Language of document : ECLI:EU:T:2023:432

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

26. Juli 2023(*)

„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Unionswortmarke Sütat – Absoluter Nichtigkeitsgrund – Beschreibender Charakter – Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung [EU] 2017/1001) – Anspruch auf rechtliches Gehör“

In der Rechtssache T‑315/22,

Yayla Türk Lebensmittelvertrieb GmbH mit Sitz in Krefeld (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte J. Bühling und D. Graetsch,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch E. Markakis als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Marmara Import-Export GmbH mit Sitz in Ratingen (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwältin T. Moll,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten F. Schalin sowie der Richter I. Nõmm und D. Kukovec (Berichterstatter),

Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2023

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage gemäß Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Yayla Türk Lebensmittelvertrieb GmbH, die Aufhebung und Abänderung der Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 2. März 2022 (Sache R 1184/2021‑5) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 17. Juni 2020 beantragte die Streithelferin, Marmara Import-Export GmbH, beim EUIPO die Nichtigerklärung der Unionsmarke, die infolge der Anmeldung vom 12. Oktober 2006 für das Wortzeichen Sütat eingetragen worden war.

3        Die Nichtigerklärung wurde in Bezug auf von der angegriffenen Marke erfasste „Milchprodukte“ der Klasse 29 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung beantragt.

4        Der Antrag auf Nichtigerklärung wurde auf die in Art. 59 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, c und d dieser Verordnung genannten Nichtigkeitsgründe gestützt.

5        Am 3. Mai 2021 wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag auf Nichtigerklärung zurück.

6        Am 6. Juli 2021 legte die Streithelferin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung beim EUIPO Beschwerde ein.

7        Mit der angefochtenen Entscheidung gab die Beschwerdekammer dieser Beschwerde statt und erklärte die angegriffene Marke für nichtig, weil sie entgegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung 2017/1001 eingetragen worden sei. Für Milchprodukte sei diese Marke in den Augen der maßgeblichen türkischsprachigen Verkehrskreise in der Union beschreibend und nicht unterscheidungskräftig. Insbesondere nahm die Beschwerdekammer erstens an, die maßgeblichen türkischsprachigen Verkehrskreise in der Union würden in der angegriffenen Marke die türkischen Wörter „süt“ und „tat“, also „Milch“ und „Geschmack“ erkennen. Sie kam im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass das Zeichen insgesamt auf mit dem Geschmack von Milch verbundene Begriffe verweise und daher für Milchprodukte beschreibend sei. Zweitens ging die Beschwerdekammer davon aus, dass die angegriffene Marke nicht geeignet sei, auf die betriebliche Herkunft der in Rede stehenden Waren hinzuweisen, da sie lediglich auf die Art und Beschaffenheit dieser Waren hinweise.

 Anträge der Beteiligten

8        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        den Antrag auf Nichtigerklärung der angegriffenen Marke zurückzuweisen oder, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung an das EUIPO zurückzuverweisen;

–        dem EUIPO die Kosten des Verfahrens einschließlich der im Beschwerdeverfahren angefallenen Kosten aufzuerlegen.

9        Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        im Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

10      Die Streithelferin beantragt im Wesentlichen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Bestimmung der zeitlich anwendbaren Verordnung

11      Da für die Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts der Zeitpunkt der in Rede stehenden Anmeldung, d. h. der 12. Oktober 2006, maßgeblich ist, sind auf den Rechtsstreit die materiell-rechtlichen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke [ABl. 2009, L 78, S. 1] in geänderter Fassung, die ihrerseits durch die Verordnung 2017/1001 ersetzt wurde) anwendbar (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. Oktober 2004, Alcon/HABM, C‑192/03 P, EU:C:2004:587, Rn. 39 und 40, sowie Urteil vom 23. April 2020, Gugler France/Gugler und EUIPO, C‑736/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:308, Rn. 3 und die dort angeführte Rechtsprechung), was das EUIPO übrigens in seiner Klagebeantwortung einräumt.

12      Folglich sind im vorliegenden Fall, was die materiell-rechtlichen Vorschriften betrifft, die Bezugnahmen der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung sowie der Klägerin und des EUIPO in ihren Schriftsätzen auf die Bestimmungen der Verordnung 2017/1001 als Bezugnahmen auf die inhaltlich identischen Bestimmungen der Verordnung Nr. 40/94 zu verstehen.

13      Im Übrigen unterliegt der Rechtsstreit den Verfahrensvorschriften der Verordnung 2017/1001, da nach ständiger Rechtsprechung bei Verfahrensvorschriften im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass sie ab dem Datum ihres Inkrafttretens Anwendung finden (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, EU:C:2012:781, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zu den erstmals vor dem Gericht vorgelegten Unterlagen

14      Das EUIPO und die Streithelferin bestreiten die Zulässigkeit des der Klageschrift als Anlage K8 beigefügten Sachverständigengutachtens, weil dieses erstmals vor dem Gericht vorgelegt worden sei.

15      Auf entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin, sie halte die Anlage K8 zur Klageschrift für zulässig.

16      Festzustellen ist, dass das der Klageschrift als Anlage K8 beigefügte Sachverständigengutachten gemäß den Akten nicht bereits im Verfahren vor dem EUIPO, sondern erstmals vor dem Gericht vorgelegt wurde. Dasselbe gilt für die Anlage K9, die den Lebenslauf des Verfassers dieses Sachverständigengutachtens enthält.

17      Somit können die erstmals vor dem Gericht vorgelegten Anlagen K8 und K9 nicht berücksichtigt werden. Denn die Klage beim Gericht ist auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des EUIPO erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 72 der Verordnung 2017/1001 gerichtet, so dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt zu überprüfen. Daher sind die erwähnten Schriftstücke außer Betracht zu lassen, ohne dass ihre Beweiskraft geprüft zu werden braucht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, EU:T:2005:420, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zur Begründetheit

18      Die Klägerin führt im Wesentlichen drei Klagegründe an, und zwar erstens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001), zweitens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b derselben Verordnung (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) und drittens eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

 Zur Zulässigkeit des Vorbringens der Klägerin

19      Die Streithelferin hält das Vorbringen der Klägerin, insbesondere die Ausführungen in den Rn. 20, 21, 25, 32, 33, 42 und 46 der Klageschrift, für unzulässig, da sie auf einer pauschalen Bezugnahme auf das Vorbringen vor den Instanzen des EUIPO beruhten.

20      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Streithelferin insoweit nur vage und allgemeine Argumente vorbringt, ohne genau und detailliert anzugeben, worin ihre Beanstandung der Zulässigkeit der klägerischen Ausführungen besteht.

21      Richtig ist, dass der Text der Klageschrift zwar durch Bezugnahmen auf bestimmte Abschnitte beigefügter Schriftstücke untermauert werden kann, das Gericht aber nicht verpflichtet ist, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion. Daher ist der pauschale Verweis auf die beim EUIPO eingereichten Schriftstücke in einer Klageschrift unzulässig, soweit keine Verknüpfung mit den in dieser Klageschrift enthaltenen Klagegründen und Argumenten möglich ist (vgl. Urteil vom 22. Juni 2017, Biogena Naturprodukte/EUIPO [ZUM wohl], T‑236/16, EU:T:2017:416, Rn. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Entgegen den Ausführungen der Streithelferin enthält die Klageschrift keine pauschale Bezugnahme auf die beim EUIPO vorgelegten Schriftsätze, die nicht dem Vorbringen und den Argumenten aus der Klageschrift zugeordnet werden könnten.

23      Zudem kann gemäß der Rechtsprechung allein die Tatsache, dass die Klägerin bestimmte Passagen ihrer beim EUIPO eingereichten Schriftsätze wiederverwendet, nicht zur Unzulässigkeit der Klageschrift führen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. März 2022, Distintiva Solutions/EUIPO – Makeblock [Makeblock], T‑86/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:107, Rn. 23).

24      Was im Übrigen die Bezugnahme auf die Anlagen K8 und K9 zur Klageschrift in Rn. 42 der Klageschrift angeht, ist darauf hinzuweisen, dass diese in jedem Fall unzulässig sind, weil sie erstmals vor dem Gericht vorgelegt wurden (siehe oben, Rn. 14 bis 17).

25      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist die von der Streithelferin geltend gemachte Einrede der Unzulässigkeit in Bezug auf die oben in Rn. 19 angegebenen Ausführungen zurückzuweisen.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94

26      In ihrem ersten Klagegrund rügt die Klägerin, dass die Beschwerdekammer mit ihrer Feststellung, dass die angemeldete Marke für die in Rede stehenden Waren beschreibend sei, gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen habe.

27      Das EUIPO, unterstützt von der Streithelferin, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

28      Die Unionsmarke wird gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 auf Antrag beim EUIPO u. a. dann für nichtig erklärt, wenn sie entgegen den Vorschriften von Art. 7 dieser Verordnung eingetragen worden ist. Von der Eintragung ausgeschlossen sind nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können.

29      Solche Zeichen oder Angaben werden als ungeeignet angesehen, die wesentliche Funktion der Marke zu erfüllen, die darin besteht, die betriebliche Herkunft der Ware oder der Dienstleistung zu identifizieren (Urteile vom 23. Oktober 2003, HABM/Wrigley, C‑191/01 P, EU:C:2003:579, Rn. 30, und vom 27. Februar 2002, Eurocool Logistik/HABM [EUROCOOL], T‑34/00, EU:T:2002:41, Rn. 37).

30      Ein Zeichen fällt unter das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 aufgestellte Verbot, wenn es zu den fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen hinreichend direkten und konkreten Bezug aufweist, der es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (vgl. Urteile vom 12. Januar 2005, Deutsche Post EURO EXPRESS/HABM [EUROPREMIUM], T‑334/03, EU:T:2005:4, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 22. Juni 2005, Metso Paper Automation/HABM [PAPERLAB], T‑19/04, EU:T:2005:247, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Ob ein Zeichen beschreibenden Charakter hat, kann nur in Bezug auf die betroffenen Waren und Dienstleistungen sowie im Hinblick auf das Verständnis, das die maßgeblichen Verkehrskreise von ihm haben, beurteilt werden (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2005, Peek & Cloppenburg/HABM [Cloppenburg], T‑379/03, EU:T:2005:373, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer, wie die Klägerin vorträgt, gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen hat.

33      Somit sind zunächst die maßgeblichen Verkehrskreise zu bestimmen, dann ist zu untersuchen, welche Bedeutung die angegriffene Marke für diese Verkehrskreise hat, und schließlich ist der Zusammenhang zwischen der Bedeutung dieser Marke und den in Rede stehenden Waren zu beurteilen.

–       Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen

34      Was die Bestimmung der maßgeblichen Verkehrskreise betrifft, so kam die Beschwerdekammer in Rn. 33 der angefochtenen Entscheidung zutreffend zu dem Ergebnis, dass die verfahrensgegenständlichen Waren, nämlich „Milchprodukte“ der Klasse 29, sich in erster Linie an den allgemeinen Verkehr richten. Diese Beurteilung wird von der Klägerin nicht in Frage gestellt.

35      Bei der Bestimmung der Bedeutung der angegriffenen Marke für die maßgeblichen Verkehrskreise hat die Beschwerdekammer auf die Wahrnehmung des türkischsprachigen Publikums abgestellt und präzisiert, dass Türkisch zwar nicht zu den Amtssprachen der Europäischen Union zähle, es aber eine der Amtssprachen der Republik Zypern sei und folglich von einem Teil der Bevölkerung dieses Landes verstanden und gesprochen werde.

36      Die Klägerin beanstandet diese Beurteilung der Beschwerdekammer und macht im Wesentlichen geltend, dass die Verbraucher die angegriffene Marke nicht der türkischen Sprache zuordnen würden.

37      Das EUIPO, unterstützt von der Streithelferin, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

38      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) und aus der Rechtsprechung hervorgeht, dass die absoluten Eintragungshindernisse der Eintragung einer Marke selbst dann entgegengehalten werden können, wenn sie nur in einem Teil der Union vorliegen. Ein Zeichen fällt dementsprechend schon dann unter das Verbot von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94, wenn ein Eintragungshindernis in Bezug auf einen nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 2022, F I S I/EUIPO – Verband der Deutschen Daunen- und Federnindustrie [ECODOWN], T‑338/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:360, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Auch wenn nämlich Türkisch nicht zu den Amtssprachen der Union zählt, steht gleichwohl fest, dass es eine der Amtssprachen der Republik Zypern ist. Also hat die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt, dass Türkisch von einem Teil der Bevölkerung Zyperns verstanden und gesprochen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juni 2012, Organismos Kypriakis Galaktokomikis Viomichanias/HABM – Garmo [HELLIM], T‑534/10, EU:T:2012:292, Rn. 38). Zudem macht die Streithelferin in ihrer Klagebeantwortung geltend, es sei Gemeingut, dass eine Vielzahl türkischer Staatsangehöriger in der Union lebe, u. a. in Deutschland.

40      Somit genügte es gemäß der oben in Rn. 38 angeführten Rechtsprechung für die Beurteilung des beschreibenden Charakters der angegriffenen Marke, dass die Beschwerdekammer auf die Wahrnehmung der maßgeblichen türkischsprachigen Verkehrskreise der Union abgestellt hat, da die türkische Sprache von einem nicht unwesentlichen Teil der Verbraucher in der Union verstanden und gesprochen wird.

41      Das Vorbringen der Klägerin, dass ein Teil der Verbraucher in der Union die angegriffene Marke nicht mit der türkischen Sprache in Verbindung bringen werde, ist daher irrelevant. Da es ausreichte, den türkischsprachigen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise zu berücksichtigen, brauchte die Beschwerdekammer zudem nicht darzulegen, aus welchen Gründen sie die übrigen maßgeblichen Verkehrskreise nicht berücksichtigt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 2022, ECODOWN, T‑338/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:360, Rn. 25).

42      Überdies ist unter diesen Umständen auch das Vorbringen der Klägerin irrelevant, dass die in Rede stehenden Waren sich nicht auf türkische Milchprodukte oder auf in der Türkei hergestellte Milchprodukte beschränkten. Dieser Umstand hat nämlich keine Auswirkungen auf die Tatsache, dass die in Rede stehenden Waren sich an die breite Öffentlichkeit der Union und insbesondere an die türkischsprachigen Verbraucher richten, die einen nicht unerheblichen Teil dieser Öffentlichkeit ausmachen.

43      Folglich hat die Beschwerdekammer keinen Rechtsfehler begangen, als sie auf die türkischsprachigen Verkehrskreise der Union abstellte, um den beschreibenden Charakter des Wortzeichens zu bestimmen, aus dem die angegriffene Marke besteht.

–       Zur Bedeutung der angegriffenen Marke

44      In Rn. 41 der angefochtenen Entscheidung stellte die Beschwerdekammer fest, dass die maßgeblichen türkischsprachigen Verkehrskreise in der angegriffenen Marke die beiden türkischen Worte „süt“ und „tat“ erkennen würden, die u. a. „Milch“ bzw. „Geschmack“ bedeuteten. Die türkischsprachigen Verbraucher verstünden, wenn ihnen der Ausdruck „Sütat“ im Zusammenhang mit Milchprodukten begegne, dieses Zeichen als einen Hinweis auf die mit dem Geschmack von Milch verbundenen Begriffe.

45      Die Klägerin tritt dieser von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilung entgegen, weil der die angegriffene Marke bildende Begriff „sütat“ in der türkischen Sprache keine eigene Bedeutung habe.

46      Das EUIPO, unterstützt von der Streithelferin, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

47      Zum Ersten besteht keine Veranlassung, die – im Übrigen von der Klägerin nicht beanstandete – Feststellung der Beschwerdekammer in Frage zu stellen, dass die türkischen Wörter „süt“ und „tat“ gemäß den in Rn. 37 der angefochtenen Entscheidung angeführten Wörterbüchern u. a. „Milch“ und „Geschmack“ bedeuten.

48      Zum Zweiten rügt die Klägerin, was die Art und Weise angeht, in der die angegriffene Marke von den maßgeblichen Verkehrskreisen wahrgenommen wird, dass die Beschwerdekammer bei ihrer Beurteilung fälschlicherweise darauf abgestellt habe, dass die angegriffene Marke sich aus den Wörtern „süt“ und „tat“ zusammensetze, obwohl eine solche Zusammenfügung nicht mit den grammatikalischen und lexikalischen Regeln der türkischen Sprache vereinbar sei.

49      Hierzu ist klarzustellen, dass die Rechtschreibung bei der angegriffenen Marke tatsächlich falsch ist, da die Wörter „süt“ und „tat“ in einem Wort geschrieben sind, wobei das zweite „t“ weggelassen wird. Außerdem trägt die Klägerin vor, dass die Verbindung zweier Substantive als solche in der türkischen Sprache nicht üblich sei.

50      Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke zwar regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet, aber gleichwohl ein von ihm wahrgenommenes Wortzeichen in die Wortbestandteile zerlegen wird, die ihm eine konkrete und unmittelbar verständliche Bedeutung vermitteln oder die ihm bekannten Wörtern ähnlich sind (vgl. Urteil vom 1. Februar 2023, NFL Properties Europe/EUIPO – Groupe Duval [DUUUVAL], T‑671/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:33, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Daher ist es völlig logisch, dass die maßgeblichen Verkehrskreise im Zusammenhang mit Milchprodukten den Ausdruck „sütat“ in die beiden Wörter „süt“ und „tat“ zerlegen werden, weil ihnen diese in Bezug auf Milchprodukte eine konkrete Bedeutung vermitteln, nämlich „Milch“ und „Geschmack“.

52      Was zweitens das oben in Rn. 49 erwähnte Vorbringen der Klägerin betreffend die Nichteinhaltung der grammatikalischen und lexikalischen Regeln der türkischen Sprache angeht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass gemäß der Rechtsprechung der Umstand, dass das fragliche Zeichen eine grammatikalisch fehlerhafte Struktur aufweist, als solcher nicht genügt, um zu dem Schluss zu gelangen, dass es nicht beschreibend sei (vgl. Urteil vom 16. Mai 2017, Mühlbauer Technology/EUIPO [Magicrown], T‑218/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:334, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Weiter ist festzustellen, dass die Wörter „süt“ und „tat“, obwohl die Regeln der türkischen Rechtschreibung nicht strikt eingehalten wurden, in der angegriffenen Marke, die aus dem Ausdruck „sütat“ besteht, leicht erkennbar bleiben. Insoweit ist auch auszuführen, dass es zum einen in der Werbe- und Marketingbranche üblich ist, Leerzeichen zwischen den Wörtern wegzulassen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 26. Januar 2017, Topera/EUIPO [RHYTHMVIEW], T‑119/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:38, Rn. 24), und dass zum anderen das Weglassen eines „t“ am Ende des Wortes „süt“ bzw. am Anfang des Wortes „tat“ nicht besonders hervortritt, so dass auch dies eine Identifizierung dieser Wörter nicht verhindert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2017, Magicrown, T‑218/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:334, Rn. 28).

54      Überdies ist gemäß der Rechtsprechung die falsche Schreibweise einer Wortmarke, wenn sie phonetisch nicht wahrgenommen wird, ohne Bedeutung für den Sinngehalt, den die maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Marke zuschreiben (vgl. Urteil vom 30. April 2013, RELY-ABLE, T‑640/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:225, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit hat die eher optisch als phonetisch wahrnehmbare falsche Schreibweise der Wörter „süt“ und „tat“ beim in Rede stehenden Zeichen keinen Einfluss auf den möglichen Begriffsinhalt, den die maßgeblichen Verkehrskreise mit der Marke verbinden werden.

55      Schließlich kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung auf Regeln der deutschen Sprache beruhe, nach denen die Verbindung mehrerer Substantive miteinander zur Bildung eines neuen Substantivs üblich sei. Zum einen sind die Besonderheiten der deutschen Grammatik für den vorliegenden Rechtsstreit irrelevant, weil die angegriffene Marke im Kontext der Wahrnehmung durch die türkischsprachigen Verkehrskreise beurteilt wird. Wie oben in den Rn. 50 bis 54 ausgeführt, werden diese die beiden Wörter „süt“ und „tat“, aus denen die angegriffene Marke besteht, ohne Weiteres erkennen, obwohl die Verbindung dieser Wörter nicht ganz den Regeln der türkischen Grammatik folgt. Zum anderen ist mit dem EUIPO darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer bei ihrer Beurteilung der Wahrnehmung der angegriffenen Marke auf die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze abgestellt hat, die in allen Sprachzonen der Union gleichermaßen Anwendung finden.

56      Anders als von der Klägerin ausgeführt, hat also die Beschwerdekammer keinen Beurteilungsfehler begangen, als sie angenommen hat, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die angegriffene Marke unmittelbar und ohne weitere Überlegung als eine Zusammensetzung aus zwei türkischen Wörtern, nämlich „süt“ und „tat“ mit der Bedeutung „Milch“ bzw. „Geschmack“, erkennen werden.

57      In Bezug auf die Bedeutung der angegriffenen Marke insgesamt macht die Klägerin zum Dritten geltend, dass die türkischsprachigen Verkehrskreise der Union diese Marke als eigenständigen Begriff ohne eigenen Bedeutungsgehalt wahrnähmen.

58      Hierzu ist festzustellen, dass eine Marke, die aus einem Wort mit mehreren Bestandteilen besteht, von denen jeder für Merkmale der mit der Anmeldung beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibend ist, ihrerseits für diese Merkmale beschreibend ist, es sei denn, es besteht ein merklicher Unterschied zwischen dem Wort und der bloßen Summe seiner Bestandteile. Dies setzt voraus, dass das Wort aufgrund der Ungewöhnlichkeit der Kombination in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen einen Eindruck erweckt, der hinreichend weit von dem durch die bloße Zusammenfügung der ihren Bestandteilen zu entnehmenden Angaben entstehenden Eindruck entfernt ist und somit über die Summe dieser Bestandteile hinausgeht (vgl. Urteil vom 25. Februar 2010, Lancôme/HABM, C‑408/08 P, EU:C:2010:92, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Insoweit ist zwar auch die Analyse des fraglichen Wortes anhand der maßgeblichen lexikalischen und grammatikalischen Regeln von Bedeutung (vgl. Urteil vom 22. Juni 2005, PAPERLAB, T‑19/04, EU:T:2005:247, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). Doch reicht nach der Rechtsprechung allein die Tatsache, dass ein Zeichen eine grammatikalisch fehlerhafte Struktur aufweist, nicht für die Annahme aus, dass dieses Zeichen einen Eindruck erweckt, der hinreichend weit von dem abweicht, den die Wörter vermitteln, aus denen es besteht (vgl. Urteil vom 24. April 2012, Leifheit/HABM [EcoPerfect], T‑328/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:197, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Aus den Rn. 53 und 54 geht hervor, dass trotz der grammatikalisch fehlerhaften Struktur der angegriffenen Marke die Wörter „süt“ und „tat“ erkannt werden können und die Marke für die maßgeblichen Verkehrskreise nach wie vor verständlich ist.

61      Zudem stellt die Tatsache, dass die durch die in Rede stehende Marke vermittelte Aussage klar bleibt, insoweit ein wichtiges Kriterium dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2021, Micron Technology/EUIPO [INTELLIGENCE, ACCELERATED], T‑386/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:422, Rn. 31). Im vorliegenden Fall vermittelt die Marke insgesamt keine andere Botschaft als die einer einfachen Summe dieser beiden Wörter.

62      Angesichts der oben in Rn. 47 erwähnten Bedeutung der Wörter „süt“ und „tat“ in der türkischen Sprache hat die Beschwerdekammer zutreffend angenommen, dass die maßgeblichen türkischsprachigen Verkehrskreise das in Rede stehende Zeichen als einen Hinweis auf Begriffe im Zusammenhang mit dem Geschmack von Milch verstehen werden.

63      Dieses Ergebnis wird auch nicht durch das übrige Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt, wonach die Beschwerdekammer die Beweise, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhe, fehlerhaft gewürdigt habe.

64      Erstens trägt die Klägerin mehrere Argumente vor, um die Zulässigkeit und den Beweiswert zum einen des der Beschwerdekammer von der Streithelferin vorgelegten Sachverständigengutachtens und zum anderen der in Rn. 46 der angefochtenen Entscheidung dargestellten Ergebnisse der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Internetrecherche zu beanstanden.

65      Aus Rn. 43 der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Beschwerdekammer nur zur Bestätigung auf dieses Gutachten Bezug nimmt, während sie in den Rn. 46 und 47 der Entscheidung ausführt, dass sie die Ergebnisse ihrer eigenen Internetrecherche rein „der Vollständigkeit halber“ und „zur Veranschaulichung“ bzw. zur „Veranschaulichung offenkundiger Tatsachen“ verwendet habe. In Rn. 48 der angefochtenen Entscheidung stellt die Beschwerdekammer fest, dass auch ohne Berücksichtigung dieses Sachverständigengutachtens und dieser Internet-Fundstellen ihr Ergebnis betreffend die Bedeutung des Zeichens Sütat durch die Wörterbucheinträge zu den türkischen Wörtern „süt“ und „tat“ bestätigt werde, die „Milch“ bzw. „Geschmack“ bedeuteten. Wie bereits oben in Rn. 62 festgestellt, ist diese von der Beschwerdekammer getroffene Feststellung korrekt.

66      Daraus folgt, dass die Erwägungen der Beschwerdekammer, die auf dem Sachverständigengutachten, das die Streithelferin ihr vorgelegt hatte, sowie auf den Ergebnissen der von der Beschwerdekammer selbst durchgeführten Recherche beruhen, lediglich ergänzend erfolgten. Die von der Klägerin hierzu gemachten Ausführungen können sich also nicht auf die Rechtmäßigkeit der von der Beschwerdekammer getroffenen Feststellung zur Bedeutung der angegriffenen Marke auswirken, die sich rechtlich hinreichend auf andere Erwägungen in der angefochtenen Entscheidung stützt.

67      Somit vermag das Vorbringen der Klägerin die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage zu stellen und ist daher als ins Leere gehend zurückzuweisen.

68      Zweitens kann auch das Vorbringen der Klägerin, dass das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Juni 2021 bestätigt habe, dass in Bezug auf die angegriffene Marke kein Nichtigkeitsgrund vorliege, nicht durchgreifen. Insoweit genügt der Hinweis, dass die Unionsregelung für Marken ein autonomes System ist, das aus einer Gesamtheit von Vorschriften besteht und Zielsetzungen verfolgt, die ihm eigen sind, und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist. Das EUIPO und gegebenenfalls der Unionsrichter sind daher nicht an in den Mitgliedstaaten oder gar in Drittländern ergangene Entscheidungen gebunden, die nur einen Umstand darstellen, der für die Zwecke der Eintragung einer Unionsmarke – ohne entscheidend zu sein – berücksichtigt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juni 2018, Apcoa Parking Holdings/EUIPO, C‑32/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:396, Rn. 31, 32 und 34).

69      Folglich ist dieses Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.

–       Zum Zusammenhang zwischen der Bedeutung der angegriffenen Marke und den in Rede stehenden Waren

70      Die Klägerin hat lediglich die von der Beschwerdekammer zugrunde gelegte Bedeutung der angegriffenen Marke beanstandet, jedoch nicht angegeben, inwieweit diese Bedeutung für die beanspruchten Waren, nämlich Milchprodukte der Klasse 29, nicht beschreibend wäre.

71      Angesichts der Umstände des vorliegenden Falles ist die Feststellung der Beschwerdekammer, dass die in Rede stehende Marke für diese Waren beschreibend sei, nicht in Frage zu stellen. Denn das Zeichen Sütat ist, wenn man es in dem Sinne von Milchgeschmack versteht, für die maßgeblichen Verkehrskreise ein Hinweis auf die Art und die Beschaffenheit der beanspruchten Waren, nämlich Milchprodukte, so dass mit diesen Waren ein hinreichend direkter und konkreter Zusammenhang besteht, damit die angegriffene Marke unter das Verbot von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 in Sinne der oben in Rn. 30 angeführten Rechtsprechung fällt.

72      Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die angegriffene Marke für die beanspruchten Waren, nämlich für Milchprodukte der Klasse 29, beschreibend sei.

73      Der erste Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94

74      Im Rahmen ihres auf einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 gestützten zweiten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass es der angegriffenen Marke entgegen den Feststellungen der Beschwerdekammer im Hinblick auf die in Rede stehenden Waren auch nicht an Unterscheidungskraft fehle.

75      Das EUIPO, unterstützt von der Streithelferin, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

76      Aus Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001) ergibt sich, dass ein Zeichen bereits dann von der Eintragung als Unionsmarke ausgeschlossen ist, wenn eines der dort genannten absoluten Eintragungshindernisse vorliegt (Urteil vom 12. Oktober 2010, Asenbaum/HABM [WIENER WERKSTÄTTE], T‑230/08 und T‑231/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:433, Rn. 48).

77      Da im vorliegenden Fall festgestellt worden ist, dass die angegriffene Marke für die in Rede stehenden Waren beschreibend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 40/94 ist, und dieser Grund für sich genommen die Ablehnung der Eintragung rechtfertigt, braucht die Begründetheit des Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung geltend gemacht wird, nicht geprüft zu werden.

 Zum dritten Klagegrund: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

78      Im Rahmen des dritten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei dadurch verletzt, dass ihr die Beschwerdekammer keine Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Rechercheergebnissen in Rn. 46 der angefochtenen Entscheidung und zu den daraus gezogenen Schlussfolgerungen gegeben habe.

79      Das EUIPO, unterstützt von der Streithelferin, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

80      Nach Art. 94 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung 2017/1001 darf das EUIPO seine Entscheidung nur auf tatsächliche oder rechtliche Erwägungen stützen, zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten. Diese Bestimmung gewährleistet im Rahmen des Unionsmarkenrechts den allgemeinen Grundsatz des Schutzes der Verteidigungsrechte. Nach diesem Grundsatz müssen die Adressaten behördlicher Entscheidungen, die ihre Interessen spürbar berühren, Gelegenheit erhalten, ihren Standpunkt gebührend darzulegen (vgl. Urteil vom 6. September 2013, Eurocool Logistik/HABM – Lenger [EUROCOOL], T‑599/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:399, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Was erstens die Ergebnisse der von der Beschwerdekammer durchgeführten Internetrecherche angeht, nimmt die Beschwerdekammer in Rn. 46 der angefochtenen Entscheidung zwar Bezug auf mehrere Beispiele, bei denen die Wörter „süt“ und „tat“ auf dem Markt zur Beschreibung von Milchprodukten verwendet werden. Diese Beispiele sind das Ergebnis einer von der Beschwerdekammer selbst durchgeführten Internetrecherche, und die Parteien waren nicht zu einer Stellungnahme aufgefordert worden.

82      Wie aber aus der Rechtsprechung hervorgeht, werden die Verteidigungsrechte durch eine Verfahrensunregelmäßigkeit nur dann verletzt, wenn diese sich konkret auf die Verteidigungsmöglichkeit der betroffenen Parteien ausgewirkt hat. Somit kann bei einer Nichtbeachtung der geltenden Regeln, die dem Schutz der Verteidigungsrechte dienen, das Verwaltungsverfahren nur dann mit einem Fehler behaftet sein, wenn nachgewiesen ist, dass dieses Verfahren andernfalls zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. Urteil vom 12. Mai 2009, Jurado Hermanos/HABM [JURADO], T‑410/07, EU:T:2009:153, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Denn wie bereits oben in Rn. 65 festgestellt, hat die Beschwerdekammer die Ergebnisse der von ihr durchgeführten Internetrecherche in der angefochtenen Entscheidung nur „der Vollständigkeit halber“ und „zur Veranschaulichung“ „offenkundiger Tatsachen“ verwendet. Daraus ergibt sich, dass diese Ergebnisse nicht ausschlaggebend für die Entscheidung darüber waren, ob die angegriffene Marke für die in Rede stehenden Waren beschreibend ist. Tatsächlich hat die Beschwerdekammer in Rn. 48 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass auch ohne Berücksichtigung der Ergebnisse der fraglichen Recherche ihr durch Wörterbuchfundstellen belegtes Ergebnis in Bezug auf die Bedeutung des Wortes „sütat“ dasselbe gewesen wäre. Wie bereits oben in Rn. 65 festgestellt, weist dieses Ergebnis keinen Beurteilungsfehler auf.

84      Nach alledem ist nicht erwiesen, dass das Verwaltungsverfahren ohne den geltend gemachten Verfahrensfehler, der sich jedenfalls nicht auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung hätte auswirken können, zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

85      Zweitens genügt es in Bezug auf die Schlussfolgerungen, die aus der oben erwähnten Recherche gezogen wurden, mit dem EUIPO und der Streithelferin daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung der Anspruch auf rechtliches Gehör sich nicht auf den endgültigen Standpunkt erstreckt, den die Verwaltung einnehmen will (vgl. Urteil vom 12. Mai 2009, JURADO, T‑410/07, EU:T:2009:153, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86      Damit war die Beschwerdekammer nicht verpflichtet, die Klägerin dazu aufzufordern, zu der abschließenden Schlussfolgerung Stellung zu nehmen, die die Beschwerdekammer aus den Ergebnissen der von ihr durchgeführten Recherche gezogen hat.

87      Folglich ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

88      Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass über die Zulässigkeit des zweiten Antrags der Klägerin entschieden zu werden braucht, dem das EUIPO und die Streithelferin entgegengetreten sind und der u. a. auf die Zurückweisung des Antrags auf Nichtigerklärung der angegriffenen Marke gerichtet war.

 Kosten

89      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

90      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Yayla Türk Lebensmittelvertrieb GmbH trägt die Kosten.

Schalin

Nõmm

Kukovec

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. Juli 2023.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

G. De Baere


*      Verfahrenssprache: Deutsch.