Language of document : ECLI:EU:T:1998:140

URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)

25. Juni 1998 (1)

„Staatliche Beihilfe — Luftverkehr — Fluggesellschaft in Finanzkrise —Genehmigung einer Kapitalerhöhung“

In den verbundenen Rechtssachen T-371/94 und T-394/94

British Airways plc, Gesellschaft englischen Rechts, Hounslow (VereinigtesKönigreich),

Scandinavian Airlines System Denmark-Norway-Sweden, Gesellschaft dänischen,norwegischen und schwedischen Rechts, Stockholm,

Koninklijke Luchtvaart Maatschappij NV, Gesellschaft niederländischen Rechts,Amstelveen (Niederlande),

Air UK Ltd, Gesellschaft englischen Rechts, Stansted (Vereinigtes Königreich),

Euralair international, Gesellschaft französischen Rechts, Bonneuil (Frankreich),

TAT European Airlines, Gesellschaft französischen Rechts, Tours (Frankreich),

Prozeßbevollmächtigter: Solicitor Romano Subiotto, Zustellungsanschrift: Kanzleider Rechtsanwälte Elvinger, Hoss und Prussen, 15, Côte d'Eich, Luxemburg,

Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94,

und

British Midland Airways Ltd, Gesellschaft englischen Rechts, Castle Donington(Vereinigtes Königreich), Prozeßbevollmächtigte: Solicitor Kevin F. Bodley undRechtsanwalt Konstantinos Adamantopoulos, Athen, Zustellungsanschrift: Kanzleides Rechtsanwalts Arsène Kronshagen, 12, boulevard de la Foire, Luxemburg,

Klägerin in der Rechtssache T-394/94,

unterstützt durch

Königreich Schweden, vertreten durch Staffan Sandström als Bevollmächtigten,

Königreich Norwegen, vertreten durch Margit Tveiten als Bevollmächtigte,Zustellungsanschrift: Königlich norwegisches Konsulat, 3, boulevard Royal,Luxemburg,

Maersk Air I/S, Gesellschaft dänischen Rechts, Dragøer (Dänemark),

und

Maersk Air Ltd, Gesellschaft englischen Rechts, Birmingham (VereinigtesKönigreich),

Prozeßbevollmächtigte: Solicitor Roderic O'Sullivan und Solicitor Philip Wareham,Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Arendt und Medernach, 8—10, rueMathias Hardt, Luxemburg,

Streithelfer in der Rechtssache T-371/94,

Königreich Dänemark, vertreten durch Peter Biering, Abteilungsleiter imAußenministerium, als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift: Dänische Botschaft,4, boulevard Royal, Luxemburg,

und

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch JohnE. Collins, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigten, und RichardPlender, QC, Zustellungsanschrift: Botschaft des Vereinigten Königreichs,14, boulevard Roosevelt, Luxemburg,

Streithelfer in beiden Rechtssachen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Nicolas Khan undBen Smulders, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Beistand: Ami Barav,zugelassen als Barrister in England und Wales und als Rechtsanwalt in Paris,

Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, CentreWagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch Marc Perrin de Brichambaut, Leiter derDirektion für Rechtsfragen im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten,Edwige Belliard, Catherine de Salins und Jean-Marc Belorgey, stellvertretendeDirektorin, Abteilungsleiterin bzw. Chargé de mission in derselben Direktion, alsBevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Französische Botschaft, 8B, boulevardJoseph II, Luxemburg,

und

Compagnie nationale Air France, Gesellschaft französischen Rechts, Paris,Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Olivier d'Ormesson, Paris,Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Jacques Loesch, 11, rue Goethe,Luxemburg,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 94/653/EG der Kommission vom 27. Juli1994 über die angemeldete Kapitalerhöhung von Air France (ABl. L 254, S. 73)

erläßt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten C. W. Bellamy sowie der Richter K. Lenaerts,C. P. Briët, A. Kalogeropoulos und A. Potocki,

Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6.und 7. Mai 1997,

folgendes

Urteil

Den Klagen und den Verfahren zugrunde liegender Sachverhalt

Verwaltungsverfahren

1.
    Mit Schreiben vom 18. März 1994 unterrichtete die französische Regierung dieKommission gemäß Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag über ihre Absicht, derCompagnie nationale Air France (im folgenden: Air France) Kapital in Höhe von20 Milliarden FF zuzuführen. Dieser Mitteilung war ein Umstrukturierungsplan mitdem Titel „Projet pour l'entreprise“ (im folgenden: Plan) beigefügt.

2.
    Nach einer Besprechung mit Vertretern der Air France und der französischenRegierung sowie aufgrund des Schriftwechsels mit diesen eröffnete die Kommissiondas Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag. Sie unterrichtete diefranzösischen Behörden hiervon mit Schreiben vom 30. Mai 1994, das am 3. Juni1994 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurde (ABl.C 152, S. 2; im folgenden: Mitteilung vom 3. Juni 1994).

3.
    In dieser Mitteilung vertrat die Kommission die Auffassung, daß die beabsichtigteKapitalerhöhung eine staatliche Beihilfe darstelle, und stellte fest, daß sie zu prüfenhabe, ob das Beihilfevorhaben die Handelsbedingungen in einer Weise verändere,die dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufe. In diesem Zusammenhang nahm dieKommission u. a. an,

—    daß im wirtschaftlichen Umfeld die wirtschaftliche Lage und dieZukunftsaussichten des gesamten Air-France-Konzerns zu berücksichtigenseien;

—    daß sie prüfen müsse, welche Auswirkungen die Beihilfe auf dieWettbewerbsstellung von Air France auf internationalen und einheimischenRouten habe, auf denen Air France im Wettbewerb mit andereneuropäischen Verkehrsunternehmen stehe.

4.
    In der Folge schickten die französischen Behörden der Kommission eine Reihe vonSchreiben zu und nahmen mit Vertretern der Air France an mehreren von derKommission ausgerichteten Besprechungen teil. Bis zum 4. Juli 1994 erhielt dieKommission Stellungnahmen von 23 Beteiligten, darunter dem VereinigtenKönigreich, dem Königreich Dänemark, dem Königreich Schweden, demKönigreich Norwegen, der Vereinigung der Luftfahrtunternehmen der EG(Association des Compagnies Aériennes de la Communauté Européenne; ACE)und zahlreichen europäischen Fluggesellschaften, u. a. den Klägern.

5.
    Die meisten Beteiligten teilen die Bedenken der Kommission in bezug auf eineGenehmigung der in Rede stehenden Beihilfe. Ihre Haupteinwendungen beziehensich u. a. auf folgendes:

—    Die Beihilfe werde nicht nur der Air France, sondern auch dem gesamtenKonzern zugute kommen;

—    die Beihilfe werde zu einer Überkapitalisierung des Air-France-Konzernsführen;

—    der Kauf von 17 neuen Flugzeugen zum Preis von 11,5 Milliarden FF seinicht akzeptabel;

—    die Beurteilung, ob die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei,dürfe nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung desBeihilfeempfängers erfolgen;

—    falls die Beihilfe genehmigt werde, müsse eine gewaltige Reduzierung derKapazitäten der Air France vorgeschrieben werden.

6.
    Die Äußerungen der Beteiligten wurden an die französischen Behördenweitergeleitet, die darauf mit Schreiben vom 13. Juli 1994 an die zuständigenKommissionsdienststellen antworteten. Am 14. Juli 1994 richtete der französischePremierminister ein Schreiben an das zuständige Mitglied der Kommission, in demer die Zusicherungen seiner Regierung für den Fall der Billigung des Planesdarlegte. Am 18. Juli 1994 wurden zwei zusätzliche Zusicherungen derfranzösischen Regierung übermittelt. Schließlich ließen die französischen Behördender Kommission am 26. Juli 1994 zusätzliche Informationen zugehen.

Die angefochtene Entscheidung

7.
    Am 27. Juli 1994 erließ die Kommission die Entscheidung 94/653/EG über dieangemeldete Kapitalerhöhung von Air France (ABl. L 254, S. 73; im folgenden:angefochtene Entscheidung), die sich wie folgt zusammenfassen läßt.

8.
    Nach einer Beschreibung der Struktur des Air-France-Konzerns (tätig imLuftverkehr, bei Hoteldienstleistungen, im Tourismus, in der Gastronomie, in derWartung und in der Pilotenausbildung) stellt die Kommission fest, daß dieserKonzern neben British Airways eine der drei großen europäischenFluggesellschaften sei. Seit Anfang der 90er Jahre verfolge er eine Politik desErwerbs von Beteiligungen an anderen Fluggesellschaften (UTA, Air Inter, Sabenaund CSA), mit der insbesondere seine Stellung auf dem Inlandsmarkt gesichert undder Wettbewerb auf den internationalen Routen aufgenommen werden solle. DerAir-France-Konzern habe ein Programm zur Modernisierung und Erweiterungseiner Flotte in Angriff genommen, das durch Darlehen finanziert worden sei;durch die finanziellen Belastungen aus diesen Darlehen sei das Betriebsergebnisverschlechtert worden; 1990 sei zum ersten Mal ein Verlust von 717,2 Millionen FFausgewiesen worden. In dieser Lage habe der Air-France-Konzern mehrereUmstrukturierungspläne verabschiedet, die jedoch alle gescheitert seien.

9.
    Zusammenfassend stellt die Kommission fest, daß der Air-France-Konzern sicheiner überaus ernsten finanziellen und wirtschaftlichen Krise gegenübersehe. Nacheinem Verlust in Höhe von 3,2 Milliarden FF im Jahr 1992 betrage der Verlust imvierten aufeinanderfolgenden Jahr im Jahr 1993 8,4 Milliarden FF. In denzurückliegenden drei Jahren habe sich die Situation des Konzerns kontinuierlichverschlechtert. Die Kluft zwischen dem Air-France-Konzern und seinenKonkurrenten habe sich wegen des schlechten Ergebnisses 1993 weiter vergrößert;dieses Ergebnis erkläre sich in erster Linie durch die geringe Produktivität und diehohen Betriebskosten sowie die hohen Finanzlasten.

10.
    Die Kommission beschreibt dann die großen Linien des Planes, mit dem aus derAir France „ein echtes Unternehmen“ gemacht werden soll, wobei dieses Ziel inder Zeit zwischen dem 1. Januar 1994 und dem 31. Dezember 1996 erreicht werdensolle, und zwar durch eine Senkung der Kosten und der finanziellen Aufwendungen,eine Änderung der Produktkonzeption und einen besseren Betriebsmitteleinsatz,eine Umstrukturierung des Unternehmens sowie eine Beteiligung der Angestellten.

11.
    In diesem Zusammenhang führt die Kommission u. a. aus, daß die Zahl der imUmstrukturierungszeitraum auszuliefernden Flugzeuge von 22 auf 17 gesenkt werdeund sich die Flotteninvestitionen dadurch auf 11,5 Milliarden FF verringerten. DieEinsatzflotte (145 Flugzeuge) werde nur um ein Flugzeug erweitert; dasSitzplatzangebot werde leicht gesenkt. Außerdem werde Air France ihre Flottedadurch rationalisieren, daß sie eine Reihe von Flugzeugen abgebe. DieHeterogenität ihrer Flotte (24 verschiedene Typen oder Versionen) sei nämlicheiner der Faktoren, die ihre Betriebskosten erhöhten. Darüber hinaus werde dieAir France ihr Netz vereinfachen, die Frequenzen auf rentablen Routen erhöhen,die Langstreckenrouten ausbauen, wenig genutzte Verbindungen aufgeben und sichauf Routen mit guten Wachstumsaussichten konzentrieren. Auf sozialer Ebene seiin dem Plan die Reduzierung des Personalbestands um 5 000 Beschäftigte, dasEinfrieren der Löhne und Gehälter (vorbehaltlich einer Überprüfung) und einBeförderungsstopp vorgesehen. Außerdem werde die Air France in elfBetriebszentren (Profit-Center) neugegliedert, die ihre eigenen Ergebnisseauswiesen, wobei jedes Zentrum mit eigenen Mitteln ausgestattet sei. DieUmsetzung des Planes werde über die Kapitalerhöhung und die Veräußerung vonnicht zum Kernbereich gehörenden Teilen des Betriebsvermögens finanziert.

12.
    Die Kommission stellt fest, im Laufe ihrer Verhandlungen mit der französischenRegierung habe diese eine Reihe von Zusicherungen in bezug auf die Umsetzungdes Planes und die Verwendung des der Air France zugewiesenen Kapitalsgegeben, wobei die Kapitalzufuhr in drei Tranchen vorgesehen sei: 10 MilliardenFF 1994, 5 Milliarden FF 1995 und 5 Milliarden FF 1996. Diese Zusicherungensind in Form von Bedingungen in den verfügenden Teil der Entscheidungübernommen worden.

13.
    Auf der Grundlage des Vorstehenden ist die Kommission der Auffassung, daß diein Rede stehende Kapitalzufuhr eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92

Absatz 1 des Vertrages und Artikel 61 Absatz 1 des Abkommens über denEuropäischen Wirtschaftsraum (im folgenden: EWR-Abkommen) darstelle, dieunter Berücksichtigung des großen Europa-Netzes der Air France und des starkenWettbewerbs auf den meisten von der Air France beflogenen Routen denWettbewerb innerhalb des EWR verzerre. Außerdem beeinträchtige die Beihilfeden Handel zwischen den EWR-Ländern, da die Zivilluftfahrt ein internationalerTätigkeitsbereich sei.

14.
    Die Kommission schließt zunächst die Anwendung anderer Ausnahmevorschriftendes Vertrages und des EWR-Abkommens aus und prüft dann, inwieweit den inArtikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages und Artikel 61 Absatz 3 Buchstabec des EWR-Abkommens festgelegten Kriterien entsprochen wird.

15.
    Bei der Untersuchung der gegenwärtigen Lage der Zivilluftfahrt vertritt dieKommission die Auffassung, daß dieser Sektor sich anscheinend von der 1990einsetzenden wirtschaftlichen Krise erholt habe. Trotz der positiven Ergebnisse(Zuwachs im Passagierverkehr) flögen einige europäische Luftfahrtunternehmenweiterhin Verluste ein, und zwar aufgrund der auf dem Markt bestehendenÜberkapazitäten. Die Aussichten für das europäische Luftverkehrsgewerbe seienmittelfristig jedoch recht positiv. Vor diesem Hintergrund dürften dieÜberkapazitäten nur von begrenzter Dauer sein. Die Kommission ist daher derAnsicht, daß der Markt nicht in einer strukturellen, durch Überkapazitätengekennzeichneten Krise stecke und daß die Lage des Luftverkehrsgewerbes keinegenerellen Kapazitätskürzungen rechtfertige.

16.
    Nach Auswertung des Planes ist die Kommission der Ansicht, daß dieser geeignetsei, die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Air Francewiederherzustellen, und daß eine wirkliche Umstrukturierung der Air France zurEntwicklung des europäischen Luftverkehrsgewerbes dadurch beitragen werde, daßsie dessen Wettbewerbsfähigkeit stärken werde; sie liege somit im gemeinsamenInteresse. In diesem Zusammenhang verweist eine Fußnote auf dasAktionsprogramm der Kommission „Die Zivilluftfahrt in Europa auf dem Weg indie Zukunft“ (KOM[94] 218).

17.
    Bei der Prüfung, ob die geplante Beihilfe in einem angemessenen Verhältnis zumUmstrukturierungsbedarf von Air France steht, ist die Kommission der Ansicht, daßdiese Maßnahme sowohl notwendig als auch angemessen ist, um das Unternehmenin die Lage zu versetzen, seinen Umstrukturierungsplan erfolgreich durchzuführenund seine Leistungsfähigkeit zurückzuerlangen. Dabei untersucht die Kommissiondie verschiedenen von Air France zwischen 1989 und 1993 ausgegebenenFinanzierungsinstrumente und zieht daraus den Schluß, daß der Verschuldungsgrad(Fremd-/Eigenkapital) Ende 1996 1,12:1 betragen werde. Für die Bilanz des Air-France-Konzerns ergebe sich nämlich folgendes Bild: Eigenkapital = 18,65Milliarden FF und Fremdkapital = 20,85 Milliarden FF. Dieser Wert liege überdem Durchschnittswert in der zivilen Luftfahrt, wo 1,5:1 als akzeptabler Wert gelte.

Wenn man von der Beihilfe absehe, könne Air France, um ihre finanzielle Lagevon sich aus zu verbessern, insbesondere Flugzeugbestellungen zurückstellen undVermögenswerte verkaufen. Was die erste Möglichkeit angehe, so habe Air Francebereits einige Bestellungen aufgeschoben; durch weitere Verschiebungen würde sichdas Durchschnittsalter der Flotte auf über 10 Jahre erhöhen, was für einUnternehmen, das seine Wettbewerbsstärke wiedererlangen möchte, zu hoch sei.Was den Verkauf von Vermögenswerten betreffe, so gebe es nur wenigeVermögenswerte, deren Verkauf hinreichende Erlöse erbringen könnte, wie z. B.Méridien, Sabena und Air Inter. Sabena und Air Inter bildeten zentrale Bausteineim Luftverkehrsgeschäft der Air France. Der Verkauf der übrigen Vermögenswertesei bereits im Plan vorgesehen und dürfe im übrigen nicht zu einer nennenswertenKürzung der Beihilfe führen.

18.
    Bei der Prüfung, ob die Beihilfe die Handelsbedingungen in einem demgemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Maße beeinträchtigt, verweist dieKommission auf die Zusicherungen, die die französische Regierung imVerwaltungsverfahren gemacht hat — insbesondere die Zusicherung, daß allein dieAir France durch die Beihilfe begünstigt sein werde — und folgert daraus, daß siesich aufgrund dieser Zusicherungen weniger Sorgen in bezug auf Nebenwirkungender Beihilfe mache, weil es diese Zusicherungen der Air France praktischunmöglich machten, die Beihilfe zur Subventionierung von Air-Inter-Aktivitäteneinzusetzen. Die Kommission habe die Untersuchung der Auswirkungen derBeihilfe auf den Handel daher auf die Air France beschränkt, die die tatsächlichdadurch Begünstigte sei.

19.
    Nach Auffassung der Kommission schränken diese Zusicherungen den Spielraumvon Air France bei der Festlegung der Angebotskapazität und der Preise sehr starkein und hindern sie daran, auf allen von ihr innerhalb des EWR beflogenenStrecken eine aggressive Preispolitik zu verfolgen. Im übrigen habe Air France inden ersten vier Monaten des Jahres 1994 ihr Angebot auf dem Europäischen Marktgegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum bereits um 6,4 % reduziert,während das Angebot aller europäischen Fluggesellschaften durchschnittlich um3,8 % gestiegen sei. Durch die Auflage, daß das Angebot von Air France hinterdem Marktzuwachs zurückbleiben müsse, werde sich ihr Marktanteil innerhalb desEWR zugunsten ihrer Konkurrenten verkleinern. Hierdurch werde ausgeschlossen,daß die Beihilfe den Handel in einem dem gemeinsamen Interessezuwiderlaufenden Maße beeinträchtigen werde.

20.
    Die Kommission unterstreicht, daß sie bei ihrer Analyse der Auswirkungen derBeihilfe im EWR auch der erhöhten Liberalisierung des Luftverkehrs in derGemeinschaft nach dem Erlaß von mehreren als das „dritte Paket“ bezeichnetenVerordnungen des Rates im Jahre 1992 Rechnung tragen müsse. In diesemZusammenhang stelle die Aufhebung von Vorschriften, durch die die Air Francevor Wettbewerb geschützt werde, eine angemessene Gegenleistung dar, die dieGewährung einer mit dem gemeinsamen Interesse vereinbaren Beihilfe rechtfertige.

21.
    Sie ist schließlich der Ansicht, daß die negativen Auswirkungen der Beihilfe nichtnoch durch die Nutzung von ausschließlichen Rechten oder die Vorzugsbehandlungder Air France verstärkt würden, da die französischen Behörden zugesichert hätten,zum einen die auf das Pariser Flughafensystem angewendeten Regeln für dieVerkehrsaufteilung so zu ändern, daß sie nicht mehr diskriminierend seien, undzum andern dafür Sorge zu tragen, daß die Umbauarbeiten an den beidenAbfertigungsgebäuden Orly-Sud und Orly-West die Wettbewerbsbedingungen nichtzu Lasten der auf dem Flugplatz Orly operierenden Fluggesellschaften verändernwerden. Die Kommission weist darüber hinaus darauf hin, daß sie am 27. April1994 eine Entscheidung erlassen habe, wonach Frankreich denLuftverkehrsunternehmen der Gemeinschaft spätestens bis zum 27. Oktober 1994die Ausübung von Verkehrsrechten auf den Strecken Paris (Orly)—Toulouse undParis (Orly)—Marseille genehmigen müsse.

22.
    Im Ergebnis ist die Kommission der Auffassung, daß die Bedenken, die sie beiEröffnung des Verwaltungsverfahrens geäußert habe, durch die Zusicherungen derfranzösischen Behörden in ihrer Gesamtheit entkräftet würden.

23.
    Nach Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung ist die Beihilfe, die derFluggesellschaft Air France zu deren Umstrukturierung entsprechend dem Plan imZeitraum 1994 bis 1996 in Form einer in drei Tranchen zu zahlendenKapitalerhöhung von 20 Milliarden FF gewährt werden soll, gemäß Artikel 92Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages und gemäß Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe cdes EWR-Abkommens mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommenvereinbar, sofern die französische Regierung die sechzehn Zusicherungen einhält,die Bestandteil des Artikels 1 der Entscheidung sind.

24.
    Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung macht die Zahlung der zweiten und derdritten Tranche der Beihilfe davon abhängig, daß diese Zusicherungen eingehalten,der Plan effektiv umgesetzt und die angestrebten Ergebnisse tatsächlich erzieltwerden, um sicherzustellen, daß die Höhe der Beihilfe mit dem GemeinsamenMarkt vereinbar bleibt. Der französischen Regierung wird aufgegeben, derKommission vor der Freigabe der zweiten und der dritten Beihilfetranche in denJahren 1995 und 1996 einen Bericht über den Fortgang der Umsetzung desUmstrukturierungsprogramms sowie über die wirtschaftliche und finanzielle Lagevon Air France vorzulegen, wobei die Kommission unabhängige Sachverständigemit der Prüfung der ordnungsgemäßen Durchführung des Planes sowie derErfüllung der an die Genehmigung der Beihilfe geknüpften Bedingungen betrauenwird.

Gerichtliche Verfahren

25.
    Unter diesen Umständen haben die Klägerinnen die vorliegenden Klagen erhoben,die am 21. November bzw. 22. Dezember 1994 in das Register der Kanzlei desGerichts eingetragen worden sind.

26.
    Die schriftlichen Verfahren sind normal verlaufen.

27.
    Durch Beschlüsse des Präsidenten der Ersten erweiterten Kammer des Gerichtsvom 10. März, 8. Mai und 12. Juni 1995 sind das Königreich Dänemark, dasVereinigte Königreich, das Königreich Schweden, das Königreich Norwegen unddie Maersk Air I/S und die Maersk Air Ltd; im folgenden: Maersk-Gesellschaften)als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der jeweiligen Klägerinnenzugelassen worden.

28.
    Durch Beschlüsse des Präsidenten der Ersten erweiterten Kammer des Gerichtsvom 12. Juni 1995 ist die Französische Republik als Streithelferin zur Unterstützungder Anträge der Beklagten zugelassen worden.

29.
    Durch Beschlüsse des Gerichts (Erste erweiterte Kammer) vom 12. Juni 1995 istAir France als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Beklagtenzugelassen und ihr gestattet worden, in den mündlichen Verhandlungen infranzösischer Sprache zu plädieren.

30.
    Durch Entscheidung des Gerichts ist der Berichterstatter der Zweiten erweitertenKammer zugewiesen worden, an die die Rechtssachen demzufolge verwiesenworden sind.

31.
    Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Zweite erweiterte Kammer)beschlossen, die mündlichen Verhandlungen ohne vorherige Beweisaufnahme zueröffnen. Es hat die Parteien jedoch aufgefordert, ihr Vorbringen zu einigenPunkten zu vertiefen.

32.
    Die Parteien haben in der Sitzung vom 6. und 7. Mai 1997 mündlich verhandeltund Fragen des Gerichts beantwortet.

33.
    Bei dieser Gelegenheit hat das Gericht eine prozeßleitende Maßnahme gemäßArtikel 64 seiner Verfahrensordnung erlassen und die Klägerinnen sowie dieBeteiligten, die dem Verfahren zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen alsStreithelfer beigetreten sind, aufgefordert, bei der Kanzlei die Erklärungeneinzureichen, die sie bei der Kommission im Verwaltungsverfahren eingereichthatten, soweit sie noch nicht zu den Akten gegeben worden waren. Aufgrund dieserMaßnahme sind die Erklärungen der British Airways, der TAT European Airlines(TAT), der Scandinavian Airlines System Denmark-Norway-Sweden (SAS), derEuralair international und der Air UK am 8. Mai 1997 bei der Kanzleieingegangen; die Erklärungen des Königreichs Dänemark, des VereinigtenKönigreichs, des Königreichs Schweden und des Königreichs Norwegen sind bereitsin der mündlichen Verhandlung übergeben worden.

34.
    Nachdem die Parteien zu diesem Punkt in der mündlichen Verhandlung gehörtworden sind und keine Einwände erhoben haben, hat das Gericht (Zweiteerweiterte Kammer) die beiden Rechtssachen zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

Anträge der Beteiligten

35.
    Die Klägerinnen beantragen in beiden Rechtssachen,

—    die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

—    der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Klägerin in der Rechtssache T 394/94 beantragt außerdem, prozeßleitendeMaßnahmen und Beweiserhebungen gemäß den Artikeln 64 und 65 derVerfahrensordnung anzuordnen und der Kommission die Vorlage allereinschlägigen Akten und sonstigen Unterlagen aufzugeben, über die diese verfügt.

36.
    Das Vereinigte Königreich beantragt,

—    die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

—    der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten desVereinigten Königreichs aufzuerlegen.

37.
    Das Königreich Dänemark, das Königreich Schweden und das KönigreichNorwegen beantragen,

—    die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären.

38.
    Die Maersk-Gesellschaften beantragen,

—    die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

—    die Kosten ihrer Streithilfe der Kommission aufzuerlegen, soweit es Sachedes Gerichts ist, darüber zu entscheiden.

39.
    Die Kommission beantragt,

—    die Klagen abzuweisen;

—    den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;

—    dem Königreich Dänemark, dem Vereinigten Königreich, dem KönigreichSchweden, dem Königreich Norwegen und den Maersk-Gesellschaften einenTeil der Kosten der Kommission aufzuerlegen.

40.
    Die Französische Republik beantragt,

—    die Klagen abzuweisen.

41.
    Die Air France beantragt,

—    die Klagen abzuweisen;

—    den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten derAir France aufzuerlegen.

Zur Begründetheit

42.
    Zur Begründung ihrer Klagen machen die Klägerinnen mehrere Rügen geltend, diesich wie folgt zusammenfassen lassen. Im Rahmen der ersten Gruppe von Rügen(I) werfen die Klägerinnen der Kommission zum einen vor, dadurch gegen dieRegeln für das in Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages vorgeseheneVerwaltungsverfahren verstoßen zu haben, daß sie es unterlassen habe,ausreichende Informationen einzuholen und/oder den Beteiligten, darunter denKlägern, ausreichende Informationen an die Hand zu geben, damit sie dengesetzlichen Vorschriften entsprechend angehört werden und die Rechte, die ihnendie Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages und 62 Absatz 1 Buchstabe a des EWR-Abkommens einräumten, wirksam ausüben könnten. Zum andern werfen dieKlägerinnen der Kommission vor, daß sie zur Beurteilung der Vereinbarkeit derstreitigen Beihilfe mit den Artikeln 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages und 61Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommens keine unabhängigen Sachverständigenherangezogen und nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, um dieRichtigkeit der von den französischen Behörden und von der Firma Air Franceerteilten Auskünfte zu prüfen.

43.
    Im Rahmen der zweiten Gruppe von Rügen (II) werfen die Klägerinnen derKommission vor, sie habe bei der Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabec des Vertrages und des Artikels 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommensmehrere Fehler begangen. In diesem Zusammenhang wird gerügt, daß dieKommission zunächst gegen den für staatliche Beihilfen geltenden Grundsatz derVerhältnismäßigkeit dadurch verstoßen habe, daß sie erstens zu Unrecht den Kaufvon 17 neuen Flugzeugen durch die Air France genehmigt habe (A), zweitens zuUnrecht die Finanzierung von Betriebskosten und von operativen Maßnahmen derAir France genehmigt habe (B), drittens eine fehlerhafte Einstufung der von derAir France zwischen 1989 und 1993 ausgegebenen Wertpapiere vorgenommen habe(C), viertens den Verschuldungsgrad der Air France falsch beurteilt habe (D) undes fünftens zu Unrecht unterlassen habe, den Verkauf gewisserVermögensgegenstände der Air France zu verlangen, die hätten veräußert werdenkönnen (E). Darüber hinaus werfen die Klägerinnen der Kommission vor, sie habezu Unrecht angenommen, daß durch die Beihilfe die Entwicklung einesWirtschaftszweigs gefördert werden solle, ohne daß die Handelsbedingungen ineiner dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändert würden. Indiesem Zusammenhang richtet sich ihre Kritik insbesondere gegen zwölf dersechzehn Bedingungen, von der die Entscheidung über die Genehmigung derBeihilfe abhängig gemacht worden ist. Schließlich ziehen die Klägerinnen unter

verschiedenen Gesichtspunkten die Eignung des Umstrukturierungsplans der AirFrance in Zweifel und werfen der Kommission vor, sie sei zu Unrecht zu demErgebnis gelangt, daß mit diesem Plan die wirtschaftliche Lebensfähigkeit von AirFrance wiederhergestellt werden könne. Im Rahmen dieser verschiedenen Rügenwerfen die Klägerinnen der Kommission außerdem vor, sie habe die angefochteneEntscheidung nicht ausreichend begründet. Mit einer letzten Rüge macht dieKlägerin in der Rechtssache T-394/94, die British Midland Airways Ltd, einenVerstoß gegen Artikel 155 des Vertrages geltend.

I — Zu den einen nicht ordnungsgemäßen Ablauf des Verwaltungsverfahrensbetreffenden Rügen

Vorbringen der Beteiligten

44.
    Die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 macht im wesentlichen geltend, das inArtikel 93 Absatz 2 des Vertrages geregelte Verwaltungsverfahren seikontradiktorisch und die Kommission müsse daher den Beteiligten ausreichendeInformationen an die Hand geben, damit sie die potentiellen Auswirkungen einerBeihilfe ihnen gegenüber voll würdigen könnten. Im vorliegenden Fall sei dieMitteilung der Kommission vom 3. Juni 1994 unzureichend gewesen. Insbesonderehabe die Kommission

—    die Berechnung des Betrages von 20 Milliarden FF nicht erklärt,

—    was die Anschaffung von 17 neuen Flugzeugen angehe, nicht angegeben,welche Flugzeugtypen angeschafft würden und aus welchen Flugzeugtypendie Flotte bestehe,

—    den Wortlaut des Umstrukturierungsplans nicht angegeben,

—    nicht erklärt, worauf sich die Berechnung einer Produktivitätssteigerung derAir France von 30 % oder 33,3 % gestützt habe,

—    nicht angegeben, welche Kosten durch das vorgeschlagene freiwilligeAusscheiden von Personal entstünden,

—    im einzelnen keine Angaben über die Aktiva von Air France gemacht undauch keine Aufgliederung der mit dem Kerngeschäft zusammenhängendenAktiva und der nicht zum Kerngeschäft gehörenden Aktiva vorgelegt,

—    keine Schätzung des Wertes der Hotelkette Méridien vorgelegt,

—    im einzelnen keine Angaben zum Wert der Beteiligungen der Air Francean der Air Inter, der Sabena oder anderen Gesellschaften gemacht und

auch nicht erklärt, warum diese Aktiva nicht als nicht zum Kerngeschäftgehörende Aktiva angesehen worden seien,

—    im einzelnen keine Angaben zum geplanten Air-France-Netz in der Weisegemacht, daß die eventuellen Auswirkungen dieses Netzes auf denWettbewerb hätten berechnet werden können,

—    im einzelnen keine Abgaben zu den von der Air France geplanten „neuenProdukten“ in der Weise gemacht, daß deren Auswirkungen auf denWettbewerb hätten eingeschätzt werden können,

—    bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung nicht über den Jahresabschlußvon Air France verfügt,

—    nicht erklärt, warum sie nicht die Mitteilung der wesentlichen Informationengefordert habe, die zum Erlaß einer in bezug auf die Vereinbarkeit derBeihilfe mit dem Gemeinsamen Markt begründeten Entscheidungerforderlich seien,

—    die Tochtergesellschaften, insbesondere die Air Inter, nicht berücksichtigt,weil der Umstrukturierungsplan sich ausschließlich auf Air Francekonzentriert habe,

—    nicht erklärt, wie die Vorschläge für die Fortführung derExpansionsvorhaben der Air France mit den Zielen des Vertrages hättenin Einklang gebracht werden können, und zwar insbesondere angesichts desScheiterns der beiden vorangehenden Kapitalzufuhren in Höhe von 5,8Milliarden FF.

45.
    In ihren bei der Kommission im Verwaltungsverfahren eingereichten Erklärungenhatte die British Midland bereits die Mehrzahl der oben genannten Punkteangesprochen und die Kommission u. a. dazu aufgefordert, sie von dem von der AirFrance vorgelegten Umstrukturierungsplan in Kenntnis zu setzen, da sie andernfallsnicht über ausreichende Informationen verfüge, um sich zu dem Beihilfevorhabensachgerecht äußern zu können.

46.
    Die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 sind ebenfalls der Auffassung, daßdie in der Mitteilung vom 3. Juni 1994 enthaltenen Informationen nicht ausreichendseien. Hätte die Mitteilung genauere Angaben über die Absichten der Air Franceenthalten, ihre Frequenz auf rentablen Routen zu erhöhen, die Langstreckenroutenauszubauen, den Betrieb auf wenig genutzten Routen einzustellen und sich aufRouten mit guten Wachstumsaussichten zu konzentrieren, so hätten dieKlägerinnen der Kommission bei der Bewertung dieser Aspekte desUmstrukturierungsplans behilflich sein können. Insbesondere habe die Kommissionnicht angegeben, wie die Air France die Notwendigkeit gerechtfertigt habe, 17 neueFlugzeuge anzuschaffen, so daß die Beteiligten der Kommission nicht die

Informationen hätten liefern können, die diese benötigt hätte, um diesen Aspektder Angelegenheit sorgfältig und unparteiisch prüfen zu können.

47.
    Darüber hinaus werde in der Mitteilung die verwendete Maßeinheit, ausgedrücktin „Equivalent Revenue Passenger Kilometre“ (im folgenden: ERPK) überhauptnicht erwähnt. Mit dieser Maßeinheit, die speziell für Air France ausgearbeitet undauf die Berechnung ihrer eigenen gegenwärtigen und zukünftigenProduktionsschwellenwerte angewendet worden sei, seien sie erstmals in derangefochtenen Entscheidung konfrontiert worden.

48.
    Außerdem hätte die Kommission die französische Fassung der Mitteilung, was eineeventuelle Überkapitalisierung von Air France angehe, überprüfen müssen. DieÜbertragung der ORA (obligations remboursables en actions — Obligationen, diein Aktien zu tilgen sind) und der TSDI (titres subordonnés à durée indéterminéereconditionnés — nachrangige neukonditionierte Schuldverschreibungen mitunbestimmter Laufzeit) „from the side of the debts into the equity“ in derenglischen Version sei mit einer Übertragung „du passif vers l'actif“ übersetztworden. Dieser Übersetzungsfehler habe die Formulierung von sachdienlichenStellungnahmen für Dritte, die die französische Fassung verwendet hätten,erschweren müssen.

49.
    Schließlich hätte die Kommission wegen der Komplexität der Angelegenheit vonunabhängigen Wirtschafts-, Finanzierungs- undLuftverkehrswirtschaftssachverständigen unterstützt werden müssen. Wie ausArtikel 2 der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, der die Einschaltung vonunabhängigen Sachverständigen vor der Freigabe der zweiten und der drittenTranche der Beihilfe vorsehe, erkenne die Kommission selbst an, daß es unbedingterforderlich sei, die richtige Anwendung des Umstrukturierungsplans durch externeSachverständige prüfen zu lassen. Sie gestehe daher unausgesprochen ein, daß sienicht über ausreichende Fachkenntnisse verfüge, um eine solche Überprüfung selbstvornehmen zu können.

50.
    Die Klägerinnen in beiden Rechtssachen sind der Ansicht, daß die Kommissionbeim Erlaß der angefochtenen Entscheidung überhastet vorgegangen sei, was mitder Beachtung der Grundrechte der Klägerinnen und der anderen Beteiligtenunvereinbar sei. Die angefochtene Entscheidung sei nämlich nur sechzehnWerktage nach dem Ablauf der Frist erlassen worden, die den Beteiligten zurAbgabe ihrer Stellungnahmen gesetzt worden sei; dies stelle einen außergewöhnlichkurzen Zeitraum für die Untersuchung, Diskussion und Entscheidung der durch dasstreitige Beihilfevorhaben aufgeworfenen komplexen Probleme dar. Der zeitlicheAbstand zwischen der Eröffnung des gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrageseingeleiteten Verfahrens und dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung (3. Juniund 27. Juli 1994) habe tatsächlich 37 Werktage betragen und damit erheblichunter dem Durchschnitt der in ähnlichen Sachen festgestellten Zeitspannen gelegen.

51.
    Das Königreich Dänemark hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen,daß sie die Kommission im Verwaltungsverfahren vergeblich dazu aufgeforderthabe, den anderen Mitgliedstaaten die Antwort der französischen Regierung aufdie Mitteilung vom 3. Juni 1994 zu übermitteln, damit diese ihre Erklärungenabgeben könnten, bevor die Kommission ihre Entscheidung treffe.

52.
    Die Kommission entgegnet, im Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 des Vertragessei keine kontradiktorische Erörterung mit beteiligten Dritten vorgeschrieben. Diesekönnten nicht den Anspruch erheben, ebenso behandelt zu werden wie derAdressat der abschließenden Entscheidung. In diesem Zusammenhang verweist dieKommission auf die Rechtsprechung zum Wettbewerb, wonach dieVerfahrensrechte der Beschwerdeführer nicht ebenso weit gingen wie dieVerteidigungsrechte der Unternehmen, gegen die die Kommission ihreUntersuchung führe.

53.
    Die Mitteilung, mit der das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 eröffnet werde,bezwecke ausschließlich, daß die Kommission von den Beteiligten alleInformationen erhalte, die dazu bestimmt seien, ihr Klarheit über ihr zukünftigesVorgehen zu verschaffen. Im vorliegenden Fall seien in der Mitteilung vom 3. Juni1994 alle Aspekte aufgezählt, in bezug auf die sie habe Erklärungen erhaltenwollen, um über das von den französischen Behörden mitgeteilte Beihilfevorhabenentscheiden zu können. In dieser Mitteilung habe sie alle Informationen geliefert,die dafür erforderlich seien, daß die Betroffenen ihre Meinung zum Ausdruckbringen könnten.

54.
    Allgemeiner gesehen vertritt die Kommission die Ansicht, sie habe in ihrerMitteilung nur die Informationen anführen können, über die sie im Zeitpunkt derVeröffentlichung verfügt habe und die weder belanglos seien noch unter dasBerufs- oder Geschäftsgeheimnis fielen. Im übrigen bestehe das Ziel einerMitteilung nach Artikel 93 Absatz 2 nicht darin, eine endgültige Meinung zumAusdruck zu bringen, sondern darin, Fragen aufzuwerfen. Was die zahlreichenInformationen angehe, die nach Ansicht der Klägerinnen in der Mitteilung vom 3.Juni 1994 hätten enthalten sein müssen, so seien die genannten Punkteüberwiegend entweder unter das Geschäftsgeheimnis gefallen oder hätten keineZweifel aufgeworfen, in bezug auf die die Kommission weitere Auskünfte benötigthätte.

55.
    Was die Dauer der Prüfung angeht, weist die Kommission darauf hin, daß dasstreitige Beihilfevorhaben ihr am 18. März 1994 mitgeteilt und die angefochteneEntscheidung 131 Tage später am 27. Juli 1994 erlassen worden sei. Der zeitlicheAbstand zwischen diesen beiden Daten sei etwa der gleiche wie in ähnlichenSachen (Entscheidung 91/555/EWG der Kommission vom 24. Juli 1991 betreffendBeihilfen der belgischen Regierung zugunsten der Luftverkehrsgesellschaft Sabena[ABl. L 300, S. 48; im folgenden: Sabena-Entscheidung], Entscheidung 94/118/EGder Kommission vom 21. Dezember 1993 über eine Beihilfe Irlands zugunsten desAer-Lingus-Konzerns [ABl. 1994, L 54, S. 30; im folgenden: Aer-Lingus-Entscheidung], Entscheidung 94/698/EG der Kommission vom 6. Juli 1994 übereine Kapitalerhöhung, Kreditbürgschaften und die bestehende Steuerbefreiungzugunsten von TAP [ABl. L 279, S. 29; im folgenden: TAP-Entscheidung]). Daßdiese Zeitspanne normal gewesen sei, werde durch Artikel 10 Absatz 3 derVerordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über dieKontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1) bestätigt,wonach eine Entscheidung, durch die ein angemeldeter Zusammenschluß für mitdem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werde, innerhalb einer Frist von vierMonaten erlassen werden müsse.

56.
    Die Kommission vertritt schließlich die Ansicht, daß sie rechtlich nicht verpflichtetsei, sich vor dem Erlaß ihrer Entscheidungen an externe Sachverständige zuwenden.

Würdigung durch das Gericht

Allgemeines

57.
    Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die französischen Behörden die Kommission vondem Beihilfevorhaben offiziell unterrichtet haben; nachdem die Kommissionbeschlossen hatte, das Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 des Vertrageseinzuleiten, war sie verpflichtet, vor der Entscheidung über dieses Vorhaben „denBeteiligten eine Frist zur Äußerung“ zu setzen.

58.
    Was den Zweck der letztgenannten Passage des Artikels 93 Absatz 2 angeht, istsodann darauf hinzuweisen, daß diese Vorschrift nach der Rechtsprechung desGerichtshofes zum einen die Kommission verpflichten soll, dafür Sorge zu tragen,daß alle potentiell Betroffenen unterrichtet werden und Gelegenheit erhalten, ihrenStandpunkt geltend zu machen (Urteil vom 14. November 1984 in der Rechtssache323/82, Intermills/Kommission, Slg. 1984, 3809, Randnr. 17) und zum andern dieKommission in die Lage versetzen soll, sich vor Erlaß ihrer Entscheidungumfassend über alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte zu unterrichten(Urteil vom 20. März 1984 in der Rechtssache 84/82, Deutschland/Kommission, Slg.1984, 1451, Randnr. 13).

59.
    Was insbesondere die Verpflichtung der Kommission zur Unterrichtung derBeteiligten betrifft, hat der Gerichtshof entschieden, daß die Veröffentlichung einerMitteilung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ein angemessenes Mittelzur Unterrichtung aller Beteiligten über die Einleitung eines Verfahrens darstellt(Urteil Intermills/Kommission, Randnr. 17), wobei er festgestellt hat, daß „dieseMitteilung ... lediglich dem Zweck [dient], von den Beteiligten alle Auskünfte zuerhalten, die dazu beitragen können, der Kommission Klarheit über ihr weiteresVorgehen zu verschaffen“ (Urteil vom 12. Juli 1973 in der Rechtssache 70/72,Kommission/Deutschland, Slg. 1973, 813, Randnr. 19). Das Gericht ist dieserRechtsprechung, durch die den Beteiligten im wesentlichen die Rolle von

Informationsquellen für die Kommission im Rahmen des gemäß Artikel 93 Absatz2 des Vertrages eingeleiteten Verwaltungsverfahrens zugewiesen wird, gefolgt(Urteil vom 22. Oktober 1996 in der Rechtssache T-266/94, Skibsværftsforeningenu. a./Kommission, Slg. 1996, II-1399, Randnr. 256).

60.
    Daraus folgt, daß die Beteiligten einen Anspruch auf rechtliches Gehör, wie erdenjenigen zusteht, gegen die ein Verfahren eingeleitet worden ist, keineswegsgeltend machen können (siehe in diesem Sinne das in einer Wettbewerbssacheergangene Urteil des Gerichtshofes vom 17. November 1987 in den verbundenenRechtssachen 142/84 und 156/84, BAT und Reynolds/Kommission, Slg. 1987, 4487,Randnrn. 19 und 20, und das Urteil des Gerichtshofes vom 21. März 1990 in derRechtssache C-142/87, Belgien/Kommission, Slg. 1990, I-959, Randnr. 46) undlediglich über das Recht verfügen, am Verwaltungsverfahren unter Berücksichtigungder Umstände des Einzelfalls angemessen beteiligt zu werden.

61.
    Das Ausmaß der Rechte auf Beteiligung und Information, über die die Betroffenenim Rahmen des gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages eingeleitetenVerwaltungsverfahrens verfügen, kann jedoch in zweierlei Hinsicht beschränkt sein.

62.
    Wenn — wie im vorliegenden Fall — ein Mitgliedstaat die Kommission von einemBeihilfevorhaben, dem Belege beigefügt sind, unterrichtet und die zuständigenStellen der Kommission anschließend eine Reihe von Gesprächen mit den Beamtendes Mitgliedstaats führen, so kann zum einen der Informationsstand derKommission bereits ein verhältnismäßig hohes Niveau erreicht haben, bei dem nurnoch eine beschränkte Zahl von Zweifeln bestehen bleiben, die durch Auskünfteder Beteiligten ausgeräumt werden könnten. Da die Erörterung zwischen demMitgliedstaat und der Kommission sich auf die Einzelheiten des Beihilfevorhabens,die wirtschaftliche und finanzielle Lage des begünstigten Unternehmens und dessenStellung im Wettbewerb sowie auf das interne Funktionieren dieses Unternehmenserstreckt, ist sie notwendigerweise gründlicher als die Erörterung mit denBeteiligten. Folglich gibt die Kommission den Beteiligten zwar allgemeineInformationen über die wesentlichen Bestandteile des Beihilfevorhabens, sie kannsich aber darauf beschränken, ihre Mitteilung im Amtsblatt auf die Punkte desVorhabens zu konzentrieren, hinsichtlich deren sie noch gewisse Zweifel hegt.

63.
    Zum andern ist die Kommission nach Artikel 214 des Vertrages verpflichtet, denBeteiligten keine Information zugänglich zu machen, die ihrer Natur nach unter dasBerufsgeheimnis fallen, wie insbesondere Angaben über den internen Betrieb desbegünstigten Unternehmens. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Stellung derBeteiligten nicht von derjenigen der Beschwerdeführer in Wettbewerbssachen,denen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes keine Geschäftsgeheimnissemitgeteilt werden dürfen (vgl. das in Randnr. 60 zitierte Urteil BAT undReynolds/Kommission, Randnr. 21).

64.
    Die Beschränktheit der oben genannten Rechte auf Beteiligung und Informationsteht, da diese Rechte nur den Ablauf des Verwaltungsverfahrens betreffen, nicht

im Widerspruch zur Verpflichtung der Kommission gemäß Artikel 190 desVertrages, ihre abschließende Entscheidung, durch die das Beihilfevorhabengenehmigt wird, mit einer ausreichenden Begründung zu versehen, in der zu allenwesentlichen Beschwerdepunkten Stellung genommen werden muß, die dieunmittelbar und individuell durch diese Entscheidung betroffenen Beteiligtenentweder von sich aus oder aufgrund von Informationen, die die Kommissionübermittelt hat, aufgeworfen haben. Selbst wenn man annimmt, daß dieKommission in einem Einzelfall zulässigerweise der Nutzung andererInformationsquellen den Vorzug geben und dadurch die Bedeutung der Beteiligungder Betroffenen mindern kann, so befreit dies sie nicht von der Verpflichtung, ihreEntscheidung mit einer angemessenen Begründung zu versehen (siehe unten,Randnr. 96).

65.
    Anhand der oben entwickelten Grundsätze sind die angeblichenUnregelmäßigkeiten des Ablaufs des Verwaltungsverfahrens zu prüfen, wobei nichtstreitig ist, daß die Klägerinnen und die dem Verfahren zur Unterstützung ihrerAnträge beigetretenen Beteiligten sowie die ACE, die im Verwaltungsverfahren beider Kommission einer Genehmigung des streitigen Beihilfevorhabenswidersprochen haben, als Beteiligte im Sinne von Artikel 93 Absatz 2 desVertrages, so wie dieser vom Gerichtshof in seinem Urteil Intermills/Kommission(zitiert in Randnr. 58, Randnr. 16) ausgelegt worden ist, anzusehen sind.

Die Mitteilung vom 3. Juni 1994

66.
    Was erstens die angebliche Unzulänglichkeit der Mitteilung vom 3. Juni 1994angeht, ist festzustellen, daß in dieser Mitteilung folgendes dargelegt wird:

—    Die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Air France vor derAusarbeitung des Beihilfevorhabens, insbesondere die früherenUmstrukturierungspläne und Kapitalzuführungen sowie die aufgelaufenenVerluste,

—    die wesentlichen Themen des neuen Umstrukturierungsplans,

—    der vorgesehene Beihilfebetrag von 20 Milliarden FF und

—    die Hauptbedenken der Kommission in diesem Verfahrensstadium,insbesondere in bezug auf die Produktivitätssteigerungen der Air France, dieStruktur des Air France-Konzerns, die Stellung der Air France imWettbewerb und die Möglichkeit ihrer Überkapitalisierung.

Das Gericht ist der Ansicht, daß diese Information ausreichte, um die Beteiligtenin die Lage zu versetzen, ihren Standpunkt gegenüber der Kommission sachgerechtzu vertreten.

67.
    Soweit die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 der Auffassung sind, daß dieMaßeinheit ERPK, das Streckennetz der Air France und seine zukünftigeEntwicklung sowie die Gründe, die die Anschaffung von 17 neuen Flugzeugenrechtfertigten, ebenfalls in der Mitteilung hätten wiedergegeben werden müssen,genügt die Antwort der Kommission, daß sie in bezug auf diese speziellen Punktekeine Bedenken gehabt habe, um das Schweigen der Mitteilung in dieser Hinsichtzu rechtfertigen, durch das den Klägerinnen das Recht nicht genommen wird, vomGericht prüfen zu lassen, ob die endgültige Entscheidung in bezug auf dieseGesichtspunkte ausreichend begründet ist oder aber offensichtliche Berurteilungs-oder Rechtsfehler aufweist.

68.
    Was die Rügen angeht, die die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 in bezugdarauf erhebt, daß die zahlreichen oben genannten Einzelheiten nicht mitgeteiltworden seien (siehe oben, Randnr. 44), beruft sich die Kommission zu Recht aufdas Geschäftsgeheimnis, das es ihr verbot, den Wettbewerbern der Air Francekommerziell sensible Daten der Fluggesellschaft zugänglich zu machen.Insbesondere der Umstrukturierungsplan enthielt — vor seiner Billigung durch dieKommission und zu Beginn seiner Durchführung — derartige Informationen, undes stand den Wettbewerbern ganz offensichtlich nicht zu, jede einzelne der von derAir France geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen zu bewerten und mit ihreneigenen Geschäftsführungsmaßnahmen zu vergleichen. Andernfalls könnten dieWettbewerber sich in die innere Umstrukturierung der Air France einmischen undversuchen, Maßnahmen zu „diktieren“, die ihnen für diese günstig erschienen,nachdem sie wertvolle Informationen über ihre Wettbewerberin erhalten hätten.Dieser Beurteilung widerspricht nicht, daß andere Beteiligte, wie z. B. die ACE(S. 27, letzter Absatz ihrer Erklärungen), sich anscheinend diesenUmstrukturierungsplan haben verschaffen können. Dies darf die Kommission nichtdazu veranlassen, gegen Artikel 214 des Vertrages zu verstoßen.

69.
    Außerdem ist der Jahresabschluß der Air France für 1993 im „Bulletin desannonces légales obligatoires“ vom 17. Juni 1994 auf Seite 10207 veröffentlichtworden (Nr. 319 des Streithilfeschriftsatzes der Air France in der RechtssacheT-371/94) und war den Beteiligten somit zugänglich. Diese können der Kommissionfolglich nicht vorwerfen, daß sie die endgültigen Zahlen in ihrer Mitteilung vom 3.Juni nicht veröffentlicht und ihre abschließende Entscheidung in Unkenntnis dieserDaten getroffen habe.

70.
    Schließlich beschränkt sich der Vorwurf gegenüber der Kommission, sie habe sichvor Erlaß ihrer abschließenden Entscheidung wesentliche Informationen nichtverschafft und habe nicht alle entscheidungserheblichen Aspekte der Sacheausreichend geprüft, auf bloße allgemeine Behauptungen und Annahmen, die durchkeinen konkreten Beweis bestätigt werden. Die Kommission durfte sich somit aufdie Antwort beschränken, daß sie alle sachdienlichen und erforderlichenInformationen tatsächlich erhalten habe und diese von ihr gründlich geprüft wordenseien. Im übrigen bezieht sich diese Rüge in Wirklichkeit nicht auf das Stadium derMitteilung vom 3. Juni 1994, sondern auf das spätere Stadium der angefochtenen

Entscheidung. Das gleiche gilt für die beiden letzten Rügen der Klägerin in derRechtssache T-394/94 (siehe oben, Randnr. 44), bei denen es sich in Wirklichkeitum Rügen handelt, die sich im Rahmen der Begründetheit und der sachlichenWürdigung gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung richten. Siewerden daher im folgenden in einem anderen Zusammenhang geprüft werden.

Die Dauer der Prüfung

71.
    Die Klägerinnen sind der Ansicht, in Anbetracht der Komplexität des streitigenBeihilfevorhabens sei die Zeit, die sich die Kommission vor Erlaß derangefochtenen Entscheidung zur Prüfung zugestanden habe, zu kurz gewesen. Dazuist zunächst festzustellen, daß weder der Vertrag noch sonstigegemeinschaftsrechtliche Vorschriften vorsehen, daß bei Entscheidungen überstaatliche Beihilfen, die nach Abschluß des Verfahrens des Artikels 93 Absatz 2 desVertrages erlassen werden, eine feststehende Frist einzuhalten ist. Auch wenn manannimmt, daß die Kommission mit zu großer Eile tätig geworden wäre und sichnicht genügend Zeit zur Prüfung des streitigen Vorhabens gelassen hätte, so könnteein solches Verhalten im übrigen als solches die Nichtigerklärung derangefochtenen Entscheidung noch nicht rechtfertigen. Eine Nichtigerklärung würdevielmehr voraussetzen, daß dieses Verhalten in einem Verstoß gegen spezifischeVerfahrensvorschriften, der Verletzung der Begründungspflicht oder dermateriellen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung zum Ausdruck käme.Diese Rüge ist folglich zurückzuweisen, ohne daß es erforderlich wäre, sich zurErheblichkeit der Entscheidungspraxis der Kommission auf dem Gebiet derUnternehmenszusammenschlüsse zu äußern.

Die externen Sachverständigen

72.
    Der Vorwurf gegenüber der Kommission, sie habe zur Ausarbeitung derangefochtenen Entscheidung keine externen Sachverständigen hinzugezogen, istoffensichtlich nicht begründet, da weder eine Bestimmung des Vertrages nochsonstige gemeinschaftsrechtliche Vorschriften die Kommission dazu verpflichten.Außerdem verfügte die Kommission auf jeden Fall vor dem Erlaß derangefochtenen Entscheidung über ein verhältnismäßig hohes Informationsniveauauf dem Gebiet des Luftverkehrs. In diesem Zusammenhang hatte die Kommissionsich mit der Lage des Luftverkehrs, die u. a. Gegenstand des Anfang 1994 vom„Rat der Weisen“ veröffentlichten Berichts „Expanding Horizons“, des Programms„Die Zivilluftfahrt in Europa auf dem Weg in die Zukunft“ sowie derVeröffentlichungen der International Air Transport Association (IATA) und derAssociation of European Airlines (AEA) war, bereits vertraut gemacht. Darüberhinaus hatte die Kommission im Luftverkehrssektor schon andere Entscheidungenerlassen, wie z. B. die Sabena-, die Aer-Lingus-, und die TAP-Entscheidung (sieheRandnr. 55). Schließlich deutet kein besonderer Gesichtspunkt des vorliegendenFalles darauf hin, daß die Kommission externe Sachverständige benötigt hätte.

Der Übersetzungsfehler

73.
    Der Fehler in der französischen Fassung der Mitteilung vom 3. Juni 1994, den dieKlägerinnen in der Rechtssache T-371/94 festgestellt haben, ist derartigoffensichtlich, daß er den mit dem Luftverkehrssektor vertrauten Kreisen ohneweiteres auffallen mußte. Es liegt nämlich auf der Hand, daß Anleihepapiere nachden Buchführungsgrundsätzen nicht „du passif vers l'actif“ („from the side of thedebts into the equity“ nach der englischen Fassung der Mitteilung) übertragenwerden können, sondern daß ihre Qualifizierung allein innerhalb der Passivavorgenommen werden muß, wo sie entweder Eigenmittel oder Verbindlichkeitendarstellen.

74.
    Auf jeden Fall hat die Kommission in dieser Passage ihrer Mitteilung ausdrücklichfestgestellt, daß sie die Klassifizierung dieser Papiere noch gründlich prüfen müsse.Die Beurteilung durch die Kommission war folglich noch nicht endgültig, und zwarauch im Hinblick auf den durch den oben genannten Fehler verfälschten Punkt.Dieser Fehler kann daher die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens nichtberühren, da die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang allein darinbestand, ob die abschließende Entscheidung noch durch diesen Fehler berührtworden ist, was selbst von den Klägerinnen nicht geltend gemacht worden ist.

Die Beteiligung der anderen Mitgliedstaaten

75.
    Die Rüge des Königreichs Dänemark, daß die Kommission den anderenMitgliedstaaten die Antwort der französischen Regierung auf die Mitteilung vom3. Juni 1994 hätte übermitteln müssen, ist als unzulässig zurückzuweisen, da sie vonden Klägerinnen nicht erhoben worden ist. Da die Streithelferinnen gemäß Artikel116 § 3 der Verfahrensordnung den Rechtsstreit in der Lage annehmen müssen,in der dieser sich zur Zeit des Beitritts befindet, und da nach Artikel 37 Absatz 4der EG-Satzung des Gerichtshofes mit den aufgrund ihres Beitritts gestelltenAnträgen nur die Anträge einer Partei unterstützt werden können, ist dasKönigreich Dänemark als Streithelferin nicht berechtigt, diese Rüge zu erheben(siehe in diesem Sinne das Urteil des Gerichtshofes vom 24. März 1993 in derRechtssache C-313/90, CIRFS u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1125, Randnrn. 19bis 22).

76.
    Auf jeden Fall verpflichtet Artikel 93 des Vertrages nach seinem Wortlaut dieKommission nicht, den anderen Mitgliedstaaten die Erklärungen zu übermitteln,die sie von der Regierung des Staates erhalten hat, der die Genehmigung zurGewährung einer Beihilfe beantragt. Vielmehr geht aus Artikel 93 Absatz 2Unterabsatz 3 des Vertrages hervor, daß die anderen Mitgliedstaaten an einerspeziellen Beihilfesache nur beteiligt sind, wenn diese Sache auf Antrag desbetroffenen Staates dem Rat vorgelegt wird.

Ergebnis

77.
    Nach alledem weist das Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 des Vertrages, das imvorliegenden Fall abgelaufen ist, keinen Mangel auf, so daß die diesbezüglichenRügen zurückzuweisen sind.

II — Zu den Rügen, die sich auf die Beurteilungsfehler und Rechtsfehler stützen, diedie Kommission unter Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertragesund Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommens begangen haben soll

Allgemeines

78.
    In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission die Rechtmäßigkeit derstreitigen Beihilfe anhand von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages undArtikel 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommens geprüft. Im Rahmen dieserPrüfung hat sie festgestellt, daß eine wirkliche Umstrukturierung von Air Franceim gemeinsamen Interesse liege, daß die Höhe der Beihilfe nicht unangemessen seiund daß die Beihilfe die Handelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamenInteresse zuwiderlaufenden Weise verändere.

79.
    Nach ständiger Rechtsprechung verfügt die Kommission bei der Anwendung desArtikels 92 Absatz 3 des Vertrages über ein weites Ermessen (siehe z. B. dieUrteile des Gerichtshofes vom 17. September 1980 in der Rechtssache 730/79,Philip Morris/Kommission, Slg. 1980, 2671, Randnrn. 17 und 24, vom 24. Februar1987 in der Rechtssache 310/85, Deufil/Kommission, Slg. 1987, 901, Randnr. 18,und vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87, Frankreich/Kommission,Slg. 1990, I-307, Randnr. 49). Da es bei diesem Ermessen um die Würdigungkomplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten geht, muß sich die gerichtliche Kontrolleeiner in diesem Rahmen getroffenen Entscheidung auf die Prüfung beschränken,ob die Verfahrens- und Begründungsvorschriften eingehalten worden sind, ob derSachverhalts, der der getroffenen Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffendfestgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung diesesSachverhalt und kein Ermessensmißbrauch vorliegen (Urteil des Gerichtshofes vom29. Februar 1996 in der Rechtssache C-56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I-723,Randnr. 11, und zitierte Rechtsprechung). Insbesondere steht es dem Gericht nichtzu, seine Würdigung in wirtschaftlicher Hinsicht an die Stelle derjenigen desUrhebers der Entscheidung zu setzen (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juni 1993in der Rechtssache C-225/91, Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203, Randnr. 23).Diese Rechtsprechung ist auch für die Prüfung im Rahmen von Artikel 61 Absatz3 Buchstabe c des EWR-Abkommens maßgeblich.

80.
    Die Kommission trägt vor, ein Teil der von den Klägerinnen erhobenen Rügenberuhe auf Ereignissen, die nach dem Erlaß der Entscheidung eingetreten seien.Die Klägerinnen entgegnen, einige dieser später eingetretenen Ereignisse fügtensich in einen ununterbrochenen Geschehensablauf ein, von dem die Kommissionhabe Kenntnis haben müssen. Im übrigen veranschaulichten einige der später

eingetretenen Sachverhalte deutlich die Stellungnahmen, die die Klägerinnen imRahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegt hätten.

81.
    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Rechtmäßigkeit einesGemeinschaftsrechtsakts im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 173 desVertrages nach dem Sachverhalt und der Rechtslage zu beurteilen ist, die bei Erlaßdes Aktes bestanden (Urteile des Gerichtshofes vom 7. Februar 1979 in denverbundenen Rechtssachen 15/76 und 16/76, Frankreich/Kommission, Slg. 1979, 321,Randnr. 7, und des Gerichts vom 15. Januar 1997 in der Rechtssache T-77/95, SFEIu. a./Kommission, Slg. 1997, II-1, Randnr. 74), und nicht von rückschauendenBetrachtungen über seinen Wirkungsgrad abhängen kann (Urteil des Gerichtshofesvom 7. Februar 1973 in der Rechtssache 40/72, Schröder, Slg. 1973, 125,Randnr. 14). Insbesondere sind die komplexen Bewertungen, die die Kommissionvorgenommen hat, nur anhand der Informationen zu prüfen, über die diese bei derDurchführung dieser Bewertungen verfügte (Urteile des Gerichtshofes vom 10. Juli1986 in der Rechtssache 234/84, Belgien/Kommission, Slg. 1986, 2263, Randnr. 16,und vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-241/94, Frankreich/Kommission,Slg. 1996, I-4551, Randnr. 33).

82.
    Nach den oben genannten Grundsätzen ist hier die Prüfung des Vorbringens derKlägerinnen vorzunehmen, die die Würdigung der Angemessenheit der Beihilfe, dieWürdigung der Auswirkungen der Beihilfe auf den Zivilluftfahrtsektor des EWRund die Würdigung der Eignung des Umstrukturierungsplans, der mit der streitigenBeihilfe verbunden ist, in Zweifel ziehen.

Zu den auf einen Verstoß gegen den für staatliche Beihilfen geltendenVerhältnismäßigkeitsgrundsatz gestützten Rügen

83.
    Mit diesen Rügen werfen die Klägerinnen und die zur Unterstützung ihrer Anträgedem Verfahren beigetretenen Streithelferinnen der Kommission vor, sie habe eineBeihilfe genehmigt, die ihrer Höhe nach außer Verhältnis zumUmstrukturierungsbedarf der Air France stehe. Diese Rügen stützen sich imwesentlichen auf das Urteil Philip Morris/Kommission (zitiert in Randnr. 79,Randnr. 17), in dem der Gerichtshof entschieden hat, daß die Mitgliedstaaten keineZahlungen leisten dürfen, die die Lage des durch die Beihilfe begünstigtenUnternehmens verbessern, „ohne für die Erreichung eines der in Artikel 92 Absatz3 genannten Ziele erforderlich zu sein“.

A — Zur Rüge, daß die Kommission zu Unrecht die Anschaffung von 17 neuenFlugzeugen durch die Air France genehmigt habe

Vorbringen der Beteiligten

84.
    Die Klägerinnen sind der Ansicht, es sei unverhältnismäßig gewesen, eine Beihilfezu genehmigen, deren Ziel darin bestanden habe, der Air France die Anschaffungvon 17 neuen Flugzeugen zu ermöglichen. Die Kommission habe offensichtlich

Unrecht, wenn sie zu dem Ergebnis gelange, daß die Höhe der Beihilfe durch dieStornierung oder Verschiebung der von Air France getätigten Bestellung in Höhevon 11,5 Milliarden FF nicht verringert werden könne. Die Kosten der notwendigenregelmäßigen Flottenerneuerung seien Anlageinvestitionen und gehörtengrundsätzlich zu den normalen Betriebskosten einer Fluggesellschaft. Diese Art derErneuerung müsse ohne staatliche Beihilfe vorgenommen werden. Auf jeden Fallsei die Anschaffung von neuen Flugzeugen für die Air France nicht unbedingterforderlich gewesen.

85.
    Die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 werfen der Kommission darüberhinaus vor, sie habe in diesem Punkt eine unzureichende Begründung gegeben,obwohl sie im Laufe des Verwaltungsverfahrens davon unterrichtet worden sei, daßdie Anschaffung von 17 neuen Flugzeugen kein wesentlicher Bestandteil desUmstrukturierungsplans der Air France gewesen sei und daher habe storniertwerden müssen. Die Kommission habe die ihr auf ihre Mitteilung vom 3. Juni 1994hin von Dritten vorgelegten Stellungnahmen nicht ernsthaft geprüft. Die Klägerinin der Rechtssache T-394/94 und die Streithelferinnen Maersk machen allgemeingeltend, die Kommission habe es unterlassen, die angefochtene Entscheidung miteiner angemessenen Begründung zu versehen und insbesondere die von Dritten imVerwaltungsverfahren vorgelegten detaillierten Stellungnahmen nicht gebührendberücksichtigt.

86.
    Die Kommission trägt vor, die Anschaffung von 17 neuen Flugzeugen sei für AirFrance notwendig gewesen. Dabei verweist sie auf die angefochtene Entscheidung,wonach die hohen Betriebskosten von Air France zum Teil auf die Heterogenitätihrer Flotte zurückzuführen sei, deren Rationalisierung daher imUmstrukturierungsplan vorgesehen sei (ABl. S. 75 und 76). Durch diesen Planwerde das Durchschnittsalter der Flotte von Air France keineswegs gesenkt,sondern die Zunahme des Durchschnittsalters lediglich verlangsamt. Außerdemverbrauchten die neuen Düsenflugzeuge erheblich weniger Treibstoff, entsprächenden Umweltschutzvorschriften und ihre Instandsetzungs- und Wartungskosten seiengering. Schließlich seien sie für die Passagiere attraktiver.

87.
    Was ihre Begründungspflicht angeht, ist die Kommission der Ansicht, daß dieangefochtene Entscheidung in Einklang mit Artikel 190 des Vertrages stehe. Esreiche nämlich aus, in einer Entscheidung die wichtigsten rechtlichen undtatsächlichen Erwägungen darzulegen, auf denen sie beruhe und die für dasVerständnis des Gedankengangs erforderlich seien, der die Kommission zu ihrerEntscheidung geführt habe (Urteil des Gerichtshofes vom 4. Juli 1963 in derRechtssache 24/62, Deutschland/Kommission, Slg. 1963, 143, 155). Die Kommissionbrauche jedoch nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Fragen einzugehen, dievon den Beteiligten während des Verwaltungsverfahrens aufgeworfen worden seien(siehe z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den verbundenenRechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg.1980, 3125, Randnr. 66). Schließlich sei das Begründungserfordernis nach den

Umständen des Einzelfalls zu würdigen, insbesondere danach, welchen Inhalt derRechtsakt habe, welcher Art die angeführten Gründe seien und welches Interessedie Adressaten an Erklärungen haben könnten. Die in der oben angeführtenRechtsprechung aufgestellten Bedingungen seien bei der angefochtenenEntscheidung in vollem Umfang beachtet worden; in dieser würden auf 17 Seitendes Amtsblatts alle für die vorliegende Rechtssache erheblichen tatsächlichen undrechtlichen Gesichtspunkte dargelegt und auch die Einwände zusammengefaßt, dievon Dritten während des Verwaltungsverfahrens erhoben worden seien. DieKommission bestreitet insbesondere, daß sie die im Verwaltungsverfahreneingereichten Erklärungen nicht berücksichtigt habe. Diese Erklärungen seiengebührend geprüft und den französischen Behörden zur Stellungnahme zugeleitetworden.

Würdigung durch das Gericht

88.
    In Anbetracht der von den Klägerinnen erhobenen Rügen ist zuerst zu prüfen, obder angefochtenen Entscheidung, was die Genehmigung der Anschaffung von 17neuen Flugzeugen durch Air France angeht, eine ausreichende Begründung fehlt.Mit Rücksicht auf die ständige Rechtsprechung, wonach ein etwaiger Mangel in derBegründung von Amts wegen aufgegriffen werden kann (Urteile des Gerichtshofesvom 20. März 1959 in der Rechtssache 18/57, Nold/Hohe Behörde, Slg. 1959, 91,114, und vom 20. Februar 1997 in der Rechtssache C-166/95 P, Kommission/Daffix,Slg. 1997, I-983, Randnrn. 24 und 25, sowie des Gerichts vom 2. Juli 1992 in derRechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931,Randnr. 129), hat das Gericht die Klägerinnen und die dem Verfahren zurUnterstützung ihrer Anträge beigetretenen Streithelferinnen aufgefordert, dieErklärungen, die sie während des Verwaltungsverfahrens in ihrer Eigenschaft alsBeteiligte im Sinne von Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages bei der Kommissionabgegeben hatten, vorzulegen, soweit diese Erklärungen noch nicht zu den Aktengegeben worden waren (siehe oben, Randnr. 33).

89.
    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes muß die nach Artikel 190 desVertrages notwendige Begründung die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde,die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und unzweideutigwiedergeben, daß das Gemeinschaftsgericht seine Kontrolle ausüben kann und esden Betroffenen möglich ist, zur Wahrnehmung ihrer Rechte die tragenden Gründefür die Maßnahme zu erfahren (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar1990 in der Rechtssache C-350/88, Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I-395,Randnr. 15, und die darin angeführte Rechtsprechung).

90.
    Was den Begriff „Betroffener“ im Sinne der oben genannten Rechtsprechungangeht, hat der Gerichtshof in einer Rechtssache, die eine Entscheidung derKommission über die Ablehnung der Genehmigung eines Beihilfevorhabens einesMitgliedstaats zugunsten eines inländischen Unternehmens betraf, entschieden, daßdas Begründungserfordernis insbesondere nach dem Interesse zu beurteilen ist, dasdie Adressaten „oder andere durch den [angefochtenen] Rechtsakt unmittelbar und

individuell“ im Sinne von Artikel 173 des Vertrages „betroffene Personen“ anErläuterungen haben können (Urteil vom 13. März 1985 in den verbundenenRechtssachen 296/82 und 318/82, Niederlande und LeeuwarderPapierwarenfabriek/Kommission, Slg. 1985, 809, Randnr. 19).

91.
    Der Gerichtshof hat sodann festgestellt, daß ein Unternehmen, das im Wettbewerbmit dem durch die Beihilfe begünstigten Unternehmen steht, als „beteiligt“ imSinne von Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages anzusehen und in dieser Eigenschaftals von der Entscheidung der Kommission, durch die die Gewährung der streitigenBeihilfe genehmigt worden ist, unmittelbar und individuell betroffen zu betrachtenist. Dabei hat der Gerichtshof auch darauf hingewiesen, daß die Beteiligten imSinne von Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages bereits als die durch die Gewährungder Beihilfe eventuell in ihren Interessen verletzten Personen, Unternehmen oderVereinigungen, d. h. insbesondere die konkurrierenden Unternehmen und dieBerufsverbände, definiert worden waren (Urteil vom 19. Mai 1993 in derRechtssache C-198/91, Cook/Kommission, Slg. 1993, I-2487, Randnrn. 24 bis 26,und die darin angeführte Rechtsprechung).

92.
    Es zeigt sich also, daß das Erfordernis, eine Entscheidung über staatliche Beihilfenzu begründen, nicht nur nach dem Interesse an Informationen bestimmt werdenkann, das der Mitgliedstaat hat, an den diese Entscheidung gerichtet ist. Hat einMitgliedstaat von der Kommission nämlich das erhalten, was er beantragt hatte,d. h. die Genehmigung seines Beihilfevorhabens, so kann sein Interesse daran, daßeine begründete Entscheidung an ihn gerichtet wird, anders als das Interesse derWettbewerber des Beihilfeempfängers, nur sehr gering sein, insbesondere wenn erwährend der Verhandlungen mit der Kommission und insbesondere durch denSchriftwechsel mit dieser vor Erlaß der Genehmigungsentscheidung ausreichendeAuskünfte erhalten hat.

93.
    Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß die Streithelferinnen Maersk und ACEBeteiligte im Sinne von Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages sind und daß dieangefochtene Entscheidung sie im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertragesunmittelbar und individuell betrifft, da ihre Marktstellung durch die durch dieangefochtene Entscheidung genehmigte Beihilfemaßnahme spürbar beeinträchtigtwird (Urteil des Gerichtshofes vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 169/84,Cofaz u. a./Kommission, Slg. 1986, 391, Randnr. 25).

94.
    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage, ob die Begründung einerEntscheidung den Erfordernissen des Artikels 190 des Vertrages genügt, nicht nurim Hinblick auf ihren Wortlaut zu beurteilen, sondern auch aufgrund ihresZusammenhangs sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet(Urteil Delacre u. a./Kommission, zitiert in Randnr. 89, Randnr. 16, und die darinangeführte Rechtsprechung). Zwar braucht die Kommission in der Begründungeiner Entscheidung nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkteeinzugehen, die von den Beteiligten während des Verwaltungsverfahrens

vorgetragen worden sind (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1995 in derRechtssache C-360/92 P, Publishers Association/Kommission, Slg. 1995, I-23,Randnr. 39), sie hat jedoch alle maßgeblichen Umstände und Faktoren desEinzelfalls zu berücksichtigen (Urteil des Gerichtshofes vom 24. Oktober 1996 inden verbundenen Rechtssachen C-329/93, C-62/95 und C-63/95, Deutschlandu. a./Kommission, Slg. 1996, I-5151, Randnr. 32; im folgenden: Urteil BremerVulkan/Kommission), damit das Gemeinschaftsgericht seineRechtmäßigkeitskontrolle ausüben kann und sowohl die Mitgliedstaaten als auchdie beteiligten Bürger sich darüber unterrichten können, unter welchenVoraussetzungen die Kommission den Vertrag angewandt hat (Urteil PublishersAssociation/Kommission, Randnr. 39).

95.
    Außerdem hat die Kommission die angefochtene Entscheidung gemäß Artikel 93Absatz 3 des Vertrages erlassen, d. h. in einem Bereich, in dem sie über ein weitesErmessen verfügt (siehe oben, Randnr. 79). Da der Gerichtshof entschieden hat,daß das Ermessen der Kommission mit der Verpflichtung verbunden ist, sorgfältigund unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen(Urteil vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-269/90, TechnischeUniversität München, Slg. 1991, I-5469, Randnr. 14), erfordert die Kontrolle dieserVerpflichtung eine Begründung, die so genau ist, daß das Gericht sich vergewissernkann, daß die Verpflichtung eingehalten worden ist.

96.
    Es ist daher zu prüfen, ob die Begründung der angefochtenen Entscheidung dieArgumentation der Kommission klar und unzweideutig wiedergegeben hat, undzwar insbesondere in bezug auf die für die Beurteilung des streitigenBeihilfevorhabens wesentlichen Rügen, die der Kommission imVerwaltungsverfahren von den Firmen British Airways, TAT, KoninklijkeLuchtvaart Maatschappij (KLM), SAS, Air UK, Euralair und British Midland sowievon der ACE, insbesondere im Namen von Euralair und Maersk, vom KönigreichDänemark, vom Vereinigten Königreich, vom Königreich Schweden und vomKönigreich Norwegen (im folgenden: Beteiligte) zur Kenntnis gebracht wordensind.

97.
    Aus der Gesamtheit der beim Gericht eingereichten Erklärungen ergibt sich, daßeinige dieser Beteiligten bei der Kommission mit Nachdruck geltend gemachthatten, daß die im Umstrukturierungsplan vorgesehene Anschaffung von 17 neuenFlugzeugen für 11,5 Milliarden FF unannehmbar sei. Da alle nicht subventioniertenFluggesellschaften angesichts der Überkapazitätskrise Anfang der 90er Jahre dieBestellungen neuer Flugzeuge hätten stornieren oder verschieben müssen, könnedie Air France sich einer solchen Verpflichtung nicht entziehen. Die Entscheidung,11,5 Milliarden FF in die Anschaffung von Flugzeugen zu investieren, erhöhe denBedarf an zusätzlichem Kapital und damit die Verbindlichkeiten der Air France.In Anbetracht ihrer katastrophalen Finanzlage sei es nicht gerechtfertigt, Erlöse ausder Veräußerung anderer Aktiva für eine solche Finanzierung zu verwenden. Umdie im Umstrukturierungsplan vorgesehene Vereinheitlichung der Flotte von AirFrance zu erreichen, sei vielmehr der Umbau vorhandener Flugzeuge geboten.

98.
    Insbesondere die Firma TAT und das Vereinigte Königreich haben vorgetragen,daß die Investition, die die Anschaffung von 17 neuen Flugzeugen darstelle, diekurzfristige operative Tätigkeit von Air France und nicht deren Umstrukturierungbetreffe. Es handele sich um eine normale Modernisierung, durch die dieWettbewerbsfähigkeit des Unternehmens erhalten werden solle. Eine derartigeMaßnahme müsse aber aus den Eigenmitteln eines Unternehmens finanziertwerden und nicht durch eine staatliche Beihilfe. Im vorliegenden Fall sei esunvermeidlich, daß die streitige Beihilfe entgegen den Erfordernissen derRechtsprechung und der Entscheidungspraxis der Kommission zur Finanzierung derAnschaffung dieser Flugzeuge verwendet werde. Diese Beihilfe sei als eine denErfordernissen des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages nichtentsprechende Betriebsbeihilfe zu qualifizieren. In diesem Zusammenhang ist aufdas Urteil Deufil/Kommission (zitiert in Randnr. 79) und das Urteil desGerichtshofes vom 8. März 1988 in den verbundenen Rechtssachen 62/87 und 72/87(Exécutif régional wallon und Glaverbel/Kommission, Slg. 1988, 1573) sowie auf dieEntscheidung 90/70/EWG der Kommission vom 28. Juni 1989 über die vonFrankreich einigen Unternehmen der Stahlerstverarbeitung gewährten Beihilfen(ABl. 1990, L 47, S. 28) verwiesen worden.

99.
    Dazu stellt das Gericht fest, daß die Kommission in der angefochtenenEntscheidung ausführt, eines der Handicaps des Air-France-Konzerns sei dieHeterogenität seiner Flotte, die aus zu vielen unterschiedlichen Flugzeugen bestehe(24 verschiedene Typen oder Versionen); diese Heterogenität sei einer derFaktoren, der die Betriebskosten erhöhe (die Wartungskosten seien wegen dergroßen Zahl der erforderlichen unterschiedlichen Ersatzteile und der Unterschiedein der Qualifikation des fliegenden Personals und des Bodenpersonals besondershoch). Am 31. Dezember 1993 habe der Konzern über eine Flotte von 208Flugzeugen mit einem Durchschnittsakter von 8,6 Jahren verfügt (wobei dieEinsatzflotte von Air France aus 145 Flugzeugen bestanden habe) (ABl. S. 75).

100.
    Was die im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Hauptmaßnahmen angeht, gibtdie Kommission an, es sei vorgesehen, die Zahl der im Umstrukturierungszeitraumauszuliefernden Flugzeuge von 22 auf 17 zu senken. Die entsprechende Investitionbelaufe sich damit auf 11,5 Milliarden FF (ABl. S. 75). Was das für dieseInvestition erforderliche Kapital betrifft, nimmt die Kommission die Zurückstellungvon Bestellungen zur Kenntnis, wodurch das Durchschnittsalter der Flotte bis zumEnde des Umstrukturierungszeitraums auf rund 9,3 Jahre steigen werde. Jedezusätzliche Verzögerung bei der Erneuerung der Flotte werde diesen Wert nurnoch weiter ansteigen lassen und könne die Wettbewerbsfähigkeit von Air Franceund die Durchführung ihrer Umstrukturierung beeinträchtigen (ABl. S. 82).

101.
    Im Rahmen der Prüfung der Frage, ob die Beihilfe in einem angemessenenVerhältnis zum Umstrukturierungsbedarf steht (ABl. S. 83), vertritt die Kommissiondie Ansicht, die Air France habe, wenn man von der Beihilfe absehe, dreiMöglichkeiten, ihre Finanzlage aus eigener Kraft zu verbessern, wobei eine darin

bestehe, daß sie ihre Flugzeugbestellungen verschiebe. Da sie aber einigeBestellungen bereits aufgeschoben habe, würde sich das Durchschnittsalter derFlotte durch das Zurückstellen weiterer Bestellungen auf mehr als 10 Jahreerhöhen; dies sei für eine Fluggesellschaft, die ihre volle Wettbewerbsstärkewiederzuerlangen suche, zu hoch (ABl. S. 85).

102.
    Nach Ansicht des Gerichts lassen sich aus dieser Begründung klar und unzweideutigdie Gründe entnehmen, aus denen die Kommission der Auffassung ist, daß in dembesonderen Fall der Air France die Anschaffung von 17 neuen Flugzeugenunbedingt erforderlich sei. Die Begründung enthält die von der Kommission alswesentlich angesehenen Punkte, nämlich die für Air France bestehendeNotwendigkeit, über eine Flotte mit einem angemessenen Durchschnittsalter zuverfügen, den Umstand, daß die Zahl der anzuschaffenden Flugzeuge nur einenBruchteil der ursprünglich geplanten Zahl darstellt, und die Tatsache, daß dievorgesehene Investition dazu dienen wird, die Flotte von Air France homogener zumachen, und damit im Ergebnis zu einer Senkung der Betriebskosten führen wird.Somit hat die Kommission gleichzeitig eine ausreichende Antwort auf den erstenTeil der Erklärungen der Beteiligten im Verwaltungsverfahren gegeben.

103.
    Im zweiten Teil ihrer Erklärungen haben die Beteiligten einen Teil der streitigenBeihilfe als eine nach der Rechtsprechung verbotene Betriebsbeihilfe qualifiziert,da mit ihr rein operative Tätigkeiten der Air France finanziert werden sollten,nämlich die Erneuerung der Flugzeuge ihrer Flotte als Anlageinvestitionsgüter.

104.
    In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß der Gerichtshof in seinem UrteilDeufil/Kommission (zitiert in Randnr. 79) der Annahme der Kommissionzugestimmt hat, daß eine für eine normale Modernisierung zur Aufrechterhaltungder Wettbewerbsfähigkeit bestimmte Investition mit Eigenmitteln desUnternehmens und nicht mit einer staatlichen Beihilfe hätte finanziert werdenmüssen (Randnrn. 16 bis 19). In seinem Urteil Exécutif régional wallon/Kommission(zitiert in Randnr. 98) hat der Gerichtshof entschieden, daß die Erwägungen derKommission, wonach eine Investition mit dem Ziel der Erneuerung und dertechnischen Modernisierung einer Produktionsanlage, die regelmäßig erfolgenmüsse, nicht als eine Investition zur Förderung der Entwicklung gewisserWirtschaftszweige im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertragesangesehen werden könne, eine verständliche Argumentationslinie darstellen und indas Ermessen der Kommission fallen (Randnrn. 31, 32 und 34).

105.
    Die Beteiligten haben unter Berufung auf diese Rechtsprechung geltend gemacht,es bestehe die Gefahr, daß die genehmigte Beihilfe unangemessen hoch ausfalle,wenn ein Teil der Beihilfe nicht zur Umstrukturierung der Air France imeigentlichen Sinne verwendet werde. Im Urteil Philip Morris/Kommission (zitiertin Randnr. 79, Randnr. 17) habe der Gerichtshof aber entschieden, daß dieMitgliedstaaten keine Zahlungen leisten dürften, die die finanzielle Lage derbegünstigten Unternehmen verbesserten, „ohne für die Erreichung eines der inArtikel 92 Absatz 3 genannten Ziele erforderlich zu sein“.

106.
    Die Beteiligten haben somit vorgetragen, daß ein Rechtsfehler vorliegen könne,und zwar ein Verstoß gegen den speziell für staatliche Beihilfen in Artikel 92Absatz 3 des Vertrages niedergelegten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. NachAuffassung des Gerichts handelt es sich dabei um eine für die Beurteilung desstreitigen Beihilfevorhabens wesentliche Rüge. Die Kommission war daher gehalten,in der Begründung der angefochtenen Entscheidung dazu Stellung zu nehmen.

107.
    In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die Kommission in derangefochtenen Entscheidung annimmt, daß die Investition in die Erneuerung derFlotte für die Durchführbarkeit der Umstrukturierung von Air France notwendigsei (ABl. S. 82) und daß durch die Verschiebung der Bestellungen neuer Flugzeugedas Durchschnittsalter der Flotte von Air France auf mehr als 10 Jahre ansteigenwerde, was für eine Fluggesellschaft, die ihre volle Wettbewerbsstärkewiederzuerlangen suche, zu hoch sei (ABl. S. 85). Die Investition in die Erneuerungder Flotte in Höhe von 11,5 Milliarden FF, die unter den „grandes lignes de force“im Umstrukturierungsplan vorgesehen ist (ABl. S. 75), wird von der Kommissionsomit als wesentlicher Bestandteil der Umstrukturierung der Air France angesehen.

108.
    Vor dem Gericht hat die Kommission im übrigen diese Auffassung bestätigt underklärt, die Anschaffung von 17 neuen Flugzeugen sei „im Rahmen derDurchführung des Vorhabens“ gerechtfertigt gewesen (Nr. 40 der Gegenerwiderungin der Rechtssache T-371/94). Darüber hinaus war die Anschaffung der Flugzeugenach dem von der Kommission vorgelegten Gutachten der Firma Ernst & Young(Anlage 2 zur Klagebeantwortung in der Rechtssache T-371/94) „ein integralerBestandteil des Programms zur Rationalisierung der Flotte ..., wobei dieseInvestition einen entscheidenden Faktor des Planes darstellt“ (S. 22, Nr. 22 desGutachtens).

109.
    Zu den Modalitäten der Finanzierung dieser Investition wird in der angefochtenenEntscheidung ausgeführt, daß die Durchführung des Umstrukturierungsplans durcheine Kapitalerhöhung und die Veräußerung von nicht zum Kerngeschäftgehörenden Vermögensteilen finanziert werde, aus der die Air France einen Erlösvon etwa 7 Milliarden FF erwarte, nämlich insbesondere durch den Verkauf einerReihe von Flugzeugen, der einen Erlös in Höhe von 4,1 Milliarden FF erbringensolle, sowie durch die Veräußerung von Ersatzteilen (1,2 Milliarden FF), einesGebäudes (0,4 Milliarden FF) und der Méridien-Hotelkette (ABl. S. 76). In derangefochtenen Entscheidung wird hinzugefügt, daß die französischen Behördenzugesichert hätten, daß die Beihilfe während der Laufzeit des Programms von derAir France ausschließlich zu Umstrukturierungszwecken verwendet werde (ABl.S. 78 und 79).

110.
    In ihrer Bewertung der Tragfähigkeit des Umstrukturierungsplans erklärt dieKommission, die Beihilfe diene der Finanzierung der Durchführung des Planes undder Neuordnung der Finanzen der Air France (ABl. S. 82). Alles in allem ist siedavon überzeugt, daß die der Air France gewährte Beihilfe sowohl notwendig als

auch angemessen sei, um das Unternehmen in die Lage zu versetzen, seinenUmstrukturierungsplan erfolgreich durchzuführen und seine Leistungsfähigkeitzurückzuerlangen (ABl. S. 86). Schließlich verpflichtet die Auflage Nummer 6 diefranzösischen Behörden dazu, dafür Sorge zu tragen, daß die „Beihilfe ... von AirFrance ... ausschließlich zu Umstrukturierungszwecken ... verwendet werden“ wird(ABl. S. 89).

111.
    Wie sich aus dieser Begründung ergibt, geht die angefochtene Entscheidung davonaus, daß die streitige staatliche Beihilfe zwar dazu dient, die Verschuldung der AirFrance zu verringern, daß mit ihr aber auch die durch die Veräußerung vonVermögensteilen mitfinanzierte Durchführung des Umstrukturierungsplansfinanziert werden soll. Gleichzeitig ist die Kommission aber der Ansicht, daß dieInvestition in die Erneuerung der Flotte selbst ein unabdingbarer Bestandteil derUmstrukturierung der Air France darstelle. Es ergibt sich also, daß in derangefochtenen Entscheidung eingeräumt wird, daß die Beihilfe dazu dient, die dieAnschaffung von 17 neuen Flugzeugen umfassende Investition in die Flotte zufinanzieren. Auf jeden Fall verbietet die Entscheidung nicht, daß die Beihilfezumindest teilweise zur Finanzierung dieser Investition verwendet werden kann. Dieeinzigen selbständigen Finanzmittel der Air France, mit denen zur Finanzierungdieser Investitionen beigetragen werden soll, nämlich die Erlöse aus derVeräußerung von Vermögensteilen, sollen sich nämlich nur auf 7 Milliarden FFbelaufen, während die Kosten der Investition 11,5 Milliarden FF betragen.

112.
    Obwohl eine solche mit der Veräußerung alter Flugzeuge verbundene Anschaffungoffensichtlich eine Modernisierung der Flotte von Air France darstellt, enthält dieangefochtene Entscheidung keine Äußerung dazu, ob die Urteile in denRechtssachen Deufil/Kommission und Exécutif régional wallon/Kommission (zitiertin den Randnrn. 79 und 98) hier maßgeblich sind, was die Beteiligten geltendmachen. Die Kommission hat es somit unterlassen, klarzustellen, ob sie die streitigeFinanzierung ausnahmsweise hinnahm, weil sie diese Urteile unter den besonderenUmständen des Einzelfalls hier für nicht maßgeblich hielt, oder ob sie von dem indiesen Urteilen niedergelegten Grundsatz als solchem abgehen wollte.

113.
    Eine Stellungnahme der Kommission zu dieser Frage wäre um so notwendigergewesen, als in ihrer eigenen Entscheidungspraxis der grundsätzliche Widerstandgegen alle Betriebsbeihilfen, mit denen die normale Modernisierung von Anlagenfinanziert werden soll, zum Ausdruck kommt. Die Kommission ist nämlich derAnsicht, daß die für eine solche Modernisierung bestimmten Investitionen nicht alsUmstrukturierungsinvestitionen angesehen werden können und daher aus deneigenen Finanzmitteln der betroffenen Unternehmen ohne Inanspruchnahmestaatlicher Mittel finanziert werden müssen (Entscheidung 85/471/EWG derKommission vom 10. Juli 1985 über eine von der deutschen Regierung gewährteBeihilfe für einen Hersteller von Polyamid- und Polypropylengarn in Bergkamen[ABl. L 278, S. 26, 29], Entscheidung 89/228/EWG der Kommission vom 30.November 1988 über das Gesetzesdekret Nr. 370/87 der italienischen Regierungvom 7. September 1987 — am 4. November 1987 zum Gesetz Nr. 460 umgewandelt

— mit neuen Vorschriften für die Erzeugung und Vermarktung von Erzeugnissendes Weinbaus [ABl. 1989, L 94, S. 38, 41], Entscheidung 92/389/EWG derKommission vom 25. Juli 1990 über die staatlichen Beihilfen, die mit denGesetzesdekreten Nr. 174 vom 15. Mai 1989 und Nr. 254 vom 13. Juli 1989 sowiein dem Gesetzentwurf Nr. 4230 über die Inkraftsetzung der genanntenGesetzesdekrete vorgesehen sind [ABl. 1992, L 207, S. 47, 51]).

114.
    Daraus folgt, daß die Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht erkennenläßt, daß die Kommission tatsächlich geprüft hat, ob — und wenn ja, aus welchenGründen — die Modernisierung der Air-France-Flotte teilweise mit einer zurUmstrukturierung des Unternehmens bestimmten Beihilfe finanziert werden durfte,und zwar entgegen der oben genannten Rechtsprechung und entgegen ihrereigenen Entscheidungspraxis.

115.
    Diese Feststellung wird durch die näheren Angaben, die die Französische Republikund Air France gegenüber dem Gericht zu den im Umstrukturierungsplanvorgesehenen aeronautischen Investitionen in Höhe von 11,5 Milliarden FFgemacht haben, nicht entkräftet. Da diese Streithelferinnen angegeben haben, daßder Betrag von 11,5 Milliarden FF in drei Teile zerfalle, nämlich 7,6 Milliarden fürdie Anschaffung von 17 Flugzeugen, 3 Milliarden für die Anschaffung vonErsatzteilen und 0,9 Milliarden für aeronautische Arbeiten, ist offenkundig, daß dieaeronautischen Arbeiten und die Ersatzteile ebenso wie die neuen Flugzeuge derModernisierung des Unternehmens dienen.

116.
    Zwar hat die Kommission im vorliegenden Verfahren später geltend gemacht, diestreitige Beihilfe sei nur zur Entschuldung der Air France und nicht zurAnschaffung der 17 neuen Flugzeuge bestimmt, da die Investition in die Flotteausschließlich aus den Betriebserträgen von Air France finanziert werden müsse.Es ist jedoch festzustellen, daß diese von den Bevollmächtigten der Kommission vordem Gericht entwickelte Argumentation nicht nur in der angefochtenenEntscheidung nicht aufgeführt ist, sondern auch durch die Begründung derEntscheidung widerlegt wird, wonach die Beihilfe dazu bestimmt war, zumindestteilweise die Durchführung des Umstrukturierungsplans zu finanzieren, der dieModernisierung der Air-France-Flotte umfaßte. Wie der Gerichtshof aber im Urteilvom 15. Juni 1994 in der Rechtssache C-137/92 P (Kommission/BASF u. a., Slg.1994, I-2555, Randnrn. 66 bis 68) entschieden hat, stellen der verfügende Teil unddie Begründung einer Entscheidung, die gemäß Artikel 190 des Vertrages stets mitGründen zu versehen ist, ein unteilbares Ganzes dar, so daß es nach demKollegialprinzip ausschließlich Sache des Kollegiums der Mitglieder derKommission ist, beide zugleich anzunehmen, wobei jede über eine reinorthographische oder grammatikalische Anpassung hinausgehende Änderung in dieausschließliche Zuständigkeit des Kollegiums fällt.

117.
    Diese auf das Kollegialitätsprinzip gestützten Erwägungen treffen auch auf die hierangefochtene Entscheidung zu, die ebenfalls gemäß Artikel 190 des Vertrages zu

begründen war und mit der das Kollegium der Mitglieder der Kommission dasErmessen ausübte, das ihm unter Ausschluß aller anderen Stellen bei derAnwendung von Artikel 92 Absatz 3 des Vertrages vorbehalten ist. DemVorbringen der Bevollmächtigten der Kommission vor dem Gericht ist daher nichtzu folgen (siehe in diesem Sinne auch das Urteil Bremer Vulkan/Kommission,zitiert in Randnr. 94, Randnrn. 47 und 48).

118.
    Dies gilt erst recht für die Erklärungen, die die dem Verfahren zur Unterstützungder Kommission beigetretenen Beteiligten, die Air France und die FranzösischeRepublik, abgegeben haben. Sie tragen vor, erstens sei es unmöglich gewesen, dieBestellungen für die 17 neuen Flugzeuge zu stornieren oder zurückzustellen, weiles sich um feststehende vertragliche Verpflichtungen gehandelt habe, derenNichtbeachtung die Zahlung von Vertragsstrafen nach sich gezogen hätte; zweitensseien von den 34 Flugzeugen, deren Wiederverkauf im Umstrukturierungsplanvorgesehen gewesen sei, sieben neu gewesen, so daß die Erlöse aus ihremWiederverkauf sieben neuen noch nicht angeschafften Flugzeugen entsprochenhätten; drittens seien von den 17 neuen Flugzeugen sieben sofort wieder verkauftworden, ohne sie in Betrieb zu nehmen und viertens sei der Gesamtbetrag derBetriebseinnahmen von Air France im Umstrukturierungsplan mit 19,2 MilliardenFF angesetzt worden, so daß diese Einnahmen ausgereicht hätten, um dieAusgaben für die Investitionen in der Erneuerung der Flotte zu decken. DiesesVorbringen ist durch das Kollegialitätsprinzip nicht gedeckt und kann daher demBegründungsmangel, an dem die angefochtene Entscheidung leidet, nicht abhelfen.

119.
    Äußerst hilfsweise ist noch hinzuzufügen, daß den vor dem Gericht abgegebenenErklärungen, wonach sich bei Anwendung der im Umstrukturierungsplanvorgesehenen Maßnahmen eine Eigenfinanzierungsbruttospanne ergeben würde,mit der die Air France ihre Betriebs- und Investitionskosten bestreiten könnte, —unter der Annahme, daß diese Erklärungen zulässig sind — auf jeden Fall dieBegründung der angefochtenen Entscheidung widersprechen würde, aus derhervorgeht, daß das finanzielle Gleichgewicht und die Rentabilität der Air Franceerst Ende 1996 wiederhergestellt sein sollten (ABl. S. 75).

120.
    Nach alledem entspricht die Begründung der angefochtenen Entscheidung, was dieAnschaffung von 17 neuen Flugzeugen angeht, nicht den Erfordernissen desArtikels 190 des Vertrages.

B — Zur Rüge, die Kommission habe zu Unrecht die Finanzierung vonBetriebskosten und von operativen Maßnahmen der Air France genehmigt

Vorbringen der Beteiligten

121.
    Die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 sind der Ansicht, die Kommissionhabe nicht geprüft, ob die Beihilfe für die Umstrukturierung von Air Franceunabdingbar notwendig und nicht nur nützlich für die Finanzierung der Entwicklungder Tätigkeiten von Air France und der Modernisierung ihrer Anlagen gewesen sei.

Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages lasse eine operative Beihilfe, mitder die Tätigkeiten des Beihilfeempfängers modernisiert werden sollten, nicht zu.

122.
    Die einzigen strukturellen Kosten, die sich aus der Durchführung desUmstrukturierungsplans ergäben, beträfen die 5 000 freiwillig ausgeschiedenenBeschäftigten; die genaue Höhe dieser Kosten bleibe offen, da die angefochteneEntscheidung in diesem Punkt keine Angabe enthalte. Die Kosten, die durchandere im Umstrukturierungsplan vorgesehene Maßnahmen — insbesondere dieGeschäftspolitik zur Wiedergewinnung von Kundschaft sowie die Einführung von„Euroconcept“ und von „Première Club“ — entstehen könnten, seien alsBetriebskosten anzusehen. Es sei wahrscheinlich, daß Air France die Beihilfe auchzur Finanzierung anderer operativer Maßnahmen verwenden werde, die imUmstrukturierungsplan nicht ausdrücklich vorgesehen seien. Insbesondere habe dieAir France die Preise auf den Verbindungen zwischen den EWR-Ländern undDrittländern ganz erheblich gesenkt.

123.
    Sie — die Klägerinnen — hätten den Beweis dafür, daß die Einführung von neuenKlassen auf den Mittelstreckenverbindungen und die Einführung der neuen Klasseauf den Langstreckenverbindungen durch die Air France im Herbst 1995 dasUnternehmen 150 Millionen FF bzw. etwa 500 Millionen FF kosten würden, wiesich aus zwei im März 1995 in der Presse erschienenen Artikeln ergebe. DieBetriebskosten, die vor Ende 1996 z. B. durch die Einführung der beiden neuenKlassen entstanden seien, würden folglich mit Hilfe der streitigen Beihilfe finanziertwerden.

124.
    Die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 ist ebenfalls der Ansicht, die Beihilfewerde ganz massiv dazu dienen, neue Produkte der Air France wie z. B. ihreAktion „classe club“, zu finanzieren. In diesem Zusammenhang weisen dieKlägerinnen in der Rechtssache C-371/94 darauf hin, daß Air France über eine„Sicherheitsspanne“ verfüge (ABl. S. 85), die sie dazu einsetzen könne, um ihreTätigkeiten aufrechtzuerhalten und zu modernisieren. Die Beihilfe sei sounangemessen hoch, daß die Air France die Rekapitalisierung ihrerTochtergesellschaft Jet Tours oder die Übertragung eines Teils der Beihilfe auf ihreTochtergesellschaft Air Charter ins Auge fassen könne.

125.
    Die Klägerinnen in beiden Rechtssachen widersprechen der Auffassung derKommission, daß die streitige Beihilfe nur dazu bestimmt sei, die finanziellenBelastungen von Air France dadurch zu reduzieren, daß sie derenVerschuldungsgrad verringere, und nicht dazu, die Betriebskosten der Air Francezu finanzieren. In diesem Zusammenhang vertreten sie die Ansicht, die bloßeMöglichkeit, daß die Beihilfe dazu bestimmt sein könne, die Tätigkeiten der AirFrance aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln, genüge, um sie unvereinbar mitArtikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages zu machen. Zur Unterstützungdieses Vorbringens nehmen sie Bezug auf das Urteil des Gerichtshofes vom 21.März 1991 in der Rechtssache C-303/88 (Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1433,

Randnrn. 10 und 14), wonach es nicht erforderlich sei, nachzuweisen, daß die zurVerfügung gestellten staatlichen Mittel spezifisch und ausdrücklich dazu bestimmtseien, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, sondern die Feststellung genüge, daß derUmstand, daß der Begünstigte Mittel erhalte, ihm auf jeden Fall ermögliche,andere Mittel freizumachen, um zu demselben Ergebnis zu gelangen.

126.
    Die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 fügen hinzu, die Kommission habeden Unterschied zwischen dem Betrag der streitigen Beihilfe und dem Betrag, derzur Durchführung des früheren Programms „PRE 2“ benötigt worden wäre, zumeinen oder dem Betrag von 8 Milliarden FF, der vor Erlaß der angefochtenenEntscheidung als erforderlich für die Durchführung des Umstrukturierungsplansangesehen worden sei, zum anderen, nicht erklärt. Außerdem habe die Kommissionnicht geprüft, ob und inwieweit die von anderen Fluggesellschaften ohne finanzielleHilfe des Staates durchgeführte Umstrukturierung nicht beweise, daß das freieSpiel der Marktkräfte die Air France dazu veranlaßt hätte, ihre Tätigkeiten ohnestaatlichen Eingriff umzustrukturieren.

127.
    In der mündlichen Verhandlung haben diese Kläger vorgetragen, dieUmstrukturierungsbeihilfe müsse mit jeder einzelnen geplanten Maßnahmeverknüpft werden. Die Kommission hätte Bedingungen dafür aufstellen müssen, wiedie Beihilfe hätte verwendet werden müssen. Es sei unannehmbar, daß einallgemeines Gleichgewicht in bezug auf die global „für den Bedarf von Air France“gewährte Beihilfe bejaht werde.

128.
    Die Kommission versichert, sie habe den logischen Zusammenhang und dieWirksamkeit des Umstrukturierungsplans sowie die Angemessenheit desBeihilfebetrags, den Air France benötige, um den Plan erfolgreich durchzuführen,beurteilt. Um diese Beurteilung vornehmen zu können, brauche sie keine Fragenzu prüfen, die nichts mit den dem Plan innewohnenden Merkmalen zu tun hätten,und erst recht nicht die Erfahrungen anderer Fluggesellschaften.

129.
    Außerdem sei die genehmigte Beihilfe allein dazu bestimmt, die finanziellenBelastungen von Air France durch eine Senkung ihres Verschuldungsgrads zuverringern. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen werde die Beihilfe nichtdazu verwendet, die Betriebskosten von Air France zu finanzieren. Durch dieAnwendung der im Umstrukturierungsplan vorgesehenen harten Maßnahmeneinschließlich der Veräußerung von Vermögensteilen müßte sich einBruttoeigenfinanzierungsspielraum ergeben, der es der Air France ermöglichenwerde, ihre Betriebs- und Investitionskosten zu bestreiten. Dies reiche jedoch nichtdafür aus, daß sie auch ihre finanziellen Belastungen tragen könne. Ohne eineSenkung ihres Verschuldungsgrads werde die Air France nicht überleben können.Ende 1996 werde die Air France alle ihre Kosten unabhängig davon, ob es sich umBetriebs- oder Finanzkosten handele, bestreiten können.

130.
    Die Kommission weist darauf hin, daß die durch den Umstrukturierungsplanbewirkten Verbesserungen der Betriebsergebnisse während der Laufzeit des Planes

5 Milliarden FF erbringen sollten. Dieser Betrag werde es der Air France zwarermöglichen, ihre Betriebskosten zu decken, nicht aber die Hauptschuld mit Zinsenzurückzuzahlen. Dank der Beihilfe würden die finanziellen Belastungen von AirFrance von 3,2 Milliarden FF im Jahre 1993 auf 1,8 Milliarden im Jahre 1996zurückgehen (ABl. S. 75). Die Kommission verweist auf das Gutachten von Ernst& Young (Anlage 2 zur Klagebeantwortung in der Rechtssache T-371/94) und trägtvor, die Verbindlichkeiten von Air France würden um 18,9 Milliarden FFverringert; ohne die Beihilfe würden ihre für 1996 vorgesehenen Nettoverluste sichauf 694 Millionen FF belaufen, während sie mit der Beihilfe einen Nettogewinn von457 Millionen FF verzeichnen müßte. Die Gefahr einer Überkapitalisierung werdedadurch ausgeschlossen, daß die genehmigte Beihilfe in drei Tranchen zu zahlensei.

131.
    Das Urteil Italien/Kommission (zitiert in Randnr. 125) stützt nach Ansicht derKommission die Auffassung der Klägerinnen in keiner Weise. In dieser Rechtssachehabe der Gerichtshof angenommen, daß die Kapitalzuführung durch den Staat inAnbetracht der ständigen Betriebsverluste des betroffenen Unternehmens, die vondem betreffenden Staat ausgeglichen worden seien, und mangels einesUmstrukturierungsprogramms eine Beihilfe darstelle. Damit habe der Gerichtshofauf die Behauptung der betroffenen Regierungen geantwortet, daß die in Fragestehenden Mittel keine staatlichen Beihilfen gewesen seien. Die von denKlägerinnen zitierten Passagen bezögen sich nur auf diese Frage, während dieKlägerinnen sich hier auf das Urteil zur Unterstützung des — ganz anderen —Vorbringens beriefen, wonach die Kommission zur Feststellung, ob die der AirFrance gewährte Beihilfe unbedingt erforderlich gewesen sei, ein nicht zutreffendesrechtliches Kriterium angewendet habe.

132.
    Die Französische Republik und die Air France wenden sich gegen die Auffassung,daß die streitige Beihilfe — auch wenn sie zur Verringerung der Belastung von AirFrance durch Verbindlichkeiten und nicht zur Deckung eines Teils derBetriebskosten berechnet worden sei — dennoch dem Betrieb zugutekomme. Würdeman eine derartige Auffassung bejahen, so liefe dies auf ein Verbot vonUmstrukturierungsbeihilfen hinaus, denn es sei immer möglich, zu behaupten, daßeine auf ein besonderes Sanierungsziel gerichtete Beihilfe an die Stelle vonBetriebserträgen trete, die ohne die Beihilfe zur Erreichung dieses Zieles eingesetztworden wären. Man müsse aber klar unterscheiden zwischenUmstrukturierungsbeihilfen, die zur Verbesserung der betrieblichen Bedingungenin den betroffenen Unternehmen beitrügen und die in vollem Umfang mit demGemeinsamen Markt vereinbar sein könnten, und reinen Betriebsbeihilfen oderüber längere Zeit gewährten Rettungsbeihilfen, die dies grundsätzlich nicht seinkönnten.

Würdigung durch das Gericht

133.
    Soweit die Klägerinnen der Kommission vorwerfen, sie habe der Air Francegestattet, die Beihilfe an einige ihrer Tochtergesellschaften weiterzuleiten,gleichzeitig vortragen, daß es ihnen wahrscheinlich erscheine, daß Air France dieBetriebskosten global finanzieren werde, ist ihr Vorbringen zu vage, als daß ihmgefolgt werden könnte, und beschränkt sich auf bloße Annahmen, die nicht aufgenaues tatsächliches Vorbringen gestützt sind.

134.
    Auch den aus dem früheren Umstrukturierungsplan „PRE 2“ hergeleitetenArgument ist nicht zu folgen. Dieser Plan stieß nämlich auf den Widerstand derGewerkschaften und des Personals der Air France; er konnte daher nichtdurchgeführt werden. Unter diesen Umständen verpflichtete nichts die Kommission,bestimmte Bestandteile eines gescheiterten Umstrukturierungsplans vergleichendzu berücksichtigen. Dies gilt auch für den Betrag von 8 Milliarden FF, der vorErlaß der angefochtenen Entscheidung genannt worden sein soll. Da es sich nichtum die von den französischen Behörden der Kommission im Rahmen des förmlicheingereichten Umstrukturierungsplans offiziell unterbreite Zahl handelte, mußte dieKommission sie nicht berücksichtigen.

135.
    Zwar läßt sich nicht ausschließen, daß die Kommission die von der Air Francegeplanten Umstrukturierungsmaßnahmen mit den von anderen Fluggesellschaftenergriffenen Maßnahmen vergleichen kann, jedoch muß die Umstrukturierung einesUnternehmens auf dessen innere Probleme ausgerichtet sein und die Erfahrungen,die andere Unternehmen in unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischenZusammenhängen zu anderen Zeiten gemacht haben, können irrelevant sein.

136.
    Soweit die Klägerinnen außerdem geltend machen, die Beihilfe hätte in einzelnejeweils mit einer individuellen Umstrukturierungsmaßnahme verknüpfte Tranchenaufgeteilt werden müssen, ist das Gericht der Ansicht, daß durch eine solcheVorgehensweise notwendigerweise die Kosten jeder einzelnen Maßnahmeoffengelegt und damit die internen Funktionsstrukturen von Air Francebekanntgemacht worden wären. Derartige Daten sind aber — zumindest für einengewissen Zeitraum — vertraulich und sind gegenüber der Öffentlichkeit undinsbesondere den Konkurrenten von Air France geheimzuhalten. Unter diesenUmständen ist der Mechanismus der nachträglichen Kontrollen gemäß Artikel 2der angefochtenen Entscheidung, insbesondere in Verbindung mit der Bedingungfür die Genehmigung Nr. 6, als ein sachgerechtes System anzusehen, durch das eineÜberkapitalisierung der Air France aufgrund einer Verwendung der Beihilfe zuanderen Zwecken als der Umstrukturierung ausgeschlossen werden soll.

137.
    Soweit die Klägerinnen geltend machen, die einzige wirklicheUmstrukturierungsmaßnahme in dem streitigen Plan betreffe die Reduzierung desPersonalbestands der Air France (freiwilliges Ausscheiden von 5 000 Beschäftigten)und alle anderen Maßnahmen seien in Wirklichkeit rein operativer Natur, istdarauf hinzuweisen, daß mit der streitigen Beihilfe, wie oben in den Randnummern110, 111, 116 und 117 festgestellt worden ist, zumindest teilweise dieUmstrukturierung von Air France finanziert werden soll und daß die Behauptung,

wonach die Beihilfe ausschließlich zur Entschuldung der Air France verwendetworden sei, sich nicht im Wortlaut der angefochtenen Entscheidung findet unddaher zurückzuweisen ist. Folglich ist zu prüfen, ob die verschiedenen von denKlägerinnen angeführten Maßnahmen strukturellen Charakter haben.

138.
    In diesem Zusammenhang ergibt sich aus den Akten, daß die Air France wederüber Fabriken noch über Industrieanlagen mit Herstellungsverfahren verfügt, dietechnisch umstrukturiert werden könnten. Bei einem solchen Unternehmenkonzentriert sich die Tätigkeit im wesentlichen auf das Beförderungsangebot fürPersonen und Fracht sowie auf die für die Erbringung dieser Dienstleistungeneingesetzten Mittel. Daher können nur die Struktur dieses Angebots sowie diejenigeder Organisation des Unternehmens, die zur Unterstützung dieses Angebots dient,berechtigterweise Gegenstand eine Umstrukturierung sein.

139.
    Aufgrund dieser Feststellung ist das Gericht der Ansicht, daß die Streichung von5 000 Stellen sowie die Neugliederung von Air France in elf für ihre finanziellenErgebnisse verantwortliche Betriebszentren von der Kommission vernünftigerweiseals strukturelle Maßnahmen qualifiziert werden konnten. Dies erscheint wenigersicher, was die kommerziellen Initiativen (Euroconcept, Classe club und PremièreClub) und die Änderungen des Streckennetzes angeht, da die Air France sich damitdarauf beschränkt, der kommerziellen Entwicklung des Marktes zu folgen, ohne indie Strukturen des Unternehmens als solche einzugreifen. Derartige Maßnahmensind daher wohl rein operativer Natur und betreffen nur den Betrieb von AirFrance.

140.
    Ohne daß es erforderlich wäre, sich dazu zu äußern, ob die Rechtsprechung unddie Entscheidungspraxis, die in den Punkten 98 und 113 angeführt werden, hier vonBedeutung sind, ist jedoch darauf hinzuweisen, daß der Umstrukturierungsplandurch eine Kapitalerhöhung mittels der Beihilfe sowie die Veräußerungen vonVermögensteilen finanziert werden sollte, von denen die Air France sichEinnahmen in Höhe von etwa 7 Milliarden FF erhoffte (ABl. S. 76). In Anbetrachtder verhältnismäßig geringen Beträge, die von den Klägerinnen in der RechtssacheT-371/94 in diesem Zusammenhang genannnt worden sind (150 Millionen FF und500 Millionen FF), durfte die Kommission aber annehmen, daß diese Maßnahmendurch die aus der Veräußerung eigener Aktiva durch Air France herrührendenMittel und durch die Einnahmen aus dem laufenden Betrieb gedeckt sein würden.

141.
    In diesem Zusammenhang ist die von der „Fungibilität“ der Beihilfe ausgehendeund auf das Urteil Italien/Kommission (zitiert in Randnr. 125) gestützteArgumentation zurückzuweisen, wonach der Umstand, daß die Air France dieBeihilfe erhalte, es ihr ermögliche, andere Betriebsmittel freizumachen, die dannnicht etwa zur Rückzahlung ihrer Schulden verwendet würden, sondern zurFinanzierung der oben genannten Maßnahmen eingesetzt werden könnten. Da essich im vorliegenden Fall um Investitionsmaßnahmen und betriebliche Maßnahmennormalen Umfangs handelt, die jede Fluggesellschaft vernünftigerweise ergreifen

muß, um ihre operative Tätigkeit gegenüber der Konkurrenz auf dem Marktaufrechterhalten zu können, haben die Französische Republik und Air France zuRecht vorgetragen, daß diese These von der „Fungibilität“ tatsächlich auf einVerbot aller Umstrukturierungsbeihilfen hinauslaufen und das begünstigteUnternehmen dazu verurteilen würde, seine betriebliche Tätigkeit einzustellen.

142.
    Es ist richtig, daß die Lösung, was die Investition von 11,5 Milliarden FF angeht,die in der angefochtenen Entscheidung als „Flotteninvestition“ definiert wird (ABl.S. 75), anders ausfallen könnte. Das Gericht ist jedoch nicht in der Lage, dieseProblematik inhaltlich zu prüfen, da die angefochtene Entscheidung in diesemwesentlichen Punkt nicht begründet ist (siehe oben, Randnrn. 111 bis 120). Was dasVorbringen zur tariflichen Praxis von Air France auf den Strecken außerhalb desEWR angeht, die angeblich mit der Beihilfe finanziert wird, setzt die Prüfung diesesPunktes eine Analyse der Wettbewerbsstellung der Air France auf diesen Streckenvoraus. Diese Analyse wird in einem anderen Zusammenhang erfolgen (sieheunten, Randnrn. 259 bis 280).

143.
    Die Rüge, die Kommission habe zu Unrecht die Finanzierung von Betriebskostenund operativen Maßnahmen genehmigt, ist folglich unter dem letztgenanntenVorbehalt zurückzuweisen.

C — Zur Rüge der fehlerhaften Klassifizierung der von der Air France zwischen1989 und 1993 ausgegebenen Wertpapiere

Vorbringen der Beteiligten

144.
    Die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 tragen vor, nach dem Grundsatz derVerhältnismäßigkeit dürfe eine staatliche Beihilfe nicht so hoch sein, daß sie fürden Empfänger zu einem Verschuldungsgrad führe, der niedriger als derjenigeseiner Konkurrenten sei. Im vorliegenden Fall habe die Kommission aber einefehlerhafte Klassifizierung der ORA (obligations remboursables en actions —Obligationen, die in Aktien zu tilgen sind), der TSDI (titres subordonnés à duréeindétérminée reconditionnés — nachrangige neukonditionierteSchuldverschreibungen mit unbestimmter Laufzeit) und der TSIP—BSA (titressubordonnés à intérêts progressifs assortis de bons de souscription d'actions —nachrangige Schuldverschreibungen mit steigendem Zins und einemZeichnungsrecht für Aktien) vorgenommen, die von der Air France in den Jahren1989 bis 1993 ausgegeben worden seien, um den Verschuldungsgrad desUnternehmens im Jahre 1996 zu berechnen. Bei einer richtigen Klassifizierungdieser Papiere hätte sich ergeben, daß der Verschuldungsgrad von Air France vielniedriger sei als derjenige aller andern Fluggesellschaften.

145.
    In der angefochtenen Entscheidung sei die Kommission zu dem Ergebnis gelangt,daß die ORA für die Zwecke der Berechnung des Verschuldungsgrads der AirFrance „Quasi-Eigenkapital“ darstellten; die Kommission habe jedoch zu Unrechtangenommen, daß die ORA von 1993 — wie im übrigen die TSIP-BSA — durch

konventionelle Verbindlichkeiten ersetzt werden würden, da sie aufgrund ihrerEntscheidung 94/662/EG vom 27. Juli 1994 über die Zeichnung von Air-France-Anleihen durch CDC-Participations (ABl. L 258, S. 26) als rechtswidrige staatlicheBeihilfen zurückzuerstatten seien. Die Air France sei aber nicht verpflichtetgewesen und habe nicht zugesichert, die ORA von 1993 durch konventionelleVerbindlichkeiten zu ersetzen. Darüber hinaus dürften die liquiden Mittel, über diedie Air France verfügen werde, wenn sie die Beihilfe erhalten habe, die Ersetzungder Einnahmen aus den ORA und den TSIP-BSA von 1993 durch zusätzlicheliquide Mittel praktisch überflüssig machen.

146.
    Nach Ansicht der Klägerinnen veranschaulicht die Entwicklung der Lage nach demErlaß der angefochtenen Entscheidung ihre These. Nach einem Artikel in derPresse habe die Kommission am 5. April verlangt, daß Frankreich (und nicht dieAir France) einen Betrag von 1,5 Milliarden FF bis zum Abschluß des Verfahrensvor dem Gericht und dem Gerichtshof über die Nichtigerklärung der Entscheidung94/662 auf einem Sperrkonto hinterlege. Der Air France komme folglich der Wertder 1993 ausgegebenen ORA und TSIP-BSA weiterhin zugute, zumindest bis zumErlaß des Urteils des Gerichtshofes oder des Gerichts, d. h. während des größtenTeils des Umstrukturierungszeitraums.

147.
    Die Klägerinnen machen geltend, in Wirklichkeit hätten die ORA und die TSIP-BSA sowie ein Teil des Wertes der aus den TSDI herrührenden Anleihe zurBerechnung des Verschuldungsgrads der Air France in der Spalte „Eigenkapital“ausgewiesen werden müssen, denn sie stellten Kapital dar, das der Air France biszu ihrer Liquidation ständig zur Verfügung stehe.

148.
    Was insbesondere die TSDI angehe, würden den Zeichnern ihre Einlagen auseinem Bankfonds zurückgezahlt, in dem die Air France einen Teil (25 %) desursprünglichen Wertes der TSDI plaziert habe, während ein erheblicher Teil desWertes dieser Papiere (75 %) von der Air France auf Dauer gehalten werde.Anders als beim Erlöschen einer Verbindlichkeit, die sich aus ihrer Begleichungdurch den Anleiheschuldner ergebe, bestünden die TSDI auch nach derRückzahlung des Kapitals rechtlich weiter. Im übrigen habe die Kommission inihrer Mitteilung vom 3. Juni 1994 (ABl. S. 8) selbst erklärt, die „automatische“Rückzahlung der TSDI erfolge durch einen Bankfonds, die Verpflichtung zurRückzahlung werde für Air France nur im Fall einer Liquidation desUnternehmens wirksam und die TSDI seien bei der 1992 von der Kommissiondurchgeführten Analyse der Finanzlage der Air France mit Zustimmung derfranzösischen Regierung dem Eigenkapital zugerechnet worden. Die TSDI stelltenMittel dar, die der Air France ständig zur Verfügung stünden und die ihr dahereinen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Konkurrenzunternehmen verschafften.Rechne man zum Eigenkapital nur den Teil des Wertes der TSDI hinzu, den dieAir France auf Dauer behalte, so habe dies eine erhebliche Auswirkung auf ihrenVerschuldungsgrad für das Jahr 1996, denn dieser beliefe sich dann auf 0,76:1 undnicht auf 1,12:1.

149.
    Außerdem habe die Kommission bei der Klassifizierung der betroffenenFinanzinstrumente die finanziellen Konzepte, um die es gehe, nicht richtigverstanden. Sowohl bei den TSDI als auch bei den TSIP-BSA hänge die Zahlungvon Zinsen vom Ergebnis der Air France ab und könne ausgesetzt werden. Auchsei das Kriterium der Konvertibilität insoweit nicht sachgerecht, als die Kommissionangebe, daß die TSIP-BSA zu gegebener Zeit zu Eigenkapital würden, „sofern dieMarktbedingungen es dem Inhaber ermöglichen, sein Zeichnungsrecht auszuüben“.Damit habe die Kommission verkannt, daß das Zeichnungsrecht ein gesondertes,zusätzliches, abtrennbares und selbständiges Recht sei, deren Inhaber der gleichesein könne wie der Inhaber des TSIP oder auch nicht. Das TSIP sei nichtkonvertibel, weil es sich um ein auf Dauer nachrangiges Wertpapier handele. DerBegriff der „Konvertibilität“ sei in gleicher Weise auch auf die TSDI nichtanwendbar, denn es handele sich dabei um auf Dauer nachrangige Wertpapiere,die im Falle der Liquidation der Air France zurückgezahlt werden könnten.Schließlich sei es nicht sachgerecht, daß die Kommission die Rechte berücksichtige,die die ORA, TSDI und TSIP-BSA ihren Inhabern einräumten.

150.
    Die Kommission trägt zunächst vor, sie habe in der angefochtenen Entscheidungunterstrichen, daß die finanzielle Natur der betreffenden Wertpapiere bisweilennicht eindeutig sei (ABl. S. 84). Sodann trägt sie vor, gemäß ihrer Entscheidung94/662 müsse der für die Zeichnung der im April 1993 emitierten ORA und TSIP-BSA gezahlte Betrag von der Air France zurückerstattet werden, so daß der Wertdieser Papiere als Verbindlichkeit angesehen werden müsse. Was die ORA von1991 angehe, so seien sie als Eigenkapital anzusehen, da sie, wenn der Zeitpunktdafür gekommen sei, unausweichlich in Aktien umgewandelt würden, während die1989 und 1992 emitierten TSDI als eine Verbindlichkeit (Fremdkapital) anzusehenseien, da sie nach 15 Jahren zurückzuzahlen seien und keine Umwandlung inAktien erfolgen könne (ABl. S. 85).

151.
    Soweit die Klägerinnen sich auf die Entscheidung der Kommission vom 5. April1995 berufen (siehe oben, Randnr. 146), macht diese geltend, diese Entscheidung,die nach der angefochtenen Entscheidung erlassen worden sei, habe keineAuswirkungen auf die Klassifizierung der in Frage stehenden Papiere. Solange einerechtliche Verpflichtung zur Rückzahlung der Beträge der ORA und der TSIP-BSAbestehe, sei sie außerdem zu der Annahme berechtigt, daß diese Beträge durchkonventionelle Verbindlichkeiten ersetzt würden.

152.
    Was die TSDI angeht, unterstreicht die Kommission, daß sie neu konditioniertseien. Der Umstand, daß die Air France einen Teil des Erlöses aus den TSDIbehalte, habe keine Auswirkungen auf deren Qualifizierung. Diese Schlußfolgerungwerde durch die Stellungnahme des Conseil supérieur de l'Ordre français desexperts-comptables (Hoher Rat des französischen Buchprüferverbandes) bestätigt.Was zähle, sei die Verpflichtung zur Rückzahlung der Hauptschuld. DerNettofinanzstrom zwischen der Air France und dem Trust, bei dem ein Teil derMittel deponiert sei, werde nach Ablauf eines Zeitraums von 15 Jahren bei Nullangelangt sein. Das Darlehen, das die TSDI darstellten, werde tatsächlich durch das

Erlöschen des Trusts und das nachfolgende Erlöschen der Verbindlichkeit der AirFrance zurückgezahlt. Der gesamte durch die Emission der neukonditioniertenTSDI aufgebrachte Betrag werde also von der Air France bei Ablauf des Zeitraumsvon 15 Jahren zurückgezahlt. Der Betrag des Erlöses aus den TSDI sei nicht beimTrust hinterlegt und bleibe nicht auf Dauer in den Händen des Emittenten. DieserBetrag entspreche der Verpflichtung des Emittenten, 15 Jahre lang jährlich Zinsenauf den Gesamtbetrag der TSDI zu zahlen. Das Beharren der Klägerin auf derBehauptung, daß der Emittent einen Teil des Erlöses aus den neukonditioniertenTSDI auf Dauer behalte, beruhe auf einer subjektiven analytischenBetrachtungsweise, nach der jedes Darlehen als eine Zuführung von Eigenmittelnangesehen werden könne.

153.
    Auch wenn die Zahlung von Zinsen sowohl bei den TSDI als auch bei den TSIP-BSA ausgesetzt werden könne, bleibe die Air France dennoch verpflichtet, dieaufgelaufenen Zinsen aus diesen Beträgen zu zahlen. Mit anderen Worten: DieZinszahlung werde nur auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Was dieAusführungen der Klägerinnen zu den Rechten angehe, die die in Frage stehendenFinanzinstrumente ihren Besitzern einräumten, habe die angefochteneEntscheidung der Natur der Rechte, die diese Instrumente ihren Inhaberneinräumten oder nicht einräumten, keine besondere Bedeutung beigemessen. Derwesentliche Gesichtspunkt sei die obligatorische Umwandlung der Papiere inAktien gewesen.

154.
    Die Air France trägt zu den neukonditionierten TSDI vor, die Berufsgruppe derBuchhalter habe sich erst ab Ende 1991 mit der Definition der Natur dieserPapiere befaßt. Die Commission française des opérations de bourse (französischerAusschuß für Börsengeschäfte) habe sich in einer Mitteilung vom 6. März 1992dagegen ausgesprochen, die neukonditionierten TSDI dem Eigenkapitalzuzurechnen. Seit Ende 1993 hätten die Buchhalter Kenntnis vom Entwurf einerStellungnahme des Ordre français des experts-comptables gehabt, in der die TSDIals Verbindlichkeit qualifiziert worden seien. Die Stellungnahme des Conseilsupérieur de l'Ordre des experts-comptables sei am 7. Juli 1994 endgültig in diesemSinn beschlossen worden.

Würdigung durch das Gericht

155.
    Zunächst ist festzustellen, daß die Kommission bei der Prüfung derVerhältnismäßigkeit der Beihilfe in der angefochtenen Entscheidung unterstreicht,daß der Verschuldungsgrad von Air France sehr weitgehend davon abhänge, wiemehrere von dem Unternehmen emittierte Papiere einzustufen seien, wobei dieVerschuldungsgrade erheblich je nachdem variierten, ob diese Papiere alsEigenkapital oder als Verbindlichkeiten eingestuft werden (ABl. S. 83). Siebeschreibt anschließend die Höhe und die Merkmale der von der Air France in denletzten fünf Jahren vor der angefochtenen Entscheidung emittiertenFinanzinstrumente, nämlich der im Dezember 1991 und im April 1993 emittierten

ORA, der im Juni 1989 und im Mai 1992 emittierten TSDI sowie der im April 1993emittierten TSIP-BSA (Abl. S. 83 und 84). Schließlich legt sie die Kriterien dar,nach denen sich Eigenmittel von Anleihen unterscheiden, und zwar insbesonderenach den geltenden Vorschriften des französischen Rechts, der ViertenGemeinschaftsrichtlinie über den Jahresabschluß von Gesellschaften sowie derAuffassung des Comité professionnel de doctrine comptable (Fachausschuß fürBuchführungslehre) (ABl. S. 84 und 85).

156.
    Die Beteiligten stimmen darin überein, daß die ORA als „Eigenkapital“ oder„Eigenmittel“ zu qualifizieren sind, da diese Papiere niemals abgelöst werdensollen, sondern in Aktien umgewandelt werden müssen. Im übrigen hat dieKommission in der angefochtenen Entscheidung tatsächlich eine dahin gehendeQualifizierung vorgenommen (ABl. S. 85).

157.
    Was insbesondere die von der Air France im April 1993 emittierten und von demUnternehmen CDC-Participations gezeichneten ORA angeht, ist daraufhinzuweisen, daß die Kommission mit ihrer Entscheidung 94/662 die Rückerstattungdes gezahlten Betrages mit der Begründung angeordnet hat, daß die Zeichnung derPapiere eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstelle. Zwar hat die FranzösischeRepublik diese Entscheidung beim Gerichtshof angefochten (Rechtssache C-282/94)und Air France hat Klage beim Gericht erhoben (Rechtssache C-358/94), dieseKlagen haben aber keine aufschiebende Wirkung gehabt, so daß die denemittierten ORA entsprechenden Mittel von der Air France zurückzuerstattenwaren. Im übrigen ist die Entscheidung der Kommission bestandskräftig geworden,da das Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache T-358/94(Air France/Kommission, Slg. 1996, II-2109), durch die die Klage gegen dieseEntscheidung abgewiesen worden ist, rechtskräftig geworden und die RechtssacheC-282/94 durch Beschluß vom 17. April 1997 im Register des Gerichtshofesgestrichen worden ist.

158.
    Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß der Air France bis zur Verkündungdieses Urteils der Wert tatsächlich zugute gekommen ist, den diese ORA darstellen.Die Verfügbarkeit eines Kapitals während eines bestimmten Zeitraums stelltnämlich kein Kriterium dar, nach dem sich Eigenkapital von Verbindlichkeitenunterscheidet. Kapital, über das ein Unternehmen verfügen kann, ist in der Bilanzeines Unternehmens stets allein der Spalte „Passiva“ zuzuordnen, und zwarentweder als „Verbindlichkeiten“, wenn es zurückzuzahlen ist, oder als„Eigenkapital“, wenn es dem Unternehmen auf Dauer zur Verfügung steht. Da diestreitigen ORA aber vom 27. Juli 1994 an zurückzuzahlen waren, hat dieKommission sie zu recht als Verbindlichkeiten qualifiziert.

159.
    Das gleiche gilt für die im April 1993 emittierten TSIP-BSA, die ebenfallsGegenstand der Entscheidung 94/662 waren. Das Gericht braucht sich folglich nichtzu ihrer grundsätzlichen Klassifizierung zu äußern.

160.
    Was die neukonditionierten TSDI angeht, haben die Beteiligten mehrere Finanz-und Buchhaltungssachverständigengutachten über die Klassifizierung diese Papierevorgelegt. Die Klägerinnen nehmen Bezug auf das Gutachten von Professor Pene(Anlage 40 zur Klageschrift und Anlage 16 zu den Erklärungen zu den Streithilfen),während die Kommission und die Air France sich auf das Büro Ernst & Young(Anlage 2 zur Klagebeantwortung mit einem speziellen Vermerk zu denneukonditionierten TSDI in Anlage A und Anlage zur Gegenerwiderung) bzw. aufProfessor Vermaelen (Anlage 7 zum Streithilfeschriftsatz der Air France) stützen.Darüber hinaus verweist die Kommission auf das am 7. Juli 1994 gebilligteGutachten des Conseil supérieur de l'Ordre des experts-comptables (S. 18/19 derAnlage B zum Gutachten von Ernst & Young, das der Klagebeantwortung alsAnlage 2 beigefügt ist).

161.
    Aus diesen einander widersprechenden Sachverständigengutachten geht hervor, daßdie Klassifizierung der neukonditionieren TSDI komplexe wirtschaftliche undfinanzielle Bewertungen impliziert. Die Kommission verfügt daher auf diesemGebiet über ein weites Ermessen, und das Gericht kann ihre Entscheidung indiesem Punkt nur beanstanden, wenn es einen offensichtlichen Beurteilungsfehlerfestgestellt hat. Allem Anschein nach hat die Kommission aber den Mechanismusder Rückzahlung der TSDI — neben dem Umstand, daß sie nicht in Aktienumgewandelt werden können — nicht zu Unrecht als entscheidenden Gesichtspunktfür ihre Qualifizierung als Verbindlichkeiten angesehen.

162.
    Diese Schlußfolgerung wird nicht dadurch entkräftet, daß die Zahlung von Zinsenfür diese TSDI bei schlechten finanziellen Ergebnissen der Air France ausgesetztwerden kann. Daß ein Finanzierungsvorgang den Charakter einer Anleihe hat, wirdnämlich nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Bedingungen der Verzinsung untereinem speziellen Gesichtspunkt für den Zeichner der Anleihe unvorteilhaft sind.

163.
    Schließlich widerspricht dieser Schlußfolgerung auch nicht, daß die Kommissionursprünglich dazu neigte, die TSDI als „Eigenkapital“ zu qualifizieren (Mitteilungvom 3. Juni 1994, ABl. S. 8). Wie die Air France vor dem Gericht dargelegt hat,spiegelt diese Änderung der Betrachtungsweise nämlich die Entwicklung wider, diedie Qualifizierung der TSDI von 1991 bis 1994 innerhalb des Berufsstands derBuchhalter selbst durchlaufen hat. In diesem Zusammenhang ist daraufhinzuweisen, daß der Conseil supérieur de l'Ordre français des experts-comptablesin seinem Gutachten vom 7. Juli 1994 — also unmittelbar vor Erlaß derangefochtenen Entscheidung die neukonditionierten TSDI definitiv alsVerbindlichkeiten angesehen hat. Der Kommission kann nicht vorgeworfen werden,daß sie sich bei der Qualifizierung dieser französischen Papiere der abschließendenStellungnahme der französischen Organisation, die den auf diesem Gebietsachkundigen Berufsstand vertritt, angeschlossen hat.

164.
    Da die Kommission bei der Klassifizierung der von der Air France emittiertenWertpapiere keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, ist die Rügezurückzuweisen.

D —Zu der Rüge, die Kommission habe den Verschuldungsgrad von Air Franceverkannt

Vorbringen der Beteiligten

165.
    Die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 sind der Ansicht, der für 1996geplante gefaßte Verschuldungsgrad von Air France zeige, daß die Verschuldungdes Unternehmens auf ein Niveau reduziert werde, das weit unter demjenigenseiner Konkurrenzunternehmen liege. Die Kommission habe nämlich berechnet,daß dieser Wert 1,12:1 betragen werde, und erklärt, daß er über dem Durchschnittim zivilen Luftfahrtgewerbe liege, wo 1,5:1 als akzeptabler Wert angesehen werde;damit habe sie die von der Firma KPMG — einer internationalenUnternehmensberatungsgesellschaft — und der IATA erstellte Studie, auf die in derangefochtenen Entscheidung verwiesen werde (Abl. S. 85), falsch interpretiert.Diese Studie zeige in Wirklichkeit, daß der geplante Verschuldungsgrad für die AirFrance unter dem als optimal angesehenen Wert liege und erheblich niedriger seials der in der Studie für das Jahr 1992 genannte tatsächliche Durchschnitt (2,3:1oder 2,1:1 je nach Berechnungsweise). Die Unverhältnismäßigkeit der Beihilfeerscheine noch ausgeprägter, wenn man den Verschuldungsgrad der Air France(1,12:1) mit den durchschnittlichen Verschuldungsgraden (2,57:1 im Jahr 1992 und3,17:1 im Jahr 1993) vergleiche, die in der Veröffentlichung der IATA „AirlineEconomic Results and Prospects“ (Anlage 12 zur Erwiderung) angegeben seien.

166.
    Die der Air France gewährte unverhältnismäßige Beihilfe werde nicht alleindadurch zu einer verhältnismäßigen Beihilfe, daß man einen Vergleich in bezug aufandere Finanzkennziffern, wie z. B. das Zinsdeckungsverhältnis, vornehme. DieFeststellung der Kommission in der angefochtenen Entscheidung, daß diesesVerhältnis bei der Air France im Jahre 1996 2,44:1 betragen und damit dem vonden Konkurrenzunternehmen der Air France 1993 erreichten Durchschnittswertvon 2,42:1 sehr nahe kommen werde (ABl. S. 85), sei daher unerheblich. Imübrigen sei dieser Wert unvollständig und gebe lediglich die Fähigkeit einesUnternehmens wieder, die Gewinne, die es erziele, zur Rückzahlung seinerfinanziellen Belastungen einzusetzen. Darüber hinaus sei nicht klar, nach welchemKriterium die Kommission die Fluggesellschaften ausgewählt habe, mit denen sieden Wert der Air France im Jahr 1996 vergleiche.

167.
    Außerdem werde im Sachverständigengutachten der Firma Ernst & Young (Anlage2 zur Klagebeantwortung), auf das die Kommission sich stütze, erklärt, daß die AirFrance den theoretisch optimalen Verschuldungsgrad von 1,5:1 mit einer Beihilfein Höhe von maximal 15,25 Milliarden FF hätte erreichen können. Es sei daherüberraschend, daß in demselben Gutachten versucht werde, zu rechtfertigen, daßdie Air France 20 Milliarden Franken erhalte, indem behauptet werde, daß es

keinen besonderen Grund dafür gebe, daß die Air France einen„durchschnittlichen“ Verschuldungsgrad haben müsse.

168.
    Im übrigen sei jeder Vergleich zwischen Verschuldungsgraden von bestreitbaremWert. In diesem Zusammenhang gehe aus der von der Firma KPMG und derIATA erstellten Studie hervor, daß es bei der Berechnung der Verschuldungsgradeerhebliche Unterschiede gebe und daß es daher schwierig sei, gültige Vergleichezwischen Fluggesellschaften anzustellen. Schließlich sei nicht belegt, ob die von derKommission durchgeführte Berechnung des Verschuldungsgrads der Air France aufBrutto- oder Nettozahlen beruhe; es werde auch keine Erklärung dazu gegeben,wie diese Zahlen aufzuschlüsseln seien.

169.
    Darüber hinaus habe die Kommission ihre Untersuchung zu Unrecht auf einen sehrkurzen Zeitraum, nämlich das Jahr 1996, beschränkt, während dessen die Beihilfenoch gezahlt werde, ohne ihre Auswirkungen auf die spätere Finanzlage der AirFrance zu berücksichtigen, die dank der Beihilfe finanziell erheblich stärker als ihreWettbewerber geworden sei. Die Kommission hätte eine dynamische Analyse derAuswirkungen der Beihilfe über den Umstrukturierungszeitraum hinaus auf dieStellung der Air France im Wettbewerb im Verhältnis zu ihren Konkurrentenvornehmen müssen, um bestimmen zu können, ob die Beihilfe nichtunverhältnismäßig gewesen sei. Die Beihilfe trage dazu bei, der Air France imVerhältnis zu ihren Wettbewerbern eine viel bessere Finanzlage zu verschaffen, alses die Werte nahe legten, auf die die Kommission sich in der angefochtenenEntscheidung gestützt habe.

170.
    Die Kommission verweist auf das Gutachten der Firma Ernst & Young und machtgeltend, die streitige Kapitalzuführung sei so berechnet worden, daß sie denMindestbetrag darstelle, der zur Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichtsder Air France erforderlich sei. Was den zur Berechnung des Verschuldungsgradsverwendeten Betrag der Verbindlichkeiten angehe, habe sie gemäß einemfeststehenden Trend in der Finanzanalyse eine Nettozahl berücksichtigt. DerVerschuldungsgrad sei folglich nicht durch die Verwendung des Betrages derBruttoverbindlichkeiten aufgebläht worden.

171.
    Der Verschuldungsgrad von 1,12:1 sei nicht der einzige Gesichtspunkt gewesen, derin der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt worden sei, um dieVerhältnismäßigkeit der Beihilfe gemessen am Umstrukturierungsbedarf von AirFrance zu beurteilen, und das Zinsdeckungsverhältnis habe ebenfalls Bedeutunggehabt. Nichts verlange, daß der Verschuldungsgrad von Air France im Jahr 1996dem Durchschnittswert des Zivilluftfahrtsektors habe entsprechen müssen. Esreiche aus, daß er sich dem Satz von 1,5:1 in annehmbarer Weise annähere.

172.
    Die Kommission trägt vor, sie habe das Zinsdeckungsverhältnis nicht dazuherangezogen, um eine Beihilfe, deren Unverhältnismäßigkeit sich aus demVerschuldungsgrad von Air France ergebe, verhältnismäßig zu machen. Die

Erheblichkeit des Zinsdeckungsverhältnisses stehe außer Zweifel. Mit diesem Wertwerde die Fähigkeit des Unternehmens gemessen, seine Finanzierungskosten zubestreiten, wobei das Ziel der streitigen Beihilfe gerade darin bestehe, die AirFrance in bezug auf die finanzielle Belastung zu sanieren. Die Erwähnung desZinsdeckungsverhältnisses der Wettbewerber der Air France im Jahre 1993 in derangefochtenen Entscheidung veranschauliche lediglich den Wert, den gesundeFluggesellschaften erzielt hätten.

173.
    Schließlich trägt die Kommission vor, sie habe auch andere finanzielleVerhältniszahlen berücksichtigt. Was den Rentabilitätsgrad des Eigenkapitalsangehe, sei im Gutachten der Firma Ernst & Young lediglich angegeben worden,daß diese Verhältniszahl einen zusätzlichen Indikator dafür abgebe, in welcherHöhe eine Beihilfe erforderlich sei, damit die Air France ihre wirtschaftlicheLebensfähigkeit wiedergewinnen könne. Daß die genehmigte Beihilfe der Höhenach das erforderliche Minimum dargestellt habe, sei auf der Grundlage derverschiedenen Prognosen für die Finanzkennziffern belegt worden.

174.
    Die Air France nimmt Bezug auf die (in Randnr. 55 genannten) EntscheidungenSabena und Aer Lingus sowie auf die Entscheidung 94/696/EG der Kommissionvom 7. Oktober 1994 über die dem Unternehmen Olympic Airways vomgriechischen Staat gewährten Beihilfen (ABl. L 273, S. 22, im folgenden: Olympic-Airways-Entscheidung), mit denen die Kommission staatliche Beihilfen im Sektorder Zivilluftfahrt genehmigt habe. Die Verschuldungsgrade dieser Unternehmenwürden bei Auslaufen ihres Umstrukturierungsplans dem Wert der Air Franceähneln, ja sogar besser sein. Sie gäben also einen Eigenkapitalanteil wieder, derebenso hoch oder sogar höher als derjenige der Air France sei. So habe dieKommission Werte von 1,25:1 (Sabena), von 0,75:1 und 0,41:1 (Aer Lingus) undvon 0,78:1 (Olympic Airways) akzeptiert.

Würdigung durch das Gericht

175.
    Die Problematik der Finanzkennziffern der Air France, insbesondere dieProblematik des Verschuldungsgrads, wirft äußerst technische Fragen derFinanzbuchhaltung auf. Diese Feststellung wird dadurch bekräftigt, daß dieBeteiligten zur Stützung ihrer Thesen auf sieben Sachverständigengutachtenverweisen, nämlich die Gutachten des Büros Ernst & Young (Anlage 2 zurKlagebeantwortung und Anlage zur Gegenerwiderung), von Professor Pene (Anlage40 zur Klageschrift sowie Anlagen 9 und 10 zur Erwiderung), von ProfessorVermaelen (Anlage 7 zum Streithilfeschriftsatz der Air France) und von DoktorWeinstein (Anlage 1 zum Streithilfeschriftsatz des Vereinigten Königreichs).

176.
    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß dieUnternehmensberatungsfirma Lazard Frères den zur Neufinanzierung der AirFrance im Rahmen der Umstrukturierung erforderlichen Betrag unterBerücksichtigung der voraussichtlichen Einnahmen und Kosten des Unternehmensund im Hinblick auf dessen zukünftige Rentabilität festgesetzt (ABl. S. 75) und die

Kommission diesen Betrag in Ausübung ihres Ermessens akzeptiert hat. Außerdemwaren die letztgenannten Daten — zumindest im Stadium des Entwurfs desUmstrukturierungsplans sowie seiner Durchführung höchst sensibel und vertraulich,insbesondere im Verhältnis zu den Fluggesellschaften, die im Wettbewerb mit derAir France stehen. Es steht folglich weder den Klägerinnen noch im übrigen auchdem Gericht zu, die für Air France bestehende Notwendigkeit, den Betrag von 20Milliarden FF zu erhalten, um die festgelegten Umstrukturierungs- undEntschuldungsziele erreichen zu können, vom Grundsatz her in Frage zu stellen.

177.
    Da die Berechnung der 20 Milliarden FF als Ausgangspunkt für die Kontrolle derVerhältnismäßigkeit der Höhe der Beihilfe anzunehmen ist, reduziert sich dieFrage, welche Auswirkungen diese Kapitalzufuhr auf die finanziellenVerhältniszahlen von Air France hat, grundsätzlich auf einen einfachenmathematischen Vorgang.

178.
    Dabei ist darauf hinzuweisen, daß die Unternehmensberatungsfirma Lazard Frèresdie Auswirkungen der streitigen Beihilfe auf die Finanzkennziffern von Air Franceanalysiert und die Notwendigkeit unterstrichen hat, die Kapitalstruktur (ratios destructure financière), das Zinsdeckungsverhältnis (ratio de couverture des fraisfinanciers) und die Rentabilität des Eigenkapitals (ratio de rentabilité des fondspropres) zu berücksichtigen (ABl. S. 84). Nach der Untersuchung dieser Daten istdie Kommission zu einem Verschuldungsgrad von 1,12:1 gelangt, wobei siefestgestellt hat, daß dieser „Wert ... über dem Durchschnitt im zivilenLuftfahrtgewerbe [liegt], wo 1,5 als akzeptabler Wert gilt“ (ABl. S. 85).

179.
    Dieser Vergleich zwischen den beiden Werten des Verschuldungsgrads stützt sichauf eine von der Firma KPMG in Zusammenarbeit mit der IATA erstellten Studie.Diese im August 1992 verfaßte Studie (Anlage 45 zur Klageschrift in derRechtssache T-371/94) enthält folgende Passage (S. 26/27):

„Verhältnisse Verbindlichkeiten/Eigenkapital

...

Bei der Leitung einiger Fluggesellschaften wurde angefragt, welches ihrer Ansichtnach der optimale Verschuldungsgrad einer Fluggesellschaft ist. Die Antwortenliegen zwischen 0,5:1 und 4:1; aus ihnen geht jedoch nicht hervor, ob dielangfristigen Pachtverträge in diese Antworten einbezogen sind. In deneingegangenen Antworten wird im Durchschnitt ein optimales Ergebnis von 1,5:1angegeben.

Sie wurden anschließend aufgefordert, die Verschuldungsgrade ihres eigenenUnternehmens anzugeben, und zwar zunächst einschließlich und dann ausschließlichder langfristigen Pachtverträge. Der durchschnittliche Verschuldungsgrad der

Unternehmen, die geantwortet haben, beträgt 2,3:1 einschließlich der langfristigenPachtverträge und 2,1:1 ohne diese Verträge.

...

Es gibt signifikante Abweichungen dabei, wie die Verschuldungsgrade berechnetwerden. Sachdienliche Vergleiche zwischen den verschiedenen Fluggesellschaftensind daher schwierig ...“

180.
    Wie aus dieser Textpassage hervorgeht, ist die Repräsentativität der durch dieUntersuchung innerhalb der Zivilluftfahrt ermittelten Zahlen recht gering. InAnbetracht der „signifikanten Abweichungen“, die dabei festgestellt worden sind,können die Unterschiede zwischen den Zahlen 1,12:1, 1,5:1, 2,1:1 und 2,3:1 für sichallein daher nicht als signifikant für den Nachweis angesehen werden, daß dieKommission die Finanzlage der Air France im Verhältnis zur durchschnittlichenLage in der Zivilluftfahrt verkannt hat.

181.
    Nach dieser Feststellung erscheint die für Ende 1996 vorgesehene Zahl von 1,12:1in Anbetracht der oben genannten, von 0,5:1 bis 4:1 gehenden Zahlen und der vonder Kommission in ihren (in den Randnrn. 55 und 174 genannten) EntscheidungenSabena, Olympic Airways und Aer Lingus gebilligten Werten von 1,25:1, 0,78:1,0,75:1 und 0,41:1 nicht als unverhältnismäßig. Das gleiche gilt für dasZinsdeckungsverhältnis der Air France, das nach Angabe der Kommission 19962,44:1 betragen und damit dem von den Wettbewerbern der Air France 1993erreichten Durchschnittswert von 2,42:1 sehr nahe kommen wird (ABl. S. 85).

182.
    Aus den oben in Randnummer 176 dargelegten Gründen kann die Rüge, daß imGutachten der Firma Ernst & Young selbst angenommen worden sei, daß 15,25Milliarden FF dafür ausreichten, daß die Air France einen optimalenVerschuldungsgrad von 1,5:1 erreiche, nicht durchgreifen. Äußerst hilfsweise isthinzuzufügen, daß in der von den Klägerinnen zitierten Passage dieses Gutachtens(S. 21, Fußnote 21) — wie die Kommission vorgetragen hat — lediglich eineKorrektur der von den Klägerinnen vorgenommenen Berechnungen des Betragesvorgenommen wird, der erforderlich ist, um den Wert von 1,5:1 zu erreichen; dieserBetrag beläuft sich nach der Angabe von Ernst & Young auf 15,25 und nicht auf13,9 Milliarden FF. Im übrigen heißt es im Gutachten von Ernst & Young weiter,daß es jedenfalls keinen besonderen Grund dafür gebe, daß der Verschuldungsgradder Air France 1,5:1 betragen müsse.

183.
     Zu Recht trägt die Kommission vor, daß der Bericht der IATA mit der Überschrift„Airline Economic Results and Prospects“, auf den die Klägerinnen sich beziehen,die durchschnittlichen Verschuldungsgrade von mehr als 30 Fluggesellschaften inder ganzen Welt wiedergibt, und zwar einschließlich der Iran Air, der Royal AirMaroc und der Tunis Air, die nach gewerblicher und finanzieller Struktur kaumÄhnlichkeit mit der Air France haben und mit dieser nicht in einem wirklichenWettbewerb stehen. Die Kommission war daher nicht verpflichtet, den

Verschuldungsgrad der Air France mit den Verschuldungsgraden derFluggesellschaften zu vergleichen, die Gegenstand dieses Berichts sind.

184.
    Soweit die Klägerinnen sich in ihrer Klageschrift gefragt haben, ob die Berechnungdes Verschuldungsgrads der Air France von Brutto- oder von Nettozahlen ausging,genügt die Feststellung, daß die Kommission in ihrer Klagebeantwortung — ohnedaß die Klägerinnen dem widersprochen hätten — vorgetragen hat, daß sie eineNettozahl berücksichtigt habe, so daß der Verschuldungsgrad nicht durch dieVerwendung eines Bruttobetrags der Verbindlichkeiten aufgebläht worden sei.Schließlich verpflichtete nichts die Kommission, den Verschuldungsgrad der AirFrance über den Umstrukturierungszeitraum hinaus zu berechnen, da dieser deneinzigen Bezugszeitraum für die Geltung der mit der Genehmigung der Beihilfeverknüpften Bedingungen zu Lasten der Französischen Republik und der AirFrance darstellt.

185.
    Da die Kommission, was die Berechnung und die Berücksichtigung der in derangefochtenen Entscheidung genannten Finanzkennziffern angeht, keinenoffensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, ist die Rüge zurückzuweisen.

E — Zu der Rüge, die Kommission habe es zu Unrecht unterlassen, den Verkaufvon Vermögensteilen der Air France zu verlangen, die hätten veräußert werdenkönnen

Vorbringen der Beteiligten

186.
    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission sei offensichtlich zu Unrecht zudem Ergebnis gelangt, daß die Höhe der streitigen Beihilfe nicht dadurch hätteverringert werden können, daß andere Vermögensbestandteile der Air Franceaußer den im Umstrukturierungsplan vorgesehenen verkauft worden wären. DerGrundsatz der Verhältnismäßigkeit verlange nämlich, daß ein Unternehmen, daseine Umstrukturierung beabsichtige, seine gesamten Eigenmittel einsetze, bevor esdie staatliche Beihilfe in Anspruch nehme. Die Kommission hätte folglich von derAir France verlangen müssen, daß sie sich dadurch liquide Mittel verschaffe, daßsie alle ihre nicht zum Luftverkehrssektor gehörenden Vermögensbestandteileunabhängig davon veräußere, wie hoch die dadurch erzielten Erlöse seien. Wäredies der Fall gewesen, so hätte die Beihilfe sehr viel geringer sein können.

187.
    Dazu tragen die Klägerinnen vor, der Air-France-Konzern umfasse 103Gesellschaften, die in Sektoren tätig seien, die mit Reisen zusammenhingen, abernicht zum Luftverkehr gehören, wie z. B. im Tourismus, im Gaststätten- undHotelgewerbe, in der Flugzeugwartung, in der kommerziellen Informatik und imTransitfrachtverkehr; unter diesen Gesellschaften finde man Unternehmen von derBedeutung des Servair-Konzerns und der Firma Jet Tours, die 1993 einen Umsatzin Höhe von 2,6 bzw. 2,4 Milliarden FF erzielt hätten. Die Tätigkeit dieserUnternehmen erstrecke sich auf Vorgänge, die so weit vom Luftverkehr entfernt

seien wie die Herstellung von Käse. Mehr als 20 % der Einnahmen der Air Francerührten aus Tätigkeiten her, die keinerlei Bezug zum Luftverkehr hätten. Darüberhinaus halte die Air France Beteiligungen an 20 Fluggesellschaften.

188.
    Durch die Veräußerung einiger der Beteiligungen der Air France an anderenGesellschaften, insbesondere an der Air Inter und der Sabena, könnten Erlöseerzielt werden, die hoch genug seien, um einen großen Teil der Beihilfe überflüssigzu machen. Ohne die streitige Beihilfe müßte die Air France wie irgendeineMuttergesellschaft, die Verluste erleide, sich an ihre Tochtergesellschafteneinschließlich der Air Inter wenden, damit diese zur Begrenzung ihrer Verlustebeitrügen. Zur Information haben die Klägerinnen den Wert der Beteiligungen derAir France an 8 Fluggesellschaften (Air Charter, Air Inter, Sabena, MEA, AustrianAirlines, Tunis Air, Air Mauritius, Royal Air Maroc) und einer anderenGesellschaft (Servair) berechnet. Insgesamt sei der Wert dieser Beteiligungen auf3,1 bis 6 Milliarden FF zu veranschlagen.

189.
    Was die Air Inter angeht, haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlungvorgetragen, sei deren angeblicher Nutzen für die Air France in Wirklichkeit nursehr gering gewesen. Die Rolle der Air Inter beschränke sich darauf, die Passagiereaus der französischen Provinz zu dem Knotenpunkt („hub“) der Air France aufdem Flughafen Charles de Gaulle für internationale Flüge zu bringen. Die AirFrance hätte aber genau zu dem gleichen Ergebnis gelangen können, wenn sieentweder ihre eigenen Flugzeuge eingesetzt oder mit anderen Gesellschafteneinschließlich der Air Inter Kooperationsabkommen geschlossen hätte. Die AirInter sei daher für das Funktionieren der Air France kein unbedingt erforderlicherVermögensbestandteil.

190.
    Der Wert der Kapitalbeteiligung der Air France an der Sabena in Höhe von37,5 % könne auf 6 Milliarden BFR veranschlagt werden. Die Air France habediese Aktien 1992 gekauft, was nahelege, daß diese Beteiligung kaum alslebenswichtig für die Air France angesehen werden könne, da diese viele Jahreohne diese Beteiligung habe arbeiten können. Außerdem habe der Präsident derSabena im September 1994 öffentlich erklärt, daß die Air France ihre Beteiligungwerde abgeben müssen. Sie — die Klägerinnen — hätten der Kommission schon imStadium des Verwaltungsverfahrens mitgeteilt, daß zahlreiche Indizien ein Beweisdafür sein könnten, daß die Fortsetzung einer Allianz zwischen der Air France undder Sabena keine Daseinsberechtigung mehr gehabt habe. In diesemZusammenhang verweisen die Klägerinnen auf einen im Juni 1994 in der Presseerschienenen Artikel (Anlage 46 zur Klageschrift), wonach das belgischeUnternehmen wünsche, daß die Air France ihre Beteiligung abgebe.

191.
    Im übrigen habe die Air France ein Viertel des Betrages, den sie für ihreBeteiligung am Kapital der Sabena schulde, einige Tage nach dem Erlaß derangefochtenen Entscheidung gezahlt. Die Air France verwende die Beihilfe ganzoffensichtlich, um diese Ausgabe zu bestreiten, da es ihr an liquiden Mitteln fehle.Die Kommission hätte die Air France daran hindern müssen, diesen Betrag zu

bezahlen, da eine zu Umstrukturierungszwecken genehmigte Beihilfe nicht für denErwerb von Anteilen anderer Unternehmen verwendet werden dürfe. Wäre die AirFrance daran gehindert worden, diese Zahlung vorzunehmen, so hätte sie wohl dieNotwendigkeit verspürt, ihre Beteiligung an der Sabena im Rahmen ihrerUmstrukturierungsbemühungen zu veräußern.

192.
    Sie — die Klägerinnen — verlangten von der Air France nicht, daß dieseVermögensbestandteile verkaufe, die unbestreitbar zu ihren strategischen Aktivagehörten. Die Air France hätte jedoch insbesondere die Vermögensgegenständeveräußern können, die sie in ihrem Jahresbericht für das Wirtschaftsjahr 1993 selbstals nicht wesentliche Aktiva bezeichne. Unter Bezugnahme auf einen Artikel in derPresse fügen die Klägerinnen hinzu, die Air France habe im September 1994 allemAnschein nach den Verkauf einiger Vermögensgegenstände ins Auge gefaßt, diedie Kommission einen Monat zuvor als solche angesehen habe, die nicht veräußertwerden könnten, wie z. B. die Beteiligung am Servair-Konzern oder die Beteiligungan Amadeus, einem elektronischen Reservierungssystem. Dies allein mache dieSchlußfolgerungen der Kommission hinfällig, daß die Air France keine anderenVermögensgegenstände zu verkaufen brauche, weil durch die Veräußerung keinerdieser Vermögensgegenstände genügend Mittel beschafft werden könnten.

193.
    Auf die Behauptung der Kommission, es sei aus Gründen der Vertraulichkeit nichtmöglich gewesen, offenzulegen, welches die anderen Vermögensgegenständegewesen seien, die die Air France habe abstoßen wollen, entgegnen dieKlägerinnen, dies sei jedoch die Praxis der Kommission, wenn sie von einemUnternehmen als Vorbedingung für die Genehmigung von Zusammenschlüssennach der (in Randnr. 55 angeführten) Verordnung Nr. 4064/89 verlange, daß diesesVermögensgegenstände veräußere. So habe die Kommission den Verkauf vonnamentlich bezeichneten Vermögensgegenständen in ihrer Entscheidung91/403/EWG vom 29. Mai 1991 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mitdem Gemeinsamen Markt (Fall IV/M043 — Magneti Marelli/CEAc) (ABl. L 222,S. 38) und ihrer Entscheidung 92/553/EWG vom 22. Juli 1992 betreffend einVerfahren nach der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (Fall IV/M.190 —Nestlé/Perrier) (ABl. L 356, S. 1) verlangt. Selbst wenn die nicht zum Kerngeschäftgehörenden Vermögensgegenstände der Air France vor der Genehmigung derBeihilfe nicht hätten verkauft werden können, hätte die Kommission im übrigen dieÜbergabe dieser Vermögensgegenstände an einen Bevollmächtigten, z. B. eineInvestitionsbank, die deren Verkauf hätte organisieren können, verlangen können.Die Klägerinnen verweisen als Beispiel auf den Fall des Crédit Lyonnais (ABl.1995, C 121, S. 4), wo eine neue Struktur geschaffen worden sei, das „Consortiumde réalisations“ (Verwertungskonsortium), eine 100%ige Tochtergesellschaft desCrédit Lyonnais, die die Aktiva des Crédit Lyonnais habe kaufen müssen, diehätten veräußert oder abgestoßen werden sollen. Ebenso hätte im vorliegenden Falldie Beteiligung der Air France an der Sabena an eine Bank abgegeben werdenkönnen, die das Geld bis zum Verkauf an einen Dritten hätte vorschießen können.

194.
    In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen außerdem vorgetragen,solange die angefochtene Entscheidung nicht den Verkauf namentlich bezeichneterVermögensgegenstände vorschreibe, habe die Air France keinerlei Interesse daran,während des Umstrukturierungszeitraums Aktiva zu veräußern, weil eine solcheVeräußerung zur Verringerung der gewährten Beihilfe geführt hätte. DieseFeststellung werde durch die spätere Entwicklung bestätigt, die es der Air Franceermöglicht habe, den Verkauf ihrer Beteiligung an der Sabena durch denentgangenen Gewinn „auszugleichen“, der darauf beruhe, daß sie wenigerFlugzeuge als vorgesehen verkauft habe. Dies beweise, daß der Verkauf von nichtzum Kerngeschäft gehörenden Aktiva von der Kommission von Anfang an hätteveranschlagt werden müssen.

195.
    Das Königreich Dänemark trägt vor, in ihrer (in Randnr. 55 angeführten)Entscheidung Aer Lingus habe die Kommission die Aer Lingus gezwungen, sich vonden Aktiva zu trennen, die nichts mit dem Transport zu tun gehabt hätten, umdamit zur Umstrukturierung mit einem Betrag beizutragen, der höher gewesen seials der Betrag der erhaltenen Beihilfe. Darüber hinaus habe die Air France ihreAnteile an der tschechischen Gesellschaft CSA tatsächlich verkauft. Es sei nicht zuverstehen, warum die Air France nicht auch ihre Beteiligungen an der Sabena oderan der Air Inter hätte verkaufen können.

196.
    Das Vereinigte Königreich vertritt die Ansicht, die Kommission hätte dieMöglichkeit, daß die Air France ihre Anteile an der Sabena veräußere, ernsthaftin Erwägung ziehen müssen. Eine solche Veräußerung hätte die Fortsetzung derzwischen den beiden Gesellschaften bestehenden geschäftlichen Vereinbarungennicht notwendigerweise verhindert. Viele Fluggesellschaften hätten nämlichuntereinander derartige Vereinbarungen geschlossen, ohne daß man es fürerforderlich halte, daß jede Gesellschaft eine erhebliche Minderheitsbeteiligung ander anderen besitze. Die Kommission habe auch nicht erklärt, warum die AirFrance ihre Anteile an der Air Inter nicht habe veräußern können, und zwar umso mehr, als die Kontrolle der Air France über die Air Inter das Ergebnis einerverhältnismäßig kurz zurückliegenden Erwerbung sei. Schließlich seien einigeGesellschaften, die zum Air-France-Konzern gehörten, sehr rentabel, wie z. B. derServair-Konzern, und durch ihren Verkauf hätten sich daher erhebliche Erlöseerzielen lassen. Andere Gesellschaften seien tatsächlich defizitär, so daß derVerkauf oder die Einstellung der Tätigkeit bei ihnen zu einer erheblichen Senkungder Defizite des Air-France-Konzerns und damit zu einer Verringerung deserforderlichen Beihilfebetrags hätten führen können.

197.
    Das Königreich Norwegen ist der Ansicht, die Kommission habe es unterlassen, vonder Air France zu verlangen, daß diese alle ihre nicht zum Luftverkehr gehörendenAktiva verkaufe. Ein solcher Verkauf sei ein wichtiger Bestandteil einesUmstrukturierungsplans, nicht nur wegen des Beitrages zur Liquidität desbetroffenen Unternehmens, sondern auch zu der Reduzierung seiner Kosten, derWiederherstellung seiner Identität und der Konzentration seiner Tätigkeit. Imvorliegenden Fall gebe es eine große Zahl von Tätigkeiten der Air France, die im

Verhältnis zum Kerngeschäft einer Fluggesellschaft peripher seien. Die BritishAirways, die SAS, die KLM und andere internationale Fluggesellschaften hättenMaßnahmen zur Vergabe bestimmter Dienstleistungen, die zu geringeren Kostenvon unabhängigen Dritten erbracht werden könnten, an Subunternehmer ergriffen.Diese Gesellschaften hätten zahlreiche nicht zum Luftverkehr gehörende Aktivaveräußert, auch wenn die durch jeden einzelnen Verkauf erzielten Erlöseunbedeutend sein könnten.

198.
    Die Kommission bestreitet, daß sie es unterlassen habe, die für Air Francebestehenden Möglichkeiten zur Veräußerung von einigen ihrer Aktiva in Erwägungzu ziehen. Nach der Prüfung der einzelnen Beteiligungen der Air France sei sie zudem Ergebnis gelangt, daß der im Plan ins Auge gefaßte Verkauf von Aktiva imRahmen der Unstrukturierung der Air France sachgerecht gewesen sei. DieBeteiligungen der Air France an der Sabena oder an der Air Inter seien nichtbewertet worden, da deren Verkauf nicht zum Umstrukturierungsplan gehört habeund da diese Beteiligungen als zum Kerngeschäft gehörende Aktiva der Air Francehätten angesehen werden können.

199.
    In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission vorgetragen, da dasKerngeschäft der Air France und der Air Inter der Luftverkehr sei, könne nicht derHauch eines Zweifels daran bestehen, daß Air Inter ein zum Kerngeschäftgehörender Vermögensbestandteil der Air France sei. Die Wichtigkeit der Air Interfür die Air France rühre daher, daß die Air France im Gegensatz zu anderenFluggesellschaften kein Inlandsnetz besitze. Aus diesem Grund, habe dieKommission angenommen, daß die Air Inter tatsächlich ein zum Kerngeschäftgehörender Vermögensbestandteil für die Air France sei, die nicht das Risikoeingehen dürfe, daß die Air Inter unter die Kontrolle der Konkurrenz gerate. DieAir France habe hinzugefügt, daß die Wirkungen der kommerziellenZusammenarbeit mit der Air Inter unabdingbare Voraussetzung für ihr Überlebenseien, da die Beherrschung eines Inlandsnetzes für eine große Fluggesellschaftlebenswichtig sei. Die Air France brauche die Air Inter, um die Zuflüsse aus denUmsteigeverbindungen des Inlandsnetzes zu erhalten und damit ihreLangstreckenflüge auszulasten. Im übrigen kontrollierten alle großen europäischenFluggesellschaften ihr Inlandsnetz und zögen daher eine Mehrheitsbeteiligung anihrem Inlandsnetz dem Abschluß von geschäftlichen Vereinbarungen mit diesemNetz vor.

200.
    Die Veräußerung von Vermögensgegenständen durch die Air France sei untergebührender Berücksichtigung aller ihrer Interessen und ihrer Gesamtstrategiegeprüft worden. Dabei habe die Kommission die Überzeugung gewonnen, daß dievon der Air France beabsichtigten Veräußerungen von Aktiva ausreichend seien.In diesem Zusammenhang sei der Verkauf von Aktiva durch andereFluggesellschaften unter anderen Umständen und anderen Zeiten unerheblich fürdie Prüfung der Frage, welche Aktiva von der Air France hätten veräußert werden

müssen. Die Art und das Ausmaß der Interessen der einzelnen Fluggesellschaftenmachten nämlich jeden Vergleich nutzlos.

201.
    Außerdem sei es nicht möglich gewesen, andere Vermögensgegenstände oderBeteiligungen, die Air France habe abstoßen wollen, namentlich zu bezeichnen,denn eine solche Offenlegung hätte eine Einmischung in die Führung der laufendenVerhandlungen über diese Aktiva dargestellt und hätte sich nachteilig auf dieseVerhandlungen auswirken können. Im übrigen verbiete die angefochteneEntscheidung die Veräußerung anderer Aktiva nicht. Die Bedingungen auf demMarkt könnten sich entwickeln und Anreize dafür schaffen, imUmstrukturierungsplan nicht ins Auge gefaßte Aktiva zu veräußern, oder sich aufden Preis derjenigen auswirken, deren Veräußerung darin vorgesehen sei. Bei derPrüfung, ob die Beihilfe, gemessen am Umstrukturierungsbedarf, verhältnismäßigsei, habe die Kommission hervorgehoben (ABl. S. 86), daß die zu zahlendenBeträge je nach Bedarf angepaßt werden könnten, um der Entwicklung derFinanzlage der Air France insbesondere nach dem Verkauf vonVermögensbestandteilen Rechnung zu tragen.

202.
    Der Hinweis der Klägerinnen auf die Befugnis, die die Verordnung überUnternehmenszusammenschlüsse der Kommission einräume, sei unerheblich, daZusammenschlüsse sich auf die Struktur des betreffenden Marktes als solcheauswirkten. Auch die Verweisung auf die Möglichkeit, die Vermögensbestandteileeinem Bevollmächtigten zu übertragen, der damit betraut werde, ihren Verkauf zuorganisieren, gebe für die Argumentation der Klägerinnen nichts her. Die Kontrolleeines Unternehmens sei nämlich die wesentliche Frage, die sich im Recht derUnternehmenszusammenschlüsse stelle, während dies hier nicht der Fall sei. Wasdas durch den Plan des Crédit Lyonnais geschaffene „Consortium de réalisations“angehe, so handele es sich um eine 100%ige Tochtergesellschaft; der Vorgang stelledaher eine interne Reorganisation eines Konzerns dar.

203.
    Auf jeden Fall habe kein Teil der streitigen Beihilfe dazu dienen sollen, daß die AirFrance die letzte Tranche ihrer Beteiligung an der Sabena bezahlen könne. DieBeihilfe sei mit dem Ziel genehmigt worden, die Finanzkostenbelastung der AirFrance zu reduzieren. Im übrigen wäre es rechtswidrig gewesen, die Air Francedazu zu veranlassen, ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Sabena nichtzu erfüllen und damit einen Vertragsbruch zu fördern.

204.
    Die Französische Republik und die Air France tragen vor, die Beteiligung der AirFrance am Kapital der Sabena sei einer ihrer zum Kerngeschäft gehörenden undstrategischen Vermögensteile gewesen. Im Juli 1994 habe alles darauf hingedeutet,daß die Neuaushandlung der Vereinbarung über diese Beteiligung für die AirFrance zu einem erheblichen Verlust führen und die Sabena in eine schwierigeLage bringen werde. Erst im Oktober 1994 habe die belgische Regierung ihreEntscheidung bekanntgegeben, die Sabena mit neuem Kapital auszustatten. Im Juli1994 hätten weder die Air France noch die französische Regierung diediesbezüglichen Absichten der belgischen Regierung gekannt. Da die Air France

sich der Kapitalerhöhung, die von der belgischen Regierung befürwortet wordensei, nicht habe anschließen können, habe diese ihr daraufhin vorgeschlagen, dieBeteiligung zurückzukaufen, während eine neue Partnerschaft zwischen der Sabenaund der Swissair ins Auge gefaßt worden sei.

205.
    Die Air France trägt vor, einige ihrer nicht zum Kerngeschäft gehörenden Aktivaseien bereits zu Beginn der Durchführung des Planes veräußert worden. So sei ihreBeteiligung am Kapital der tschechischen Fluggesellschaft CSA am 25. März 1994veräußert worden. Ebenso sei die Beteiligung der (zu 75 % der Air Francegehörenden) Servair am Kapital der Firma Saresco und demzufolge an deren in derKäseherstellung tätigen Tochtergesellschaft veräußert worden. Die Veräußerungdes Hotelkonzerns Méridien, die in der Zwischenzeit tatsächlich erfolgt sei, habesich auf 20 der 103 Unternehmen dieses Konzerns bezogen. Aus der angefochtenenEntscheidung gehe klar hervor, daß im Rahmen des Planes weitere Veräußerungenvorgesehen seien. Der Zeitplan und eine Schätzung des Umfangs dieserVeräußerungen seien der Kommission für alle nicht zum Luftverkehr gehörendenAktiva von erheblichem Wert mitgeteilt worden. Diese Aktiva seien jedoch in derEntscheidung aus auf der Hand liegenden Gründen der Vertraulichkeit nichtausdrücklich angeführt worden.

206.
    In der mündlichen Verhandlung hat die Air France ausgeführt, das elektronischeReservierungssystem Amadeus stelle zwar keine Luftverkehrstätigkeit dar, sei abervon wesentlicher Bedeutung für alle Luftverkehrstätigkeiten des Konzerns.Entgegen den Andeutungen der Klägerinnen sei ihre Beteiligung an Amadeus nichtverkauft worden und sie habe auch nicht die Absicht, sie zu verkaufen.

207.
    Was die Servair angeht, hat die Air France — ebenfalls in der mündlichenVerhandlung — bestätigt, daß deren Veräußerung im Umstrukturierungsplanvorgesehen gewesen sei. Die Erlöse aus dem Verkauf von Servair seien in denFinanzvorschauen verzeichnet gewesen und seien daher zur Verringerung desBetrages der Neukapitalisierung berücksichtigt worden. Diese Information habejedoch vertraulich bleiben müssen um zum einen einen Verkauf der Servair zueinem höheren Preis aushandeln zu können, und zum anderen mit Rücksicht aufdie Gefahr sozialer Unruhen, die diese Nachricht unfehlbar bei der Servairausgelöst hätte, was die Qualität des Service von Air France während des Flugesvon Air France die von diesem wichtigen Lieferanten von Fertigmahlzeiten sehrstark abhängig sei, ganz erheblich in Frage gestellt hätte. Der Fortgang desVerkaufs der Servair sei von der Kommission und ihren Sachverständigen anläßlichder Genehmigung der zweiten und der dritten Tranche der Beihilfe im einzelnengeprüft worden.

208.
    Was die andern Vermögensteile angeht, wie z. B. Air Charter und Jet Tours, hatdie Air France bei der gleichen Gelegenheit unterstrichen, daß diese unbestreitbarzu ihren strategischen Aktiva gehörten. Im übrigen hätten sich aus dem Verkaufvon Jet Tours und von Air Charter für die Air France nur unbedeutende Erlöse

ergeben. Schließlich sei auch der Verkauf der Minderheitsbeteiligungen der AirFrance an der Royal Air Maroc, der Austrian Airlines, der Tunis Air, der AirMauritius und der Aéropostale von der Kommission im einzelnen untersuchtworden. Aus diesen Verkäufen hätten sich keine nennenswerten Erlöse erzielenlassen und sie hätten sich auf die Höhe der Neukapitalisierung nicht ausgewirkt.

Würdigung durch das Gericht

209.
    Die Kommission hat im Rahmen der Prüfung der streitigen Beihilfe die Ansichtvertreten, die Umstrukturierung der Air France, der größten französischenFluggesellschaft und einer der drei größten europäischen Gesellschaften, werde zurEntwicklung des europäischen Luftverkehrsgewerbes durch eine Verbesserung derWettbewerbsfähigkeit der Air France beitragen und liege somit im allgemeinenInteresse (ABl. S. 83). Die Kommission hat damit angezeigt, daß sie keine Politikmit dem Ziel der vollständigen Zerschlagung des Air-France-Konzerns verfolgte,sondern daß sie es vorzog, der Air France ihren Platz unter den größteneuropäischen Fluggesellschaften neben Lufthansa und British Airways zu erhalten.Da die Ausübung des der Kommission nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c desVertrages zustehenden Ermessens, die zum Erlaß der angefochtenen Entscheidunggeführt hat, die Würdigung komplexer wirtschaftspolitischer Sachverhalteeinschließt, kann sie im vorliegenden Fall nur wegen eines offensichtlichenBeurteilungsfehlers oder eines Rechtsfehlers beanstandet werden, um so mehr alsdie Kommission dafür Sorge getragen hat, mit Hilfe der Staffelung der Zahlung derBeihilfe in drei Tranchen eine Kontrolle der Entwicklung der Finanzlage der AirFrance einzurichten, die sie in die Lage versetzte, die zu zahlenden Beträgegegebenenfalls anzupassen (ABl. S. 86).

210.
    Im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens hat die Kommission nur einebeschränkte Zahl von nicht zum Kernbereich gehörenden Vermögensteilen benannt— nämlich die Hotelkette Méridien, ein Gebäude sowie Flugzeuge, die an derGrenze ihrer Lebensdauer angelangt waren, und Ersatzteile (ABl. S. 75 und 76) —deren Veräußerung der Air France aufgegeben worden war, damit die Höhe derBeihilfe auf 20 Milliarden FF beschränkt werden konnte.

211.
    Sowohl das Argument, daß das Königreich Dänemark aus der (in Randnr. 55genannten) Entscheidung Aer Lingus herleitet, in der die Kommission demEmpfänger der Beihilfe den Verkauf aller seiner nicht zum Kernbereichgehörenden Aktiva aufgegeben habe, als auch die Verweisung des KönigreichsNorwegen auf das Beispiel von British Airways, SAS, KLM und andereninternationalen Fluggesellschaften, die im Rahmen ihrer Umstrukturierungzahlreiche nicht zum Luftverkehr gehörende Aktiva veräußert hätten, sind folglichnicht stichhaltig. Die Umstände einer Umstrukturierung sind nämlich allein durchdie konkrete Lage des betroffenen Unternehmens bedingt. Daß die obengenannten Gesellschaften im tatsächlichen Zusammenhang ihrer eigenenUmstrukturierung dazu veranlaßt oder verpflichtet waren, zahlreicheVermögensteile zu veräußern, kann daher für sich allein die Entscheidung nicht in

Frage stellen, die die Kommission in der im Juli 1994 bestehenden besonderenLage mit dem Ziel getroffen hat, der Air France ihre Stellung im Konzert der dreigrößten europäischen Fluggesellschaften zu erhalten und ihr zu gestatten, dengrößten Teil ihrer Aktiva zu behalten.

212.
    Die Kommission durfte daher als Vermögensteile, die von der Air France nichtveräußert werden konnten, die drei folgenden Kategorien von Aktiva ansehen:erstens diejenigen, die für die gegenwärtige und zukünftige Tätigkeit derGesellschaft als Luftverkehrsunternehmen von wesentlicher Bedeutung waren;zweitens diejenigen, die ihr als Elemente von Kooperationsstrategien dienten undbei denen zu vermeiden war, daß sie unter die Kontrolle einesKonkurrenzunternehmens gelangen könnten; schließlich diejenigen, die mit derTätigkeit einer großen Fluggesellschaft eng verknüpft waren. Wie aus den Aktenhervorgeht, hat die Kommission diese Aktiva als unveräußerlich qualifiziert,insbesondere Air Charter, Air Inter, Sabena, Amadeus und Jet Tours.

213.
    Was die Gesellschaft Air Charter angeht, genügt die Feststellung, daß sie ebensowie die Air France im Luftverkehrssektor selbst tätig ist. Sie gehört daher zumKernbereich von Air France. Zwar ist die Air Charter auf den Charterluftverkehrspezialisiert, d. h. auf einen im Verhältnis zum regulären Luftverkehr spezifischenMarkt, es handelt sich dabei aber nur um zwei Aspekte der gleichen Tätigkeit imLuftverkehr, deren Aufteilung in zwei getrennte Gesellschaften letztlich nur eineinterne Aufgabenverteilung zum Ausdruck bringt. Die Kommission konnte folglichzu Recht davon ausgehen, daß die Air Charter einen wesentlichen Bestandteil derLuftverkehrstätigkeit der Air France darstellte.

214.
    Was die Gesellschaft Air Inter betrifft, gibt die Kommission in der angefochtenenEntscheidung an, die französische Regierung habe zugesichert, daß die Beihilfeallein der Air France zugutekommen werde und daß sie zu diesem Zweck eineHolding gründen werde, die gleichzeitig die Air Inter und die Air Francekontrollieren werde (Zusicherung Nr. 1). Die Kommission ist der Ansicht, daß dieseZusicherung ihre Besorgnis in bezug auf Nebenwirkungen der Beihilfe abschwäche,weil sie die Air France daran hindere, die Beihilfe zur Subventionierung derTätigkeit von Air Inter einzusetzen. Gestützt auf Auskünfte über die zukünftigeStruktur der Holding sowie auf die entsprechende Zusicherung der französischenBehörden ist die Kommission der Meinung, daß die Beihilfe der Compagnienationale Air France und deren Tochtergesellschaften, darunter der Air Charter,zugutekomme (ABl. S. 81 und 86).

215.
    Unstreitig verfügte die Air France anders als die Lufthansa und die British Airwaysvor der Übernahme der Kontrolle über die Air Inter im Jahr 1990 nicht über einInlandsnetz. Zu Recht hat die Kommission daher angenommen, daß dieseKontrolle — die während des Umstrukturierungszeitraums durch den Mechanismusder oben beschriebenen Holding ausgeübt worden ist — für die gegenwärtige unddie zukünftige Tätigkeit der Air France deshalb wesentlich war, weil beim Verlust

dieser Kontrolle der Zubringerluftverkehr („feeder traffic“) der Air France, mitdem die Air Inter betraut war, ernstlich hätte beeinträchtigt werden können. DieTätigkeit der Air Inter konzentriert sich nämlich im wesentlichen auf deninnerfranzösischen Luftverkehr. Aus diesem französischen Inlandsmarkt kommtaber ein wesentlicher Zubringerverkehr zum Knotenpunkt der Air France auf demFlughafen Paris-Charles-de-Gaulle (im folgenden: Paris [CDG]). Unter diesenUmständen liegt es auf der Hand, daß die Air France sich nicht der Gefahraussetzen kann, daß die Air Inter nach der Veräußerung unter den Einfluß einesKonkurrenzunternehmens gerät und daß sie damit die Kontrolle über einenwesentlichen Teil ihres Zubringerluftverkehrs verliert.

216.
    Die unmittelbare Angliederung der Air Inter an die Air France konnte auch nichtin annehmbarer Weise durch die Übernahme der Air Inter durch eine Bank undden damit verbundenen Abschluß von kommerziellen Vereinbarungen über denZubringerluftverkehr mit der Air Inter oder mit anderen Gesellschaften ersetztwerden. Die Klägerinnen haben nämlich nicht nachgewiesen, daß mit dieser Lösungdie Gefahr hätte abgewendet werden können, daß die Air Inter von einemKonkurrenzunternehmen übernommen und dadurch das Funktionieren desZubringerluftverkehrs der Air France beeinträchtigt worden wäre. Was denAbschluß der Vereinbarungen mit anderen Fluggesellschaften angeht, genügt dieFeststellung, daß die Stellung der Air Inter im Wettbewerb auf dem französischenInlandsmarkt im Juli 1994 so stark war, daß von der Air France, die sichumstrukturieren und ihre Rentabilität wiedererlangen wollte, nicht verlangt werdenkonnte, ihre guten Beziehungen zu der Air Inter durch Verträge mit Gesellschaftenzu ersetzen, die auf dem französischen Markt noch über keine mit denjenigen derAir Inter vergleichbaren Infrastrukturen verfügten.

217.
    Zum Vorbringen der Klägerinnen, die Air France könne selbst ihren eigenenZubringerluftverkehr übernehmen, insbesondere im französischen Inlandsnetz, istfestzustellen, daß der Umstrukturierungsplan der Air France eine genutzte Flottevon 146 Flugzeugen vorsieht, ohne diese Flotte speziell diesemZubringerluftverkehr zuzuweisen. Vielmehr sieht dieser Plan eine Steigerung desAngebots der Air France vor allem im Langstreckenverkehr vor, was eineverstärkte Nutzung ihrer Flotte in diesem Bereich voraussetzt. Aus dieser Sicht istdie Bedienung des Inlandsmarktes im wesentlichen Sache der Air Inter, die ihreeigenen Flugzeuge dafür einsetzen muß. Es stand der Kommission aber nicht zu,der Air France aufzugeben, sich auf dem Inlandsmarkt zu konzentrieren, da diesdie Gefahr mit sich gebracht hätte, daß die Air France bei den internationalenFlügen geschwächt worden wäre.

218.
    Was die Beteiligung der Air France am Kapital der Sabena angeht, isteinzuräumen, daß die Air France seinerzeit nur eine Minderheitsbeteiligung(37,5 %) am Kapital der belgischen Gesellschaft hielt. Dies schließt jedoch nichtaus, daß diese Beteiligung ein wichtiges strategisches Element derLuftverkehrstätigkeit der Air France darstellte. Es ist nämlich auf die Entscheidungvom 5. Oktober 1992 (Anlage 24 zu den Erklärungen der Klägerinnen zu den

Beitritten der Streithelfer in der Rechtssache T-371/94) hinzuweisen, in der dieKommission erklärt hat, daß sie keine Einwände gegen das von der Air France, derSabena und dem belgischen Staat unterzeichnete Vereinbarungsprotokoll habe,durch das der Air France über die Firma Finacta eine Beteiligung von 37,58 % amKapital der Sabena (37,5 % der Stimmrechte) eingeräumt wurde.

219.
    In dieser allen Interessierten zugänglichen Entscheidung (siehe die Mitteilung imAmtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 31. Oktober 1992, C 272, S. 5)werden u. a. folgende Punkte erwähnt:

—    Die von der Air France kontrollierte Firma Finacta muß die Ernennung desPräsidenten und des Vizepräsidenten der Sabena genehmigen (Vetorecht)und kann die Entscheidungen des Verwaltungsrats der Sabena, die eineÄnderung der Strategie, des „Business plan“, des Investitionsplans und desPlanes für die gewerbliche Kooperation beinhalten, blockieren;

—    die Präsidenten der Air France und der Sabena werden sich bei erheblichenSchwierigkeiten beim Funktionieren der Organe oder der Durchführung derStrategie abstimmen;

—    die grundlegenden Elemente der zukünftigen Strategie der Sabena sind vonder Air France mitbeschlossen worden.

220.
    In dieser Entscheidung von 1992 qualifizierte die Kommission die Sabena imwesentlichen als gemeinschaftliches Unternehmen, das vom belgischen Staat undvon der Air France zusammen kontrolliert wird, wobei die letztgenannte überRechte, die weit über die normalerweise Minderheitsaktionären zuerkanntenRechte hinausgehen, und über Mittel verfügt, das Verhalten der Sabena auf demMarkt zu kontrollieren. Das Ziel der Vereinbarung besteht nach der Feststellungder Kommission darin, die Zusammenarbeit zwischen der Air France und derSabena weiterzuentwickeln, alle zwischen den beiden Partnern möglichenSynergieeffekte umzusetzen und insbesondere ein innergemeinschaftliches Netz mitdem Flughafen Brüssel—Zaventem als Zentrum zu schaffen.

221.
    In Anbetracht dieser Entscheidung vom 5. Oktober 1992, deren Kenntnis von denBeteiligten erwartet wird, konnte die Kommission daher vernünftigerweiseannehmen, daß verhindert werden mußte, daß die Beteiligung der Air France amKapital der Sabena, die für Air France ein Instrument einer strategischen Allianzdarstellte, mit der Folge aufgegeben würde, daß ein Konkurrenzunternehmen diebis jetzt von der Air France eingenommene bevorzugte Stellung übernehmenkönnte.

222.
    Was die Auffassung des Vereinigten Königreichs angeht, daß diese Beteiligungdurch Kooperationsvereinbarungen hätte ersetzt werden können, genügt dieFeststellung, daß mit dieser Auffassung der besondere Charakter dieser Beteiligung

verkannt wird, durch die der Air France, obwohl es sich um eineMinderheitsbeteiligung handele, eine Befugnis zur Kontrolle des geschäftlichenVerhaltens der Sabena eingeräumt wurde und die daher über den Einflußhinausging, den ein Vertragspartner normalerweise ausüben kann. Das VereinigteKönigreich hat nicht nachgewiesen, daß die Air France eine solche bevorzugteStellung auch ohne die Beteiligung am Kapital der Sabena hätte erlangen können.Die Besonderheit der Allianz zwischen der Air France und der Sabena stehtdarüber hinaus auch einem Vergleich mit dem im März 1994 tatsächlich erfolgtenVerkauf der Beteiligung der Air France am Kapital der tschechischen GesellschaftCSA entgegen.

223.
    Zwar hat die Air France kurz nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung 170Millionen FF als letzte Tranche des Kaufpreises für ihre Beteiligung am Kapital derSabena gezahlt. Nichts läßt jedoch die Annahme zu, daß die streitige Beihilfe dafürbestimmt gewesen oder verwendet worden wäre. Zum einen beruhte diese Zahlung,wie die Französische Republik und die Air France vorgetragen haben, aufvertraglichen Verpflichtungen, die 1992, also vor der Genehmigung der Beihilfeentstanden sind (siehe die in den Randnrn. 218 und 219 zitierte Entscheidung derKommission vom 5. Oktober 1992). Wie die französische Regierung vor demGericht ausgeführt hat, sahen diese Verpflichtungen einen Fälligkeitskalender fürdie von der Air France 1992, 1993 und — für die letzte Tranche — zwischen dem 15.und dem 31. Juli 1994 vorzunehmenden Zahlungen vor. Das Bestehen dieserZahlungsverpflichtungen zu Lasten der Air France konnte vernünftigerweise fürsich allein nicht bewirken, daß eine Beihilfe zur Entschuldung und zurUmstrukturierung der Air France, sei es auch nur teilweise, blockiert worden wäre.Zum anderen ging diese Zahlung in Anbetracht des relativ geringen Betrages nichtüber die Grenzen einer normalen Investition hinaus. Die Kommission durftefolglich annehmen, daß sie durch die Mittel aus dem Verkauf von Vermögensteilendurch die Air France und durch die Einnahmen aus dem laufenden Betrieb gedecktsein würde (siehe oben, Randnrn. 140 und 141).

224.
    Außerdem hat sich ergeben, daß die Beteiligung der Air France am Kapital derSabena später für 680 Millionen FF veräußert worden ist (Mitteilung derKommission bezüglich der dritten Tranche der von der Kommission am 27. Juli1994 genehmigten Beihilfe zur Umstrukturierung von Air France (ABl. 1996, C 374,S. 9, 14). Wie die Französische Republik und die Air France vorgetragen haben,ohne daß ihnen in diesem Punkt widersprochen worden wäre, hat die belgischeRegierung, die Hauptaktionärin der Sabena, erst im Oktober 1994 beschlossen, daßeine Rekapitalisierung der Sabena erforderlich sei, was de facto bedeutete, daß dieAir France, die sich dieser Neukapitalisierung nicht anschließen konnte,ausgeschlossen war. Darüber hinaus wurde die Kapitalentflechtung zwischen derAir France und der Sabena erst im Juli 1995 abgeschlossen. Das Gericht stelltdaher fest, daß bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung nichts die Kommissiondarauf hinwies, daß die Air France die Beendigung ihrer Allianz mit der Sabenaund die Veräußerung ihrer Beteiligung ernstlich ins Auge gefaßt hatte. Unterdiesen Umständen brauchte die Kommission aus den von den Klägerinnen

angeführten Gerüchten in der Presse, in denen von einem unmittelbarbevorstehenden Erwerb dieser Beteiligung durch die Swissair die Rede war, nichtzu folgern, daß die Air France ihre Beteiligung am Kapital der Sabena schon imJuli 1994 nicht mehr als ein wichtiges strategisches Element ihrer Tätigkeit imLuftverkehr ansah.

225.
    Außerdem hat die Kommission in ihrer Entscheidung vom 21. Juni 1995 über dieGenehmigung der Zahlung der zweiten Tranche der streitigen Beihilfe ausdrücklichangegeben (Mitteilung veröffentlicht in ABl. C 295, S. 2 und 5), daß die finanziellenAuswirkungen eines Verkaufs dieser Beteiligung im Rahmen ihrer Entscheidungüber die Zahlung der dritten Tranche der Beihilfe berücksichtigt werden würde.Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen, die nach der im vorliegenden Fallangefochtenen Entscheidung ergangen sind, kann im Rahmen des vorliegendenRechtsstreits, der nur die Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 27. Juli 1994betrifft, nicht geprüft werden.

226.
    Was einem eventuellen Verkauf von Amadeus angeht, ist festzustellen, daß dieserVermögensbestandteil das elektronische Reservierungssystem der Air Francedarstellt. Dazu hat die Air France erklärt, sie habe Amadeus alleReservierungsvorgänge für ihre Flugscheine übertragen, sie sei für ihren Vertriebvon diesem System vollständig abhängig und ein solches System sei für dieEntwicklung des Luftverkehrsgeschäfts unbedingt erforderlich, weshalb auch dieMehrheit der Fluggesellschaften darüber verfüge. Das Gericht ist der Ansicht, daßdie Kommission unter diesen Voraussetzungen vernünftigerweise annehmen durfte,daß dieser Vermögensteil der Air France nicht veräußert werden konnte, da er einemit dem Betrieb einer großen Fluggesellschaft eng verbundene Tätigkeit betraf.

227.
    Das gleiche gilt für die Beteiligung der Air France am Kapital der imTourismussektor tätigen Firma Jet Tours. Dabei handelt es sich um einenWirtschaftssektor, der zumindest teilweise mit dem Flugverkehrssektorzusammenhängt. Die Kommission konnte Jet Tours daher als einen Vermögensteilansehen, mit dem sowohl der Air France als auch der Air Charter Touristen alsKundschaft zugeführt werden sollten. Sie durfte folglich zu der Schlußfolgerunggelangen, daß die Air France nicht dazu gezwungen werden sollte, sich von diesemVermögensteil zu trennen.

228.
    Die Klägerinnen können der Kommission auch nicht vorwerfen, daß sie der AirFrance nicht den Verkauf aller ihrer Minderheitsbeteiligungen an anderenFluggesellschaften wie an Tunis Air, Air Mauritius, Royal Air Maroc und AustrianAirlines aufgegeben hat. Da ein solcher Verkauf eher belanglos gewesen wäre,hätte der vollständige Rückzug der Air France aus ihren Kapitalbeteiligungen andiesen Gesellschaften nicht in einem wesentlichen unmittelbaren Zusammenhangmit ihrem Umstrukturierungsplan gestanden.

229.
    Was die Erklärung der Air France in der mündlichen Verhandlung, daß dieVeräußerung anderer in der angefochtenen Entscheidung nicht namentlichbezeichneter Aktiva, wie die Veräußerung des Servair-Konzerns, in ihremUmstrukturierungsplan vorgesehen gewesen sei, und die eventuelle Vertraulichkeitdieser Daten angeht, ist festzustellen, daß der Erlös aus diesen Veräußerungenzwar zur Mitfinanzierung der Durchführung des Umstrukturierungsplans bestimmtwar, aber nicht automatisch von dem Beihilfebetrag in Höhe von 20 Milliarden FFabgezogen werden durfte, der als notwendig angesehen und durch die angefochteneEntscheidung genehmigt war. Selbst die 7 Milliarden FF, die die Air France aus derVeräußerung der Méridien-Kette, eines Gebäudes und von 34 Flugzeugen zuerlösen hoffte, dienten im übrigen nur dazu, die Beihilfe auf 20 Milliarden zubeschränken, und nicht dazu, diesen Betrag zu verringern. Erst bei der Zahlung derzweiten und der dritten Tranche der Beihilfe hat die Kommission sich das Rechtvorbehalten, die gesamte Finanzlage der Air France unter Berücksichtigung derzwischenzeitlich erfolgten Verkäufe von Vermögensteilen in Betracht zu ziehen.Das Gericht ist der Ansicht, daß die in bezug auf diese Verkäufe aufgeworfenenfinanziellen Fragen einschließlich der Frage ihrer Verhältnismäßigkeit und ihrerVertraulichkeit daher nur gemessen an den Entscheidungen über diese zweite unddiese dritte Tranche geprüft werden können. Im vorliegenden Rechtsstreit geht esaber nicht um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen.

230.
    Das Vorbringen der Klägerinnen, die Air France selbst habe in ihrem Jahresberichtfür das Wirtschaftsjahr 1993 eine Reihe ihrer Aktiva als „non core activities“(„nicht zum Kernbereich gehörende Tätigkeiten“) definiert, um dann derenVerkauf zu verlangen, ist tatsächlich nicht begründet. Nur die englischeÜbersetzung dieses Berichts enthält nämlich die Passage, auf die die Klägerinnensich berufen (S. 26 und 27; Anlage 4 zur Klageschrift in der Rechtssache T-371/94),während die französische Fassung von „activités non aériennes“ („nicht zumLuftverkehr gehörende Tätigkeiten“) spricht und somit kein Werturteil über diebetreffenden Aktiva enthält. Da die Air France eine französische Gesellschaft ist,liegt es aber auf der Hand, daß der in französischer Sprache abgefaßteJahresbericht maßgeblich ist.

231.
    Da der Kommission dadurch, daß sie von der Air France nicht verlangt hat, daßdiese die von den Klägerinnen und den zur Unterstützung der Anträge derKlägerinnen dem Verfahren beigetretenen Streithelfer bezeichneten Aktivaverkaufe, keinen offensichtlichen Fehler begangen hat, ist die Rüge zurückzuweisen.

232.
    Nach alledem sind — vorbehaltlich der Feststellungen in den Randnummern 84 bis120 — alle Rügen zurückzuweisen, mit denen eine Verletzung des bei staatlichenBeihilfen geltenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird. Indiesem Umfang sind die Klägerinnen und die dem Verfahren zur Unterstützungder Anträge der Klägerinnen beigetretenen Streithelfer in der Lage gewesen, ihreRechte wahrzunehmen, und hat das Gericht seine richterliche Kontrolle ausübenkönnen. Außer was die Genehmigung des Kaufs von 17 neuen Flugzeugen angeht,entspricht die angefochtene Entscheidung folglich in dieser Hinsicht den

Erfordernissen des Artikels 190 des Vertrages, so daß die Rüge, die Begründungsei unzureichend, zurückzuweisen ist.

Zu der Rüge, die Kommission habe fehlerhaft gehandelt, als sie angenommen habe,daß die Beihilfe zur Förderung der Entwicklung eines bestimmten Wirtschaftszweigsbestimmt sei, ohne die Handelsbedingungen in eine dem gemeinsamen Interessezuwiderlaufenden Weise zu verändern

A — Zu der Rüge, die Kommission habe zu Unrecht eine Beihilfe genehmigt, dienicht der Entwicklung eines bestimmten Wirtschaftszweigs, sondern derjenigeneines einzelnen Unternehmens diene

Vorbringen der Beteiligten

233.
    In ihrer Klageschrift macht die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 geltend, diestreitige Beihilfe komme einem bestimmten Unternehmen zugute und trage nichtzur Entwicklung eines Wirtschaftszweigs bei. Bei der Genehmigung der Beihilfehabe die Kommission dem Überleben der Air France ganz offensichtlich dieausschlaggebende Bedeutung beigemessen, anstatt dieses Ziel und die negativenAuswirkungen der Beihilfe auf die Wettbewerber der Air France sowie auf denLuftverkehrsmarkt der Gemeinschaft gegeneinander abzuwägen.

234.
    Die Kommission hält die Behauptungen der Klägerinnen für offensichtlichunbegründet. In der angefochtenen Entscheidung habe sie unterstrichen, daß siedie Entwicklung eines Sektors in seiner Gesamtheit und nicht nur die Entwicklungdes Empfängers der Beihilfe zu berücksichtigen habe. Anschließend habe sieausführlich erörtert, ob für die Beihilfe die Ausnahmeregelung in Artikel 92 Absatz3 Buchstabe c des Vertrages habe gelten können.

Würdigung durch das Gericht

235.
    Bei einem Unternehmen von der Bedeutung der Air France, einer der drei größteneuropäischen Fluggesellschaften, wird eine wirkliche Umstrukturierung eineFörderung der wirtschaftlichen Entwicklung des europäischen Zivilluftfahrtsektorsbewirken (siehe in diesem Sinne die Schlußanträge des Generalanwalts Van Gervenin der Rechtssache C-305/89, Italien/Kommission, Urteil des Gerichtshofes vom 21.März 1991, Slg. 1991, I-1603, 1616 und 1630, Nr. 17). Der Rüge ist folglich nichtstattzugeben.

236.
    Im übrigen hat die Klägerin in ihrer Erwiderung ausdrücklich bejaht, daß sie nichtbehaupte, daß eine einem einzigen Unternehmen gezahlte Beihilfe als solcherechtswidrig sei, und hat hinzugefügt, daß zahlreiche einzelnen Unternehmengewährte Beihilfen gerechtfertigt seien, weil sie Sektoren in deren Gesamtheitzugute kämen.

237.
    Soweit die Klägerin der Kommission vorwirft, diese habe die Air France in derWeise einseitig begünstigt, daß sie nur die positiven Seiten der Umstrukturierungder Air France berücksichtigt habe, ohne die negativen Seiten in Erwägung zuziehen, werden diese Rügen später im entsprechenden Zusammenhang geprüftwerden.

B — Zur Rüge, die Kommission habe zu Unrecht eine Beihilfe genehmigt, die dieHandelsbedingungen in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weiseverändere

Vorbringen der Beteiligten

238.
    Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Beihilfe verändere die Handelsbedingungenin einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise. Sie diene dazu, dieKosten der Air France künstlich zu senken und verlagere folglich die Belastungdurch die Kostensenkung auf nicht subventionierte Fluggesellschaften. In diesemZusammenhang habe die Kommission in der Rechtssache Frankreich/Kommission(zitiert in Randnr. 79, Randnr. 44) selbst angenommen, daß der Umstand, daß einUnternehmen künstlich am Leben erhalten werde, die Wettbewerbsfähigkeitanderer Hersteller schwäche, die dazu veranlaßt worden seien, ihreUmstrukturierung durchzuführen, ohne eine staatliche Beihilfe zu erhalten. Inseinem Urteil in derselben Rechtssache (Randnr. 50) habe der Gerichtshof dieEntscheidung der Kommission bestätigt, durch die die Genehmigung der staatlichenBeihilfe mit der Begründung abgelehnt worden sei, daß sie dieWettbewerbsfähigkeit anderer Hersteller in der Gemeinschaft geschwächt habe, sodaß diese möglicherweise vom Markt verdrängt würden, obwohl sie bisher Dankder mit eigenen Mitteln finanzierten Umstrukturierung ihre Tätigkeit hättenfortführen können. Die Klägerinnen verweisen außerdem auf die Schlußanträge desGeneralanwalts Slynn in der Rechtssache Deutschland/Kommission (Urteil zitiertin Randnr. 58) und auf das Urteil in der Rechtssache Philip Morris/Kommission(zitiert in Randnr. 79, Randnr. 26), aus dem hervorgehe, daß die Kommission beider Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages denGemeinschaftsrahmen und insbesondere die globale Lage des betreffenden Sektorszu berücksichtigen habe.

239.
    Die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 trägt vor, die angefochtene Entscheidungbestätige, daß die in Frage stehende Beihilfe den Wettbewerb im EWR verfälsche.Sie weist darauf hin, daß sie in den der Kommission im Verwaltungsverfahrenvorgelegten Erklärungen angeregt habe, daß die Kommission eine Untersuchungjedes einzelnen durch die Beihilfe betroffenen geographischen Marktes vornehme,d. h. der einzelnen Strecken, auf denen die betroffenen Luftverkehrsunternehmenin unmittelbarem Wettbewerb stünden. Diese Auffassung werde durch das UrteilFrankreich/Kommission (zitiert in Randnr. 79, Randnr. 50) bekräftigt, in dem derGerichtshof ausgeführt habe, daß die Auswirkung der Beihilfe auf alleWettbewerber des begünstigten Unternehmens zu prüfen sei. Sie — die Klägerin —stehe auf den Strecken London—Nizza, London—Paris und Glasgow—Paris im

Wettbewerb mit der Air France. Dennoch sei die Kommission zu dem Ergebnisgelangt, daß alle negativen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen akzeptabelseien. Dadurch habe die Kommission die Air France, ein Unternehmen, das zumöffentlichen Sektor gehöre, gegenüber der Klägerin, einem selbständigen, zumPrivatsektor gehörenden Unternehmen, begünstigt. Damit habe die Kommissioneine diskriminierende Unterscheidung vorgenommen, die in einer demgemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise zu Wettbewerbsverzerrungen führe(Urteil des Gerichtshofes vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 304/85,Falck/Kommission, Slg. 1987, 871, Randnr. 27).

240.
    In diesem Zusammenhang wirft die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 derKommission darüber hinaus vor, diese habe dadurch gegen Artikel 190 desVertrages verstoßen, daß sie es unterlassen habe, ihre Behauptung, die Beihilfeberühre die Handelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen Interessezuwiderlaufenden Weise, angemessen zu begründen und auf die von der Klägerinim Verwaltungsverfahren vorgelegten Erklärungen stichhaltige Antworten zu geben.Die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 machen außerdem geltend, dieKommission habe die von Dritten vorgelegten Stellungnahmen zu ihrer Mitteilungvom 3. Juni 1994 nicht ernsthaft geprüft. Vor dem Gericht haben sieZahlenbeispiele vorgelegt und die einzelnen Strecken mit den geschätztenMarktanteilen der verschiedenen auf diesen Strecken im Wettbewerb stehendenFluggesellschaften aufgezählt (Nr. 21 und Fußnoten 33 bis 42 der Klageschrift inder Rechtssache T-371/94).

241.
    Die Maersk-Firmen sind gleichfalls der Ansicht, die Kommission hätte derAuswirkung der Beihilfe auf die kleinen und mittleren Fluggesellschaften, die aufden regionalen Routen tätig seien, größere Aufmerksamkeit widmen müssen. Siewerfen der Kommission damit vor, es unterlassen zu haben, die negativeAuswirkung der streitigen Beihilfe auf den Wettbewerb bei den regionalenFlugverkehrsdiensten zu untersuchen. In diesem Zusammenhang tragen sie vor, siebedienten die Strecke Lyon—Birmingham und wollten ab 16. Oktober 1995 dieStrecke Billund—Paris (CDG) bedienen. Die Auswirkungen einer staatlichenBeihilfe zeigten sich nicht nur auf dem beschränkten Markt, auf dem dasbegünstigte Verkehrsunternehmen tätig sei und der nach Routen zwischeneinzelnen Städten definiert werde, sondern auch auf einem größerenLuftverkehrsmarkt und auf mittelbar miteinander im Wettbewerb stehendenRouten.

242.
    Die mittelbaren Wirkungen der angefochtenen Entscheidung auf kleineVerkehrsunternehmen, die entweder Nebenstrecken zu den Hauptzentrenbetrieben, von denen aus die großen Verkehrsunternehmen operierten, odermittelbar im Wettbewerb stehende Routen, würden durch die von der FirmaMaersk betriebene Route zwischen Birmingham und Lyon veranschaulicht. DieseRoute konkurriere mittelbar mit der Route zwischen London (Heathrow)—Paris undmit der Route Birmingham—Paris und stehe unter dem Druck der Konkurrenz

dieser beiden Routen. Der Auslastungsgrad der Air France auf der StreckeBirmingham—Paris habe aber nach den Zahlen für das Jahr 1992 nur 32 %betragen, verglichen mit den 61 % ihrer Wettbewerber. Effizient geleiteteFluggesellschaften könnten dazu gezwungen sein, bestimmte Routen aufzugeben,ja sogar daran gehindert sein, neue zu entwickeln, wenn das Vorhandensein eineraus öffentlichen Mittel subventionierten Gesellschaft zu einer Verringerung ihrerRenditen führe.

243.
    Die Kommission habe die Auswirkungen der streitigen Beihilfe auf den potentiellenWettbewerb im Luftverkehrssektor nicht ausreichend untersucht. Diese Feststellungwerde durch die Strecke Kopenhagen—Paris veranschaulicht, auf der derAuslastungsgrad der Air France nach den Zahlen für das Jahr 1992 nur 49 % —gegenüber 61 % bei den Konkurrenzunternehmen — erreicht habe. Auch wenn dieAuswirkung auf den potentiellen Wettbewerb sich nicht im vollen Umfang messenlasse, werde sie doch dadurch belegt, daß die Firma Maersk bei Erlaß derangefochtenen Entscheidung beschlossen habe, ihre Pläne, eine Verbindungzwischen Billund und Paris (CDG) einzurichten, zurückzustellen.

244.
    Das Königreich Schweden vertritt ebenfalls die Ansicht, die streitige Beihilfeverstärke den Druck auf die konkurrierenden Regionalgesellschaften, was sie dazuveranlassen könne, ihre peripheren Routen aufzugeben. Die Stellung dieserGesellschaften könne selbst durch — global gesehen — beschränkte Maßnahmeneines der größten auf dem Markt tätigen Unternehmen stark beeinträchtigt werden,während die anderen großen Gesellschaften nicht im gleichen Ausmaß berührtwürden.

245.
    In der mündlichen Verhandlung haben die schwedische und die norwegischeRegierung vorgetragen, die skandinavischen Fluggesellschaften, die auf den Routenzwischen Frankreich und den größten Städten Skandinaviens im Wettbewerb mitder Air France stünden, hätten auch inländische Routen, die aufgrund einer äußerstniedrigen Bevölkerungsdichte unter einer schwachen Auslastung litten, die aber imInteresse der wirtschaftlichen Entwicklung der Randgebiete notwendig seien. DieseVerbindungen seien äußerst empfindlich gegenüber Wettbewerbsverzerrungendurch staatliche Beihilfen, die einem großen Wettbewerber wie der Air Francegewährt würden. Die großen Gesellschaften hätten nur selten Interesse anperipheren Routen. Wettbewerbsverzerrungen auf Routen mit starkem Verkehrkönnten daher zu einer Verschlechterung oder zum Wegfall derVerkehrsbedienung der Randgebiete führen. Dies sei von Nachteil für dasgemeinsame Interesse daran, ausreichende Flugverbindungen auch an derPeripherie des EWR zu gewährleisten.

246.
    Die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 trägt vor, nichts in der angefochtenenEntscheidung beweise, daß die Kommission ihre Verpflichtung erfüllt habe, dasInteresse daran, das Überleben der Air France zu garantieren, und die negativenAuswirkungen auf den Wettbewerb, die die Zuführung des exorbitanten Betragesvon 20 Milliarden FF als Beihilfe unweigerlich haben müsse, gegeneinander

abzuwägen. Die Kommission habe niemals erklärt, weshalb sie der Auffassung sei,daß die günstigen Auswirkungen ausreichten, um die negativen Auswirkungen desUmstrukturierungsplans auszugleichen, sondern habe sich auf die bloßeUntersuchung der günstigen Auswirkungen der Beihilfe für ihren Empfängerbeschränkt.

247.
    Die Air France habe in den letzten Jahren erhebliche Verluste angehäuft, und zwartrotz der von der Kommission genehmigten Kapitalzuführung in Höhe von 5,8Millarden FF. Angesichts der andauernden und wachsenden Verluste der AirFrance hätte die Kommission nachträglich bemerken müssen, daß ihre seinerzeitauf Angaben der Air France gestützten Untersuchungen grundlegend mangelhaftgewesen seien. Anders als die Air France hätten ihre meisten Wettbewerber, nichtsubventionierte und selbständige Fluggesellschaften, rigorose Maßnahmen zurKostensenkung und Umstrukturierung ergreifen müssen, um sich einemkommerziellen Umfeld anpassen zu können, das sich innerhalb des liberalisiertenMarktes schnell weiterentwickle. Diese für ihr Überleben notwendigen Maßnahmenhätten nur aufgrund erheblicher Personalkürzungen, der Aufgabe nicht rentablerRouten, der Stornierung von Bestellungen neuer Flugzeuge, der Rücknahme vonInvestitionen in andere Fluggesellschaften und des Verkaufs von nicht zumKernbereich gehörenden Vermögensteilen durchgeführt werden können. ZumBeispiel habe sie, die Klägerin, bedeutende Kampagnen zur Kostensenkung inGang gesetzt, zu der u. a. die Streichung von Stellen und die Aufgabe von nichtrentablen Routen einschließlich der zwischen Edinburgh und Paris gehörten, diedie Air France weiter betreibe.

248.
    Das Königreich Dänemark und das Vereinigte Königreich fügen hinzu, dieKommission hätte einen Vergleich zwischen der Air France und anderenGesellschaften durchführen müssen, die eine Umstrukturierung mit oder ohnestaatliche Beihilfe durchgeführt hätten. Nur so hätte sich die Kommission eineVorstellung vom Markt und den auf diesem Markt tätigen Gesellschaften machenkönnen, was eine Vorbedingung dafür darstelle, daß sie ihr Ermessen richtigausüben könne. Die Erfahrung, die einige mit der Air France im Wettbewerbstehende Gesellschaften gemacht hätten, zeige, was man tun könne, um dieLebensfähigkeit einer großen internationalen Fluggesellschaft ohne staatlicheBeihilfen wiederherzustellen. So habe die British Airways die Bedienung von 16internationalen Strecken eingestellt, eine große Zahl von Flugzeugen verkauft undin den 80er Jahren 13 500 Arbeitsplätze gestrichen. Bei der Lufthansa habe dieUmstrukturierung seit 1992 einen Rückgang der Beschäftigtenzahl um 17 %erforderlich gemacht.

249.
    Die Klägerin, das Königreich Dänemark und das Vereinigte Königreich vertretendie Ansicht, die 16 Bedingungen, von denen die Kommission die Genehmigung derBeihilfe abhängig gemacht habe, seien wirkungslos und könnten daher nichtverhindern, daß die Beihilfe in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufendenWeise verhängnisvolle Auswirkungen auf die Handelsbedingungen habe. Die

Wirkung der Bedingungen sei auf die Laufzeit des Umstrukturierungsplansbeschränkt, d. h. sie würden Ende 1996 unwirksam, während die Beihilfe überdiesen Zeitpunkt hinaus weiter Auswirkungen auf die Air France und auf denLuftverkehrsmarkt haben werde. Der Fehler, der durch die Beschränkung derAnwendung der Bedingungen auf die Laufzeit des Plans begangen worden sei,werde durch die geplante Fusion der europäischen Aktivitäten der Air France mitdenjenigen der Air Inter Anfang 1997 veranschaulicht. Daß die Kommissionderartige von der französischen Regierung einzuhaltende Bedingungen festgelegthabe, statt den Umstrukturierungsplan einer ins einzelne gehenden Prüfung zuunterziehen, stehe im Widerspruch zu den für das Ermessen der Kommission aufdiesem Gebiet geltenden Regeln. Die Kommission dürfe sich der nachGemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Beurteilung nicht dadurch entziehen, daß siestatt dessen eine Reihe von Bedingungen aufstelle.

250.
    Die Klägerinnen und die zur Unterstützung ihrer Anträge dem Verfahrenbeigetretenen Streithelfer unterstreichen insbesondere die für die Air Francebestehende Möglichkeit, die aufgrund der angefochtenen Entscheidung für denfranzösischen Staat geltenden Bedingungen für die Genehmigung zu umgehen. Sokönne die Holdinggesellschaft, die die Air France und Air Inter kontrolliere, es derdiesen Bedingungen nicht unterworfenen Air Inter ermöglichen, Maßnahmen zuergreifen, die der Air France verboten seien. Werde die angefochtene Entscheidungnicht für nichtig erklärt, so sei jeder Adressat einer staatlichen Beihilfe in der Lage,Tochtergesellschaften oder Schwestergesellschaften zu gründen, um sich denBedingungen für die Genehmigung entziehen und auf dem Markt weiterunbeschränkt tätig sein zu können.

251.
    Die Kommission vertritt die Ansicht, die Klägerinnen würfen zu Unrecht dieBeihilfen, die den Wettbewerb verfälschten und den Handel zwischenMitgliedstaaten beeinträchtigten, im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertragesmit den Beihilfen, die die Handelsbedingungen in einer dem gemeinsamenInteresse zuwiderlaufenden Weise veränderten, im Sinne von Artikel 92 Absatz 3Buchstabe c in einen Topf. Die Kommission habe niemals angenommen, daß diestreitige Beihilfe den Wettbewerb nicht verfälsche oder den Handel nichtbeeinträchtige. Eine solche Beihilfe stelle jedoch nicht notwendigerweise eineBeihilfe dar, die die Handelsbedingungen in eine dem gemeinsamen Interessezuwiderlaufenden Weise verändere. Die Klägerinnen gingen von dem Grundsatzaus, daß jede Anstrengung, die die Air France unternehme, um zu überleben, ihrenWettbewerbern schaden werde. Diese Auffassung sei aber bei richtiger Auslegungdes Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages und des Artikels 61 Absatz 3Buchstabe c des EWR-Abkommens nicht haltbar.

252.
    In der Rechtssache Frankreich/Kommission (zitiert in Randnr. 79) habe dieKommission angenommen, daß die genehmigte Beihilfe eine Rettungsmaßnahmesei, die noch dazu den für diese Beihilfeart festgelegten Kriterien nicht entspreche.Die streitige Beihilfe sei keine Rettungsmaßnahme, sondern sei tatsächlich miteinem Umstrukturierungsplan verknüpft. Der Standpunkt, den die Kommission in

jener Rechtssache eingenommen habe, sei daher mit ihrem Standpunkt imvorliegenden Fall keineswegs unvereinbar.

253.
    Die Passage in den Schlußanträgen des Generalanwalts Slynn in der RechtssacheKommission/Deutschland (zitiert in Randnr. 58) habe sich auf die Frage bezogen,ob die streitige Beihilfe als eine Beihilfe zur Förderung der Entwicklung gewisserWirtschaftszweige angesehen werden könne und nicht ob sie dieHandelsbedingungen in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weiseverändere. Der Auszug aus dem Urteil in der Rechtssache PhilipMorris/Kommission (zitiert in Randnr. 79) habe sich ebenfalls auf die ersteVoraussetzung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages und nicht aufdie nachteiligen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen bezogen.

254.
    Die Kommission habe geprüft, ob die Beihilfe als im Sinne der Artikel 92 Absatz3 Buchstabe c des Vertrages und 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommensals mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des Abkommensvereinbar habe angesehen werden können. Aus den in ihrer Entscheidungangegebenen Gründen habe sie zu dem Ergebnis kommen können, daß die Beihilfeunter die vorgesehene Ausnahmeregelung fallen könne und daß sie mit demGemeinsamen Markt vereinbar sei, sofern bestimmte Zusagen eingehalten wurdenund bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien. Sie habe in der angefochtenenEntscheidung erklärt, daß sie bei der Untersuchung der Auswirkungen der Beihilfeim EWR die verstärkte Liberalisierung des Luftverkehrs nach der Verabschiedungdes „dritten Pakets“ berücksichtigt und sich vergewissert habe, daß die negativenAuswirkungen der Beihilfe nicht durch die Nutzung von Exklusivrechten oder eineVorzugsbehandlung für Air France verstärkt würden.

255.
    Die Kommission macht geltend, einige der Zusagen, die sie von der französischenRegierung erhalten habe, seien beispiellos oder von einer Strenge ohnegleichen.Keine andere Regierung habe zugesichert, ein Unternehmen, das eine Beihilfeerhalte, zu privatisieren (Zusicherung Nr. 2), und Beschränkungen der Freiheit derPreisgestaltung seien in der Vergangenheit niemals auferlegt worden (ZusicherungNr. 9). Auch habe nur die Hälfte des Gesamtbetrags der Beihilfe sofort ausgezahltwerden können, da die Zahlung des Restbetrags in zwei Tranchen von derEinhaltung einer Reihe von Bedingungen und der Genehmigung durch dieKommission abhängig gemacht worden sei (Artikel 2 der angefochtenenEntscheidung). Darüber hinaus habe die französische Regierung die Zusicherunggegeben, daß sie der Air France keine neuen Zuwendungen oder weitere Beihilfenin welcher Form auch immer gewähren werde (Zusicherung Nr. 5) und daß sie sichin das Management der Air France außer aus Gründen, die mit ihrem Status alsAktionärin in Verbindung stünden, nicht einmischen werde (Zusicherung Nr. 4).

256.
    Soweit die Maersk-Firmen ihr vorwerfen, sie habe die Rolle der kleinen undmittleren Luftverkehrsunternehmen nicht in ihre Untersuchungen einbezogen, trägtdie Kommission vor, ihre Beurteilung habe sich nicht auf die großen europäischen

Gesellschaften beschränkt. Um sich zu vergewissern, daß die Beihilfe dieHandelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufendenWeise veränderten, habe sie insbesondere die Gewißheit erlangen müssen, daß dieBeihilfe nicht zur Preisunterbietung verwendet werde und daß die Kapazität nichtstärker gesteigert werde, als es dem Wachstum des Marktes entsprochen habe. DieSorge darum habe für alle Wettbewerber der Air France und für den europäischenZivilluftfahrtsektor insgesamt gegolten.

257.
    Was das Vorbringen angeht, sie habe die negativen Auswirkungen der Beihilfe aufden Wettbewerb im Regionalluftverkehr nicht untersucht, macht die Kommissiongeltend, die Streithelferinnen brächten nicht den kleinsten Beweis für ihre Rügebei, daß die Beihilfe von der Entwicklung von Flugdiensten nach Regionalflughäfenoder von diesen aus abschrecke. Was die angeblichen Auswirkungen der Beihilfeauf einen größeren als den tatsächlich von der Air France bedienten Markt, aufmittelbar miteinander in Wettbewerb stehende Routen und auf den potentiellenWettbewerb angeht, erklärt die Kommission, die diesbezüglichen Behauptungenseien unbegründet. Sie wisse nicht, was die Verschiebung des Vorhabens derStreithelferinnen Maersk bedeute, eine Verbindung Billund—Paris einzurichten. DasZögern der Streithelferinnen sei wahrscheinlich auf die Aufnahme der VerbindungKopenhagen—Paris durch British Airways im Jahr 1993 zurückzuführen, wo diesesofort einen Marktanteil von 18 % erlangt habe. Generell ist die Kommission derAnsicht, daß die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Würdigung derAuswirkung der Beihilfe auf die Handelsbedingungen den Erfordernissen desArtikels 190 des Vertrages entspreche.

258.
    Die Air France vertritt die Ansicht, alles in der angefochtenen Entscheidung zeige,daß die Auswirkungen der Beihilfe in einem gemeinschaftlichen Rahmen beurteiltworden seien. Die Kommission habe nämlich die Lage und die Entwicklung deseuropäischen Luftverkehrs und die Auswirkungen der Beihilfe auf die Stellung derAir France im Wettbewerb unter Berücksichtigung der gesteigerten Liberalisierungdes Luftverkehrs untersucht. Schließlich bestehe der ganze Zweck der von derfranzösischen Regierung gegebenen Zusicherungen gerade darin, zu verhindern,daß die Beihilfe von der Air France zum Nachteil ihrer Wettbewerber eingesetztwerden könne.

Würdigung durch das Gericht

1.    Zur Begründung

259.
    In Anbetracht der von den Klägerinnen und den zur Unterstützung der Anträgeder Klägerinnen den Verfahren beigetretenen Streithelfern ist erstens zu prüfen,ob die angefochtene Entscheidung, was die Beurteilung der Auswirkungen derBeihilfe auf die mit der Air France im Wettbewerb stehenden Gesellschaften unddie maßgeblichen Flugverbindungen angeht, ohne ausreichende Begründung ist. Indiesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, daß es die Klägerinnen unddie Streithelfer dazu aufgefordert hat, die Erklärungen vorzulegen, die sie

gegenüber der Kommission im Verwaltungsverfahren als Beteiligte im Sinne vonArtikel 93 Absatz 2 des Vertrages abgegeben hatten (siehe oben, Randnr. 33).

260.
    Wie bereits ausgeführt worden ist (Randnrn. 89 bis 96) hat das Gericht daher zuprüfen, ob die Begründung der angefochtenen Entscheidung die Überlegungen derKommission klar und unzweideutig wiedergibt, und zwar insbesondere im Hinblickauf die für die Beurteilung des Beihilfevorhabens in bezug auf seine Wirkungwesentlichen Rügen, die die Beteiligten der Kommission im Verwaltungsverfahrenzur Kenntnis gebracht haben.

261.
    Liest man die gesamten beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen, so ergibt sich,daß einige dieser Beteiligten bei der Kommission insbesondere darauf bestandenhatten, daß diese die Auswirkungen der Beihilfe auf die mit der Air France imWettbewerb stehenden Fluggesellschaften und auf die einzelnen betroffenenFlugrouten beurteilen müsse. Es ist nämlich behauptet worden, daß die Beihilfeden zum Air-France-Konzern gehörenden Gesellschaften ermöglichen werde, ihrebeherrschende Stellung auf dem französischen Inlandsmarkt weiter auszunutzen.Da der im Luftverkehrssektor maßgebliche geographische Markt aus denVerbindungen bestehe, die die Nutzer als substituierbar ansehen, d. h. die Routenvon Stadt zu Stadt, müsse außerdem die Frage der Substituierbarkeit geprüftwerden. Andere wettbewerbsfähige Gesellschaften könnten nämlich die bisher vonder Air France bedienten Routen übernehmen. Darüber hinaus müsse dieKommission ihr Augenmerk auf die Auswirkungen der Beihilfe auf die Lage derkleinen Fluggesellschaften richten, die häufig von einigen speziellen Routenabhingen. Der Umstand, daß ein großes Verkehrsunternehmen wie die Air Franceeine staatliche Beihilfe erhalte, könne das Gleichgewicht im Wettbewerb auf diesenRouten beeinträchtigen.

262.
    Einige der Beteiligten haben die Auswirkungen der streitigen Beihilfe auf denWettbewerb auf den internationalen Routen außerhalb des EWR unterstrichen.Die Air France habe nämlich in den Niederlanden eine aggressive Werbungbetrieben, wobei sie sehr niedrige Tarife für Flüge via Paris u. a. nach Hongkong,Singapur, Jakarta, Tokio, Kapstadt und Johannisburg angeboten habe (KLM,Erklärungen S. 1). Die Air France stehe im Wettbewerb auf 8 der 20internationalen Routen, auf denen der Wettbewerb am heftigsten sei (VereinigtesKönigreich, Erklärungen S. 6). Die anderen Gesellschaften in der Gemeinschaft,die auf außergemeinschaftlichen Routen präsent seien, würden aufgrund dermöglichen Substituierbarkeit berührt, die z. B. zwischen Rom und London beieinem Flug nach New York bestehe. Es bestehe daher eine Wettbewerbssituationauf allen Routen zwischen Europa und Nordamerika zum einen und dem FernenOsten zum anderen. So stehe die British Airways im Wettbewerb mit anderenGesellschaften, was die Flüge Rom—New York und Paris—New York angehe. Fürviele europäische Gesellschaften sei der Inlandsmarkt zu klein. Dieaußergemeinschaftlichen Routen seien daher langfristig für sie lebenswichtig,weshalb viele sich weitgehend auf den Transatlantikverkehr stützten (S. ii, 57 und

58 des Lexecon-Berichts über die Auswirkungen der staatlichen Beihilfe auf denWettbewerb für die europäische Luftverkehrsindustrie, den die British Airways imVerwaltungsverfahren vorgelegt und der Klageschrift der Rechtssache T-371/94 alsAnlage 17 beigefügt hat).

263.
    Was die Kommission angeht, ist daran zu erinnern, daß ihre Dienststellen sich derdurch die Auswirkung der Beihilfe auf die Stellung der Air France im Wettbewerbhervorgerufenen Probleme in dem Maße bewußt waren, daß sie bereits in derMitteilung vom 3. Juni 1994 erklärt hatten, daß sie diese Auswirkungen auf dieinternationalen und die inländischen Routen prüfen müßten, auf denen die AirFrance mit anderen europäischen Verkehrsunternehmen im Wettbewerb stehe, undhinzugefügt hatten, daß der Umstrukturierungsplan der Air France keine Analysedes Streckennetzes und seiner künftigen Entwicklung enthalte (ABl. S. 8).

264.
    Was die angefochtene Entscheidung angeht, ist festzustellen, daß die Kommissionbei der Prüfung, ob die Beihilfe die Handelsbedingungen nicht in einer demgemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise beeinträchtigt, darauf hinweist, daßsie bei Einleitung des Verwaltungsverfahrens erklärt habe, daß sie dieAuswirkungen der Beihilfe auf die Stellung der Air France im Wettbewerb sowohlauf den internationalen Routen als auch auf den Inlandsrouten untersuchen müsse,wo die Air France im Wettbewerb mit anderen europäischen Gesellschaften stehe.Sodann unterstreicht die Kommission, daß die französische Regierung für dieLaufzeit des Umstrukturierungsplans zugesichert habe,

—    die Zahl der Flugzeuge der von der Air France betriebenen Flotte nicht aufmehr als 146 zu erhöhen (Bedingung Nr. 7);

—    das Angebot der Air France auf den Strecken zwischen Frankreich und denanderen Ländern des EWR nicht über das 1993 erreichte Niveau hinaus zusteigern (Bedingung Nr. 8);

—    dafür Sorge zu tragen, daß die Air France keine Praktiken anwende, diedarin bestünden, für ein gleichwertiges Angebot auf Verbindungen innerhalbdes EWR niedrigere Tarife als ihre Konkurrenten anzubieten (BedingungNr. 9);

—    der Air France bei den Verkehrsrechten keine Vorzugsbehandlungeinzuräumen (Bedingung Nr. 10);

—    dafür Sorge zu tragen, daß die Air France zwischen Frankreich und denanderen Ländern des EWR nicht mehr Linienverbindungen betreibe als1993, d. h. 89 Linienverbindungen (Bedingung Nr. 11);

—    das Angebot von Air Charter auf dem Stand von 1993 zu beschränken(Bedingung Nr. 12) (ABl. S. 79, 86, 88 und 89).

265.
    Die Kommission ist der Ansicht, daß diese in Bedingungen für die Genehmigungder Beihilfe umgewandelten Zusicherungen den Spielraum, über den Air Francebei der Kapazität, beim Angebot und bei der Preisfestsetzung verfüge, sehr starkeinschränken, und daß diese Einschränkungen notwendig seien, damit die Beihilfenicht dazu verwendet werden könne, die Schwierigkeiten der Air France auf ihreWettbewerber zu verlagern. Die Zusicherungen hinderten die Air France daran, aufallen von ihr innerhalb des EWR beflogenen Strecken eine aggressive Tarifpolitikzu betreiben (ABl. S. 86).

266.
    Was insbesondere die Auswirkungen der Beihilfe auf dem französischenInlandsmarkt angeht, weist die Kommission noch auf folgendes hin:

—    die französischen Behörden hätten zugesichert, die Regeln für dieAufteilung des Verkehrs auf das Pariser Flughafensystem gemäß derEntscheidung 94/290/EG der Kommission vom 27. April 1994 in einemVerfahren zur Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 (SacheVII/AMA/II/93 — TAT— Paris(Orly)—London, ABl. L 127, S. 22) so zuändern, daß sie nicht mehr diskriminierend seien (Bedingung Nr. 15),

—    die französischen Behörden hätten zugesichert, daß sie dafür Sorge tragenwürden, daß die Umbauarbeiten an dem dem internationalen Verkehrvorbehaltenen Abfertigungsgebäude Orly-Süd und an dem demInlandsverkehr vorbehaltenen Abfertigungsgebäude Orly-West dieWettbewerbsbedingungen nicht zum Nachteil der den Flughafen Orlyanfliegenden Fluggesellschaften beeinträchtigten (Bedingung Nr. 16),

—    sie habe am 27. April 1994 eine Entscheidung erlassen, wonach Frankreichden Luftverkehrsunternehmen der Gemeinschaft spätestens ab 27. Oktober1994 die Ausübung von Verkehrsrechten auf den StreckenParis(Orly)—Toulouse und Paris(Orly)—Marseille genehmigen müsse (ABl.S. 87 und 88).

267.
    Aus dieser Begründung geht hervor, daß die Kommission die Wettbewerbssituationnicht „Strecke für Strecke“ geprüft hat, obwohl eine solche Prüfung von denBeteiligten angeregt und von der Kommission selbst ins Auge gefaßt worden war.Anstatt die Auswirkung der Beihilfe auf die einzelnen von der Air Francebeflogenen Linien im einzelnen zu untersuchen, hat die Kommission sich dafürentschieden, dem französischen Staat die sechzehn in Artikel 1 der angefochtenenEntscheidung wiedergegebenen Bedingungen für die Genehmigung der Beihilfe zustellen. Daraus folgt, daß die Kommission diese Bedingungen als geeignet undausreichend dafür ansieht, sicherzustellen, daß die Auswirkungen der in denAnwendungsbereich der Artikel 92 EG-Vertrag und 61 des EWR-Abkommensfallenden Beihilfe für den Zivilluftfahrtsektor dem gemeinsamen Interesse nichtzuwiderlaufen.

268.
    Es ist festzustellen, daß die Bedingungen in bezug auf die Höchstzahl derFlugzeuge der Air France (Nr. 7), das Verbot, der Air France bei denVerkehrsrechten eine Vorzugsbehandlung einzuräumen (Nr. 10) und dieBegrenzung des Angebots der Air Charter (Nr. 12), deren Geltung keinengeographischen Grenzen unterliegt, auf jeden Fall das Gebiet des EWR erfassen.Was die Bedingungen in bezug auf den Umfang des Angebots der Air France (Nr.8), die Tarifierungspraktiken der Air France (Nr. 9), die Höchstzahl derLinienverbindungen (Nr. 11), die Regeln für die Aufteilung des Verkehrs auf dasPariser Flughafensystem (Nr. 15) und den Umbau der beiden Abfertigungsgebäudein Orly (Nr. 16) angeht, so betreffen sie spezifisch den geographischen Marktinnerhalb des EWR einschließlich des französischen Inlandsmarkts. DieKommission stellt ausdrücklich fest, daß diese Bedingungen den Spielraum der AirFrance einschränkten und sie daran hinderten, „auf den von ihr innerhalb desEWR beflogenen Strecken“ eine aggressive Preispolitik zu betreiben (ABl. L 86).

269.
    Was die Begründung angeht, zeigt die Art und Weise, in der die Problematikbehandelt wird, nach Ansicht des Gerichts, daß die Kommission sich tatsächlich mitder Wettbewerbssituation innerhalb des EWR befaßt hat, wobei die Frage, ob dieoben genannten Bedingungen für die Genehmigung wirklich ausreichend und dafürgeeignet sind, zur Prüfung der Begründetheit gehört. Auch wenn diese Begründungden Erklärungen der Beteiligten nicht folgt, die einer Prüfung „Strecke für Strecke“vorgeschlagen hatten, zeigt sie doch klar, daß die Kommission es für zweckmäßiggehalten hat, eine solche Prüfung durch den Mechanismus der sechzehn demfranzösischen Staat gestellten Bedingungen für die Genehmigung zu ersetzen. Diesermöglicht den Beteiligten, die Reaktion der Kommission auf ihre Erklärungenfestzustellen, zu prüfen, ob die von der Kommission gewählte Betrachtungsweisebegründet ist, und ihre Interessen vor dem Gemeinschaftsgericht in der Weise zuvertreten, daß sie geltend machen, daß der Mechanismus der sechzehnBedingungen in Anbetracht der innerhalb des EWR herrschendenWettbewerbssituation nicht umfassend und sachgerecht sei.

270.
    Es ist jedoch festzustellen, daß die Begründung der angefochtenen Entscheidungkeinerlei Angaben über die Wettbewerbssituation der Air France außerhalb desEWR enthält. Zum einen fehlt eine Untersuchung des internationalenStreckennetzes der Air France, bei der die Routen berücksichtigt würden, aufdenen die Air France im Wettbewerb mit anderen Fluggesellschaften mit Sitzinnerhalb des EWR steht. Zum andern erstrecken sich die Bedingungen für dieGenehmigung, die den Umfang des Sitzplatzangebots der Air France (Nr. 8), derenTarifierungspraktiken (Nr. 9) und die Höchstzahl der betriebenenLinienverbindungen (Nr. 11) betreffen, nur auf die Verbindungen nach außerhalbdes EWR liegenden Ländern, die die Air France betreibt oder betreiben will, d. h.die Langstreckenflüge, insbesondere die transatlantischen. Aus der Sicht derKommission steht es der — durch die genehmigte Beihilfe finanziell gestärkten — AirFrance daher vollkommen frei, auf den außerhalb des EWR liegendeninternationalen Verbindungen ihre Kapazitäten aufzustocken, die Zahl dieser

Verbindungen zu erhöhen und Tarife anzuwenden, die so niedrig sind, wie sie eswünscht.

271.
    Der Umstrukturierungsplan der Air France sieht aber ausdrücklich den Ausbau derLangstreckenrouten und eine Erhöhung der Frequenzen auf rentablen Streckenvor, und die französischen Behörden haben eine Erweiterung des Angebots der AirFrance im Langstreckenverkehr um 10,2 % angekündigt (ABl. S. 76 und 77).Darüber hinaus hatten die Beteiligten die Kommission erstens auf die Problematikder Definition des maßgeblichen Marktes im Luftverkehr aufmerksam gemacht, derihrer Ansicht nach aus spezifischen Routen besteht, die die Nutzer als austauschbaransähen, zweitens darauf, daß die Air France versucht habe, mit einerWerbekampagne Kundschaft aus den Niederlanden für Flüge zu außerhalb desEWR liegenden Zielen via Paris zu gewinnen, womit die Air France selbst zeige,daß diese Flüge mit Hilfe eines geeigneten Zubringerluftverkehrs weitgehendaustauschbar seien, und drittens auf die entscheidende Bedeutung dieser Flüge aufdas langfristige Überleben zahlreicher europäischer Fluggesellschaften.

272.
    Außerdem hat die Kommission in ihrer Entscheidung vom 5. Oktober 1993 (AirFrance, Sabena, siehe Randnnrn. 218 und 219) den maßgeblichen Markt als denplanmäßigen Luftverkehr definiert, mit dem zwei geographische Zonen verbundenwerden können, d. h. ein Bündel von Flugverbindungen, soweit eineAustauschbarkeit zwischen den Verbindungen besteht, die dieses Bündel bilden,wobei eine solche Austauschbarkeit auf verschiedenen Faktoren wie u. a. der Längeder Verbindungen, der Entfernung zwischen den einzelnen Flughäfen an denEndpunkten der jeweiligen Verbindungen, die das Bündel bilden, oder derFrequenz auf der jeweiligen Verbindung beruht (Nr. 25). Demzufolge ist dieKommission in bezug auf die Verbindung zwischen Europa und demfranzösischsprachigen Schwarzafrika zu dem Ergebnis gelangt, daß der maßgeblicheMarkt als ein Bündel von Verbindungen zwischen allen Abflugpunkten im EWRzum einen und jedem einzelnen Zielort in Afrika zum anderen definiert werdenkönne (Nr. 39).

273.
    Das Gericht ist der Auffassung, daß die Kommission in Anbetracht dieserEntscheidungspraxis und mit Rücksicht auf die diesbezüglichen Erklärungen derBeteiligten verpflichtet war, sich zur Problematik von Flugverbindungen außerhalbdes EWR zu äußern, auf denen die durch die genehmigte Beihilfe begünstigte AirFrance im Wettbewerb mit anderen innerhalb des EWR niedergelassenenGesellschaften stand. Wie der Gerichtshof in seinem Urteil BremerVulkan/Kommission (zitiert in Randnr. 94, Randnrn. 53 und 54) entschieden hat,stellen Angaben über die Lage auf den betreffenden Märkten, insbesondere dieStellung des durch eine Beihilfe begünstigten Unternehmens und diejenige derKonkurrenzunternehmen einen wesentlichen Bestandteil der Begründung einerEntscheidung über die Vereinbarkeit eines Beihilfevorhabens mit demGemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 92 des Vertrages dar. Zwar ist dasgenannte Urteil aufgrund von Artikel 92 Absatz 1 erlassen worden, nach Ansicht

des Gerichts ist eine derartige Begründung aber auch im Rahmen der Artikel 92Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages und 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommens in bezug darauf geboten, ob die Beihilfe die Handelsbedingungen ineiner dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändert.

274.
    Da die Kommission die Bedingungen Nrn. 8, 9 und 11 nicht auf die von der AirFrance beflogenen Routen außerhalb des EWR erstreckt hat, hätte dieKommission — im Rahmen ihrer Untersuchung des maßgeblichen Marktes —ermitteln müssen, ob die z. B. ab Paris, London, Rom, Frankfurt, Kopenhagen,Amsterdam oder Brüssel durchgeführten Flüge außerhalb des EWR untereinanderaustauschbar waren und ob daher bei diesen Flügen eine Wettbewerbssituationzwischen den Fluggesellschaften bestand, deren Verkehrsknotenpunkt in einerdieser Städte liegt.

275.
    Die Wichtigkeit einer solchen Begründung wird durch die nicht bestrittenen Zahlenveranschaulicht, die die Kläger in der Rechtssache T-371/94 vorgelegt haben, umnachzuweisen, daß ein großer Teil der Umsätze und Gewinne der British Airways,der SAS und der KLM auf Routen außerhalb des EWR, insbesondere auf denVerbindungen mit den Vereinigten Staaten, Kanada, Afrika, dem Mittleren Osten,Indien und dem Fernen Osten, erzielt wird (Klageschrift Nr. 212 und Fußnote 282).Wie der Gerichtshof im Urteil Bremer Vulkan/Kommission (zitiert in Randnr. 94,Randnr. 34) entschieden hat, können solche nach dem Erlaß der angefochtenenEntscheidung datierenden Gegebenheiten berücksichtigt werden, um dieBegründungspflicht der Kommission zu veranschaulichen. Auf jeden Fall hatteneinige der Beteiligten gegenüber der Kommission bereits unterstrichen, daß dieaußergemeinschaftlichen, insbesondere die transatlantischen Routen vonentscheidender Bedeutung für das Überleben zahlreicher europäischerFluggesellschaften seien und daß der Wettbewerb auf diesen Routen am heftigstensei.

276.
    Ferner liegt auf der Hand, daß eine Erhöhung der Kapazitäten der Air France undderen Preisführerschaft bei niedrigen Tarifen auf einer bestimmten Route nacheinem Ziel außerhalb des EWR von dem Knotenpunkt der Air France auf demFlughafen Paris (CDG) aus Auswirkungen auf den Zubringerluftverkehr nachdiesem Knotenpunkt haben kann. Wenn nämlich die wirtschaftliche Bedeutung desKnotenpunkts Paris zu Lasten anderer Knotenpunkte innerhalb des EWR zunimmt,wird der Zubringerluftverkehr nach Paris proportional zunehmen, und zwar zumNachteil des Zubringerluftverkehrs nach anderen Knotenpunkten. Das Vorbringender Beteiligten zur Lage der kleinen, oft von einigen spezifischen Routenabhängigen Fluggesellschaften, erscheint daher von wesentlicher Bedeutung, so daßdie Kommission sich auch dazu hätte äußern müssen. Zur Veranschaulichung isthinzuzufügen, daß — wie die British Midland in der mündlichen Verhandlung vordem Gericht vorgetragen hat, ohne daß dies bestritten worden wäre — 30 % ihrerPassagiere Transitpassagiere waren, die zu anderen Zielen auf Langstreckenroutenreisten. Die Kommission durfte folglich die Lage der kleinen imZubringerluftverkehr tätigen Gesellschaften nicht stillschweigend übergehen.

277.
    Die Problematik der Routen nach Zielen außerhalb des EWR und desdiesbezüglichen Zubringerluftverkehrs kann nicht als durch die Bedingung Nr. 7(Beschränkung der Anzahl der Flugzeuge der Air France) in Verbindung mit derBedingung Nr. 9 (Einschränkung der Preisführerschaft der Air France beimZubringerluftverkehr innerhalb des EWR) sowie die Verpflichtung der Air France,die Ziele ihrer Umstrukturierung zu erreichen, gelöst angesehen werden. Wenn esnämlich zutrifft, daß auf den Routen außerhalb des EWR die höchsten Gewinneerzielt werden, wird die Air France alles daran setzen, die größtmögliche Zahl ihrerFlugzeuge auf den ertragreichsten internationalen Routen einzusetzen, ohne inirgendeiner Weise den Erfolg ihrer Umstrukturierung zu gefährden. Was denZubringerluftverkehr angeht, genügt die Feststellung, daß nichts die Air Franceverpflichtet, diesen selbst zu übernehmen, da dieser Verkehr nach demKnotenpunkt Paris von jeder beliebigen von der Air France getrenntenFluggesellschaft wie der Air Inter übernommen werden kann, für die die von derKommission vorgeschriebenen Bedingungen für die Genehmigung nicht gelten(siehe oben, Randnr. 215); die wirtschaftliche Bedeutung der Bedingung Nr. 9erscheint daher, soweit sie den von der Air France innerhalb des EWRübernommenen Zubringerluftverkehr erfaßt, im Verhältnis zu der globalenProblematik der Routen außerhalb des EWR gering.

278.
    Schließlich werden der Air Inter durch die Bedingung Nr. 12 zwar absoluteAngebotsgrenzen vorgeschrieben, die sich daher auch auf die Routen außerhalb desEWR beziehen, die wirtschaftliche Bedeutung der Air Charter mit 17 Flugzeugenist aber gegenüber derjenigen der Air France so minimal, daß diese Bedingung fürsich allein nicht geeignet ist, den Mangel der Begründung in bezug auf die Lage derAir France auf diesen Linien zu kompensieren. Das gleiche gilt für die BedingungNr. 10, durch die den französischen Behörden untersagt wird, der Air France beiden Verkehrsrechten eine Vorzugsbehandlung einzuräumen. Zwar erstreckt sichdiese Bedingung auch auf die Rechte in bezug auf Routen außerhalb des EWR, siekann aber nur Fluggesellschaften zugute kommen, die diese Rechte nutzen können.Dabei handelt es sich im wesentlichen um Gesellschaften aus Drittländern undfranzösische Gesellschaften wie Air France, Air Inter, Air Charter, Air Liberté,Corsair, AOM, TAT und Euralair, soweit sie diese Routen von und nachFrankreich bedienen wollen. Dagegen profitieren die europäischen Gesellschaften,die die Routen außerhalb des EWR im Wettbewerb mit der Air France imwesentlichen von ihren eigenen außerhalb Frankreichs gelegenen Knotenpunktenaus bedienen, von der Bedingung Nr. 10 nur in unbedeutendem Ausmaß.

279.
    Die Kommission sowie die Streithelferinnen, die Air France und die FranzösischeRepublik, haben im Rahmen des vorliegenden Verfahrens geltend gemacht, dieVerkehrsrechte auf den Verbindungen außerhalb des EWR, insbesondere denTransatlantikrouten, seien in bilateralen Abkommen geregelt und eineBeschränkung in bezug auf die Tarifierung, die Kapazität und die Zahl der Routensei für die Air France in der Weise nachteilig gewesen, daß sie derenWettbewerbsfähigkeit verringert habe. Eine solche Beschränkung sei nur für

Gesellschaften außerhalb des EWR von Vorteil gewesen und sei daher demgemeinsamen Interesse offensichtlich zuwidergelaufen. Es ist jedoch festzustellen,daß diese von den Bevollmächtigten der Kommission und der Streithelfer vor demGericht dargelegte Argumentation sich nicht in der angefochtenen Entscheidungfindet. Dieses Vorbringen ist folglich nicht durch das Kollegialitätsprinzip gedecktund ihm ist daher nicht zu folgen. Es kann demzufolge dem Begründungsmangel,an dem die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt leidet, nicht abhelfen(siehe oben, Randnrn. 116 bis 118).

280.
    Nach alledem entspricht die Begründung der angefochtenen Entscheidung, was dieBewertung der Auswirkungen der Beihilfe auf die Wettbewerbsstellung der AirFrance hinsichtlich ihres Streckennetzes außerhalb des EWR und desdiesbezüglichen Zubringerluftverkehrs angeht, nicht den Erfordernissen des Artikels190 des Vertrages. Infolge dieses Begründungsmangels kann das Gericht nichtprüfen, ob das Vorbringen zu diesen Punkten begründet ist (siehe oben, Randnrn.238 ff.). Darüber hinaus ist das Gericht nicht in der Lage, sich zu dem Vorbringenzu den Tarifpraktiken der Air France auf deren Streckennetz außerhalb des EWR,die als operative Maßnahmen angeblich durch die Beihilfe finanziert werden, zuäußern (siehe oben, Randnrn. 142 und 143).

281.
    Dagegen ist das Gericht in der Lage, zu prüfen, ob die Beurteilung derAuswirkungen der Beihilfe auf die Wettbewerbsstellung der Air France innerhalbdes EWR den Sachrügen standhält, die die Klägerinnen und die zur Unterstützungder Anträge der Klägerinnen dem Verfahren beigetretenen Streithelfer erhobenhaben.

2.    Zur Begründetheit

282.
    Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die wirtschaftlichen Wertungen bei derAnwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages, in bezug auf diedie Kommission über ein weites Ermessen verfügt, auf die Gemeinschaft als Ganzeszu beziehen sind (Urteil Philip Morris/Kommission, zitiert in Randnr. 79,Randnr. 24), was bedeutet, daß die Kommission verpflichtet ist, die Auswirkungeiner Beihilfe auf den Wettbewerb und den innergemeinschaftlichen Handel zuprüfen (Urteil des Gerichts vom 6. Juli 1995 in den verbundenen RechtssachenT-447/93, T-448/93 und T-449/93, AITEC u. a./Kommission, Slg. 1995, II-1971,Randnr. 136). Da die angefochtene Entscheidung im vorliegenden Fall auch auf derGrundlage des Artikels 61 des EWR-Abkommens erlassen worden ist, ist der indem obenstehenden Urteil festgelegte Prüfungsrahmen auf den EuropäischenWirtschaftsraum auszudehnen.

283.
    Außerdem hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 25. Juni 1970 in derRechtssache 47/69 (Frankreich/Kommission, Slg. 1970, 487, Randnr. 7) entschieden,daß es bei der Entscheidung, ob eine Beihilfe die Handelsbedingungen in einerdem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändert, notwendig ist,insbesondere zu prüfen, ob nicht ein Ungleichgewicht zwischen den von den

betroffenen Unternehmen zu tragenden Lasten einerseits und den sich aus derBeihilfe ergebenden Vorteilen andererseits besteht. Es ist folglich Sache derKommission, im Rahmen ihrer Prüfung der Auswirkung einer staatlichen Beihilfedie positiven Auswirkungen der Beihilfe und ihre negativen Auswirkungen auf dieHandelsbedingungen und die Aufrechterhaltung eines Systems unverfälschtenWettbewerbs gegeneinander abzuwägen, wie die Kommission im übrigen selbst inihrem Vierzehnten Bericht über die Wettbewerbspolitik (1984, S. 147, Nr. 202)festgestellt hat.

284.
    Was die Frage angeht, ob die Kommission im vorliegenden Fall eine solcheAbwägung vorgenommen hat, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß in derangefochtenen Entscheidung eine historische Übersicht über die verschiedenenUmstrukturierungspläne gegeben wird, die die Air France seit 1991 zur Bewältigungihrer Finanzprobleme verabschiedet hat: den CAP'93, in dessen Rahmen der AirFrance 5,8 Milliarden FF gewährt wurden, den PRE 1 und den PRE 2 (ABl. S. 74).Die Kommission hat also die Vorgeschichte des streitigen Planes und insbesonderedie bereits als Beihilfe gezahlten 5,8 Milliarden berücksichtigt, als sie die positivenund die negativen Auswirkungen der Beihilfe, die Gegenstand der vorliegendenRechtsstreitigkeiten ist, bewertet hat.

285.
    Die Kommission hat dadurch, daß sie feststellt, daß die französische RegierungMehrheitsaktionär der Air France sei (ABl. S. 76), und daß sie die französischenBehörden zur Einleitung des Privatisierungsprozesses verpflichtet (Artikel 1 Nr. 2der angefochtenen Entscheidung, ABl. S. 88), auch berücksichtigt, daß die AirFrance zum öffentlichen Sektor gehört. Daß die Kommission eine einemöffentlichen Unternehmen gezahlte Beihilfe genehmigt, bedeutet als solches abernoch nicht, daß die mit der Beihilfeempfängerin im Wettbewerb stehendenPrivatunternehmen diskriminierend behandelt werden. Wie aus dem UrteilItalien/Kommission (zitiert in Randnr. 125, Randnr. 19) hervorgeht, hat dieKommission nämlich auch bei staatlichen Beihilfen den Grundsatz derGleichbehandlung von öffentlichen und privaten Unternehmen zu beachten. DieKommission konnte daher die streitige staatliche Beihilfe genehmigen, ohne damitdie privaten Wettbewerber der Air France diskriminierend zu behandeln,vorausgesetzt, daß die Beihilfe die Handelsbedingungen nicht in einer demgemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändert.

286.
    Die Kommission war auch nicht verpflichtet, in dem hier bestehendenZusammenhang die von der Air France geplanten Umstrukturierungsmaßnahmenmit den von anderen Fluggesellschaften beschlossenen zu vergleichen und erst rechtnicht dazu, zu verlangen, daß die Umstrukturierung der Air France sich nachderjenigen einer anderen Gesellschaft richten solle (siehe bereits oben,Randnrn. 135 und 211). Ob Maßnahmen zur Umstrukturierung einesUnternehmens geeignet sind, hängt nämlich von dessen Lage im Einzelfall sowievon dem wirtschaftlichen und politischen Rahmen ab, in dem die betreffendenMaßnahmen getroffen werden. Im vorliegenden Fall hat die Kommission bei Erlaß

der angefochtenen Entscheidung im Juli 1994 einen gewissen wirtschaftlichenAufschwung im Sektor der europäischen Zivilluftfahrt, die Entwicklung rechtgünstiger Aussichten für diesen Sektor und das Fehlen einer durch Überkapazitätengekennzeichneten strukturellen Krise festgestellt (ABl. S. 81 und 82). DieseGegebenheiten konnten rechtfertigen, daß die von der Air France geplanten undvon der Kommission gebilligten Umstrukturierungsmaßnahmen wenigereinschneidend als die Maßnahmen waren, die von anderen Gesellschaften imHinblick auf deren spezifische Lage und den spezifischen Zusammenhangdurchgeführt worden waren.

287.
    Wie bereits festgestellt worden ist (vgl. Randnr. 267), hat die Kommission es zwarunterlassen, bei ihrer Untersuchung der Auswirkung der Beihilfe auf denWettbewerb und den Handel innerhalb des EWR die Wettbewerbssituation„Strecke für Strecke“ zu prüfen, und hat daher nicht in bezug auf jede einzelne vonder Air France tatsächlich oder potentiell bediente Verbindung die Bedingungeneines unmittelbaren oder mittelbaren Wettbewerbs mit anderen Fluggesellschaftengestellt, sie hat jedoch dem französischen Staat eine Reihe von Bedingungenauferlegt, durch die der Handlungsspielraum der Air France, insbesondere bei derKapazität, dem Sitzplatzangebot und der Festsetzung der Tarife, beschränkt werdensoll (siehe oben, Randnrn. 264 bis 268).

288.
    Nach Ansicht des Gerichts liegt diese Grundsatzentscheidung im Rahmen desErmessens, über das die Kommission auf diesem Gebiet verfügt. Zum einen ist dieKommission grundsätzlich befugt, eine Entscheidung, durch die eine Beihilfe gemäßArtikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages genehmigt wird, an Bedingungenzu knüpfen, durch die sichergestellt werden soll, daß die genehmigte Beihilfe dieHandelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufendenWeise verändert (Urteil des Gerichts vom 13. September 1995 in den verbundenenRechtssachen T-244/93 und T-486/93, TWD/Kommission, Slg. 1995, II-2265,Randnr. 55). Zum andern ist die Air France, eine der drei großen europäischenFluggesellschaften, innerhalb des gesamten EWR tätig. Die Kommission durftedaher annehmen, daß die Auswirkungen der Beihilfe nicht im Verhältnis zu dieseroder jener einzelnen Verbindung oder spezifischen Region zu beurteilen waren,sondern im Verhältnis zum gesamten EWR. Es erscheint nicht fehlerhaft, zudiesem Zweck das gesamte Tätigkeitsfeld der Air France mit einem Netz vonVerpflichtungen zu überziehen, das den Schutz aller gegenwärtigen undpotentiellen Wettbewerber der Air France gegen jegliche aggressive Politikbezweckt, die diese zu verfolgen versucht sein könnte, und zwar um so mehr, alsdie Kommission den Mechanismus der Bedingungen für die Genehmigung dadurchverstärkt hat, daß sie in Artikel 3 Absatz 2 der angefochtenen Entscheidungvorschreibt, daß die Einhaltung dieser Bedingungen durch unabhängigeSachverständige überprüft werden soll.

289.
    Dieser Schlußfolgerung widerspricht auch nicht die Vorgehensweise, die dieKommission u. a. in ihren Entscheidungen Aer Lingus (zitiert in Randnr. 55, ABl.S. 39) und Olympic Airways (zitiert in Randnr. 174, ABl. S. 30 und 35) gewählt hat,

in denen sie tatsächlich eine Bewertung einiger spezifischer von den betroffenenFluggesellschaften bedienter Routen vorgenommen hat. Bei diesen beidenGesellschaften, die im Verhältnis zur Air France von verhältnismäßig bescheidenerGröße sind, kann eine bestimmte Route in ihren Tätigkeiten nämlich vonausschlaggebender Bedeutung sein, was rechtfertigt, daß die Prüfung derAuswirkung einer Beihilfe, die einer dieser Gesellschaften gewährt worden ist, indieser Weise konzentriert wird, während das von der Air France beflogeneStreckennetz innerhalb des EWR einen homogeneren Charakter aufweist.

290.
    Soweit die Wirksamkeit der dem französischen Staat gestellten Bedingungen vordem Gericht bestritten worden ist, und zwar insbesondere im Hinblick auf die fürdie Air France bestehenden Möglichkeiten, diese Bedingungen zu umgehen, istfestzustellen, daß der rechtliche und praktische Nutzen derartiger Bedingnungenfür die Genehmigung darin besteht, daß der betreffende Mitgliedstaat für dieordnungsgemäße Durchführung der Genehmigungsentscheidung Sorge zu tragenund die Kommission zu prüfen hätte, ob die Rückforderung der Beihilfe zuverlangen ist, falls das begünstigte Unternehmen von diesen Bedingungenabweichen sollte (Urteil des Gerichts von 12. Dezember 1996 in der RechtssacheT-380/94, AIUFFASS und AKT/Kommission, Slg. 1996, II-2169, Randnr. 128). Indiesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 4. Februar 1992in der Rechtssache C-294/90 (British Aerospace und Rover/Kommission, Slg. 1992,I-493, Randnr. 11) entschieden, daß die Kommission, wenn der Staat dieBedingungen, von denen die Kommission eine Entscheidung über die Genehmigungeiner Beihilfe abhängig gemacht hat, nicht beachtet, gemäß Artikel 93 Absatz 2Unterabsatz 2 des Vertrages in Abweichung von den Artikeln 169 und 170 desVertrages den Gerichtshof unmittelbar anrufen kann.

291.
    In Anbetracht des Systems, in dem die einer Entscheidung über die Genehmigungeiner Beihilfe zugrunde liegenden Bedingungen ihre Wirkung entfalten, vermag diebloße Behauptung, daß eine der Bedingungen in Zukunft nicht eingehalten werde,die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung nicht in Frage zu stellen (UrteilAIUFFASS und AKT/Kommission, zitiert in Randnr. 290, Randnr. 128). Generellkann die Rechtmäßigkeit einer Gemeinschaftshandlung weder von gegebenenfallsbestehenden Umgehungsmöglichkeiten noch von rückschauenden Betrachtungenüber ihren Wirkungsgrad abhängen (Urteil Schröder, zitiert in Randnr. 81,Randnr. 14).

292.
    Alle Rügen, mit denen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung mitder Begründung in Zweifel gezogen wird, daß die Kontrolle der Beachtung der demfranzösischen Staat auferlegten Bedingungen für die Genehmigung nicht wirksamsei oder daß die Air France Möglichkeiten habe, diese Bedingungen zu umgehen,brauchen daher nicht geprüft zu werden, da sie unerheblich sind. Soweit sich späterherausstellen sollte, daß diese Bedingungen nicht in vollem Umfang beachtetworden sind oder daß es der Air France tatsächlich gelungen ist, sich der Wirkungdieser Bedingungen mißbräuchlich zu entziehen, so hätte die Kommission

gegebenenfalls anläßlich der Zahlung der zweiten und der dritten Tranche derBeihilfe zu prüfen, ob der genehmigte Betrag zu kürzen ist, oder zu entscheiden,ob von der Französischen Republik zu verlangen ist, daß sie die gezahlte Beihilfeganz oder teilweise zurückfordert.

293.
    Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung kann folglich mit den Rügenin Zweifel gezogen werden, die dahin gehen, daß die Bedingungen für dieGenehmigung ihrem Wesen nach offensichtlich ungeeignet und insbesondere ihrerTragweite nach rechtlich unzureichend gewesen seien.

294.
    Das Gericht ist der Ansicht, daß die Kommission entgegen der in diesemZusammenhang von der Klägerin in der Rechtssache T-394/94 erhobenen Rügedurch die Beschränkung der Geltung der Mehrzahl dieser Bedingungen auf dieLaufzeit des Umstrukturierungsplans keinen Fehler begangen hat. Es liegt nämlichauf der Hand, daß die Einschränkungen, die zur Begrenzung der Auswirkungen derBeihilfe vorgeschrieben worden waren, nicht endlos gelten konnten. Unter denUmständen des vorliegenden Falles erscheint es nicht willkürlich, das Ende derGeltungsdauer dieser Bedingungen mit dem Ende der Durchführung desUmstrukturierungsplans zusammenfallen zu lassen.

295.
    Im Lichte der vorstehenden Erwägungen sind sodann die Rügen zu prüfen, die sichgegen einige spezifische Bedingungen für die Genehmigung richten. Diese Prüfungwird letztlich zeigen, ob die Kommission — anstatt die Beihilfe zu genehmigen undihre Entscheidung an mehrere Bedingungen für die Genehmigung zu knüpfen —hätte entscheiden müssen, daß die Beihilfe die Handelsbedingungen in einer demgemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise veränderte.

296.
    Unter diesem Vorbehalt kann die Rüge, die von der Kommission für dieUntersuchung der Auswirkungen der Beihilfe auf das gemeinsame Interessegewählte Methode sei falsch gewesen, nicht durchgreifen.

a) Zur Bedingung Nr. 1

297.
    Durch diese Bedingung werden die französischen Behörden verpflichtet, fürfolgendes Sorge zu tragen:

„Die gesamte Beihilfe kommt ausschließlich Air France zugute. Unter Air Francesind die Compagnie Nationale Air France und alle Gesellschaften, an denen sie mitmehr als 50 % beteiligt ist — mit Ausnahme von Air Inter —, zu verstehen. Umeinen Transfer der Beihilfe an Air Inter auszuschließen, wird bis zum 31. Dezember1994 eine Holding gegründet, die an den Fluggesellschaften Air France und AirInter Mehrheitsbeteiligungen halten wird. Zwischen den Unternehmen desKonzerns finden weder vor noch nach der tatsächlichen Gründung der Holdingfinanzielle Transfers statt, die den Rahmen normaler geschäftlicher Beziehungensprengen. Alle Dienstleistungen und Übertragungen von Sachwerten zwischen den

Gesellschaften werden daher zu marktüblichen Preisen erfolgen; keinesfalls wirdAir France Air Inter Vorzugstarife einräumen.“

Vorbringen der Klägerinnen

298.
    Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe dadurch, daß sie die Air Internicht in ihre Beurteilung einbezogen habe, einen Fehler begangen, durch den dieBedingungen für die Genehmigung der Beihilfe inhaltlich ausgehöhlt worden seien.Zum Beispiel werde die von der Air France geforderte geringfügige Reduzierungder Kapazität dadurch sehr stark erleichtert, daß die Air Inter unbegrenzteMöglichkeiten besitze, ihre Kapazität zu erhöhen. Die Kommission habe zuUnrecht angenommen, daß die Struktur der geplanten Holding die Air Inter daranhindere, in irgendeiner Weise von der Beihilfe zu profitieren. Die Air Inter und dieAir France stellten eine wirtschaftliche Einheit dar, so daß sie für die Anwendungder gemeinschaftsrechtlichen Regeln für staatliche Beihilfen als ein einzigesUnternehmen zu betrachten seien. Die Änderung des Verhältnisses zwischen derAir France und der Air Inter, bei dem es sich nicht mehr um ein Verhältniszwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft, sondern um ein solcheszwischen zwei von derselben Holding kontrollierte Gesellschaften handele, änderenichts an dieser Schlußfolgerung. Gleichzeitig sei ein Wettbewerb zwischen der AirFrance und der Air Inter undenkbar, da sie die gleichen wirtschaftlichen Interessenhätten.

299.
    In diesem Zusammenhang stellen die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 —gestützt auf im August und im September 1994 in der Presse erschienene Artikel— fest, daß Präsident der Holding Christian Blanc sein werde, der seinen Posten alsPräsident der Air France behalten werde; 14 weitere Direktoren würden aus demKreis der Direktoren und Angestellten der Air France und der Air Interausgewählt. der Präsident der Air Inter werde auch dem Verwaltungsrat derHolding angehören und sei im übrigen zum Präsidenten des neuen Zentrums derAir France für dessen europäische Tätigkeiten, dem „Centre de Résultat Europe“,ernannt worden. Die Air Inter werde mit dem „Centre de Résultat Europe“ derAir France unmittelbar nach dem Ende der Laufzeit des Umstrukturierungsplans,d. h. am 1. Januar 1997, fusionieren. In der Zwischenzeit habe die Air Inter damitbegonnen, einige europäische Routen der Air France an deren Stelle zu betreiben.Im übrigen hielten die Air France und die Air Inter Anteile an denselbenUnternehmen und hätten ihre Zusammenarbeit auf mehreren Gebieten verstärkt.Darüber hinaus habe die Kommission selbst die Air Inter als einen zumKernbereich der Air France gehörenden Vermögensbestandteil bezeichnet, dernicht habe veräußert werden können.

300.
    Aufgrund der Tatsache, daß die Air Inter zu demselben Konzern wie die AirFrance gehöre sowie aufgrund der Erklärung, daß die Air Inter mit der Air Francefusionieren werde, könne die Air Inter auf die Beihilfe „rechnen“. Dadurch könnedie Air Inter den Banken die Gewißheit geben, daß ihre Finanzierung mit

verhältnismäßig geringen Risiken verbunden sei und daß ihre Verpflichtungen nachder Fusion von der neuen Gesellschaft eingelöst werden würden.

301.
    Soweit die Kommission in der angefochtenen Entscheidung vorgeschrieben habe,daß zwischen den beiden Gesellschaften des Konzerns nur normale geschäftlicheBeziehungen bestehen dürften, könne diese Bedingung die Air Inter nicht daranhindern, von der streitigen Beihilfe zu profitieren. Es gebe nämlich zahlreicheFormen, in der zwei Gesellschaften desselben Konzerns — insbesondere wenn siegemeinsame Tätigkeiten und Tochtergesellschaften hätten — Güter undDienstleistungen zu Bedingungen austauschen könnten, die keinen Bezug zu denmarktüblichen Bedingungen hätten, ohne daß irgendeine Möglichkeit bestehe, dieszu überprüfen.

302.
    In diesem Zusammenhang biete das französische Steuerrecht, insbesondere diesteuerliche Theorie vom „acte anormal de gestion“ („ungewöhnlicheGeschäftsführungshandlung“), die sich auf die von den Gewinnen innerhalb einesKonzerns absetzbaren Aufwendungen beziehe, kein Mittel, um zu überprüfen, obdie Air Inter weder unmittelbar noch mittelbar von der der Air France gewährtenBeihilfe profitieren werde. Unmittelbare Transfers wie die Gewährung finanziellerVergünstigungen durch Provisionen oder Vorzugspreise von seiten der Air Francegegenüber der Air Inter im Vorgriff auf die Fusion zwischen den beidenGesellschaften könnten nämlich nicht als ungewöhnlicheGeschäftsführungshandlungen angesehen werden.

303.
    Außerdem sei der Anwendungsbereich der aufgestellten Bedingungen insoweitbeschränkt, als er sich nicht auf die Übertragung von rentablen europäischenStrecken und „Slots“ durch die Air France auf die Air Inter erstrecke.

304.
    Was den Austausch von Slots zwischen der Air France und der Air Inter angehe,so erfolge ein derartiger Austausch zwischen Fluggesellschaften häufig. EinFlughafenslot sei nämlich ein wesentlicher Vermögensbestandteil, der es einerFluggesellschaft ermögliche, eine bestimmte Route zu betreiben. Es bestehe daherein Markt, auf dem die Slots ausgetauscht würden. Es gebe jedoch keinen„Marktpreis“. Die zu demselben Konzern gehörenden Fluggesellschaften könntenSlots austauschen, um eine Konzernstrategie umzusetzen. Die Strategie des Air-France-Konzerns gehe aber dahin, die Tätigkeit der Air Inter bis zu der für den 1.Januar 1997 vorgesehenen Fusion außerhalb der französischen Grenzen nachEuropa und darüber hinaus auszudehnen. Die Air France könne daher der AirInter sehr wohl einen sehr rentablen Slot in der Zeit der Verkehrsspitze zumBetrieb einer bestimmten Route übertragen. Aus diesem Grund sei die von derKommission vorgeschriebene Bedingung, mit der die Trennung zwischen der AirFrance und der Air Inter aufrechterhalten werden solle, wirkungslos.

305.
    Was die Gesamtheit der Routen angehe, habe die Air Inter dadurch, daß sie vorabvon der Air France erfahren könne, welche Routen diese aufgeben wolle, einenerheblichen Vorteil gegenüber ihren unabhängigen Wettbewerbern. Dadurch könne

die Air Inter nämlich die Übernahme einer bestimmten Route vorbereiten, umdann bereit zu stehen, wenn die Air France öffentlich bekanntgebe, daß sie sichvon der betreffenden Route zurückziehen werde. Außerdem stelle der Umstand,daß die Air Inter die Infrastruktur der Air France in den betreffenden Flughäfenund Ländern nutzen könne, einen weiteren wichtigen Vorteil gegenüberkonkurrierenden Gesellschaften dar, die auf diesen Routen Fuß fassen wollten.

306.
    Aus diesen Gründen könne die Air France ihre Routen tatsächlich an die Air Interübertragen. Diese Feststellung werde durch im September 1994 in der Presseerschienene Artikel veranschaulicht, in denen offizielle Erklärungen der Air Francewiedergegeben seien (Anlage 33 zur Klageschrift). Darüber hinaus sehe eineVereinbarung von 1992 zwischen der Air France und der Air Inter den Übergangdes Flugpersonals der Air France auf die Air Inter für alle europäischen Routenvor, deren Betrieb die Air Inter übernehmen solle. Dabei handele es sich um eineArt von Vereinbarung, die zwei unabhängige Fluggesellschaften im Rahmen desEWR nicht hätten abschließen können.

307.
    Um die von der Air France und der Air Inter verfolgte Konzernstrategie zudemonstrieren, verweisen die Klägerinnen auf den „ABC World Airways Guide“vom Juni 1994, in dem die Flugpläne zahlreicher in der ganzen Welt tätigerFluggesellschaften wiedergegeben sind. Darin seien die Flüge der Air Inter unterdem Code „AF“ zusammengefaßt. Durch die Verwendung des Codes „AF“ könneeine Route, die aus einem Inlandsflug der Air Inter und einem internationalen Flugder Air France bestehe, als ein einziger Flug ohne Zwischenlandung dargestelltwerden, wodurch dieser Flug im elektronischen Reservierungssystem Vorrangerhalte.

308.
    Die Maersk-Gesellschaften fügen hinzu, das spätere Verhalten der Air France undihres Konzerns zeige die Nichtbeachtung der Bedingungen, durch die der Air Interihre kommerzielle und finanzielle Selbständigkeit habe erhalten werden sollen. Beiden Flugnummern der Air Inter werde nämlich der Informatikcode der Air Francezur Koordinierung der elektronischen Reservierungssysteme übernommen; die AirInter nehme den Namen der zukünftigen europäischen Gesellschaft des Konzernsan und biete ihr vereinfachtes Produkt und ihre niedrigen Tarife auf zahlreicheneuropäischen Routen, im wesentlichen von Orly aus, an. Darüber hinaus lasse sichdie von der Air Inter vorgenommene Preissenkung nur dadurch erklären, daß alleVerluste der Air Inter in wenigen Jahren von der Air France übernommen würden;diese werde in der Zwischenzeit die Beihilfe erhalten haben und werde daher, wasdie Übernahme derartiger Verluste angehe, in einer besseren Stellung sein.

309.
    Die Streithelferinnen tragen außerdem vor, die Air France und die Air Inter hättenam 2. Januar 1995 das erste Flugzeug in einem neuen gemeinsamen Regional- undZubringerdienst eingesetzt, der sich „Air France Air Inter Express“ nenne. Nachder eigenen Dokumentation der Air France sei dieses neue gemeinsame VorgehenAusdruck einer gemeinsamen Politik mit Blick auf die Fusion der beiden

Gesellschaften. Daß ein gewisser Grad der Integration der Flotten bereits erreichtsei, zeige nicht nur, daß die Kommission sich geirrt habe, als sie angenommenhabe, daß die Air Inter nicht durch die Beihilfe begünstigt werde, sondern auch,daß die Maßnahmen, mit denen alle Nebenwirkungen dieser Beihilfe hättenausgeschlossen werden sollen, unzureichend seien.

310.
    Im übrigen führten Fluggesellschaften, die eine Umstrukturierung vornähmen,normalerweise Kostensenkungsprogramme im gesamten Konzern ein, um damit zueiner Verringerung der Verluste beizutragen. Die Air France könne dank derstreitigen Beihilfe vermeiden, von der Air Inter einen solchen Beitrag fordern zumüssen. Infolgedessen sei die Air Inter in der Lage, die gegenwärtige Entwicklungihrer Tätigkeiten zu finanzieren, während sie ohne Beihilfe gezwungen gewesenwäre, Sparmaßnahmen durchzuführen. Die Beihilfe komme daher der Air Interzumindest mittelbar zugute.

311.
    In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen in der RechtssacheT-371/94 darauf hingewiesen, daß die streitige Beihilfe nach der Bedingung Nr. 1für die Air France sowie für alle Gesellschaften bestimmt gewesen sei, an denendie Air France mit mehr als 50 % beteiligt gewesen sei. Diesen solle die Beihilfealso zugute kommen. Diese Gesellschaften hätten jedoch alle nicht umstrukturiertzu werden brauchen oder sie hätten, wenn sie einer Umstrukturierung bedurfthätten, keinen Umstrukturierungsplan vorgelegt. Die Genehmigung der Beihilfezugunsten der Air France und ihrer 80 Tochtergesellschaften sei daheroffensichtlich rechtswidrig, insbesondere was die Tochtergesellschaften angehe, dienicht im Luftverkehrssektor tätig seien.

312.
    Die Kommission, die Französische Republik und die Air France machen geltend,diese Rügen seien nicht begründet.

Würdigung durch das Gericht

313.
    Was das Vorbringen angeht, die Bedingung Nr. 1 sei inhaltlich nicht geeignetgewesen, weil durch die Nichteinbeziehung der Air Inter in denAnwendungsbereich der angefochtenen Entscheidung die wirtschaftlichenRealitäten, insbesondere die wirtschaftliche Einheit, die die Air France und die AirInter bildeten, verkannt worden seien, ist darauf hinzuweisen, daß die streitigeBeihilfe die doppelte Zielsetzung hatte, zur Entschuldung der Air France und zurFinanzierung des am 31. Dezember 1996 auslaufenden Umstrukturierungsplansbeizutragen. Bei der Genehmigung der Beihilfe hatte die Kommission deshalb dafürSorge zu tragen, daß die Erreichung dieser Ziele nicht durch die zwischen derCompagnie nationale Air France und der Air Inter innerhalb des Air-France-Konzerns bestehenden Beziehungen, insbesondere durch die unmittelbare odermittelbare Weiterleitung eines Teils der Beihilfe an die Air Inter gefährdet würde.Darüber hinaus hatte die Kommission, wie oben dargelegt worden ist (Randnr. 214bis 216), zu berücksichtigen, daß die Air Inter einen wichtigen strategischenVermögensteil der Air France darstellte, so daß von den beiden Gesellschaften

nicht verlangt werden konnte, sich vollständig und endgültig voneinander zutrennen.

314.
    Unter diesen Umständen durfte die Kommission im Rahmen ihres weitenErmessens annehmen, daß die Air France und die Air Inter für die Anwendung derspezifischen Regelung der staatlichen Beihilfen rechtlich und finanziell unabhängigeGesellschaften darstellen würden. Dieser Holdingmechanismus — verbunden mitdem System der Prüfung durch unabhängige Sachverständige und der Staffelungder Zahlung der Beihilfe in drei Tranchen gemäß Artikel 2 der angefochtenenEntscheidung — konnte nämlich als ein ausreichendes und geeignetes Mittelangesehen werden, um sicherzustellen, daß die Beihilfe nur der Air France zugutekommen werde, und um die rechtliche Struktur der Air France und der Air Interumzuwandeln, bei denen an die Stelle der Abhängigkeit zwischenTochtergesellschaft und Muttergesellschaft das Verhältnis zwischen unabhängigenSchwestergesellschaften trat.

315.
    Die rechtliche und finanzielle Trennung der beiden Gesellschaften im Sinne derRegelung über staatliche Beihilfen wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß sieTochtergesellschaften und Mitglieder ihrer Führungsmannschaften miteinandergemeinsam haben, noch dadurch, daß ihre Interessen im Luftverkehr in die gleicheRichtung gehen. Dabei handelt es sich um rein tatsächliche Gesichtspunkte, die dieKommission und die unabhängigen Sachverständigen allenfalls dazu veranlassenkönnen, bei ihrer in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung vorgesehenenKontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung des Umstrukturierungsplans und derErfüllung der an die Genehmigung der Beihilfe geknüpften Bedingungen besonderswachsam zu sein.

316.
    Das gleiche gilt, was die für den 1. Januar 1997 geplante Fusion der beidenGesellschaften angeht. Unabhängig davon, daß die Kommission im Juli 1994 nichtüber einen spezifischen und detaillierten Plan einer solchen Fusion verfügte, densie in der angefochtenen Entscheidung hätte berücksichtigen können, istfestzustellen, daß die Möglichkeit, sich am Ende des Umstrukturierungszeitraumswieder dem Air-France-Konzern anzuschließen, keineswegs auf die Gesellschaft AirInter beschränkt war. In dieser Hinsicht unterschied diese sich nicht von jederanderen von der Air France im Sinne der Regelung über staatliche Beihilfenunabhängigen Fluggesellschaft. Im übrigen liegt es auf der Hand, daß die AirFrance wie jedes Unternehmen, das eine staatliche Beihilfe erhalten hat, seineHandlungsfreiheit zurückerhalten mußte, sobald die Phase der Umstrukturierungmit den von der Kommission auferlegten Beschränkungen abgeschlossen war.

317.
    Zwar wird in der Begründung der angefochtenen Entscheidung als solcher wederauf die tatsächliche gegenseitige Abhängigkeit der Air France und der Air Internoch auf die Aussichten einer etwaigen Fusion der beiden Gesellschafteneingegangen. Nach Ansicht des Gerichts machte jedoch die Erwähnung derHolding, deren Folge darin bestand, daß die rechtliche Unabhängigkeit der

Gesellschaften sichergestellt wurde, jede weitere Begründung in dieser Hinsichtüberflüssig. In der allgemeinen Systematik der Entscheidung stellt die Air Internämlich eine selbständige Gesellschaft dar, die von der Begünstigung durch dieBeihilfe ausgeschlossen ist. Für die Dauer dieser Selbständigkeit ist sie folglich wiejede andere durch die Beihilfe nicht begünstigte und von der Air Franceunabhängige Fluggesellschaft zu behandeln.

318.
    Was den Austausch von Routen und Slots zwischen der Air France und der AirInter angeht, ist festzustellen, daß diese Transaktionen keine Besonderheit derBeziehungen zwischen diesen beiden Gesellschaften darstellen. Es handelt sichvielmehr um eine bei allen Fluggesellschaften gängige Praxis. So hat die Air France— wie die französische Regierung in der mündlichen Verhandlung unwidersprochenerklärt hat — 1996 auf dem Flughafen Paris (CDG) 50 Slots mit etwa 30 nicht zumAir-France-Konzern gehörenden Gesellschaften ausgetauscht, davon zwei mit derBritish Airways, einen mit der British Midland und einen mit der KLM. Mit der AirInter habe es während der Wintersaison 1994/95 keinen Austausch gegeben; eineinziger Austausch habe für die Sommersaison 1995 und vier für die Wintersaison1995/96 stattgefunden. Was den Austausch von Routen angeht, hat die französischeRegierung angegeben, daß die Route Paris—Dresden von der Lufthansaübernommen worden sei, nachdem die Air France sie aufgegeben habe, währenddie Jersey Air European die Route Paris—Glasgow und die Crossair die RouteBordeaux—Genf übernommen habe.

319.
    In diesem Zusammenhang ist hinzuzufügen, daß eine etwaige Übertragung vonrentablen Routen und Slots durch die Air France an die Air Inter im Austausch fürnicht rentable Routen und Slots der Umstrukturierung, so wie sie die Air Francein ihrem Plan selbst konzipiert hat, zuwiderlaufen und die Erreichung der in derangefochtenen Entscheidung festgelegten betrieblichen und Produktivitätszielegefährden würde. Die Kommission durfte daher annehmen, daß der durch Artikel2 der angefochtenen Entscheidung geschaffene Kontrollmechanismus ausreichte,um einen solchen wenig wahrscheinlichen Vorgang regeln zu können.

320.
    In bezug auf das Vorbringen, daß die Air Inter durch die Beihilfe, ohne die die AirFrance von der Air Inter einen finanziellen Beitrag zu ihrer Umstrukturierung hättefordern müssen, zumindest mittelbar begünstigt sei, ist darauf hinzuweisen, daß dieKommission es im Rahmen ihres weiten Ermessens für gerechtfertigt halten durfte,daß die umstrukturierte Gesellschaft Air France auf dem Niveau der beidenanderen größten europäischen Gesellschaften bleiben sollte (siehe oben,Randnr. 209) und daß die Air Inter einen strategisch wichtigen und damitunveräußerlichen Vermögensteil der Air France darstellte (siehe oben,Randnrn. 214 bis 216). Die Kommission durfte folglich davon ausgehen, daß dieseStellung der Air France geschwächt worden wäre, wenn die Air Inter anstelle derGenehmigung der Beihilfe in Verbindung mit der Errichtung der obenbeschriebenen Holding eigene Mittel hätte freimachen oder sich selbst hätteverschulden müssen, um zur Finanzierung der Umstrukturierung der Air France

beizutragen. Unter diesen Umständen kann die Air Inter nicht als durch dieBeihilfe mittelbar begünstigt angesehen werden.

321.
    Das Vorbringen, die Kontrolle der Einhaltung der Bedingung Nr. 1 sei wirkungslosoder diese Bedingung könne von der Air France umgangen werden, kann dieRechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung als solche nicht berühren, da essich nur auf die Phase nach dem Erlaß dieser Entscheidung oder sogar nach demfür die Umstrukturierung der Air France vorgesehenen Zeitraum bezieht (sieheoben, Randnr. 292). Aus demselben Grund ist auch das gesamte Vorbringen derKlägerinnen und der zur Unterstützung ihrer Anträge dem Verfahren beigetretenenStreithelfer zum Verhalten der Air France und/oder der Air Inter nach dem Erlaßder angefochtenen Entscheidung unbeachtlich (siehe oben, Randnr. 81).

322.
    Was die in bezug auf das französische Steuerrecht aufgeworfenen Kontrollproblemeangeht, genügt die Feststellung, daß die unabhängigen Sachverständigen — diegemäß Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung damit betraut werden, dieordnungsgemäße Durchführung des Umstrukturierungsplans und die Einhaltung deran die Genehmigung der Beihilfe geknüpften Bedingungen zu überprüfen —keineswegs auf die Grundbegriffe des französischen Steuerrechts beschränkt sind,sondern daß es ihnen freisteht, nach den von ihnen als geeignet angesehenenwirtschaftlichen, finanziellen und buchhalterischen Methoden zu kontrollieren, obdie rechtliche und finanzielle Abschottung zwischen der Air France und der AirInter undurchlässig ist. Bei der Durchführung der Vereinbarung von 1992, die denÜbergang des fliegenden Personals der Air France auf die Air Inter während derGeltungsdauer der durch die angefochtene Entscheidung gestellten Bedingungenfür die Genehmigung vorsieht, werden diese Bedingungen natürlich zu beachtensein, insbesondere die Bedingung Nr. 1, wonach alle Dienstleistungen zwischen derAir France und der Air Inter zu marktüblichen Preisen zu erbringen sind, wobeidie Kontrolle der Einhaltung dieser Bedingungen in die Phase nach Erlaß derangefochtenen Entscheidung fällt.

323.
    Soweit geltend gemacht worden ist, daß die Bedingung Nr. 1 die Zahlung derBeihilfe an die Tochtergesellschaft der Air France zugelassen habe, für die keineUmstrukturierungsverpflichtung bestanden habe, genügt schließlich die Feststellung,daß die Bedingung Nr. 6 vorschreibt, daß die Beihilfe ausschließlich von der AirFrance „zu Umstrukturierungszwecken“ zu verwenden ist, was der Air Franceverbietet, die Beihilfe Tochtergesellschaften zugute kommen zu lassen, die nicht zurUmstrukturierung verpflichtet sind. Was die Air Charter betrifft, die im übrigenGegenstand der Bedingungen Nrn. 12 und 13 ist, ist darauf hinzuweisen, daß derCharterbereich der Air France durch den streitigen Umstrukturierungsplan erfaßtist (S. 22 des Planes). Das Gericht ist der Ansicht, daß die Kommission sich bei derAusübung ihres weiten Ermessens auf diese allgemeine Regelung, die durch denKontrollmechanismus des Artikels 2 der angefochtenen Entscheidung verstärktwird, beschränken und annehmen durfte, daß nur die wesentlichen die Air France

selbst, die Air Inter und die Air Charter betreffenden Fragen einer detaillierterenRegelung bedurften.

324.
    Die gegen die Bedingung Nr. 1 gerichteten Rügen sind folglich zurückzuweisen.

b) Zur Bedingung Nr. 3

325.
    Nach dieser Bedingung sind die französischen Behörden verpflichtet, dafür Sorgezu tragen, daß die Air France die vollständige Durchführung des Planes in seinerder Europäischen Kommission am 18. März 1994 übermittelten Fassung fortsetzt,insbesondere was die in ERPK je Beschäftigten ausgedrücktenProduktivitätsvorgaben während der Laufzeit des Umstrukturierungsplans angeht:

— 1994: 1 556 200 ERPK je Beschäftigten,

— 1995: 1 725 500 ERPK je Beschäftigten,

— 1996: 1 829 200 ERPK je Beschäftigten.

326.
    Außerdem hat die Kommission angegeben, daß der Effizienzindikator ERPK diepro Beschäftigten erbrachten Passagierkilometer und Tonnenkilometer wiedergibt(wobei ein geleisteter Tonnenkilometer für Vergleichszwecke dem Ertrag nach mit3,5 Passagierkilometern gleichgesetzt wird). Dieser Indikator soll repräsentativ fürdie Gesamthöhe der Nachfrage nach Personen- und Frachtbeförderungsleistungensein (ABl. S. 83).

Vorbringen der Klägerinnen

327.
    Die Klägerinnen sind der Ansicht, der ERPK sei keine verläßliche Maßeinheit.Wegen der Unterschiedlichkeit der Tätigkeiten der Verkehrsunternehmen sei essehr schwierig, eine einzige kombinierte Maßeinheit zu entwickeln, bei der alleParameter zuverlässig berücksichtigt werden könnten. Im Idealfall müsse folglichein breites Spektrum von Indikatoren verwendet werden, um die Leistung inverschiedenen spezifischen Bereichen des Luftverkehrssektors zu messen. DieKommission habe gegen diese grundlegende Regel dadurch verstoßen, daß sie diegegenwärtige und zukünftige Produktivität der Air France mit Hilfe einer einzigenMaßeinheit, nämlich des ERPK, beurteile, die, soweit den Klägerinnen bekannt, imLuftverkehrsmarkt niemals verwendet werde.

328.
    Die Klägerinnen tragen vor, sie selbst mäßen ihre Produktivität normalerweise aufder Grundlage der „geleisteten Tonnenkilometer“ pro Beschäftigten oder dergeleisteten „Passagierkilometer“ pro Beschäftigten, ohne diese Einheitenmiteinander zu verbinden. Eine Maßeinheit wie der ERPK, bei derPassagierkilometer und Tonnenkilometer miteinander vermischt würden, verdoppledie Bedeutung der Passagiere. Außerdem würden in dieser Maßeinheit ganzunterschiedliche Dienstleistungen zusammengefaßt, nämlich die Fracht- und diePassagierbeförderung. Je höher der Anteil der beförderten Fracht sei, destoniedriger seien die Stückkosten, insbesondere wenn eine Gesellschaft Flugzeuge

betreibe, die nur Fracht beförderten. Dies trage dazu bei, eine Gesellschaft, dieFracht befördere, im Verhältnis zu einer Gesellschaft, die Reisende befördere, alsaußerordentlich leistungsfähig erscheinen zu lassen.

329.
    Da der ERPK lediglich das Produkt aus der Zahl der beförderten Passagiere(einschließlich der in Anzahl Passagiere umgerechneten Fracht) und der Zahl derzurückgelegten Kilometer wiedergebe, bestehe ein einfaches Mittel, die Zahl derERPK aufzublähen, im übrigen darin, Langstreckenrouten zu bedienen, was dieZahl der zurückgelegten Kilometer erhöhe. Die vorliegenden Statistiken legten denGedanken nahe, daß die Air France dabei sei, gerade dies auf denTransatlantikrouten zu tun: Sie erhöhe ihre Kapazität, und zwar obwohl alleanderen Fluggesellschaften ihre Kapazitäten verringerten. Darüber hinaus ergebesich aus dieser Maßeinheit keine Angabe über die Rentabilität der Tätigkeiteneiner Fluggesellschaft, weil die Multiplikation der Passagierzahl mit der Zahl derzurückgelegten Kilometer nichts über die sich daraus ergebenden Einnahmen unddie Kosten der Beförderung der Passagiere aussage. Die Air France könne folglichErgebnisse präsentieren, die hinsichtlich der Passagierzahl multipliziert mit denzurückgelegten Kilometern zufriedenstellend seien, ihre Einnahmen blieben aberdennoch nicht weniger katastrophal.

330.
    Selbst wenn der ERPK eine geeignete Maßeinheit wäre, begründeten schließlicheine Reihe von Faktoren Zweifel an der Verläßlichkeit dieser Einheit. Zunächsthabe die Kommission in ihrer Mitteilung vom 3. Juni 1994 bei der Produktivität derAir France nur vom „Sitzkilometerangebot“ gesprochen. Sodann habe dieKommission in ihrer Entscheidung 94/662 (zitiert in Randnr. 145) die Produktivitätder Air France nur nach Beschäftigten pro Flugzeug, beförderten Passagieren jeBeschäftigten, und bezahlten Passagierkilometern je Beschäftigten bemessen. Esgebe letztlich keinen Konsens über ein „richtiges“ Umrechnungskriterium für dieErträge aus der Frachtbeförderung und die Erträge aus der Passagierbeförderung.

331.
    Ferner würden bei den Produktivitätszahlen der Air France die Dienstleistungennicht berücksichtigt, die von den Besatzungen „naß“ gemieteter Flugzeuge erbrachtwürden, d. h. der Miete von Flugzeugen mit Besatzung, und auch nicht dieDienstleistungen des Personals von Subunternehmern. Die „je Beschäftigten“gemessene Produktivität werde nämlich künstlich aufgebläht, wenn Personen, dienicht zur Belegschaft der Air France gehörten, in Wirklichkeit zu derenProduktivität beitrügen. Gegenwärtig miete die Air France bei mehrerenGesellschaften Flugzeuge „naß“. Die für die Zahlung der drei Tranchen derBeihilfe geforderten Schwellenwerte in ERPK je Beschäftigten konnten sehr wohldadurch erreicht werden, daß einfach der Umfang der „Naßmiete“ oder derSubunternehmerverträge erhöht werde, da die durch die Kommission auferlegtenVerpflichtungen diese Möglichkeit nicht ausschlössen. In diesem Zusammenhangtragen die Klägerinnen vor, daß die Air France bei der TAT komplette Flugzeugemit Besatzung miete, d. h. nicht nur das technische Flugpersonal. Darüber hinaus

habe die Air France ganze Flugzeuge mit Besatzung bei der Air Littoral und beider Brit'Air gemietet und miete sie auch weiterhin.

332.
    Schließlich vertreten die Klägerinnen die Ansicht, die Produktivitätszielvorgaben inder Bedingung Nr. 3 seien im Verhältnis zu den Werten, die andereFluggesellschaften erreichten, zu niedrig. In diesem Zusammenhang werfen sie derKommission vor, diese habe sich darauf beschränkt, die Produktivität der AirFrance mit derjenigen zu vergleichen, die sieben andere europäischeFluggesellschaften 1996 hätten erreichen sollen (ABl. S. 83). Zu dieser Gruppegehörten die Alitalia und die Iberia, die sich in ganz erheblichen Schwierigkeitenbefänden und deren Zukunft ungewiß sei. Die Kommission habe zu diesen siebenFluggesellschaften noch zwei andere Gesellschaften, die SAS und die Swissair,hinzugenommen, die im Durchschnitt viel kürzere Routen als die Air Francebedienten und deren Produktivität daher als ungewöhnlich niedrig erscheine. Nurein Vergleich mit Gesellschaften, die ähnliche Tätigkeiten hätten und ähnlicheEntfernungen zurücklegten wie die Air France, sei gerechtfertigt. Um dieLeistungsfähigkeit der Air France auf dem Luftverkehrsmarkt zu messen, wäre esnützlicher gewesen, ihre zukünftige Produktivität mit derjenigen von „gesunden“Fluggesellschaften zu vergleichen wie der KLM, der British Airways, der SAS undder Lufthansa. Auf jeden Fall könne ein solcher Vergleich notwendigerweise nurapproximativ sein, da die Kommission sich keine genaue Vorstellung von den vondieser Gruppe von Gesellschaften durchgeführten Umstrukturierungsmaßnahmenhabe machen können.

333.
    Die Kommission, die Französische Republik und die Air France machen geltend,diese Rügen seien nicht begründet.

Würdigung durch das Gericht

334.
    Die Bedingung Nr. 3 fordert nicht nur die Erreichung der in ERPK ausgedrücktenProduktivitätsvorgaben, sondern verpflichtet die französischen Behörden, dafür zusorgen, daß die Air France die vollständige Durchführung ihresUmstrukturierungsplans fortsetzt; die Zielvorgaben in ERPK werden dabei nur alsspezifisches Beispiel angegeben. In gleicher Weise wird die Zahlung der zweitenund der dritten Tranche der Beihilfe nach Artikel 2 der angefochtenenEntscheidung u. a. davon abhängig gemacht, daß der Plan für das Unternehmentatsächlich durchgeführt wird und die vorgesehenen Ziele erreicht werden „(u. a.hinsichtlich der Betriebsergebnisse, der Produktivitätsvorgaben[ERPK/Beschäftigter] ...)“. Daraus folgt, daß die Verbesserung derGesamtproduktivität der Air France nicht ausschließlich in ERPK gemessen werdenwird, sondern auch in bezug auf andere im Umstrukturierungsplan genannteZielvorgaben für die Verbesserung der Produktivität zu beurteilen sein wird,insbesondere in bezug auf die Vorgaben, die die Verringerung desPersonalbestands und der Investitionen, die Einsparungen bei den Anschaffungen,die Verbesserung des Einsatzes der Arbeitszeit und das Einfrieren der Löhne undGehälter betreffen.

335.
    Damit ist die Einheit ERPK/Beschäftigter auf ihre wahren Dimensionenzurückgeführt und es ist festzustellen, daß sie einen Indikator für die physischeProduktivität darstellt, bei dem sowohl die beförderten Passagiere als auch diebeförderte Fracht buchmäßig erfaßt werden, wobei — durch die Verwendung desUmrechnungskoeffizienten 3,5 — der wirtschaftlichen Realität Rechnung getragenwird, in der die Kosten der Beförderung einer Tonne Fracht und der damitverbundene Personalbedarf weit unter den entsprechenden Werten für diePassagierbeförderung liegen, während das Umgekehrte für die mit diesen beidenBeförderungsarten erzielten Einnahmen gilt. Mit dieser Maßeinheit, die dieBedeutung der Passagiere keineswegs verdoppelt, läßt sich daher feststellen, obeine Gesellschaft mit der gleichen Beschäftigtenzahl mehr Passagiere und Frachtbefördert als vorher über insgesamt identische Entfernungen oder ob sie die gleichePassagierzahl und Frachtmenge mit weniger Beschäftigten befördert und damit ihrephysische Produktivität verbessert hat.

336.
    Es trifft zu — die Kommission hat es vor dem Gericht selbst eingeräumt —, daß derERPK nicht unter allen Umständen ein unfehlbares Kriterium darstellt. So kannes sein, daß der Umrechnungskoeffizient 3,5 sich im Laufe der Umstrukturierungder Air France ändert. Es ist jedoch auch eine Tatsache, daß der ERPK besondersgeeignet ist, um die Produktivität einer Gesellschaft wie der Air France zu messen,bei der die Frachtbeförderung einen wesentlichen Bestandteil derLuftverkehrstätigkeit in Höhe von 40 % der gesamten Nutzlast darstellt. Außerdemverwendet die Air France seit 1978 traditionell diese Maßeinheit. Unter diesenUmständen war die Kommission berechtigt, neben anderen für die Produktivitätder Gesellschaft erheblichen Faktoren den ERPK zu wählen, um die Verbesserungder Produktivität der Air France zu messen.

337.
    Diese Schlußfolgerung wird durch nichts entkräftet, was die Klägerinnen und diezur Unterstützung der Anträge der Kläger dem Verfahren als Streithelferbeigetretenen Beteiligten vorgebracht haben.

338.
    Was die mangelnde Kohärenz angeht, die der Kommission insoweit vorgeworfenwird, als der Indikator ERPK sich nicht in der Entscheidung 94/662 (zitiert inRandnr. 145) finde, die am selben Tag wie die Entscheidung erlassen worden sei,die Gegenstand der vorliegenden Rechtsstreitigkeiten sei, genügt die Feststellung,daß in der Entscheidung 94/662 anders als in der im vorliegenden Fallangefochtenen Entscheidung darauf erkannt wird, daß die der Air France zu einerfrüheren Zeit gewährte Beihilfe unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt imSinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages ist, und daß es darin abgelehnt wird,Artikel 92 Absatz 3 anzuwenden, da es an einem wirklichen Plan zurUmstrukturierung der Air France fehlt. Unter diesen Umständen stand in derEntscheidung 94/662 die Festlegung von in ERPK ausgedrücktenProduktivitätsvorgaben für die Air France nicht zur Debatte.

339.
    Was die Möglichkeit angeht, die Anzahl ERPK durch eine bloße Steigerung derzurückgelegten Kilometer künstlich aufzublähen, hat die Kommission zu Rechtvorgetragen, daß es irrational erscheine, wenn die Air France mit dem alleinigenZiel, Kilometer zurückzulegen, ungenügend ausgelastete Flugzeuge fliegen lasseund damit unter der in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung geregeltenKontrolle der Kommission und der unabhängigen Sachverständigen die erfolgreicheDurchführung ihres gesamten Umstrukturierungsplans gefährde. Im übrigenbestehe bei den von den klägerischen Gesellschaften zur Messung ihrer eigenenProduktivität verwendeten Indikatoren, den Tonnenkilometern und denPassagierkilometern insoweit das gleiche Manipulationsrisiko, als der Multiplikatordabei ebenfalls die Anzahl der zurückgelegten Kilometer ist.

340.
    Das gleiche gilt für die auf die „Naßmiete“ gestützte Rüge. Zwar läßt sich durchdas Chartern von Flugzeugen mit Besatzung das Verhältnis ERPK:Beschäftigterinsoweit verbessern, als diese Flugzeuge zur Erhöhung des ERPK beitragen, ohnedaß ihre Besatzungen im Nenner des Verhältnisses gezählt werden; dieseVerzerrung ergibt sich jedoch unabhängig davon, welches die Maßeinheit ist, soferndiese auf die Zahl der Beschäftigten bezogen ist (Sitzkilometerangebot,Tonnenkilometer), und ist also nicht spezifisch für den ERPK. Außerdem ist die„Naßmiete“ eine gängige Praxis im Luftverkehrssektor, so daß die Lage der AirFrance sich in dieser Hinsicht nicht grundlegend von derjenigen anderereuropäischer Luftverkehrsunternehmen unterscheidet. Schließlich würde die AirFrance, wenn sie wirklich zahlreiche Flugzeuge „naß“ mieten würde, unter derKontrolle der Kommission und der unabhängigen Sachverständigen dieDurchführung ihres eigenen Umstrukturierungsplans gefährden, der gerade einePersonalreduzierung, einen besseren Einsatz ihrer Flotte und der Besatzungensowie eine Senkung der Kosten vorsieht. Die Kommission war folglich berechtigt,in diesem Zusammenhang die Auswirkungen etwaiger Fälle von „Naßmiete“ außeracht zu lassen.

341.
    Was die Rüge gegen die Auswahl der sieben Fluggesellschaften für einen Vergleichihrer Produktivität mit derjenigen der Air France angeht, durfte die Kommissionnach Ansicht des Gerichts diesen Vergleich auf eine verhältnismäßig hohe Zahl vonGesellschaften stützen, um so weit wie möglich einen wirklich charakteristischenDurchschnitt des Sektors zu erreichen. Dabei war sie nicht verpflichtet, nur dieleistungsfähigsten oder die auf Langstreckenverbindungen spezialisiertenGesellschaften zu wählen, sondern durfte in ihrem Vergleich auch andereGesellschaften wie die Alitalia, die Iberia, die SAS und die Swissair in dieErwägung einbeziehen, daß durch eine solche Betrachtungsweise der Komplexitätdes Luftverkehrs insgesamt Rechnung getragen werde. Es ist folglich keinoffenkundiger Beurteilungsfehler bei der Auswahl der sieben Fluggesellschaftennachgewiesen worden.

342.
    Das gleiche gilt schließlich für die Behauptung, daß die Produktivitätsvorgaben inder Bedingung Nr. 3 zu niedrig seien. Dabei handelt es sich um eine bloßeBehauptung, die nicht durch konkrete Angaben untermauert ist, mit denen ein

offenkundiger Fehler der Kommission in diesem Punkt nachgewiesen werdenkönnte. Unter diesen Umständen könne die Kommission sich darauf beschränken,dieser Behauptung zu widersprechen und festzustellen, daß dieProduktivitätsvorgaben ihrer Beurteilung nach angemessen, ausreichend undrealisierbar gewesen seien.

343.
    Nach alledem können die gegen die Bedingung Nr. 3 gerichteten Rügen nichtdurchgreifen.

c) Zur Bedingung Nr. 6

344.
    Nach dieser Bedingung sind die französischen Behörden verpflichtet, dafür Sorgezu tragen, daß die Beihilfe von der Air France während der Laufzeit des Planesausschließlich zu Umstrukturierungszwecken und nicht zum Erwerb weitererAnteile an anderen Luftverkehrsunternehmen verwendet wird.

Vorbringen der Klägerinnen

345.
    Die Klägerinnen sind der Ansicht, diese Bedingung sei inhaltlich unzureichend, dadie Beihilfe im wesentlichen dazu verwendet werde, verschiedene Transaktionender Air France zu unterstützen. Die Tragweite der Bedingung werde außerdemdurch die Auslegung eingeschränkt, die die Air France ihr gebe. Nach derenAuffassung gelte das Verbot des Erwerbs von Beteiligungen am Kapital andererFluggesellschaften weder für die Bezahlung von vor dem Erlaß der angefochtenenEntscheidung erworbenen Beteiligungen noch für die Erhöhung einer bereitsbestehenden Beteiligung an anderen Fluggesellschaften wie der Beteiligung an derSabena. Im übrigen impliziere die in Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertragesniedergelegte Bedingung, wonach die staatliche Beihilfe nur für dieUmstrukturierung des Empfängers verwendet werden dürfe, schon als solche, daßder Empfänger keine Beteiligungen an Fluggesellschaften erwerben dürfe. DerErwerb von Beteiligungen an anderen Gesellschaften könne nämlich in keinem Fallals eine Umstrukturierungsmaßnahme angesehen werden.

346.
    Die Kommission macht geltend, diese Rügen seien nicht begründet.

Würdigung durch das Gericht

347.
    Wie die Kommission vor dem Gericht hervorgehoben hat, verbietet dieseBedingung nach ihrem Wortlaut die Verwendung der Beihilfe sowohl zum Erwerbneuer Beteiligungen als auch zur Erhöhung bestehender Beteiligungen. Was dasVorbringen zur rechtswidrigen Finanzierung von operativen Tätigkeiten und derletzten Tranche des Kaufpreises der Beteiligung am Kapital der Sabena angeht,genügt der Hinweis, daß die in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen bereitszurückgewiesen worden sind (siehe oben, Randnrn. 137 bis 141 und 223).

348.
    Was schließlich die angebliche Überflüssigkeit der Bedingung Nr. 6 angeht, istfestzustellen, daß selbst unter der Annahme, daß das Verbot, eine Beihilfe zumErwerb von Beteiligungen zu verwenden, bereits in Artikel 92 Absatz 3 Buchstabec des Vertrages geregelt ist, der Nutzen einer derartigen Bedingung darin besteht,daß die Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 2 unmittelbar denGerichtshof anrufen kann, ohne verpflichtet zu sein, vorher das Verfahren desArtikels 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 oder des Artikels 169 einzuleiten (siehe UrteilBritish Aerospace und Rover/Kommission, zitiert in Randnr. 290, Randnr. 11).Außerdem verbietet die Bedingung Nr. 6 nicht nur den Erwerb von Beteiligungen,sondern schreibt auch die ausschließliche Verwendung der Beihilfe für die Zweckeder Umstrukturierung der Air France vor.

349.
    Die gegen die Bedingung Nr. 6 gerichteten Rügen sind folglich zurückzuweisen.

d) Zur Bedingung Nr. 7

350.
    Diese Bedingung verpflichtet die französischen Behörden, dafür Sorge zu tragen,daß die Zahl der von der Compagnie nationale Air France betriebenen Flugzeugewährend der Laufzeit des Planes nicht auf mehr als 146 erhöht wird.

Vorbringen der Klägerinnen

351.
    Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Kommission habe zu Unrecht angenommen,daß diese Bedingung wirksam sein werde. Sie erfasse nämlich nicht die „Naßmiete“,mit deren Hilfe die Air France die Zahl der ihr tatsächlich zur Verfügungstehenden Flugzeuge erhöhen könne. Darüber hinaus habe die Kommission nichtberücksichtigt, daß die Air France auf dem Umweg über die Air Inter weiter neueFlugzeuge bestellen und ihre Flotte erweitern könne, und zwar nicht nur, weil dieZugehörigkeit der Air Inter zum Air-France-Konzern bedeute, daß diese beidenGesellschaften bedeutende wirtschaftliche Interessen gemeinsam hätten, sondernauch wegen ihrer für Anfang 1997 vorgesehenen Fusion. Alle neuen Flugzeuge, diedie Air Inter bestellt und erhalten habe, fielen 1997 der Air France zu. Im übrigenverbiete nichts der Air France, den Erwerb von Flugzeugen für die Air Inter zufinanzieren. Die Strategie des Air-France-Konzerns sei darauf gerichtet, aus der AirInter ein europäisches Verkehrsunternehmen zu machen. Dazu werde der Betriebeiniger Routen, die die Air France betrieben habe, gerade auf die Air Interübertragen. Ein derartiger Mechanismus bedeute in der Praxis, daß die Air Franceihre Einsatzflotte dadurch über die Zahl von 146 Flugzeugen hinaus erweiternkönne, daß sie auf die Flotte der Schwestergesellschaft zurückgreife, derenExpansion durch keine Zusicherung beschränkt sei.

352.
    Die Kommission macht geltend, diese Rügen seien nicht begründet.

Würdigung durch das Gericht

353.
    Was die etwaige „Naßmiete“ von Flugzeugen angeht, ist festzustellen, daß dieBedingung Nr. 7, wie die Kommission vor dem Gericht erklärt hat, auch für mitBesatzung gecharterte Flugzeuge gilt. Dadurch, daß diese Bedingung eineHöchstzahl für die Flugzeuge der von der Air France „betriebenen“ Flottevorschreibt, erfaßt sie nicht nur die eigenen Flugzeuge der Air France, sondernauch die Flugzeuge, die eine andere Gesellschaft der Air France zur Vefügungstellen wird. Im übrigen ist diese Bedingung zusammen mit demUmstrukturierungsplan der Air France zu lesen, der unter der Aufsicht derKommission und der unabhängigen Sachverständigen gemäß Artikel 2 derangefochtenen Entscheidung vorsieht, daß das Sitzplatzangebot gegenüber dem von1993 leicht gesenkt werden soll (ABl. S. 75).

354.
    Was die Verweisungen auf die Air Inter angeht, genügt die Feststellung, daß dieAir Inter für die Dauer der Umstrukturierung der Air France als selbständigeGesellschaft anzusehen ist, daß für die geschäftlichen Beziehungen zwischen denbeiden Gesellschaften die Bedingung Nr. 1 gilt, daß eine etwaige Umgehung derder Air France auferlegten Bedingungen auf dem Umweg über die Air Inter dieKommission zwar dazu veranlassen kann, die Rückforderung der gezahlten Beihilfezu verlangen, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung aber nichtberührt und daß die mögliche Fusion der Air France mit der Air Inter dieletztgenannte Gesellschaft in der gleichen Weise betrifft wie irgendeine von der AirFrance unabhängige Fluggesellschaft (siehe oben, Randnrn. 292 und 313 bis 315).

355.
    Die gegen die Bedingung Nr. 7 gerichteten Rügen sind folglich zurückzuweisen.

e) Zur Bedingung Nr. 8

356.
    Diese Bedingung verpflichtet die französischen Behörden, das Sitzplatzangebot derCompagnie nationale Air France nicht über das 1993 erreichte Niveau auf denRouten zwischen Paris und dem Europäischen Wirtschaftsraum (7,045 MilliardenASK) und zwischen dem übrigen Frankreich und dem EuropäischenWirtschaftsraum (1,4134 Milliarden ASK) ansteigen zu lassen. Dieses Angebotkönnte um 2,7 % pro Jahr gesteigert werden, sofern die Wachstumsrate auf deneinzelnen Märkten nicht geringer ist. Liegt die jährliche Wachstumsrate auf diesenMärkten allerdings über 5 %, so kann das Angebot außer um 2,7 % auch um denZuwachs jenseits von 5 % erhöht werden.

Vorbringen der Klägerinnen

357.
    Die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 wirft der Kommission vor, diese habeeinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie in der angefochtenenEntscheidung zu dem Ergebnis gelangt sei, daß der europäische Luftverkehrssektornicht von einer strukturellen Überkapazitätskrise betroffen sei. Dabei habe dieKommission die früher und heute bestehende Überkapazität nicht berücksichtigt,obwohl diese vom „Rat der Weisen“ in dessen Bericht über die europäische

Zivilluftfahrt, der im Januar 1994 auf Ersuchen der Kommission selbst erstelltworden sei, ausdrücklich bestätigt worden sei. Der „Rat der Weisen“ habeinsbesondere die Ansicht vertreten, daß die Überkapazitäten teilweise auf diegewährten staatlichen Beihilfen zurückzuführen seien. Die These der Kommission,daß die Überkapazitäten nur von „begrenzter Dauer“ seien, werde daher durch dieeigenen Quellen der Kommission entkräftet.

358.
    In einem unter Überkapazitäten leidenden Sektor müsse die Gegenleistung für einestaatliche Beihilfe in einer Reduzierung des Angebots des Beihilfeempfängersbestehen, selbst wenn der Markt expandiere. Diese Verpflichtung bleibe bestehen,auch wenn die Überkapazitäten nur eine vorübergehende Erscheinung seien. DieKlägerinnen in der Rechtssache T-371/94 sind der Ansicht, daß der Begriff„rechtfertigender Ausgleich“ eine zentrale Stelle in zahlreichen Entscheidungen derKommission einschließlich der Entscheidungen über staatliche Beihilfen anKraftfahrzeughersteller aus den 80er Jahren einnehme, in denen derKraftfahrzeugmarkt unter Überkapazitäten gelitten, aber ein starkes Wachstumverzeichnet habe (siehe u. a. die Entscheidung 89/661/EWG der Kommission vom31. Mai 1989 über eine Beihilfe der italienischen Regierung an Alfa Romeo, ABl.L 394, S. 9). Außerdem könne der rechtfertigende Ausgleich nicht allein deshalbvermieden werden, weil der Markt wachse, da man die Gefahr desWiederauftretens von Überkapazitäten niemals ausschließen könne. Das KönigreichDänemark trägt vor, ein Vergleich der (in den Randnrn. 55 und 174 zitierten)Entscheidungen in den Sachen Sabena, TAP, Aer Lingus und Olympic Airwayszeige, daß in diesen anderen Sachen der Empfänger der staatlichen Beihilfe stetszu Kapazitätskürzungen verpflichtet worden sei.

359.
    Im übrigen erkläre die Kommission zu Unrecht — auf der Grundlage der Statistikender IATA, in denen eine jährliche Zunahme des Verkehrs um 6 % prognostiziertwerde —, daß die Überkapazitäten auf dem Luftverkehrsmarkt bis 1995verschwinden könnten. Die Statistiken der IATA seien nämlich kaum verläßlichund ihre Schätzungen seien oft unzutreffend. Darüber hinaus könne die Zunahmedes Verkehrs nicht untersucht werden, ohne die ihr zugrunde liegenden Faktorenzu berücksichtigen. Auf den Luftverkehrsmarkt sei die gegenwärtige Zunahme desVerkehrs zu einem großen Teil durch eine Senkung der Tarife und damit durcheine Verringerung der Erträge unter das für das Überleben zahlreicherFluggesellschaften erforderliche Niveau erreicht worden.

360.
    Die Air France könne die Air Inter einsetzen, um ihre Kapazitäten und ihrenMarktanteil ohne Einschränkungen bis zur Fusion der beiden Gesellschaften imJahre 1997 zu erhöhen. Auch wenn es in diesem Zusammenhang kaumwahrscheinlich sei, daß die Air France eine größere Zahl von Inlandsroutenbetreiben werde, so liege das an ihrem strategischen Plan, in dessen Rahmen derBetrieb des Inlandsnetzes und einiger europäischer Routen der Air Interübertragen worden sei.

361.
    Die Kapazitätsbeschränkungen gälten nur für Routen zwischen Frankreich undanderen als französischen Zielen innerhalb des EWR. Mit Ausnahme der RouteParis (CDG)—Nizza betreibe die Air France innerhalb des EWR nur die Routenzwischen Frankreich und den anderen Ländern des EWR. Seit dem Inkrafttretender Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugangvon Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken desinnergemeinschaftlichen Flugverkehrs (ABl. L 240, S. 8) stehe es denLuftfahrtunternehmen des EWR frei, alle Strecken zwischen zwei Mitgliedstaatendes EWR zu betreiben und beschränkte Kabotagedienste in anderenMitgliedstaaten als dem eigenen anzubieten. Daraus folge, daß die Air Francegänzlich frei sei, was die Kapazitäten angehe, die sie auf den Strecken zwischenzwei anderen Mitgliedstaaten des EWR als Frankreich und den Strecken innerhalbeines anderen Mitgliedstaats des EWR als Frankreich anbieten könne.

362.
    Die Bedingung Nr. 8 solle nicht die von der Air France innerhalb Frankreichsinsgesamt angebotenen Kapazitäten erfassen. Darüber hinaus hätten dieKapazitätsbeschränkungen wenig Bedeutung, weil das Angebot der Air France imJahr 1993 — dem Referenzjahr — ein Rekordniveau erreicht habe. Im übrigen geltedie Bedingung nur für den Passagierverkehr. Die Kommission erkläre nicht, warumdie Kapazitäten der Air France im Frachtbereich nicht beschränkt würden.Schließlich hindere die Zusicherung in bezug auf Kapazitätserhöhungen die AirFrance nicht daran, auf die „Naßmiete“ zurückzugreifen, um ihre Kapazitäten zuerhöhen.

363.
    Ferner werfen die Klägerinnen der Kommission vor, diese habe einenoffensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie einen Zusammenhang zwischender Beschränkung der Kapazitäten der Air France und einem Rückgang desMarktanteils der Air France im EWR hergestellt habe. Die Kommission habe inder angefochtenen Entscheidung nämlich erklärt, durch das Zurückbleiben desAngebots der Air France hinter dem Marktzuwachs werde sich „ihr Marktanteilinnerhalb des EWR“ zugunsten ihrer Wettbewerber weiter verkleinern (ABl. S. 87).Selbst wenn die Höchstgrenze von 2,3 % (d. h. 5 % - 2,7 %) für das Wachstum derKapazitäten der Air France gelte, könne diese aber ihren Marktanteil dadurcherhalten, daß sie ihren Auslastungsgrad einfach um etwas mehr als 1 % erhöhe.Das Vereinigte Königreich weist auf denselben offensichtlichen Beurteilungsfehlerhin und fügt hinzu, bei einer Erhöhung des Auslastungsfaktors um 3,8 % (ABl.S. 87) und einer zulässigen Erhöhung der Kapazitäten um 2,7 % ergebe sich, daßdie Passagierzahlen der Air France um 6,6 % zunehmen müßten (d. h. 1,038 x1,027 = 1,066), was mehr sei als der voraussichtliche Marktzuwachs von 5,5 % proJahr (ABl. S. 77).

364.
    Die Kommission, die Französische Republik und die Air France machen geltend,diese Rügen seien nicht begründet.

Beurteilung durch das Gericht

365.
    Die Kommission hat sich bei ihrer Feststellung in der angefochtenen Entscheidung,daß der europäische Zivilluftfahrtsektor nicht an strukturellen Überkapazitätenleide, da die bestehenden Überkapazitäten nur von begrenzter Dauer sein dürften,im wesentlichen auf Statistiken der IATA von 1993 gestützt, die für denLuftverkehr eine jährliche Zunahme um 6 % vorhersahen (ABl. S. 82). Die IATAist aber eine internationale Organisation mit Weltruf, der fast alleFluggesellschaften angehören und die regelmäßig in Fachkreisen anerkannteVerkehrsprognosen veröffentlicht. Die Kommission durfte sich folglich, ohne einenoffensichtlichen Irrtum zu begehen, für ihre Schlußfolgerung, daß keinestrukturellen Überkapazitäten vorlägen, auf die von dieser Organisationveröffentlichten Zahlen stützen.

366.
    Dem widerspricht auch nicht der Bericht des „Rates der Weisen“, der zwar ganzallgemein empfiehlt, eine Verringerung der Kapazitäten ins Auge zu fassen, sichaber nicht dazu äußert, ob die bestehenden Überkapazitäten struktureller odervorübergehender Art sind (S. 18 und 22 der Anlage 13 zur Klageschrift in derRechtssache T-394/94). Wie die Air France vor dem Gericht vorgetragen hat, ohnedabei auf Widerspruch zu stoßen, hat die Entwicklung des Luftverkehrs im übrigendie Analyse der Kommission bestätigt, da die Überkapazitäten in der Zwischenzeitabgebaut worden sind.

367.
    Ferner ist das Gericht der Ansicht, daß die Kommission aufgrund der Feststellung,daß keine strukturellen Überkapazitäten bestanden, zu dem Ergebnis kommendurfte, daß die Lage des Luftfahrtsektors keine generellen Kapazitätskürzungenrechtfertigte (ABl. S. 82). Daraus ergibt sich notwendigerweise, daß dieKommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie davonabsah, eine Kürzung der Kapazitäten der Air France und der Air Chartervorzuschreiben. Aus dieser Sicht war die Kommission daher nicht verpflichtet, eineUntersuchung der Kapazitäten auf den Strecken vorzunehmen, auf denen die AirFrance und ihre Tochtergesellschaften im Wettbewerb mit anderen europäischenGesellschaften standen, sondern sie konnte sich darauf beschränken, Grenzen fürdie Expansion der Air France insoweit vorzuschreiben, als diese Grenzen dieChancen dieser Gesellschaft, ihre finanzielle Lebensfähigkeit und ihreWettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, nicht beeinträchtigten. Diese Erwägungengelten auch für den Frachtsektor, der, wie oben festgestellt worden ist(Randnr. 336), eine wichtige Tätigkeit der Air France darstellt.

368.
    In Anbetracht der Sonderstellung der Air France, einer der drei größteneuropäischen Fluggesellschaften, geht der Hinweis auf etwaigeKapazitätskürzungen, die andere viel kleinere Gesellschaften wie die Aer Lingus,die TAP, die Sabena oder die Olympic Airways vorgenommen haben, an der Sachevorbei. Das gleiche gilt für die Verweisung auf den Kraftfahrzeugmarkt der 80erJahre, da nichts vorgetragen worden ist, was die spezifische Bedeutung diesesMarktes für die Untersuchung des Zivilluftfahrtsektors der Jahre 1992 bis 1994 undder mittelfristigen Aussichten dieses Sektors (1994 bis 1997) belegen könnte. Wasdie Gefahr angeht, daß die Air Inter zur Erhöhung der Kapazitäten der Air France

eingesetzt werden könnte, genügt der Hinweis, daß die beiden Gesellschaften fürdie Dauer der Umstrukturierung der Air France als voneinander unabhängiganzusehen sind. Was schließlich die „Naßmiete“ angeht, hat die Kommission vordem Gericht erklärt, daß jeder Flug eines mit Besatzung gecharterten Flugzeugsfür die Anwendung der Bedingung Nr. 8 als ein Air-France-Flug angesehen werde.Die Klägerinnen haben diese Erklärung zur Kenntnis genommen, ohne sie zubestreiten.

369.
    Was den angeblich zu sehr eingeschränkten Anwendungsbereich der Bedingung Nr.8 angeht, ist einzuräumen, daß sie nur die Strecken zwischen Frankreich und denanderen Ländern des EWR erfaßt und somit das Angebot der Air France auf denStrecken zwischen zwei anderen Ländern des EWR als Frankreich, auf denStrecken innerhalb eines anderen Landes des EWR als Frankreich und auf denfranzösischen Inlandsstrecken nicht begrenzt. Die Kommission hat jedoch dadurch,daß sie sich auf das Netz Frankreich—EWR beschränkt hat, die Grenzen ihresweiten Ermessens nicht überschritten.

370.
    Sie durfte nämlich den französischen Inlandsmarkt deshalb außer acht lassen, weildie Air France nur eine einzige Inlandsroute betrieb, da die Air Inter das nationalefranzösische Verkehrsunternehmen war — und mittelfristig bleibt —, so daß dieNichtberücksichtigung der französischen Inlandsstrecken nur unbedeutendewirtschaftliche Auswirkungen haben konnte. Das gleiche gilt für die Streckeninnerhalb von anderen Ländern des EWR als Frankreich, da die Staaten des EWR— gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2408/92 und gemäß Nummer 64a.des Kapitels VI des Anhangs XIII zum EWR-Abkommen (Verkehr — Verzeichnisnach Artikel 47, ABl. 1994, L 1, S. 422), geändert durch den Beschluß desGemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 7/94 zur Änderung des Protokolls 47 undbestimmter Anhänge des EWR-Abkommens (ABl. 1994, L 160, S. 1, 87) — nichtverpflichtet waren, vor Ende des Umstrukturierungszeitraums der Air France dieAusübung von Kabotagerechten zuzulassen. Der Betrieb derartiger Strecken konntefolglich als außergewöhnlich und wirtschaftlich unbedeutend angesehen werden.Diese Überlegung gilt auch für den Betrieb der Strecken zwischen zwei anderenLändern des EWR als Frankreich, da die Kommission berechtigt war, diewirtschaftliche Bedeutung einer solchen Tätigkeit ohne irgendeine Anknüpfung anden Knotenpunkt der Air France in Paris außer acht zu lassen.

371.
    Was die Rüge angeht, die Kommission habe die Auswirkungen einer Begrenzungder Kapazitäten der Air France auf die Entwicklung von deren Marktanteilverkannt, ist einzuräumen, daß der Satz in der angefochtenen Entscheidung,wonach „aufgrund der Auflage, daß das Angebot von Air France hinter demMarktzuwachs zurückbleiben muß ... sich ihr Marktanteil innerhalb des EWRzugunsten ihrer Wettbewerber weiter verkleinern“ wird (ABl. S. 87), insoweitunzutreffend erscheinen kann, als der Marktanteil eines Unternehmens nicht vomUmfang seiner Kapazitäten, sondern vom Ausmaß des Einsatzes dieser Kapazitätenabhängt. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß das Angebot der Air France, d. h.

die Kapazitäten der Gesellschaft, gemäß der Bedingung Nr. 8 in der Zahl der Sitzeausgedrückt wird, die der Kundschaft angeboten werden. Mit der Feststellung, daßdieses Angebot hinter dem prognostizierten Marktzuwachs zurückbleiben müsse,hat die Kommission daher nur die Möglichkeiten der Air France einschränkenwollen, sich an diesem Zuwachs zu beteiligen, d. h. den in Anzahl der angebotenenSitze definierten potentiellen Marktanteil der Air France. Die Kommission hat vordem Gericht nämlich ausdrücklich erklärt, daß die der Air France auferlegtenAngebotsbeschränkungen keineswegs die Durchführung desUmstrukturierungsplans hätten behindern sollen. Dieser Plan sieht eine Steigerungder Produktivität der Gesellschaft vor, wobei diese Produktivität sowie dertatsächliche Marktanteil der Air France durch eine Verbesserung des Ladefaktorszunehmen können. Stellt man den streitigen Satz in den Zusammenhang derZielsetzungen der Umstrukturierung der Air France, so kommt daher in ihm keinoffensichtlicher Fehler der Kommission zum Ausdruck.

372.
    Soweit der Kommission schließlich vorgeworfen wird, sie habe der Air Francegestattet, den voraussichtlichen Verkehrszuwachs von 5,5 % zu überschreiten,genügt die Feststellung, daß die Kommission — ohne daß ihr in diesem Punktwidersprochen worden ist — erklärt hat, daß die voraussichtliche Erhöhung desLadefaktors der Air France um 3,8 % sich auf den Umstrukturierungszeitraum vondrei Jahren bezogen und keinen jährlichen Prozentsatz dargestellt habe; dieserhabe sich auf etwa 1,2 % belaufen. Nach der vom Vereinigten Königreichvorgeschlagenen Berechnungsmethode dürfte die Passagierzahl der Air Francefolglich um 3,9 % (1,012 x 1,027 = 1,039) steigen; diese Zahl liegt unter demvoraussichtlichen Zuwachs von 5 % pro Jahr.

373.
    Nach alledem sind die gegen die Bedingung Nr. 8 gerichteten Rügenzurückzuweisen.

f) Zur Bedingung Nr. 9

374.
    Diese Bedingung verpflichtet die französischen Behörden, sich zu vergewissern, daßdie „Air France ... während der Laufzeit des Planes keine Praktiken anwenden[wird], die darin bestehen, für gleichwertige Leistungen auf Verbindungen innerhalbdes europäischen Wirtschaftsraums niedrigere Tarife als ihre Konkurrentenanzubieten“.

Vorbringen der Klägerinnen

375.
    Die Klägerinnen sehen die der Air France auferlegten Beschränkungen bei derPreisgestaltung als wirkungslos an. Der Wortlaut dieser Bedingung lege denGedanken nahe, daß sie nur für die bestehenden Strecken der Air France gelte,d. h. die Strecken, die diese gegenwärtig zwischen Paris und der französischenProvinz zum einen und anderen Zielen innerhalb des EWR zum anderen betreibe.Die Air France biete eine ganze Palette von Werbetarifen an. Da es diese Tarifebereits bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung gegeben habe, könne man

annehmen, daß sie durch die Bedingungen nicht erfaßt würden. Seit Erlaß derangefochtenen Entscheidung habe die Air France weiter ähnliche Werbetarifeangeboten. Auf jeden Fall paßten die Fluggesellschaften ihre durchschnittlichenTarife nicht so sehr in der Weise an, daß sie das Tarifniveau erhöhten odersenkten, sondern dadurch, daß sie den Zugang der Passagiere zu den einzelnenTarifgruppen kontrollierten. Durch eine Erhöhung der Anzahl der zu diesenWerbetarifen angebotenen Sitzplätze könne die Air France daher die Preise radikalsenken. Im übrigen sei es einem Dritten sehr oft unmöglich, die von einemWettbewerber angewendeten Tarife zu erfahren, denn diese seien geheim. Darüberhinaus seien die von den Verkehrsunternehmen auf derselben Strecke angebotenenProdukte so unterschiedlich und so schwer miteinander zu vergleichen, daß es inden meisten Fällen sehr schwierig sei, festzustellen, daß ein bestimmter Tarifniedriger sei als ein anderer.

376.
    Die Air France sei nicht daran gehindert, die Preise dadurch zu drücken, daß sieeine bestimmte Strecke mit einem übermäßigen Angebot überschwemme, sofernsie ihre Kapazitäten auf anderen Strecken vermindere. Schließlich erfasse diebetroffene Bedingung die Tarifpolitik der Air France für die Produkte oderDienstleistungen in anderen mit dem Luftverkehr zusammenhängenden Bereichenwie z. B. der Wartung der Flugzeuge nicht. Ebenso auch sei es unmöglich, zuerfahren, ob der Ausdruck „auf Verbindungen innerhalb des EuropäischenWirtschaftsraums“ die von der Air Charter angebotenen Dienste erfasse.

377.
    Die Maersk-Gesellschaften fügen hinzu, aufgrund der ungenauen Formulierung derBedingung Nr. 9 sei die Air France in der Lage, die Beihilfe zur Einführung undzur Finanzierung von kostspieligeren Dienstleistungen einzusetzen, die dann als„gleichwertiges Angebot“ angeboten würden. Die jüngste Ankündigung einerModernisierung ihres Langstreckendienstes durch die Air France, deren Kosten auf500 Millionen FF geschätzt werde, sei dafür ein typisches Beispiel. DieWettbewerber, die keine staatliche Beihilfe erhielten, müßten daher entwederdurch Einführung höherer Serviceniveaus oder durch Preissenkungen reagieren.Das Königreich Schweden weist außerdem darauf hin, daß die Begriffe „priceleadership“ und „gleichwertiges Angebot“ sehr weit und dadurch eine Quelle vonRechtsunsicherheit seien. Mit diesen Begriffen könne die Air France nicht darangehindert werden, das Angebot von ermäßigten Preisen aufgrund vonKapazitätserhöhungen auf einigen besonderen Strecken zu erhöhen.

378.
    Die Kommission macht geltend, diese Rügen seien nicht begründet.

Würdigung durch das Gericht

379.
    Zunächst ist festzustellen, daß nichts im Wortlaut der Bedingung Nr. 9 dieAuslegung zuläßt, daß diese Bedingung nur für die von der Air France bei Erlaßder angefochtenen Entscheidung bedienten Strecken gilt. Aus diesem Wortlaut gehtvielmehr hervor, daß das Verbot der Preisführerschaft sich auf alle von der Air

France „während der Laufzeit des Planes“ betriebenen Strecken bezieht, wodurchauch die nach dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung neu eröffneten Streckenerfaßt werden.

380.
    Sodann ist festzustellen, daß die Air Charter auf dem Umweg über die BedingungNr. 1 als eine Gesellschaft, an der die Air France mit mehr als 50 % beteiligt ist,ebenfalls durch die Bedingung Nr. 9 erfaßt wird.

381.
    Was die angeblichen Möglichkeiten der Air France angeht, die Bedingungen fürden Zugang zu Werbetarifen zu erleichtern oder bestimmte Strecken mit einemÜberangebot zu überschwemmen, war die Kommission nach Ansicht des Gerichtsberechtigt, diese Möglichkeiten als wenig realistisch anzusehen, da die Air Franceverpflichtet war, unter der Aufsicht der Kommission und der unabhängigenSachverständigen gemäß Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung ihrenUmstrukturierungsplan, der insbesondere die Erhöhung ihrer Produktivität vorsah,vollständig durchzuführen.

382.
    Mit den anderen Rügen wird lediglich geltend gemacht, daß die Bedingung Nr. 9nicht wirksam angewendet werden könne; diese Rügen können daher imvorliegenden Zusammenhang nicht berücksichtigt werden (siehe oben,Randnr. 292).

383.
    Die gegen die Bedignung Nr. 9 gerichteten Rügen sind somit zurückzuweisen.

g) Zur Bedingung Nr. 10

384.
    Diese Bedingung verpflichtet die französischen Behörden, dafür Sorge zu tragen,daß der „Air France ... bei den Verkehrsrechten keine Vorzugsbehandlung zuteil“wird.

Vorbringen der Klägerinnen

385.
    Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Kommission habe diese Bedingung zuUnrecht als wirksam angesehen. Seit dem Inkrafttreten der Verordnung Nr.2408/92 am 1. Januar 1993 sei die Gewährung von Verkehrsrechten nämlich, wasinternationale Strecken innerhalb der Gemeinschaft angehe, und seit dem 1. Juli1994 innerhalb des EWR gegenstandslos geworden. Diese Rechte erhielten dieFluggesellschaften des EWR automatisch. Außerdem beschuldigen die Klägerinnendie französischen Behörden, sie wendeten die Verordnung Nr. 2408/92 nichtordnungsgemäß an und schützten die Interessen der Air France und der Air Inter.

386.
    Die Bedingung gelte nämlich nur für den Betrieb der Inlandsstrecken. Selbst indiesem Fall sei sie weitgehend bedeutungslos, weil die Air France nur eine einzigeInlandslinie betreibe und die nichtfranzösischen Fluggesellschaften des EWR fürden französischen Inlandsmarkt keine Verkehrsrechte zu erhalten brauchten. Aufjeden Fall sei der Zugang dieser Fluggesellschaften zu diesem Markt bis zum 1.

April 1997 eingeschränkt. Außerdem seien die Rechte der Air Inter auf denmeisten gewinnbringenden Strecken nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 2408/92geschützt; danach könnten ausschließliche Genehmigungen auf Inlandsstreckenvorübergehend weiter gelten.

387.
    Selbst wenn die Bedignung rechtsgültig wäre, so wäre sie wirkungslos, denn diePersonen, denen die Gewährung der Verkehrsrechte übertragen worden sei,gehörten entweder zum Verwaltungsrat der Air France oder zum Verwaltungsratder Holding. Dies berge für die konkurrierenden Luftverkehrsunternehmen dieGefahr einer Diskriminierung in sich, die durch eine bloße Bedingung nichtabgewendet werden könne.

388.
    In diesem Zusammenhang erklären die Klägerinnen, die Mitgliedstaaten könntenvon den Fluggesellschaften verlangen, daß diese ihr Betriebsprogramm für einebestimmte Strecke vor der Eröffnung des betreffenden Flugdienstes vorlegten. InFrankreich sei die Annahme oder die Ablehnung von Betriebsprogrammen Sacheder Direction générale de l'aviation civile und des Service du trafic aérien. DieseBehörden könnten eine Fluggesellschaft de facto daran hindern, sich auf die ihrautomatisch zustehenden Verkehrsrechte zu berufen, indem sie die Genehmigungder Betriebsprogramme der Gesellschaft rechtswidrig ablehnten. Die Ereignisse, diezu der (in Randnr. 266 zitierten) Entscheidung 94/290 der Kommission geführthätten, und die Ereignisse, die sich danach zugetragen hätten, veranschaulichtendiesen Punkt. Die Klägerinnen verweisen dabei auf mehrere Schreiben derobengenannten Behörden, in denen solche Ablehnungen der Genehmigung zumAusdruck kämen.

389.
    Auf jeden Fall stünden die Air France, die Direction générale de l'aviation civileund der Service du trafic aérien alle unter der allgemeinen Aufsicht desVerkehrsministers. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes bestätige, daß eineorganische Verbindung zwischen einem Unternehmen, das auf einem Markt imWettbewerb mit andern Unternehmen stehe, und den Stellen, die diesen Marktregulierten, gerade wegen der Gefahr der Diskriminierung, die einem solchenSachverhalt innewohne, gegen Artikel 90 in Verbindung mit Artikel 86 desVertrages verstoße (Urteile vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-202/88,Frankreich/Kommission, Slg. 1991, I-1223, Randnrn. 51 und 52, und vom 27.Oktober 1993 in der Rechtssache C-69/91, Decoster, Slg. 1993, I-5335, Randnrn.12 bis 22).

390.
    Die Kommission macht geltend, diese Rügen seien nicht begründet.

Würdigung durch das Gericht

391.
    Was die verschiedenen Rügen angeht, wonach die Bedingung Nr. 10 zu starkeingeschränkt sei, ist festzustellen, daß die europäischen Fluggesellschaften für dieStrecken zwischen dem EWR und den Zielen außerhalb des EWR, die durch die

Verordnung Nr. 2408/92 nicht erfaßt werden, immer noch Verkehrsrechtebenötigen. Wie die Kommission vor dem Gericht vorgetragen hat, steht die AirFrance auf diesen Strecken im Wettbewerb mit anderen französischenFluggesellschaften wie der TAT, der Euralair, der Corsair, der AOM und der AirLiberté. Die Bedingung Nr. 10 ist folglich für diesen Bereich des Luftverkehrs vonBedeutung. Das gleiche gilt für den durch die Verordnung Nr. 2408/92 erfaßtenVerkehr insoweit, als die nationalen Behörden unabhängig von denVerkehrsrechten im eigentlichen Sinne nach einem förmlichenGenehmigungsverfahren über die Einzelheiten der Anwendung dieser Verordnungentscheiden. Im übrigen haben die Klägerinnen und die zur Unterstützung derAnträge der Klägerinnen dem Verfahren beigetretenen Beteiligten denfranzösischen Behörden ausdrücklich vorgeworfen, die Vorschriften dieserVerordnung mit dem Ziel nicht ordnungsgemäß angewendet zu haben, dieInteressen der Air France und der Air Inter zu schützen.

392.
    Außerdem sind die französischen Behörden zwar aufgrund desDiskriminierungsverbots verpflichtet, der Air France keine Vorzugsbehandlungeinzuräumen, der Nutzen der Bedingung Nr. 10 liegt aber, wie bereits dargelegtworden ist (Randnr. 348), darin, daß sie es der Kommission ermöglicht, unmittelbarden Gerichtshof anzurufen, ohne gezwungen zu sein, vorher das Verfahren desArtikels 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 oder das Verfahren des Artikels 169 desVertrages einzuleiten.

393.
    Die anderen Rügen beziehen sich auf die Gefahr, daß die französischen Behördenaufgrund ihrer engen Beziehungen zur Air France andere Gesellschaften daranhindern könnten, sich auf ihre Verkehrsrechte zu berufen. Mit diesen Rügen wirddaher erneut in Frage gestellt, ob die Bedingung Nr. 10 wirksam angewendetwerden kann; sie können daher im vorliegenden Zusammenhang nicht geprüftwerden (siehe oben, Randnr. 292).

394.
    Die gegen die Bedingung Nr. 10 gerichteten Rügen sind folglich zurückzuweisen.

h) Zur Bedingung Nr. 11

395.
    Durch diese Bedingung werden die französischen Behörden dazu verpflichtet, dafürSorge zu tragen, daß die „Air France ... während der Laufzeit des Planes zwischenFrankreich und den übrigen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums nichtmehr Linienverbindungen betreiben [wird] als im Jahr 1993 (89Linienverbindungen)“.

Vorbringen der Klägerinnen

396.
    Die Klägerinnen sind der Ansicht, diese Bedingung sei wirkungslos, da sie eineHöchstzahl angebe, die es der Air France nicht verbiete, neue Strecken zu eröffnenund andere zu schließen. Darüber hinaus könne die Air France die Zahl der Ziele,die sie anfliege, über die Grenze von 89 hinaus durch „Naßmiete“ und die Zahl der

bedienten Strecken nach Frankreich oder von dort aus durch die Einführungindirekter Strecken über andere Mitgliedstaaten als Verlängerung einigerbestehender Strecken erhöhen, wobei die Strecke London—Paris z. B. zur StreckeLondon—Paris—Rom werde. Mit Blick auf die für 1997 geplante Fusion beginne dieAir Inter bereits, europäische Ziele anzufliegen, die bis jetzt von der Air Francebedient worden seien. Die Air France sei folglich in der Lage, im Rahmen derHöchstzahl von 89 neue Strecken zu eröffnen. Jedesmal wenn die Air France eineneue Strecke eröffnen wolle, genüge es, daß sie eine der Strecken, die sie bediene,der Air Inter übertrage, wobei sie wisse, daß alle ihre europäischen Tätigkeiten aufjeden Fall 1997 fusioniert würden.

397.
    Was die Übertragung von Linien der Air France auf die Air Inter angeht, weisensie auf die Auffassung hin, die der Direktor des Air-France-Konzerns in einem imSeptember 1994 in der Presse erschienenen Artikel zum Ausdruck gebracht habe.Daraus gehe hervor, daß die Air Inter im Laufe der kommenden zwei Jahre eineReihe von Strecken der Air France übernehmen werde: Die Air Inter solle untereigener Flagge die Flüge nach dem Maghreb, der Iberischen Halbinsel,Großbritannien und Irland betreiben. Die Leiter des Konzerns seien der Ansicht,daß sie bei der Durchführung dieser Flaggenwechsel völlig freie Hand hätten, undzwar um so mehr als die Air Inter durch derartige Kapazitätsbeschränkungen nichterfaßt werde.

398.
    Schließlich zeigten die vom Official Airline Guide zusammengestellten Statistiken,daß die Air France im Mai 1994 im EWR nur 64 Strecken betrieben habe. Daß dieKommission eine Beschränkung des Netzes der Air France auf 89 Streckenakzeptiert habe, erlaube dieser folglich, 25 zusätzliche Strecken zwischenFrankreich und anderen Staaten des EWR zu eröffnen. Außerdem erfasse dieBedingung Nr. 11 weder die innerfranzösischen Strecken noch die Streckenzwischen zwei anderen Staaten des EWR als Frankreich.

399.
    Die Kommission, die Französische Republik und die Air France machen geltend,diese Rügen seien nicht begründet.

Würdigung durch das Gericht

400.
    Was die „Naßmiete“ und die Verlängerung bestehender Strecken angeht, istfestzustellen, daß die Kommission vor dem Gericht erklärt hat, daß diese beidenArten von Maßnahmen unter die Bedingung Nr. 11 fielen. Die Klägerinnen habendiese Auslegung zur Kenntnis genommen, ohne ihr zu widersprechen.

401.
    Was die Verweisung auf die Air Inter angeht, genügt der Hinweis, daß dasVerhalten dieser für die Dauer der Umstrukturierung von der Air Franceunabhängigen Gesellschaft im vorliegenden Zusammenhang unerheblich ist, um somehr als die Behauptungen über eine Übertragung von Strecken zwischen der Air

France und der Air Inter auf einen nach dem Erlaß der angefochtenenEntscheidung veröffentlichten Presseartikel gestützt sind.

402.
    Was den Ausschluß der französischen Inlandsstrecken sowie der Strecken zwischenanderen Staaten des EWR als Frankreich angeht, genügt der Hinweis, daß dieKommission zu der Auffassung berechtigt war, daß die wirtschaftlichenAuswirkungen dieser Strecken so unbedeutend waren, daß sie im vorliegendenZusammenhang außer acht gelassen werden konnten (siehe oben, Randnr. 370).

403.
    Was die für die Air France bestehende Möglichkeit betrifft, neue Strecken zueröffnen und andere zu schließen und dabei die Höchstzahl von 89 Streckeneinzuhalten, hat die Kommission zu Recht vor dem Gericht erklärt, daß es nichtihre Absicht habe sein können, die Air France daran zu hindern, auf die Nachfragedes Marktes zu reagieren, sofern alle Bedingungen eingehalten würden. DieDurchführung des Umstrukturierungsplans, mit dem die finanzielle Lebensfähigkeitund die Wettbewerbsfähigkeit der Air France wiederhergestellt werden sollten,wäre nämlich ohne eine solche Flexibilität gefährdet.

404.
    Soweit vorgetragen worden ist, daß die Air France im Mai 1994 im EWR nur 64Strecken betrieben habe, so daß der Umstand, daß die Kommission ein Netz von89 Strecken akzeptiert habe, es der Air France erlaubt habe, 25 zusätzlicheStrecken zu eröffnen, ist das Gericht schließlich der Auffassung, daß dieKommission die Grenzen ihres weiten Ermessens nicht überschritten hat, als sie dieZahl der von der Air France 1993 betriebenen Strecken zugrunde legte, ebenso wiesie im Rahmen der Bedingungen Nrn. 8 und 12 das jeweilige Angebot der AirFrance und der Air Charter auf das 1993 erreichte Niveau begrenzt hat.

405.
    Die gegen die Bedingung Nr. 11 gerichteten Rügen sind folglich zurückzuweisen.

i) Zur Bedingung Nr. 12

406.
    Durch diese Bedingung werden die französischen Behörden dazu verpflichtet, dafürSorge zu tragen, daß das Angebot von Air Charter während der Laufzeit des Planesauf dem Stand von 1993 eingefroren wird (3 047 Sitzplätze und 17 Flugzeuge),wobei jährliche Angebotsaufstockungen entsprechend der Marktzuwachsrate jedochmöglich sind.

Vorbringen der Klägerinnen

407.
    Die Klägerinnen machen geltend, die Begrenzung des Angebots der Air Chartersei nicht wirksam. Die Air Charter sei kein Luftverkehrsunternehmen, sonderneigentlich eine Handelsagentur, deren Tätigkeit darin bestehe, für ReiseveranstalterFlugzeuge zu chartern. Von den 17 von der Air Charter 1993 betriebenenFlugzeugen hätten aber nur acht dem Air-France-Konzern gehört und neun seiengepachtet gewesen. Die Pachtverträge liefen im Jahr 1995 aus. Die Begrenzung desAngebots sei von den französischen Behörden vorgeschlagen und von der

Kommission seinerzeit akzeptiert worden, als die Air Charter den Verpächternbereits mitgeteilt gehabt habe, daß sie ihre Pachtverträge nicht verlängern werde.Die Air Charter dürfe daher neun Ersatzflugzeuge in ihre Flotte aufnehmen unddamit ihre Kapazitäten auf einem Markt, auf dem bereits ein starker Wettbewerbherrsche, potentiell um 20 % bis 25 % erhöhen. Die Verpächter, die neunFlugzeuge zurückerhielten, würden der Air Charter notwendigerweise Konkurrenzmachen; diese sei als Empfängerin der Beihilfe in der Lage, ihre Flugzeuge an dieReiseveranstalter zu künstlich niedrig gehaltenen Preisen zu verpachten.

408.
    Außerdem sehe der Plan keine Umstrukturierungsmaßnahmen der Air Charter vor;trotzdem werde diese einen Teil der Beihilfe erhalten. Demzufolge sei dieBegrenzung des Angebots eine Einladung an eine vom Staat subventionierteGesellschaft, die keinen Umstrukturierungsmaßnahmen unterworfen sei, dieBeihilfe dazu zu verwenden, ihre Flotte zu verdoppeln und auf jeden Fall dasAngebot auf dem französischen Charterflugmarkt zu erhöhen.

409.
    Das Vereinigte Königreich ist der Ansicht, daß die Air France oder die Air Chartereine Verpflichtung hätten eingehen müssen, wonach die Air Charter nur so vieleFlugzeuge kaufen werde, wie zum Ersatz der aufgrund der Nichtverlängerung derPachtverträge verlorenen Kapazitäten erforderlich gewesen seien.

410.
    Die Kommission, die Französische Republik und die Air France machen geltend,diese Rügen seien nicht begründet.

Würdigung durch das Gericht

411.
    Was die Gefahr angeht, daß die Air Charter künstlich niedrige Preise anwendenkönnte, genügt der Hinweis, daß die Gesellschaft, an der die Air France mit mehrals 50 % beteiligt ist, die Genehmigung Nr. 9 einhalten muß, die es ihr verbietet,für eine gleichwertige Leistung niedrigere Tarife als ihre Konkurrenten anzubieten.Die Kommission konnte folglich davon ausgehen, daß die Air Charter ihr Angebotwie jedes andere kommerzielle Unternehmen allein nach den Bedürfnissen desMarktes gestalten würde.

412.
    Sodann ist festzustellen, daß die Bedingung Nr. 12, soweit sie eine Entwicklung desAngebots der Air Charter über das Niveau von 1993 hinaus außer bei einemMarktzuwachs verbietet, nicht zur Folge hat, daß die Gesellschaft ihreBetriebsflotte verdoppeln darf. Wie die Kommission vor dem Gericht vorgetragenhat, war sie in keiner Weise verpflichtet, der Air Charter vorzuschreiben, entwederPachtverträge, die diese aus kommerziellen und finanziellen Gründen geradegekündigt hatte, zu verlängern oder davon abzusehen, Flugzeuge zu ersetzen, fürdie die Pachtverträge ausliefen, was die Air Charter dadurch benachteiligt hätte,daß ihre Betriebsflotte um mehr als 50 % verringert worden wäre.

413.
    Soweit vorgetragen worden ist, daß die Air Charter einen Teil der Beihilfe erhalte,obwohl der Plan für diese Gesellschaft keine Umstrukturierungsmaßnahme vorsehe,genügt die Feststellung, daß der Umstrukturierungsplan der Air France tatsächlichauch den Chartersektor des Air-France-Konzerns erfaßt (S. 22 des Planes) und daßdie Bedingung Nr. 6 auf jeden Fall eine Verwendung für andere Zwecke als fürUmstrukturierungszwecke verbietet.

414.
    Die gegen die Bedingung Nr. 12 gerichteten Rügen sind folglich zurückzuweisen.

j) Zur Bedingung Nr. 13

415.
    Diese Bedingung verpflichtet die französischen Behörden dazu, zu gewährleisten,daß bei „der Übertragung von Sachwerten bzw. der Erbringung vonDienstleistungen durch Air France an Air Charter ... marktübliche Preise zugrundegelegt“ werden.

Vorbringen der Klägerinnen

416.
    Die Klägerinnen sehen diese Bedingung als nicht wirksam an. Zum einen sei esunmöglich, sie umzusetzen, weil der Begriff „marktübliche Preise“ ungenau sei undweil sie verlange, daß die Air France eine ihrer Tochtergesellschaften — derenPräsident zum Leiter der Geschäftstätigkeit der Air France in Frankreich ernanntworden sei — so behandele, als sei sie davon nicht betroffen, während siegleichzeitig einen Teil der Beihilfe erhalte. Im übrigen solle mit dieser Bedingungnicht der Verkauf von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungendurch die Air Charter an bzw. für die Air France kontrolliert werden. Dabeibrauchten daher keine marktüblichen Preise zugrunde gelegt werden.

417.
    Die Kommission macht geltend, diese Rügen seien nicht begründet.

Würdigung durch das Gericht

418.
    Soweit diese Rügen sich darauf beschränken, in Frage zu stellen, daß dieBedingung Nr. 13 wirksam angewendet werden kann, genügt der Hinweis, daß sieim vorliegenden Zusammenhang unbeachtet bleiben müssen (siehe oben, Randnr.292).

419.
    Soweit vorgetragen worden ist, daß diese Bedingung sich weder auf den Verkaufvon Gegenständen noch auf die Erbringung von Dienstleistungen durch die AirCharter an bzw. für die Air France bezogen habe, ist festzustellen, daß dieKommission vor dem Gericht erklärt hat, ohne daß ihr widersprochen worden wäre,daß die Air Charter keine nennenswerten Gegenstände oder Dienstleistungen andie Air France geliefert bzw. für diese erbracht habe. Im übrigen haben dieKlägerinnen in der Rechtssache T-371/94 im Rahmen der Bedingung Nr. 12 selbsteingeräumt, daß die Air Charter kein Luftverkehrsunternehmen sei, sonderneigentlich eine Handelsagentur, deren Tätigkeit darin bestanden habe, Flugzeuge

für Reiseveranstalter zu chartern, und die über etwa 40 Beschäftigte, nicht aberüber Mechaniker oder Flugpersonal verfüge (Nr. 234 der Klageschrift in derRechtssache T-371/94). Unter diesen Umständen war die Kommission berechtigt,die wirtschaftlichen Auswirkungen derartiger Veräußerungen oder Dienstleistungenaußer acht zu lassen.

420.
    Die gegen die Bedingung Nr. 13 gerichteten Rügen sind folglich zurückzuweisen.

k) Zu den Bedingungen Nr. 15 und Nr. 16

421.
    Diese Bedingungen enthalten für die französische Regierung folgendeVerpflichtungen:

—     „Entsprechend der Kommissionsentscheidung vom 27. April 1994 betreffenddie Öffnung der Strecke Orly—London wird die französische Regierung dieRegeln über die Aufteilung des Verkehrs auf das Pariser Flughafensystemin Zusammenarbeit mit der Flughafengesellschaft Aéroports de Paris sobald wie möglich ändern.“

—     „Die französische Regierung wird dafür Sorge tragen, daß die von derFlughafengesellschaft Aéroports de Paris durchgeführten Umbauarbeiten anden zwei Abfertigungsgebäuden in Orly und eine eventuelle Saturierungeines dieser Abfertigungsgebäude die Wettbewerbsverhältnisse nichtzuungunsten der den Flughafen Orly anfliegenden Gesellschaftenverfälschen.“

Vorbringen der Klägerinnen

422.
    Die Klägerinnen tragen vor, die Bedingung Nr. 15 sei nur eine Fiktion gewesen, dadie französischen Behörden offensichtlich nicht die Absicht gehabt hätten, sich nachder Entscheidung vom 27. April 1994 zu richten, was dadurch bewiesen werde, daßsie bereits im Mai 1994 Regeln für die Zuteilung von Verkehrsrechten aufgestellthätten, die offenkundig gegen die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften verstoßenhätten. Außerdem habe die Bedingung Nr. 15 — während die Air France nach derangefochtenen Entscheidung die erste Tranche der Beihilfe sofort habe erhaltendürfen — verlangt, daß der sich aus den Regeln für die Aufteilung des Verkehrs imPariser Flughafensystem ergebende Wettbewerbsvorteil der Air France zu einerZeit habe beseitigt werden sollen, die nur mit den Worten „so bald wie möglich“definiert gewesen sei.

423.
    Die Klägerinnen unterstreichen, daß die Bedingung Nr. 16 illusorisch gewesen sei;sie sei verletzt worden, bevor sie überhaupt aufgestellt worden sei, und zwar wegender diskriminierenden Bedingungen, die für die Verlagerung aller nicht zum Air-France-Konzern gehörenden französischen Gesellschaften von Orly-West nachOrly-Süd und die Zusammenfassung von Air France und Air Inter in Orly-West

gegolten hätten und die bereits vor dem Erlaß der Entscheidung festgelegt wordenseien. Die Flughafengesellschaft Aéroports Paris und die Air France stünden beideunter der Aufsicht des Verkehrsministers. Derartige organisatorische Verbindungenstünden aber aufgrund der ihnen innewohnenden Gefahr der Diskriminierung, diesich daraus ergebe, im Widerspruch zu Artikel 90 in Verbindung mit Artikel 86 desVertrages. Der Plan für die Neugestaltung der Abfertigungsgebäude von Orly seiso gestaltet worden, daß es für die Wettbewerber der Air Inter schwierig undkostspielig werde, von Orly-Süd aus neue Dienste anzubieten. Folglich hätte nurdurch eine grundlegende Änderung des Planes eine Diskriminierung zu Lasten derWettbewerber der Air France vermieden werden können.

424.
    Generell tragen die Klägerinnen zu diesen Bedingungen vor, eine Zusicherung,deren Gegenstand die Einhaltung der Rechtsvorschriften sei, könne nicht als eineden Nebenfolgen der Beihilfe angemessene Gegenleistung angesehen werden, dadie französischen Behörden das Recht auf jeden Fall zu beachten hätten.

425.
    Die Kommission macht geltend, diese Rügen seien nicht begründet.

Würdigung durch das Gericht

426.
    Mit den gegen die Bedingungen Nr. 15 und Nr. 16 gerichteten Rügen wird lediglichgeltend gemacht, diese Bedingungen seien sowohl wirkungslos als auch unnütz. Esgenügt daher der Hinweis, daß Rügen, mit denen lediglich in Frage gestellt wird,ob eine Bedingung für die Genehmigung der Beihilfe wirksam angewendet werdenkann, im vorliegenden Zusammenhang unbeachtet bleiben müssen (siehe oben,Randnr. 292) und, zum anderen, daß der Nutzen dieser Bedingungen — wenn manannimmt, daß die französischen Behörden bereits aufgrund anderergemeinschaftsrechtlicher Vorschriften gehalten sind, die in den Bedingungen Nr.15 und Nr. 16 genannten Verpflichtungen zu beachten — darin besteht, daß sie dieKommission in die Lage versetzen, unmittelbar den Gerichtshof anzurufen, ohneverpflichtet zu sein, vorher ein Verwaltungsverfahren einzuleiten (siehe oben,Randnr. 348).

427.
    Die gegen die Bedingungen Nr. 15 und Nr. 16 gerichteten Rügen sind folglichzurückzuweisen.

428.
    Da keiner der gegen die Bedingungen für die Genehmigung gerichteten Rügenstattgegeben worden ist, ist die Rüge, daß die von der Kommission für die Prüfungder Auswirkungen der Beihilfe gewählte Methode fehlerhaft sei, definitivzurückzuweisen (siehe oben, Randnrn. 295 und 296).

429.
    Nach alledem sind vorbehaltlich der Randnummern 238 bis 280 alle Rügenzurückzuweisen, die darauf gestützt sind, daß die Kommission angeblich Fehlerbegangen hat, als sie zu der Auffassung gelangt ist, daß die Beihilfe zur Förderungder Entwicklung eines gewissen Wirtschaftszweigs bestimmt ist, ohne dieHandelsbedingungen in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise

zu verändern. Insoweit waren die Klägerinnen und die zur Unterstützung ihrerAnträge dem Verfahren beigetretenen Beteiligten in der Lage, ihre Rechtewahrzunehmen, und das Gericht hat seine gerichtliche Kontrolle ausüben können.Die angefochtene Entscheidung entspricht folglich — außer was die Würdigung derAuswirkungen der Beihilfe auf die Wettbewerbsstellung der Air France in bezugauf ihr Streckennetz außerhalb des EWR und auf den diesbezüglichenZubringerluftverkehr angeht — in dieser Hinsicht den Erfordernissen des Artikels190 des Vertrages, so daß die Rüge, die Begründung sei unzureichend,zurückzuweisen ist.

Zu den Rügen in bezug auf die Fehler, die die Kommission begangen haben soll, alssie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß der Umstrukturierungsplan geeignet sei, diewirtschaftliche Lebensfähigkeit der Air France wiederherzustellen

Zur angeblichen generellen Unzulänglichkeit des Umstrukturierungsplans

— Vorbringen der Beteiligten

430.
    Die Klägerinnen und die zur Unterstützung ihrer Anträge dem Verfahrenbeigetretenen Beteiligten beanstanden in allgemeiner Form die Unzulänglichkeitund die mangelnde Genauigkeit des Umstrukturierungsplans. In diesemZusammenhang trägt die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 vor, dieKommission habe in der angefochtenen Entscheidung nicht in geeigneter Weiseangegeben, inwieweit die Beihilfe zur Finanzierung der im Plan enthaltenenunklaren und ungeeigneten Vorschläge erforderlich gewesen sei, und wirft derKommission vor, daß sie nicht auf der Vorlage eines Planes bestanden habe, dergenaue Einzelangaben in bezug auf die zur Herstellung der Lebensfähigkeit der AirFrance erforderlichen Maßnahmen enthalten habe. Die Klägerinnen in den beidenRechtssachen rügen, daß die Kommission es unterlassen habe, die angefochteneEntscheidung mit einer ausreichenden Begründung zu versehen, da sie die vonDritten im Verwaltungsverfahren vorgelegten Erklärungen nicht berücksichtigthabe.

431.
    Die Kommission ist dagegen der Ansicht, daß die angefochtene Entscheidung indiesem Punkt ausreichend begründet sei. Was die materielle Rechtslage angeht,trägt sie vor, sie habe den inneren Zusammenhang und die Wirksamkeit desUmstrukturierungsplans inhaltlich gewürdigt, ohne Beurteilungs- oder Rechtsfehlerzu begehen.

— Würdigung durch das Gericht

432.
    Zunächst ist zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung, was den von der AirFrance ausgearbeiteten und vorgelegten Umstrukturierungsplan angeht, mit einerausreichenden Begründung versehen ist, und zwar insbesondere in Anbetracht der

wesentlichen Rügen, die die Beteiligten im Verwaltungsverfahren erhoben haben(siehe oben, Randnr. 96).

433.
    In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die Beteiligten imVerwaltungsverfahren erklärt haben, daß mit dem Umstrukturierungsplan dieLebensfähigkeit der Air France nicht wiederhergestellt werden könne, weil erungeeignet, unzureichend und zu unbestimmt sei. Er sei noch weniger streng als derfrühere Plan, der „PRE 2“, der bereits im August 1992 als unzureichend angesehenworden sei. Er stelle nicht das dar, was für die Air France notwendig sei, sondernnur das, was für Frankreich annehmbar sei, nachdem der „PRE 2“, der strengerals der streitige Plan gewesen sei, wegen sozialer Proteste zurückgezogen wordensei. Im übrigen müsse die Kommission in diesem Zusammenhang alle von der AirFrance aufgelegten Umstrukturierungspläne berücksichtigen, die sämtlich wegender politischen Lage und der Macht der Gewerkschaften gescheitert seien.

434.
    Die Beteiligten haben unterstrichen, daß der Umstrukturierungsplan keinerleiErfolgsaussichten habe, wenn es nicht möglich sei, das überzählige Personal zuentlassen, die Löhne und Gehälter zu kürzen und das Personal zuProduktionssteigerungen zu verpflichten. Der einzige realistische Weg zur Senkungder Kosten der Air France, nämlich eine Steigerung der Produktivität desPersonals, werde aber auf freiwilliger Basis ins Auge gefaßt. Es sei daher höchstunwahrscheinlich, daß die erhoffte Produktivitätssteigerung von 30 % erreichtwerde. Der Plan empfehle keine Reduzierung des Besitzstandes der Arbeitnehmerder Air France. Er sehe nur die Streichung von 5 000 Stellen in drei Jahren vor,während die Lufthansa 8 000 in zwei Jahren und die British Airways 4 000 in einemJahr gestrichen hätten. Außerdem werde in dem Plan die Überkapazitätskrise imLuftverkehrssektor in der Gemeinschaft nicht berücksichtigt; es werde sogar eineErweiterung der Flotte und der Kapazitäten ins Auge gefaßt.

435.
    Sie haben hinzugefügt, daß der im Plan als staatliche Beihilfe vorgesehene Betragvon 20 Milliarden FF nicht klar gewesen sei. Unter Verweisung auf einen Artikelin der Presse haben sie festgestellt, daß es Indizien für einen Mangel an Klarheitin der Buchführung der Air France gegeben habe. Die Kommission müsse dafürsorgen, daß die Rechnungslegung der Air France in diesem Zusammenhang nichtsverberge. Im übrigen habe der Präsident der Air France im Februar 1994 in einemPresseartikel erklärt, daß die Gesellschaft Ende März 8 Milliarden FF erhaltensolle; im Rahmen des PRE 2 sei ein Betrag von 5 Milliarden FF in der Diskussiongewesen.

436.
    Schließlich werde im Umstrukturierungsplan niemals der Air-France-Konzernerwähnt, und es würden dem Konzern insgesamt keinerlei Beschränkungenauferlegt. Der Plan beziehe sich nur auf die Air France und nehme keinen Bezugauf die zukünftigen Absichten des Konzerns hinsichtlich der Air Inter. Die Air Intermüsse aber umstrukturiert werden. Die Kommission müsse daher verlangen, daßder Plan auch die Geschäftstätigkeit der Air Inter und der Air Charter erfasse.

437.
    In Anbetracht dieser Erklärungen weist das Gericht darauf hin, daß dieKommission in der angefochtenen Entscheidung die Geschichte der verschiedenenvon der Air France zur Bewältigung ihrer Finanzprobleme verabschiedetenUmstrukturierungspläne aufzeichnet. So habe die Air France im September 1991einen ersten Umstrukturierungsplan verabschiedet („CAP'93“), der u. a. eineKapitalzuführung in Höhe von 5,8 Milliarden FF vorgesehen habe. Im Oktober1992 habe der Air-France-Konzern, nachdem er eine erneute Verschlechterungseiner Finanzlage festgestellt habe, einen zweiten Umstrukturierungsplan(„PRE 1“) verabschiedet, der sich jedoch in den ersten Monaten des Jahres 1993als ungeeignet zur Verbesserung der Lage des Konzerns erwiesen habe und daheraufgegeben worden sei. Im September 1993 sei ein dritter Plan („PRE 2“)aufgelegt worden und dann wegen seiner Ablehnung durch die Gewerkschaftenzugunsten des „Planes“ zurückgezogen worden (ABl. L 74). Was den streitigenUmstrukturierungsplan angeht, erklärt die Kommission, daß er von der Air Franceauf der Grundlage eines von der Unternehmensberatungsfirma Lazard Frèresausgearbeiteten Papiers erstellt worden sei, in dem auch der zur Wiederherstellungder Finanzstruktur und der Rentabilität der Air France erforderlicheRekapitalisierungsbetrag festgelegt worden sei. Dieser Plan, dessen Ziel zwischendem 1. Januar 1994 und dem 31. Dezember 1996 habe erreicht werden sollen, seheeine Erhöhung der Produktivität der Air France um 30 % vor (ABl. S. 75).

438.
    Anschließend beschreibt und präzisiert die Kommission die wesentlichen Linien desPlanes, nämlich die Senkung der Kosten und der finanziellen Aufwendungen (durcheinen Abbau der Investitionen, eine Senkung der Betriebskosten und einerSteigerung der Produktivität sowie eine Senkung der Finanzierungskosten), dieÄnderung der Produktkonzeption und den besseren Betriebsmitteleinsatz(insbesondere durch kommerzielle Initiativen auf der Ebene der Flotte und desStreckennetzes), die Neuorganisation der Gesellschaft und die Beteiligung derAngestellten. Die Kommission fügt hinzu, daß die Umsetzung des Planes über dieKapitalerhöhung und die Veräußerung von nicht zum Kernbereich gehörendenVermögensteilen finanziert werden solle (ABl. S. 75 und 76).

439.
    Was die Bewertung der Tragfähigkeit des Umstrukturierungsplans angeht, vertrittdie Kommission die Ansicht, daß der Plan mehrere Maßnahmen umfasse, die füreinen echten Willen zur Umstrukturierung der Gesellschaft sprächen. Insbesondereerkennt sie den großen Umfang der im Sozialbereich gemachten Anstrengungenan (Einfrieren der Löhne und Gehälter, Beförderungsstop, bessere Nutzung derArbeitszeit, Ausgabe von Gratisaktien an die Belegschaft zum Ausgleich vonLohnkürzungen). Das betroffene Personal habe das Programm in einerAbstimmung gebilligt. Nach der Billigung des Planes durch die Gewerkschaftenerklärt sich die Kommission davon überzeugt, daß die im Plan vorgesehenenMaßnahmen in vollem Umfang angenommen und erfolgreich umgesetzt werdenkönnten (ABl. S. 82).

440.
    Ferner sieht die Kommission die Umstrukturierung der Gesellschaft im Profit-Center, mit der das Unternehmen von Grund auf rationalisiert werden soll, als eineder Stärken des Planes an. Sie ist der Ansicht, durch die im Plan vorgesehenenProduktivitätssteigerungen werde die Air France, verglichen mit anderenFluggesellschaften, „guter Durchschnitt“ werden, wobei die Kommission angibt, daßsie ihre Analyse auf einen Vergleich der Werte des Effizienzindikators ERPKstütze. Nach einer Erklärung des Funktionierens dieser Maßeinheit stellt dieKommission fest, daß die Produktivität der Air France während desUmstrukturierungszeitraums um 33,3 % steigen werde. Der 1996 erreichte Wertwerde höher als der geschätzte Durchschnittswert der sieben anderen großeneuropäischen Fluggesellschaften sein (Lufthansa, British Airways, KLM, Alitalia,Iberia, SAS und Swissair). Im Ergebnis ist die Kommission der Ansicht, daß mitdem Plan die wirtschaftliche und finanzielle Lebensfähigkeit der Air Francewiederhergestellt werden könne, um so mehr als die französische Regierungzugesichert habe, daß die Air France nach kaufmännischen Grundsätzen geführtund wie ein normales Unternehmen behandelt werden solle (ABl. S. 83).

441.
    Nach Ansicht des Gerichts gibt diese Begründung eine angemessene Antwort aufdie Erklärungen der Beteiligten und macht die Argumentation der Kommission,was die allgemeinen Gesichtspunkte des Umstrukturierungsplans angeht,hinreichend deutlich. Sie zeigt nämlich, daß die Kommission die früherenUmstrukturierungspläne, mit denen die Lage der Air France nicht hatte verbessertwerden können, nicht außer acht gelassen hat. Insbesondere erwähnt dieKommission, daß der Plan „PRE 2“ gescheitert war, weil er weder vom Personalder Air France noch von den Gewerkschaften angenommen worden war, währendder neue Plan von ihnen gebilligt worden ist. Es liegt aber auf der Hand, daß nurein durchführbarer Umstrukturierungsplan, auch wenn er weniger streng als einfrüherer nicht durchführbarer Plan ist, Aussichten auf Erfolg haben kann. DieKommission war folglich nicht verpflichtet, ihre Begründung in diesem Punkt zuvertiefen.

442.
    Was die Frage angeht, ob die im Umstrukturierungsplan angeführten Maßnahmenausreichen, um die angestrebten Ziele der Rationalisierung und Entschuldung zuerreichen, genügt die Beschreibung der geplanten Maßnahmen und die Einführungdes Kontrollmechanismus, den die Kommission gemäß den Artikeln 1 und 2 derangefochtenen Entscheidung einsetzen kann, um auf der Ebene der Begründungdarzulegen, daß die Kommission zum einen an die Möglichkeit der Durchführungdes Umstrukturierungsplans glaubt und zum andern sich die als geeignetangesehenen Mittel für den Fall vorbehält, daß die Durchführung des Planesgefährdet sein sollte. Wenn die in Artikel 1 genannten Bedingungen nichteingehalten würden, könnte die Kommission nämlich gemäß Artikel 93 Absatz 2Unterabsatz 2 des Vertrages den Gerichtshof unmittelbar anrufen (siehe oben,Randnr. 348). Darüber hinaus stellt die effektive Durchführung des Planes nachArtikel 2 eine Voraussetzung für die Zahlung der zweiten und der dritten Trancheder Beihilfe dar.

443.
    In Anbetracht dieses Rahmens des Umstrukturierungsplans war die Kommissionnicht verpflichtet, spezifische Erläuterungen in Form eines Vergleichs des Planesder Air France mit den Umstrukturierungsplänen anderer Fluggesellschaften wieder Lufthansa und der British Airways vorzulegen. Diese Pläne betrafen nämlichandere zu unterschiedlichen Zeiten umstrukturierte Gesellschaften.

444.
    Die Rüge, daß es der Buchführung der Air France an Klarheit fehle, ist auf keintatsächliches Indiz gestützt. In dieser Rüge wird lediglich auf einen Artikel in derPresse verwiesen, wobei die Kommission aufgefordert wird, dafür zu sorgen, daßdie Rechnungslegung der Air France in dieser Hinsicht nichts verberge. DieKommission war daher nicht verpflichtet, sich ausdrücklich zu diesemGesichtspunkt zu äußern und insbesondere anzugeben, ob sie dieser Aufforderungnachgekommen war.

445.
    Soweit geltend gemacht worden ist, daß der streitige Umstrukturierungsplan sichnicht auf die Gesellschaft Air France habe beschränken dürfen, sondern auch dieanderen Gesellschaften des Konzerns habe erfassen müssen, genügt dieFeststellung, daß die Kommission einem Mitgliedstaat nicht aufgeben kann, einenUmstrukturierungsplan für eine Gesellschaft aufzustellen, die nach Auffassungdieses Staates einer Umstrukturierung nicht bedarf. Die Frage, ob und inwieweitdie Kommission bei der Prüfung und Genehmigung eines Planes, der dieUmstrukturierung einer zu einem Konzern gehörenden Gesellschaft betrifft,gegebenenfalls die anderen Gesellschaften des Konzerns berücksichtigen muß, istjedoch nicht erheblich für die Begründung der angefochtenen Entscheidung inbezug darauf, ob der betroffene Umstrukturierungsplan, der auf die GesellschaftAir France beschränkt ist, ausreichend ist. Die die Beteiligung des gesamtenKonzerns betreffenden Fragen sind oben in anderem Zusammenhang behandeltworden (Randnrn. 298 bis 324). Das gleiche gilt für die spezielle Frage derKapazitäten der Air France, die ebenfalls im Vorstehenden besonders geprüftworden ist (Randnrn. 357 bis 373).

446.
    Die Begründung dieses Teils der angefochtenen Entscheidung entspricht folglichden Erfordernissen des Artikels 190 des Vertrages.

447.
    Was die Rügen angeht, die in allgemeiner Form auf die Unzulänglichkeit und diemangelnde Genauigkeit des Umstrukturierungsplans gestützt werden, genügt derHinweis, daß die Kommission bei der Bewertung eines Planes zurUmstrukturierung eines Unternehmens in wirtschaftlichen und finanziellenSchwierigkeiten über ein weites Ermessen verfügt, wobei diese Bewertung sich imübrigen oft auf vertrauliche Daten bezieht, die den Wettbewerbern desbetreffenden Unternehmens nicht zugänglich sind. Das Gericht kann folglich nurdann, wenn ein besonders offensichtlicher und schwerer Fehler der Kommission beider Beurteilung eines solchen Planes vorliegt, die Genehmigung einer staatlichenBeihilfe zur Finanzierung einer solchen Umstrukturierung beanstanden. Imvorliegenden Fall ist aber das Vorliegen eines derartigen Fehlers nicht dargetan

worden. Das Gericht erinnert jedoch daran, daß es nicht in der Lage war, die vonder Air France zu erreichenden Produktivitätsziele unter dem besonderenGesichtspunkt der Fluglinien außerhalb des EWR zu prüfen, da die angefochteneEntscheidung in diesem Punkt einen Begründungsmangel aufweist (siehe oben,Randnr. 280).

448.
    Unter dem letztgenannten Vorbehalt sind die Rügen gegen die Genehmigung desUmstrukturierungsplans der Air France durch die Kommission zurückzuweisen.

449.
    Unter diesen Umständen ist die Rüge, mit der die Klägerinnen in der RechtssacheT-371/94 geltend machen, mit diesem Plan solle in Wirklichkeit nicht dieLebensfähigkeit der Air France wiederhergestellt werden, sondern es sollten Zieleder Regierung verwirklicht werden, sachlich und rechtlich unbegründet.

Zu den sonstigen Rügen

450.
    Die Klägerinnen und die zur Unterstützung ihrer Anträge dem Verfahrenbeigetretenen Beteiligten machen geltend, der Umstrukturierungsplan der AirFrance schließe zu Unrecht die Berücksichtigung der Gesellschaft Air Inter, denVerkauf eines Maximums von nicht zum Luftverkehr gehörenden Aktiva und eineglobale Reduzierung der Kapazitäten aus. Außerdem sei dieser Plan weitgehendauf den Indikator ERPK gestützt, mit dem die Produktivität der Air Francegemessen werden solle, obwohl diese Maßeinheit dafür nicht geeignet sei. Fernerseien die im Umstrukturierungsplan der Air France vorgesehenen Maßnahmen vielweniger streng als die von anderen Fluggesellschaften getroffenen.

451.
    In diesem Zusammenhang genügt es, auf das oben im Rahmen der Prüfunganderer Rügen Gesagte zu verweisen, um zum Ergebnis zu gelangen, daß keine deroben genannten gegen den Umstrukturierungsplan der Air France gerichtetenRügen anerkannt werden kann.

452.
    Soweit die Klägerinnen und die zur Unterstützung ihrer Anträge dem Verfahrenbeigetretenen Beteiligten der Kommission vorwerfen, sie habe zu Unrecht denKauf von 17 neuen Flugzeugen als Bestandteil des Umstrukturierungsplansgenehmigt, erinnert das Gericht daran, daß es nicht in der Lage ist, diese Rüge zuprüfen, weil es an einer Begründung in bezug auf die Finanzierung dieserInvestition und deren Rechtsnatur fehlt.

III — Zu dem Klagegrund, es liege ein Verstoß gegen Artikel 155 des Vertrages vor

453.
    Soweit die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 vorträgt, die Kommission habedadurch, daß sie die Artikel 92 und 93 des Vertrages nicht richtig angewendethabe, auch gegen Artikel 155 des Vertrages verstoßen, ist festzustellen, daß sich beider Prüfung des Vorbringens der Klägerinnen und der zur Unterstützung ihrerAnträge dem Verfahren beigetretenen Beteiligten kein Beurteilungs- oderRechtsfehler bei der Anwendung der Artikel 92 und 93 gezeigt hat. Außerdem soll

Artikel 155 des Vertrages die Befugnisse der Kommission allgemein festlegen.Daher kann nicht behauptet werden, daß jedesmal dann, wenn die Kommissiongegen eine spezielle Vorschrift des Vertrages verstößt, dieser Verstoß auch einenVerstoß gegen die generelle Vorschrift des Artikels 155 nach sich zieht. DieserKlagegrund ist daher auf jeden Fall zurückzuweisen.

IV — Ergebnis

454.
    Die Prüfung des gesamten Vorbringens in den vorliegenden Rechtsstreitigkeiten hatergeben, daß die angefochtene Entscheidung in zwei Punkten einenBegründungsmangel aufweist, nämlich in bezug auf den Kauf von 17 neuenFlugzeugen für einen Betrag von 11,5 Milliarden FF (siehe oben, Randnrn. 84 bis120) und in bezug auf die Stellung der Air France im Wettbewerb auf ihremStreckennetz außerhalb des EWR mit dem entsprechenden Zubringerluftverkehr(siehe oben, Randnrn. 238 bis 280). Diese beiden Punkte sind von wesentlicherBedeutung in der allgemeinen Systematik der angefochtenen Entscheidung. DieseEntscheidung ist folglich für nichtig zu erklären. Unter diesen Voraussetzungenbraucht über den Antrag der Klägerin in der Rechtssache T-394/94 auf Vorlagealler sachdienlichen Akten und Papiere, über die die Kommission verfügt, nichtmehr entschieden zu werden.

Kosten

455.
    Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei aufAntrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihremVorbringen unterlegen ist und die Klägerinnen sowie die Streithelferinnen Maerskdies beantragt haben, ist die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

456.
    Gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Französische Republik,das Königreich Dänemark, das Vereinigte Königreich, das Königreich Schweden,das Königreich Norwegen und die Air France ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.    Die Rechtssachen T-371/94 und T-394/94 werden zu gemeinsamerEntscheidung verbunden.

2.    Die Entscheidung 94/653/EG der Kommission vom 27. Juli 1994 über dieangemeldete Kapitalerhöhung von Air France wird für nichtig erklärt.

3.    Die Kommission trägt die Kosten einschließlich der Kosten derStreithelferinnen Maersk Air I/S und Maersk Air Ltd.

4.    Die Compagnie nationale Air France, die Französische Republik, dasKönigreich Dänemark, das Vereinigte Königreich Großbritannien undNordirland, das Königreich Schweden und das Königreich Norwegen tragenihre eigenen Kosten.

Bellamy                Lenaerts                    Briët

        Kalogeropoulos                Potocki

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 25. Juni 1998.

Der Kanzler

Der Präsident

H. Jung

A. Kalogeropoulos

Inhaltsverzeichnis

    Den Klagen und den Verfahren zugrunde liegender Sachverhalt

II - 4

        Verwaltungsverfahren

II - 4

        Die angefochtene Entscheidung

II - 5

        Gerichtliche Verfahren

II - 9

    Anträge der Beteiligten

II - 11

    Zur Begründetheit

II - 12

        I —     Zu den einen nicht ordnungsgemäßen Ablauf des Verwaltungsverfahrensbetreffenden Rügen

II - 13

                Vorbringen der Beteiligten

II - 13

                Würdigung durch das Gericht

II - 17

                    Allgemeines

II - 17

                    Die Mitteilung vom 3. Juni 1994

II - 19

                    Die Dauer der Prüfung

II - 21

                    Die externen Sachverständigen

II - 21

                    Der Übersetzungsfehler

II - 22

                    Die Beteiligung der anderen Mitgliedstaaten

II - 22

                    Ergebnis

II - 22

        II —     Zu den Rügen, die sich auf die Beurteilungsfehler und Rechtsfehler stützen,die die Kommission unter Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe cdes Vertrages und Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommensbegangen haben soll

II - 23

                    Allgemeines

II - 23

                    Zu den auf einen Verstoß gegen den für staatliche Beihilfen geltendenVerhältnismäßigkeitsgrundsatz gestützten Rügen

II - 24

                    A —     Zur Rüge, daß die Kommission zu Unrecht die Anschaffung von17 neuen Flugzeugen durch die Air France genehmigt habe

II - 24

                        Vorbringen der Beteiligten

II - 24

                        Würdigung durch das Gericht

II - 26

                    B —    Zur Rüge, die Kommission habe zu Unrecht die Finanzierung vonBetriebskosten und von operativen Maßnahmen der Air Francegenehmigt

II - 34

                        Vorbringen der Beteiligten

II - 34

                        Würdigung durch das Gericht

II - 37

                    C —    Zur Rüge der fehlerhaften Klassifizierung der von der Air Francezwischen 1989 und 1993 ausgegebenen Wertpapiere

II - 40

                        Vorbringen der Beteiligten

II - 40

                        Würdigung durch das Gericht

II - 43

                    D —    Zu der Rüge, die Kommission habe den Verschuldungsgrad vonAir France verkannt

II - 46

                        Vorbringen der Beteiligten

II - 46

                        Würdigung durch das Gericht

II - 48

                    E —    Zu der Rüge, die Kommission habe es zu Unrecht unterlassen, denVerkauf von Vermögensteilen der Air France zu verlangen, diehätten veräußert werden können

II - 51

                        Vorbringen der Beteiligten

II - 51

                        Würdigung durch das Gericht

II - 58

                Zu der Rüge, die Kommission habe fehlerhaft gehandelt, als sieangenommen habe, daß die Beihilfe zur Förderung der Entwicklung eines

bestimmten Wirtschaftszweigs bestimmt sei, ohne die Handelsbedingungenin eine dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise zu verändern

II - 65

                    A —    Zu der Rüge, die Kommission habe zu Unrecht eine Beihilfegenehmigt, die nicht der Entwicklung eines bestimmtenWirtschaftszweigs, sondern derjenigen eines einzelnenUnternehmens diene

II - 65

                        Vorbringen der Beteiligten

II - 65

                        Würdigung durch das Gericht

II - 65

                    B —     Zur Rüge, die Kommission habe zu Unrecht eine Beihilfegenehmigt, die die Handelsbedingungen in einer dem gemeinsamenInteresse zuwiderlaufenden Weise verändere

II - 66

                        Vorbringen der Beteiligten

II - 66

                        Würdigung durch das Gericht

II - 72

                        1.    Zur Begründung

II - 72

                        2.    Zur Begründetheit

II - 80

                        a) Zur Bedingung Nr. 1

II - 84

                        Vorbringen der Klägerinnen

II - 85

                        Würdigung durch das Gericht

II - 88

                        b) Zur Bedingung Nr. 3

II - 92

                        Vorbringen der Klägerinnen

II - 92

                        Würdigung durch das Gericht

II - 94

                        c) Zur Bedingung Nr. 6

II - 97

                        Vorbringen der Klägerinnen

II - 97

                        Würdigung durch das Gericht

II - 97

                        d) Zur Bedingung Nr. 7

II - 98

                        Vorbringen der Klägerinnen

II - 98

                        Würdigung durch das Gericht

II - 98

                        e) Zur Bedingung Nr. 8

II - 99

                        Vorbringen der Klägerinnen

II - 99

                        Beurteilung durch das Gericht

II - 101

                        f) Zur Bedingung Nr. 9

II - 104

                        Vorbringen der Klägerinnen

II - 104

                        Würdigung durch das Gericht

II - 105

                        g) Zur Bedingung Nr. 10

II - 106

                        Vorbringen der Klägerinnen

II - 106

                        Würdigung durch das Gericht

II - 107

                        h) Zur Bedingung Nr. 11

II - 108

                        Vorbringen der Klägerinnen

II - 108

                        Würdigung durch das Gericht

II - 109

                        i) Zur Bedingung Nr. 12

II - 110

                        Vorbringen der Klägerinnen

II - 110

                        Würdigung durch das Gericht

II - 111

                        j) Zur Bedingung Nr. 13

II - 112

                        Vorbringen der Klägerinnen

II - 112

                        Würdigung durch das Gericht

II - 112

                        k) Zu den Bedingungen Nr. 15 und Nr. 16

II - 113

                        Vorbringen der Klägerinnen

II - 113

                        Würdigung durch das Gericht

II - 114

                Zu den Rügen in bezug auf die Fehler, die die Kommission begangen habensoll, als sie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß der Umstrukturierungsplangeeignet sei, die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Air Francewiederherzustellen

II - 115

                    Zur angeblichen generellen Unzulänglichkeit desUmstrukturierungsplans

II - 115

                        — Vorbringen der Beteiligten

II - 115

                        — Würdigung durch das Gericht

II - 115

                    Zu den sonstigen Rügen

II - 120

        III —    Zu dem Klagegrund, es liege ein Verstoß gegen Artikel 155 des Vertragesvor

II - 120

        IV —     Ergebnis

II - 121

    Kosten

II - 121


1: Verfahrenssprache: Englisch.