Language of document : ECLI:EU:T:2023:583

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

27. September 2023(*)(i)

„Staatliche Beihilfen – Beihilferegelung, die Spanien durchgeführt hat – Abzüge von der Körperschaftsteuer, die in Spanien steuerlich ansässigen Unternehmen die Abschreibung des sich aus dem Erwerb von indirekten Beteiligungen an ausländischen Unternehmen mittels des Erwerbs von direkten Beteiligungen an ausländischen Holdinggesellschaften ergebenden Geschäfts- oder Firmenwerts ermöglicht – Beschluss, mit dem die Beihilferegelung für rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und die Rückforderung der gewährten Beihilfen angeordnet wird – Entscheidung 2011/5/EG – Beschluss 2011/282/EU – Anwendungsbereich – Rücknahme eines Rechtsakts – Rechtssicherheit – Berechtigtes Vertrauen“

In den Rechtssachen T‑12/15, T‑158/15 und T‑258/15,

Banco Santander, SA, mit Sitz in Santander (Spanien),

Santusa Holding, SL, mit Sitz in Boadilla del Monte (Spanien),

vertreten durch Rechtsanwälte E. Abad Valdenebro, R. Calvo Salinero, A. Lamadrid de Pablo und V. Romero Algarra,

Klägerinnen in der Rechtssache T‑12/15,

Abertis Infraestructuras, SA, mit Sitz in Barcelona (Spanien),

Abertis Telecom Satélites, SA, mit Sitz in Madrid (Spanien),

vertreten durch Rechtsanwälte A. Lamadrid de Pablo, M. Santa María Fernández, E. Abad Valdenebro, R. Calvo Salinero, M. Cenzual Aldaz und V. Romero Algarra,

Klägerinnen in der Rechtssache T‑158/15,

Axa Mediterranean Holding, SA, mit Sitz in Palma de Mallorca (Spanien), vertreten durch Rechtsanwälte A. Lamadrid de Pablo, E. Abad Valdenebro, R. Calvo Salinero, V. Romero Algarra und I. Otaegi Amundarain,

Klägerin in der Rechtssache T‑258/15,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch P. Němečková, B. Stromsky und C. Urraca Caviedes als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten J. Svenningsen, des Richters C. Mac Eochaidh (Berichterstatter) und der Richterin T. Pynnä,

Kanzlerin: P. Núñez Ruiz, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund der Beschlüsse vom 9. März 2015, Banco Santander und Santusa/Kommission (T‑12/15, nicht veröffentlicht), und vom 10. Juni 2015, Abertis Infraestructuras und Abertis Telecom Satélites/Kommission (T‑158/15, nicht veröffentlicht), sowie der Entscheidung vom 17. Juli 2015, mit der das Verfahren bis zur Endentscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑20/15 P, Kommission/Autogrill España, oder in der Rechtssache C‑21/15 P, Kommission/Banco Santander und Santusa, ausgesetzt worden ist,

aufgrund des Urteils vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981), mit dem die Urteile vom 7. November 2014, Banco Santander und Santusa/Kommission (T‑399/11, EU:T:2014:938), und vom 7. November 2014, Autogrill España/Kommission (T‑219/10, EU:T:2014:939), aufgehoben wurden,

aufgrund der Entscheidungen vom 18. März 2019, das Verfahren bis zur letzten Endentscheidung in den Rechtssachen C‑51/19 P, World Duty Free Group/Kommission, C‑53/19 P, Banco Santander und Santusa/Kommission, C‑64/19 P, Spanien/Kommission, und C‑65/19 P, Spanien/Kommission, oder in der Rechtssache C‑274/14, Banco de Santander, auszusetzen,

aufgrund der Urteile vom 6. Oktober 2021, Sigma Alimentos Exterior/Kommission (C‑50/19 P, EU:C:2021:792), vom 6. Oktober 2021, World Duty Free Group und Spanien/Kommission (C‑51/19 P und C‑64/19 P, EU:C:2021:793), vom 6. Oktober 2021, Banco Santander/Kommission (C‑52/19 P, EU:C:2021:794), vom 6. Oktober 2021, Banco Santander u. a./Kommission (C‑53/19 P und C‑65/19 P, EU:C:2021:795), vom 6. Oktober 2021, Axa Mediterranean/Kommission (C‑54/19 P, EU:C:2021:796), und vom 6. Oktober 2021, Prosegur Compañía de Seguridad/Kommission (C‑55/19 P, EU:C:2021:797),

auf die mündliche Verhandlung vom 15. und 16. November 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihren Klagen nach Art. 263 AEUV beantragen die Klägerinnen, die Banco Santander, SA, die Santusa Holding, SL, die Abertis Infraestructuras, SA, die Abertis Telecom Satélites, SA, und die Axa Mediterranean Holding, SA, die Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2015/314 der Kommission vom 15. Oktober 2014 über die staatliche Beihilfe SA.35550 (13/C) (ex 13/NN) (ex 12/CP) Spaniens – Regelung für die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen (ABl. 2015, L 56, S. 38, im Folgenden: angefochtener Beschluss).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

 Spanisches Recht

2        Art. 12 Abs. 5 der Ley 43/1995 del Impuesto sobre Sociedades (Gesetz Nr. 43/1995 über die Körperschaftsteuer) vom 27. Dezember 1995 (BOE Nr. 310 vom 28. Dezember 1995, S. 37072), der durch die Ley 24/2001 de Medidas Fiscales, Administrativas y del Orden Social (Gesetz Nr. 24/2001 über Steuer‑, Verwaltungs- und soziale Maßnahmen) vom 27. Dezember 2001 (BOE Nr. 313 vom 31. Dezember 2001, S. 50493) in das Körperschaftsteuergesetz eingefügt und in das Real Decreto Legislativo 4/2004 por el que se aprueba el texto refundido de la Ley del Impuesto sobre Sociedades (Königliches gesetzesvertretendes Dekret Nr. 4/2004 zum Erlass der Neufassung des Körperschaftsteuergesetzes) vom 5. März 2004 (BOE Nr. 61 vom 11. März 2004, S. 10951) (im Folgenden: TRLIS) übernommen wurde, ist seit dem 1. Januar 2022 in Kraft.

3        Nach dem 17. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses lautet Art. 12 Abs. 5 TRLIS wie folgt:

„Der finanzielle Geschäfts- oder Firmenwert ist … definiert als der Teil der Differenz zwischen dem für die Beteiligung gezahlten Kaufpreis und dem Buchwert der Beteiligung zum Datum des Erwerbs, der nicht in den Gütern und Rechten des ausländischen Unternehmens verbucht wurde. Dieser Teil der Differenz ist bis zu einem jährlichen Maximum eines Zwanzigstels seines Werts von der Steuerbemessungsgrundlage abziehbar. Dieser Abzug ist unbeschadet der anwendbaren Rechnungslegungsvorschriften möglich.“

4        Der 18. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses lautet:

„Artikel 21 legt die Voraussetzungen fest, die Einnahmen von nicht in Spanien ansässigen Unternehmen erfüllen müssen, damit das in Spanien ansässige Unternehmen zu einem Abzug nach Artikel 12 Absatz 5 TRLIS berechtigt ist:

a)      Der Prozentsatz der direkten oder indirekten Beteiligung am Eigenkapital des nicht in Spanien ansässigen Unternehmens muss mindestens 5 % betragen. Darüber hinaus muss die Beteiligung von dem in Spanien ansässigen Unternehmen ohne Unterbrechung mindestens ein Jahr lang gehalten werden.

b)      Das ausländische Unternehmen muss einer Steuer unterliegen, die mit der in Spanien geltenden Körperschaftsteuer vergleichbar ist. Diese Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn das Zielunternehmen in einem Land ansässig ist, mit dem Spanien ein Abkommen zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung geschlossen hat, das auch den Informationsaustausch vorsieht.

c)      Die Gewinne stammen aus im Ausland durchgeführten unternehmerischen Tätigkeiten. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn mindestens 85 % der Einnahmen die folgenden Kriterien erfüllen:

i)      Die Einnahmen des nicht in Spanien ansässigen Unternehmens werden im Ausland erzielt und können aufgrund der Anwendung von Vorschriften für internationale Steuertransparenz nicht in die Steuerbemessungsgrundlage einbezogen werden. Insbesondere wird für Einnahmen aus den folgenden Tätigkeiten davon ausgegangen, dass sie diese Voraussetzung erfüllen:

–        Großhandel, wenn die Güter den Käufern in dem Land oder Gebiet, in dem das ausländische Unternehmen ansässig ist, oder in einem beliebigen anderen Land oder Gebiet außerhalb Spaniens zur Verfügung gestellt werden, sofern die Leistungen von dem nicht in Spanien ansässigen Unternehmen erbracht werden;

–        Dienstleistungen in dem Gebiet, in dem das nicht in Spanien ansässige Unternehmen seinen steuerlichen Sitz hat, sofern die Vorgänge von dem nicht ansässigen Unternehmen ausgeführt werden;

–        Finanzdienstleistungen für Kunden, die ihren steuerlichen Wohnsitz nicht in Spanien haben, sofern die Leistungen von dem nicht in Spanien ansässigen Unternehmen erbracht werden;

–        Versicherungsdienstleistungen für nicht in Spanien gelegene Risiken, sofern die Versicherungsdienstleistungen von dem nicht in Spanien ansässigen Unternehmen erbracht werden.

(ii)      Dividenden von oder Gewinnbeteiligungen an nicht in Spanien ansässigen Unternehmen, die aus indirekten Beteiligungen stammen und die die in Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe a TRLIS festgelegten Voraussetzungen erfüllen; außerdem Veräußerungsgewinne aus der Übertragung von Beteiligungen an nicht in Spanien ansässigen Unternehmen, sofern diese mit den Voraussetzungen in Artikel 21 Absatz 2 TRLIS im Einklang stehen.“

5        Nach dem 25. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ist der direkte Erwerb der Kauf von Anteilen am Eigenkapital eines Unternehmens durch ein anderes Unternehmen (im Folgenden: direkter Erwerb). Bei dem von einem Unternehmen getätigten Kauf von Anteilen am Eigenkapital eines Unternehmens auf zweiter oder darunterliegender Stufe (Tochter- oder Enkelgesellschaft), der einem vorherigen direkten Erwerb folgt, handelt es sich hingegen um einen indirekten Erwerb. Das erwerbende Unternehmen erwirbt dabei indirekt Beteiligungen an den Tochter- oder Enkelgesellschaften (im Folgenden: indirekter Erwerb).

6        Nach dem 40. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses sieht Art. 15 des Real Decreto 1777/2004 por el que se aprueba el Reglamento del Impuesto sobre Sociedades (Königliches Dekret 1777/2004, mit dem die Durchführungsverordnung zum Körperschaftsteuergesetz angenommen wurde) vom 30. Juli 2004 (BOE Nr. 189 vom 6. August 2004, S. 28377) vor, dass die Steuerpflichtigen, die den Abzug nach Art. 12 Abs. 5 TRLIS in Anspruch nehmen möchten, mit ihrer Körperschaftsteuererklärung verschiedene Informationen „im Hinblick auf direkt gehaltene Unternehmen“ einreichen.

7        Aus dem angefochtenen Beschluss geht außerdem hervor, dass das spanische Steuererhebungssystem für Körperschaftsteuer auf einem in Art. 137 TRLIS vorgesehenen Selbstveranlagungsverfahren basiert.

8        Dieses Selbstveranlagungsverfahren wird in Art. 120 der Ley 58/2003 General Tributaria (Gesetz 58/2003 über die Abgabenordnung) vom 17. Dezember 2003 (BOE Nr. 302 vom 18. Dezember 2003, S. 44987, im Folgenden: LGT) wie folgt definiert:

„1. Eine Selbstveranlagung ist eine Erklärung, mit der der Steuerpflichtige, neben der Übermittlung der zur Steuerveranlagung notwendigen Daten sowie weiterer zur Information dienenden Angaben an die Verwaltung, auch selbst die notwendige Einstufung und Bemessung zur Bestimmung und Begleichung der Steuerschuld bzw. gegebenenfalls des zurückzuzahlenden oder zu erstattenden Betrags durchführt.

2.      Eine Selbstveranlagung eines Steuerpflichtigen kann durch die Verwaltung nachgeprüft und kontrolliert werden, die gegebenenfalls die nachfolgende Veranlagung vornimmt …“

 Antworten auf die schriftlichen Anfragen von Mitgliedern des Parlaments

9        In den Jahren 2005 und 2006 richteten Mitglieder des Europäischen Parlaments mehrere schriftliche Anfragen (E‑4431/05, E‑4772/05, E‑5800/06 und P-5509/06) an die Europäische Kommission, ob die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS mit den Regelungen über staatliche Beihilfen vereinbar sei.

10      In ihren Antworten vom 19. Januar und 17. Februar 2006 auf die Anfragen E‑4431/05 und E‑4772/05 bestätigte die Kommission, dass die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS nicht in den Anwendungsbereich der Regelungen über staatliche Beihilfen falle.

 Entscheidung 2011/5 und Beschluss 2011/282

11      Mit Schreiben vom 26. März 2007 ersuchte die Kommission die spanischen Behörden um Auskünfte, um den Geltungsbereich und die Auswirkungen der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS prüfen zu können. Insbesondere forderte die Kommission das Königreich Spanien auf, zu spezifizieren, welche Vorgänge unter diese Vorschrift fallen. Nach einer vorläufigen Untersuchung der Dienststellen der Kommission schränkte es die Anzahl der möglichen Begünstigten der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS tatsächlich unangemessen ein, dass erworbene Anteile an einer Holdinggesellschaft nicht abgezogen werden konnten.

12      Mit Schreiben vom 4. Juni 2007 antworteten die spanischen Behörden der Kommission, dass nach dem seinerzeit anwendbaren Verwaltungskriterium allein der Geschäfts- oder Firmenwert aus einem direkten Erwerb nach Art. 12 Abs. 5 TRLIS abgezogen werden könne (im Folgenden: anfängliche behördliche Auslegung).

13      Mit Entscheidung vom 10. Oktober 2007, von der am 21. Dezember 2007 eine Zusammenfassung veröffentlicht wurde (ABl. 2007, C 311, S. 21), eröffnete die Kommission hinsichtlich der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS ein förmliches Prüfverfahren (im Folgenden: erstes förmliches Prüfverfahren).

14      Am 28. Oktober 2009 erließ die Kommission die Entscheidung 2011/5/EG über die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen C 45/07 (ex NN 51/07, ex CP 9/07) in Spanien (ABl. 2011, L 7, S. 48) (im Folgenden: erste Entscheidung). Mit dieser Entscheidung erklärte die Kommission die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS für mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie auf den Erwerb von Beteiligungen an in der Union ansässigen Gesellschaften angewandt werde (Art. 1 Abs. 1 der Entscheidung), und gab dem Königreich Spanien auf, die Beihilfen in Form der auf der Grundlage dieser Regelung gewährten Steuerermäßigungen zurückzufordern (Art. 4 der Entscheidung).

15      Am 12. Januar 2011 erließ die Kommission – nach dem gleichen förmlichen Prüfverfahren, das auch der ersten Entscheidung zugrunde lag – den Beschluss 2011/282/EU über die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen C 45/07 (ex NN 51/07, ex CP 9/07) in Spanien (ABl. 2011, L 135, S. 1) (im Folgenden: zweite Entscheidung). Mit diesem Beschluss über den Erwerb von Beteiligungen an ausländischen, nicht mehr in der Europäischen Union, sondern außerhalb ansässigen Gesellschaften, der am 3. März und am 26. November 2011 berichtigt wurde, erklärte die Kommission insbesondere die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS für mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie auf den Erwerb von Beteiligungen an außerhalb der Union ansässigen Unternehmen angewandt werde (Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses), und gab dem Königreich Spanien auf, die gewährten Beihilfen zurückzufordern (Art. 4 des Beschlusses).

16      Da allerdings von der Kommission in der ersten und der zweiten Entscheidung (im Folgenden zusammen: Ursprungsrechtsakte) ein berechtigtes Vertrauen bestimmter Unternehmen, die durch die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS begünstigt wurden, anerkannt wurde, gestattete die Kommission die weitere Anwendung dieser Regelung während des gesamten darin vorgesehenen Abschreibungszeitraums für erstens einen vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens im Amtsblatt der Europäischen Union am 21. Dezember 2007 durchgeführten Erwerb von Beteiligungen, zweitens einen Erwerb von Beteiligungen, zu dessen – von der Genehmigung einer zuvor über den Vorgang informierten Aufsichtsbehörde abhängiger – Durchführung vor dem 21. Dezember 2007 eine unwiderrufliche Verpflichtung eingegangen worden war, drittens einen Erwerb von Mehrheitsbeteiligungen an ausländischen Unternehmen in China, Indien oder in anderen Drittländern, in denen das Vorliegen ausdrücklicher rechtlicher Hindernisse für grenzüberschreitende Unternehmensverschmelzungen nachgewiesen wurde oder nachgewiesen werden konnte, der vor der Veröffentlichung der zweiten Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union am 21. Mai 2011 durchgeführt worden war, und viertens einen Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen in China, Indien oder in anderen Drittländern, in denen das Vorliegen ausdrücklicher rechtlicher Hindernisse für grenzüberschreitende Unternehmensverschmelzungen nachgewiesen wurde oder nachgewiesen werden konnte und zu dessen – von der Genehmigung einer zuvor über den Vorgang informierten Aufsichtsbehörde abhängiger – Durchführung vor dem 21. Mai 2011 eine unwiderrufliche Verpflichtung eingegangen worden war (Art. 1 Abs. 2 und 3 der ersten und Art. 1 Abs. 2 bis 5 der zweiten Entscheidung). Folglich waren die in Anwendung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS gezahlten Beihilfen, die eine der oben genannten Bedingungen erfüllten, von der Rückforderungspflicht nicht betroffen (Art. 4 Abs. 1 der ersten und Art. 4 Abs. 1 der zweiten Entscheidung).

 Neue behördliche Auslegung

17      Mit E‑Mail vom 12. April 2012 informierten die spanischen Behörden die Kommission, dass die Dirección General de Tributos (Generaldirektion Steuern, Spanien, im Folgenden: DGT) am 21. März 2012 den Steuervorbescheid V0608-12 erlassen habe, der auch auf Vorgänge vor diesem Datum anwendbar sei (im Folgenden: neue behördliche Auslegung).

18      Im 40. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fasste die Kommission die wesentlichen Gründe zusammen, die ihrer Ansicht nach die DGT und anschließend das Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan, Spanien) dazu veranlassten, den Geltungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS zu ändern, so dass auch ein indirekter Erwerb umfasst gewesen sei. Die folgenden Gründe wurden angeführt:

„a)      Erstens verweisen die DGT und das [Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan)] in ihrer Argumentation, dass indirekte Erwerbe ebenfalls von einem Abzug nach Artikel 12 Absatz 5 TRLIS profitieren können, auf Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe c TRLIS. Dem [Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan)] und der DGT zufolge kann die Voraussetzung der Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit erfüllt sein, wenn sich die Betriebsgesellschaft gleichwohl auf einer zweiten oder darunterliegenden Stufe befindet. Insbesondere verweisen die DGT und das [Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan)] auf Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe c Nummer 2 TRLIS, worin ausdrücklich angegeben ist, dass Dividenden aus direkten oder indirekten Beteiligungen ebenfalls von der Bestimmung abgedeckt sind. Die DGT und das [Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan)] kommen zu dem Schluss, dass die Tatsache, dass die Betriebsgesellschaft sich auf einer zweiten oder darunterliegenden Stufe befindet, der Anwendung des Abzugs nach Artikel 12 Absatz 5 TRLIS nicht entgegensteht.

b)      Zweitens verweisen die DGT und das [Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan)] auf den Zweck der Bestimmung: In Anbetracht der Tatsache, dass Artikel 12 Absatz 5 TRLIS die Internationalisierung und ausländische Investitionen spanischer Unternehmen fördern soll, würde es der Zielsetzung dieses Artikels entgegenstehen, Investitionen spanischer Unternehmen in nicht in Spanien ansässige Holdinggesellschaften aus der Anwendung von Artikel 12 Absatz 5 TRLIS auszuschließen. Zudem führen die DGT und das [Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan)] an, dass die wirtschaftliche Realität belege, dass der Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen häufig über den Erwerb einer Holdinggesellschaft erfolgt. Die Tatsache, dass eine Investition über den Erwerb von Anteilen an einer Holdinggesellschaft getätigt wird, sei ein exogener Faktor, der nicht von dem die Holdinggesellschaft erwerbenden Unternehmen abhängt, sondern davon, wie der Markt strukturiert ist. Die Beteiligung von zwischengeschalteten Unternehmen wie Holdinggesellschaften dürfe kein Hindernis für Investitionen darstellen noch dürfe dadurch zwischen unterschiedlichen Arten des Erwerbs unterschieden werden.

c)      Drittens argumentieren die DGT und das [Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan)], dass im Wortlaut der [Ursprungsrechtsakte] der Kommission beständig Bezug auf direkte sowie indirekte Erwerbe genommen werde. Die DGT und das [Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan)] würden aus dem Wortlaut der beiden [Rechtsakte] schließen, dass die … Kommission den Abzug des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts sowohl für den direkten als auch für den indirekten Erwerb von Beteiligungen anerkennt.

d)      Viertens räumt die DGT ein, dass diese Auslegung trotz der in Artikel 15 [des Königlichen Dekrets 1777/2004, mit dem die Durchführungsverordnung zum Körperschaftsteuergesetz angenommen wurde,] enthaltenen Verpflichtung zur Übermittlung von Informationen erfolge. Nach Artikel 15 der Durchführungsverordnung müssten ausschließlich Informationen über den Kauf des direkt erworbenen Unternehmens übermittelt werden, damit die Anwendung von Artikel 12 Absatz 5 TRLIS möglich ist. Wäre ein solcher Abzug auch auf indirekte Erwerbe anwendbar, wäre es für eine bessere Transparenz logisch gewesen, ebenfalls indirekte Erwerbe einzuschließen. Dieser Sachverhalt dürfe jedoch einer weiter gefassten Auslegung von Artikel 12 Absatz 5 TRLIS nicht entgegenstehen.

e)      Schließlich sei es für die Anwendung des Abzugs auf indirekte Erwerbe notwendig, die indirekte Beteiligung durch einen vorherigen Unternehmenszusammenschluss in eine direkte Beteiligung umzuwandeln. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Beteiligungserwerben, die zu einer Unternehmensverschmelzung führen, und von Beteiligungserwerben, die nicht zu einer Unternehmensverschmelzung führen, widerspreche dem Grundsatz der Steuerneutralität. Die DGT und das [Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan)] kommen zu dem Schluss, dass der Abzug ebenfalls auf verschiedenen Stufen von Beteiligungen möglich sein muss. Dazu müsse anhand einer konsolidierten Bilanz oder durch andere Rechtsmittel nachgewiesen werden, dass ein Teil des für die Beteiligung gezahlten Kaufpreises dem finanziellen Geschäfts- oder Firmenwert entspricht, der in einer ‚indirekt‘ erworbenen Beteiligung an einer Betriebsgesellschaft enthalten ist.“

 Verfahren, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses führte

19      Zwischen dem 4. Juli 2012 und dem 1. Juli 2013 stellte die Kommission dem Königreich Spanien verschiedene Fragen und Auskunftsersuchen zur neuen behördlichen Auslegung. Am 17. Juli 2013 informierte die Kommission das Königreich Spanien über ihren Beschluss zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV wegen der aus der neuen behördlichen Auslegung resultierenden Wirkungen (im Folgenden: zweites förmliches Prüfverfahren). Der Beschluss wurde am 7. September 2013 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (ABl. 2013, C 258, S. 8). Die Kommission forderte das Königreich Spanien und interessierte Dritte darin zur Stellungnahme auf.

20      Nach Abschluss des zweiten förmlichen Prüfverfahrens erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss.

21      Im 94. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stellte die Kommission klar, dass dieser Beschluss sich ausschließlich mit den Auswirkungen der neuen behördlichen Auslegung befasse, die von den spanischen Behörden nach Erlass der Ursprungsrechtsakte eingeführt worden sei.

22      In den Ursprungsrechtsakten sollte der Kommission zufolge nämlich geprüft werden, ob die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS, wie sie von den spanischen Behörden im Verlauf des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass dieser Rechtsakte führte, dargelegt wurde, mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Das Königreich Spanien habe in dem oben in Rn. 12 erwähnten Schreiben vom 4. Juni 2007 der Kommission erklärt, dass die anfängliche Verwaltungspraxis nur den steuerlichen Abzug des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts für den direkten Erwerb von Beteiligungen an Betriebsgesellschaften ermögliche. Schließlich hätten die DGT und das Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan) Art. 12 Abs. 5 TRLIS von seinem Inkrafttreten am 1. Januar 2002 bis zum Erlass der neuen behördlichen Auslegung im März 2012 konsequent und systematisch nur auf den direkten Erwerb von Beteiligungen an Betriebsgesellschaften angewandt (Erwägungsgründe 95 bis 98 des angefochtenen Beschlusses).

23      Die von Spanien im März 2012 übernommene neue behördliche Auslegung habe den Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS erweitert, da die Maßnahme ab diesem Zeitpunkt nicht mehr nur auf den finanziellen Geschäfts- oder Firmenwert anwendbar gewesen sei, der sich aus dem direkten Erwerb von Beteiligungen an nicht in Spanien ansässigen Unternehmen ergeben habe, sondern auch auf den finanziellen Geschäfts- oder Firmenwert aus dem indirekten Erwerb von Beteiligungen an nicht in Spanien ansässigen Unternehmen, der durch den Erwerb von Beteiligungen an einer Holdinggesellschaft entstanden sei (99. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

24      Hieraus schlussfolgerte die Kommission, dass die neue behördliche Auslegung nicht von den Ursprungsrechtsakten gedeckt sei. Des Weiteren könne diese neue behördliche Auslegung nicht als „bestehende Beihilfe“ im Sinne von Art. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) angesehen werden, da die Ursprungsrechtsakte bereits zu der Schlussfolgerung gelangt seien, dass es sich bei der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS, dergestalt wie sie von den spanischen Behörden angewandt worden sei, um eine rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe handele. Die neue behördliche Auslegung sei folglich eine „neue Beihilfe“ im Sinne von Art. 1 Buchst. c dieser Verordnung (Erwägungsgründe 99 bis 101 des angefochtenen Beschlusses).

25      Das Königreich Spanien und die Beteiligten forderten dennoch, dass der in den Ursprungsrechtsakten anerkannte Vertrauensschutz ebenfalls für den indirekten Erwerb von Beteiligungen gelte. Der Vertrauensschutz sei aufgrund der Bezugnahmen auf indirekte Erwerbe in den Antworten der Kommission auf die oben in den Rn. 9 und 10 beschriebenen schriftlichen parlamentarischen Anfragen, in der Pressemitteilung vom 10. Oktober 2007, mit der die Eröffnung des ersten förmlichen Prüfverfahrens angekündigt worden sei (IP/07/1469), sowie in den Ursprungsrechtsakten anzuerkennen (189. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

26      Im Gegensatz zur Entscheidung in den Ursprungsrechtsakten (siehe oben, Rn. 16) habe sich die Kommission jedoch im angefochtenen Beschluss geweigert, durch Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes von der Rückforderung der unter Anwendung der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS gewährten Beihilfen für den indirekten Erwerb, der die oben in Rn. 16 beschriebenen Bedingungen erfüllt habe, abzusehen (Erwägungsgründe 189 bis 200 des angefochtenen Beschlusses).

27      Die Kommission kam folglich zu dem Schluss, dass die neue behördliche Auslegung, mit der der Geltungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS ausgeweitet worden sei, um den indirekten Erwerb von Beteiligungen an nicht in Spanien ansässigen Unternehmen infolge des direkten Erwerbs von Beteiligungen an nicht in Spanien ansässigen Holdinggesellschaften einzuschließen, und die das Königreich Spanien unter Verletzung von Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig vorgenommen habe, mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei (Art. 1 des angefochtenen Beschlusses). Folglich forderte die Kommission das Königreich Spanien auf, dieser Beihilferegelung ein Ende zu setzen und die unter ihr gewährten Beihilfen zurückzufordern (Art. 4 bis 7 des angefochtenen Beschlusses), sofern es sich nicht um eine unter Anwendung dieser Regelung gewährte Einzelbeihilfe handele, die die Voraussetzungen einer De-minimis-Verordnung oder einer Gruppenfreistellung erfülle (Art. 2 und 3 des angefochtenen Beschlusses).

 Anträge der Parteien

28      Die Klägerinnen beantragen nach ihrem letzten Schriftsatz,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

29      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

30      Nach Anhörung der Parteien beschließt das Gericht, die Rechtssachen T‑12/15, T‑158/15 und T‑258/15 gemäß Art. 68 Abs. 1 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden.

 Zur Zulässigkeit der Klagen

31      In ihren Schriftsätzen hat die Kommission die Zulässigkeit der vorliegenden Klagen bestritten. Dennoch hat sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung zugestanden, dass die Klägerinnen durch die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS für ihren Erwerb von indirekten Beteiligungen begünstigt worden seien, so dass ihre Klagen zulässig seien.

32      In dieser Hinsicht stellt das Gericht auf Grundlage des ihm unterbreiteten Sachvortrags fest, dass die Klägerinnen tatsächlich Begünstigte der unter der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS gewährten Individualbeihilfen in Form von für den indirekten Erwerb vorgenommenen Abzügen sind, die gemäß der von der Kommission an das Königreich Spanien gerichteten Anordnung der Rückforderung von gewährten Beihilfen gemäß der Regelung in Art. 4 Abs. 2 bis 5 des angefochtenen Beschlusses zurückzuzahlen sind.

33      Die Klagen sind daher zulässig.

 Zur Begründetheit

34      Die Klägerinnen haben ihre Klagen anfangs auf vier Klagegründe gestützt. Erstens liege ein Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV wegen eines Rechtsfehlers in Bezug auf die Voraussetzung der Selektivität vor. Zweitens sei die Ermittlung des Begünstigten der streitigen Regelung rechtsfehlerhaft. Drittens liege keine neue Beihilfe im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV sowie von Art. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 659/1999 in der Fassung bei Erlass des angefochtenen Beschlusses vor. Viertens liege ein Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, des Estoppel (bzw. des Verbots des venire contra factum proprium) und der Rechtssicherheit vor.

35      In ihrer Stellungnahme vom 15. November 2021, in der sie Ausführungen zu den Auswirkungen der Urteile vom 6. Oktober 2021, Sigma Alimentos Exterior/Kommission (C‑50/19 P, EU:C:2021:792), vom 6. Oktober 2021, World Duty Free Group und Spanien/Kommission (C‑51/19 P und C‑64/19 P, EU:C:2021:793), vom 6. Oktober 2021, Banco Santander/Kommission (C‑52/19 P, EU:C:2021:794), vom 6. Oktober 2021, Banco Santander u. a./Kommission (C‑53/19 P und C‑65/19 P, EU:C:2021:795), vom 6. Oktober 2021, Axa Mediterranean/Kommission (C‑54/19 P, EU:C:2021:796), und vom 6. Oktober 2021, Prosegur Compañía de Seguridad/Kommission (C‑55/19 P, EU:C:2021:797), gemacht haben, haben die Klägerinnen auf den ersten und den zweiten Klagegrund verzichtet, da der Gerichtshof in den genannten Urteilen rechtskräftig über den selektiven Charakter der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS und die Rechtmäßigkeit der Ursprungsrechtsakte entschieden habe.

 Zum dritten Klagegrund

36      Mit dem dritten Klagegrund machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, dass die Kommission die neue behördliche Auslegung im angefochtenen Beschluss fehlerhaft als neue Beihilfe eingeordnet habe.

37      Hierzu bestreiten die Klägerinnen vorliegend zunächst die Anwendbarkeit der im 96. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannten Rechtsprechung aus den Urteilen vom 20. Mai 2010, Todaro Nunziatina & C. (C‑138/09, EU:C:2010:291), und vom 16. Dezember 2010, Kahla Thüringen Porzellan/Kommission (C‑537/08 P, EU:C:2010:769). Tatsächlich wäre diese Rechtsprechung nur anwendbar, wenn das Königreich Spanien der Kommission die streitige Regelung notifiziert hätte und die Kommission deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt festgestellt hätte, was vorliegend nicht der Fall sei. Da darüber hinaus die Ursprungsrechtsakte nicht auf den Inhalt des Schreibens des Königreichs Spanien vom 4. Juni 2007 verwiesen hätten, sei dieses Schreiben bei der Einschränkung ihres Geltungsbereichs allein auf den direkten Erwerb nicht berücksichtigt worden.

38      Zur Stützung des ersten Teils des dritten Klagegrundes tragen die Klägerinnen vor, dass die Kommission den Geltungsbereich des Steuervorbescheids der DGT und der Entscheidungen des Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan) fehlerhaft bestimmt habe. Tatsächlich habe die neue behördliche Auslegung die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS nicht geändert, da diese von Anfang an auf den indirekten Erwerb anwendbar gewesen sei. In dieser Hinsicht habe die neue behördliche Auslegung im spanischen Recht den Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS nicht ändern können, da sie keinerlei normative Wirkung gehabt habe. Der Anwendungsbereich hätte nur durch den spanischen Gesetzgeber oder die Rechtsprechung der spanischen Gerichte geändert werden können. Art. 12 Abs. 5 TRLIS habe seit seinem Inkrafttreten jedoch keine wesentliche Änderung erfahren, wenn man davon absehe, dass die Ursprungsrechtsakte der Kommission berücksichtigt worden seien. Außerdem hätten weder die ursprüngliche behördliche Auslegung noch die neue behördliche Auslegung bindende rechtliche Wirkungen für die betroffenen Steuerpflichtigen. Diese hätten folglich diesen behördlichen Auslegungen folgen können oder nicht. Mehrere Steuerpflichtige hätten im Übrigen Art. 12 Abs. 5 TRLIS weit vor dem Erlass der neuen behördlichen Auslegung auf den indirekten Erwerb angewandt.

39      Zur Stützung des zweiten Teils des dritten Klagegrundes machen die Klägerinnen geltend, dass die Ursprungsrechtsakte die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS sowohl im Hinblick auf den direkten Erwerb als auch den indirekten Erwerb bereits analysiert und untersucht hätten. Diese Schlussfolgerung dränge sich insbesondere aufgrund der Tatsache auf, dass die genannten Rechtsakte mehrmals ausdrücklich Bezug auf den indirekten Erwerb nähmen, aber auch aufgrund mehrerer öffentlicher Stellungnahmen der Kommission vor dem Erlass der Ursprungsrechtsakte. Unter diesen Umständen sei die neue behördliche Auslegung nicht als neue Beihilfe einzuordnen, da sie bereits im materiellen Anwendungsbereich der Ursprungsrechtsakte enthalten gewesen sei.

40      Die Kommission macht zunächst geltend, dass die Rechtsprechung aus den Urteilen vom 20. Mai 2010, Todaro Nunziatina & C. (C‑138/09, EU:C:2010:291), und vom 16. Dezember 2010, Kahla Thüringen Porzellan/Kommission (C‑537/08 P, EU:C:2010:769), vorliegend anwendbar sei, auch wenn ihr die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS nicht notifiziert worden sei. Im Hinblick auf die durch die spanischen Behörden im Schreiben vom 4. Juni 2007 übermittelten Informationen müsse der Geltungsbereich des verfügenden Teils der Ursprungsrechtsakte folglich allein auf direkte Erwerbe beschränkt werden.

41      Im Hinblick auf den ersten Teil des dritten Klagegrundes habe die neue behördliche Auslegung die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS geändert, da zuvor lediglich der direkte Erwerb in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift gefallen sei. Tatsächlich habe die ursprüngliche behördliche Auslegung zwischen 2002 und 2012 konsequent den indirekten Erwerb vom Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS ausgeschlossen. Es treffe auch nicht zu, dass die behördlichen Auslegungen keinerlei bindende rechtliche Wirkungen für die Steuerpflichtigen hätten, da die spanische Steuerverwaltung verpflichtet sei, allen Steuerpflichtigen gegenüber, die sich in der gleichen Situation befänden, die gleiche behördliche Auslegung anzuwenden.

42      Im Hinblick auf den zweiten Teil des dritten Klagegrundes trägt die Kommission vor, dass sie im angefochtenen Beschluss zu Recht zum Schluss gekommen sei, dass die neue behördliche Auslegung den Anwendungsbereich der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS geändert habe. Schließlich spiegelten die Verweise auf indirekte Erwerbe in den Ursprungsrechtsakten lediglich den Wortlaut von Art. 21 TRLIS wider. Die Ursprungsrechtsakte regelten jedoch keine indirekten Erwerbe, weil sie die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS so untersucht hätten, wie sie von den spanischen Behörden dargelegt worden sei. In ihrem Schreiben von 4. Juni 2007 hätten die spanischen Behörden der Kommission jedoch versichert, dass die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS nur auf direkte Erwerbe anwendbar sei. Im Hinblick auf ihre öffentlichen Stellungnahmen meint die Kommission, dass diese keine Auswirkungen hätten, weil sie nicht verpflichtet gewesen sei, vor dem Erlass der Ursprungsrechtsakte die individuelle Lage der betroffenen Unternehmen zu prüfen.

–       Zum Gegenstand des dritten Klagegrundes

43      Wie sich aus den obigen Rn. 21 bis 24 ergibt, ordnete die Kommission im angefochtenen Beschluss die neue behördliche Auslegung als neue Beihilfe ein. Mit dem dritten Klagegrund bestreiten die Klägerinnen, dass die Anwendung der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS auf indirekte Erwerbe als neue Beihilfe eingestuft werden könne.

44      Vorliegend jedoch geht es, wie die Kommission insbesondere in den Erwägungsgründen 100 und 149 des angefochtenen Beschlusses ausführte, nicht um die Feststellung, ob die betreffende Beihilfe als bestehende Beihilfe eingeordnet werden kann oder ob die neue behördliche Auslegung eine „wesentliche Änderung“ einer bestehenden Beihilfe im Sinne der Rechtsprechung darstellt, da die Ursprungsrechtsakte bereits feststellten, dass Art. 12 Abs. 5 TRLIS, dergestalt wie er von den spanischen Behörden angewandt wurde, eine rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe darstellte. Vielmehr ist festzustellen, ob der Geltungsbereich der Ursprungsrechtsakte auch den indirekten Erwerb infolge des direkten Erwerbs von Beteiligungen an einer Holdinggesellschaft umfasste oder nicht und ob sich aus diesem Grund Gesellschaften, die die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS auf einen derartigen indirekten Erwerb angewandt haben, auch auf den in diesen Rechtsakten anerkannten Vertrauensschutz berufen können.

45      Die Klägerinnen möchten demnach mit ihren Ausführungen in Wirklichkeit zeigen, dass der indirekte Erwerb bereits von den Ursprungsrechtsakten abgedeckt gewesen sei und die Kommission folglich den angefochtenen Beschluss speziell im Hinblick auf diese Arten von Vorgängen nicht habe erlassen dürfen. Diese Auslegung des dritten Klagegrundes wird zudem durch seinen Wortlaut bestätigt, wonach „die neue behördliche Auslegung keine neue Beihilfe darstellt, die sich von der durch die Kommission in [den Ursprungsrechtsakten] bereits untersuchten unterscheidet“. Außerdem wird sie durch die Ausführungen der Klägerinnen bestätigt, nach denen „die in dem [angefochtenen] Beschluss … untersuchte Beihilfe genau die gleiche ist, zu der sich die Kommission in [den Ursprungsrechtsakten] geäußert hat“, „die Kommission [in dem angefochtenen Beschluss] wieder[holt] [hat] …, was sie kategorisch und mehrfach in [den Ursprungsrechtsakten] ausgeführt hat“, und „die Kommission sich daher im Rahmen eines Verfahrens zu einer ‚neuen‘ Beihilfe nicht erneut zu [der streitigen] Regelung äußern konnte“.

46      So abgegrenzt wird der dritte Klagegrund im Folgenden untersucht.

–       Zum Geltungsbereich der Ursprungsrechtsakte

47      Die Parteien sind sich über den Geltungsbereich der Ursprungsrechtsakte uneinig. Nach den Klägerinnen regelten diese nicht nur den direkten Erwerb, sondern auch den indirekten Erwerb. Die Kommission hingegen trägt vor, dass die genannten Rechtsakte die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS so untersucht hätten, wie sie von den spanischen Behörden im Verlauf des Verwaltungsverfahrens, das zu ihrem Erlass geführt habe, dargelegt worden sei, und dass daher indirekte Erwerbe in diesem Zusammenhang nicht untersucht worden seien.

48      In dieser Hinsicht führte die Kommission in den Erwägungsgründen 95, 96, 145 und 147 des angefochtenen Beschlusses aus, dass nach ständiger Rechtsprechung der Geltungsbereich der Ursprungsrechtsakte nicht nur unter Heranziehung des Textes selbst, sondern auch unter Berücksichtigung der von dem betreffenden Mitgliedstaat notifizierten Beihilferegelung zu ermitteln sei (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Mai 2010, Todaro Nunziatina & C., C‑138/09, EU:C:2010:291, Rn. 31, vom 16. Dezember 2010, Kahla Thüringen Porzellan/Kommission, C‑537/08 P, EU:C:2010:769, Rn. 44, und vom 20. September 2018, Carrefour Hypermarchés u. a., C‑510/16, EU:C:2018:751, Rn. 38).

49      Allerdings muss vorweg festgestellt werden, dass die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS vorliegend, im Gegensatz zur Situation in den oben in Rn. 48 genannten Urteilen, wie von den Klägerinnen geltend gemacht, der Kommission vom Königreich Spanien nicht notifiziert wurde und dass die Ursprungsrechtsakte nicht die Vereinbarkeit dieser Regelung, sondern im Gegenteil ihre Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt festgestellt haben.

50      Das Gericht weist außerdem darauf hin, dass der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Union nach Art. 4 Abs. 3 EUV während des gesamten Verfahrens zur Prüfung einer beihilferechtlichen Maßnahme gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit erfordert, dass der betreffende Mitgliedstaat der Kommission die Informationen liefert, die es ihr gestatten, sich zur Beihilfeeigenschaft der fraglichen Maßnahme zu äußern. Er erfordert ebenso, dass die Kommission kraft ihrer Verpflichtung zur sorgfältigen und unvoreingenommenen Prüfung die ihr von diesem Mitgliedstaat gelieferten Informationen gewissenhaft prüft (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Dezember 2016, Club Hotel Loutraki u. a./Kommission, C‑131/15 P, EU:C:2016:989, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 6. April 2022, Mead Johnson Nutrition [Asia Pacific] u. a./Kommission, T‑508/19, EU:T:2022:217, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, müssen die Rechtsvorschriften zudem klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren können (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2011, France Télécom/Kommission, C‑81/10 P, EU:C:2011:811, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieser Grundsatz findet ebenfalls Anwendung, wenn die Kommission eine beihilferechtliche Maßnahme auf der Grundlage der Art. 4 und 7 der Verordnung Nr. 659/1999 ergreift, da der Mitgliedstaat, an den eine ihn zur Rückforderung rechtswidriger Beihilfen verpflichtende Entscheidung gerichtet ist, nach Art. 288 Abs. 4 AEUV alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen hat, um die Durchführung der Entscheidung sicherzustellen (vgl. Urteil vom 26. Juni 2003, Kommission/Spanien, C‑404/00, EU:C:2003:373, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung), und an einen Mitgliedstaat gerichtete Entscheidungen für alle Organe des jeweiligen Staates, einschließlich seiner Gerichte, verbindlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. November 2013, Deutsche Lufthansa, C‑284/12, EU:C:2013:755, Rn. 41).

53      Schließlich ist festzustellen, dass sich die Kommission im spezifischen Fall einer Beihilferegelung wie dem vorliegenden nach ständiger Rechtsprechung darauf beschränken kann, die Merkmale der betreffenden Regelung zu untersuchen, um in den Gründen der Entscheidung zu würdigen, ob diese Regelung den Beihilfeempfängern wegen der in ihr vorgesehenen Modalitäten einen Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern sichert und so beschaffen ist, dass sie Unternehmen zugutekommt, die sich am Handel zwischen den Mitgliedstaaten beteiligen. Daher braucht die Kommission in einer Entscheidung über eine solche Regelung keine Analyse der im Einzelfall aufgrund einer solchen Regelung gewährten Beihilfe durchzuführen. Erst im Stadium der Rückforderung der Beihilfen ist es erforderlich, die konkrete Situation jedes einzelnen betroffenen Unternehmens zu untersuchen (vgl. Urteil vom 4. März 2021, Kommission/Fútbol Club Barcelona, C‑362/19 P, EU:C:2021:169, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54      Vorliegend geht erstens aus dem Schreiben vom 26. März 2007 hervor, dass nach der vorläufigen Untersuchung der Kommission die fehlende Möglichkeit des Abzugs von erworbenen Anteilen an einer Holdinggesellschaft die Anzahl der möglichen Begünstigten der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS unangemessen einschränkte.

55      In Antwort auf das Schreiben vom 26. März 2007 entgegneten die spanischen Behörden mit Schreiben vom 4. Juni 2007, dass nach der -damals anwendbaren – Verwaltungspraxis allein der Geschäfts- oder Firmenwert aus einem direkten Erwerb nach Art. 12 Abs. 5 TRLIS abgezogen werden könne. Tatsächlich stellten die spanischen Behörden fest, dass „die Investitionskontrolle … nur über die direkte Beteiligung möglich [ist]“, dass „die Einschränkung der Wirkungen von Art. 12 Abs. 5 TRLIS auf der ersten Stufe … die Erstreckung des Geltungsbereichs auf den [in Unternehmen der zweiten oder darunterliegenden Stufe geschaffenen] Geschäfts- oder Firmenwert [verhindert]“ und dass die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS „schwer durchführbar [ist], wenn sie sich auch auf den Geschäfts- oder Firmenwert ausländischer Gesellschaften [der zweiten oder darunterliegenden Stufe] [bezieht], da diese Beteiligungen in den Aktiva dieser anderen ausländischen Gesellschaften bilanziert [werden], die sich der Kontrolle der [DGT] entziehen“.

56      Das Schreiben vom 4. Juni 2007 wird zwar im vierten Erwägungsgrund der Ursprungsrechtsakte erwähnt. Das Gericht stellt jedoch fest, dass die genannten Rechtsakte keinen Verweis auf den Inhalt dieses Schreibens enthalten. Wenn die Kommission aber, angesichts der Informationen in diesem Schreiben, beabsichtigt hätte, die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS nur insoweit zu prüfen, als sie auf den direkten Erwerb anwendbar war, hätte sie dies in den Ursprungsrechtsakten klar zum Ausdruck bringen müssen, was sie nicht tat.

57      In dieser Hinsicht ist vielmehr offensichtlich, dass die Ursprungsrechtsakte zahlreiche ausdrückliche Verweise auf indirekte Erwerbe enthalten. Ausdrücklich angesprochen werden sie etwa in den Teilen, die die genaue Beschreibung der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS (21. Erwägungsgrund der ersten und 30. Erwägungsgrund der zweiten Entscheidung), die Anerkennung eines berechtigten Vertrauens (Erwägungsgründe 167 und 170 der ersten und 193. Erwägungsgrund der zweiten Entscheidung) und die allgemeine Schlussfolgerung (175. Erwägungsgrund der ersten und 210. Erwägungsgrund der zweiten Entscheidung) enthalten, sowie in den verfügenden Teilen der Ursprungsrechtsakte (Art. 1 Abs. 2 der ersten und Art. 1 Abs. 2 und 4 der zweiten Entscheidung).

58      Außerdem spricht der von der Kommission insbesondere im 143. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geltend gemachte Umstand, dass sie sich bei Erwähnung des indirekten Erwerbs in den Ursprungsrechtsakten auf den Wortlaut von Art. 21 TRLIS gestützt habe, auf den Art. 12 Abs. 5 TRLIS verweise, dafür, dass sie diese Regelung in ihrer Gesamtheit im Voraus gemäß der oben in Rn. 53 angeführten Rechtsprechung untersuchte und dass sie nicht ausschloss, dass diese Regelung, unabhängig von der damaligen Verwaltungspraxis, auch auf einen indirekten Erwerb angewendet werden könnte. Im Übrigen hat die Kommission insbesondere in Rn. 21 der Klagebeantwortung zugestanden, dass die relevanten Bestimmungen des TRLIS in der Fassung bei Erlass der Ursprungsrechtsakte den indirekten Erwerb nicht ausdrücklich ausschlössen.

59      Schließlich stellt das Gericht fest, dass die Kommission im 151. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses anerkannte, dass die Unterscheidung zwischen dem direkten und dem indirekten Erwerb für die erforderliche Beurteilung in den Ursprungsrechtsakten nicht als relevant angesehen worden sei.

60      Daher geht aus dem Wortlaut der Ursprungsrechtsakte hervor, dass die Kommission dort die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS als Beihilferegelung in ihrer Gesamtheit – als sowohl auf den direkten als auch auf den indirekten Erwerb gerichtet – untersuchte.

61      Zweitens muss festgestellt werden, dass – anders, als die Kommission insbesondere im 99. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erwog – aus den von ihr vorgelegten Informationen nicht wirksam geschlussfolgert werden kann, dass die neue behördliche Auslegung den Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS erweitert hat.

62      Zunächst beruht eine derartige Auslegung unter Berücksichtigung des dem Gericht zur Kenntnis gebrachten und vor ihm erörterten Sachvortrags zum spanischen Recht tatsächlich auf einem fehlerhaften Verständnis des Systems der Körperschaftsteuerveranlagung im spanischen Recht. Wie die Klägerinnen dargelegt haben, funktioniert die spanische Körperschaftsteuer nach einem in Art. 137 TRLIS vorgesehenen Selbstveranlagungsverfahren, dessen Funktionsweise oben in Rn. 8 erläutert wird.

63      Das Selbstveranlagungsverfahren führt nach Art. 137 TRLIS und Art. 120 LGT demnach dazu, dass der Steuerpflichtige seine eigene Steuerschuld veranlagt, indem er die Rechtsvorschriften über die Körperschaftsteuer anwendet. Es ist kein Eingreifen der Steuerverwaltung notwendig, damit diese Steuerschuld als veranlagt gilt. Auch wenn eine Selbstveranlagung in bestimmten Fällen Gegenstand behördlicher Überprüfung sein kann, ist dies keinesfalls verpflichtend und in der weit überwiegenden Zahl der Fälle sind Steuerschulden Gegenstand einer Selbstveranlagung ohne behördliche Kontrolle.

64      Weiterhin sieht Art. 89 LGT vor, dass eine behördliche Auslegung seitens der DGT bindende Wirkung nur für die Organe der Steuerverwaltung hat, die mit der Anwendung der Besteuerung betraut sind. Somit ist, wie die Kommission vorgetragen hat, die spanische Steuerverwaltung zwar durch ihre Verwaltungspraxis gebunden und im Fall von Überprüfungen von Selbstveranlagungen, die durch die Steuerpflichtigen vorgelegt wurden, verpflichtet, allen Steuerpflichtigen gegenüber, die sich in der gleichen Situation befinden, die gleichen Kriterien anzuwenden. Dies ändert aber nichts daran, dass diese bindende Wirkung nicht die Steuerpflichtigen betrifft.

65      Das Gleiche gilt nach Art. 239 Abs. 8 LGT auch für die Rechtsprechung des Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan), die die anderen Organe des Verwaltungsrechtswegs sowie die Finanzverwaltung bindet, nicht aber die Steuerpflichtigen.

66      So geht aus den Akten und den Rn. 21 bis 32 des Urteils vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission (T‑207/10, EU:T:2018:786), hervor, dass einige Unternehmen in Anwendung dieses Grundsatzes den Abzug auf einen indirekten Erwerb auch bereits vor dem Erlass der neuen behördlichen Auslegung vorgenommen haben.

67      Wie in jedem Rechtsstaat sind die Unternehmen tatsächlich nicht verpflichtet, die gleiche Auslegung des Gesetzes wie die von der Steuerverwaltung empfohlene zu übernehmen. Sie können eine Norm anders anwenden, indem sie sich direkt auf den Wortlaut des Gesetzes berufen, und gegebenenfalls vor den zuständigen Gerichten die Verwaltungsakte anfechten, die ihre Selbstveranlagung unter Anwendung der streitigen Steuerbescheide möglicherweise berichtigen. Wie die Klägerinnen zu Recht geltend machen, obliegt es tatsächlich dem Gesetzgeber oder, im Fall von Zweifeln oder im Streitfall, den Gerichten, und nicht der Verwaltung, den Anwendungsbereich der rechtlichen Bestimmungen festzustellen. Die Kommission hat aber nicht dargelegt, dass der indirekte Erwerb vor der neuen behördlichen Auslegung durch den Gesetzgeber oder die spanischen Gerichte vom Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS ausgeschlossen worden wäre.

68      Schließlich stellt das Gericht fest, dass die Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof, Spanien) zwar im Anschluss an die neue behördliche Auslegung insbesondere in ihrem im 41. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannten Urteil vom 6. Februar 2014 ausführte, dass „ein Geschäfts- oder Firmenwert nicht in einem Unternehmen ohne materielle Tätigkeit generiert [werden kann]“ und dass „die [im vorliegenden Fall betroffene] Gesellschaft keinen finanziellen Geschäfts- oder Firmenwert generieren [kann], weil es sich um eine Gesellschaft [handelt], die nur Anteile [hält] und keiner materiellen Tätigkeit [nachgeht]“.

69      Gleichwohl stellte die Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof) in ihrem Urteil vom 6. Februar 2014 auch fest, dass die Frage, wegen derer sie in dieser Angelegenheit angerufen wurde, sich von der unterschied, die im Steuervorbescheid V0608-12 untersucht worden war, der der neuen behördlichen Auslegung zugrunde lag.

70      In dieser Hinsicht stellte die Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof) fest, dass die Frage, wegen derer sie angerufen worden sei, darin bestehe, festzustellen, „ob der Geschäfts- oder Firmenwert für Gesellschaften ohne Tätigkeit und einfache Holdinggesellschaften abgezogen [werden] kann“; demgegenüber war ihrer Ansicht nach die zentrale Frage des Steuervorbescheids V0608-12 die, „ob zur Berechnung des Geschäfts- oder Firmenwerts die Tatsache berücksichtigt [werden] kann, dass die Kontrolle direkt oder indirekt über Holdinggesellschaften erworben worden [ist]“. Nach dieser Feststellung beschränkte sich die Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof) auf die Schlussfolgerung, dass „es sich um unterschiedliche Fragen handelt, die unterschiedlicher Antworten bedürfen“, und schloss damit aus, dass ihr Urteil vom 6. Februar 2014 den Standpunkt der Kommission im angefochtenen Beschluss unterstützen konnte.

71      Wie sich im Übrigen aus der Akte ergibt, hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien), das mit einem Rechtsmittel gegen das Urteil der Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof) vom 6. Februar 2014 angerufen wurde, das vor ihm anhängige Verfahren ausgesetzt, so dass dem Anwendungsbereich der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS, auch noch am Tag des vorliegenden Urteils, Präzision und Klarheit fehlt, wie die Kommission in den Erwägungsgründen 184 und 195 des angefochtenen Beschlusses sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung betont hat.

72      Daher berücksichtige die Kommission bei der Feststellung, dass die neue behördliche Auslegung den Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS „erweitert“ habe, das spanische Recht nicht gebührend, weil nach diesem Recht der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht durch bloße behördliche Auslegung bestimmt werden konnte.

73      Nach alledem ist festzustellen, dass die Ursprungsrechtsakte, anders als nach dem Ergebnis, zu dem die Kommission im angefochtenen Beschluss gelangte, bereits den direkten wie auch den indirekten Erwerb regelten.

74      Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob die Kommission den angefochtenen Beschluss wirksam erlassen konnte.

–       Zur Befugnis der Kommission, angesichts des Anwendungsbereichs der Ursprungsrechtsakte den angefochtenen Beschluss zu erlassen

75      Auch wenn vorliegend die Ursprungsrechtsakte und der angefochtene Beschluss die Unvereinbarkeit der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS feststellen, ordnet Art. 4 dieses Beschlusses gleichwohl an, dass das Königreich Spanien alle unter Anwendung dieser Regelung gewährten Beihilfen für den indirekten Erwerb zurückfordert, obwohl einige dieser Beihilfen aufgrund der Ursprungsrechtsakte wegen des berechtigten Vertrauens, das die Kommission in diesen Rechtsakten anerkannt hatte (siehe oben, Rn. 16), von der Verpflichtung zur Rückforderung ausgenommen waren.

76      Ein derartiges Ergebnis kommt einer Rücknahme der Ursprungsrechtsakte gleich, da diese bereits den indirekten Erwerb regelten und dafür unter bestimmten Bedingungen Vertrauensschutz gewährten.

77      In dieser Hinsicht ist nach Art. 9 der Verordnung Nr. 659/1999 in Verbindung mit ihrem Art. 13 Abs. 3 und ihrem zehnten Erwägungsgrund der „Widerruf“ einer Entscheidung möglich, wenn diese auf während des Verfahrens übermittelten unrichtigen Informationen beruhte, die ein für sie ausschlaggebender Faktor waren.

78      Jedoch ist aus der Akte nicht ersichtlich und die Kommission beruft sich im Übrigen auch nicht darauf, dass sie sich bei Erlass des angefochtenen Beschlusses auf während des Verwaltungsverfahrens übermittelte unrichtige Informationen gestützt habe. Insbesondere stellt das Schreiben vom 4. Juni 2007, wie oben in Rn. 55 erläutert, die Verwaltungspraxis, die zum damaligen Zeitpunkt in Spanien bestand, korrekt dar.

79      Tatsächlich war die Kommission im Schreiben vom 26. März 2007 selbst der Ansicht, dass es unangemessen wäre, den indirekten Erwerb aus dem Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS auszunehmen (siehe oben, Rn. 54). Die Kommission selbst untersuchte in den Ursprungsrechtsakten auch die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS in ihrer Gesamtheit im Voraus, einschließlich der Frage, ob diese Regelung auf den indirekten Erwerb anwendbar ist (siehe oben, Rn. 58).

80      Entgegen den Ausführungen der Kommission im 147. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses war der Geltungsbereich der Ursprungsrechtsakte somit nicht durch die von den spanischen Behörden im Schreiben vom 4. Juni 2007 dargestellten Durchführungsbestimmungen der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS beschränkt.

81      Da der indirekte Erwerb bereits in den Ursprungsrechtsakten berücksichtigt wurde und nicht nachgewiesen wurde, dass Letztere auf unrichtigen Informationen beruhten, konnte die Kommission keinen „Widerruf“ der Ursprungsrechtsakte nach Art. 13 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 vornehmen, soweit diese derartige Vorgänge regelten.

82      Es ist jedoch richtig, dass die Möglichkeit der Kommission, eine Entscheidung über staatliche Beihilfen zurückzunehmen, keineswegs auf den Fall nach Art. 9 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 beschränkt ist. Diese Bestimmungen sind nämlich nur eine besondere Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes, dass die rückwirkende Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, der subjektive Rechte verliehen hat, insbesondere dann zulässig ist, wenn der fragliche Verwaltungsakt aufgrund von falschen oder unvollständigen Angaben des Betroffenen erlassen wurde. Die Möglichkeit, einen rechtswidrigen Verwaltungsakt, der subjektive Rechte verliehen hat, zurückzunehmen, ist jedoch nicht auf diesen einen Fall beschränkt, denn eine solche Rücknahme kann stets erfolgen, sofern das den Verwaltungsakt erlassende Organ die Voraussetzungen berücksichtigt, wonach eine angemessene Frist einzuhalten und das berechtigte Vertrauen des Adressaten des Rechtsakts in dessen Rechtmäßigkeit zu beachten ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2015, Deutsche Post/Kommission, T‑421/07 RENV, EU:T:2015:654, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Schlussanträge des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona in der Rechtssache Repower/EUIPO, C‑281/18 P, EU:C:2019:426, Nr. 65).

83      Die Kommission hat jedoch niemals vorgetragen, dass die Ursprungsrechtsakte rechtswidrig gewesen seien, soweit sie den indirekten Erwerb regelten, was es ihr gegebenenfalls nach der oben in Rn. 82 angeführten Rechtsprechung gestattet hätte, sich auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz zu berufen, der die Rücknahme einer rechtswidrigen Entscheidung gestattet. Im Übrigen haben das Gericht und anschließend der Gerichtshof die Klagen auf Nichtigerklärung, mit der die Rechtswidrigkeit der Ursprungsrechtsakte geltend gemacht wurde, zurückgewiesen.

84      In Wirklichkeit handelt es sich vorliegend, wie vom Königreich Spanien und den weiteren Beteiligten im Wesentlichen im Rahmen der Verwaltungsphase festgestellt (Erwägungsgründe 82 und 90 des angefochtenen Beschlusses), keineswegs um die Rücknahme eines rechtswidrigen Akts, sondern um den Widerruf zweier rechtmäßiger Akte, nämlich der Ursprungsrechtsakte, soweit sie den indirekten Erwerb regelten.

85      Nach ständiger Rechtsprechung aber verstößt der rückwirkende Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts, durch den subjektive Rechte oder gleichartige Vorteile eingeräumt wurden, gegen die allgemeinen Rechtsgrundsätze (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. März 1961, Snupat/Hohe Behörde, 42/59 und 49/59, EU:C:1961:5, S. 162, vom 22. September 1983, Verli-Wallace/Kommission, 159/82, EU:C:1983:242, Rn. 8 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 12. Februar 2020, ZF/Kommission, T‑605/18, EU:T:2020:51, Rn. 138 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86      In dieser Hinsicht, und wie schon oben in Rn. 75 angeführt, stellt das Gericht fest, dass die Ursprungsrechtsakte dem Königreich Spanien unter der Bedingung und aufgrund des Vorliegens eines berechtigten Vertrauens ein subjektives Recht verliehen haben, die betreffende Beihilferegelung durchführen zu können, obwohl sie für unvereinbar erklärt wurde, und, davon abgeleitet, den von dieser Regelung begünstigten Unternehmen, bestimmte rechtswidrige Beihilfen nicht zurückzahlen zu müssen. Das Gericht stellt auch fest, dass der angefochtene Beschluss dieses Recht in Bezug auf den indirekten Erwerb nachträglich entzog.

87      Folglich griff der angefochtene Beschluss nicht nur in den Grundsatz der Rechtssicherheit ein, sondern stellte auch das berechtigte Vertrauen in Frage, das die spanischen Behörden und die betroffenen Unternehmen aus den Ursprungsrechtsakten hinsichtlich deren Anwendbarkeit auf den indirekten Erwerb ziehen konnten. In dieser Hinsicht genügt die Feststellung, dass die Ursprungsrechtsakte auf den Erwerb sowohl direkter als auch indirekter Beteiligungen Bezug nahmen (siehe oben, Rn. 57).

88      Daher muss dem dritten Klagegrund entsprochen und der angefochtene Beschluss in seiner Gesamtheit für nichtig erklärt werden, ohne dass es notwendig wäre, über die anderen im Rahmen dieses Klagegrundes von den Klägerinnen vorgebrachten Argumente zu entscheiden.

89      Vorsorglich stellt das Gericht dennoch klar, dass, auch wenn die Ursprungsrechtsakte im Licht insbesondere von Art. 21 TRLIS, der ausdrücklich den indirekten Erwerb erwähnt, so auszulegen sind, dass sie sich sowohl auf den direkten Erwerb als auch auf den indirekten Erwerb erstrecken, es gegebenenfalls doch allein den spanischen Gerichten obliegt, festzustellen, ob die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS, insbesondere im Hinblick auf die Bestimmungen von Art. 15 des Königlichen Dekrets 1777/2004, mit dem die Durchführungsverordnung zum Körperschaftsteuergesetz angenommen wurde, dieser Art von Vorgang nach spanischem Recht zugutekommen kann oder nicht. Wie von den Klägerinnen in ihren Schriftsätzen dargelegt, müssen nämlich die spanischen Gerichte und schließlich auch das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) oder sogar der spanische Gesetzgeber den wirklichen Geltungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS bestimmen.

90      Unter der Annahme, dass die Kommission berechtigt war, den angefochtenen Beschluss zu erlassen, ist außerdem ergänzend der vierte Klagegrund der Klägerinnen zu untersuchen.

 Zum vierten Klagegrund

91      Der vierte Klagegrund besteht aus drei Teilen, die sich jeweils auf den Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, gegen das Estoppel-Prinzip (bzw. das Verbot des venire contra factum proprium) und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit stützen; jeder dieser Verstöße könne zur Nichtigerklärung von Art. 4 Abs. 2 bis 5 des angefochtenen Beschlusses führen.

92      Im Rahmen des ersten Teils des vierten Klagegrundes führen die Klägerinnen im Wesentlichen an, dass sie von der Verpflichtung zur Rückzahlung der Steuerabzüge nach Art. 12 Abs. 5 TRLIS in Bezug auf ihren indirekten Erwerb auszunehmen seien und dass ihnen der gleiche Vertrauensschutz zugutekommen müsse, wie er in den Ursprungsrechtsakten anerkannt worden sei. Denn die Kommission habe, insbesondere durch öffentliche Erklärungen vor den Ursprungsrechtsakten, präzise, unbedingte und übereinstimmende Zusicherungen gegeben, denen zufolge Art. 12 Abs. 5 TRLIS keine staatliche Beihilfe darstelle, ohne zwischen direktem oder indirektem Erwerb zu differenzieren. Außerdem hätten die Ursprungsrechtsakte bereits den indirekten Erwerb geregelt und dabei ein berechtigtes Vertrauen der Klägerinnen anerkannt.

93      Die Kommission trägt vor, dass sich die Verweise auf indirekte Erwerbe in den Ursprungsrechtsakten durch die Wiedergabe des Wortlauts von Art. 21 TRLIS erklärten. Die Kommission wiederholt ebenfalls ihr Argument, dass die anfängliche behördliche Auslegung den indirekten Erwerb vom Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS ausgeschlossen habe. Die Klägerinnen hätten aber Kenntnis von dieser ursprünglichen behördlichen Auslegung gehabt und hätten daher gewusst, dass vor dem 21. März 2012 der indirekte Erwerb nicht von Art. 12 Abs. 5 TRLIS abgedeckt sei. Das in den Ursprungsrechtsakten anerkannte berechtigte Vertrauen könne deshalb nicht rückwirkend für Vorgänge anerkannt werden, die bei dem Erlass dieser Rechtsakte nicht dem Anwendungsbereich der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS unterfallen seien. Was die öffentlichen Erklärungen der Kommission vor dem Erlass der Ursprungsrechtsakte angehe, so könnten diese nicht als Grundlage irgendeines berechtigten Vertrauens dienen, weil die Kommission keine Kenntnis von der Struktur der betroffenen Unternehmen und den von ihnen durchgeführten Vorgängen gehabt habe. Insbesondere habe die Kommission nicht untersucht, ob diese Vorgänge als direkter oder indirekter Erwerb einzuordnen seien. Jedenfalls sei die Kommission rechtlich nicht verpflichtet gewesen, in dieser Phase des Verfahrens eine detaillierte Untersuchung dieser Vorgänge durchzuführen. In jedem Fall seien diese öffentlichen Erklärungen vor der neuen behördlichen Auslegung erfolgt und könnten auch deshalb keinerlei berechtigtes Vertrauen schaffen.

94      Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission nach Art. 14 der Verordnung Nr. 659/1999 in Negativentscheidungen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern, außer wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstoßen würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission, T‑207/10, EU:T:2018:786, Rn. 35 und 36 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

95      Hierbei steht fest, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission, T‑207/10, EU:T:2018:786, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96      Jedoch dürfen, da die Überwachung der staatlichen Beihilfen durch die Kommission in Art. 108 AEUV zwingend vorgeschrieben ist, zum einen die von einer Beihilfe begünstigten Unternehmen auf die Ordnungsmäßigkeit dieser Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen, wenn sie unter Einhaltung des in diesem Artikel vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde; zum anderen ist es einem sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer regelmäßig möglich, sich zu vergewissern, dass dieses Verfahren eingehalten wurde. Insbesondere kann der Empfänger einer Beihilfe, wenn sie ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission gewährt wurde, so dass sie gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig ist, grundsätzlich in diesem Moment kein berechtigtes Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit ihrer Gewährung haben. Dies gilt sowohl für Einzelbeihilfen als auch für Beihilfen, die im Rahmen einer Beihilferegelung gewährt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. März 2021, Kommission/Fútbol Club Barcelona, C‑362/19 P, EU:C:2021:169, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission, T‑207/10, EU:T:2018:786, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

97      Folglich kann sich der Empfänger einer nicht angemeldeten Beihilfe nur unter außergewöhnlichen Umständen auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission, T‑207/10, EU:T:2018:786, Rn. 40 bis 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

98      Nach ständiger Rechtsprechung setzt das Recht, sich auf Vertrauensschutz zu berufen, voraus, dass das betreffende Organ der Union den Empfängern der Beihilfen präzise, unbedingte und übereinstimmende Zusicherungen erteilt hat, die aber den geltenden Vorschriften entsprechen und die ihrem Wesen nach geeignet sind, begründete Erwartungen zu wecken (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission, T‑207/10, EU:T:2018:786, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Vorliegend stellt das Gericht zunächst fest, dass, wenn ein berechtigtes Vertrauen bei den Begünstigten anerkannt werden könnte, sich dieses nur auf die nach Art. 12 Abs. 5 TRLIS vorgenommenen Abzüge für den Erwerb von Beteiligungen an auf dem Gebiet eines Mitgliedstaats der Union oder bestimmten Drittstaaten ansässigen Gesellschaften vor dem 21. Dezember 2007 bzw. für bestimmte Vorgänge vor dem 21. Mai 2011 bezöge (siehe oben, Rn. 16).

100    In dieser Hinsicht erinnert das Gericht daran, dass 2005 und 2006 mehrere Mitglieder des Parlaments Anfragen zur Vereinbarkeit der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS mit den Regelungen über staatliche Beihilfen an die Kommission richteten (schriftliche Anfragen E‑4431/05, E‑4772/05, E‑5800/06 und P-5509/06).

101    In ihrer Antwort vom 19. Januar 2006 auf die Anfrage E‑4431/05 führte die Kommission insbesondere Folgendes aus:

„Die Kommission kann nicht bestätigen, dass die hohen Angebote spanischer Unternehmen durch das spanische Steuerrecht erklärt werden können, aufgrund dessen Unternehmen in Spanien den finanziellen Geschäfts- oder Firmenwert schneller abschreiben können als französische oder italienische Unternehmen. Die Kommission kann hingegen bestätigen, dass derartige einzelstaatliche Rechtsvorschriften nicht in den Anwendungsbereich der Beihilfevorschriften fallen, sondern auf alle Unternehmen in Spanien anwendbare allgemeine Wertminderungsvorschriften darstellen.“

102    In ihrer Antwort vom 17. Februar 2006 auf die Anfrage E‑4772/05 führte die Kommission insbesondere Folgendes aus:

„Gemäß den der Kommission zurzeit vorliegenden Informationen scheinen die spanischen Steuervorschriften bezüglich der Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwertes für alle Unternehmen in Spanien unabhängig von ihrer Größe, ihrem Wirtschaftszweig, ihrer Rechtsform und ihrem privaten bzw. öffentlichen Charakter zu gelten, da es sich um allgemeine Abschreibungsregeln handelt. Daher scheinen sie nicht in den Anwendungsbereich der Vorschriften über staatliche Beihilfen zu fallen. Selbstverständlich wird die Kommission alle gegenteiligen Informationen, die ihr zur Kenntnis gebracht werden, einer eingehenden Prüfung unterziehen.“

103    In ihrer Antwort vom 5. Februar 2007 auf die Anfrage E‑5509/06 führte die Kommission insbesondere Folgendes aus:

„Im vorliegenden Fall hat die Kommission bisher keine Stellungnahme zur Vereinbarkeit der spanischen Steuervorschriften über die steuerliche Abzugsfähigkeit des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts aus beihilferechtlicher Sicht abgegeben; sie scheinen jedoch nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen der Vierten Rechnungslegungsrichtlinie zu stehen … Die Kommission möchte jedenfalls darauf hinweisen, dass es nicht möglich ist, das Ergebnis einer späteren Untersuchung der etwaigen Beihilfemaßnahmen, auf die der Herr Abgeordnete Bezug nimmt, vorherzusagen. In diesem Zusammenhang weist die Kommission erneut darauf hin, dass sie im Rahmen ihrer Befugnisse zur Kontrolle staatlicher Beihilfen die Rückforderung aller mit dem Binnenmarkt unvereinbaren und rechtswidrig gewährten Beihilfen verlangen kann, um dem Empfänger den Vorteil zu nehmen, den er gegenüber seinen Wettbewerbern auf dem Markt erlangt hat, und damit die Wettbewerbssituation wiederherzustellen, die vor der Auszahlung der Beihilfe bestand.“

104    In ihrer Antwort vom 9. März 2007 auf die Anfrage E‑5800/06 führte die Kommission insbesondere Folgendes aus:

„Bis zu diesem Tag ist der [betreffende steuerliche Vorteil] von der Kommission nicht untersucht worden und Spanien hat die Regelung [von Art. 12 Abs. 5 TRLIS] auch nicht zur Prüfung im Rahmen staatlicher Beihilfen angemeldet. Die Kommission hat dennoch eine vorläufige Prüfung [dieser] Regelung begonnen, um festzustellen, ob diese Maßnahme als staatliche Beihilfe angesehen werden kann und ob sie, sofern dies der Fall ist, mit dem Binnenmarkt vereinbar ist.“

105    Im Hinblick auf die oben in den Rn. 101 und 102 betrachteten Antworten vom 19. Januar und vom 17. Februar 2006 entschied das Gericht bereits jeden Erwerb von Beteiligungen vor dem 21. Dezember 2007 betreffend, dass diese Antworten der Kommission, wenn auch vage im Hinblick auf die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS in ihrer Gesamtheit, dennoch hinreichend präzise waren, um ein berechtigtes Vertrauen dahin gehend zu schaffen, dass die genannte Regelung nicht selektiv war und somit keine staatliche Beihilfe darstellte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission, T‑207/10, EU:T:2018:786, Rn. 50 bis 112).

106    Insbesondere entschied das Gericht in Rn. 111 des oben in Rn. 105 genannten Urteils, dass das durch die Antworten der Kommission vom 19. Januar und 17. Februar 2006 ordnungsgemäß begründete berechtigte Vertrauen nicht mit der oben in Rn. 103 angeführten Antwort vom 5. Februar 2007 endete, weil sich aus dieser Antwort kein ernsthafter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS ergab.

107    Auch die oben in Rn. 104 angeführte Antwort vom 9. März 2007 konnte dieses berechtigte Interesse nicht beenden, das durch die Antworten der Kommission von 19. Januar und 17. Februar 2006 ordnungsgemäß begründet worden war. Tatsächlich nahm die Kommission bei dieser Gelegenheit keine Beurteilung – auch nicht summarisch oder vage – der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS in ihrer Gesamtheit vor, sondern beschränkte sich auf die Feststellung, dass sie eine vorläufige Prüfung dieser Regelung begonnen habe. Mangels Hinweises auf die Eröffnung eines förmlichen Verfahrens zur Prüfung der streitigen Regelung und erst recht der Ankündigung des Ausgangs eines solchen Verfahrens kann eine derartige Antwort aber nicht so verstanden werden, dass sie ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der betreffenden Regelung hervorruft (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission, T‑207/10, EU:T:2018:786, Rn. 111).

108    In dieser Hinsicht ändert das im 197. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegte Argument der Kommission, dass die Antworten auf die schriftlichen parlamentarischen Anfragen nicht die Unterscheidung zwischen dem direkten und dem indirekten Erwerb betroffen hätten, nichts daran, dass die Antworten vom 19. Januar und 17. Februar 2006 bei den Klägerinnen ordnungsgemäß ein berechtigtes Vertrauen darauf begründeten, dass beim Erwerb von Beteiligungen vor dem 21. Dezember 2007 in keinem Fall eine staatliche Beihilfe vorlag.

109    Zum einen erstreckten sich diese Anfragen tatsächlich genau auf den indirekten Erwerb, insbesondere auf den Erwerb von O2 durch die Telefónica, SA, und den Erwerb von Scottish Power durch die Iberdrola, SA, was der Kommission bekannt sein musste, jedenfalls soweit es sich um den Erwerb von Scottish Power durch Iberdrola handelte, weil sie den betreffenden Zusammenschluss durch Entscheidung vom 26. März 2007 (COMP/M.4517 Iberdrola/Scottish Power) genehmigt hatte.

110    Zum anderen waren die oben genannten Antworten der Kommission auf die schriftlichen parlamentarischen Anfragen so formuliert, dass nichts darauf hindeutete, dass das Fehlen des selektiven Charakters der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS nur den direkten Erwerb betroffen hätte. Das Fehlen des Wortes „indirekte“ kann zu keinem anderen Ergebnis führen, weil diese Antworten auch nicht auf den Erwerb von „direkten“ Beteiligungen Bezug nahmen.

111    Daher machte die Kommission mit diesen Erklärungen an das Parlament präzise, unbedingte und übereinstimmende Zusicherungen, die bei den Begünstigten der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS – sei es aufgrund des direkten oder des indirekten Erwerbs – begründete Erwartungen weckten, dass die betreffende Beihilferegelung rechtmäßig ist, dass sie nicht in den Anwendungsbereich der Beihilfevorschriften fällt und dass die sich aus der genannten Regelung ergebenden Vorteile somit nicht Gegenstand eines anschließenden Rückforderungsverfahrens sein können.

112    Folglich konnte sich die Kommission, wenn man davon ausgeht, dass sie berechtigt war, den angefochtenen Beschluss zu erlassen, nicht weigern, in diesem Beschluss mit dem gleichen Wortlaut wie die Ursprungsrechtsakte ein berechtigtes Vertrauen der betreffenden Beihilfeempfänger aufgrund ihres indirekten Erwerbs vor dem 21. Dezember 2007 bzw. vor dem 21. Mai 2011 anzuerkennen, ohne einen Rechtsfehler zu begehen.

113    Diese Schlussfolgerung drängt sich umso mehr auf, als der Wortlaut von Art. 12 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 21 TRLIS nicht ausdrücklich den indirekten Erwerb ausschloss. Dieser Punkt wird außerdem durch die Tatsache bestätigt, dass die spanische Steuerverwaltung die neue behördliche Auslegung auf Grundlage der gleichen rechtlichen Bestimmungen vornahm, obwohl diese seit ihrem Erlass im Wesentlichen unverändert blieben.

114    Außerdem und ungeachtet der Tatsache, dass die Klägerinnen hätten wissen müssen, dass Art. 15 des Königlichen Dekrets 1777/2004 im Hinblick auf die für die Anwendung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS notwendigen, an die spanischen Behörden zu übermittelnden Informationen (Erwägungsgründe 40 und 159 des angefochtenen Beschlusses) ausschließlich den direkten Erwerb erwähnte, kann keines der von der Kommission im Rahmen des vorliegenden Verfahrens vorgebrachten Argumente, die im Wesentlichen dem Inhalt der Erwägungsgründe 189 bis 200 des angefochtenen Beschlusses entsprechen, diese Schlussfolgerung in Frage stellen.

115    Zunächst beseitigt die Tatsache, dass die Klägerinnen Kenntnis von der ursprünglichen behördlichen Auslegung hatten, die den indirekten Erwerb vom Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS ausschloss, entgegen dem, was die Kommission im Wesentlichen im 193. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses annahm, nicht die Berechtigung des Vertrauens, das sie aus den Erklärungen der Kommission ziehen konnten, nach denen die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS sowohl in Bezug auf den direkten als auch den indirekten Erwerb keine staatliche Beihilfe darstellte.

116    Tatsächlich dürfen nach der Rechtsprechung bei der Beurteilung des berechtigten Vertrauens der Begünstigten der streitigen Beihilferegelung nur die von der Kommission ausgehenden Erklärungen und Verhaltensweisen berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission, T‑207/10, EU:T:2018:786, Rn. 71).

117    So wie nach der Rechtsprechung das unionsrechtswidrige Verhalten einer nationalen Behörde, die mit der Anwendung von Unionsrecht betraut ist, für einen Wirtschaftsteilnehmer kein berechtigtes Vertrauen darauf begründen kann, in den Genuss einer unionsrechtswidrigen Behandlung zu kommen (vgl. Urteil vom 4. Oktober 2007, Kommission/Italien, C‑217/06, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:580, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung), konnte sich die Auslegung des Anwendungsbereichs der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS durch die nationalen Steuerbehörden nicht auf die Reichweite des berechtigten Vertrauens auswirken, das aus den auf Unionsebene von der Kommission abgegebenen Erklärungen entstand.

118    Demnach und unter Berücksichtigung der oben in Rn. 116 angeführten Rechtsprechung ist es unerheblich, ob die Klägerinnen Kenntnis davon hatten oder nicht, dass die ursprüngliche behördliche Auslegung den indirekten Erwerb vom Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS ausnahm, weil sie von der Kommission präzise Zusicherungen erhalten hatten, dass die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS in ihrer Gesamtheit für sich genommen keine staatliche Beihilfe darstellte.

119    Selbst wenn man annimmt, dass die Kommission zum Zeitpunkt ihrer Erklärungen nicht wusste, dass die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS sowohl auf den direkten als auch auf den indirekten Erwerb anwendbar war, wäre auch diese Annahme irrelevant für die Feststellung eines berechtigten Vertrauens bei den Begünstigten der betreffenden Regelung. Entscheidend ist allein, dass die Kommission durch ihre öffentlichen Erklärungen den Eindruck entstehen ließ, dass die Regelung für sich genommen keine staatliche Beihilfe darstellte.

120    Außerdem hatten die Klägerinnen, wie sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, Kenntnis von der ursprünglichen behördlichen Auslegung, entschieden sich jedoch bewusst, ihr nicht zu folgen, da sie sie für fehlerhaft hielten.

121    Wie aber oben in Rn. 67 festgestellt wurde, waren und sind die betreffenden Unternehmen nach spanischem Recht befugt, hinsichtlich der korrekten Auslegung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS anderer Meinung als die spanische Steuerverwaltung zu sein, solange diese Frage noch nicht durch die Gerichte dieses Staates und schließlich das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) bzw. den Gesetzgeber dieses Staats entschieden wurde. Wie aber oben in den Rn. 69 und 89 bereits ausgeführt wurde, hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) noch nicht über diese Frage entschieden, so dass dem Anwendungsbereich der Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS bis heute Präzision und Klarheit fehlt, wie die Kommission im angefochtenen Beschluss (Erwägungsgründe 184 und 195 des Beschlusses) und im Rahmen der mündlichen Verhandlung betont hat.

122    Wenn es in dieser Hinsicht stimmt, wie die Kommission hervorhebt, dass die Klägerinnen nicht nachgewiesen haben, dass der indirekte Erwerb vor dem 21. Dezember 2007 von den spanischen Behörden akzeptiert wurde, hat doch die Kommission auch nicht nachgewiesen, dass derartige Erwerbe vor diesem Datum durch die spanischen Gerichte vom Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS ausgeschlossen waren.

123    Unter diesen Umständen kann nach dem 166. Erwägungsgrund der ersten Entscheidung, auf den Rn. 89 des Urteils vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission (T‑207/10, EU:T:2018:786), verweist, den Klägerinnen keine größere Sorgfalt abverlangt werden als der Kommission selbst.

124    Daher konnten die Klägerinnen als hinreichend vorsichtige, aufmerksame und sorgfältige Wirtschaftsteilnehmerinnen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission, T‑207/10, EU:T:2018:786, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung) auf Grundlage der Antworten der Kommission auf die schriftlichen parlamentarischen Anfragen berechtigterweise annehmen, dass die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS sowohl im Hinblick auf den direkten als auch den indirekten Erwerb keine staatliche Beihilfe darstellte.

125    Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und unter der Annahme, dass die Kommission berechtigt war, den angefochtenen Beschluss zu erlassen, ist davon auszugehen, dass die Kommission einen Rechtsfehler beging, als sie sich weigerte, im angefochtenen Beschluss ein berechtigtes Vertrauen der betreffenden Beihilfeempfänger hinsichtlich ihres indirekten Erwerbs anzuerkennen.

126    Diese Schlussfolgerung wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass die Klägerinnen den Inhalt des Schreibens der spanischen Behörden vom 4. Juni 2007 nicht kannten, auf das sich die Kommission wiederholt im angefochtenen Beschluss bezieht (insbesondere Erwägungsgründe 33, 97, 136 und 145 des angefochtenen Beschlusses), aus dem hervorgeht, dass ihr die spanischen Behörden im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass der Ursprungsrechtsakte führte, erläutert hatten, dass die ursprüngliche behördliche Auslegung den Abzug des Geschäfts- oder Firmenwerts allein in Fällen des direkten Erwerbs von Beteiligungen an Betriebsgesellschaften gestatte. Selbst wenn ein solches Schreiben als Grundlage für eine Annahme wie die der Kommission im angefochtenen Beschluss dienen könnte, dass die Ursprungsrechtsakte nur den direkten Erwerb abdeckten, kann es tatsächlich nicht als Grundlage dafür dienen, um den von der betreffenden Beihilferegelung begünstigten Unternehmen, die von ihm keine Kenntnis hatten, ein berechtigtes Vertrauen in die Rechtmäßigkeit dieser Regelung abzusprechen.

127    Schließlich ist die Tatsache irrelevant, dass die Ursprungsrechtsakte die Regelung von Art. 12 Abs. 5 TRLIS bereits für rechtswidrig und für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt hatten (195. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Denn zum einen fand das berechtigte Vertrauen der Begünstigten seine Grundlage nicht in den genannten Rechtsakten, sondern in den oben genannten Antworten der Kommission auf die schriftlichen parlamentarischen Anfragen (siehe oben, Rn. 111), und zum anderen ergingen diese Rechtsakte nach dem 21. Dezember 2007, an dem dieses berechtigte Vertrauen bis auf für bestimmte in der zweiten Entscheidung benannte Vorgänge (siehe oben, Rn. 16 und 99) endete.

128    Daher ist unter der Annahme, dass die Kommission berechtigt war, den angefochtenen Beschluss zu erlassen, dem vierten Klagegrund stattzugeben, der die Nichtigerklärung von Art. 4 Abs. 2 bis 5 des angefochtenen Beschlusses nach sich ziehen kann.

 Zu den Kosten

129    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Rechtssachen T12/15, T158/15 und T258/15 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

2.      Der Beschluss (EU) 2015/314 der Kommission vom 15. Oktober 2014 über die staatliche Beihilfe SA.35550 (13/C) (ex 13/NN) (ex 12/CP) Spaniens – Regelung für die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen wird für nichtig erklärt.

3.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

Svenningsen

Mac Eochaidh

Pynnä

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. September 2023.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Spanisch.


i      Die vorliegende Sprachfassung ist in Rn. 86 gegenüber der ursprünglich online gestellten Fassung geändert worden.