URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)
16. Juli 1998 (1)
„Kosmetische Mittel Richtlinie 76/768/EWG Richtlinie 95/34/EG
Sonnencremes und Bräunungsmittel Volksgesundheit Außervertragliche
Haftung der Gemeinschaft“
In der Rechtssache T-199/96
Laboratoires pharmaceutiques Bergaderm SA, in Konkurs befindliche Gesellschaft
französischen Rechts mit Sitz in Rungis (Frankreich),
Jean-Jacques Goupil, wohnhaft in Chevreuse (Frankreich),
vertreten durch Rechtsanwalt Jean-Pierre Spitzer, Paris, Zustellungsanschrift:
Kanzlei des Rechtsanwalts Aloyse May, 31, Grand-rue, Luxemburg,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Pieter Van Nuffel,
Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten im Beistand von Barrister Ami Barav,
Paris und Bar of England and Wales, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez
de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
wegen Antrags gemäß den Artikeln 178 und 215 Absatz 2 EG-Vertrag auf Ersatz
des Schadens, der den Klägern durch eine von der Kommission durchgeführte
Untersuchung und durch die Anwendung der Achtzehnten Richtlinie 95/34/EG der
Kommission vom 10. Juli 1995 zur Anpassung der Anhänge II, III, VI und VII der
Richtlinie 76/768/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel an den technischen Fortschritt (ABl.
L 167, S. 19) auf die Verwendung von Psoralenen in Sonnencremes und
Bräunungsmitteln entstanden sein soll,
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tiili sowie der Richter C. P. Briët und
A. Potocki,
Kanzler: Blanca Pastor, Hauptverwaltungsrätin
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14.
Mai 1998,
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
- 1.
- Nach Artikel 4 der Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur
Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel
(ABl. L 262, S. 169; im folgenden: Kosmetikrichtlinie), der u. a. durch die Richtlinie
93/35/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 (ABl. L 151, S. 32) geändert wurde,
müssen die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von kosmetischen Mitteln
untersagen, wenn sie Stoffe aus der „Liste der Stoffe, die in der Zusammensetzung
der kosmetischen Mittel nicht enthalten sein dürfen“ (Anhang II der Richtlinie),
oder Stoffe aus der „Liste der Stoffe, die kosmetische Mittel nur unter Einhaltung
der angegebenen Einschränkungen und sonstigen Bedingungen enthalten dürfen“
(Anhang III Teil I), unter Nichteinhaltung der darin festgelegten Einschränkungen
und Bedingungen enthalten.
- 2.
- Gemäß Artikel 9 der Kosmetikrichtlinie wird ein Ausschuß für die Anpassung der
Richtlinie zur Beseitigung der technischen Handelshemmnisse auf dem Sektor der
kosmetischen Mittel an den technischen Fortschritt eingesetzt (im folgenden:
Anpassungsausschuß). Der Anpassungsausschuß besteht nach diesem Artikel aus
Vertretern der Mitgliedstaaten, wobei ein Vertreter der Kommission den Vorsitz
führt.
- 3.
- Durch den Beschluß 78/45/EWG der Kommission vom 19. Dezember 1977 zur
Einsetzung eines wissenschaftlichen Ausschusses für Kosmetologie (ABl. 1978, L 13,
S. 24; im folgenden: Beschluß 78/45) wurde bei der Kommission ein
wissenschaftlicher Ausschuß für Kosmetologie (im folgenden: wissenschaftlicher
Ausschuß) eingesetzt. Gemäß Artikel 2 dieses Beschlusses besteht die Aufgabe des
wissenschaftlichen Ausschusses darin, gegenüber der Kommission zu jeder
wissenschaftlichen und technischen Frage aus dem Bereich der kosmetischen Mittel
und insbesondere zu den bei deren Herstellung verwendeten Substanzen und zu
deren Verwendungsbedingungen Stellungnahmen abzugeben. Der Beschluß
bestimmt ferner, daß die Mitglieder des Ausschusses von der Kommission „aus dem
Kreis wissenschaftlich hochqualifizierter Persönlichkeiten mit Fachkenntnissen auf
den ... Gebieten [der kosmetischen Mittel]“ berufen werden, daß die Vertreter der
zuständigen Dienststellen der Kommission an den Sitzungen des Ausschusses
teilnehmen, daß die Kommission „Persönlichkeiten mit besonderen
Fachkenntnissen auf dem zu untersuchenden Gebiet“ einladen kann, ebenfalls an
diesen Sitzungen teilzunehmen (Artikel 8 Absätze 2 und 3), und daß der
wissenschaftliche Ausschuß innerhalb seines Gremiums auch Arbeitsgruppen bilden
kann, die auf Einberufung der Kommission zusammentreten (Artikel 7 und 8).
- 4.
- Nach Artikel 8 Absatz 2 der Kosmetikrichtlinie werden die erforderlichen
Änderungen zur Anpassung von Anhang II an den technischen Fortschritt nach
dem in Artikel 10 vorgesehenen Verfahren beschlossen.
- 5.
- Dieses Verfahren umfaßt folgende Abschnitte:
Der Vorsitzende befaßt den Anpassungsausschuß;
der Vertreter der Kommission unterbreitet einen Entwurf der in Aussicht
genommenen Maßnahmen;
der Anpassungsausschuß nimmt zu dem Entwurf mit qualifizierter Mehrheit
Stellung, wobei der Vorsitzende an der Abstimmung nicht teilnimmt;
entspricht die Stellungnahme den von der Kommission in Aussicht
genommenen Maßnahmen, so trifft die Kommission diese Maßnahmen;
entspricht die Stellungnahme des Ausschusses nicht den von der
Kommission in Aussicht genommenen Maßnahmen oder ist keine
Stellungnahme ergangen, so hat die Kommission die zu treffenden
Maßnahmen unverzüglich dem Rat vorzuschlagen, der mit qualifizierter
Mehrheit beschließt; hat jedoch der Rat nach Ablauf einer Frist von drei
Monaten nach Übermittlung des Vorschlags keinen Beschluß gefaßt, so
werden die vorgeschlagenen Maßnahmen von der Kommission getroffen.
Sachverhalt
- 6.
- Die Gesellschaft Laboratoires pharmaceutiques Bergaderm ist auf dem Markt für
parapharmazeutische und kosmetische Mittel tätig. Sie befaßt sich vor allem mit
der Herstellung sowie dem Ankauf und Verkauf von Sonnencremes und -ölen,
Eaux de toilette und Parfüms. Jean-Jacques Goupil ist ihr Président-directeur
général.
- 7.
- Das Produkt Bergamol ist ein Sonnenöl, das außer Pflanzenöl und Filtern
Bergamottöl enthält. Zu den Molekülen, aus denen sich Bergamottöl
zusammensetzt, gehören „Psoralene“, die auch als „Furocumarine“ bezeichnet
werden. Eines davon ist „Bergapten“, das in der Wissenschaft auch unter der
Bezeichnung 5-Methoxypsoralen (im folgenden: 5-MOP) bekannt ist.
- 8.
- Wird die menschliche Haut der Sonne ausgesetzt, so erfährt sie körperliche
Reaktionen, die ihrer Anpassung an die ultravioletten Strahlen dienen. Zu diesem
Zweck sondern als Melanozyten bezeichnete Zellen eine filtrierende Substanz ab,
die nach und nach in die Epidermis steigt, wo sie eine Verdickung der Hornschicht
bewirkt, die von außen als Bräunung wahrgenommen wird. Durch das stark
photodynamisierende 5-MOP lassen sich diese körperlichen Reaktionen verstärken.
Als Bestandteil von Bergasol beschleunigt Bergamottöl daher den Bräunungsprozeß
erheblich.
- 9.
- Abgesehen von seiner Verwendung bei der Herstellung von Bergasol ist 5-MOP bei
der Behandlung verschiedener Hautkrankheiten, insbesondere der Psoriasis,
eingesetzt worden.
- 10.
- Chemisch reines 5-MOP steht im Verdacht, potentiell krebserzeugend zu sein. Aus
diesem Grund wurden mehrere wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, um
festzustellen, ob es auch als Bestandteil von Bergamottöl, das in einem
Bräunungsmittel verwendet wird, potentiell krebserzeugend ist.
- 11.
- Die für das Produkt Bergasol günstigsten Untersuchungen wurden von Fitzpatrick,
Professor für Dermatologie an der Harvard Medical School (USA), durchgeführt.
Dieser erklärt, daß Bergasol das wirksamste und sicherste Sonnenöl sei, das jemals
entwickelt worden sei, da es die Schutzreaktionen des Körpers gegen die
ultravioletten Strahlen um ein Vielfaches verstärke und das Risiko einer
krebserregenden Wirkung des 5-MOP unbedeutend sei. Das Auftreten von
Melanomen sei bei der Verwendung von Bergasol weniger wahrscheinlich als bei
der Verwendung von Sonnenölen ohne Bergamottöl.
- 12.
- In anderen Untersuchungen ist dagegen eine potentiell krebserregende Wirkung
von Bergamottöl als Bestandteil von Sonnenöl festgestellt worden. Eine davon hat
den französischen Ausschuß für Verbrauchersicherheit dazu veranlaßt, im
September 1986 eine ablehnende Stellungnahme zur Verwendung solcher Produkte
abzugeben. Wenig später, im März 1987, ersuchte die deutsche Regierung die
Kommission, im Anpassungsausschuß den Gedanken einer Beschränkung der
Höchstkonzentration von Psoralenen natürlichen Ursprungs in Sonnenölen auf ein
Milligramm pro Kilogramm (im folgenden: mg/kg) zu prüfen. Auf dieses Ersuchen
hin bat die Kommission den wissenschaftlichen Ausschuß um eine Stellungnahme.
Der Ausschuß beauftragte sein Mitglied Fielder mit einer Untersuchung. Dieser
gelangte dabei zu dem Ergebnis, daß 5-MOP bei Vorhandensein ultravioletter
Strahlen stark phototoxisch und photomutagen und somit potentiell krebserzeugend
sei.
- 13.
- In einer Sitzung des wissenschaftlichen Ausschusses vom 2. Oktober 1990 wurde
der Bericht von Herrn Fielder von einigen Ausschußmitgliedern beanstandet.
Gleichwohl empfahl der Ausschuß 1 mg/kg als Höchstkonzentration von 5-MOP in
Sonnenölen.
- 14.
- Am 24. September 1991 hielt der wissenschaftliche Ausschuß eine neue Sitzung ab,
zu der mehrere nicht dem Ausschuß angehörende Sachverständige eingeladen
waren. Diese Sitzung diente hauptsächlich dazu, die Ergebnisse eines von den
Klägern am 3. und 4. Juni 1991 in Brüssel veranstalteten Seminars über die
Wirkung von Psoralenen zu erörtern. Am Ende dieses Seminars unterzeichneten
mehrere Wissenschaftler ein Dokument, in dem sie erklärten, daß das Risiko einer
photomutagenen und photokarzinogenen Wirkung von 5-MOP insignifikant sei,
wenn dieses Molekül mit Sonnenfiltern kombiniert verwendet werde.
- 15.
- Die zu der Sitzung eingeladenen Sachverständigen verwiesen auf ihre
experimentellen Untersuchungen mit Sonnenölen, die Bergamottöl mit 5-MOP in
einer Konzentration zwischen 15 und 50 mg/kg enthielten.
- 16.
- Der Leiter der physiologischen Abteilung und Dekan der Pharmazeutischen
Fakultät der Universität Nantes (Frankreich), Combre, gelangte zu folgendem
Ergebnis:
„de manière manifeste, ce sont les [rayons ultraviolets] qui entraînent les lésions,
et la présence de bergaptène à des doses importantes associée à des filtres et des
antioxydants n'augmente pas la production de papillomes; au contraire on a une
diminution importante de ces papillomes [offenkundig sind es die (ultravioletten
Strahlen), die die Läsionen hervorrufen, und das Vorhandensein von erheblichen
Mengen von Bergapten zusammen mit Filtern und Antioxidantien verstärkt nicht
die Bildung von Papillomen; es gibt im Gegenteil eine beträchtliche Verringerung
dieser Papillome].“
- 17.
- Dr. Cohen von den Toxicology Advisory Services in Sutton (Vereinigtes Königreich)
vertrat folgende Ansicht:
„in my view there in no reason to believe that especially in skin types I an II
sunscreens without 5 MOP are any safer than those with 5 MOP [meiner
Auffassung nach besteht kein Grund für die Annahme, daß insbesondere für die
Hauttypen I und II Sonnenschutzmittel ohne 5-MOP sicherer sind als solche mit
5-MOP].“
- 18.
- Prof. Fitzpatrick äußerte sich folgendermaßen:
„... I would say ... that it is a safe and, I think, an effective way of converting the
high risk skin cancer population of skin types I and II so that they are more
resistant to the development of suninduced skin cancers like phototypes III and IV
and therefore giving an equality to those individuals in developing new defenses ...
[... meines Erachtens ... ist es eine sichere und, wie ich meine, wirksame Art, die
in hohem Maß hautkrebsgefährdete Bevölkerung des Hauttyps I und II so
einzustellen, daß sie wie die Phototypen III und IV widerstandsfähiger gegen die
Entwicklung von sonnenbedingtem Hautkrebs sind, wodurch diese Personen bei der
Entwicklung neuer Schutzmechanismen die gleichen Chancen erhalten ...].“
- 19.
- In einer weiteren Sitzung vom 4. November 1991 bestätigte der wissenschaftliche
Ausschuß seine Stellungnahme, nach der die Höchstkonzentration von 5-MOP in
Sonnenölen auf 1 mg/kg zu beschränken ist.
- 20.
- Der Anpassungsausschuß trat erstmals am 17. Dezember 1991 zum Thema der
Psoralene als Bestandteile kosmetischer Mittel und insbesondere von Sonnenölen
zusammen. Dabei gelang es ihm nicht, Ergebnisse zu erzielen. Er beschloß daher,
am 1. Juni 1992 eine weitere Sitzung abzuhalten. Im Hinblick auf diese weitere
Sitzung ersuchte die Kommission den Anpassungsausschuß, zu zwei alternativen
Vorschlägen Stellung zu nehmen, nämlich zu dem einer Beschränkung der
Konzentration von Psoralenen in Sonnenschutzmitteln auf 60 mg/kg und dem einer
Beschränkung auf 1 mg/kg. In der Sitzung vom 1. Juni 1992 sprach sich die eineHälfte der Mitglieder des Ausschusses für den ersten Vorschlag aus, die andere
Hälfte für den zweiten.
- 21.
- Am 2. Juni 1992 gab der wissenschaftliche Ausschuß eine „zusätzliche
Stellungnahme“ ab, in der er seine Stellungnahme vom 4. November 1991
bestätigte.
- 22.
- Die Diskussion über Bergamottöl als Bestandteil von Sonnenschutzmitteln wurde
1993 fortgesetzt. Im Laufe dieses Jahres legte Dr. Autier, ein mit einer
Untersuchung für Rechnung des belgischen Werkes zur Krebsbekämpfung
beauftragter Arzt, einen Bericht vor, nach dem die Verwendung bergamotthaltiger
Sonnenschutzmittel einen Risikofaktor für die Entstehung bösartiger
Hautmelanome darstellt. Diese Schlußfolgerung wurde in der Folge vom Leiter des
Instituts für medizinische Forschung (Belgien), Sancho-Garnier, und vom Obersten
Rat des Gesundheitswesens (Frankreich) in Frage gestellt, dem zufolge „[les]
produits de la gamme Bergasol sont acceptables sur le plan de la santé publique,
dans leur formulation actuelle, du fait de l'association d'essences naturelles
contenant des psoralènes à des filtres solaires et à des excipients adaptés [(die)
Produkte der Bergasol-Reihe unter dem Gesichtspunkt der Volksgesundheit ... in
ihrer gegenwärtigen Formulierung wegen der Verbindung natürlicher
psoralenhaltiger Öle mit Sonnenfiltern und angepaßten Lösungsmitteln vertretbar
(sind)]“.
- 23.
- Am 24. Juni 1994 bestätigte der wissenschaftliche Ausschuß erneut seine
Stellungnahme.
- 24.
- Am 28. April 1995 empfahl der Anpassungsausschuß, die Höchstkonzentration von
Psoralenen in Sonnenschutzmitteln auf 1 mg/kg zu beschränken. Bis auf die
französische Delegation und die abwesende finnische Delegation stimmten alle
Delegationen im Ausschuß für diese Stellungnahme.
- 25.
- Am 10. Juli 1995 erließ die Kommission die Achtzehnte Richtlinie 95/34/EG zur
Anpassung der Anhänge II, III, VI und VII der Richtlinie 76/768 an den
technischen Fortschritt (ABl. L 167, S. 19; im folgenden: Anpassungsrichtlinie).
Diese Richtlinie verpflichtete die Mitgliedstaaten u. a., die erforderlichen
Maßnahmen zu treffen, damit ab 1. Juli 1996 weder die in der Gemeinschaft
niedergelassenen Hersteller noch Importeure Sonnencremes und Bräunungsmittel
mit einem Psoralengehalt von 1 mg/kg oder mehr in den Verkehr bringen und
solche Erzeugnisse ab 1. Juli 1997 nicht mehr verkauft oder an den Endverbraucher
abgegeben werden können.
- 26.
- In dem Verwaltungsverfahren, das zum Erlaß der Anpassungsrichtlinie geführt hat,
äußerten sich die Kläger regelmäßig aus eigener Initiative, indem sie der
Kommission und den Mitgliedern des wissenschaftlichen Ausschusses Schreiben und
Unterlagen mit wissenschaftlichen Daten und Bewertungen in bezug auf Bergasol
zukommen ließen. Außerdem wurde der Kläger Goupil am 5. November 1990 in
einer Sitzung der Arbeitsgruppe „Kosmetische Mittel“ angehört. Diese
Arbeitsgruppe trat zwischen 1990 und 1995 wiederholt zum Thema Bergasol
zusammen, einige Male auf der Grundlage der schriftlichen oder mündlichen
Äußerungen der klagenden Gesellschaft. In einer Sitzung vom 16. Februar 1995
unterstützte die Arbeitsgruppe bis auf den französischen Vertreter einstimmig den
Vorschlag, die Psoralenkonzentration in Sonnenschutzmitteln auf 1 mg/kg zu
beschränken.
- 27.
- Mit Urteil des Tribunal de commerce Créteil vom 6. Juli 1995 wurde über die
klagende Gesellschaft ein gerichtliches Sanierungsverfahren eröffnet. Am 10.
Oktober 1995 wurde die gerichtliche Liquidation der Gesellschaft angeordnet.
Verfahren und Anträge der Parteien
- 28.
- Die Kläger haben mit Klageschrift, die am 4. Dezember 1996 bei der Kanzlei des
Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
- 29.
- Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche
Verhandlung zu eröffnen. Im Rahmen von prozeßleitenden Maßnahmen sind die
Parteien aufgefordert worden, vor der Sitzung schriftlich bestimmte Fragen zu
beantworten und bestimmte Unterlagen vorzulegen.
- 30.
- Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung des Gerichts vom 14. Mai 1998
mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.
- 31.
- Die Kläger beantragen,
die Kommission zu verurteilen, Schadensersatz in Höhe von 152 867 090 FF
an die Gesellschaft Laboratoires pharmaceutiques Bergaderm und in Höhe
von 161 309 995,33 FF an Jean-Jacques Goupil zu zahlen;
der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 32.
- Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
den Klägern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Begründetheit
Parteivorbringen
Wesen der Anpassungsrichtlinie
- 33.
- Die Kläger sind zwar der Ansicht, daß das Verhalten der Kommission als
„hinreichend qualifizierter Verstoß“ gegen das Gemeinschaftsrecht im Sinne der
Rechtsprechung der Gerichtshofes zur außervertraglichen Haftung für
Rechtsetzungsakte betrachtet werden könne, machen jedoch vorab geltend, daß die
Anpassungsrichtlinie als Verwaltungsakt und nicht als Rechtsetzungsakt anzusehen
sei, da sie sich nur mit der Verwendung von Psoralenen in Sonnenschutzmitteln
befasse und somit ausschließlich das Produkt Bergasol betreffe. Sie führen insoweit
die Rechtsprechung des Gerichtshofes an, wonach Rechtsetzungsakte eine Gruppe
von Personen betreffen müßten (Urteil des Gerichtshofes vom 6. Juni 1990 in der
Rechtssache C-119/88, AERPO u. a./Kommission, Slg. 1990, I-2189, Randnr. 17).
Ein Verstoß der Kommission gegen das Gemeinschaftsrecht bei der Vorbereitung
oder beim Erlaß der Anpassungsrichtlinie begründe einen Fehler, der im Rahmen
der vorliegenden Klage geahndet werden könne.
- 34.
- Nach Auffassung der Beklagten hat die Anpassungsrichtlinie normative und
allgemeine Geltung, so daß ein hinreichend qualifizierter Verstoß der Kommission
gegen das Gemeinschaftsrecht nachgewiesen werden müsse, um die Haftung der
Gemeinschaft auszulösen.
Erste Rüge: Verfahrensfehler
- 35.
- Die Kläger führen aus, die Kommission verfüge in dem mit der Kosmetikrichtlinie
geregelten Bereich nicht über ihr übliches weites Ermessen, da sie Sachverständige
anhören müsse und selbst nur nach befürwortender Stellungnahme des
Anpassungsausschusses Anpassungsmaßnahmen erlassen könne. Das gehe
insbesondere aus den Verfahrensvorschriften des Artikels 10 der Kosmetikrichtlinie
hervor.
- 36.
- Im vorliegenden Fall habe die Kommission gegen diese Vorschriften verstoßen, da
sie sich nach der ablehnenden Stellungnahme des Anpassungsausschusses vom 1.
Juni 1992 zu ihrem Vorschlag einer Beschränkung der Höchstkonzentration von
Psoralenen in Sonnenschutzmitteln nicht an den Rat gewandt habe, sondern dem
Anpassungsausschuß den gleichen Vorschlag einige Jahre später erneut unterbreitet
habe. Dadurch habe sie zugleich gegen den Verfahrensgrundsatz Ne bis in idem
verstoßen.
- 37.
- Außerdem habe sie die Verteidigungsrechte der Kläger verletzt. Die
wissenschaftlichen Informationen, die diese den Mitgliedern des wissenschaftlichen
Ausschusses vorgelegt hätten, seien von der Kommission nicht den Mitgliedern des
Anpassungsausschusses übermittelt worden. Aufgrund dieses Verstoßes gegen den
Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens habe der Anpassungssausschuß nicht
objektiv Stellung nehmen können.
- 38.
- Die Beklagte weist darauf hin, daß die Anpassungsrichtlinie nach befürwortender
Stellungnahme des wissenschaftlichen Ausschusses und des Anpassungsausschusses
ergangen sei. In seiner Sitzung vom 1. Juni 1992 habe der Anpassungsausschuß
keine Stellungnahme abgegeben.
- 39.
- Das Verfahren des Erlasses von Rechtsvorschriften müsse nicht unbedingt
kontradiktorischen Charakter haben. Jedenfalls seien die Kläger von der
Arbeitsgruppe angehört worden, und die Mitglieder des wissenschaftlichen
Ausschusses und des Anpassungsausschusses hätten die von den Klägern erteilten
Informationen erhalten.
Zweite Rüge: offensichtlicher Beurteilungsfehler und Verstoß gegen den Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit
- 40.
- Die Kläger machen geltend, die Kommission habe den offenkundigen Unterschied
zwischen 5-MOP als chemisch reiner Substanz und 5-MOP als Bestandteil eines
Sonnenschutzmittels nicht berücksichtigen wollen. Folglich sei sie automatisch zu
unverhältnismäßigen Ergebnissen bezüglich des Bergasols gelangt und habe eine
Maßnahme getroffen, ohne den wissenschaftlichen Beweis dafür erbracht oder
erhalten zu haben, daß sie für den Schutz der Gesundheit der Verbraucher
erforderlich sei. Sie habe also im Grunde genommen den Klägern die Beweislast
für die Unschädlichkeit von 5-MOP und damit des Bergasols auferlegt, um eine
Maßnahme treffen zu können, ohne sie wissenschaftlich zu begründen.
- 41.
- Die übliche Nahrung führe dem Organismus an einem einzigen Tag ohne weiteres
bis zur zehnfachen Menge des 5-MOP zu, das an einem Tag durch Bergasol
zugeführt werden könne. Zahlreiche Nahrungsmittel wie z. B. Pampelmusen, grüne
Zitronen, Bitterorangen, Feigen, Fenchel, Sellerie und Petersilie enthielten
beträchtliche Konzentrationen von 5-MOP. Dies zeige, daß 5-MOP, das in
chemisch reinem Zustand potentiell gefährlich sei, als Bestandteil natürlicher Öle
die Gesundheit nicht schädige. Die Kläger zitieren in diesem Zusammenhang die
ursprüngliche Fassung des Anhangs II der Kosmetikrichtlinie, die durch das Verbot
der Verwendung von Furocumarinen, z. B. Trioxysalenum und 8-Methaxypsoralen,
ausgenommen normale Gehalte in natürlichen ätherischen Ölen, genau zwischen
Psoralenen in chemisch reinem Zustand und Psoralenen als Bestandteilen
natürlicher Öle unterschieden habe.
- 42.
- Die Kläger kommen zu dem Ergebnis, daß die Beschränkung der Konzentration
von 5-MOP in Sonnenschutzmitteln auf 1 mg/kg nicht in angemessenem Verhältnis
zu dem von der Kommission angeblich verfolgten Ziel des Schutzes der Gesundheit
der Verbraucher stehe.
- 43.
- Die Beklagte weist darauf hin, daß wesentliches Ziel der Kosmetikrichtlinie der
Schutz der Volksgesundheit sei. Der Erlaß der Richtlinie sei im Hinblick auf dieses
Ziel verhältnismäßig, berücksichtige man erstens die beunruhigenden
Untersuchungen über den photomutagenen und photokarzinogenen Charakter der
Psoralene, insbesondere als Bestandteile von Sonnenschutzmitteln und kombiniert
mit Schutzfiltern, und zweitens die ablehnenden Stellungnahmen des
wissenschaftlichen Ausschusses und des Anpassungsausschusses zu
bergamottölhaltigen Sonnenschutzmitteln. Unter diesen Umständen hätten die
Risiken für den Verbraucher eindeutig nicht ausgeschlossen werden können. Die
Beschränkung der Konzentration von 5-MOP auf 1 mg/kg sei daher eine
angemessene Maßnahme gewesen.
- 44.
- Außerdem könne 5-MOP als Bestandteil von Sonnenschutzmitteln nicht mit 5-MOP
als Bestandteil von Obst und Gemüse verglichen werden. Im erstgenannten Fall
würden die Wirkungen von 5-MOP dadurch verstärkt, daß der Verbraucher der
Sonne ausgesetzt sei, was beim Verbrauch von 5-MOP-haltigem Obst und Gemüse
nicht der Fall sei.
Dritte Rüge: Ermessensmißbrauch
- 45.
- Nach Auffassung der Kläger hat die Kommission nur den Konkurrenten der
klagenden Gesellschaft dabei geholfen, diese vom Markt zu verdrängen. Bereits als
sie dem Ersuchen der deutschen Regierung vom 27. März 1987 entsprochen habe,
habe die Kommission wissentlich oder zumindest aufgrund unentschuldbarer
Blindheit den deutschen Konkurrenten in die Hände gearbeitet.
- 46.
- Die Kommission habe somit einen Ermessensmißbrauch begangen, als sie eine
Maßnahme erlassen habe, ohne einen Beweis für ihre Notwendigkeit erhalten zu
haben.
- 47.
- Die Beklagte bestreitet, daß sie im Interesse der Konkurrenten der klagenden
Gesellschaft gehandelt habe. Das einzige Ziel, das sie verfolgt habe, sei das der
Erhaltung der Volksgesundheit gewesen.
Würdigung durch das Gericht
Voraussetzungen für eine Haftung der Gemeinschaft
- 48.
- Die Haftung der Gemeinschaft aufgrund von Artikel 215 Absatz 2 des Vertrages
und der allgemeinen Rechtsgrundsätze, auf die in dieser Bestimmung verwiesen
wird, ist an das Zusammentreffen mehrerer Bedingungen geknüpft; sie setzt die
Rechtswidrigkeit des dem Organ vorgeworfenen Verhaltens, das Vorliegen eines
Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten
und dem geltend gemachten Schaden voraus (Urteile des Gerichtshofes vom 14.
Januar 1993 in der Rechtssache C-257/90, Italsolar/Kommission, Slg. 1993, I-9,
Randnr. 33, und des Gerichts vom 16. Oktober 1996 in der Rechtssache T-336/94,
Efisol/Kommission, Slg. 1996, II-1343, Randnr. 30). Auf dem Gebiet der Haftung
für normative Handlungen muß das der Gemeinschaft vorgeworfene Verhalten in
der Verletzung einer höherrangigen, den einzelnen schützenden Rechtsnorm
bestehen (Urteil des Gerichts vom 9. Dezember 1997 in den Rechtssachen T-195/94
und T-202/94, Quiller und Heusmann/Rat und Kommission, Slg. 1997, II-2247,
Randnr. 49).
- 49.
- Die vorliegende Klage ist auf Ersatz eines Schadens gerichtet, der im
Zusammenhang mit dem Verhalten der Kommission bei der Vorbereitung und
beim Erlaß einer Richtlinie zur Anpassung der Kosmetikrichtlinie stehen soll.
- 50.
- Die Klage betrifft offenkundig Handlungen normativen Charakters. Denn die
Richtlinie ist eine Gemeinschaftshandlung mit allgemeiner Geltung, und eine solche
Handlung kann ihren normativen Charakter nicht dadurch verlieren, daß sich die
Rechtssubjekte, für die sie gilt, der Zahl oder sogar der Identität nach bestimmen
lassen (Beschluß des Gerichtshofes vom 23. November 1995 in der Rechtssache
C-10/95 P, Asocarne/Rat, Slg. 1995, I-4149, Randnr. 30). Die Anpassungsrichtlinie
betrifft allgemein und abstrakt alle Unternehmer der Mitgliedstaaten, die bei
Ablauf der Fristen für ihre Umsetzung in die innerstaatliche Rechtsordnung in dem
betreffenden Sektor tätig sind.
- 51.
- Daher ist zu prüfen, ob die Beklagte gegen eine höherrangige, den einzelnen
schützende Rechtsnorm verstoßen hat.
Zur ersten Rüge: Verfahrensfehler
- 52.
- Entgegen dem Vorbringen der Kläger hat der Anpassungsausschuß in seiner
Sitzung vom 1. Juni 1992 keine ablehnende Stellungnahme zu dem Vorschlag der
Kommission abgegeben, die Höchstkonzentration von Psoralenen in
Sonnenschutzmitteln zu beschränken. Aus dem Protokoll dieser Sitzung geht
insbesondere hervor, daß sich die Delegationen der Mitgliedstaaten zum Teil für
den Vorschlag einer Beschränkung der Höchstkonzentration von 5-MOP auf 1
mg/kg und zum Teil für den alternativen Vorschlag einer solchen Beschränkung auf
60 mg/kg ausgesprochen haben. Aus dem Protokoll geht außerdem hervor, daß die
Kommission unter diesen Umständen beschlossen hat, ihren Vorschlag über zu
treffende Maßnahmen zurückzuziehen.
- 53.
- Eine solche Situation fällt weder unter Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe a der
Kosmetikrichtlinie, wonach „[d]ie Kommission ... die in Aussicht genommenen
Maßnahmen [trifft], wenn sie der Stellungnahme des Ausschusses entsprechen“,
noch unter Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie, wonach dann, wenn
„die in Aussicht genommenen Maßnahmen nicht der Stellungnahme des
Ausschusses [entsprechen] oder ... keine Stellungnahme ergangen [ist], ... die
Kommission dem Rat unverzüglich die zu treffenden Maßnahmen vor[schlägt]“.
- 54.
- Im vorliegenden Fall gab es nämlich keine „in Aussicht genommenen Maßnahmen“
mehr, da die Kommission ihren Vorschlag über zu treffende Maßnahmen bereits
in der Sitzung des Anpassungsausschusses zurückgezogen hat.
- 55.
- Diese Initiative kann vorliegend nicht beanstandet werden, da die Kommission in
Angelegenheiten, die die Volksgesundheit betreffen und die ebenso heikel wie
umstritten sind, über einen ausreichenden Ermessensspielraum und eine
ausreichende Frist verfügen muß, um die für ihre Entscheidung maßgebenden
wissenschaftlichen Fragen einer neuen Prüfung unterziehen zu können (vgl. hierzu
Urteil des Gerichts vom 17. Februar 1998 in der Rechtssache T-105/96,
Pharos/Kommission, Slg. 1998, II-285, Randnrn. 65 und 68).
- 56.
- Folglich ist festzustellen, daß die Kommission nicht gegen Artikel 10 der
Kosmetikrichtlinie verstoßen hat, ohne daß darüber zu entscheiden wäre, ob diese
Vorschrift höherrrangige, den einzelnen schützende Rechtsnormen enthält.
- 57.
- Die Kläger machen ferner einen Verstoß gegen den Grundsatz des
kontradiktorischen Verfahrens geltend.
- 58.
- Der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens ist ein fundamentaler Grundsatz
des Gemeinschaftsrechts, der in allen Verwaltungsverfahren anwendbar ist, die
gegen eine bestimmte Person eröffnet werden und zu einer diese Person
beschwerenden Maßnahme führen können (vgl. Urteil des Gerichts vom 6.
Dezember 1994 in der Rechtssache T-450/93, Lisrestal u. a./Kommission, Slg. 1994,
II-1177, Randnr. 42); er gilt aber nicht in Gesetzgebungsverfahren (Urteil des
Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-521/93, Atlanta u. a./EG,
Slg. 1996, II-1707, Randnr. 70).
- 59.
- Ausnahmsweise sind aufgrund ausdrücklicher Bestimmungen (vgl. z. B. die
Verordnung [EG] Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz
gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden
Ländern, ABl. 1996, L 56, S. 1) bestimmte Verteidigungsrechte beim Erlaß eines
Rechtsetzungsaktes zu wahren. Die Kosmetikrichtlinie enthält jedoch keine solchen
Bestimmungen.
- 60.
- Auf jeden Fall ergibt sich aus dem Sachverhalt, daß die Kläger ihren Standpunkt
den Mitgliedern des wissenschaftlichen Ausschusses und der Kommission
ausführlich dargelegt haben und daß sie ihn auch vor der Ad-hoc-Sachverständigengruppe mündlich vortragen konnten (vgl. oben, Randnr. 26).
- 61.
- Nach alledem ist die erste Rüge zurückzuweisen.
Zur zweiten Rüge: offensichtlicher Beurteilungsfehler und Verstoß gegen den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
- 62.
- Entgegen dem Vorbringen der Kläger hat die Kommission die möglichen
Wirkungen von 5-MOP in Verbindung mit den traditionelleren Bestandteilen von
Sonnenschutzmitteln, darunter insbesondere den Sonnenfiltern, bewertet. Das geht
z. B. aus der ersten Begründungserwägung der Anpassungsrichtlinie hervor, die
folgendermaßen lautet:
„Furocumarine sind nachweislich photomutagen und photokarzinogen. Die
vorliegenden wissenschaftlichen, technischen und epidemiologischen
Untersuchungen und Daten haben es dem wissenschaftlichen Ausschuß für
Kosmetologie nicht ermöglicht, den Schluß zu ziehen, daß die Kombination von
Schutzfiltern mit Furocumarinen die Unschädlichkeit von Sonnencremes und
Bräunungsmitteln gewährleistet, die Furocumarine oberhalb einer
Mindestkonzentration enthalten ...“
- 63.
- Im übrigen geht aus den Akten nichts hervor, woraus zu schließen wäre, daß die
Kommission die wissenschaftliche Frage, die sich stellte, nämlich wie das Ausmaß
des Risikos einzuschätzen war, das mit der Verwendung eines zum Teil aus
Bergamottöl bestehenden Sonnenöls verbunden ist, falsch verstanden hätte.
- 64.
- Der Schutz der Volksgesundheit ist einer der Zwecke der Kosmetikrichtlinie, und
die Kommission ist nicht in der Lage, die wissenschaftlichen Beurteilungen, die
diesem Zweck dienen sollen, selbst vorzunehmen (Urteil des Gerichtshofes vom 25.
Januar 1994 in der Rechtssache C-212/91, Angelopharm, Slg. 1994, I-171, Randnrn.
32 und 38). Aufgabe des wissenschaftlichen Ausschusses ist es gerade, die
Gemeinschaftsbehörden in wissenschaftlichen und technischen Fragen zu
unterstützen, um es ihnen zu ermöglichen, in voller Sachkenntnis die notwendigen
Anpassungsmaßnahmen zu beschließen (vorerwähntes Urteil, Randnr. 34).
- 65.
- Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann der Kommission nicht vorgeworfen
werden, daß sie im vorliegenden Fall den wissenschaftlichen Ausschuß angerufen
hat und seiner auf der Grundlage einer Vielzahl von Sitzungen, Prüfungen und
Sachverständigenuntersuchungen formulierten Stellungnahme gefolgt ist.
- 66.
- Im übrigen können die Organe, wenn Unsicherheiten bezüglich der Existenz oder
des Umfangs von Risiken für die Gesundheit der Verbraucher bestehen,
Schutzmaßnahmen treffen, ohne abwarten zu müssen, bis das tatsächliche
Vorliegen und die Schwere dieser Risiken in vollem Umfang dargelegt sind (vgl.
Urteil des Gerichtshofes vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-157/96, National
Farmers' Union u. a., Slg. 1998, I-0000, Randnr. 63).
- 67.
- Angesichts dieser Umstände können das Verhalten der Kommission und die von
ihr getroffene Maßnahme nicht als mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler
behaftet oder als unverhältnismäßig angesehen werden.
- 68.
- Die zweite Rüge ist daher ebenfalls zurückzuweisen.
Zur dritten Rüge: Ermessensmißbrauch
- 69.
- Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Rechtsakt eines Gemeinschaftsorgans
ermessensmißbräuchlich, wenn er ausschließlich oder zumindest überwiegend zu
anderen als den angegebenen Zwecken erlassen worden ist (Urteil des
Gerichtshofes vom 25. Juni 1997 in der Rechtssache C-285/94, Italien/Kommission,
Slg. 1997, I-3519, Randnr. 52). Ein Ermessensmißbrauch kann jedoch nur aufgrund
objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien festgestellt werden (Urteil
des Gerichts vom 24. April 1996 in den Rechtssachen T-551/93, T-231/94, T-232/94,
T-233/94 und T-234/94, Industrias Pesqueras Campos u. a./Kommission, Slg. 1996,
II-247, Randnr. 168).
- 70.
- Im vorliegenden Fall haben die Kläger keine solchen Indizien für ihren Klagegrund
vorgetragen. Insbesondere haben sie nicht dargetan, daß die Kommission während
des fraglichen Rechtsetzungsverfahrens einen anderen Zweck als den der Erhaltung
der Volksgesundheit verfolgen wollte.
- 71.
- Auch die dritte Rüge kann daher nicht durchgreifen.
- 72.
- Nach alledem ist die Klage abzuweisen, ohne daß zu prüfen wäre, ob die Kläger
das Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs
zwischen dem der Kommission vorgeworfenen Verhalten und diesem Schaden
nachgewiesen haben.
Kosten
- 73.
- Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf
Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger mit ihrem
Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend den Anträgen der
Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Dritte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Juli 1998.
Der Kanzler
Die Präsidentin
H. Jung
V. Tiili