Language of document : ECLI:EU:T:2018:910

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

12. Dezember 2018(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für das Herz-Kreislauf-Medikament Perindopril (Originalpräparat und Generika) – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen die Art. 101 und 102 AEUV festgestellt wird – Vereinbarungen mit dem Ziel, den Markteintritt von Perindopril-Generika hinauszuzögern oder zu verhindern – Beteiligung einer Tochtergesellschaft an der von der Muttergesellschaft begangenen Zuwiderhandlung – Zurechnung der Zuwiderhandlung – Gesamtschuldnerische Haftung – Obergrenze der Geldbuße“

In der Rechtssache T‑677/14

Biogaran mit Sitz in Colombes (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte T. Reymond, O. de Juvigny und J. Jourdan,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten zunächst durch F. Castilla Contreras, T. Vecchi und B. Mongin, dann durch F. Castilla Contreras, B. Mongin und C. Vollrath als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage gemäß Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses K(2014) 4955 endg. der Kommission vom 9. Juli 2014 in einem Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV (Sache AT.39612 – Perindopril [Servier]), soweit er die Klägerin betrifft, hilfsweise auf Herabsetzung der mit dem Beschluss gegen sie verhängten Geldbuße,

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni (Berichterstatter) sowie der Richter L. Madise und R. da Silva Passos,

Kanzler: G. Predonzani, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 2017

folgendes

Urteil

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

A.      Perindopril

1        Perindopril, ein Herz-Kreislauf-Medikament zur Behandlung von arterieller Hypertonie und Herzinsuffizienz durch Hemmung des Angiotensin-konvertierenden Enzyms (ACE), wurde vom Servier-Konzern (Servier und verschiedene Tochtergesellschaften, im Folgenden einzeln oder zusammen: Servier) entwickelt.

2        Arzneilich wirksamer Bestandteil, d. h. die biologisch aktive chemische Substanz, die die gewünschten therapeutischen Wirkungen hervorruft, ist ein Salz. Ursprünglich wurde Erbumin (tert-Butylamin) verwendet, herstellungsbedingt in kristalliner Form.

1.      Patent für das Molekül

3        Das Patent für das Perindopril-Molekül (Patent EP0049658) wurde am 29. September 1981 beim Europäischen Patentamt (EPA) angemeldet. Es wäre eigentlich am 29. September 2001 abgelaufen. In mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union, u. a. dem Vereinigten Königreich, wurde der Schutz jedoch gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel (ABl. 1992, L 182, S. 1) bis zum 22. Juni 2003 verlängert, in Frankreich bis zum 22. März 2005, in Italien bis zum 13. Februar 2009.

2.      Sekundärpatente

4        1988 meldete Servier beim EPA mehrere Patente für Verfahren der Herstellung des Perindopril-Moleküls an: EP0308339, EP0308340, EP0308341 und EP0309324. Sie liefen am 16. September 2008 ab.

5        Weitere Patente wurden 2001 von Servier beim EPA für Erbumin und Verfahren der Herstellung dieses Salzes angemeldet, u. a. das Patent EP1294689 (sogenanntes Beta-Patent), das Patent EP1296948 (sogenanntes Gamma-Patent) und das Patent EP1296947 (sogenanntes Alpha-Patent). Letzteres, das sich auf die kristalline Alpha-Form des Erbumin und das Verfahren der Herstellung dieses Salzes bezieht, wurde am 6. Juli 2001 angemeldet und vom EPA am 4. Februar 2004 erteilt.

3.      Perindopril zweiter Generation

6        2002 begann Servier mit der Entwicklung eines Perindopril zweiter Generation, das auf der Basis eines anderen Salzes als Erbumin, nämlich Arginin, hergestellt wurde. Perindopril-Arginin sollte Verbesserungen hinsichtlich der Haltbarkeit (drei statt zwei Jahre), der Stabilität (eine Darreichungsform für alle Klimazonen) und der Lagerung (keine besonderen Lagerbedingungen) bringen.

7        Servier meldete für Perindopril-Arginin am 17. Februar 2003 ein europäisches Patent an (Patent EP1354873B). Es wurde am 17. Juli 2004 mit Ablaufdatum 17. Februar 2023 erteilt. Auf den Märkten der Union wurde Perindopril-Arginin seit 2006 eingeführt.

B.      Zur Klägerin

8        Biogaran (im Folgenden: Klägerin oder Biogaran), eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Laboratoires Servier SAS, die wiederum Tochtergesellschaft der Servier SAS ist, wurde 1996 gegründet. Der Generikahersteller vertreibt seine Produkte nahezu ausschließlich in Frankreich.

C.      Zu den Perindopril-Aktivitäten von Niche

9        Der Generikahersteller Niche Generics Ltd (im Folgenden: Niche) hat sämtliche Verpflichtungen übernommen, die die Bioglan Generics Ltd nach der am 26. März 2001 mit der Medicorp Technologies India Ltd (im Folgenden: Medicorp, Rechtsnachfolger: Matrix Laboratories Ltd, im Folgenden: Matrix) zur Vermarktung einer generischen Form von Perindopril geschlossenen Entwicklungs- und Lizenzvereinbarung (im Folgenden: Vereinbarung Niche/Matrix) trafen. Die Vereinbarung sah vor, dass sowohl Niche als auch Matrix das Perindopril-Generikum in der Union vertreiben. Matrix war hauptsächlich für die Entwicklung und Lieferung des arzneilich wirksamen Bestandteils verantwortlich, Niche hauptsächlich für die erforderlichen Schritte zur Erlangung der Genehmigung für das Inverkehrbringen und die Vermarktungsstrategie.

10      Für die Vorbereitung der Anträge von Niche auf Erteilung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen stellte Matrix im April 2003 eine Pilotcharge des arzneilich wirksamen Bestandteils von Perindopril und den „Active Substance Master File“ (Wirkstoff-Stammdokumentation) zur Verfügung.

11      Unichem Laboratories Ltd (im Folgenden: Unichem), die Muttergesellschaft von Niche, war nach einer am 27. März 2003 mit Medicorp (jetzt Matrix) geschlossenen Vereinbarung über die Entwicklung und Herstellung von Perindopril-Tabletten für die Herstellung des Perindopril-Generikums als Endarzneimittel verantwortlich. Medicorp verpflichtete sich, den arzneilich wirksamen Bestandteil zu entwickeln und Unichem zu liefern.

D.      Zu den Rechtsstreitigkeiten über Perindopril

1.      Rechtsstreitigkeiten vor dem EPA

12      Zehn Generikahersteller, u. a. Niche, legten 2004 beim EPA gegen das Patent EP1296947 Einspruch ein, um den vollständigen Widerruf des Patents zu erwirken. Sie machten geltend, die Erfindung sei nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Außerdem sei die Patentanmeldung ungenügend. Niche nahm ihren Einspruch jedoch am 9. Februar 2005 zurück.

13      Nach geringfügigen Änderungen der ursprünglichen Patentansprüche von Servier bestätigte die Einspruchsabteilung des EPA am 27. Juli 2006 die Gültigkeit des Patents EP1296947. Sieben Gesellschaften legten gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Mit Entscheidung vom 6. Mai 2009 hob die Technische Beschwerdekammer des EPA die Entscheidung des EPA auf und widerrief das Patent EP1296947. Der von Servier gestellte Antrag auf Überprüfung der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer wurde am 19. März 2010 zurückgewiesen.

14      Niche legte am 11. August 2004 auch gegen das Patent EP1296948 beim EPA Einspruch ein, nahm diesen jedoch am 14. Februar 2005 zurück.

2.      Rechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten

15      In bestimmten Mitgliedstaaten, insbesondere in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich, wurde das Patent EP1296947 von Generikaherstellern auch vor Gericht angefochten.

16      Im Vereinigten Königreich erhob Servier am 25. Juni 2004 vor dem High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Abteilung Chancery [Patentgericht]) gegen Niche wegen Verletzung der Patente EP0308339, EP0308340 und EP0308341 Klage. Niche hatte im Vereinigten Königreich für ein Perindopril-Generikum, das gemäß der Vereinbarung Niche/Matrix zusammen mit Matrix entwickelt worden war, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragt. Am 9. Juli 2004 erhob Niche gegen Servier Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents EP1296947.

17      Als Termin für die mündliche Verhandlung vor dem High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Abteilung Chancery [Patentgericht]), über die Begründetheit der Verletzungsklage wurden der 7. und 8. Februar 2005 festgelegt. Da Servier und Niche ihren Streit am 8. Februar 2005 im Wege eines Vergleichs beilegten, dauerte die Verhandlung jedoch nur einen halben Tag.

18      Matrix wurde von Niche über den Verlauf des Gerichtsverfahrens unterrichtet und auch in das Verfahren einbezogen. Matrix gab vor dem High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Abteilung Chancery [Patentgericht]), nämlich Erklärungen im Namen von Niche ab. Servier übermittelte Matrix am 7. Februar 2005 ein förmliches Mahnschreiben, in dem es dieser Gesellschaft die Verletzung der Patente EP0308339, EP0308340 und EP0308341 vorwarf und mit der Erhebung einer Verletzungsklage drohte.

19      Im Herbst 2004 begann Servier, über den Kauf von Niche nachzudenken. Servier ließ hierzu eine Due-Diligence-Prüfung durchführen, deren erste Phase am 10. Januar 2005 abgeschlossen wurde. Servier legte an diesem Tag ein unverbindliches Vorangebot für den Erwerb des Kapitals von Niche in Höhe von 15 bis 45 Mio. Pfund Sterling (GBP) vor. Nach der zweiten Phase der Due-Diligence-Prüfung, die am 21. Januar 2005 stattfand, teilte Servier Niche am 31. Januar 2005 mündlich mit, dass sie nicht mehr beabsichtige, das Unternehmen zu kaufen.

E.      Zu den Vergleichen

1.      Zu den Vereinbarungen zwischen Niche, Unichem, Matrix und Servier

20      Servier schloss mit mehreren Generikaherstellern, mit denen es vor Gericht über Patente stritt, Vergleiche.

21      Am 8. Februar 2005 schloss Servier mit Niche und Unichem einen Vergleich (im Folgenden: Vergleich oder Vergleich Servier/Niche), der für alle Länder galt, in denen die Patente EP0308339, EP0308340 und EP0308341 und EP1296947 bestanden (Art. 3 des Vergleichs).

22      Niche und Unichem verpflichteten sich, es zu unterlassen, nach dem von Niche entwickelten Verfahren, das nach Auffassung von Servier die im Vereinigten Königreich bestätigten Patente EP0308339, EP0308340 und EP0308341 verletzt, nach einem im Wesentlichen ähnlichen Verfahren oder nach jeglichem anderen Verfahren, mit dem die Patente EP0308339, EP0308340 und EP0308341 verletzt werden (im Folgenden: geschütztes Verfahren), hergestelltes generisches Perindopril bis zum Ablauf der Laufzeit der Patente in den jeweiligen Gebieten herzustellen, herstellen zu lassen, zu besitzen, einzuführen, zu liefern, anzubieten oder bereitzuhalten (Art. 3 des Vergleichs, im Folgenden: Vermarktungsverbot). Nach Ablauf der Schutzdauer der Patente durften Niche und Unichem nach dem geschützten Verfahren ohne Verletzung der Patente hergestelltes Perindopril aber in den Verkehr bringen (Art. 4 und 6 des Vergleichs). Niche war verpflichtet, bereits geschlossene Verträge über nach dem geschützten Verfahren hergestelltes Perindopril und über entsprechende Anträge auf eine Genehmigung für das Inverkehrbringen aufzuheben, zu kündigen oder bis zum Ablauf der Schutzdauer der Patente auszusetzen (Art. 11 des Vergleichs). Niche und Unichem verpflichteten sich, für nach dem geschützten Verfahren hergestelltes Perindopril keinen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen zu stellen und Dritte nicht dabei zu unterstützen, eine solche Genehmigung zu erhalten (Art. 10 des Vergleichs). Niche und Unichem waren ferner verpflichtet, es zu unterlassen, in Bezug auf die Patente EP0308339, EP0308340, EP0308341, EP1296947, EP1294689 und EP1296948 bis zum Ablauf der jeweiligen Schutzzeit außer zur Verteidigung gegen eine Patentverletzungsklage Klagen auf Nichtigerklärung oder Feststellung der Nichtverletzung zu erheben (Art. 8 des Vergleichs, im Folgenden: Nichtangriffsklausel). Niche verpflichtete sich zudem, ihre beim EPA gegen die Patente EP1296947 und EP1296948 erhobenen Einsprüche zurückzunehmen (Art. 7 des Vergleichs).

23      Im Gegenzug verpflichtete sich Servier, gegen Niche oder ihre Kunden und gegen Unichem wegen vor Abschluss des Vergleichs vorgenommener Handlungen keine Klage wegen Verletzung der Patente EP0308339, EP0308340, EP0308341 und EP1296947 zu erheben (Art. 5 des Vergleichs, im Folgenden: Nichtgeltendmachungsklausel) und an Niche und Unichem in zwei Raten 11,8 Mio. GBP zu zahlen (Art. 13 des Vergleichs). Dieser Betrag war gedacht als Gegenleistung für die von Niche und Unichem eingegangenen Verpflichtungen und die „erheblichen Kosten und etwaigen Verpflichtungen, die Niche und Unichem wegen der Beendigung ihres Programms der Entwicklung des nach dem [geschützten] Verfahren hergestellten Perindoprils möglicherweise zu tragen haben“.

24      Am 8. Februar 2005 schloss Servier auch mit Matrix einen Vergleich (im Folgenden: Vergleich Servier/Matrix), der für alle Länder galt, in denen die Patente EP0308339, EP0308340, EP0308341 und EP1296947 bestanden, mit Ausnahme eines Staats der nicht Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ist (Abschnitt 1 Abs. 1 Buchst. xiii des Vergleichs).

25      Matrix verpflichtete sich, es bis zum Ablauf der Schutzdauer der Patente in dem jeweiligen Gebiet zu unterlassen, nach dem geschützten Verfahren hergestelltes Perindopril herzustellen, herstellen zu lassen, zu besitzen, einzuführen, zu liefern, anzubieten oder bereitzuhalten (Art. 1 und 2 des Vergleichs). Nach Ablauf der Schutzdauer der Patente durfte Matrix nach dem geschützten Verfahren ohne Verletzung der Patente hergestelltes Perindopril aber in den Verkehr bringen (Art. 4 des Vergleichs). Matrix war verpflichtet, bereits geschlossene Verträge über nach dem geschützten Verfahren hergestelltes Perindopril und über entsprechende Anträge auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen bis spätestens 30. Juni 2005 aufzuheben, zu kündigen oder bis zum Ablauf der Schutzdauer der Patente auszusetzen (Art. 7 und 8 des Vergleichs). Ferner verpflichtete sich Matrix, für nach dem geschützten Verfahren hergestelltes Perindopril keinen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen zu stellen und Dritte nicht dabei zu unterstützen, eine solche Genehmigung zu erhalten (Art. 6 des Vergleichs). Schließlich war Matrix verpflichtet, es zu unterlassen, in Bezug auf die Patente EP0308339, EP0308340, EP0308341, EP1296947, EP1294689 und EP1296948 bis zum Ablauf von deren Schutzdauer außer zur Verteidigung gegen eine Patentverletzungsklage Klagen auf Nichtigerklärung oder Feststellung der Nichtverletzung zu erheben (Art. 5 des Vergleichs).

26      Im Gegenzug verpflichtete sich Servier, gegen Matrix wegen nach dem Abschluss des Vergleichs vorgenommener Handlungen keine Klage wegen Verletzung der Patente EP0308339, EP0308340, EP0308341 und EP1296947 zu erheben (Art. 3 des Vergleichs) und an Matrix in zwei Raten 11,8 Mio. GBP zu zahlen (Art. 9 des Vergleichs). Dieser Betrag war gedacht als Gegenleistung für die von Matrix eingegangenen Verpflichtungen und die „erheblichen Kosten und etwaigen Verpflichtungen, die Matrix wegen der Beendigung ihres Programms der Entwicklung des nach dem [geschützten] Verfahren hergestellten Perindoprils möglicherweise zu tragen hat“.

2.      Zu der Vereinbarung zwischen Niche und Biogaran

27      Am 8. Februar 2005, dem Tag, an dem der Vergleich Servier/Niche geschlossen wurde, schlossen Niche und Biogaran eine Lizenz- und Liefervereinbarung (im Folgenden: Vereinbarung Biogaran/Niche). Danach sollte Niche an Biogaran gegen Zahlung von 2,5 Mio. GBP drei Zulassungsdossiers („alle Informationen und/oder Daten zu den Produkten, über die Niche verfügt und die für die Erlangung der Genehmigung für das Inverkehrbringen erforderlich sind“) und eine bereits bestehende Genehmigung für das Inverkehrbringen übertragen.

28      Niche verpflichtete sich in der Vereinbarung Biogaran/Niche, Biogaran das Zulassungsdossier zu dem Produkt A zur ausschließlichen Nutzung (Erlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen) in Frankreich, im Vereinigten Königreich und in einem Nicht-EWR-Land und zur nicht ausschließlichen Nutzung in allen übrigen Ländern zu übermitteln. Die anderen beiden Zulassungsdossiers zu den Produkten B und C wurden zur nicht ausschließlichen Nutzung in allen Ländern übermittelt. Beim Produkt B erklärte sich Niche bereit, ihre Genehmigung für das Inverkehrbringen für Frankreich an Biogaran zu übertragen. Nach Erlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen sollte Biogaran die betreffenden Produkte bei Niche beziehen (Art. 2.2 der Vereinbarung). Niche verpflichtete sich, Biogaran sämtliche ihr gehörenden oder in ihrem Besitz befindlichen Informationen und Daten zur Verfügung zu stellen, die das Zulassungsdossier bildeten, das zur Erlangung der betreffenden Genehmigungen für das Inverkehrbringen erforderlich war (Art. 2.5 der Vereinbarung). Biogaran hatte das Produkt bzw. die Produkte möglichst so zu ordern, dass bei Niche während der gesamten Dauer der Vereinbarung eine konstante Produktion aufrechterhalten werden konnte (Art. 4.1 der Vereinbarung). Die Vereinbarung sollte automatisch enden, wenn die Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht innerhalb von 18 Monaten erlangt würden (Art. 14.4 der Vereinbarung). In der Vereinbarung war ferner vorgesehen, dass im Falle einer Beendigung der Vereinbarung gemäß den Art. 14.2 und 14.4 der Vereinbarung keine Partei Anspruch auf Schadensersatz hat.

29      Als Gegenleistung für die Zulassungsdossiers sollte Biogaran an Niche 2,5 Mio. GBP zahlen, 1,5 Mio. GBP spätestens am 14. Februar 2005, 1 Mio. GBP spätestens am 5. Oktober 2005 (Art. 2.3 der Vereinbarung). Es handelt sich um dieselben Zeitpunkte, die im Vergleich Servier/Niche für die Zahlung von 11,8 Mio. GBP festgelegt wurden.

F.      Zur Sektoruntersuchung

30      Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beschloss am 15. Januar 2008 gemäß Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) eine Untersuchung im Arzneimittelsektor durchzuführen, um die Gründe für die rückläufige Innovation – gemessen an der Anzahl der neu auf den Markt kommenden Arzneimittel – in diesem Sektor und die Gründe für die Verzögerung des Markteintritts bestimmter Generika herauszufinden.

31      Die Kommission veröffentlichte am 28. November 2008 einen Zwischenbericht über die Ergebnisse der Untersuchung, zu dem dann eine öffentliche Anhörung stattfand. Am 8. Juli 2009 gab sie eine Mitteilung mit der Zusammenfassung des Berichts über die Untersuchung des Arzneimittelsektors heraus. Darin heißt es u. a., die gütliche Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten durch zwischen Herstellern von Originalpräparaten und Generikaherstellern geschlossene Vergleiche sei weiter zu überwachen, um besser zu verstehen, zu welchem Zweck solche Vergleiche geschlossen würden, und um die Vergleiche herauszufinden, die den Eintritt von Generika auf den Markt zum Nachteil der Verbraucher der Union verzögerten und möglicherweise gegen die Wettbewerbsregeln verstießen. In der Folge veröffentlichte die Kommission sechs Berichte über die Überwachung der Vergleiche zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten.

G.      Zu dem Verwaltungsverfahren und dem angefochtenen Beschluss

32      Am 24. November 2008 führte die Kommission in den Geschäftsräumen der betreffenden Gesellschaften unangekündigte Durchsuchungen durch und richtete im Januar 2009 an mehrere Gesellschaften Auskunftsverlangen.

33      Am 2. Juli 2009 erließ die Kommission einen Beschluss über die Einleitung des Verfahrens gegen Servier und die Klägerin und gegen andere Generikahersteller.

34      Im August 2009 und von Dezember 2009 bis Mai 2012 richtete die Kommission sowohl an Servier als auch an Niche mehrere Auskunftsverlangen. Da Servier sich zweimal weigerte, Auskünfte zum Vergleich Servier/Niche zu erteilen, erließ die Kommission eine Entscheidung gemäß Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003, mit der sie Servier aufforderte, eine Reihe von Auskünften zu erteilen. Servier antwortete am 7. November 2011.

35      Am 27. Juli 2012 erließ die Kommission eine an mehrere Gesellschaften, u. a. die Klägerin, gerichtete Mitteilung der Beschwerdepunkte. Die Klägerin antwortete am 14. Januar 2013.

36      Die betroffenen Gesellschaften, u. a. die Klägerin, wurden vom 15. bis zum 18. April 2013 angehört.

37      Am 18. Dezember 2013 gewährte die Kommission Zugang zu den nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte gesammelten bzw. in größerem Umfang offengelegten Beweisen und übersandte eine Darstellung des Sachverhalts, zu der die Klägerin am 21. Januar 2014 Stellung nahm.

38      Der Anhörungsbeauftragte legte am 7. Juli 2014 seinen Abschlussbericht vor.

39      Am 9. Juli 2014 erließ die Kommission den Beschluss K(2014) 4955 endg. in einem Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV (Sache AT.39612 – Perindopril [Servier]) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

40      In Art. 1 des angefochtenen Beschlusses wird festgestellt, dass Unichem (einschließlich der Tochtergesellschaft Niche) und Servier (einschließlich der Tochtergesellschaft Biogaran) dadurch gegen Art. 101 AEUV verstoßen hätten, dass sie sich an einem Vergleich zur gütlichen Beilegung einer Patentrechtsstreitigkeit gegen eine umgekehrte Zahlung beteiligt hätten, die sich auf alle Mitgliedstaaten außer Kroatien und Italien erstreckt habe und vom 8. Februar 2005 (Lettland: 1. Juli 2005, Bulgarien und Rumänien: 1. Januar 2007, Malta: 1. März 2007) bis zum 15. September 2008 (Niederlande: 1. März 2007, Vereinigtes Königreich: 6. Juli 2007) angedauert habe.

41      Die Kommission vertrat die Auffassung, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche für Niche einen weiteren Anreiz dargestellt habe, nicht mehr in den Markt einzutreten. Die Vereinbarung zeige, dass sich Biogaran unmittelbar an der von ihrer Muttergesellschaft Servier begangenen Zuwiderhandlung beteiligt habe.

42      Die Kommission hat in den Rn. 1349 bis 1354 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass Servier für Niche durch die Vereinbarung Biogaran/Niche einen weiteren Anreiz neben der Übertragung von Nettomitteln geschaffen habe. Die Vereinbarung Biogaran/Niche sei am selben Tag wie der Vergleich Servier/Niche (8. Februar 2005) geschlossen worden. Im Rahmen der Vereinbarung Biogaran/Niche habe Biogaran an Niche für die Übermittlung der Zulassungsdossiers und eine Genehmigung für das Inverkehrbringen für pharmazeutische Produkte, die nichts mit Perindopril zu tun hätten, 2,5 Mio. GBP gezahlt.

43      Gegen Servier und Biogaran wurde gesamtschuldnerisch eine Geldbuße in Höhe von 131 532 600 Euro verhängt (angefochtener Beschluss, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b). Außerdem wurde Biogaran verpflichtet, es zu unterlassen, die festgestellte und geahndete Zuwiderhandlung erneut zu begehen, sowie Handlungen und Verhaltensweisen mit demselben oder ähnlichen Ziel oder derselben oder ähnlichen Wirkung zu unterlassen (angefochtener Beschluss, Art. 8).

II.    Verfahren und Anträge der Parteien

44      Mit Klageschrift, die am 19. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

45      Die Klägerin beantragt,

–        die Art. 1, 7 und 8 des angefochtenen Beschlusses, soweit sie sie betreffen, für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, von der Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung Gebrauch zu machen und die gegen sie verhängte Geldbuße erheblich herabzusetzen;

–        im Rahmen der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung eine vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses im Verfahren über die von Servier erhobene Klage in jeder Hinsicht zu ihren Gunsten zu berücksichtigen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

46      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

III. Zur Zulässigkeit

A.      Zum dritten Klageantrag (Berücksichtigung einer vollständigen oder teilweisen Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses im Verfahren über die von Servier erhobene Klage zugunsten der Klägerin)

47      Nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten.

48      Nach einer gefestigten Rechtsprechung muss die Darstellung der Klagegründe so klar und genau sein, dass sie dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht die Entscheidung über die Klage ermöglicht, und muss jeder Antrag in einer Weise begründet sein, die sowohl dem Beklagten wie dem Richter eine Entscheidung über seine Begründetheit ermöglicht (vgl. Urteil vom 7. Juli 1994, Dunlop Slazenger/Kommission, T‑43/92, EU:T:1994:79, Rn. 183 und die dort angeführte Rechtsprechung). Für die Zulässigkeit einer Klage ist es daher erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen sie beruht, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich, aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst ergeben. Zwar kann ihr Text zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Abschnitte beigefügter Schriftstücke untermauert und ergänzt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der Rechtsausführungen ausgleichen, die nach den oben genannten Vorschriften in der Klageschrift enthalten sein müssen. Außerdem ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (vgl. Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung). Erst recht genügt die allgemeine Bezugnahme in einer Klageschrift auf die Klagegründe und das Vorbringen, auf das eine andere Klage gestützt wird, den dargestellten Anforderungen nicht, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um eine konnexe Rechtssache handelt (Urteil vom 24. März 2011, Legris Industries/Kommission, T‑376/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:107, Rn. 32).

49      Im vorliegenden Fall wird in der Klageschrift allgemein auf die Klagegründe und das Vorbringen, auf das die Klage in der Rechtssache gestützt wird, in der heute das Urteil Servier u. a./Kommission (T‑691/14) ergeht, Bezug genommen, ohne dass dies in irgendeiner Weise spezifiziert oder erläutert würde. Eine solche Bezugnahme genügt nicht den in der vorstehenden Randnummer dargestellten Anforderungen.

50      Sollte sich die Klägerin mit ihrem dritten Klageantrag auf die Rechtsprechung berufen wollen, nach der der Unionsrichter die zugunsten einer anderen Gesellschaft erfolgte Nichtigerklärung zugunsten einer Gesellschaft berücksichtigen muss, wenn die Gesellschaften eine wirtschaftliche Einheit bilden (Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins, C‑286/11 P, EU:C:2013:29, Rn. 43 und 44), wie sie in der Erwiderung geltend gemacht hat, kann sie damit keinen Erfolg haben. Mit seinem heutigen Urteil Servier u. a./Kommission (T‑691/14) hat das Gericht die Klage, soweit sie den Vergleich Servier/Niche betraf, nämlich zurückgewiesen. Die Klägerin kann sich also nicht auf die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses im Rahmen des Verfahrens über die Klage von Servier berufen.

51      Der dritte Klageantrag, mit dem sich die Klägerin die Anträge und Schriftsätze von Servier zu eigen macht, ist daher zurückzuweisen.

B.      Zur Zulässigkeit bestimmter Anlagen der Klagebeantwortung und mit dieser vorgelegter Beweise

1.      Vorbringen der Parteien

52      Die Klägerin macht in der Erwiderung geltend, die Kommission habe in der Klagebeantwortung zur Stützung der von ihr im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen neue Dokumente vorgelegt und neue Argumente vorgebracht. Der Klagebeantwortung, die 40 Seiten umfasse, seien teilweise neue Tatsachen zugrunde gelegt worden, mit dem Ziel, den angefochtenen Beschluss zu stützen, in dem den gegen Biogaran erhobenen Vorwürfen lediglich sechs von 919 Seiten gewidmet seien. Unter Berufung auf die Rechtsprechung macht die Klägerin geltend, durch die Verwendung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Stadium des Gerichtsverfahrens würden ihre Verteidigungsrechte verletzt.

53      Die Klägerin beantragt, bestimmte Anlagen der Klagebeantwortung für unzulässig zu erklären. 23 Anlagen der Klagebeantwortung seien englischsprachig und nicht in die Verfahrenssprache (Französisch) übersetzt worden.

54      Die Kommission meint, sie habe keine neuen Beweismittel zur Stützung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses vorgelegt und nicht gegen ihre Begründungspflicht verstoßen. Der Zusammenhang, der zwischen der Vereinbarung Biogaran/Niche und dem Vergleich Servier/Niche bestehe, sei im angefochtenen Beschluss in den Rn. 561 bis 569 und 1351 bis 1354 ausführlich dargelegt worden.

55      Die drei Umstände, die bestätigten, dass zwischen der Vereinbarung Biogaran/Niche und dem Vergleich Servier/Niche ein Zusammenhang bestehe, könnten nicht als „neu“ qualifiziert werden. Sie seien im angefochtenen Beschluss enthalten oder ließen sich aus den dort getroffenen Feststellungen ableiten. Die zentrale Rolle, die Herr M. bei den Verhandlungen von Niche mit Servier gespielt habe, werde im angefochtenen Beschluss in den Rn. 532 und 538 angesprochen, die Diskussionen über die Forderung von Niche, einen höheren Betrag zu erhalten als Matrix, in Rn. 577, und die Rolle, die Biogaran in den Beziehungen zwischen Servier und dem Generikahersteller Lupin Ltd gespielt habe, in Rn. 979.

2.      Würdigung des Gerichts

56      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe in der Klagebeantwortung unter Verstoß gegen den Grundsatz der Beachtung der Verteidigungsrechte neue Dokumente vorgelegt und neue Argumente vorgebracht, um die im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen zu stützen und so einen Begründungsmangel zu heilen.

57      Die Kommission kann sich im Rahmen einer Nichtigkeitsklage zwar nicht, um die angefochtene Entscheidung zu stützen, auf neue belastende Beweismittel berufen, die in der Entscheidung selbst nicht angegeben sind. Der Gerichtshof und das Gericht haben aber anerkannt, dass das Organ, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, eine für sich bereits ausreichende Begründung im Stadium des gerichtlichen Verfahrens ergänzen kann, da dies für die materielle Kontrolle der Entscheidungsgründe durch den Unionsrichter nützlich sein kann und das Organ so die seiner Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen erläutern kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. November 2000, Finnboard/Kommission, C‑298/98 P, EU:C:2000:634, Rn. 46, vom 13. Juli 2011, ThyssenKrupp Liften Ascenseurs/Kommission, T‑144/07, T‑147/07 bis T‑150/07 und T‑154/07, EU:T:2011:364, Rn. 146 bis 149, und vom 27. September 2012, Ballast Nedam/Kommission, T‑361/06, EU:T:2012:491, Rn. 49).

58      Im vorliegenden Fall hat die Kommission mit den in der Klagebeantwortung vorgenommenen Präzisierungen weder gegen ihre Begründungspflicht verstoßen noch die Verteidigungsrechte der Klägerin verletzt. Mit den in der Klagebeantwortung vorgebrachten Tatsachen, die die Klägerin für „neu“ hält, wird lediglich die Feststellung der Kommission gestützt, dass zwischen der Vereinbarung Biogaran/Niche und dem Vergleich Servier/Niche ein Zusammenhang besteht. Sie gehen eindeutig aus dem angefochtenen Beschluss hervor.

59      Zunächst ist zu der Frage, ob die Kommission zu der Teilnahme bestimmter Mitarbeiter von Biogaran und Servier an den Verhandlungen über die Vereinbarung Biogaran/Niche und den Vergleich Servier/Niche weitere Indizien vorbringen durfte, festzustellen, dass die als Anlage B. 10 der Klagebeantwortung vorgelegte E‑Mail vom 4. Februar 2005, die im angefochtenen Beschluss (Rn. 566 und 1351) mehrfach erwähnt wird, zeigt, dass Herr M. für Niche an der Aushandlung beider Vereinbarungen beteiligt war (siehe auch angefochtener Beschluss, Rn. 538) und dass Frau L., die Leiterin der Rechtsabteilung des Servier-Konzerns, die in Kopie gesetzt war, in die Gespräche einbezogen war. Aus der E‑Mail geht ferner hervor, dass die Person, die die Vereinbarung Biogaran/Niche für die Klägerin ausgehandelt hat, gleichzeitig Unterzeichnerin des Abmahnschreibens war, das Servier am 7. Februar 2005, einen Tag vor dem Abschluss des Vergleichs Servier/Niche, an Matrix sandte.

60      Was die Verhandlungen zwischen Matrix und Niche und die Forderung von Niche angeht, einen höheren Betrag als Matrix zu erhalten, macht die Kommission zu Recht geltend, dass diese Umstände aus Rn. 577 des angefochtenen Beschlusses hervorgehen.

61      Was schließlich die Rolle angeht, die ein Mitglied der Geschäftsleitung von Biogaran beim Abschluss des Vergleichs zwischen Servier und dem Generikahersteller Lupin gespielt haben soll, ist festzustellen, dass die Kommission in der Klagebeantwortung auf die Argumente der Klägerin eingehen darf, wenn diese dartun will, dass die Feststellungen der Kommission rechtsfehlerhaft sind, nämlich, dass mit dem angefochtenen Beschluss Biogaran Handlungen von Servier zugerechnet werden sollten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Juli 2011, ThyssenKrupp Liften Ascenseurs/Kommission, T‑144/07, T‑147/07 bis T‑150/07 und T‑154/07, EU:T:2011:364, Rn. 146 bis 149, und vom 27. September 2012, Ballast Nedam/Kommission, T‑361/06, EU:T:2012:491, Rn. 49 und 50). Die Kommission weist nämlich auf die Rolle von Herrn B., dem Gründer und Präsidenten von Biogaran, beim Abschluss der Vereinbarung zwischen Servier und Lupin hin, um zu verdeutlichen, dass Biogaran für ihre unmittelbare Beteiligung an der Zuwiderhandlung habe verantwortlich gemacht werden können, und nicht für die ihrer Muttergesellschaft zur Last gelegten Handlungen.

62      Zur Zulässigkeit bestimmter Anlagen der Klagebeantwortung macht die Klägerin geltend, die Dokumente seien in englischer Sprache abgefasst. Es seien keine Übersetzungen in der Verfahrenssprache (Französisch) beigefügt.

63      Nach Art. 35 § 3 Abs. 1 und 2 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991, wie sie bei Einreichung der Klagebeantwortung in Kraft war, ist die Verfahrenssprache insbesondere bei den mündlichen Ausführungen und in den Schriftsätzen der Parteien einschließlich aller Anlagen anzuwenden und ist Urkunden, die in einer anderen Sprache abgefasst sind, eine Übersetzung in der Verfahrenssprache beizugeben. Nach Art. 7 Abs. 5 Unterabs. 2 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 5. Juli 2007 fordert der Kanzler, wenn Anlagen zu einem Schriftsatz keine Übersetzung in die Verfahrenssprache beiliegt, die betreffende Partei auf, diesen Mangel zu beheben, wenn diese Übersetzung für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens erforderlich erscheint. Nach den Nrn. 64 und 68 der Praktischen Anweisungen für die Parteien vor dem Gericht vom 24. Januar 2012 (ABl. 2012, L 68, S. 23) wird, wenn die Klagebeantwortung nicht den Formvorschriften hinsichtlich der Übersetzung eines vorgelegten, in einer anderen Sprache abgefassten Schriftstücks in die Verfahrenssprache entspricht, eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels gesetzt.

64      Demnach hat der Kanzler, wenn es an einem entsprechenden Antrag einer Partei fehlt, nur dann eine Übersetzung in der Verfahrenssprache anzufordern, wenn sie für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens erforderlich erscheint (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 2010, Mediaset/Kommission, T‑177/07, EU:T:2010:233, Rn. 37).

65      Die Klägerin hat nicht ausdrücklich beantragt, die Kommission aufzufordern, eine Übersetzung in die französische Sprache, der Verfahrenssprache des vorliegenden Verfahrens, der in englischer Sprache abgefassten Anlagen der Klagebeantwortung vorzulegen. Mit dem Hinweis, dass diese Anlagen nicht in der Verfahrenssprache abgefasst seien, hat sie lediglich geltend gemacht, dass die Anlagen unzulässig seien. Die Kommission hat die Übersetzung der Anlagen in die französische Sprache mit Schreiben vom 28. September 2015 aber in angemessener Frist nach Einreichung der Klagebeantwortung bei der Kanzlei eingereicht. Die Klägerin hatte in der mündlichen Verhandlung auch Gelegenheit, sich zu den Anlagen zu äußern. Die Einrede der Unzulässigkeit, die die Klägerin gegen die Anlagen erhoben hat, ist daher jedenfalls zurückzuweisen. Es braucht nicht geprüft zu werden, ob die Übersetzung für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens erforderlich war.

66      Demnach ist die von der Klägerin erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

IV.    Zur Begründetheit

67      Die Klägerin macht drei Klagegründe geltend. Erstens sei im angefochtenen Beschluss nicht dargetan worden, dass sie sich an irgendeiner Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln beteiligt hätte. Zweitens habe die Kommission hinsichtlich des Vorliegens eines durch die Vereinbarung Biogaran/Niche geschaffenen zusätzlichen Anreizes die Tatsachen nicht richtig gewürdigt. Drittens habe die Kommission rechtsfehlerhaft gegen sie eine Geldbuße verhängt. Zunächst ist der zweite Klagegrund zu prüfen, dann der erste und schließlich der dritte.

A.      Zum Klagegrund einer Verfälschung der Tatsachen durch die im angefochtenen Beschluss enthaltene Feststellung, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche für Niche einen zusätzlichen Anreiz dargestellt habe, den Vergleich Servier/Niche zu schließen

68      Mit diesem Klagegrund wendet sich die Klägerin gegen die Tatsachenwürdigung, aufgrund deren die Kommission zu dem Schluss gelangt ist, dass eine Beschränkung des Wettbewerbs vorliege.

1.      Vorbringen der Parteien

a)      Zum Fehler bei der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen der Vereinbarung Biogaran/Niche und dem Vergleich Servier/Niche

1)      Zur Chronologie der Vergleichsverhandlungen

69      Die Klägerin macht geltend, auch wenn die Vereinbarung Biogaran/Niche und der Vergleich Servier/Niche am selben Tag unterzeichnet worden seien, seien die Vergleichsverhandlungen doch unterschiedlich abgelaufen. Aus mehreren Dokumenten aus der betreffenden Zeit gehe hervor, dass Biogaran 2002, d. h. etwa zwei Jahre vor dem Beginn der Verhandlungen über den Vergleich Servier/Niche, mit den Verhandlungen über die Vereinbarung Biogaran/Niche begonnen habe. Die Klägerin wendet sich also gegen die Feststellung in Rn. 1351 des angefochtenen Beschlusses, dass die beiden Vereinbarungen im selben Zeitraum ausgehandelt worden seien.

70      Dass die Klägerin begonnen habe, die Vereinbarung Biogaran/Niche auszuhandeln, noch bevor der Streit zwischen Servier und Niche begonnen habe, zeige, dass sie ein autonomes, eigenes und gesondertes Interesse an der Unterzeichnung der Vereinbarung Biogaran/Niche gehabt habe, unabhängig vom Vergleich Servier/Niche.

71      Dass die beiden Vereinbarungen am selben Tag geschlossen worden seien, zeige nicht, dass zwischen ihnen ein Zusammenhang bestehe, sondern sei darauf zurückzuführen, dass die vorher zwischen Niche und Biogaran geführten Verhandlungen durch den Rechtsstreit zwischen Servier und Niche blockiert worden seien. Sie seien dann im Februar 2005, einige Tage vor der Unterzeichnung des Vergleichs Servier/Niche wiederaufgenommen worden.

72      Die Kommission erwidert, sie habe im angefochtenen Beschluss dargetan, dass die Chronologie der Verhandlungen bestätige, dass zwischen dem Vergleich Servier/Niche und der Vereinbarung Biogaran/Niche ein Zusammenhang bestehe.

73      Erstens habe Niche in einer Erklärung vom 15. Juni 2011 bestätigt, dass der Vergleich Servier/Niche und die Vereinbarung Biogaran/Niche gleichzeitig ausgehandelt worden seien. Zweitens sei Gegenstand der vorherigen Verhandlungen zwischen Niche und Biogaran lediglich das Produkt A gewesen. Erst im Februar 2005 seien weitere Moleküle einbezogen worden. Der Gegenstand der Vereinbarung Biogaran/Niche sei also im letzten Moment ausgeweitet worden, was eine E‑Mail des Rechtsanwalts von Biogaran an Niche vom 4. Februar 2005 bestätige. Drittens hätten Biogaran und Niche im August 2004, d. h. einen Monat nach Beginn des Rechtsstreits im Vereinigten Königreich, noch Kontakt zueinander gehabt. Auch wenn dies zu keinem Ergebnis geführt habe, seien die Verhandlungen zwischen Biogaran und Niche erst im Zusammenhang mit der Aushandlung des Vergleichs Servier/Niche wieder aufgenommen worden, obwohl der Rechtsstreit zwischen Servier und Niche zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet gewesen sei. Die Verhandlungen in Bezug auf das Produkt A seien durch den Rechtsstreit, der im Juni 2004 begonnen habe, also offenbar nicht gelähmt worden.

2)      Zum rechtlichen Zusammenhang zwischen dem Vergleich Servier/Niche und der Vereinbarung Biogaran/Niche

74      Die Klägerin macht geltend, anders als die Kommission in Rn. 1190 des angefochtenen Beschlusses festgestellt habe, sei die Vereinbarung Biogaran/Niche nicht davon „abhängig gemacht“ worden, dass Niche die Bedingungen des Vergleichs Servier/Niche akzeptiere. Bei keiner der Vereinbarungen sei die Unterzeichnung oder Durchführung mit der Unterzeichnung oder Durchführung der anderen verbunden oder davon abhängig gemacht worden.

75      Im Übrigen unterlägen die Vereinbarungen verschiedenen Rechtsordnungen und verschiedenen Gerichtsbarkeiten. Auch seien Vertragspartner verschiedene juristische Personen des Servier-Konzerns. Und die Vereinbarungen seien nicht am selben Ort unterzeichnet worden. Die Vereinbarung Biogaran/Niche sei in Paris (Frankreich) unterzeichnet worden, der Vergleich Servier/Niche in London (Vereinigtes Königreich).

76      Die Zeitpunkte, die in den beiden Vereinbarungen für Zahlungen vorgesehen seien, seien nur teilweise identisch. Die Zahlungen von Biogaran für die durch die Lizenz erlaubten Lieferungen seien für später vorgesehen gewesen.

77      Die Feststellung der Kommission, dass zwischen den beiden Vereinbarungen ein Zusammenhang bestehe, beruhe größtenteils auf den Angaben von Niche. Diese seien aber mehrdeutig, so dass die Kommission sie mit Vorsicht hätte verwerten müssen. Angaben, die nicht zu ihren Feststellungen gepasst hätten, habe die Kommission allein deshalb nicht gelten lassen, weil sie nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte gemacht worden seien und daher weniger beweiskräftig seien als zuvor im Verwaltungsverfahren gemachte Angaben.

78      Die Kommission erwidert, die beiden Vereinbarungen, die parallel ausgehandelt worden seien, seien am selben Tag geschlossen worden. Sie sähen hinsichtlich der Übertragung der Zulassungsdossiers, wegen derer die 2,5 Mio. GBP letztlich gezahlt würden, genau dieselben Ratenzahlungstermine vor. Niche habe im Verwaltungsverfahren, insbesondere in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, mehrfach bestätigt, dass Servier ihr die Vereinbarung Biogaran/Niche angeboten habe, um Niche den gesamten Ausgleich zukommen zu lassen, der als Gegenleistung für den Abschluss des Vergleichs Servier/Niche vorgesehen gewesen sei. Die Kommission bezieht sich insoweit auf einen Entwurf des Vergleichs Servier/Niche, in dem die Angabe „2,5 Millionen“ mit dem handschriftlichen Vermerk „ramipril“ versehen worden sei. Dies beweise, dass der Preis, den Servier für die von Niche eingegangenen Verpflichtungen gezahlt habe, die Zahlung von 2,5 Mio. GBP einschließe, die im Rahmen des Zulassungsdossiers Ramipril, also der Vereinbarung Biogaran/Niche, vorgesehen gewesen sei.

79      Die Kommission räumt ein, dass Niche in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ergänzt hat, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche eine echte geschäftliche Vereinbarung mit einer echten Gegenleistung gewesen sei. In ihrer Antwort habe Niche aber auch ausgeführt, dass mitunter Vereinbarungen für mehrere Produkte gleichzeitig geschlossen worden seien, dies aber keine normale Geschäftspraktik gewesen sei. Außerdem habe die Aussage, die Niche gemacht habe, als sie Kenntnis von den gegen sie erhobenen Vorwürfen gehabt habe, nicht denselben Beweiswert wie die Aussagen, die sie vorher gemacht habe, als sie davon noch keine Kenntnis gehabt habe.

80      Auch die E‑Mail des Rechtsanwalts von Biogaran an Niche vom 4. Februar 2005 über den Betrag, um den es gehe, bestätige, dass zwischen den beiden Vereinbarungen ein Zusammenhang bestehe. Die Parteien hätten sich auf einen von Biogaran an Niche zu zahlenden Betrag verständigt und dann über den Inhalt der Vereinbarung Biogaran/Niche verhandelt. Ziel der Vereinbarung Biogaran/Niche sei daher in erster Linie gewesen, für Niche einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen, und nicht, einen geschäftlichen Vertrag zu schließen, wie Biogaran in Rn. 75 der Klageschrift glauben machen wolle. Die Vereinbarung zeige nämlich kein Interesse von Biogaran an den Produkten, noch irgendeinen Anreiz zur Vermarktung der Produkte, die erst am Ende der Verhandlungen in den Geltungsbereich der Vereinbarung einbezogen worden seien.

81      Auch wenn die Vereinbarung Biogaran/Niche und der Vergleich Servier/Niche nicht von denselben Personen unterzeichnet worden seien, seien die Verhandlungen teilweise von denselben Personen geführt worden. Der Entwurf der Vereinbarung mit Biogaran sei im Servier-Konzern herumgereicht worden. Bei der E‑Mail von Biogaran an Niche vom 4. Februar 2005 sei die Leiterin der Rechtsabteilung des Konzerns, Frau L., in Kopie gesetzt gewesen, obwohl die E‑Mail eine Vereinbarung betroffen habe, die von Biogaran geschlossen werden sollte. Dasselbe gelte für den Vertrag, den Niche und Biogaran am 20. Juli 2004 über Kapseln des Produkts A geschlossen hätten.

3)      Zur Absicht, einen Anreiz für Niche zu schaffen

82      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe im angefochtenen Beschluss nicht dargetan, dass sie die Absicht gehabt hätte, für Niche einen Anreiz zum Abschluss des Vergleichs Servier/Niche zu schaffen. Die Kommission sei auch eine Erklärung dafür schuldig geblieben, warum Servier auf ihre Vermittlung hätte zurückgreifen sollen, um die weiteren 2,5 Mio. GBP zu zahlen, obwohl sich Servier selbst verpflichtet habe, an Niche direkt 11,8 Mio. GBP zu zahlen.

83      Die Kommission macht geltend, beim Abschluss ihrer Vergleiche mit Servier hätten Niche und Matrix über die Verteilung der Gelder unter ihnen gesprochen. Aus einem internen Dokument von Matrix von September 2005 gehe hervor, dass über die Gelder, die Gegenstand der Vergleiche gewesen seien, verhandelt worden sei und dass sie gleich zwischen Niche und Matrix aufgeteilt worden seien, obwohl Matrix habe mehr haben wollen als Niche (angefochtener Beschluss, Rn. 577). Durch den Abschluss einer gesonderten Vereinbarung zwischen Biogaran und Niche habe der vom Servier-Konzern an Niche gezahlte Beitrag erhöht und gleichzeitig Matrix außen vor gelassen werden können. Im Übrigen habe Niche eingeräumt, dass die Zahlung Bestandteil der zwischen Servier und Niche ausgehandelten „total overall compensation“ (Gesamtabfindung) in Höhe von 15,7 Mio. GBP gewesen sei.

84      Es habe nicht dargetan werden müssen, dass Biogaran die Absicht gehabt habe, für Niche einen Anreiz zum Abschluss des Vergleichs Servier/Niche zu schaffen. Bei der Prüfung, ob der Vergleich den Wettbewerb beschränke, komme es auf die Absicht der Parteien überhaupt nicht an. Im Übrigen habe sie dargetan, dass die beiden Vereinbarungen, die die Biogaran und ihre Muttergesellschaft, Servier, mit Niche geschlossen hätten, untrennbar miteinander verbunden seien. Da Biogaran und Servier eine wirtschaftliche Einheit bildeten, sei es nicht erforderlich gewesen, nachzuweisen, dass innerhalb dieser Einheit die Gesellschaften jeweils die Absicht gehabt hätten, Niche dazu zu bewegen, den Vergleich Servier/Niche zu schließen.

85      Die Bestimmungen der Vereinbarung Biogaran/Niche, nach der die Parteien im Falle der Nichterteilung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen keinen Anspruch auf Rückzahlung der gezahlten Beträge hätten, zielten nicht darauf ab, Biogaran dazu zu bewegen, die Genehmigungen zu beantragen.

86      Biogaran sei vertraglich nicht verpflichtet gewesen, die Genehmigungen für das Inverkehrbringen auf der Grundlage der übertragenen Zulassungsdossiers zu beantragen (Vereinbarung Biogaran/Niche, Art. 2.2 und 3).

87      Wären die Genehmigungen für das Inverkehrbringen innerhalb von 18 Monaten nicht erteilt worden und hätte die Vereinbarung damit gemäß ihren Art. 14.2 und 14.4 automatisch geendet, hätte kein Anspruch auf Rückzahlung der bereits an Niche gezahlten Beträge bestanden.

88      Biogaran sei hinsichtlich der Zulassungsdossiers zu keiner Exklusivität verpflichtet gewesen und hätte eine Bindung an Niche durch ein Unterlassen der Beantragung der entsprechenden Genehmigungen für das Inverkehrbringen, zu der sie nicht verpflichtet gewesen sei, daher leicht verhindern können. Genau das habe Biogaran dann auch getan. Biogaran habe mit der Gesellschaft A. eine andere Vereinbarung über den Erwerb mehrerer Zulassungsdossiers geschlossen, die auch das Produkt A in verschiedenen Dosierungen betroffen habe. Im Gegensatz zu der Vereinbarung mit Biogaran sehe die Vereinbarung mit der Gesellschaft A. für den Fall der Nichterteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen vor, dass die von Biogaran gezahlten Gelder zurückzuzahlen seien. Ein solcher Unterschied zwischen den beiden Vereinbarungen lege den Schluss nahe, dass Niche keine Garantie dafür gehabt habe, dass Biogaran Genehmigungen für das Inverkehrbringen beantragen und nach der Vereinbarung mit Biogaran Produkte bei Niche beziehen werde. Da die Zahlung an Niche ohnehin zu erfolgen hatte, bevor man habe wissen können, ob Biogaran Genehmigungen für das Inverkehrbringen erhalten werde, habe Niche keine Garantie gehabt, dass Biogaran die Genehmigungen für das Inverkehrbringen beantragen und Produkte bei Niche beziehen werde.

89      Die Gründe, die Biogaran für die Zahlung der 2,5 Mio. GBP anführe, seien wenig glaubwürdig. Biogaran sei eine Erklärung dafür schuldig geblieben, warum sie einen solchen Betrag gezahlt habe, der weder einen Anreiz dargestellt habe, die Genehmigungen für das Inverkehrbringen zu beantragen, noch ein Mittel, eine zweite Bezugsquelle für das Produkt A zu sichern, noch ein Mittel, um zufällig ausgewählte „Sicherheits-Zulassungsdossiers“ (außer Produkt A) zu erlangen, und warum sie das Risiko eines Verlusts der Zahlung eingegangen sei. Auffällig sei auch die ungewöhnliche Struktur der Vereinbarung Biogaran/Niche, insbesondere, dass eine Erstattung des gezahlten Betrags ausgeschlossen sei. Die Vereinbarung Biogaran/Niche unterscheide sich insoweit von der Vereinbarung mit der Gesellschaft A., in der bestimmt gewesen sei, dass die Gesellschaft A. im Falle der Nichterlangung der Genehmigung für das Inverkehrbringen, das erhaltene Geld zurückzahle.

b)      Zur Berücksichtigung des geschäftlichen Interesses der Klägerin am Abschluss der Vereinbarung Biogaran/Niche

90      Die Klägerin macht geltend, die Vereinbarung Biogaran/Niche sei gerechtfertigt gewesen durch die geschäftlich legitime und wettbewerbsfreundliche Absicht von Biogaran, sich mehrere Bezugsquellen zu sichern, um Produkte auf dem Generikamarkt zu lancieren und zu entwickeln, insbesondere das Produkt A. Sie habe sich deshalb an Niche, einen langjährigen Geschäftspartner mit den erforderlichen Zulassungsdossiers und Lieferkapazitäten, gewandt. Dass die Zahlung von 2,5 Mio. GBP die legitime Gegenleistung der im Rahmen der Vereinbarung Biogaran/Niche erworbenen Rechte gewesen sei, werde dadurch bestätigt, dass dieser Betrag von der Kommission im angefochtenen Beschluss bei der Berechnung der gegen Niche verhängten Geldbuße nicht berücksichtigt worden sei.

91      Die Kommission hält die Begründung der Klägerin, sie habe sich Bezugsquellen sichern wollen, für „wenig glaubwürdig“. Die Klägerin habe nichts unternommen, um die Genehmigungen für das Inverkehrbringen zu erhalten.

1)      Zum Produkt A

92      Die Klägerin macht geltend, die Erlangung der für die Lancierung der generischen Version des Produkts A erforderlichen Rechte sei für sie wegen des kommerziellen Erfolgs dieses Produkts von großer Bedeutung gewesen. Zur Sicherung ihrer Bezugsquellen habe sie zwei Zulassungsdossiers bei verschiedenen Wirtschaftsteilnehmern erlangen wollen, indem sie zwei Vereinbarungen geschlossen habe, die erste im Dezember 2004 mit der Gesellschaft A., die zweite im Februar 2005 mit Niche. Sich mehrere Bezugsquellen zu sichern, sei eine übliche Praxis der Generikahersteller, die mit den technischen und rechtlichen Schwierigkeiten zusammenhänge, die bei der Entwicklung eines Generikums aufträten.

93      Im vorliegenden Fall habe sich die Sicherung zweier Bezugsquellen aus zwei Gründen als richtig erwiesen. Zum einen sei das Zulassungsdossier für das Produkt A 10 mg von Niche im analytischen Teil sehr schwach gewesen, wodurch sich die Bewertung durch die zuständigen Behörden hätte verzögern können (Klageschrift, Anlage A. 17). Zum anderen hätten die von der Agence française de sécurité sanitaire des produits de santé (Afssaps, französische Agentur für die Sicherheit von Gesundheitsprodukten) im Juli 2005 im Hinblick auf mehrere Zulassungsdossiers der Gesellschaft A. getroffenen Untersuchungsmaßnahmen Zweifel an der Brauchbarkeit der Zulassungsdossiers aufkommen lassen (Klageschrift, Anlage A. 18).

94      Die Sicherung einer zweiten Bezugsquelle für das Produkt A bei Niche habe gegenüber der mit der Gesellschaft A. geschlossenen Vereinbarung mehrere Vorteile gehabt. Zum einen habe Biogaran aufgrund der Vereinbarung Biogaran/Niche Zulassungsdossiers für das Produkt A Tabletten und das Produkt A 10 mg erhalten können, die von der Vereinbarung mit der Gesellschaft A. nicht erfasst gewesen seien. Zum anderen hätten sich durch die Vereinbarung Biogaran/Niche zu einer Zeit, in der Biogaran beabsichtigt habe, ihre Geschäftstätigkeit auf das Ausland auszudehnen, Absatzperspektiven im Vereinigten Königreich und in einem Nicht-EWG-Land eröffnet.

95      Die Klägerin habe dennoch den Zulassungsdossiers der Gesellschaft A. den Vorzug gegeben. Die Gesellschaft A. habe ihre Anträge auf Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen früher gestellt. Deshalb sei mit ihren Zulassungsdossiers ein schnellerer Markteintritt möglich gewesen.

96      Die Klägerin macht geltend, ihre Bezugsstrategie sei durch die finanzielle Bedeutung der Sache gerechtfertigt gewesen. Seit seiner Einführung in Frankreich sei mit dem Generikum ein Umsatz von mehr als 79 Mio. Euro (83 Mio. Euro nach der Aktualisierung in der Erwiderung) erzielt worden. Sie habe den Bezug des Produkts A sichern müssen, um die Zahlung von 2,5 Mio. GBP an Niche zu rechtfertigen und um sich nicht auf den mit dem Produkt B erzielten Umsatz zu beschränken.

97      Die Zahlung von 2,5 Mio. GBP an Niche sei umso mehr gerechtfertigt gewesen, als diese Gesellschaft ihr die Exklusivität der Zulassungsdossiers in Frankreich, im Vereinigten Königreich und in einem Nicht-EWG-Land zugestanden habe, was bei den anderen nicht exklusiven Vereinbarungen, die sie geschlossen habe, nicht der Fall gewesen sei. Der Vergleich, der im angefochtenen Beschluss mit diesen anderen Vereinbarungen angestellt worden sei, sei deshalb nicht aussagekräftig.

98      Die Kommission macht geltend, das von der Klägerin nach der Vereinbarung Biogaran/Niche vorgelegte Audit, in dem angebliche Schwächen des Zulassungsdossiers von Niche aufgezeigt würden, spreche gegen die Klägerin. Es zeige, dass Biogaran vor dem Abschluss der Vereinbarung Biogaran/Niche nicht über Informationen über die Qualität des Produkts A von Niche verfügt habe und das Risiko eingegangen sei, 2,5 Mio. GBP zu zahlen, obwohl das Zulassungsdossier des Produkts A möglicherweise wertlos gewesen sei. Auch wenn das Audit über die Qualität der Zulassungsdossiers von Niche die Sicherung einer Bezugsquelle bei der Gesellschaft A. rechtfertigen könne, könne es nicht erklären, warum die Klägerin einen höheren Preis als für das Zulassungsdossier der Gesellschaft A. habe zahlen wollen. Biogaran habe an die Gesellschaft A. im Rahmen der beiden Vereinbarungen über das Produkt A insgesamt 330 000 Euro gezahlt, was viel weniger sei als der an Niche gezahlte Betrag.

99      Dass Niche in der Lage gewesen sei, Tabletten und die 10-mg-Dosis zu liefern, könne die Vereinbarung Biogaran/Niche nicht rechtfertigen. Denn zwei Monate nach der Vereinbarung habe Biogaran, obwohl sie das Zulassungsdossier von Niche bei den zuständigen Behörden hätte einreichen können, mit der Gesellschaft A. eine zweite Vereinbarung über das Produkt A in Tablettenform geschlossen.

100    Das Argument, Biogaran habe sich durch eine im Juli 2005 eingeleitete Untersuchung der Agence française de sécurité sanitaire des produits de santé bei der Gesellschaft A. veranlasst gesehen, die Vereinbarung Biogaran/Niche zu schließen, sei nicht stichhaltig. Dieses Ereignis habe die Entscheidungen von Biogaran nicht beeinflussen können. Es sei nach der Vereinbarung Biogaran/Niche eingetreten.

101    Biogaran habe auch nicht dargetan, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche im Rahmen des Vorhabens der Expansion ins Ausland von Nutzen gewesen wäre.

102    Biogaran habe seit 2007 einen Umsatz von 79 Mio. Euro erzielt, mit dem Produkt A von Niche seien keine Gewinne erzielt worden (angefochtener Beschluss, Rn. 567). Die Behauptung, Biogaran hätte sich bei Niche eine zweite Bezugsquelle sichern müssen, sei daher nicht überzeugend.

103    Auch das Argument, ein Vergleich mit den übrigen Vereinbarungen sei wegen der Exklusivität, die in der Vereinbarung Biogaran/Niche gewährt worden sei, nicht möglich, sei nicht überzeugend. Der Vergleich zeige nämlich, dass keine der anderen Vereinbarungen eine Zahlung ohne Erstattungsmöglichkeit vorgesehen habe. Das Geld sei von vornherein verloren gewesen. Biogaran habe keine Anstrengungen unternommen, um damit Gewinn zu erwirtschaften. Im Übrigen habe Ausschließlichkeit überhaupt keinen Wert, wenn die Entwicklung des Produkts nicht ausreichend fortgeschritten sei oder wenn es rechtliche Hindernisse gebe.

2)      Zum Produkt B

104    Die Klägerin macht geltend, die Vereinbarung Biogaran/Niche habe es ihr ermöglicht, das Produkt B 10 mg auf den Markt zu bringen und damit einen Umsatz von 150 000 Euro (211 000 Euro nach der Aktualisierung in der Erwiderung) zu erzielen. Mit dem Vertrieb des Produkts sei Almus, einer der größten Großhändler in Frankreich, betraut worden.

105    Die Kommission macht geltend, die vorher zwischen Biogaran und Bioglan (jetzt Niche) über das Produkt B geschlossene Vereinbarung habe vorgesehen, dass die Zahlung von Biogaran im Falle der Nichterlangung der Genehmigung für das Inverkehrbringen zu erstatten sei, was bei der Vereinbarung Biogaran/Niche nicht der Fall gewesen sei. Außerdem habe Niche mit dieser Vereinbarung nicht garantiert, die Genehmigung für das Inverkehrbringen, die sie 2001 in Frankreich erhalten habe, zu übertragen, da diese Übertragung eine Erneuerung der Genehmigung für das Inverkehrbringen erfordert hätte, die Niche bei den zuständigen Behörden nicht beantragt habe.

106    Was den mit Almus geschlossenen Vertriebsvertrag und die Bindung dieses Kunden angeht, macht die Kommission geltend, dass das Produkt B den Abschluss dieses Vertrags nicht ermöglicht haben könne, da es nur eines der 23 Moleküle gewesen sei, die Gegenstand des Vertrags gewesen seien.

3)      Zum Produkt C

107    Die Klägerin macht geltend, sie habe das Produkt C seit 2000 aufgrund mehrerer Verträge mit Disphar in den Verkehr bringen können. Wegen der Unsicherheit, die hinsichtlich der Erneuerung des Liefervertrags mit Disphar bestanden habe, und ihrer Absicht, ihre Geschäftstätigkeit im Ausland zu entwickeln, habe sie sich dafür entschieden, sich andere Bezugsquellen zu sichern. Da der Vertrag mit Disphar verlängert worden sei, habe sie von den von Niche übertragenen Zulassungsdossiers letztlich kein Gebrauch gemacht.

108    Aus dem Umstand, dass Biogaran für zwei der drei Produkte auf der Grundlage der von Niche übermittelten Zulassungsdossiers keine Genehmigung für das Inverkehrbringen erlangt habe, lasse sich daher nicht schließen, dass zwischen der Vereinbarung Biogaran/Niche und dem Vergleich Servier/Niche ein Zusammenhang bestünde. Biogaran habe sich lediglich mehrere Bezugsquellen sichern wollen. Dies sei in dem betreffenden Sektor so üblich.

109    Die Kommission vertritt die Auffassung, es sei nicht glaubwürdig, dass Biogaran eine derart hohe Summe gezahlt habe, nur um über ein Zulassungsdossier zu verfügen, von dem sie zu keinem Zeitpunkt Gebrauch gemacht habe. Biogaran habe nicht einmal darauf gedrängt, dass Niche das Zulassungsdossier übertrage, bevor die Vereinbarung wegen der Nichterlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen automatisch ende.

2.      Würdigung durch das Gericht

a)      Vorbemerkungen

110    Die Kommission ist im angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche einen Anreiz darstelle, den Servier Niche zusätzlich zu dem Anreiz gewährt habe, der sich aus dem Vergleich Servier/Niche ergebe, um Niche dazu zu bewegen, nicht weiter zu versuchen, in den Perindopril-Markt einzutreten. Die Vereinbarung Biogaran/Niche ist nach Auffassung der Kommission Bestandteil der eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckenden Zuwiderhandlung, die der Vergleich Servier/Niche darstellt. Sie kann also nur dann eine Zuwiderhandlung darstellen, wenn auch der Vergleich Servier/Niche eine Zuwiderhandlung darstellt. Es ist deshalb hier der rechtliche Kontext des Vergleichs Servier/Niche zu erläutern, mit dem die Vereinbarung Biogaran/Niche in Zusammenhang stehen soll.

111    Ein Vergleich zur gütlichen Beilegung einer Patentrechtsstreitigkeit kann durchaus frei von negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb sein. Das ist z. B. der Fall, wenn sich die Parteien einigen, weil sie der Auffassung sind, dass das betreffende Patent nicht gültig ist, und deshalb vorsehen, dass der Generikahersteller sofort in den Markt eintritt.

112    Der Vergleich Servier/Niche gehört nicht zu dieser Kategorie. Er enthält eine Nichtangriffsklausel und ein Vermarktungsverbot, die als solche wettbewerbsbeschränkend sind. Die Nichtangriffsklausel beeinträchtigt nämlich das öffentliche Interesse, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit auszuräumen, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten (vgl. in diesem Sinne, Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission, 193/83, EU:C:1986:75, Rn. 92), und das Vermarktungsverbot führt dazu, dass ein zumindest potenzieller Wettbewerber des Patentinhabers vom Markt ausgeschlossen wird.

113    Solche Klauseln können jedoch zulässig sein, wenn sie in den Vergleich aufgenommen worden sind, weil die Parteien die Gültigkeit des betreffenden Patents (und damit die Verletzung des Patents durch die betreffenden generischen Produkte) anerkennen.

114    Nimmt der Generikahersteller die Nichtangriffsklausel und das Vermarktungsverbot, deren Geltungsbereich auf den des betreffenden Patents beschränkt ist, nicht deshalb hin, weil er die Gültigkeit des Patents anerkennt, sind solche Bestimmungen allerdings problematisch. Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, „[stellen] die in der Vereinbarung enthaltenen Beschränkungen der geschäftlichen Autonomie des Generikaherstellers …, auch wenn sie nicht über den materiellen Anwendungsbereich des Patents hinausgehen, einen Verstoß gegen Artikel 101 [AEUV] dar, wenn sie nicht dadurch gerechtfertigt sind und nicht darauf beruhen, dass die Parteien beurteilt haben, ob das ausschließliche Recht als solches besteht“ (angefochtener Beschluss, Rn. 1137).

115    Bei einem Vergleich ist eine „umgekehrte Zahlung“, d. h. eine Zahlung des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller, in zweierlei Hinsicht verdächtig. Zum einen soll mit dem Patent die schöpferische Leistung des Erfinders belohnt werden, indem ihm ermöglicht wird, einen gerechten Gewinn aus seinen Investitionen zu ziehen. Ein gültiges Patent soll daher grundsätzlich einen Transfer von Werten zum Patentinhaber, z. B. durch einen Lizenzvertrag, ermöglichen, und nicht umgekehrt. Zum anderen begründet eine umgekehrte Zahlung Zweifel daran, dass der Vergleich auf der Anerkennung der Gültigkeit des betreffenden Patents durch die Parteien beruht.

116    Aus einer umgekehrten Zahlung allein lässt sich aber noch nicht auf eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung schließen. Es ist durchaus denkbar, dass eine umgekehrte Zahlung in gewissen Fällen gerechtfertigt ist, nämlich dann, wenn sie der gütlichen Beilegung des betreffenden Rechtsstreits inhärent ist. Erfolgt im Rahmen des Abschlusses des Vergleichs hingegen eine umgekehrte Zahlung, die nicht gerechtfertigt ist, ist davon auszugehen, dass der Generikahersteller durch die Zahlung dazu bestimmt wurde, eine Nichtangriffsklausel und ein Vermarktungsverbot hinzunehmen, so dass eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vorliegt. In einem solchen Fall hängen die durch die Nichtangriffsklausel und das Vermarktungsverbot bedingten Wettbewerbsbeschränkungen nicht mehr mit dem Patent und dem Vergleich zusammen, sondern sind auf die Gewährung eines Vorteils zurückzuführen, mit dem der Generikahersteller dazu bestimmt wird, seine Wettbewerbsbemühungen einzustellen.

117    Zwar steht es weder der Kommission noch den Unionsgerichten zu, über die Gültigkeit des Patents zu befinden. Im Rahmen ihrer Zuständigkeiten können sie aber, ohne über die Gültigkeit des Patents als solche zu entscheiden, feststellen, dass von dem Patent auf eine atypische Weise Gebrauch gemacht worden ist, die mit dem spezifischen Gegenstand des Patents nichts zu tun hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Februar 1968, Parke, Davis und Co., 24/67, EU:C:1968:11, S. 109 und 110, und vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 7 und 8; vgl. entsprechend auch Urteile vom 6. April 1995, RTE und ITP/Kommission, C‑241/91 P und C‑242/91 P, EU:C:1995:98, Rn. 50, und vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 104 bis 106).

118    Wird ein Wettbewerber dazu bestimmt, ein Vermarktungsverbot und eine Nichtangriffsklausel wie oben in Rn. 116 dargestellt hinzunehmen, stellen sowohl die Bestimmungshandlung als auch deren Gegenstück, die Hinnahme der Klauseln aufgrund der Bestimmung, einen atypischen Gebrauch des Patents dar.

119    Zutreffend hat die Kommission im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass „das Patentrecht … nicht das Recht vor[sieht], reelle oder potenzielle Wettbewerber zu bezahlen, damit sie nicht in den Markt eintreten oder es unterlassen, ein Patent anzugreifen, bevor sie in den Markt eintreten“ (Rn. 1137), dass „Patentinhaber … nicht befugt [sind], Generikahersteller zu bezahlen, um sie vom Markt fernzuhalten und die Wettbewerbsrisiken zu reduzieren, sei es im Rahmen eines Vergleichs zur gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits oder durch ein anderes Mittel“ (Rn. 1141), und dass „es … zu keinem der Rechte aus dem Patent [gehört] und … keinem der Mittel [entspricht], die das Patentrecht zur Durchsetzung der Rechte aus dem Patent vorsieht, potenzielle Wettbewerber durch Zahlung von Geld oder auf andere Weise dazu zu bestimmen, nicht in den Markt einzutreten“ (Rn. 1194).

120    Wird eine Bestimmungshandlung festgestellt, können sich die Parteien nicht mehr darauf berufen, dass sie im Vergleich die Gültigkeit des Patents anerkannt haben. Die Bestätigung der Gültigkeit des Patents durch ein Gericht oder eine Behörde ist insoweit nicht von Belang.

121    Der wahre Grund der Wettbewerbsbeschränkungen, die durch ein Vermarktungsverbot und eine Nichtangriffsklausel (siehe oben, Rn. 112) eingeführt werden, ist also die Bestimmung zum Abschluss des Vergleichs, und nicht die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien in dem Vergleich. Da es für solche Klauseln keine Rechtfertigung gibt, sind sie für das reibungslose Funktionieren des Wettbewerbs derart schädlich, dass sie als bezweckte Beschränkung einzustufen sind.

122    Bei Vorliegen einer Bestimmung zum Abschluss eines Vergleichs sind die Vergleiche als Vereinbarungen über den Ausschluss vom Markt anzusehen, mit denen die verbleibenden Marktteilnehmer die ausscheidenden entschädigen. Solche Vereinbarungen stellen in Wirklichkeit einen Freikauf vom Wettbewerb dar und sind daher als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen anzusehen, wie sich aus dem Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers (C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 8 und 31 bis 34), und den Schlussanträgen der Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Beef Industry Development Society und Barry Brothers (C‑209/07, EU:C:2008:467, Nr. 75), die in den Rn. 1139 und 1140 des angefochtenen Beschlusses angeführt werden, ergibt. Der Ausschluss von Wettbewerbern vom Markt stellt eine extreme Form der Marktaufteilung und der Produktionsbeschränkung dar (Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2016:449, Nr. 435), die in einem Kontext wie dem der Vereinbarungen, um die es hier geht, umso schädlicher ist, als es sich bei den ausgeschlossenen Unternehmen um Generikahersteller handelt, deren Markteintritt grundsätzlich gut für den Wettbewerb ist und dem Allgemeininteresse an einer kostengünstigen Krankenbehandlung dient. Der Ausschluss vom Markt wird in den Vereinbarungen, um die es hier geht, noch dadurch verstärkt, dass der Generikahersteller das betreffende Patent nicht angreifen darf.

123    Die Einstufung eines Vergleichs zur gütlichen Beilegung einer Patentrechtsstreitigkeit als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung setzt demnach voraus, dass der Vergleich sowohl einen Anreiz für den Generikahersteller enthält als auch eine entsprechende Beschränkung seiner Wettbewerbstätigkeit gegenüber dem Hersteller des Originalpräparats. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, ist wegen des Grades der Schädlichkeit des geschlossenen Vergleichs für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung festzustellen.

124    Mit den heutigen Urteilen Servier u. a./Kommission (T‑691/14) und Generics/Kommission (T‑701/14) hat das Gericht entschieden, dass diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere, dass die Kommission zu Recht angenommen hat, dass Niche mit den 11,8 Mio. GBP, die Servier nach dem Vergleich Servier/Niche an das Unternehmen gezahlt hat, dazu bestimmt werden sollte, nicht in den Markt einzutreten, und dass es sich bei dem Vergleich um eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gehandelt hat.

125    Das Vorbringen von Biogaran in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage des Gerichts zum Vergleich Servier/Niche, dieser stelle keine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV dar, ist daher zurückzuweisen, ohne dass über seine Zulässigkeit entschieden zu werden braucht.

b)      Zur Frage, ob die Vereinbarung Biogaran/Niche einen Anreiz darstellt

126    Biogaran macht geltend, die Vereinbarung Biogaran/Niche stelle keinen zusätzlichen Anreiz dar, mit dem Niche dazu habe bestimmt werden sollen, den Vergleich Servier/Niche zu schließen, sondern eine autonome geschäftliche Vereinbarung, die zu Marktbedingungen geschlossen worden sei.

127    Nach Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und ständiger Rechtsprechung hat die Kommission im Bereich des Wettbewerbsrechts bei Streitigkeiten über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend belegen (Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, EU:C:1998:608, Rn. 58, und vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, EU:C:1999:356, Rn. 86; vgl. auch Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

128    Hat das Gericht insoweit Zweifel, so muss dies dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Das Gericht kann daher nicht darauf schließen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm daran noch Zweifel bestehen; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung zur Verhängung einer Geldbuße handelt (vgl. Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

129    Es ist nämlich die Unschuldsvermutung, wie sie sich insbesondere aus Art. 48 der Charta der Grundrechte ergibt, zu berücksichtigen. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie der Art und der Schwere der Sanktionen, die ihretwegen verhängt werden können, gilt die Unschuldsvermutung auch in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können (vgl. Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

130    Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Feststellung, dass eine natürliche oder juristische Person an einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln beteiligt gewesen ist, für diese eine nicht unerhebliche Schädigung ihres Rufes darstellt (vgl. Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

131    Daher ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung nachzuweisen und die feste Überzeugung zu begründen, dass die behaupteten Verstöße eine Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellen (vgl. Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

132    Nicht jeder von der Kommission erbrachte Beweis muss notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung diesen Kriterien entsprechen. Ein von der Kommission angeführtes Bündel von Indizien kann im Ganzen betrachtet dem genannten Erfordernis entsprechen (vgl. Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

133    Mitunter muss das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung gar aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 57).

134    So ist z. B. ein Parallelverhalten für sich allein noch nicht einer abgestimmten Verhaltensweise gleichzusetzen, kann aber ein wichtiges Indiz für eine solche darstellen, wenn es zu Wettbewerbsbedingungen führt, die nicht den normalen Marktbedingungen entsprechen (Urteil vom 14. Juli 1972, Farbenfabriken Bayer/Kommission, 51/69, EU:C:1972:72, Rn. 25).

135    Ebenso kann bei einem Vergleich zur gütlichen Beilegung einer Patentrechtsstreitigkeit das Vorliegen einer akzessorischen Vereinbarung (vgl. angefochtener Beschluss, Rn. 1190) ein aussagekräftiges Indiz für einen Anreiz und damit eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung sein.

136    Die Vereinbarung Biogaran/Niche ist von der Kommission als „akzessorische Vereinbarung“ (angefochtener Beschluss, Rn. 1190) eingestuft worden. Mit der Vereinbarung Biogaran/Niche, die mit dem Vergleich Servier/Niche in Zusammenhang gestanden habe, habe Servier für Niche einen weiteren Anreiz für den Abschluss des Vergleichs geschaffen (angefochtener Beschluss, Rn. 1349). Es gebe nämlich Belege dafür, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche nicht unter reinen Wettbewerbsbedingungen geschlossen worden sei (angefochtener Beschluss, Rn. 1351).

137    Eine akzessorische Vereinbarung ist eine gewöhnliche geschäftliche Vereinbarung, die mit einem Vergleich zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits, der Bestimmungen enthält, die als solche beschränkend sind, „verbunden“ ist. Eine solche Verbindung besteht vor allem dann, wenn die beiden Vereinbarungen am selben Tag geschlossen worden sind, wenn sie rechtlich miteinander verbunden sind, weil die Wirksamkeit der einen Vereinbarung vom Abschluss der anderen abhängt, oder wenn die Kommission anhand des Kontexts, in dem die beiden Vereinbarungen geschlossen worden sind, nachweisen kann, dass sie untrennbar miteinander verknüpft sind. Je näher die Abschlüsse der Vereinbarungen zeitlich zusammenliegen, desto einfacher ist für die Kommission der Nachweis, dass sie untrennbar miteinander verknüpft sind. Dass der Vergleich und die akzessorische Vereinbarung am selben Tag geschlossen worden sind oder dass zwischen den beiden Vereinbarungen eine vertragliche Verknüpfung besteht, spricht dafür, dass die Vereinbarungen Bestandteil ein und desselben Vertragsgebildes sind. Wären die Vereinbarungen nicht am selben Tag geschlossen worden (und bestünde zwischen ihnen keine vertragliche Verknüpfung), würde eine Vertragspartei der anderen all das gewähren, was sie wünscht, ohne sicher zu sein, dass sie die erwartete Gegenleistung erhält. Der zeitliche oder rechtliche Zusammenhang zwischen den beiden Vereinbarungen ist auch ein Indiz dafür, dass sie gemeinsam ausgehandelt worden sind.

138    Die akzessorische Vereinbarung ist aber eine gewöhnliche geschäftliche Vereinbarung, die unabhängig von der gütlichen Beilegung des betreffenden Rechtsstreits existieren könnte. Umgekehrt verlangt der Abschluss eines Vergleichs nicht den gleichzeitigen Abschluss einer geschäftlichen Vereinbarung. Die Verbindung der beiden Vereinbarungen ist also nicht zwingend. Außerdem kann sie nicht durch die gütliche Beilegung des Rechtsstreits gerechtfertigt werden, weil die akzessorische Vereinbarung nicht dazu dient, einen Rechtsstreit beizulegen, sondern eine geschäftliche Transaktion zu verwirklichen.

139    Bei einer akzessorischen Vereinbarung werden zwischen den Parteien materielle oder immaterielle Werte übertragen. Der Werttransfer kann insbesondere vom Patentinhaber bzw. der Tochtergesellschaft, mit der er eine wirtschaftliche Einheit bildet, zum Generikahersteller folgen. Dann besteht das Risiko, dass die Verbindung eines geschäftlichen Vertrags mit einer Vereinbarung über die gütliche Beilegung eines Rechtsstreits, die ein Vermarktungsverbot und eine Nichtangriffsklausel enthält, die als solche bereits wettbewerbswidrig sind, letztlich dazu dient, unter dem Deckmantel einer geschäftlichen Transaktion, die gegebenenfalls vertraglich komplex gestaltet sein kann, den Generikahersteller durch einen in der akzessorischen Vereinbarung vorgesehenen Werttransfer dazu zu bestimmen, sich den genannten Klauseln zu unterwerfen.

140    Dass ein geschäftlicher Vertrag, der normalerweise nicht dazu dient, einen Rechtsstreit gütlich beizulegen, und mit dem vom Hersteller des Originalpräparats bzw. der Tochtergesellschaft, mit der er eine wirtschaftliche Einheit bildet, an den Generikahersteller Werte übertragen werden, mit einem Vertrag über die gütliche Beilegung eines Rechtsstreits verbunden ist (siehe oben, Rn. 137), der wettbewerbsbeschränkende Bestimmungen enthält, stellt mithin ein gewichtiges Indiz für eine umgekehrte Zahlung dar.

141    Dieses Indiz reicht allein jedoch nicht aus. Die Kommission muss es bestätigen, indem sie weitere Nachweise für das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung beibringt. Im speziellen Kontext akzessorischer Vereinbarungen entspricht die umgekehrte Zahlung dem Teil der vom Hersteller des Originalpräparats geleisteten Zahlung, der über den „normalen“ Wert des Gegenstands der Transaktion hinausgeht (bzw. dem Teil des „normalen“ Werts des Gegenstands der Transaktion, der über die vom Generikahersteller geleistete Zahlung hinausgeht).

142    Ihre Feststellung, dass die Vereinbarung mit Biogaran als zusätzlicher Anreiz für Niche gedient habe, hat die Kommission in Rn. 1351 des angefochtenen Beschlusses unter Hinweis auf mehrere Indizien damit begründet, dass die Vereinbarung „nicht unter geschäftlichen Bedingungen eines vollständigen Wettbewerbs geschlossen worden [ist]“ und dass „es … sich nicht um einen normalen Geschäftsvorfall [handelt]“.

143    Der Begriff „normale Wettbewerbsbedingungen“, dem der Begriff „geschäftliche Bedingungen eines vollständigen Wettbewerbs“ ähnelt, wird im Kartellrecht zwar nicht verwendet, ist dem Wettbewerbsrecht aber nicht fremd. Anhand dieses Begriffs wird, wenn auch nur im Sonderbereich der staatlichen Beihilfen, bestimmt, ob sich ein Mitgliedstaat wie ein privater Investor verhalten hat (Urteil vom 2. September 2010, Kommission/Scott, C‑290/07 P, EU:C:2010:480, Rn. 68), d. h., ob der Vorteil, der einem Unternehmen gewährt wird, in Wirklichkeit die normale Vergütung einer vom Staat erhaltenen Gegenleistung darstellt. Bei der Prüfung der Frage, ob für zwei Unternehmen bei einer Transaktion lediglich der wirtschaftliche Wert des Gegenstands der Transaktion maßgeblich war, z. B. die Möglichkeit, damit Gewinn zu erzielen, sie die Transaktion also zu den normalen Bedingungen des Markts abgeschlossen haben, kann der Begriff „normale Wettbewerbsbedingungen“ daher entsprechend als Maßstab herangezogen werden.

144    Bringt die Kommission Indizien oder Beweise dafür bei, dass der akzessorische Vertrag nicht zu normalen Marktbedingungen geschlossen worden ist, steht es den Vertragsparteien frei, den Sachverhalt aus ihrer Sicht darzustellen. Sie müssen ihre Behauptung belegen, indem sie Beweise dafür vorlegen, dass der geschäftliche Vertrag, auch wenn er mit einem Vergleich verbunden ist, durch andere Gründe als den Ausschluss eines Wettbewerbers durch eine umgekehrte Zahlung gerechtfertigt ist. Die Vertragsparteien können so dartun, dass der akzessorische Vertrag zu Marktbedingungen geschlossen worden ist, indem sie geeignete Beweise vorbringen, z. B. Gepflogenheiten des betreffenden Geschäfts- oder Industriezweigs oder besondere Umstände des Einzelfalls.

145    Auf der Grundlage sämtlicher Informationen, über die sie verfügt, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Vertragsparteien keine oder keine plausiblen Gründe für den Vertragsschluss angegeben haben, kann die Kommission nach einer Gesamtwürdigung zu dem Schluss gelangen, dass der akzessorische Vertrag nicht zu normalen Marktbedingungen geschlossen worden ist, d. h., dass die Zahlung des Herstellers des Originalpräparats den Wert des Gegenstands der Transaktion übersteigt (bzw. der Wert des an den Generikahersteller übertragenen Gegenstands die Zahlung des Generikaherstellers übersteigt). Die Kommission kann dann feststellen, dass eine umgekehrte Zahlung vorliegt.

146    Sofern eine umgekehrte Zahlung nicht dazu dient, Kosten, die durch den Vergleich entstehen, auszugleichen, stellt sie einen Vorteil dar, mit dem der Empfänger zu einem bestimmten Verhalten bestimmt werden soll (siehe oben, Rn. 116). Das ist der Fall bei einer Zahlung aufgrund eines akzessorischen Vertrags, mit der nicht ein Rechtsstreit gütlich beigelegt, sondern eine Transaktion durchgeführt werden soll (siehe oben, Rn. 138).

147    Die Vertragsparteien können jedoch einwenden, dass der gewährte Vorteil unerheblich sei, weil er nicht hoch genug sei, um den Empfänger maßgeblich dazu zu bestimmen, die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln des Vergleichs zu akzeptieren.

148    Die in den vorstehenden Randnummern dargestellten Grundsätze sind nun auf die besonderen Umstände des vorliegenden Rechtsstreits anzuwenden.

149    Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass Biogaran 2,5 Mio. GBP an Niche gezahlt hat. Die Zahlung erfolgte auf der Grundlage der Vereinbarung Biogaran/Niche, nach der Niche verpflichtet war, an Biogaran Zulassungsdossiers und eine Genehmigung für das Inverkehrbringen für Produkte, die nichts mit Perindopril zu tun haben, zu übertragen.

150    Auch wenn die Vereinbarung Biogaran/Niche und der Vergleich Servier/Niche getrennte Rechtsgeschäfte darstellen, die verschiedenen Rechten unterliegen und für die verschiedene Gerichte zuständig sind, sprechen mehrere Punkte dafür, dass zwischen den beiden Vereinbarungen ein Zusammenhang besteht.

151    Zutreffend weist die Kommission in Rn. 1351 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass die Chronologie der Vereinbarungen für das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen den Vereinbarungen spricht. Die Vereinbarungen sind am selben Tag geschlossen worden. Außerdem sind in den Vereinbarungen dieselben Zahlungsfristen (14. Februar 2005, 5. Oktober 2005) festgelegt worden. Lediglich die Zahlungen für die in der Vereinbarung Biogaran/Niche vorgesehene Lieferung von Arzneimitteln sollten später erfolgen.

152    Die Kommission hat weiter zutreffend festgestellt, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche und der Vergleich Servier/Niche gleichzeitig ausgehandelt worden sind. Sie hat sich dabei insbesondere auf die Aussage von Niche vom 15. Juni 2011 gestützt. Zwar hat Niche diese Aussage später am Ende des Verwaltungsverfahrens relativiert. Sie hat mehrere Dokumente vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass die Gespräche über die Lizenz etwa zwei Jahre vor dem Beginn der Gespräche über den Vergleich begonnen worden seien. Diese Einlassung von Niche, die zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, als Niche die gegen sie erhobenen Vorwürfe bereits kannte, hat aber nicht denselben Beweiswert wie die zuvor gemachte Aussage.

153    Die Kommission räumt ein, dass Biogaran und Niche hinsichtlich des Produkts A in Kontakt standen, bevor der Rechtsstreit zwischen Servier und Niche begann. Die Akten enthalten aber keinen Beleg für die Behauptung der Klägerin, dass die Verhandlungen zwischen Niche und Biogaran durch diesen Rechtsstreit blockiert worden wären. Aus einer E‑Mail vom 4. Februar 2005 geht hervor, dass die Verhandlungen zum Abschluss der Vereinbarung Biogaran/Niche zu diesem Zeitpunkt bereits weit gediehen waren. Der Rechtsstreit zwischen Niche und Servier war zu diesem Zeitpunkt noch anhängig. Er wurde erst am 8. Februar 2005 beigelegt. Der Gleichlauf der Verhandlungen stellt ein starkes Indiz für einen Zusammenhang zwischen den beiden Vereinbarungen dar.

154    Die Vereinbarungen wurden zwar nicht von denselben Personen und an verschiedenen Orten (Vereinbarung Biogaran/Niche: Paris, Vergleich Servier/Niche: London) unterzeichnet. Sie wurden aber teilweise von denselben Personen ausgehandelt. So hat Herr M., ein Mitglied der Geschäftsführung von Niche, sowohl an den Verhandlungen über die Vereinbarung Biogaran/Niche als auch den Verhandlungen über den Vergleich Servier/Niche teilgenommen. Und aus der E‑Mail des Rechtsanwalts von Biogaran vom 4. Februar 2005 an ein Mitglied der Geschäftsführung von Niche geht hervor, dass die Person, die für Biogaran die Vereinbarung mit Niche ausgehandelt hat, auch das Mahnschreiben unterzeichnet hat, das Servier am 7. Februar 2005, einen Tag vor dem Abschluss des Vergleichs Servier/Matrix, an Matrix gesandt hat. Die Kommission weist zu Recht darauf hin, dass diese Person in Anbetracht des Zusammenhangs zwischen der Vereinbarung mit Niche und der Vereinbarung mit Matrix von dem Vergleich Servier/Niche gewusst haben dürfte. Bei der E‑Mail war die Leiterin der Rechtabteilung des Servier-Konzerns in Kopie gesetzt, obwohl die E‑Mail eine Vereinbarung mit Biogaran betraf.

155    Schließlich führt die Kommission auch zutreffend aus, dass die Tatsache, dass die Zahlungen von Biogaran für die Lieferung von Arzneimitteln später als die für die Übertragung der Zulassungsdossiers, dem Hauptgrund für die Vereinbarung mit Biogaran, erfolgen sollten, das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen den Vereinbarungen bestätigt. Wesentlicher Bestandteil des Lizenzvertrags war die Übertragung der Zulassungsdossiers, nicht die Lieferung von Produkten durch Niche. Dass die 2,5 Mio. GBP als Gegenleistung für die Zulassungsdossiers und die im Vergleich vorgesehenen 11,8 Mio. GBP gleichzeitig gezahlt wurden, bestätigt das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen den beiden Vereinbarungen.

156    Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen (Rn. 150 bis 155) ergibt, stellt die Vereinbarung Biogaran/Niche einen akzessorischen Vertrag dar, der mit dem Vergleich Servier/Niche verknüpft ist. Dass die Vereinbarung Biogaran/Niche, mit der ein Geldtransfer zugunsten von Niche erfolgte, mit dem Vergleich Servier/Niche verknüpft ist, obwohl der akzessorische Vertrag wie ein gewöhnlicher geschäftlicher Vertrag daherkommt, der nicht zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits dient, ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass der Geldtransfer nicht lediglich die Gegenleistung für das im Rahmen des akzessorischen Vertrags ausgetauschte Gut, sondern eine umgekehrte Zahlung (in dem Sinn, wie dieser Begriff im Bereich akzessorischer Vereinbarungen verstanden wird) darstellt.

157    Die Kommission hat überdies mehrere übereinstimmende Indizien festgestellt, die bestätigen, dass eine umgekehrte Zahlung vorliegt.

158    Zunächst hat die Kommission ihre Feststellung, dass die Gegenleistungen, die Biogaran erhalten habe, keine 2,5 Mio. GBP wert seien, zutreffend damit begründet, dass der Betrag weit über dem liege, den Biogaran einem anderen Generikahersteller, der Gesellschaft A., für mehrere Zulassungsdossiers zu dem Produkt A in Form von Tabletten verschiedener Dosen gezahlt habe. Biogaran hat der Gesellschaft A. im Rahmen beider Vereinbarungen über das Produkt A nämlich 330 000 Euro gezahlt. Dieser Betrag liegt weit unter dem von 2,5 Mio. GBP, auch wenn Letzterer auch die Produkte B und C einschließt.

159    Dass die Vereinbarung Biogaran/Niche im Gegensatz zu der mit der Gesellschaft A. geschlossenen keine Klausel über die Rückzahlung der an Niche gezahlten Gelder bei Nichterlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen enthält, ist ein Indiz dafür, dass die Vereinbarung nicht dazu diente, Biogaran dazu zu bestimmen, diese Genehmigungen zu beantragen, und kein gewöhnlicher geschäftlicher Vertrag war, wie die Kommission weiter zutreffend festgestellt hat.

160    Nicht zu beanstanden ist auch die Feststellung der Kommission, dass Niche im Verwaltungsverfahren mehrmals angegeben hat, dass ihr die Vereinbarung Biogaran/Niche von Servier angeboten worden sei, um ihr die volle Gegenleistung für den Abschluss des Vergleichs Servier/Niche zu gewähren. Ferner geht aus dem der Klagebeantwortung als Anlage beigefügten Entwurf eines Vergleichs zwischen Servier und Niche mit einer Liste der zu zahlenden Beträge hervor, dass an Niche im Zusammenhang mit Ramipril, einem der Produkte, die Gegenstand der Vereinbarung Biogaran/Niche waren, 2,5 Mio. GBP gezahlt werden sollten. Wie die Kommission zu Recht geltend macht, geht außerdem aus der E‑Mail vom 4. Februar 2005 (siehe oben, Rn. 154) hervor, dass sich die Vertragsparteien der Vereinbarung Biogaran/Niche über die Zahlung von 2,5 Mio. GBP verständigt hatten, noch bevor die Vertragsparteien die Gegenleistung von Biogaran ausgehandelt und festgeschrieben hatten. Niche hat im Verwaltungsverfahren selbst angegeben, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche kein gewöhnliches Geschäft gewesen sei und dass die Höhe der Zahlung Bestandteil des Vergleichs Servier/Niche gewesen sei, auch wenn sie dies dann später nicht mehr gelten lassen wollte (angefochtener Beschluss, Rn. 562).

161    Die Klägerin hat aber nicht dargetan, dass der Erwerb der Zulassungsdossiers von Niche für 2,5 Mio. GBP bei verständiger Würdigung als rentable Investition angesehen werden könnte (vgl. unter Fortführung der Analogie mit dem Begriff des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers [siehe oben, Rn. 143] Rn. 84 des Urteils vom 12. Dezember 2000, Alitalia/Kommission, T‑296/97, EU:T:2000:289, in der es heißt, dass das Verhalten eines marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers von Rentabilitätsaussichten geleitet wird) oder zumindest geeignet wäre, dem Erwerber der Zulassungsdossiers Einkünfte zu verschaffen, mit denen die hohen Erwerbskosten ausgeglichen werden.

162    Aus den Akten ist nicht ersichtlich, wie der Erwerber der Zulassungsdossiers von Niche damit hätte Gewinne erzielen können, mit denen die hohen Erwerbskosten hätten ausgeglichen werden können. Nach Abschluss der Vereinbarung hat Biogaran lediglich einen Gesamtumsatz zwischen 100 000 und 200 000 Euro erzielt.

163    Aus den Akten ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin vor dem Abschluss der Vereinbarung Biogaran/Niche von Niche verlangt hätte, ihr alle erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen, um sicherzugehen, dass der für die betreffenden Zulassungsdossiers verlangte Preis im Hinblick auf die voraussichtliche Rentabilität nicht zu hoch angesetzt ist.

164    Somit ist unter Berücksichtigung sämtlicher Gesichtspunkte, die vor dem Gericht erörtert worden sind, festzustellen, dass die Kommission das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung, die der gütlichen Beilegung des betreffenden Rechtsstreits nicht inhärent war (siehe oben, Rn. 146), rechtlich hinreichend nachgewiesen hat. Ihre Schlussfolgerung, die Zahlung von 2,5 Mio. GBP an Niche im Rahmen der Vereinbarung Biogaran/Niche stelle einen zusätzlichen Anreiz und nicht eine Transaktion zu normalen Marktbedingungen dar, ist daher nicht zu beanstanden.

165    Schließlich ist festzustellen, dass nach den vorstehenden Ausführungen nicht erwiesen ist, dass der Vorteil, weil nicht hoch genug, um den Betreffenden dazu zu bestimmen, die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln des Vergleichs hinzunehmen (siehe oben, Rn. 147), nicht erheblich wäre.

166    Aus dem übrigen Vorbringen der Klägerin ergibt sich nichts Abweichendes.

167    Erstens hat Biogaran in ihrer Stellungnahme zur Darstellung des Sachverhalts behauptet, dass „das Fehlen einer Rückzahlung der [von ihr gezahlten] Beträge im Fall der Nichterlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen … von Niche beabsichtigt [war] und … [Biogaran] dazu veranlassen [sollte], dafür zu sorgen, dass die Genehmigungen erteilt werden, um einen Umsatz zu erzielen, der Niche zugutekommt“.

168    Diesem Argument, das Biogaran in ihrer Klageschrift aufgreift, kann nicht gefolgt werden. Nach der Struktur der Vereinbarung ist nicht garantiert, dass Biogaran die Genehmigungen für das Inverkehrbringen beantragt und bei Niche Produkte bezieht, da das Geld zu zahlen ist, noch bevor feststeht, ob Biogaran die Genehmigungen erlangen wird. Die Kommission macht zu Recht geltend, dass Biogaran nach der Vereinbarung nicht verpflichtet war, auf der Grundlage der übertragenen Zulassungsdossiers Genehmigungen für das Inverkehrbringen zu beantragen (Vereinbarung Biogaran/Niche, Art. 2.2 und 3). Und selbst wenn Biogaran die Genehmigungen innerhalb von 18 Monaten nach dem Inkrafttreten der Vereinbarung nicht erhalten würde, würde die Vereinbarung automatisch enden, ohne dass eine Vertragspartei Anspruch auf eine Entschädigung hätte. Auch war Biogaran nicht zur Exklusivität verpflichtet. Biogaran konnte die Genehmigungen für das Inverkehrbringen auf der Grundlage anderer Zulassungsdossiers als der von Niche übertragenen beantragen.

169    Biogaran hat in ihrer Stellungnahme zur Darstellung des Sachverhalts andere von ihr geschlossene Vereinbarungen angeführt, die keine Rückzahlungsklausel enthielten. In diesen Vereinbarungen war aber eine Zahlung in mehreren Raten vorgesehen, und die Zahlungen fielen weit niedriger aus als die Einmalzahlung von 2,5 Mio. GBP, um die es hier geht.

170    Zweitens macht die Klägerin geltend, mit der Vereinbarung Biogaran/Niche habe für das Produkt A eine zweite Bezugsquelle sichergestellt werden sollen.

171    Dem kann nicht gefolgt werden.

172    Die Klägerin hatte nämlich bereits im Dezember 2004, also vor der Vereinbarung Biogaran/Niche, mit der Gesellschaft A. eine Vereinbarung über die Lieferung des Produkts A geschlossen. Ferner stellte Biogaran nach einem im März 2005 über das Zulassungsdossier von Niche zu dem Produkt A in Form von Tabletten zu 10 mg, deren Darreichungsform und Dosis von der Vereinbarung mit der Gesellschaft A. nicht erfasst waren, durchgeführten Audit fest, dass das Zulassungsdossier in analytischer Hinsicht sehr schwach sei. Die Kommission macht zu Recht geltend, dass es vor diesem Hintergrund überrascht, dass Biogaran bereit gewesen wäre, für dieses Zulassungsdossier eine viel höhere Summe zu zahlen als für das der Gesellschaft A. Biogaran behauptet, sie habe mit dem Produkt A seit 2007 einen Umsatz von 79 Mio. Euro erzielt. Aus Rn. 569 des angefochtenen Beschlusses, die von Biogaran nicht angegriffen wird, geht hervor, dass Biogaran mit der Vereinbarung Biogaran/Niche insgesamt einen Umsatz von weniger als 200 000 Euro erzielt hat.

173    Was drittens das Zulassungsdossier zum Produkt B angeht, bestreitet Biogaran nicht, dass sie und Bioglan (jetzt Niche) 2001 einen geschäftlichen Vertrag über das Molekül des Produkts B 5 und 10 mg geschlossen haben, der im Gegensatz zur Vereinbarung Biogaran/Niche eine Zahlung vorsah, die im Falle der Nichterlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen zurückzuzahlen war. Dass die Vereinbarung Biogaran/Niche im Gegensatz zu der vorher zwischen Bioglan und Biogaran geschlossenen Vereinbarung keine solche Rückzahlungsgarantie vorsah, bestätigt, dass die Übertragung des Zulassungsdossiers zum Produkt B keine Transaktion zu normalen Marktbedingungen darstellt.

174    Was viertens das Zulassungsdossier zum Produkt C angeht, räumt Biogaran ein, dass von dem Zulassungsdossier von Niche kein Gebrauch gemacht worden ist und dass Biogaran ihre Geschäftsbeziehung mit Disphar fortgesetzt hat. Außerdem wurde dieses Zulassungsdossier erst im Januar 2007 übertragen, als die Vereinbarung Biogaran/Niche wegen Nichterlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen bereits geendet und Niche die gesamte, nicht erstattungsfähige Zahlung bereits erhalten hatte. Die Kommission macht zu Recht geltend, dass nicht glaubwürdig ist, dass Biogaran einen derart hohen Betrag gezahlt hat, obwohl sie bereits seit mehreren Jahren einen Liefervertrag mit Disphar hatte, und dass allein die Unsicherheit der Verlängerung der Vereinbarung mit Disphar eine solche Transaktion nicht gerechtfertigt hat.

175    Selbst wenn Biogaran mit dem Erwerb der Zulassungsdossiers von Niche auch zulässige Ziele verfolgt hätte, stünde dies allein einer Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung nicht entgegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. November 1983, IAZ International Belgium u. a./Kommission, 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, EU:C:1983:310, Rn. 25, vom 6. April 2006, General Motors/Kommission, C‑551/03 P, EU:C:2006:229, Rn. 64, und vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 21).

176    Die Klägerin macht schließlich geltend, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass Biogaran wettbewerbswidrige Absichten gehabt hätte.

177    Nach der von Biogaran nicht angegriffenen Rn. 577 des angefochtenen Beschlusses wurden die in den Vergleichen Servier/Niche und Servier/Matrix vorgesehenen Zahlungen ausgehandelt und zu gleichen Teilen unter Niche und Matrix aufgeteilt, obwohl Matrix mehr haben wollte als Niche. Die Kommission macht zu Recht geltend, dass es mit der Vereinbarung Biogaran/Niche möglich war, den von Servier an Niche gezahlten Betrag unter dem Deckmantel einer gewöhnlich erscheinenden Transaktion zu erhöhen und gleichzeitig Matrix außen vor zu lassen. Niche hat im Übrigen bestätigt, dass die 2,5 Mio. GBP Bestandteil der zwischen Niche und Servier ausgehandelten „total overall compensation“ waren (angefochtener Beschluss, Rn. 560). Die Kommission hat keine weiteren Nachweise zu den Gründen beigebracht, die Servier dazu bewogen haben, auf Biogaran zurückzugreifen, um Niche zum Abschluss des Vergleichs Servier/Niche zu bewegen. Die Beweise, die sie zusammengetragen hat, stellen aber ein Bündel beweiskräftiger Indizien für das Vorliegen einer untrennbaren Verknüpfung zwischen der Zahlung von 2,5 Mio. GBP und der Hauptzahlung von Servier an Niche im Rahmen des Vergleichs Servier/Niche dar.

178    Jedenfalls ist die Absicht der Beteiligten kein notwendiges Element, um festzustellen, ob eine bestimmte Form der Koordinierung zwischen Unternehmen wettbewerbsbeschränkenden Charakter hat (Urteil vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 118).

179    Die Feststellung der Kommission, dass die Zahlung von 2,5 Mio. GBP an Niche im Rahmen der Vereinbarung Biogaran/Niche einen zusätzlichen Anreiz darstellte, ist mithin nicht zu beanstanden.

180    Der zusätzliche Anreiz ist auch hinreichend entscheidend, weil Niche durch ihn dazu bestimmt worden ist, nicht in den Perindopril-Markt einzutreten. Die Kommission hat in Rn. 577 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, ohne dass dies ernsthaft bestritten wird, dass die Beträge, die Gegenstand der von Servier mit Niche bzw. Matrix geschlossenen Vergleiche waren, ursprünglich gleich aufgeteilt gewesen seien, durch die Zahlung von Biogaran aber letztlich die Zahlung von Servier an Niche habe erhöht werden können, ohne dass Matrix davon gewusst habe. Außerdem hat Niche selbst bestätigt, dass die zusätzliche Zahlung Bestandteil der „total overall compensation“ gewesen sei, die sie mit Servier ausgehandelt habe. Deshalb ist davon auszugehen, dass Niche den Vergleich Servier/Niche ohne die Vereinbarung Biogaran/Niche wohl nicht geschlossen hätte. Die Wettbewerbsbeschränkung erfolgte somit durch das Zusammenwirken von Servier und ihrer Tochtergesellschaft.

181    Allein aufgrund dieser Feststellung lässt sich eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung feststellen, an der sich Biogaran unmittelbar beteiligt hat. Selbst wenn erwiesen wäre, dass Biogaran zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung kein Wettbewerber von Niche war, wäre dies insoweit ohne Belang. Wie der Gerichtshof entschieden hat, kann sich eine Gesellschaft an einem Kartell beteiligen, ohne auf dem von der Wettbewerbsbeschränkung betroffenen Markt tätig zu sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 34).

182    Die Klägerin kann deshalb mit ihrem Vorbringen, die Vereinbarung Biogaran/Niche enthalte keine wettbewerbswidrige Bestimmung, nicht durchdringen. Dies ändert nämlich nichts an der wahren beschränkenden Natur der Vereinbarung, bei der es sich letztlich um eine Ergänzung des Vergleichs handelt, der wettbewerbswidrige Bestimmungen enthält.

183    Die Vereinbarung Biogaran/Niche stellt auch nicht deshalb keinen Transfer eines zusätzlichen Werts dar, mit dem Niche dazu bestimmt werden sollte, den Vergleich zu schließen, weil die Kommission die Zahlung der 2,5 Mio. GBP bei der Festsetzung der gegen Niche verhängten Geldbuße nicht berücksichtigt hat. Auf eine Frage des Gerichts hat die Kommission mitgeteilt, dass es nicht erforderlich gewesen sei, diesen Betrag zu berücksichtigen, um die abschreckende Wirkung der gegen Niche verhängten Geldbuße zu gewährleisten, insbesondere wegen der geringen Größe und der Situation von Niche. Selbst unterstellt, die Nichtberücksichtigung dieses Betrags bei der Festsetzung der gegen Niche verhängten Geldbuße wäre darauf zurückzuführen, dass die Kommission ihn vergessen hat, änderte dies nichts daran, dass die durch den Vergleich Servier/Niche hervorgerufene Wettbewerbsbeschränkung durch die Vereinbarung Biogaran/Niche verstärkt worden ist, wie die Kommission im angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt hat.

184    Somit ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

B.      Zu dem Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, der angefochtene Beschluss sei insoweit rechtsfehlerhaft, als nicht dargetan worden sei, dass sich Biogaran an einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln beteiligt hätte

1.      Vorbringen der Parteien

a)      Zur Rechtswidrigkeit der Vereinbarung Biogaran/Niche

185    Die Klägerin macht geltend, die Vereinbarung Biogaran/Niche sei als solche nicht rechtswidrig. Das habe die Kommission selbst eingeräumt. Die Bestimmungen dieser Vereinbarung seien im angefochtenen Beschluss in keiner Weise beanstandet worden. Der Vereinbarung Biogaran/Niche seien im angefochtenen Beschluss lediglich sechs Seiten gewidmet. Biogaran sei also für eine Vereinbarung mit einer Geldbuße belegt worden, die keine Wettbewerbsbeschränkung enthalte. Allein der Abschluss der Vereinbarung durch Biogaran könne nicht auf der Grundlage von Art. 101 AEUV geahndet werden. Die Verantwortlichkeit von Biogaran hänge allein mit der angeblichen Rechtswidrigkeit des Vergleichs Servier/Niche zusammen, der nicht von Biogaran geschlossen worden sei. Dabei habe die Kommission anerkannt, dass „der Vergleich und die [Vereinbarung Biogaran/Niche] … gesonderte Rechtsgeschäfte [sind]“ (angefochtener Beschluss, Rn. 1351).

186    Unter Berufung auf die Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache AC‑Treuhand/Kommission (C‑194/14 P, EU:C:2015:350) macht die Klägerin geltend, die Beteiligung an einem eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckenden oder bewirkenden Kartell setze voraus, dass das betreffende Unternehmen auf die anderen Kartellteilnehmer Wettbewerbsdruck ausüben könne, was hier nicht der Fall sei, da Biogaran zum Zeitpunkt der zur Last gelegten Handlungen kein Wettbewerber von Niche gewesen sei.

187    Die Kommission hält dem entgegen, die Vereinbarung Biogaran/Niche könne nicht unabhängig von dem Vergleich Servier/Niche gesehen werden, mit dem sie untrennbar verbunden sei. Sie habe im angefochtenen Beschluss in den Rn. 1351 und 3011 dargetan, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche als Vehikel zur Übertragung von weiteren 2,5 Mio. GBP an Niche als Gegenleistung für die Verpflichtungen, die Niche im Vergleich Servier/Niche eingegangen sei, gedient habe.

188    Die in der Vereinbarung Biogaran/Niche enthaltene Zahlung stelle eine unmittelbare Beteiligung von Biogaran an dem Kartell dar, auch wenn die Bestimmungen der Vereinbarung nicht beanstandet würden. Der Betrag habe für Niche einen zusätzlichen Anreiz dargestellt, den Vergleich Servier/Niche zu schließen. Dass der Betrag im Rahmen einer Lizenzvereinbarung geflossen sei, ändere nichts daran, dass er eine Ergänzung der im Rahmen des Vergleichs gezahlten 11,8 Mio. GBP darstelle. Auch dass sich die Vereinbarung Biogaran/Niche auf andere Moleküle beziehe als der Vergleich Servier/Niche und dass er geschäftlich in gewisser Weise von Nutzen habe sein können, was nicht erwiesen sei, ändere nichts daran, dass es sich um einen unmittelbaren Anreiz gehandelt habe.

b)      Zur Zurechnung der Handlungen der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft

189    Die Klägerin macht geltend, mit dem angefochtenen Beschluss werde sie für eine Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht, die mit dem Abschluss einer Vereinbarung durch ihre Muttergesellschaft zusammenhänge. Sie sei nicht Vertragspartei dieser Vereinbarung und habe auch deren Inhalt nicht gekannt. Dieses Vorgehen verstoße gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit, der nach der Rechtsprechung eng auszulegen sei. Da sie eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, könne sie für die Zuwiderhandlung, die Servier begangen haben soll, allenfalls dann verantwortlich gemacht werden, wenn nachgewiesen werde, dass sie Mitbegründer oder Nutznießer des Kartells gewesen sei.

190    Sie habe in ihren Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte darauf hingewiesen, dass sie auf dem Markt autonom agiert habe, mit einer anderen Geschäftsleitung, anderen Geschäftsräumen, einem anderen Markt und anderen Aktiva als Servier. Servier stelle Originalpräparate her, sie Generika. Da sie weder Muttergesellschaft noch Aktionär von Niche oder Servier sei, sei sie nicht befugt und nicht in der Lage gewesen, die Geschäftspolitik oder ‑strategie der Vertragsparteien des Vergleichs Servier/Niche, der gegen Art. 101 AEUV verstoßen soll, zu kontrollieren.

191    Die Kommission habe unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit eine Vermutung der Verantwortlichkeit der Tochtergesellschaft für die Handlungen der Muttergesellschaft eingeführt und damit gegen den Grundsatz der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit verstoßen, der in Art. 6 Abs. 2 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und Art. 48 der Charta der Grundrechte garantiert sei.

192    Die Kommission erwidert, es sei nicht ihre Absicht gewesen, mit dem angefochtenen Beschluss der Tochtergesellschaft Handlungen der Muttergesellschaft zuzurechnen. Biogaran werde für ihre unmittelbare Beteiligung an der von Servier begangenen Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht. Das Zusammenspiel von Servier (Unterzeichnung des Vergleichs Servier/Niche) und ihrer Tochtergesellschaft (Unterzeichnung der Vereinbarung Biogaran/Niche) habe es ermöglicht, den Eintritt von Generika von Niche in den Markt zu blockieren, zugunsten des Servier-Konzerns als Ganzem.

193    Sie habe nicht behauptet, dass Biogaran wegen fehlender Kontrolle oder Überwachung verantwortlich sei. Biogaran sei für ihre unmittelbare Beteiligung an der Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht worden. Die Zugehörigkeit zum Servier-Konzern sei bei der gesamtschuldnerischen Verantwortlichkeit der Muttergesellschaft berücksichtigt worden.

194    Das Verhalten einer Tochtergesellschaft könne der Muttergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft, auch wenn sie eigene Rechtspersönlichkeit besitze, ihr Verhalten auf dem Markt nicht autonom bestimme, sondern im Wesentlichen den Weisungen der Muttergesellschaft folge. Halte die Muttergesellschaft 100 % des Kapitals der Tochtergesellschaft, die eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln begangen habe, bestehe die widerlegliche Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten der Tochtergesellschaft ausübe. Mutter- und Tochtergesellschaft hafteten dann gesamtschuldnerisch für die Zahlung der wegen der Zuwiderhandlung verhängten Geldbuße.

195    Der Vergleich Servier/Niche und die Vereinbarung Biogaran/Niche seien zwar getrennte Rechtsgeschäfte, aber insoweit untrennbar miteinander verbunden, als mit beiden jeweils bezweckt werde, Niche als Gegenleistung für die Verpflichtung, nicht in den Perindopril-Markt einzutreten, am selben Tag eine erhebliche Zahlung zukommen zu lassen (angefochtener Beschluss, Rn. 1351 und 3011). Servier und Biogaran hätten dasselbe Ziel verfolgt, ihr Handeln abgestimmt und seien wie eine wirtschaftliche Einheit aufgetreten, nicht nur auf dem Markt, sondern auch bei der Zuwiderhandlung.

196    Der Kontext der Vereinbarung Biogaran/Niche zeige, dass Biogaran habe wissen müssen, dass die Zahlung im Rahmen des Vergleichs Servier/Niche erfolgt sei, dessen Ziel die Ausschaltung von Niche auf dem Perindopril-Markt gewesen sei. Die Vereinbarung Biogaran/Niche sei Bestandteil eines gemeinsamen Plans der wirtschaftlichen Einheit. Dass das Vermarktungsverbot und die Nichtangriffsklausel nicht auch in die Vereinbarung Biogaran/Niche aufgenommen worden seien, ändere nichts an der wahren Natur der Vereinbarung, die einen zusätzlichen Anreiz dargestellt habe, um Niche vom Perindopril-Markt auszuschließen.

c)      Zur Kenntnis von Biogaran von den rechtswidrigen Handlungen von Servier

197    Die Klägerin macht geltend, zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung habe sie den Inhalt des Vergleichs Servier/Niche nicht gekannt und habe deshalb die Wettbewerbswidrigkeit der Transaktion nicht erkennen können.

198    Unter Berufung auf die Rechtsprechung macht die Klägerin geltend, dass „die Haftung eines Unternehmens für eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung … die (erwiesene oder vermutete) Kenntnis von den rechtswidrigen Handlungen der übrigen Beteiligten der Zuwiderhandlung voraus[setzt]“. Indem sie im angefochtenen Beschluss behauptet habe, dass es „nicht erforderlich [ist], nachzuweisen, dass Biogaran gewusst hat, dass der Vergleich wettbewerbswidrig ist“, habe sich die Kommission über die Anforderungen, die von der Rechtsprechung an den Nachweis der Zuwiderhandlung gestellt würden, hinweggesetzt.

199    Nach der Rechtsprechung genüge für eine Zurechnung der Zuwiderhandlung an Biogaran nicht, dass zwischen der Zuwiderhandlung und der Vereinbarung Biogaran/Niche ein objektiver Zusammenhang bestehe. Die Kommission müsse nachweisen, dass das Unternehmen von der Zuwiderhandlung gewusst habe oder bei verständiger Würdigung hätte wissen müssen. Die Kommission habe die Tatsachen verfälscht und die angeführte Rechtsprechung missachtet, indem sie angenommen habe, dass „Biogaran … erkennen [konnte], dass die [Vereinbarung Biogaran/Niche] mit dem Vergleich in Zusammenhang stand“.

200    Selbst unterstellt, die Kommission könne nachweisen, dass die Vereinbarungen miteinander verknüpft gewesen seien und dass Biogaran dies hätte wissen müssen, so heiße dies noch lange nicht, dass sie, die Klägerin, den Inhalt des Vergleichs gekannt hätte oder hätte kennen müssen. Im angefochtenen Beschluss sei nicht dargetan, dass Biogaran das angeblich wettbewerbswidrige Ziel des Vergleichs und die wesentlichen Merkmale des Vergleichs gekannt hätte. Es könne auch nicht vermutet werden, dass sie sie gekannt habe.

201    Sie habe nicht wissen können, dass der Vergleich, wie behauptet, rechtswidrig sei. Zum Zeitpunkt der zur Last gelegten Zuwiderhandlung (2005) habe es noch keinen Fall gegeben, in dem ein solcher Vergleich rechtswidrig gewesen wäre. Damals habe niemand das von der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgestellte Prüfungsschema vorhersehen können. Die Klägerin beruft sich insoweit auf ein Gutachten von Sir Jacobs.

202    Die Klägerin macht schließlich geltend, das Vorbringen der Kommission sei teilweise unzulässig, nämlich soweit sie im Stadium der Klagebeantwortung geltend gemacht habe, dass Biogaran die „materiellen Handlungen“ von Servier hätte kennen müssen.

203    Die Kommission erwidert, Biogaran hätte die von den anderen Kartellteilnehmern beabsichtigten materiellen Handlungen bei verständiger Würdigung vorhersehen können. Biogaran sei bereit gewesen, das entsprechende Risiko einzugehen. Bei der Beurteilung des Bewusstseins oder des Wissens eines Kartellteilnehmers, sich an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV zu beteiligen, seien andere Maßstäbe anzulegen, wenn es sich bei dem Partner, der bei der Verdrängung vom Markt mitwirke, um die Muttergesellschaft handele. In einem solchen Fall könne die Tochtergesellschaft nicht in einem anderen Rahmen handeln als dem, der durch die Muttergesellschaft vorgegeben werde, hier die Einsetzung einer Anti-Generika-Strategie in großem Maßstab. In diesem Kontext hätte Biogaran wissen müssen, dass eine Zahlung an einen kurz vor dem Markteintritt stehenden Generikahersteller keinen anderen Zweck haben könne als dessen Verdrängung vom Markt. Für die Zahlung habe es daher keine andere plausible Erklärung gegeben als die Absicht, für Niche einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen, den Vergleich Servier/Niche zu schließen.

204    Es sei umso mehr davon auszugehen, dass Biogaran gewusst habe, dass die Operation rechtswidrig gewesen sei, als die Juristen von Servier bei der Vorbereitung der Vereinbarung Biogaran/Niche mitgewirkt hätten oder unterrichtet worden seien. Die von der Sandoz AG 2008 gegen Biogaran erhobenen Vorwürfe der Verunglimpfung zeigten, dass Biogaran in die wettbewerbswidrige Strategie von Servier einbezogen gewesen sei. Dass Biogaran 2006 bei der Aushandlung eines Vergleichs zwischen Servier und Lupin, der wettbewerbswidrig gewesen sei, als Vermittler agiert habe, bestätige ihre Feststellung, dass Biogaran von den materiellen Handlungen von Servier gewusst habe.

205    Schließlich weist die Kommission auf die Gespräche hin, die Niche und Matrix über die ihnen von Servier als Gegenleistung für den Abschluss des Vergleichs gezahlten Beträge geführt hätten. Biogaran habe demnach das mit dem Vergleich Servier/Niche und der Vereinbarung Biogaran/Niche gleichzeitig verfolgte Ziel kennen müssen. Niche habe schließlich bestätigt, dass die Zahlung Bestandteil der zwischen Niche und Servier ausgehandelten „total overall compensation“ von 15,7 Mio. GBP gewesen sei.

2.      Würdigung durch das Gericht

206    Zunächst ist zu rekapitulieren, wie die Kommission die Feststellung, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche für Niche einen zusätzlichen Anreiz für die Unterzeichnung des Vergleichs Servier/Niche dargestellt habe, der als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung einzustufen sei (angefochtener Beschluss, Rn. 1369 und 3011), und dass Biogaran zusammen mit Servier gesamtschuldnerisch für die gesamte Dauer der Zuwiderhandlung hafte (angefochtener Beschluss, Rn. 3006, 3012 und 3145), im Wesentlichen begründet hat.

207    Die Kommission hat angenommen, dass der Betrag, den Biogaran als Gegenleistung für den Kauf der Zulassungsdossiers an Niche gezahlt habe, einen zusätzlichen Anreiz für Niche dargestellt habe, der dazu beigetragen habe, Niche vom Perindopril-Markt auszuschließen. Die Verpflichtung von Niche, nicht in den Perindopril-Markt einzutreten, sei ermöglicht worden durch einen Anreiz in Form einer Zahlung von Servier im Rahmen des Vergleichs Servier/Niche und einer zusätzlichen Zahlung unmittelbar durch Biogaran, einer Tochtergesellschaft von Servier, im Rahmen der Vereinbarung Biogaran/Niche.

208    Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen. Sie meint, die Kommission habe dadurch, dass sie sie für eine von ihrer Muttergesellschaft geschlossene Vereinbarung verantwortlich gemacht habe, gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit verstoßen. Die Vereinbarung Biogaran/Niche stelle keinen Verstoß gegen Art. 101 AEUV dar. Sie habe weder vom rechtswidrigen Handeln ihrer Muttergesellschaft gewusst noch von der Rechtswidrigkeit des Vergleichs Servier/Niche.

209    Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Kommission Biogaran entgegen deren Vorbringen mit dem angefochtenen Beschluss keine Handlungen zugerechnet hat, die der Muttergesellschaft von Biogaran zur Last gelegt werden. Sie hat festgestellt, dass Servier für Niche mit der Vereinbarung Biogaran/Niche einen zusätzlichen Anreiz geschaffen habe (angefochtener Beschluss, Rn. 1349). Weiter hat die Kommission festgestellt, dass es zwar nicht erforderlich sei, nachzuweisen, dass Biogaran gewusst habe, dass der Vergleich Servier/Niche wettbewerbswidrig sei, jedoch mehrere Umstände dafür sprächen, dass Biogaran hätte erkennen können, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche mit dem Vergleich Servier/Niche verknüpft gewesen sei, und dass sich Biogaran mit dieser Vereinbarung unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligt habe (angefochtener Beschluss, Rn. 3011). Wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung hervorgehoben hat, hatte sie in keiner Weise die Absicht, Biogaran die ihrer Muttergesellschaft zur Last gelegten Handlungen zuzurechnen.

210    Die Kommission hat festgestellt, dass Servier zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung 100 % der Anteile ihrer Tochtergesellschaft gehalten habe und daher mit dieser ein einheitliches Unternehmen gebildet habe (angefochtener Beschluss, Rn. 3007). Die Kommission hat Biogaran für gesamtschuldnerisch verantwortlich angesehen, weil die Vereinbarung Biogaran-Niche und der Vergleich Servier/Niche „von denselben Unternehmen geschlossen worden“ seien, nämlich dem Servier-Konzern einerseits und Niche und Unichem andererseits (angefochtener Beschluss, Rn. 1351 und Fn. 1898).

211    Hierzu ist festzustellen, dass die Unionsgerichte bislang nicht entschieden haben, unter welchen Voraussetzungen die Kommission eine Tochtergesellschaft gesamtschuldnerisch haften lassen kann, wenn sich diese – wie hier – unmittelbar an der Zuwiderhandlung der Muttergesellschaft beteiligt hat.

212    Nach ständiger Rechtsprechung bezeichnet der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Der Gerichtshof hat insoweit klargestellt, dass in diesem Zusammenhang unter dem Begriff des Unternehmens eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen ist, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird, und dass eine solche wirtschaftliche Einheit, wenn sie gegen die Wettbewerbsregeln verstößt, nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung einzustehen hat (vgl. Urteil vom 20. Januar 2011, General Química u. a./Kommission, C‑90/09 P, EU:C:2011:21, Rn. 34 bis 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

213    In dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen hat, besteht eine widerlegliche Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt (Urteil vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑97/08 P, EU:C:2009:536, Rn. 60). Daher genügt es, dass die Kommission nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital der Tochtergesellschaft hält, um anzunehmen, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf deren Geschäftspolitik ausübt (Urteil vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C‑201/09 P und C‑216/09 P, EU:C:2011:190, Rn. 98).

214    So liegt der Fall hier. Biogaran war zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung Biogaran/Niche eine 100%ige Tochtergesellschaft von Servier, und die dadurch begründete Vermutung wurde nicht widerlegt (vgl. in diesem Sinne, Urteil vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑97/08 P, EU:C:2009:536, Rn. 60 bis 65). Biogaran hat nämlich nicht dargetan, dass sie ihre Geschäftspolitik unabhängig von Servier bestimmt hätte. Die oben erörterten Beweise für eine untrennbare Verknüpfung zwischen den beiden Vereinbarungen bestätigen, dass Servier auf das Verhalten von Biogaran einen bestimmenden Einfluss hatte und diesen auch ausgeübt hat. Zur Verdeutlichung der Autonomie von Biogaran gegenüber Servier macht die Klägerin geltend, die Mitglieder der Geschäftsleitung von Biogaran hätten zu keinem Zeitpunkt eine Funktion bei Servier ausgeübt. Dadurch wird die Vermutung, dass Servier tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf Biogaran ausgeübt hat, aber nicht widerlegt (vgl. in diesem Sinne, Urteil vom 16. September 2013, Roca/Kommission, T‑412/10, EU:T:2013:444, Rn. 76). Mit dem Vorbringen, Biogaran agiere autonom auf dem Markt, mit von Servier getrennten Geschäftsräumen, Marken und Aktiva, zudem als Generikahersteller, wird allenfalls verdeutlicht, dass Biogaran eine von Servier verschiedene juristische Person ist. Dieses Vorbringen ist aber nicht geeignet, die Vermutung zu widerlegen, dass Servier auf Biogaran tatsächlich einen bestimmenden Einfluss ausgeübt hat.

215    Biogaran war also zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung Biogaran/Niche und des Vergleichs Servier/Niche Tochtergesellschaft von Servier und bildete mit der Muttergesellschaft ein und dasselbe Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts.

216    Dass die Kommission unter Rückgriff auf den Begriff des Unternehmens angenommen hat, dass Servier und Biogaran gemeinschaftlich für das ihnen zur Last gelegte Verhalten verantwortlich sind, so dass bei den jeweiligen Handlungen dieser Gesellschaften davon auszugehen ist, dass sie von ein und demselben Unternehmen begangen worden sind, ist somit nicht zu beanstanden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T‑9/99, EU:T:2002:70, Rn. 524 und 525, und vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u. a./Kommission, T‑112/05, EU:T:2007:381, Rn. 62; vgl. in diesem Sinne entsprechend auch Urteile vom 6. März 1974, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, 6/73 und 7/73, EU:C:1974:18, Rn. 41, und vom 16. November 2000, Metsä-Serla u. a./Kommission, C‑294/98 P, EU:C:2000:632, Rn. 26 bis 28).

217    Daran ändert auch nichts, dass sich die von der Kommission festgestellte Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV im vorliegenden Fall zu einem Teil aus dem Verhalten der Muttergesellschaft und zu einem anderen Teil aus dem Verhalten der Tochtergesellschaft ergibt, obwohl sich die Zuwiderhandlung in Fällen einer gemeinschaftlichen Haftung der Mutter- und der Tochtergesellschaft, mit denen sich die Unionsgerichte zu befassen haben, meistens aus dem Verhalten der Tochtergesellschaft allein ergibt.

218    Denn wenn es möglich ist, einer Muttergesellschaft eine von ihrer Tochtergesellschaft begangene Zuwiderhandlung zuzurechnen und somit die beiden Gesellschaften gemeinschaftlich für die Zuwiderhandlung verantwortlich zu machen, die von dem Unternehmen, das sie bilden, begangen worden ist, ohne gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit zu verstoßen, muss dies erst recht gelten, wenn sich die von der wirtschaftlichen Einheit, die eine Mutter- und ihre Tochtergesellschaft bilden, begangene Zuwiderhandlung aus dem Zusammenwirken des Verhaltens der beiden Gesellschaften ergibt.

219    Wie die Kommission zu Recht geltend macht, hätte der angefochtene Beschluss wegen der von Biogaran begangenen Zuwiderhandlung auch dann an Servier als Mitverantwortliche gerichtet werden können, wenn nicht erwiesen wäre, dass Servier an der Zuwiderhandlung beteiligt war. Erst recht konnte der angefochtene Beschluss an Mutter- und Tochtergesellschaft als gemeinschaftlich Verantwortliche gerichtet werden, da sich beide Gesellschaften unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligt haben.

220    Die Kommission hat also zu Recht angenommen, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche und der Vergleich Servier/Niche zwischen denselben Unternehmen geschlossen worden sind, nämlich dem Servier-Konzern auf der einen und Niche auf der anderen Seite, und dass die Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV dem Servier-Konzern zuzurechnen ist, was die gesamtschuldnerische Haftung von Servier als Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft Biogaran rechtfertigte, durch deren Zusammenwirken die Zuwiderhandlung begangen worden ist, zumal zwischen den Handlungen der beiden Gesellschaften, da die Vereinbarung Biogaran/Niche und der Vergleich Servier/Niche, wie die Kommission aufgezeigt hat, untrennbar miteinander verbunden sind, ein enger Zusammenhang besteht.

221    Mit ihrem Vorbringen, sie habe von dem rechtswidrigen Handeln ihrer Muttergesellschaft nichts gewusst und könne deshalb nicht gesamtschuldnerisch für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht werden, kann Biogaran nicht durchdringen.

222    Als Erstes ist festzustellen, dass dieses Vorbringen auf der unzutreffenden Annahme beruht, dass Biogaran eine von der Muttergesellschaft begangene Zuwiderhandlung zugerechnet worden wäre. Wie bereits ausgeführt, trifft dies sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht nicht zu.

223    Als Zweites ist festzustellen, dass der bestimmende Einfluss, den die Muttergesellschaft auf ihre 100%ige Tochtergesellschaft ausübt, wie bereits ausgeführt, die Vermutung begründet, dass die Handlungen der Tochtergesellschaft im Namen und für Rechnung der Muttergesellschaft und somit des von Mutter- und Tochtergesellschaft gebildeten Unternehmens vorgenommen werden. Wie bereits oben im Zusammenhang mit dem vorherigen Klagegrund ausgeführt, hat Biogaran mit dem Abschluss der Vereinbarung Biogaran/Niche kein echtes geschäftliches Interesse verfolgt, noch hat sie außerhalb der Kontrolle ihrer Muttergesellschaft eine autonome Strategie umgesetzt. Die Feststellung der Kommission, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche als zusätzlicher Anreiz für Niche, den Vergleich Servier/Niche zu schließen, Bestandteil der Zuwiderhandlung gewesen sei, an der sich Biogaran unmittelbar beteiligt habe, und dass es nicht erforderlich sei, nachzuweisen, dass Biogaran von dem rechtswidrigen Handeln oder dem Gesamtplan von Servier oder den Merkmalen der Zuwiderhandlung gewusst habe, ist daher nicht zu beanstanden.

224    Die Klägerin kann sich auch nicht auf das Urteil vom 2. Oktober 2003, Aristrain/Kommission (C‑196/99 P, EU:C:2003:529, Rn. 99), berufen. In dieser Rechtssache ging es nämlich nicht um das Verhältnis zwischen Mutter- und 100%iger Tochtergesellschaft, sondern darum, dass das Gesellschaftskapital von zwei eigenständigen Handelsgesellschaften derselben Person oder Familie gehört. Der Gerichtshof hat hierzu entschieden, dass dies allein nicht als Nachweis dafür ausreicht, dass diese beiden Gesellschaften eine wirtschaftliche Einheit bilden, die nach dem Wettbewerbsrecht der Union zur Folge hat, dass die jeweiligen Handlungen der beiden Gesellschaften der wirtschaftlichen Einheit zugerechnet werden können. Auch die Urteile vom 8. Juli 2008, AC‑Treuhand/Kommission (T‑99/04, EU:T:2008:256), vom 30. November 2011, Quinn Barlo u. a./Kommission (T‑208/06, EU:T:2011:701), und vom 10. Oktober 2014, Soliver/Kommission (T‑68/09, EU:T:2014:867), auf die sich die Klägerin beruft, sind hier nicht einschlägig. Sie betreffen nicht das Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft und den Begriff der wirtschaftlichen Einheit.

225    Als Drittes ist festzustellen, dass, wenn die Kommission, wie die Klägerin meint, nachweisen müsste, dass die Tochtergesellschaft vom rechtswidrigen Handeln der Muttergesellschaft wusste, um dem Konzern die Zuwiderhandlung zurechnen zu können, der Begriff der wirtschaftlichen Einheit ausgehöhlt würde. Es müsste dann bei allen Bestandteilen der Zuwiderhandlung, nämlich den jeweiligen Handlungen der Mutter- und der Tochtergesellschaft, nachgewiesen werden, dass die Tochtergesellschaft die von der Muttergesellschaft verfolgten Ziele kannte, obwohl der Begriff des Unternehmens im Sinne des Wettbewerbsrechts der Union durch die Vermutung, dass die Muttergesellschaft auf die 100%ige Tochtergesellschaft einen bestimmenden Einfluss ausübt, postuliert, dass die Tochtergesellschaft im Rahmen der von der Muttergesellschaft verfolgten Ziele agiert, nach Weisungen der Muttergesellschaft und unter ihrer Kontrolle. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Voraussetzung dafür, dass sämtlichen Gesellschaften, die ein Unternehmen bilden, verschiedene wettbewerbswidrige Verhaltensweisen zur Last gelegt werden können, die die Gesamtheit eines Kartells bilden, erfüllt ist, wenn jede dieser Gesellschaften – auch in untergeordneter Stellung, nebensächlich oder passiv – zur Durchführung des Kartells beigetragen hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Januar 2017, Duravit u. a./Kommission, C‑609/13 P, EU:C:2017:46, Rn. 117 bis 126, und vom 8. Juli 2008, AC‑Treuhand/Kommission, T‑99/04, EU:T:2008:256, Rn. 133).

226    Würde dem Vorbringen der Klägerin gefolgt, würde die Feststellung von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht bei Konzernen erschwert, obwohl mit der Vermutung, dass die Muttergesellschaft eine 100%ige Tochtergesellschaft kontrolliert, verhindert werden soll, dass rechtswidrige Handlungen nur den unmittelbar verantwortlichen Tochtergesellschaften zugerechnet und nicht auf der Ebene des Konzerns geahndet werden. Die Muttergesellschaft müsste nur die rechtswidrigen Handlungen zwischen ihr und der Tochtergesellschaft aufteilen und geltend machen, dass die Tochtergesellschaft vom rechtswidrigen Handeln der Muttergesellschaft nichts gewusst habe. Dann würde der Bestandteil der Zuwiderhandlung, der auf die unmittelbare Beteiligung der Tochtergesellschaft an der Zuwiderhandlung zurückzuführen ist, lediglich der Tochtergesellschaft zugerechnet. Die Bekämpfung wettbewerbswidriger Praktiken würde dadurch weniger effizient, was nicht durch die Beachtung des Grundsatzes der persönlichen Verantwortlichkeit für Zuwiderhandlungen gerechtfertigt werden kann.

227    Das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe ihr unter Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit zu Unrecht die rechtswidrigen Handlungen ihrer Muttergesellschaft zugerechnet, ist also sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht nicht stichhaltig. Die Kommission hat Biogaran nicht die der Muttergesellschaft zur Last gelegte Zuwiderhandlung zugerechnet. Die Zuwiderhandlung wurde dem Servier-Konzern zugerechnet. Und die Kommission hat zu Recht angenommen, dass es nicht erforderlich ist, nachzuweisen, dass Biogaran von dem rechtswidrigen Handeln ihrer Muttergesellschaft wusste.

228    Anders als die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, ist der angefochtene Beschluss nicht unzureichend begründet und die Begründung nicht widersprüchlich. Es geht klar aus dem angefochtenen Beschluss (insbesondere den Rn. 1349, 3007 und 3011) hervor, dass die Kommission angenommen hat, dass das Unternehmen im Sinne von Art. 101 AEUV, das Servier und die 100%ige Tochtergesellschaft Biogaran bilden, für die Zuwiderhandlung verantwortlich ist und dass es nicht erforderlich ist, nachzuweisen, dass Biogaran wusste, dass der Vergleich Servier/Niche rechtswidrig ist, um das „Unternehmen“ für die Zuwiderhandlung verantwortlich zu machen. Zwar hat die Kommission in ihren Schriftsätzen, worauf Biogaran in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, die Auffassung vertreten, dass vermutet werden könne, dass Biogaran das rechtswidrige Handeln von Servier bekannt gewesen sei, was zweifelhaft ist, da grundsätzlich nicht vermutet werden kann, dass der Tochtergesellschaft das Handeln ihrer Muttergesellschaft bekannt ist. In der Begründung des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission aber nichts Derartiges festgestellt. Sie hat lediglich angenommen, dass bei Biogaran, der 100%igen Tochtergesellschaft von Servier, vermutet werden könne, dass sie unter dem Einfluss und der Kontrolle von Servier gehandelt habe, und festgestellt, dass erwiesen sei, dass sich Biogaran unmittelbar an einer von der betreffenden wirtschaftlichen Einheit begangenen Zuwiderhandlung beteiligt habe.

229    Selbst wenn die Kommission verpflichtet gewesen wäre, nachzuweisen, dass Biogaran das rechtswidrige Handeln von Servier und die Rechtswidrigkeit des Vergleichs Servier/Niche bekannt waren, geht aus den Akten hervor, dass die Kommission dies rechtlich hinreichend nachgewiesen hat.

230    Es ist möglich, dass sich ein Unternehmen nur an einem Teil des wettbewerbswidrigen Verhaltens, das die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bildet, unmittelbar beteiligt hat, aber von dem gesamten übrigen rechtswidrigen Verhalten, das die anderen Kartellbeteiligten in Verfolgung der gleichen Ziele beabsichtigten oder an den Tag legten, wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen. In einem solchen Fall ist die Kommission ebenfalls berechtigt, dieses Unternehmen für das gesamte wettbewerbswidrige Verhalten, das eine solche Zuwiderhandlung bildet, und damit für diese Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit zur Verantwortung zu ziehen (vgl. Urteil vom 24. Juni 2015, Fresh Del Monte Produce/Kommission und Kommission/Fresh Del Monte Produce, C‑293/13 P und C‑294/13 P, EU:C:2015:416, Rn. 158 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 26. Januar 2017, Duravit u. a./Kommission, C‑609/13 P, EU:C:2017:46, Rn. 119).

231    Hat sich ein Unternehmen dagegen an einer oder mehreren wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bilden, unmittelbar beteiligt, ist aber nicht nachgewiesen, dass es durch sein eigenes Verhalten zur Erreichung sämtlicher von den anderen Kartellbeteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem gesamten übrigen rechtswidrigen Verhalten, das die genannten Kartellbeteiligten in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag legten, wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen, so ist die Kommission lediglich berechtigt, dieses Unternehmen für die Verhaltensweisen, an denen es sich unmittelbar beteiligt hat, und die Verhaltensweisen zur Verantwortung zu ziehen, die die anderen Kartellbeteiligten in Verfolgung der gleichen wie der von ihm verfolgten Ziele beabsichtigten oder an den Tag legten und für die nachgewiesen ist, dass es von ihnen wusste oder sie vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (vgl. Urteil vom 24. Juni 2015, Fresh Del Monte Produce/Kommission und Kommission/Fresh Del Monte Produce, C‑293/13 P und C‑294/13 P, EU:C:2015:416, Rn. 159 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 26. Januar 2017, Duravit u. a./Kommission, C‑609/13 P, EU:C:2017:46, Rn. 120).

232    Im vorliegenden Fall hat die Kommission nachgewiesen, dass Biogaran wusste, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche dazu beitragen sollte, das Ziel des Marktausschlusses von Niche zu verwirklichen. Mit den Beweisen für die Tatsache, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche einen Anreiz darstellte (angefochtener Beschluss, Rn. 1351), die die Kommission zusammengetragen hat und die Biogaran mit ihrem Vorbringen zu einer Verfälschung der Tatsachen nicht entkräftet hat, hat die Kommission, die auch festgestellt hat, dass Biogaran als 100%ige Tochtergesellschaft von Servier nicht habe autonom agieren können, nachgewiesen, dass die Vereinbarung Biogaran/Servier nur dahin verstanden werden kann, dass sie für Niche einen zusätzlichen Anreiz darstellte, was Biogaran hätte erkennen müssen.

233    Wie oben im Zusammenhang mit der Prüfung des Vorbringens zu einer Verfälschung der Tatsachen ausgeführt, ist Biogaran eine plausible Erklärung dafür schuldig geblieben, warum die Vereinbarung Biogaran/Niche zusammen mit dem Vergleich Servier/Niche geschlossen worden ist. Sie kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie nicht gewusst habe, dass diese Vereinbarungen rechtswidrig sind. Es war für die Personen, die die Vereinbarungen ausgehandelt haben, evident, dass das Ziel, Niche vom Markt fernzuhalten, das durch erhebliche Zahlungen erreicht wurde, wettbewerbsbeschränkend war.

234    Somit ist festzustellen, dass der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen ist, ohne dass auf das Vorbringen der Kommission zu Umständen nach dem Abschluss der Vereinbarung Biogaran/Niche eingegangen zu werden braucht.

C.      Zu dem Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, die Kommission habe rechtsfehlerhaft eine Geldbuße gegen Biogaran verhängt

1.      Vorbringen der Parteien

a)      Zur Neuheit, Unvorhersehbarkeit und Komplexität der Sache

235    Die Klägerin macht unter Berufung auf den in Art. 7 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und Art. 49 der Charta verankerten Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen geltend, die Kommission dürfe Sanktionen nur wegen Verhaltensweisen verhängen, die zur Zeit ihrer Begehung Zuwiderhandlungen gewesen seien. Nach der Entscheidungspraxis der Kommission dürfe keine Geldbuße verhängt werden, wenn die Art der festgestellten Zuwiderhandlung relativ neu sei und es zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung noch keine Entscheidung gegeben habe, mit der eindeutig festgestellt worden sei, dass die betreffende Art von Verhalten eine Zuwiderhandlung sei, oder wenn neue Grundsätze aufgestellt würden.

236    Wegen Verhaltensweisen, bei denen zum Zeitpunkt ihrer Begehung nicht klar gewesen sei, wie sie einzustufen seien, hätte die Kommission keine Geldbußen verhängen dürfen. Der angefochtene Beschluss beruhe auf einer neuen, unvorhersehbaren Beanstandung des Vergleichs zwischen Servier/Niche. Zum Zeitpunkt der Begehung der zur Last gelegten Zuwiderhandlung habe es noch keinen Präzedenzfall gegeben, so dass sie nicht habe ahnen können, dass ein solcher Vergleich für rechtswidrig erachtet würde.

237    Die Kommission erwidert, die Aufzählung der Zuwiderhandlungen in Art. 101 AEUV sehe ausdrücklich vor, dass die betreffenden Verhaltensweisen, d. h. der Ausschluss eines Wettbewerbers vom Markt gegen Übertragung eines Werts, wettbewerbswidrig seien. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen habe kein Zweifel daran bestanden, dass die Verhaltensweisen, mit denen der Ausschluss der Wettbewerber vom Markt bezweckt worden sei, als wettbewerbswidrig eingestuft werden würden (angefochtener Beschluss, Rn. 3092). Die Kommission verweist insoweit auf die entsprechenden Abschnitte des angefochtenen Beschlusses.

238    Die Diskussionen, die zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung bei Servier über die Vereinbarkeit des Vergleichs mit dem Wettbewerbsrecht geführt worden seien, zeigten eindeutig, dass man sich dort durchaus bewusst gewesen sei, dass die Vereinbarungen möglicherweise wettbewerbswidrig seien.

239    Dass die Rechtsberater der Vertragsparteien kein Risiko einer Zuwiderhandlung gesehen hätten, könne nicht bedeuten, dass das Unternehmen deshalb von einer Geldbuße befreit wäre. Das Unternehmen hätte erkennen können, dass das Verhalten wettbewerbswidrig sei.

b)      Zur Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße

240    Die Klägerin macht geltend, die Höhe der Geldbuße stehe jedenfalls offensichtlich außer Verhältnis zu der geringen Rolle, die sie bei der Durchführung der zur Last gelegten Zuwiderhandlung gespielt habe. Bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls der Festsetzung der Höhe der Geldbuße sei nach der Rechtsprechung zu berücksichtigen, dass sich ein Unternehmen nicht an allen konstitutiven Teilen des Kartells beteiligt habe oder bei den Teilen, an denen es sich beteiligt habe, eine geringe Rolle gespielt habe.

241    Die Kommission habe dadurch, dass sie eine Geldbuße verhängt habe, ohne die begrenzte Beteiligung von Biogaran an der zur Last gelegten Zuwiderhandlung zu berücksichtigen, offensichtlich gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verstoßen. Die hohe Geldbuße verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, nach dem ohne objektive Rechtfertigung vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt und verschiedene Sacherhalte nicht gleich behandelt werden dürften.

242    Die Kommission habe dadurch, dass sie Biogaran gesamtschuldnerisch für die gesamte gegen die Muttergesellschaft verhängte Geldbuße habe haften lassen, obwohl die objektiven Umstände der Beteiligung bei diesen beiden Gesellschaften nicht vergleichbar seien, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen. Bei Servier werde ein wettbewerbswidriges Verhalten geahndet, bei Biogaran eine Handlung, die als solche nicht wettbewerbsbeschränkend sei. Selbst unterstellt, die Vereinbarung Biogaran/Niche sei im Rahmen des angeblich wettbewerbswidrigen Vergleichs erfolgt, betrage der Werttransfer zugunsten von Niche, der von der Kommission beanstandet worden sei, insgesamt 13,8 Mio. GBP, zu dem Biogaran lediglich 2,5 Mio. GBP beigetragen habe.

243    Die Geldbuße, die gegen sie wegen mittelbarer Beteiligung an einer angeblich wettbewerbswidrigen Vereinbarung verhängt worden sei, sei derart unverhältnismäßig, dass sie den Gesamtbetrag der gegen fünf weitere Generikahersteller verhängten Geldbußen (96,6 Mio. Euro) bei Weitem übersteige, obwohl sich diese unmittelbar an den betreffenden Vergleichen beteiligt hätten.

244    Im angefochtenen Beschluss seien bei Biogaran rechtsfehlerhaft die Umsätze der Muttergesellschaft (476 Mio. Euro) zugrunde gelegt worden, obwohl Biogaran selbst überhaupt keine Umsätze erzielt habe. Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung hätte die Kommission daher bei Biogaran denselben Ansatz wählen müssen wie bei den übrigen Generikaherstellern. Hätte die Kommission den aufgrund der von Biogaran unterzeichneten Vereinbarung übertragenen Wert zugrunde gelegt (2,5 Mio. GBP), wäre die gegen Biogaran verhängte Geldbuße um mehr als 150 geteilt worden.

245    Die Kommission erwidert, Biogaran habe nicht als vom Servier-Konzern unabhängige und gesonderte Einheit, sondern als Teil des Servier-Konzerns gehandelt. Deshalb sei das Unternehmen Servier als Ganzes für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht worden. Biogaran habe eine kausale Rolle gespielt, die ebenso bedeutsam gewesen sei wie die ihrer Muttergesellschaft.

246    Der Vergleich zwischen den Geldbußen der Generikahersteller und der von Biogaran sei nicht relevant, da Biogaran im vorliegenden Fall als Teil desselben Unternehmens gehandelt habe, zu dem auch Servier gehöre. Dieses Unternehmen habe sich als Hersteller des Originalpräparats, der sein Monopol behalten will, in einer anderen Position befunden als die Generikahersteller, die gegen eine erhebliche Zahlung akzeptiert hätten, nicht in den Markt einzutreten.

c)      Zur Obergrenze von 10 % der Geldbuße

247    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe dadurch, dass sie gegen sie, weil sie Niche dazu „bestimmt“ haben soll, den Vergleich Servier/Niche zu schließen, gesamtschuldnerisch eine Geldbuße in Höhe von 131,5 Mio. Euro verhängt habe, die 18 % ihres Gesamtumsatzes entspreche, gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen.

248    Die Kommission macht unter Berufung auf die Rechtsprechung geltend, bei der Berechnung der Obergrenze der Geldbuße sei der Umsatz aller Gesellschaften zugrunde zu legen, die die wirtschaftliche Einheit bildeten, die als Unternehmen im Sinne von Art. 101 AEUV handele. Dass sie den Umsatz des Servier-Konzerns zugrunde gelegt habe, sei deshalb nicht zu beanstanden.

249    Es sei nicht möglich, auf die Geldbuße von Biogaran die bei den Generikaherstellern angewandte Methode der Berechnung der Geldbußen anzuwenden. Biogaran habe den Patentinhaber unterstützt und dazu beigetragen, einen Generikahersteller dafür zu bezahlen, dass er nicht in den Markt der Muttergesellschaft eintritt, was nicht mit der Rolle der Generikahersteller vergleichbar sei.

2.      Würdigung durch das Gericht

a)      Zur Neuheit, Unvorhersehbarkeit und Komplexität der Sache

250    Nach der Rechtsprechung folgt aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen, dass die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen gesetzlich klar definiert sein müssen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Rechtsunterworfene anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung und nötigenfalls mit Hilfe ihrer Auslegung durch die Gerichte erkennen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Verantwortung begründen (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

251    Der Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von strafbaren Handlungen und Strafen darf nicht so verstanden werden, dass er die schrittweise Klärung der Vorschriften über die strafrechtliche Verantwortlichkeit durch richterliche Auslegung von Fall zu Fall untersagt, vorausgesetzt, dass das Ergebnis zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung insbesondere unter Berücksichtigung der Auslegung, die zu dieser Zeit in der Rechtsprechung zur fraglichen Rechtsvorschrift vertreten wurde, hinreichend vorhersehbar ist (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

252    Die Bedeutung des Begriffs der Vorhersehbarkeit hängt in hohem Maß vom Inhalt der in Rede stehenden Vorschriften, von dem durch sie geregelten Bereich sowie von der Zahl und der Eigenschaft ihrer Adressaten ab. Mit der Vorhersehbarkeit des Gesetzes ist es nicht unvereinbar, dass die betreffende Person gezwungen ist, fachkundigen Rat einzuholen, um unter den Umständen des konkreten Falles angemessen zu beurteilen, welche Folgen sich aus einer bestimmten Handlung ergeben können. Das gilt insbesondere für berufsmäßig tätige Personen, die gewohnt sind, sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sehr umsichtig verhalten zu müssen. Von ihnen kann daher erwartet werden, dass sie die Risiken ihrer Tätigkeit besonders sorgfältig beurteilen (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

253    Das Einholen fachkundigen Rates liegt besonders nahe, wenn es wie hier um die Vorbereitung und Abfassung einer Lizenzvereinbarung im Rahmen der gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits geht.

254    Vor diesem Hintergrund hätte Biogaran, auch wenn die Gerichte der Union zum Zeitpunkt der im angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlung noch keine Gelegenheit gehabt hatten, sich konkret zu Vergleichen und Lizenzvereinbarungen, wie sie von Servier, Niche und Biogaran geschlossen wurden, zu äußern, insbesondere unter Berücksichtigung der sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden weiten Bedeutung der Begriffe „Vereinbarung“ und „abgestimmte Verhaltensweise“ nötigenfalls nach Einholung fachkundigen Rates davon ausgehen müssen, dass das Verhalten des Unternehmens, zu dem es durch die Vereinbarung Biogaran/Niche beigetragen hat, für mit den Wettbewerbsregeln des Unionsrechts unvereinbar erklärt werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

255    Biogaran konnte insbesondere davon ausgehen, dass die Tatsache, dass ihre Muttergesellschaft Niche ein Vermarktungsverbot und eine Nichtangriffsklausel auferlegte, die als solche wettbewerbsbeschränkend sind, der Aufnahme solcher Klauseln in einen Vergleich zur gütlichen Beilegung einer Patentrechtsstreitigkeit jegliche Legitimität nahm. Die Aufnahme solcher Klauseln in den Vergleich beruhte nicht auf der Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien und ließ eine anormale Verwendung des Patents ohne Bezug zu dessen spezifischen Zweck erkennen (Urteil von heute, Servier u. a./Kommission, T‑691/14). Ferner konnte Biogaran davon ausgehen, dass der zusätzliche Anreiz, der für Niche durch die Vereinbarung Biogaran/Niche geschaffen wurde, geeignet war, die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen des von der Muttergesellschaft geschlossenen Vergleichs zu verstärken. Die Klägerin hätte bei verständiger Würdigung also vorhersehen können, dass ihr Verhalten unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 46, und vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2016:449, Rn. 764).

256    Im Übrigen haben die Unionsgerichte lange Zeit vor dem Abschluss der beiden Vereinbarungen über die Möglichkeit der Anwendung des Wettbewerbsrechts in durch Rechte des geistigen Eigentums gekennzeichneten Bereichen entschieden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission, T‑471/13, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2016:460, Rn. 314 und 315).

257    Der Gerichtshof hat seit 1974 angenommen, dass die von der Gesetzgebung eines Mitgliedstaats anerkannten gewerblichen Schutzrechte durch Art. 101 AEUV in ihrem Bestand nicht berührt werden, ihre Ausübung aber unter die in diesem Artikel ausgesprochenen Verbote fallen kann und dass dies der Fall ist, wenn sich herausstellt, dass die Ausübung eines solchen Rechts Gegenstand, Mittel oder Folge einer Kartellabsprache ist (Urteil vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 39 und 40).

258    Seit dem Urteil vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke (65/86, EU:C:1988:448), ist geklärt, dass Vergleiche zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten als Vereinbarungen im Sinne von Art. 101 AEUV eingestuft werden können.

259    Servier und Biogaran haben mit den Vereinbarungen, um die es hier geht, in Wirklichkeit beschlossen, Vereinbarungen über den Ausschluss eines Wettbewerbers vom Markt zu schließen (heutiges Urteil, Servier u. a./Kommission, T‑691/14). Zwar hat der Gerichtshof erst in einem Urteil, das nach dem Abschluss des Vergleichs Servier/Niche ergangen ist, entschieden, dass Vereinbarungen über den Ausschluss eines Wettbewerbers vom Markt, mit denen die verbleibenden Unternehmen die ausscheidenden entschädigen, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Er hat jedoch klargestellt, dass solche Vereinbarungen „offenkundig“ nicht mit dem Grundgedanken der Wettbewerbsvorschriften des Vertrags zusammenpassen, wonach jeder Wirtschaftsteilnehmer autonom zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Markt zu betreiben gedenkt (Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 8 und 32 bis 34). Beim Abschluss der Vereinbarung Biogaran/Niche hätte Biogaran also wissen müssen, dass ihr Verhalten wettbewerbswidrig ist.

260    Die Rechtswidrigkeit der Vereinbarungen mag, da der Vergleich Niche/Servier als Vergleich über ein Patent und die Vereinbarung Biogaran/Niche als Lizenz- und Liefervereinbarung geschlossen wurden, für einen Außenstehenden wie die Kommission nicht offenkundig gewesen sein. Für die Vertragsparteien gilt dies nicht.

261    Somit ist festzustellen, dass Biogaran, obwohl sie auf dem von der Wettbewerbsbeschränkung betroffenen Markt (Perindopril) nicht tätig war, bei verständiger Würdigung hätte vorhersehen können, dass das Verbot des Art. 101 AEUV auf sie anwendbar war.

262    Auch aus dem übrigen Vorbringen der Klägerin ergibt sich nichts Abweichendes.

263    Als Erstes ist zu dem von der Klägerin in Auftrag gegebenen Gutachten von Sir Jacobs, auf das sich die Klägerin beruft, festzustellen, dass damit nicht dargetan ist, dass hinsichtlich des Verstoßes der Vereinbarung Biogaran/Niche und des Vergleichs Servier/Niche gegen die Wettbewerbsregeln der Union eine tatsächliche Unsicherheit bestanden hätte. Sir Jacobs gesteht zwar zu, dass das „Prüfungsschema“ der Kommission neu ist und von den Unionsgerichten bislang nicht angewandt wurde, gelangt aber zu dem Schluss, dass es im Prinzip vertretbar ist.

264    Im Übrigen wird in dem Gutachten nicht angezweifelt, dass die Verhaltensweisen, um die es hier geht, nämlich der Ausschluss eines Wettbewerbers, nach dem Wortlaut von Art. 101 AEUV nicht mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar sind. Außerdem hat die Kommission in Rn. 597 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass bei Servier Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Vereinbarungen mit dem Wettbewerbsrecht bestanden hätten.

265    Als Zweites ist festzustellen, dass das Vorbringen, es gebe eine Praxis der Kommission, wonach diese keine oder nur symbolische Geldbußen verhänge, wenn sie komplexe Rechtsfragen prüfe, die bislang von den Unionsgerichten noch nicht entschieden worden seien, nicht stichhaltig ist. Auch wenn von den Fragen, die sich in der vorliegenden Sache gestellt haben, die eine oder andere neu gewesen sein mag, musste Biogaran wissen, dass die Strategie von Servier wettbewerbswidrig war (siehe oben, Rn. 229 bis 234) und dass ihr Handeln als 100%ige Tochtergesellschaft dem Unternehmen, das Servier und ihre Tochtergesellschaft bildeten, zugerechnet werden kann. Im Übrigen weist die Kommission in Rn. 80 der Gegenerwiderung zu Recht darauf hin, dass die Länge des Beschlusses und die Dauer des Verwaltungsverfahrens zwar zeigen, dass der Sachverhalt komplex gewesen ist, damit aber nicht erwiesen ist, dass die Einstufung als Zuwiderhandlung unvorhersehbar gewesen wäre.

266    Jedenfalls verfügt die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen nach der Rechtsprechung über ein Ermessen, damit sie die Unternehmen dazu anhalten kann, die Wettbewerbsregeln einzuhalten. Die Kommission ist dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat – hier symbolische Geldbußen bei neuartigen Zuwiderhandlungen – nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 1/2003 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union verlangt vielmehr, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2016:449, Rn. 773).

267    Als Drittes ist festzustellen, dass sich die Klägerin nicht darauf berufen kann, dass ihr Rechtsberater ihr Verhalten, auf dem die Feststellung der Zuwiderhandlung beruht, rechtlich unrichtig eingestuft hat. Der Irrtum, der dem Berater des beschuldigten Unternehmens unterlaufen ist, kann nämlich nicht dazu führen, dass ihm keine Geldbuße auferlegt wird, sofern es sich über die Wettbewerbswidrigkeit dieses Verhaltens nicht im Unklaren sein konnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2013, Schenker & Co. u. a., C‑681/11, EU:C:2013:404, Rn. 37).

268    Als Viertes ist festzustellen, dass die Bestimmungen der Vereinbarung Biogaran/Niche von den Vertragspartnern als zusätzliche Wettbewerbsbeschränkung aufgefasst werden mussten. Auch wenn die Klägerin behauptet, dass die Bestimmungen der Vereinbarung „nicht beanstandet worden sind“, hätte sie erkennen können, dass mit der Vereinbarung, die Bestimmungen enthielt, die im Vergleich zu anderen Lizenzvereinbarungen atypisch waren, und keine echte Gegenleistung für die Zahlung vorsah, allein bezweckt wurde, einen potenziellen Wettbewerber von Servier dazu zu bestimmen, nicht in den Perindopril-Markt einzutreten, und dass die Vereinbarung daher eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht darstellte.

269    Somit ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

b)      Zur Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße

270    Das Vorbringen von Biogaran zur Höhe der gegen sie als Gesamtschuldner zusammen mit ihrer Muttergesellschaft verhängten Geldbuße, die sie für unverhältnismäßig hält, beruht auf der Annahme, dass Biogaran die von ihrer Muttergesellschaft begangene Geldbuße zugerechnet worden sei und dass gegen sie so als von Servier verschiedene juristische Person eine Geldbuße verhängt worden sei, obwohl ihre rechtswidrigen Handlungen weniger schwer gewesen seien als die ihrer Muttergesellschaft und sie sich in viel geringerem Umfang an der Zuwiderhandlung beteiligt habe als ihre Muttergesellschaft.

271    Wie bereits oben im Zusammenhang mit dem ersten Klagegrund ausgeführt, ist diese Annahme unzutreffend.

272    Wie die Kommission zu Recht geltend macht, hat Biogaran nicht als vom Servier-Konzern unabhängige und getrennte Einheit gehandelt, sondern als Teil des Konzerns, unter Kontrolle der Muttergesellschaft. Zwar hat die Kommission festgestellt, dass sich Biogaran unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligt habe und dass die Vereinbarung Biogaran/Niche bei der Verwirklichung der beschränkenden Wirkungen des Vergleichs Servier/Niche eine entscheidende Rolle gespielt habe. Sie hat Biogaran aber nicht als autonome, vom Servier-Konzern verschiedene juristische Person für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht. Die Geldbuße wurde gegen das Unternehmen im Sinne von Art. 101 AEUV verhängt, das die Tochtergesellschaft und ihre Muttergesellschaft bilden, die gesamtschuldnerisch für die Zuwiderhandlung und die Zahlung der entsprechenden Geldbuße verantwortlich sind. Mit der Geldbuße wird nicht das wettbewerbswidrige Handeln geahndet, das den beiden Gesellschaften jeweils als gesonderte juristische Personen zuzurechnen wäre.

273    Die gesamtschuldnerische Haftung von Tochter- und Muttergesellschaft für die Zahlung der Geldbuße, auf der der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses beruht, dessen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b sich auf Servier und Biogaran bezieht, die gesamtschuldnerisch 131 532 600 Euro zu zahlen haben, kann nicht dahin verstanden werden, dass Biogaran eine von der Muttergesellschaft begangene Zuwiderhandlung zugerechnet würde.

274    Die gesamtschuldnerische Haftung für die Zahlung der Geldbuße ist lediglich der Ausdruck einer von Rechts wegen eintretenden Wirkung des Unternehmensbegriffs, mit dem die Einheit bezeichnet wird, gegen die die Kommission wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union eine Geldbuße verhängen kann (Urteile vom 10. April 2014, Kommission u. a./Siemens Österreich u. a., C‑231/11 P bis C‑233/11 P, EU:C:2014:256, Rn. 57, und vom 10. April 2014, Areva u. a./Kommission, C‑247/11 P und C‑253/11 P, EU:C:2014:257, Rn. 122 bis 124). Gegen Gesellschaften kann demnach gesamtschuldnerisch eine Geldbuße verhängt werden, sofern sie für die Beteiligung des einheitlichen Unternehmens, das sie bilden, an der Zuwiderhandlung persönlich haftbar gemacht werden können (Urteil vom 10. April 2014, Kommission u. a./Siemens Österreich u. a., C‑231/11 P bis C‑233/11 P, EU:C:2014:256, Rn. 49).

275    Solange die Gesellschaften während des Zeitraums der Zuwiderhandlung ein einheitliches Unternehmen bildeten, ist es ohne Belang, ob die jeweilige persönliche Verantwortlichkeit, die sie wegen ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung trifft, identisch ist (Urteil vom 3. März 2011, Areva u. a./Kommission, T‑117/07 und T‑121/07, EU:T:2011:69, Rn. 206). Die Sanktionsbefugnis der Kommission erstreckt sich auch nicht auf die Bestimmung der Anteile der Gesamtschuldner im Rahmen ihres Innenverhältnisses (Urteil vom 10. April 2014, Kommission u. a./Siemens Österreich u. a., C‑231/11 P bis C‑233/11 P, EU:C:2014:256, Rn. 58, und vom 10. April 2014, Areva u. a./Kommission, C‑247/11 P und C‑253/11 P, EU:C:2014:257, Rn. 151). Biogaran hat in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts erklärt, dass ihre Muttergesellschaft den gesamten Betrag der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b des angefochtenen Beschlusses festgesetzten Geldbuße gezahlt habe.

276    Indem sie die Geldbuße gegen die wirtschaftliche Einheit, die die Muttergesellschaft und ihre 100%ige Tochtergesellschaft bilden, verhängt und die vom Servier-Konzern erzielten Umsätze zugrunde gelegt hat, ist die Kommission mithin einer ständigen Rechtsprechung der Unionsgerichte gefolgt und hat keinen Rechtsfehler begangen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 145 bis 148 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 23. Januar 2014, Evonik Degussa und AlzChem/Kommission, T‑391/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:22, Rn. 129 bis 135).

277    Aus denselben Gründen kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Geldbuße gegen sie unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verhängt worden wäre.

278    Da weder Biogaran noch Servier wegen ihres Handelns als gesonderte juristische Personen belangt worden sind, ist der Vergleich zwischen der Situation von Servier und der von Biogaran, den die Klägerin vorgenommen hat, nicht relevant.

279    Da Biogaran die Geldbuße nur als Teil der wirtschaftlichen Einheit, die sie zusammen mit Servier bildet, gesamtschuldnerisch zu zahlen hat, kann ihre Situation auch nicht mit der der Generikahersteller verglichen werden, an die der angefochtene Beschluss gerichtet ist. Während beim Servier-Konzern bei der Festsetzung der Geldbuße die vom Konzern erzielten Umsätze zugrunde gelegt wurden, konnte die Geldbuße bei den Generikaherstellern, da sie zur Zeit der Begehung der ihnen zur Last gelegten Verhaltensweisen nicht auf dem betreffenden Markt aktiv waren, nicht auf dieser Grundlage festgesetzt werden (heutiges Urteil, Servier u. a./Kommission, T‑691/14).

280    Auch das Vorbringen von Biogaran in der mündlichen Verhandlung, Niche sei nicht wegen der Vereinbarung Biogaran/Niche belangt worden, da die Kommission die Zahlung der 2,5 Mio. GBP bei der Festsetzung der gegen Niche verhängten Geldbuße nicht berücksichtigt habe, ist nicht stichhaltig. Im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung ist dieses Argument erst in der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden, ohne dass dies gerechtfertigt worden wäre. Das Vorbringen ist deshalb unzulässig. Im Übrigen war Biogaran als Tochtergesellschaft von Servier wie bereits ausgeführt nicht in einer Lage, die mit der der Generikahersteller, die wie Niche eine Vereinbarung mit Servier geschlossen haben, vergleichbar wäre. Und der Umstand, dass Niche von der Kommission nicht belangt worden ist, einmal unterstellt, dies träfe zu, kann Biogaran nicht von der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung befreien, die von dem Unternehmen begangen worden ist, zu dem sie gehört.

281    Somit ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

c)      Zur Obergrenze von 10 % der Geldbuße

282    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe dadurch, dass sie gegen sie eine Geldbuße verhängt habe, die 10 % ihres Jahresumsatzes übersteige, gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen. Außerdem habe sie bei der Festsetzung der Geldbuße die Umsätze ihrer Muttergesellschaft Servier (476 Mio. Euro) zugrunde gelegt. Sie selbst habe überhaupt keine Umsätze erzielt.

283    Die Obergrenze gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 ist anhand des gesamten Umsatzes aller Gesellschaften zu ermitteln, aus denen die als Unternehmen im Sinne von Art. 101 AEUV auftretende wirtschaftliche Einheit besteht (vgl. Urteile vom 8. Mai 2013, Eni/Kommission, C‑508/11 P, EU:C:2013:289, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 172 und 173 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 26. November 2013, Groupe Gascogne/Kommission, C‑58/12 P, EU:C:2013:770, Rn. 56).

284    Die Verhältnismäßigkeit einer Sanktion ist insbesondere im Hinblick auf das mit der Verhängung der Sanktion verfolgte Ziel der Abschreckung zu beurteilen. Um hierbei der Wirtschaftskraft des betreffenden Unternehmens Rechnung zu tragen, ist der Gesamtumsatz aller Gesellschaften, aus denen die als Unternehmen im Sinne von Art. 101 AEUV auftretende wirtschaftliche Einheit besteht, zugrunde zu legen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission, C‑373/14 P, EU:C:2016:26, Rn. 83 und 84).

285    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 206 bis 234), wurde im vorliegenden Fall das betreffende Unternehmen durch die Klägerin und deren Muttergesellschaft, Servier, gebildet, die gemeinsam eine wirtschaftliche Einheit darstellten. Entsprechend hat die Kommission bei der Anwendung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes nach den oben in Rn. 283 dargestellten Grundsätzen auf den Gesamtumsatz abgestellt, den die Muttergesellschaft des Servier-Konzerns vom 1. Oktober 2012 bis zum 30. September 2013 erzielt hat (angefochtener Beschluss, Rn. 3144).

286    Der Gesamtumsatz von Servier betrug etwas mehr als 4 Mrd. Euro. Die gegen die Klägerin und ihre Muttergesellschaft als Gesamtschuldner verhängte Geldbuße (131 532 600 Euro) übersteigt ganz offensichtlich nicht diese Obergrenze.

287    Die vorliegende Rüge ist deshalb zurückzuweisen, und damit auch der vorliegende Klagegrund.

288    Somit ist festzustellen, dass die Klage in vollem Umfang abzuweisen ist, nach sämtlichen Umständen des vorliegenden Falles auch der Antrag, die Geldbuße in Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung aufzuheben oder herabzusetzen.

 Kosten

289    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, ist sie gemäß dem Antrag der Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Biogaran trägt die Kosten.

Gervasoni

Madise

da Silva Passos

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Dezember 2018.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

A. Perindopril

1. Patent für das Molekül

2. Sekundärpatente

3. Perindopril zweiter Generation

B. Zur Klägerin

C. Zu den Perindopril-Aktivitäten von Niche

D. Zu den Rechtsstreitigkeiten über Perindopril

1. Rechtsstreitigkeiten vor dem EPA

2. Rechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten

E. Zu den Vergleichen

1. Zu den Vereinbarungen zwischen Niche, Unichem, Matrix und Servier

2. Zu der Vereinbarung zwischen Niche und Biogaran

F. Zur Sektoruntersuchung

G. Zu dem Verwaltungsverfahren und dem angefochtenen Beschluss

II. Verfahren und Anträge der Parteien

III. Zur Zulässigkeit

A. Zum dritten Klageantrag (Berücksichtigung einer vollständigen oder teilweisen Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses im Verfahren über die von Servier erhobene Klage zugunsten der Klägerin)

B. Zur Zulässigkeit bestimmter Anlagen der Klagebeantwortung und mit dieser vorgelegter Beweise

1. Vorbringen der Parteien

2. Würdigung des Gerichts

IV. Zur Begründetheit

A. Zum Klagegrund einer Verfälschung der Tatsachen durch die im angefochtenen Beschluss enthaltene Feststellung, dass die Vereinbarung Biogaran/Niche für Niche einen zusätzlichen Anreiz dargestellt habe, den Vergleich Servier/Niche zu schließen

1. Vorbringen der Parteien

a) Zum Fehler bei der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen der Vereinbarung Biogaran/Niche und dem Vergleich Servier/Niche

1) Zur Chronologie der Vergleichsverhandlungen

2) Zum rechtlichen Zusammenhang zwischen dem Vergleich Servier/Niche und der Vereinbarung Biogaran/Niche

3) Zur Absicht, einen Anreiz für Niche zu schaffen

b) Zur Berücksichtigung des geschäftlichen Interesses der Klägerin am Abschluss der Vereinbarung Biogaran/Niche

1) Zum Produkt A

2) Zum Produkt B

3) Zum Produkt C

2. Würdigung durch das Gericht

a) Vorbemerkungen

b) Zur Frage, ob die Vereinbarung Biogaran/Niche einen Anreiz darstellt

B. Zu dem Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, der angefochtene Beschluss sei insoweit rechtsfehlerhaft, als nicht dargetan worden sei, dass sich Biogaran an einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln beteiligt hätte

1. Vorbringen der Parteien

a) Zur Rechtswidrigkeit der Vereinbarung Biogaran/Niche

b) Zur Zurechnung der Handlungen der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft

c) Zur Kenntnis von Biogaran von den rechtswidrigen Handlungen von Servier

2. Würdigung durch das Gericht

C. Zu dem Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, die Kommission habe rechtsfehlerhaft eine Geldbuße gegen Biogaran verhängt

1. Vorbringen der Parteien

a) Zur Neuheit, Unvorhersehbarkeit und Komplexität der Sache

b) Zur Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße

c) Zur Obergrenze von 10 % der Geldbuße

2. Würdigung durch das Gericht

a) Zur Neuheit, Unvorhersehbarkeit und Komplexität der Sache

b) Zur Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße

c) Zur Obergrenze von 10 % der Geldbuße

Kosten


*      Verfahrenssprache: Französisch.