Language of document : ECLI:EU:T:2009:402

BESCHLUSS DES GERICHTS (Siebte Kammer)

26. Oktober 2009(*)

„Sprachregelung“

In der Rechtssache T-353/08

vwd Vereinigte Wirtschaftsdienste AG mit Sitz in Frankfurt am Main (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Bechtold, U. Soltész und C. von Köckritz,

Klägerin,

unterstützt durch

MLex Ltd mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte E. Vahida und I.-G. Metaxas-Maragkidis,

Streithelferin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Di Bucci, M. Kellerbauer und R. Sauer, als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Rinne,

Beklagte,

unterstützt durch

Thomson Reuters Corp. mit Sitz in Toronto (Kanada),

Thomson Reuters plc mit Sitz in London,

Reuters Group Ltd mit Sitz in London,

und

The Woodbridge Co. Ltd mit Sitz in Toronto,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt M. Struys und M. Friend, Solicitor,

Streithelferinnen,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood, sowie der Richter E. Moavero Milanesi und J. Schwarcz,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Verfahren

1        Mit Beschluss vom 18. März 2009 hat der Präsident der Siebten Kammer des Gerichts die Thomson Reuters Corp., Thomson Reuters plc, Reuters Group Ltd und The Woodbridge Company Ltd (nachstehend: “Thomson Reuters“) antragsgemäß als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission und die MLex Ltd (nachstehend: „MLex“) als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen.

2        Zugleich hat der Präsident den Anträgen der Klägerin und der Kommission auf vertrauliche Behandlung bestimmter Angaben in ihren Schriftsätzen und in den Anlagen zu diesen Schriftsätzen stattgegeben. Dementsprechend hat der Kanzler den Streithelfern eine nicht vertrauliche Fassung sämtlicher den Parteien zugestellter Verfahrensunterlagen übermittelt.

3        Mit Schriftsatz vom 6. April 2009, der am gleichen Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragen Thomson Reuters, ihren Streithilfeschriftsatz auf Englisch einreichen zu können.

4        Mit Schriftsatz, der am 20. April 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, widerspricht die Klägerin dem Antrag von Thomson Reuters auf Zulassung englischsprachiger Schriftsätze.

5        Mit einem am 23. April 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsatz unterstützt MLex den Antrag von Thomson Reuters, beantragt aber gleichzeitig, sich für ihren Streithilfeschriftsatz sowie ihre weiteren Schriftsätze und ihre Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ebenfalls der englischen Sprache bedienen zu können.

6        Thomson Reuters hat mit Schriftsatz vom 24. April 2009, der am 27. April 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die Begründung für ihren Antrag auf Verwendung des Englischen ergänzt.

7        Ausweislich der Stellungnahme von Thomson Reuters, die am 20. Mai 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, bestehen seitens Thomson Reuters keine Bedenken gegen den Antrag von MLex, den Streithilfeschriftsatz sowie andere Schriftsätze auf Englisch einreichen und mündliche Eingaben auf Englisch abgeben zu können, sofern Thomson Reuters das Gleiche zugestanden wird. Zugleich haben Thomson Reuters weitere Argumente zur Stützung ihres Antrags vorgebracht.

8        Die Klägerin hat sich innerhalb der Frist zu einer Stellungnahme zum Antrag der MLex, die am 22. Mai 2009 abgelaufen ist, nicht geäußert. Die Kommission hat zu keinem der Anträge der Streithelferinnen Stellung genommen.

 Argumente der Streithelferinnen

9        Thomson Reuters begründen ihren Antrag auf Verwendung des Englischen damit, dass bei Ablehnung des Antrags die ernstzunehmende Gefahr bestünde, dass zur Erarbeitung des Streithilfeschriftsatzes selbst bei Fristverlängerung nicht ausreichend Zeit zur Verfügung stehe. Alle übermittelten Dokumente müssten zunächst ins Englische übersetzt werden, da weder die Kernmitglieder des Teams bei Thomson Reuters Deutsch verstünden, noch alle Kernmitglieder des Allen & Overy Teams, vor allem nicht diejenigen, die die ursprüngliche Fusionskontrollanmeldung bearbeitet hätten, deutschsprachig seien und deren Wissen notwendig sei. Sodann müsste der Streithilfeschriftsatz ins Deutsche rückübersetzt werden. 

10      In ihrem Schriftsatz vom 24. April 2009 tragen Thomson Reuters ergänzend vor, dass die Klägerin problemlos auf Englisch kommunizieren könne, wie sich aus mehreren, während des Fusionskontrollverfahrens von ihr auf Englisch eingereichten Dokumenten ergebe. Die Sprache des fusionskontrollrechtlichen Verfahrens sei Englisch gewesen, die Parteien hätten auf Englisch mit der Kommission kommuniziert. Auch sei MLex ein englischsprachiger Informationsanbieter.

11      In ihrer Stellungnahme vom 20. Mai 2009 zum Antrag von MLex weisen Thomson Reuters schließlich auf die mit einer Übersetzung verbundenen Risiken hin, die bei der Übersetzung der vom Gericht übermittelten wichtigsten deutschsprachigen Dokumenten durch ein professionelles Übersetzungsunternehmen offenkundig geworden seien. Das Vokabular sei äußerst technisch, Nuancen gingen bei der Übersetzung unausweichlich verloren. Auch könne die Schlüssigkeit der Übersetzungen nicht durch die relevanten Mitarbeiter wegen deren fehlender Sprachkenntnisse überprüft werden. Thomson Reuters ist der Ansicht, dass ihre Rechte als Streithelferinnen beeinträchtigt wären, wenn sie verpflichtet wären, ihre Schriftsätze ins Deutsche übersetzen zu müssen.

12      MLex verweist ebenfalls im Anschluss an Thomson Reuters auf das Risiko unnötiger Verzögerung und Fristverlängerung sowie darauf hin, dass der Schriftverkehr zwischen ihr und der Kommission auf Englisch stattgefunden habe, und dass nur der englische Text der Entscheidung verbindlich und die Terminologie in diesem Marktsektor Englisch sei.

13      Die Klägerin, die nur dem Antrag von Thomson Reuters widerspricht, trägt vor, Thomson Reuters seien dem Rechtsstreit freiwillig beigetreten und hätten einen deutschsprachigen Prozessvertreter bestellen können, würden durch die Verwendung von Deutsch als Verfahrenssprache nicht in der Wahrnehmung ihrer Rechte als Streithelferinnen beeinträchtigt und verfügten in Deutschland über 450 Mitarbeiter. Ihre Prozessvertreter seien Partner in einer internationalen Anwaltskanzlei mit fünf deutschen Standorten und einer Kartellrechtspraxis; Übersetzungen könnten ohne weiteres intern angefertigt werden.

 Rechtliche Würdigung

14      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 35 § 3 Abs. 4 der Verfahrensordnung nur die als Streithelfer beigetretenen Mitgliedstaaten vom Gebrauch der von den Parteien des Rechtsstreits bestimmten Verfahrenssprache befreit sind (Beschluss des Gerichts vom 13. Mai 1993, Ladbroke Racing/Kommission, T-74/92, Slg. 1993, II‑535, Randnr. 13).

15      Nach Art. 35 § 2 Buchst. c) der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei, nach Anhörung der Gegenpartei, eine andere Sprache ganz oder teilweise als Verfahrenssprache zulassen. Ein derartiger Antrag muss jedoch ausführlich und präzise begründet werden, da es sich dabei um eine Ausnahme von der Regel der Anwendung der Verfahrenssprache handelt (Beschluss des Gerichts Ladbroke Racing/Kommission, Randnr. 14, und Beschlüsse vom 24. Januar 1997, AEFE/Rat, T-121/95, Slg. 1997, II-87, Randnr. 10, und vom 19. Dezember 2006, Iberdrola/Kommission, T‑200/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 14).

16      Thomson Reuters erfüllen diese an ihren Antrag zu stellende Voraussetzung. Die bereits ausführliche Begründung im Antrag vom 6. April 2009 ist in zwei weiteren Schriftsätzen vertieft und ergänzt worden.

17      Nach der Rechtsprechung des Gerichts ist zwischen dem Antrag auf Verwendung einer anderen Sprache als der Verfahrenssprache im schriftlichen Verfahren und dem Antrag auf ihre Verwendung in der mündlichen Verhandlung zu unterscheiden (siehe Beschluss vom 10. Februar 1995, CFS u. CSME/Kommission, T-154/94, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 40).

18      Hinsichtlich des Antrags auf Verwendung einer anderen Sprache als der Verfahrenssprache im schriftlichen Verfahren verlangt die Rechtsprechung grundsätzlich die strikte Einhaltung der von der Klägerin gewählten Verfahrenssprache (Beschluss vom 26. Juni 1996, BP Chemicals/Kommission, T‑11/95, Slg. 1996, II-599, Randnr. 10), lässt aber unter besonderen Umständen eine Ausnahme von der Verfahrenssprache zugunsten von Streithelfern zu (Beschluss vom 18. März 1999, Salomon/Kommission, T‑123/97, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 5).

19      Allerdings ist eine solche Ausnahme nicht schon dadurch hinreichend begründet, dass das Fusionskontrollverfahren in dieser Sprache stattgefunden hat (siehe dazu Beschlüsse vom 1. Juli 1993, Air France/Kommission, T-3/93, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 14, und vom 24. Oktober 2003, Festival Crociere/Kommission, T‑145/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 10 in Verbindung mit Randnr. 5) und die angefochtene Entscheidung der Kommission ausschließlich in dieser Sprache verbindlich ist (Beschlüsse vom 26. November 1998, Honeywell/Kommission, T-59/98, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 13, und vom 16. August 1995, Kaysersberg/Kommission, T‑290/94, Slg. 1995, II-2247, Randnrn. 3 und 7).

20      Ein entsprechendes Vorbringen der MLex im vorliegenden Verfahren ist daher als unmaßgeblich zurückzuweisen.

21      Auch hat die Rechtsprechung ebenfalls als Begründung generell weder ausreichen lassen, dass die von den Streithelfern beantragte Sprache weitgehend die interne Arbeitssprache der Streithelfer ist (Beschluss Kaysersberg/Kommission, Randnr. 7, und Iberdrola/Kommission, Randnr. 12), noch, dass die Streithelfer ein Interesse daran hätten, sich weiterhin von den Anwälten ihrer Wahl auf Englisch vertreten zu lassen (Beschluss Festival Crociere/Kommission, Randnr. 5)

22      Die Lage von Thomson Reuters zeichnet sich dadurch aus, dass die wichtigsten Mitarbeiter des Fusionsteams bei Thomson Reuters sowie die des Allen & Overy Teams, d. h. des die Streithelferinnen vertretenden Anwaltsbüros, und diejenigen, die die ursprüngliche Fusionskontrollanmeldung bearbeitet haben, nicht deutschsprachig sind. Auch lässt sich ernsthaft nicht bestreiten, dass deren Wissen für die Ausarbeitung des Streithilfeschriftsatzes notwendig ist, wie Thomson Reuters vortragen.

23      Dies rechtfertigt es dennoch nicht, von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Die Lage von Thomson Reuters hinsichtlich der internen Bearbeitung der Fusionskontrollanmeldung unterscheidet sich nämlich nicht wesentlich von der, in der allgemein die interne Arbeitssprache des Streithelfers eine andere als die Verfahrenssprache ist.

24      Insoweit geht das Gericht generell davon aus, das aufgrund der für den Binnenmarkt typischen Verschiedenartigkeit der Parteien und der Sprachen dieser Umstand der Mehrzahl der Fälle eigen ist (Beschluss Honeywell/Kommission, Randnr. 13).

25      Thomson Reuters werden auch nicht durch die Ablehnung ihres Antrags auf Verwendung des Englischen in ihren Verfahrensrechten beeinträchtigt, da sie selbst für eine Übersetzung aller Schriftsätze und übrigen Akten sorgen können (siehe Beschlüsse Kaysersberg/Kommission, Randnr. 7, Iberdrola/Kommission, Randnr. 16, Festival Crociere/Kommission, Randnr. 10, und CFS u. CSME/Kommission, Randnr. 41, sowie die Beschlüsse vom 17. November 1995, Salt Union/Kommission, T‑330/94, Slg. 1995, II-2281, Randnr. 26 und vom 6. Februar 1995, Auditel/Kommission, T‑66/94, Randnr. 37).

26      Weder die von Thomson Reuters beschworenen Übersetzungsschwierigkeiten noch die von ihnen vorgetragene Gefahr einer Verzögerung des Verfahrens gebieten es, im vorliegenden Fall von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

27      Die mit der Rechtsmaterie verbundenen Übersetzungsschwierigkeiten sind nicht nur die von Thomson Reuters, sondern umgekehrt insoweit auch die der Klägerin, als das Fusionskontrollverfahren weitestgehend auf Englisch stattgefunden hat. Im Übrigen weist die Klägerin in diesem Zusammenhang zurecht darauf hin, dass Thomson Reuters über deutschsprachige Mitarbeiter verfügen und die Prozessvertreter Mitglieder einer international tätigen Anwaltskanzlei mit Niederlassungen in Deutschland seien.

28      Soweit die Gefahr einer Verzögerung des Verfahrens nach Ansicht von Thomson Reuters gerade dann besteht, wenn ihnen die Verwendung des Englischen nicht gestattet würde und sie gegebenenfalls eine Verlängerung der Frist zu Einreichung ihres Streithilfeschriftsatzes beantragen müssten, ist festzustellen, dass das Risiko einer möglicherweise notwendigen Fristverlängerung der Mehrzahl von Verfahren dieser Art eigen ist (vgl. Beschluss Honeywell/Kommission, Randnr. 13). Unabhängig davon nämlich, ob dem Antrag der Streithelferinnen auf Verwendung einer anderen Sprache stattgegeben wird oder nicht, ist eine Übersetzung aus der Verfahrensprache immer unvermeidbar, wenn Streithelfer dieser nicht mächtig sind und im Hinblick auf die Erstellung ihres Streithilfeschriftsatzes eine Übersetzung der Schriftsätze der Klägerin und der Kommission benötigen.

29      Aus allem ergibt sich, dass dem Antrag von Thomson Reuters nicht stattgegeben werden kann.

30      Da der Antrag von MLex hinsichtlich der Verwendung des Englischen in der Begründung nicht über den Antrag von Thomson Reuters hinausgeht, ist auch er zurückzuweisen.

31      Soweit sowohl Thomson Reuters als auch MLex ihren Antrag auf Verwendung der englischen Sprache auf ihre Anmerkungen zur Vertraulichkeit erstreckt haben, sind die Anträge ebenfalls zurückzuweisen.

32      Soweit MLex und im Anschluss daran Thomson Reuters beantragt haben, sich in der mündlichen Verhandlung des Englischen bedienen zu dürfen, ist dem Antrag stattzugeben. Zwar hat sich die Klägerin nicht zu diesem Antrag von Thomson Reuters, der sich insoweit als eine Erweiterung ihres ursprünglichen Antrags darstellt, geäußert. Sie hat sich aber insofern auch nicht gegen den entsprechenden Antrag von MLex gewehrt. Es ist daran zu erinnern, dass das Gericht in der Regel einem solchen Antrag auf Verwendung einer anderen Sprache als der Verfahrenssprache in der mündlichen Verhandlung stattgibt (vgl. die zitierten Beschlüsse Kaysersberg/Kommission, Randnr. 8, BP Chemicals/Kommission, Randnr. 10, Iberdrola/Kommission, Randnr. 15, sowie Auditel/Kommission, Randnr. 38).

33      Aus allem folgt, dass die Anträge der Streithelferinnen Thomson Reuters und MLex auf Verwendung des Englischen für ihre Streithilfeschriftsätze und ihre weiteren Schriftsätze zurückzuweisen sind, ihren Anträgen auf Verwendung des Englischen in der mündlichen Verhandlung aber stattzugeben ist.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Anträge der Thomson Reuters Corp., der Thomson Reuters plc, der Reuters Group Ltd und The Woodbridge Co. Ltd sowie der MLex Ltd. auf Verwendung des Englischen werden zurückgewiesen, soweit sie das schriftliche Verfahren betreffen.

2.      Der Thomson Reuters Corp., der Thomson Reuters plc, der Reuters Group Ltd und The Woodbridge Co. Ltd sowie der MLex Ltd. wird gestattet, sich in der mündlichen Verhandlung des Englischen zu bedienen.

3.      Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

4.      Die Kosten bleiben vorbehalten.

Luxemburg, den 26. Oktober 2009

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

      N. J. Forwood


* Verfahrenssprache: Deutsch.