Kommission (T‑447/93 bis T‑449/93, EU:T:1995:130), ergangen ist, unterscheidet sich folglich von dem der vorliegenden Rechtssache. Jenes Urteil kann daher nicht belegen, dass die Kommission im vorliegenden Fall verpflichtet war, die positiven Auswirkungen der Beihilfe auf die Erreichung der in Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV genannten Ziele gegen deren nachteiligen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen und die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs abzuwägen. Das entsprechende Vorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

72      Das weitere Vorbringen der Klägerin vermag die Schlussfolgerung, dass die Kommission nicht verpflichtet war, in dem angefochtenen Beschluss eine Abwägung vorzunehmen, nicht in Frage zu stellen.

73      Was nämlich das Argument betrifft, der angefochtene Beschluss sei hinsichtlich des Marktanteils von Finnair widersprüchlich und enthalte somit eine fehlerhafte Beurteilung der Bedeutung von Finnair und der anderen Luftfahrtunternehmen für die Anbindung Finnlands, so ergibt sich aus der Prüfung des ersten Teils des ersten Klagegrundes, dass die Kommission die Bedeutung von Finnair für das finnische Wirtschaftsleben und die Anbindung Finnlands richtig beurteilt hat. Was speziell die von der Klägerin angesprochenen Unstimmigkeiten angeht, so wird dieses Vorbringen im Rahmen des vierten Klagegrundes behandelt, mit dem die unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses gerügt wird.

74      Zu dem Vorbringen, der angefochtene Beschluss gehe nicht auf die Folgen der Beihilfe für den Binnenmarkt ein, ist festzustellen, dass dieser Beschluss – ebenso wie die Klägerin in ihrer Klageschrift – anerkennt, dass die in Rede stehende Maßnahme Finnair einen Vorteil verschafft, indem sie diese von den Kosten entlastet, die sie unter normalen Marktbedingungen zu tragen gehabt hätte. Die Kommission hat somit anerkannt, dass die in Rede stehende Maßnahme geeignet war, den Wettbewerb durch die Stärkung der Wettbewerbsposition von Finnair und die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten insoweit zu verfälschen, als Finnair in einem Sektor tätig ist, in dem ein unionsinterner Handel stattfindet (Rn. 30 bis 35 des angefochtenen Beschlusses). Wie aus der Prüfung des ersten Klagegrundes weiter oben und des zweiten Klagegrundes weiter unten hervorgeht, hat die Kommission jedoch zu Recht festgestellt, dass diese Maßnahme zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Finnlands erforderlich, geeignet und verhältnismäßig war (Rn. 36 bis 52 des angefochtenen Beschlusses). Im vorliegenden Fall hat sich gezeigt, dass die in Rede stehende Maßnahme die Voraussetzungen für die Ausnahmeregelung nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV erfüllte. Unter diesen Umständen konnte die Kommission die in Rede stehende Einzelbeihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären.

75      Nach alledem sind sämtliche Argumente der Klägerin zurückzuweisen, mit denen diese der Kommission vorwirft, es versäumt zu haben, die positiven Auswirkungen der Beihilfe im Hinblick auf die Erreichung der in Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV genannten Ziele gegen ihre nachteiligen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen und die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs abzuwägen.

76      Folglich ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes und damit dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit

77      Der Rechtsprechung zufolge ergibt sich aus der allgemeinen Systematik des Vertrages, dass das in Art. 108 AEUV vorgesehene Verfahren niemals zu einem Ergebnis führen darf, das zu den besonderen Bestimmungen des Vertrages im Widerspruch steht. Daher kann eine staatliche Beihilfe, die wegen bestimmter Modalitäten gegen andere Bestimmungen des Vertrages, insbesondere diejenigen über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit, verstößt, von der Kommission nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden. Ebenso kann eine staatliche Beihilfe, die wegen bestimmter Modalitäten gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts wie den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt, von der Kommission nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden (Urteil vom 15. April 2008, Nuova Agricast, C‑390/06, EU:C:2008:224, Rn. 50 und 51).

78      Im vorliegenden Fall macht die Klägerin zum einen geltend, die Genehmigung von Maßnahmen und Beschlüssen betreffend staatliche Beihilfen durch die Kommission dürfe niemals gegen andere Bestimmungen des AEU-Vertrags wie den Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstoßen. Der angefochtene Beschluss behandele die vergleichbare Situation von Luftfahrtunternehmen, die Routen von und nach Finnland bedienten, unterschiedlich und begünstige Finnair ohne objektive Rechtfertigung. Zur Stützung dieses Vorbringens beruft sie sich u. a. auf die auf Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV gestützte Praxis der Kommission bei Beihilfemaßnahmen. Sie betont, dass die COVID‑19-Pandemie schwerwiegende Auswirkungen auf alle in Finnland tätigen Luftfahrtunternehmen gehabt habe. Das Erfordernis, unter Ausschluss der anderen in Finnland tätigen Luftfahrtunternehmen allein Finnair zu retten, sei nicht erwiesen, und die in Rede stehende Beihilfe gehe über das hinaus, was zur Erreichung ihres Ziels erforderlich sei. Diese Beihilfe sei eine rein wirtschaftsnationalistische Maßnahme. Die vorangegangenen Rettungsmaßnahmen für Finanzinstitute im Jahr 2008 und die Mitteilung der Kommission über die „Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der derzeitigen globalen Finanzkrise“ verdeutlichten die Bedeutung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, der im vorliegenden Fall verletzt worden sei.

79      Zum anderen hätte die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Maßnahme prüfen müssen, ob die Form der im vorliegenden Fall gewährten Beihilfe, nämlich eine staatliche Darlehensbürgschaft, mit dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs und mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sei. Dadurch, dass die Kommission dies nicht getan habe, habe sie einen Rechtsfehler begangen. Die Klägerin macht geltend, der Umstand, dass die Beihilfe allein Finnair vorbehalten sei, schränke die Rechte der anderen Luftfahrtunternehmen der Union ein, ihre Dienstleistungen im Binnenmarkt frei zu erbringen. Der angefochtene Beschluss bedeute somit eine ungerechtfertigte Einschränkung der Grundsätze der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit.

80      Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Republik Finnland, weist das Vorbringen der Klägerin zurück.

 Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

81      Eine Einzelbeihilfe wie die in Rede stehende kommt zwangsläufig nur einem einzigen Unternehmen zugute, unter Ausschluss aller anderen Unternehmen, einschließlich derjenigen, die sich in einer vergleichbaren Lage wie der Beihilfeempfänger befinden. Somit führt eine solche Einzelbeihilfe naturgemäß zu einer Ungleichbehandlung oder sogar Diskriminierung, die jedoch in der individuellen Natur der Maßnahme begründet ist. Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die fragliche Einzelbeihilfe verstoße gegen das Diskriminierungsverbot, bedeutet im Kern, die Vereinbarkeit einer jeden Einzelbeihilfe mit dem Binnenmarkt systematisch allein mit der Begründung in Frage zu stellen, dass sie ihrem Wesen nach ausschließlich und daher diskriminierend sei, obwohl das Unionsrecht den Mitgliedstaaten die Gewährung von Einzelbeihilfen erlaubt, sofern alle in Art. 107 AEUV aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind.

82      Nach dieser Klarstellung ist – unterstellt, die durch die in Rede stehende Maßnahme geschaffene Ungleichbehandlung kann, da sie nur Finnair zugutekommt, einer Diskriminierung gleichgesetzt werden, wie die Klägerin geltend macht – zu prüfen, ob sie durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt ist und ob sie zur Erreichung dieses Ziels erforderlich, geeignet und verhältnismäßig ist. Auch soweit sich die Klägerin auf Art. 18 Abs. 1 AEUV beruft, ist darauf hinzuweisen, dass nach dieser Bestimmung jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit „unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge“ in deren Anwendungsbereich verboten ist. Es ist daher zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV, der die Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beschluss bildet, zulässig ist. Diese Prüfung richtet sich zum einen darauf, ob das Ziel der in Rede stehenden Maßnahme den Anforderungen der letztgenannten Bestimmung entspricht, und zum anderen darauf, ob die Modalitäten der Gewährung der in Rede stehenden Maßnahme, d. h. im vorliegenden Fall der Umstand, dass sie nur Finnair zugutekommt, geeignet ist, die Erreichung dieses Ziels zu ermöglichen, und nicht über das hinausgeht, was zu dessen Erreichung erforderlich ist.

83      Was im vorliegenden Fall das Ziel der in Rede stehenden Maßnahme angeht, so besteht dieses – wie oben in Rn. 38 ausgeführt – darin, sicherzustellen, dass Finnair über ausreichende Liquidität verfügt, um ihre Lebensfähigkeit und ihre Flugdienste in einer Zeit aufrechtzuerhalten, in der die COVID‑19-Pandemie die gesamte finnische Wirtschaft erheblich beeinträchtigt, und zu verhindern, dass ein möglicher Konkurs von Finnair die Wirtschaft in diesem Mitgliedstaat noch stärker beeinträchtigt.

84      Da sowohl das Vorliegen einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Finnlands infolge der COVID‑19-Pandemie als auch die gravierenden negativen Auswirkungen der Pandemie auf den finnischen Flugdienstemarkt, wie oben in Rn. 36 ausgeführt, im angefochtenen Beschluss rechtlich hinreichend dargetan sind, ist davon auszugehen, dass das Ziel der in Rede stehenden Maßnahme unter Berücksichtigung der Bedeutung von Finnair für die finnische Wirtschaft die in Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV aufgestellten Voraussetzungen erfüllt.

85      Was die Frage angeht, ob die Modalitäten der Gewährung der in Rede stehenden Maßnahme geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen, und nicht über das hinausgehen, was zu dessen Erreichung erforderlich ist, so ergibt sich aus der Prüfung des ersten Klagegrundes, dass die Gewährung der staatlichen Garantie allein an Finnair geeignet ist, das mit der in Rede stehenden Maßnahme verfolgte Ziel zu erreichen, und die in Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV aufgestellten Voraussetzungen erfüllt.

86      Die Klägerin macht indessen geltend, die Finnair gewährte Vorzugsbehandlung sei für das von der Republik Finnland verfolgte Ziel weder erforderlich noch verhältnismäßig.

87      Insoweit ist zunächst festzustellen, dass das Ziel der Maßnahme entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht darin besteht, „die inländische und internationale Luftverkehrsanbindung Finnlands zu erhalten“. In Anbetracht des oben in Rn. 83 wiedergegebenen Ziels der in Rede stehenden Maßnahme und unter Berücksichtigung der oben in den Rn. 37 und 39 angeführten Gesichtspunkte ist davon auszugehen, dass die Gewährung der staatlichen Garantie allein an Finnair zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

88      Im Übrigen war die Kommission, wie sie in ihrer Klagebeantwortung zu Recht geltend macht, nicht verpflichtet zu prüfen, ob der betreffende Mitgliedstaat, abgesehen vom Fortbestand von Finnair, den Kreis der Beihilfeempfänger hätte erweitern müssen, da in dem angefochtenen Beschluss das Erfordernis, den Beitrag von Finnair zum finnischen Wirtschaftsleben zu erhalten, rechtlich hinreichend dargetan wird. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

89      Sodann ist festzustellen, dass die Klägerin die Höhe der Beihilfe nicht in Frage stellt. Ihrer Ansicht nach geht jedoch der Umstand, dass Finnair 100 % der Beihilfe erhält, obwohl ihr Anteil an der Anbindung Finnlands weniger als 100 % beträgt, über das hinaus, was zur Erreichung des mit dieser Maßnahme verfolgten Ziels erforderlich ist, und sei daher unverhältnismäßig. Ihr zufolge würde das Ziel der Maßnahme ohne Diskriminierung erreicht, wenn die Beihilfe allen in Finnland tätigen Luftfahrtunternehmen entsprechend ihrem Marktanteil gewährt würde.

90      Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, dürfen die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist (Urteil vom 17. Mai 1984, Denkavit Nederland, 15/83, EU:C:1984:183, Rn. 25), wobei zu beachten ist, dass, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und dass die verursachten Nachteile gegenüber den angestrebten Zielen nicht unangemessen sein dürfen (Urteil vom 30. April 2019, Italien/Rat [Fangquoten für Schwertfisch im Mittelmeer], C‑611/17, EU:C:2019:332, Rn. 55).

91      Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass jedenfalls unter Berücksichtigung der im Rahmen der Prüfung des ersten Teils des ersten Klagegrundes angestellten Erwägungen, insbesondere derjenigen oben in den Rn. 57 bis 59, die Gewährung der staatlichen Garantie allein an Finnair nicht die Grenzen dessen überschritten hat, was zur Erreichung der von der Republik Finnland verfolgten rechtmäßigen Ziele geeignet und erforderlich war, und daher entgegen der Auffassung der Klägerin nicht unverhältnismäßig war. Außerdem hätte die von der Klägerin vorgeschlagene Gewährung der Beihilfe an alle in Finnland tätigen Luftfahrtunternehmen nach Maßgabe ihres Marktanteils zur Folge, dass die Höhe der Finnair gewährten Beihilfe verringert würde, so dass ihr Liquiditätsbedarf nicht gedeckt wäre, was angesichts der Bedeutung dieses Unternehmens für die finnische Wirtschaft schwerwiegende Auswirkungen haben könnte. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

92      Nach alledem ist festzustellen, dass die Gewährung der in Rede stehenden Beihilfe allein an Finnair nicht über das hinausging, was zur Erreichung des mit dieser Beihilfe verfolgten Ziels erforderlich war. Die Klägerin macht daher zu Unrecht geltend, Finnair genieße durch die in Rede stehende Maßnahme eine ungerechtfertigte Vorzugsbehandlung.

93      Das weitere Vorbringen der Klägerin im Rahmen des zweiten Klagegrundes kann keinen Erfolg haben.

94      Da die streitige Maßnahme die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV erfüllt, kann sie nämlich nicht als rein wirtschaftsnationalistische Maßnahme angesehen werden. Die Pressemitteilung der finnischen Regierung, auf die sich die Klägerin beruft und die in Anhang A.3.4 zur Klageschrift wiedergegeben ist, kann ebenfalls nicht belegen, dass diese Maßnahme reiner Ausdruck von wirtschaftlichem Nationalismus wäre.

95      Zwar hält die Republik Finnland laut dieser Pressemitteilung einen Anteil von 55,8 % an Finnair. Eine Beihilfe, die – wie im vorliegenden Fall – die Voraussetzungen von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV erfüllt, kann jedoch einem Unternehmen gewährt werden, an dem der betreffende Mitgliedstaat eine Mehrheitsbeteiligung hält. Wie die Kommission in der Klagebeantwortung festgestellt hat, werden in der genannten Pressemitteilung außerdem die Bedeutung der Flugrouten von Finnair für die Versorgungssicherheit Finnlands sowie für die Fracht‑ und Personenbeförderung und der Einfluss dieses Unternehmens auf die Volkswirtschaft hervorgehoben. Unter diesen Umständen kann diese Mitteilung den oben in den Rn. 39 bis 53 wiedergegebenen Einschätzungen der Kommission nicht die Grundlage entziehen. Sie steht vielmehr im Einklang mit diesen Einschätzungen.

96      Die Klägerin beruft sich ferner auf die von der Kommission erstellte allgemeine Beschreibung der für den Luftverkehrssektor während der COVID‑19-Pandemie geltenden Vorschriften über staatliche Beihilfen und gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen, die angebliche Entscheidungspraxis der Kommission in Bezug auf Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV, die angebliche Praxis der Kommission in Bezug auf frühere, aufgrund von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV zugelassene Rettungsmaßnahmen für Finanzinstitute und die Mitteilung der Kommission über die „Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der derzeitigen globalen Finanzkrise“.

97      Aus den bereits oben in Rn. 62 angeführten Gründen sind die angeblichen Praktiken der Kommission und diese Mitteilung jedoch für den vorliegenden Fall nicht relevant. Was darüber hinaus das Vorbringen der Klägerin angeht, die allgemeine Beschreibung der für den Luftverkehrssektor während der COVID‑19-Pandemie geltenden Vorschriften über staatliche Beihilfen und gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen betone den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, ist auf die oben in den Rn. 81 bis 92 angestellten Erwägungen hinzuweisen.

98      Folglich ist erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zur Verletzung der Dienstleistungsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit

99      Zu Art. 56 AEUV ist festzustellen, dass für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs nach Art. 58 Abs. 1 AEUV die Bestimmungen des Titels über den Verkehr, d. h. des Titels VI des AEU-Vertrags, gelten. Der freie Dienstleistungsverkehr im Bereich des Verkehrs unterliegt somit im Rahmen des Primärrechts einer besonderen rechtlichen Regelung (Urteil vom 18. März 2014, International Jet Management, C‑628/11, EU:C:2014:171, Rn. 36). Folglich gilt Art. 56 AEUV nicht als solcher für den Bereich der Luftfahrt (Urteil vom 25. Januar 2011, Neukirchinger, C‑382/08, EU:C:2011:27, Rn. 22).

100    Maßnahmen zur Liberalisierung des Luftverkehrs können daher nur auf der Grundlage von Art. 100 Abs. 2 AEUV erlassen werden (Urteil vom 18. März 2014, International Jet Management, C‑628/11, EU:C:2014:171, Rn. 38). Der Unionsgesetzgeber hat, wie die Klägerin zutreffend ausführt, auf der Grundlage dieser Bestimmung die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. 2008, L 293, S. 3) erlassen, die gerade darauf gerichtet ist, im Luftverkehrssektor die Bedingungen für die Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs festzulegen (vgl. entsprechend Urteil vom 6. Februar 2003, Stylianakis, C‑92/01, EU:C:2003:72, Rn. 23 und 24).

101    Im vorliegenden Fall betrifft die in Rede stehende Maßnahme zwar eine Einzelbeihilfe, die nur Finnair zugutekommt, doch hat die Klägerin nicht dargetan, inwiefern dieser ausschließliche Charakter geeignet ist, sie von der Erbringung von Dienstleistungen von und nach Finnland oder von der Ausübung ihrer Niederlassungsfreiheit in diesem Mitgliedstaat abzuhalten. Insbesondere hat sie nicht die tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte angegeben, die dazu führen würden, dass die in Rede stehende Einzelbeihilfe wettbewerbsbeschränkende Wirkungen entfaltet, die über diejenigen hinausgingen, die das Verbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV auslösen, die aber – wie oben in den Rn. 42 bis 63 sowie in den Rn. 82 bis 92 entschieden worden ist – gleichwohl erforderlich und verhältnismäßig sind, um die durch die COVID‑19-Pandemie verursachte beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben Finnlands im Einklang mit den Anforderungen des Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV zu beheben.

102    Daher kann die in Rede stehende Maßnahme keine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit oder der Dienstleistungsfreiheit der Klägerin darstellen. Außerdem kann die Klägerin der Kommission nicht vorwerfen, dass sie die Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit der Niederlassungsfreiheit und mit der Dienstleistungsfreiheit nicht ausdrücklich geprüft habe.

103    Unter diesen Umständen ist der zweite Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

104    Folglich ist der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 108 Abs. 2 AEUV

105    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe das sich aus Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV ergebende Erfordernis, die positiven Auswirkungen der Beihilfe gegen ihre nachteiligen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen und die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs abzuwägen und zu prüfen, ob der angefochtene Beschluss mit den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit in Einklang stehe, nicht beachtet. Diese Fehler reichten, jeder für sich genommen, für die Schlussfolgerung aus, dass die fragliche Beihilfe mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei. Der angefochtene Beschluss wäre daher wesentlich anders ausgefallen, wenn die Kommission festgestellt hätte, dass Zweifel an der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt bestünden, und das förmliche Prüfverfahren eingeleitet hätte. Durch die Weigerung, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten und Stellungnahmen der Beteiligten, hier der Klägerin, einzuholen, habe die Kommission deren Rechte aus Art. 108 Abs. 2 AEUV und aus der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 mit Durchführungsbestimmungen zu Art. 108 AEUV (ABl. 2015, L 248, S. 9) sowie den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verletzt.

106    Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Republik Finnland, weist das Vorbringen der Klägerin zurück.

107    Der dritte Klagegrund, betreffend die Wahrung der Verfahrensrechte der Klägerin insofern, als die Kommission trotz des angeblichen Bestehens ernsthafter Zweifel kein förmliches Prüfverfahren eingeleitet habe, hat in Wirklichkeit subsidiären Charakter, für den Fall, dass das Gericht die Beurteilung der Beihilfe als solche nicht prüfen sollte. Nach ständiger Rechtsprechung soll dieser Klagegrund es einer betroffenen Partei nämlich ermöglichen, in dieser Eigenschaft eine Klage nach Art. 263 AEUV zu erheben, was ihr andernfalls verweigert würde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex, C‑83/09 P, EU:C:2011:341, Rn. 48, sowie vom 27. Oktober 2011, Österreich/Scheucher-Fleisch u. a., C‑47/10 P, EU:C:2011:698, Rn. 44). Das Gericht hat jedoch die ersten beiden Klagegründe geprüft, die sich auf die Beurteilung der Beihilfe als solche beziehen, so dass dieser Klagegrund gegenstandslos ist.

108    In jedem Fall ist zu beachten, dass dieser Klagegrund keinen eigenständigen Inhalt hat. Im Rahmen eines solchen Klagegrundes kann der Kläger zur Wahrung der ihm im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens zustehenden Verfahrensrechte nur Klagegründe anführen, die geeignet sind, zu zeigen, dass die Beurteilung der Informationen und Angaben, über die die Kommission in der Phase der vorläufigen Prüfung der angemeldeten Maßnahme verfügte oder hätte verfügen können, Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der fraglichen Maßnahme mit dem Binnenmarkt hätte geben müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Dezember 2008, Régie Networks, C‑333/07, EU:C:2008:764, Rn. 81, vom 9. Juli 2009, 3F/Kommission, C‑319/07 P, EU:C:2009:435, Rn. 35, sowie vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex, C‑83/09 P, EU:C:2011:341, Rn. 59), wie z. B. die Unzulänglichkeit oder Unvollständigkeit der von der Kommission im Vorprüfungsverfahren durchgeführten Prüfung oder das Vorliegen von Beschwerden Dritter. Insoweit ist festzustellen, dass der dritte Klagegrund die im ersten und im zweiten Klagegrund vorgebrachten Argumente zusammenfasst, ohne besondere Elemente in Bezug auf etwaige ernsthafte Schwierigkeiten hervorzuheben.

109    Da das Gericht diese Klagegründe in der Sache geprüft hat, ist eine Prüfung der Stichhaltigkeit dieses Klagegrundes somit nicht erforderlich.

 Zum vierten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

110    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Argumentation der Kommission in dem angefochtenen Beschluss sei entweder nicht vorhanden, tautologisch oder widersprüchlich.

111    Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Republik Finnland, weist das Vorbringen der Klägerin zurück.

112    Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Unionsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Anforderungen dieses Artikels genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteile vom 15. April 2008, Nuova Agricast, C‑390/06, EU:C:2008:224, Rn. 79, und vom 8. September 2011, Kommission/Niederlande, C‑279/08 P, EU:C:2011:551, Rn. 125).

113    Die Klägerin macht als Erstes geltend, die Kommission habe es versäumt, die positiven Auswirkungen der Beihilfe gegen deren nachteilige Auswirkungen auf die Handelsbedingungen und auf die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs abzuwägen.

114    Aus den vorstehenden Rn. 65 bis 67 ergibt sich jedoch, dass es nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV nicht erforderlich ist, die positiven Auswirkungen der Beihilfe gegen ihre negativen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen und auf die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs abzuwägen. Die Kommission brauchte daher insoweit keine Begründung abzugeben.

115    Als Zweites rügt die Klägerin, dass die Kommission nicht geprüft habe, ob die Beihilfe diskriminierend sei und ob sie mit den Grundsätzen der Dienstleistungs‑ und der Niederlassungsfreiheit in Einklang stehe.

116    Jedoch ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss die oben in den Rn. 39, 44 bis 53 und 56 bis 59 angeführten Gesichtspunkte enthält, die es ermöglichen, die Gründe zu verstehen, aus denen die Kommission der Ansicht war, dass die Republik Finnland die in Rede stehende Beihilfe allein Finnair gewähren könne.

117    Als Drittes macht die Klägerin geltend, der angefochtene Beschluss weise eine Unstimmigkeit insoweit auf, als die Marktanteile von Finnair in Rn. 45 und in Fn. 9 dieses Beschlusses uneinheitlich dargestellt würden. Der Marktanteil von Finnair von 67 % auf dem Markt für inländische und internationale Luftverkehrsdienstleistungen in Finnland stehe nicht im Einklang mit den in Fn. 9 des angefochtenen Beschlusses genannten Daten. Außerdem stimmten diese Daten nicht mit denjenigen der für die Klägerin erstellten unabhängigen Analyse überein. Diese Unstimmigkeit sei umso schwerwiegender, als der Marktanteil von Finnair ein Gesichtspunkt sei, der bei der Beurteilung der Bedeutung von Finnair für das Wirtschaftsleben in Finnland durch die Kommission von großer Bedeutung gewesen sei.

118    Hierzu heißt es in Rn. 45 des angefochtenen Beschlusses:

„Die Kommission stellt fest, dass Finnair ein umfangreiches inländisches und internationales Streckennetz betreibt, das Verbindungsmöglichkeiten in Finnland und mit Finnland gewährleistet. Finnair ist die größte Fluggesellschaft in Finnland und beförderte 2019 fast 15 Mio. Passagiere (67 % aller Passagiere, die 2019 nach, von und innerhalb Finnlands befördert wurden) ...“

119    Fn. 9 des angefochtenen Beschlusses lautete ursprünglich wie folgt:

„Laut dem Finavia-Bericht 2019 hatte Finnair einen Marktanteil von 67 % der beförderten Passagiere auf internationalen Flügen und 80 % auf Inlandsflügen. Ihr Marktanteil beläuft sich auf insgesamt 45 % des finnischen Flugdienstemarkts.“

120    Es ist festzustellen, dass die Unstimmigkeiten zwischen den in Rn. 45 und in Fn. 9 des angefochtenen Beschlusses angeführten Marktanteilen von Finnair das Ergebnis eines einfachen Schreibfehlers sind, der keinen Einfluss auf die Beurteilung der Kommission hatte und die Klägerin nicht irreführen konnte.

121    Die Kommission nahm nämlich am 29. Juli 2020 den Beschluss C(2020) 5339 final, „Berichtigung des Beschlusses C(2020) 3387 final über die staatliche Beihilfe SA.56809 (2020/N) – Finnland COVID‑19: Staatliche Garantie zugunsten von Finnair“ an. Der angefochtene Beschluss wurde anschließend – wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung angegeben hat – in seiner berichtigten Fassung am 31. Juli 2020 auf der Website der Kommission veröffentlicht. Nach dieser Fassung des angefochtenen Beschlusses machten die von Finnair beförderten Fluggäste im Jahr 2019 67 % aller in, nach und aus Finnland beförderten Fluggäste aus. Finnair hatte einen Marktanteil von 62 % der beförderten Passagiere auf internationalen Flügen und von 83 % auf Inlandsflügen. Ihr Marktanteil insgesamt belief sich auf 44 % des finnischen Flugdienstemarkts. Der von der Klägerin gerügte Fehler, der ausschließlich Fn. 9 betraf, ist somit von der Kommission berichtigt worden.

122    Es ist darauf hinzuweisen, dass in der ursprünglichen Fassung des angefochtenen Beschlusses klar und eindeutig festgestellt wurde, dass Finnair im Jahr 2019 mit einem Marktanteil von 67 % der in, nach und aus Finnland beförderten Fluggäste die wichtigste Passagierfluggesellschaft in Finnland sei, so dass die Betroffenen ihr die Gründe für diesen Beschluss entnehmen konnten und die Klägerin dessen Begründetheit beanstanden konnte, wie der Inhalt ihrer Klageschrift zeigt.

123    Unter diesen Umständen vermag der Schreibfehler in Fn. 9 des angefochtenen Beschlusses keinen Begründungsmangel herbeizuführen, der aufgrund dessen seine Nichtigerklärung rechtfertigen könnte.

124    Zu dem Vorbringen, dass die für die Klägerin auf der Grundlage der Daten des Official Airline Guide erstellte, der Klageschrift als Anlage A.3.2 beigefügte unabhängige Analyse ein anderes Bild der Marktanteile von Finnair ergebe, ist zwar festzustellen, dass die von der Kommission in Rn. 45 des angefochtenen Beschlusses und von der Klägerin in Anlage A.3.2 angegebenen Marktanteile nicht identisch sind. Diese Unterschiede, die zu vernachlässigen sind, lassen sich jedoch durch die unterschiedlichen Quellen erklären, aus denen die betreffenden Marktanteile abgeleitet wurden. Insoweit können, wie die Kommission zu Recht hervorhebt, die von Finavia, dem wichtigsten Flughafenbetreiber in Finnland, vorgelegten Daten, auf die sie sich in dem angefochtenen Beschluss gestützt hat, nicht als weniger zuverlässig angesehen werden als die Daten des Official Airline Guide.

125    Nach alledem ist der angefochtene Beschluss hinreichend begründet, so dass der vierte Klagegrund zurückzuweisen ist.

126    Infolgedessen ist die Klage insgesamt in der Sache abzuweisen, wobei der Klägerin gleichzeitig die beantragte vertrauliche Behandlung zu gewähren ist, da das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Republik Finnland insoweit keine Einwände erhoben haben.

 Kosten

127    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission, einschließlich der im Zusammenhang mit dem Antrag auf vertrauliche Behandlung entstandenen Kosten, aufzuerlegen.

128    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Republik Finnland tragen daher ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zehnte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Ryanair DAC trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission, einschließlich der im Zusammenhang mit dem Antrag auf vertrauliche Behandlung entstandenen Kosten.


3.      Das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Republik Finnland tragen ihre eigenen Kosten.

Van der Woude

Kornezov

Buttigieg

Kowalik-Bańczyk

 

      Hesse

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. April 2021.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.