Language of document : ECLI:EU:T:2021:780

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

10. November 2021(*)

„Staatliche Beihilfen – Markt für aus erneuerbaren Energiequellen gewonnenem Strom einschließlich Solarstrom – Im französischen Energiegesetz vorgesehene Pflicht zur Abnahme zu einem Preis über dem Marktpreis – Zurückweisung einer Beschwerde – Art. 12 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/1589 – Anwendungsbereich“

In der Rechtssache T‑678/20,

Solar Electric Holding mit Sitz in Le Lamentin (Frankreich),

Solar Electric Guyane mit Sitz in Le Lamentin,

Solar Electric Martinique mit Sitz in Le Lamentin,

Société de production d’énergies renouvelables mit Sitz in Le Lamentin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin S. Manna,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch B. Stromsky und A. Bouchagiar als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission vom 3. September 2020, mit dem die Beschwerde der Klägerinnen vom 20. Juni 2020 in Bezug auf rechtswidrige staatliche Beihilfen für ihre Photovoltaikanlagen zurückgewiesen wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Svenningsen sowie der Richter R. Barents und J. Laitenberger (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Loi no 2000‑108, du 10 février 2000, relative à la modernisation et au développement du service public de l’électricité (Gesetz Nr. 2000‑108 vom 10. Februar 2000 über die Modernisierung und Weiterentwicklung der öffentlichen Stromversorgung, JORF vom 11. Februar 2000, S. 2143) soll den Ausbau erneuerbarer Energien im französischen Hoheitsgebiet fördern. Zu diesem Zweck wurde mit diesem Gesetz eine Abnahmepflicht eingeführt, die in die Art. L.314‑1 ff. des Code de l'énergie (Energiegesetzbuch) übernommen wurde und der zufolge Électricité de France (EDF) und die in Art. 23 der Loi n° 46‑628, du 8 avril 1946, sur la nationalisation de l’électricité et du gaz (Gesetz Nr. 46‑628 vom 8. April 1946 über die Verstaatlichung des Strom- und Gassektors) genannten nichtstaatlichen Versorger verpflichtet sind, auf Verlangen der betreffenden Erzeuger einen Vertrag über die Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energiequellen einschließlich Solarstrom für eine Dauer von 20 Jahren zu einem durch eine ministerielle Tarifordnung festgelegten Preis abzuschließen. Bis zum 31. Dezember 2015 wurden die Kosten, die EDF und den in Art. 23 der Loi n° 46‑628 genannten nichtstaatlichen Versorgern aufgrund der Abnahmepflicht entstanden sind, gemäß dem Décret no 2004‑90, du 28 janvier 2004, relatif à la compensation de charges de service public d’électricité (Dekret Nr. 2004‑90 vom 28. Januar 2004 über den Ausgleich von Kosten für die öffentliche Stromversorgung) vollständig im Wege eines Mechanismus ausgeglichen, der durch eine Abgabe zur öffentlichen Stromversorgung von den Stromverbrauchern finanziert wurde. Seit dem 1. Januar 2016 werden diese Kosten durch ein Sonderverwendungskonto für die Energiewende ausgeglichen, das durch Steuern auf den Verbrauch von Energieerzeugnissen finanziert wird.

2        Dazu wurden Tarifordnungen wie die oben in Rn. 1 genannten erlassen, und zwar u. a. am 10. Juli 2006 (im Folgenden: Tarifordnung 2006), am 12. Januar 2010 (im Folgenden: Tarifordnung 1/2010), am 31. August 2010 (im Folgenden: Tarifordnung 8/2010), am 4. März 2011 und am 9. Mai 2017. Auch wenn nur die Letztgenannte noch in Kraft ist, sind die anderen, inzwischen aufgehobenen Tarifordnungen weiterhin anwendbar, soweit es sich bei dem für Strom während der gesamten Laufzeit des Abnahmevertrags, d. h. 20 Jahre, gezahlten Abnahmepreis um denjenigen handelt, der in der Tarifordnung festgelegt wurde, die zu dem Zeitpunkt in Kraft war, zu dem der Erzeuger einen vollständigen Antrag auf Anschluss an das öffentliche Netz gestellt hat.

3        Solar Electric Holding ist eine Holdinggesellschaft, die zu 100% an ihren Tochtergesellschaften Solar Electric Guyane und Solar Electric Martinique beteiligt ist, die mit der Entwicklung und Erstellung von Projekten zur Stromerzeugung mit Photovoltaik in Französisch-Guayana bzw. auf Martinique betraut sind, und die auch 100 % der Anteile an ihrer Tochtergesellschaft Société de production d’énergies renouvelables (Soproder) hält, die für den Betrieb dieser verschiedenen Photovoltaikanlagen verantwortlich ist. Auf der Grundlage der oben in Rn. 1 genannten Tarifordnungen schloss Solar Electric Holding mit EDF Verträge über die Abnahme von Strom. Soproder war daher innerhalb des aus diesen unterschiedlichen Gesellschaften bestehenden Konzerns diejenige, die direkt und unmittelbar von den in diesen Tarifordnungen festgelegten Vorzugstarifen profitierte.

4        Mit Urteil vom 18. September 2019 stellte die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) zu Anträgen auf Schadensersatz fest, dass die auf die Tarifordnungen 2006 und 1/2010 gestützten Maßnahmen, mit denen ein Mechanismus mit einer Abnahmepflicht zu einem über dem Marktpreis liegenden Preis geschaffen worden sei, insofern rechtswidrige staatliche Beihilfen darstellten, als sie nicht gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV bei der Europäischen Kommission angemeldet worden seien.

5        Im Übrigen bestätigte die Kommission mit Schreiben vom 26. März 2020 an die Klägerinnen Solar Electric Holding, Solar Electric Guyane, Solar Electric Martinique und Soproder, dass die auf die Tarifordnungen 2006, 1/2010 und 8/2010 gestützten Maßnahmen ihr nicht notifiziert worden seien.

6        Am 20. Juni 2020 übermittelten die Klägerinnen der Kommission das Beschwerdeformular hinsichtlich rechtswidriger staatlicher Beihilfen, wie es in Art. 24 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV (ABl. 2015, L 248, S. 9) vorgesehen ist. In diesem Formular gaben die Klägerinnen an, dass die Beihilferegelungen, die sich aus den Tarifordnungen 2006, 1/2010 und 8/2010 ergäben, durchgeführt worden seien, obwohl die Kommission niemals zu ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt Stellung genommen habe; durch den fehlenden Beschluss der Kommission sei insoweit eine für sämtliche französische Solarstromerzeuger nachteilige Rechtslücke entstanden, als die Einnahmen aus den Verträgen, die zu dem in diesen Verordnungen vorgesehenen Tarif geschlossen worden seien, in Frage gestellt und zurückgefordert werden könnten. Nach den Angaben der Klägerinnen in diesem Formular sind die Mechanismen zur Förderung der Solarstromerzeugung gemäß den Tarifordnungen 2006, 1/2010 und 8/2010 indessen mit dem Binnenmarkt vereinbar. Mit Verweis auf Art. 108 Abs. 1 AEUV und Art. 12 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 haben die Klägerinnen in diesem Formular – und insbesondere in den Abschnitten 3.4, 8 und 9.3 – „die Kommission [aufgefordert], ausdrücklich zur Vereinbarkeit der Beihilferegelungen Stellung zu nehmen, die sich aus den genannten Tarifordnungen ergeben“.

7        Mit Schreiben vom 1. Juli 2020 richteten die Dienststellen der Kommission mehrere Fragen und Ersuchen um zusätzliche Informationen an die Klägerinnen, die diese mit E‑Mail vom 31. August 2020 beantworteten.

8        Mit Schreiben vom 3. September 2020 wies die Kommission die Beschwerde der Klägerinnen vom 20. Juni 2020 wegen rechtswidriger staatlicher Beihilfen für ihre Photovoltaikanlagen zurück (im Folgenden: angefochtener Beschluss), wobei sie u. a. ausführte:

„Nach Ansicht der [Generaldirektion ‚Wettbewerb‘] ist Ihre Beschwerde zurückzuweisen, weil ihr Gegenstand nicht in den Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 2 der [Verordnung 2015/1589] fällt…

[D]ie Beschwerdeführerinnen fordern die Kommission auf, zur Vereinbarkeit der Beihilferegelungen Stellung zu nehmen, als ob sie Frankreich gewissermaßen in einem Anmeldeverfahren vertreten würden. Somit fällt der Gegenstand Ihrer Beschwerde nicht in den Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 2 der [Verordnung 2015/1589] und ist daher zurückzuweisen…

Wir danken Ihnen für die Informationen, die Sie uns übermittelt haben. Die Kommission wird diese als allgemeine Marktauskünfte erfassen.“

 Verfahren und Anträge der Parteien

9        Mit Klageschrift, die am 12. November 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

10      Die Klagebeantwortung ist am 27. Januar 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

11      Am 2. Februar 2021 hat das Gericht gemäß Art. 83 Abs. 1 der Verfahrensordnung entschieden, dass ein zweiter Schriftsatzwechsel nicht erforderlich ist.

12      Mit Schreiben vom 15. April 2021 haben die Klägerinnen gemäß Art. 106 Abs. 1 der Verfahrensordnung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

13      Am 4. Juni 2021 hat das Gericht den Parteien als prozessleitende Maßnahme eine Frage zur schriftlichen Beantwortung gestellt, die diese am 21. Juni 2021 beantwortet haben.

14      Mit Schreiben vom 9. Juli 2021 haben die Klägerinnen dem Gericht mitgeteilt, dass sie ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückziehen.

15      Die Klägerinnen beantragen, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären.

16      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

17      Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf drei Klagegründe, und zwar erstens einen Verstoß gegen Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589, zweitens einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 dieser Verordnung und drittens einen Verstoß gegen die Verpflichtung der Kommission, über die Anwendung des AEU‑Vertrags zu wachen.

 Erster Klagegrund: Verstoß gegen Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589

18      Im Rahmen des ersten Klagegrundes machen die Klägerinnen unter Verweis auf den Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 geltend, dass es für die Zulässigkeit eine Beschwerde nach diesem Artikel ausreiche, wenn eine Beihilfe rechtswidrig sei. Art. 24 Abs. 2 dieser Verordnung sehe in keiner Weise eine zusätzliche Voraussetzung im Zusammenhang damit vor, dass diese Beschwerde auf die Feststellung der Unvereinbarkeit der betreffenden Beihilfe gerichtet sein müsse. Auch wenn es in der Praxis selten vorkomme oder sogar noch nie vorgekommen sei, dass von einem Beteiligten eine Beschwerde gegen eine rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfe eingelegt werde, könne dieser außergewöhnliche Umstand nicht dazu führen, dass diese Beschwerde nicht in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 falle, da andernfalls eine Zulässigkeitsvoraussetzung hinzugefügt würde, die im AEU‑Vertrag bzw. dieser Verordnung nicht vorgesehen sei.

19      Im Übrigen habe die Kommission im angefochtenen Beschluss zu Unrecht auf die Voraussetzungen für die Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens abgestellt, das zu eröffnen sei, wenn nach Abschluss der vorläufigen Prüfung noch Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt bestünden. Auch wenn in der Praxis mit den meisten gegen rechtswidrige Beihilfen gerichteten Beschwerden letztlich die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens bezweckt werde, dürfe die Möglichkeit, eine Beschwerde gegen eine rechtswidrige Beihilfe einzulegen, die zunächst zu einer vorläufigen Prüfung führen müsse, nicht mit der Eröffnung eines förmlichen Verfahrens verwechselt werden.

20      Unter diesen Umständen schließe die Tatsache, dass die Klägerinnen die von ihrer Beschwerde erfasste rechtswidrige Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erachteten und dass sie mit dieser Beschwerde einen Beschluss der Kommission erwirken wollten, keine Einwände gegen diese Beihilfe zu erheben, diese Beschwerde nicht vom Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 aus.

21      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

22      Zunächst ist festzustellen, dass die von den Klägerinnen eingelegte Beschwerde darauf gerichtet war, einen Beschluss durch die Kommission zu erwirken, keine Einwände hinsichtlich der Vereinbarkeit der von den französischen Behörden durchgeführten und auf die Tarifordnungen 2006, 1/2010 und 8/2010 gestützten Maßnahmen zu erheben. In diesem Zusammenhang wird mit dem ersten Klagegrund die Frage aufgeworfen, ob Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 dem Empfänger einer neuen, rechtswidrig gezahlten Beihilfe und – wie im vorliegenden Fall – den Gesellschaften, die aufgrund ihrer Eingliederung innerhalb derselben Gruppe ein wirtschaftliches Interesse an der durch diese Beihilfe begünstigten Gesellschaft haben, ein subjektives Recht verleiht, bei der Kommission Beschwerde einzulegen, um von dieser einen Beschluss zu erwirken, mit dem eine vom betreffenden Mitgliedstaat nicht angemeldete Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird.

23      Art. 24 („Rechte der Beteiligten“) Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 bestimmt, dass „[j]eder Beteiligte … eine Beschwerde einlegen [kann], um die Kommission über mutmaßliche rechtswidrige Beihilfen oder über eine mutmaßliche missbräuchliche Anwendung von Beihilfen zu informieren“. Gleichzeitig erfasst die Definition des „Beteiligten“ in Art. 1 Buchst. h der Verordnung 2015/1589 „Mitgliedstaaten, Personen, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, deren Interessen aufgrund der Gewährung einer Beihilfe beeinträchtigt sein können, insbesondere der Beihilfeempfänger, Wettbewerber und Berufsverbände“.

24      Zwar kann der Wortlaut der oben genannten Bestimmungen daher so verstanden werden, dass die Empfänger rechtswidrig gezahlter Beihilfen bei der Kommission Beschwerde einlegen können; eine solche Schlussfolgerung ist jedoch im Hinblick auf die Systematik der Kontrolle staatlicher Beihilfen und des Beschwerdemechanismus zurückzuweisen.

25      Was zunächst die Systematik der Kontrolle staatlicher Beihilfen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Anmeldepflicht ein Grundbestandteil des mit dem AEU‑Vertrag im Bereich der staatlichen Beihilfen eingerichteten Kontrollsystems ist, das eine durch Art. 108 Abs. 3 AEUV eingeführte vorbeugende Prüfung der beabsichtigten Einführung neuer Beihilfen vorsieht und bewirken soll, dass nur mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen durchgeführt werden, und zwar erst dann, wenn die Zweifel an ihrer Zulässigkeit durch einen abschließenden Beschluss der Kommission beseitigt wurden (Urteil vom 24. November 2020, Viasat Broadcasting UK, C‑445/19, EU:C:2020:952, Rn. 18 und 19). Dieses System der vorbeugenden Prüfung verhindert, dass diejenigen Mitgliedstaaten, die Beihilfen unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV zahlen, zu Lasten derjenigen begünstigt werden, die die Beihilfen gemäß dieser Bestimmung in der Planungsphase anmelden und ihre Durchführung bis zum abschließenden Beschluss der Kommission unterlassen (Urteil vom 4. März 2021, Kommission/Fútbol Club Barcelona, C‑362/19 P, EU:C:2021:169, Rn. 92). Insoweit ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV ausschließlich die Kommission zuständig ist, die dabei der Kontrolle der Unionsgerichte unterliegt (vgl. Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Aus der Systematik des Art. 108 Abs. 3 AEUV, der ein zweiseitiges Verhältnis zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten begründet, ergibt sich bereits, dass die Anmeldepflicht die Mitgliedstaaten trifft. Dieser Pflicht kann daher nicht durch eine Anmeldung genügt werden, die das Unternehmen vornimmt, das die Beihilfe erhält. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, erlegt der durch Art. 108 AEUV geschaffene Mechanismus der Kontrolle und Prüfung staatlicher Beihilfen dem Empfänger der Beihilfe keine spezifische Verpflichtung auf. Zum einen gelten die Verpflichtung zur Unterrichtung und das bis dahin geltende Verbot der Durchführung von beabsichtigten Beihilfemaßnahmen nur für den betreffenden Mitgliedstaat, wie sich auch implizit aus Art. 10 der Verordnung 2015/1589 ergibt, wonach der betreffende Mitgliedstaat die Anmeldung zurücknehmen kann, bevor die Kommission einen Beschluss über die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt erlassen hat. Zum anderen ist dieser Staat auch der einzige Adressat des Beschlusses, mit dem die Kommission die Unvereinbarkeit einer Beihilfe feststellt und ihn auffordert, die Beihilfe binnen einer von ihr bestimmten Frist aufzuheben (Urteile vom 11. Juli 1996, SFEI u. a., C‑39/94, EU:C:1996:285, Rn. 73, und vom 1. Juni 2006, P & O European Ferries [Vizcaya] und Diputación Foral de Vizcaya/Kommission, C‑442/03 P und C‑471/03 P, EU:C:2006:356, Rn. 103).

27      Ließe man indessen zu, dass der Empfänger einer rechtswidrig gezahlten Beihilfe Beschwerde bei der Kommission einlegen kann, damit sie die Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt feststellt, würde dies nur dazu führen, dass dieser Empfänger an die Stelle des betreffenden Mitgliedstaats treten könnte, der allein für die Anmeldung der Beihilfe bei der Kommission zuständig ist.

28      Zudem würden, wenn dem Empfänger einer rechtswidrig gezahlten Beihilfe die Möglichkeit eingeräumt würde, die Kommission zu befassen, um die Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt feststellen zu lassen, der grundlegende und zwingende Charakter der Verpflichtung zur Anmeldung von Beihilfemaßnahmen und des Verbots ihrer Durchführung gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV, wie in der Rechtsprechung festgestellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2019, Italien und Eurallumina/Kommission, T‑119/07 und T‑207/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:613, Rn. 113), sowie die grundsätzlich gebotene Sanktion in Frage gestellt, die mit dem Verstoß eines Mitgliedstaats namentlich gegen diese Verpflichtung zur vorherigen Anmeldung verbunden ist, nämlich die Rückforderung dieser Beihilfe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 1996, SFEI u. a., C‑39/94, EU:C:1996:285, Rn. 70).

29      Auf diese Weise würde es nämlich dem Empfänger einer rechtswidrig gezahlten Beihilfe ermöglicht, zu seinem eigenen Vorteil die Pflichtverletzungen des betreffenden Mitgliedstaats zu kompensieren, indem dieser Empfänger einen Beschluss der Kommission erwirkt, infolge dessen er sich auf Rn. 55 des Urteils vom 12. Februar 2008, CELF und Ministre de la Culture et de la Communication (C‑199/06, EU:C:2008:79), berufen könnte, wonach das nationale Gericht nicht verpflichtet ist, die Rückforderung einer unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 letzter Satz AEUV gewährten Beihilfe anzuordnen, wenn die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat, mit dem diese Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird. Hierum geht es den Klägerinnen, wie sie selbst einräumen.

30      Ferner ist – noch immer im Hinblick auf die Systematik des Kontrollsystems für staatliche Beihilfen – darauf hinzuweisen, dass die nationalen Gerichte zugunsten der Rechtssuchenden garantieren müssen, entsprechend ihrem nationalen Recht sämtliche Folgerungen aus einem Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Art. 108 Abs. 3 AEUV sowohl bezüglich der Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung der Beihilfemaßnahmen als auch bezüglich der Beitreibung der unter Verletzung dieser Bestimmung gewährten finanziellen Unterstützungen oder eventueller vorläufiger Maßnahmen zu ziehen (Urteil vom 21. November 1991, Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires und Syndicat national des négociants et transformateurs de saumon, C‑354/90, EU:C:1991:440, Rn. 12). Zu diesem Zweck können die nationalen Gerichte mit Rechtsstreitigkeiten befasst werden, in deren Rahmen sie den in Art. 107 Abs. 1 AEUV enthaltenen Beihilfebegriff auszulegen und anzuwenden haben, insbesondere um zu bestimmen, ob eine staatliche Maßnahme dem Vorprüfungsverfahren nach Art. 108 Abs. 3 AEUV hätte unterworfen werden müssen oder nicht. Die nationalen Gerichte müssen die betreffende Maßnahme für rechtswidrig erklären, falls sie zu dem Ergebnis gelangen, dass diese Maßnahme tatsächlich vorab der Kommission hätte notifiziert werden müssen (Urteil vom 19. März 2015, OTP Bank, C‑672/13, EU:C:2015:185, Rn. 37).

31      Daraus folgt, dass die Empfänger einer rechtswidrigen Beihilfe ihre nationalen Gerichte anrufen können, um die ausdrückliche oder stillschweigende Weigerung des diese Beihilfe gewährenden Staates, seiner Pflicht zur Notifizierung nachzukommen, ahnden zu lassen. Daher ist ihnen nicht das Recht zuzuerkennen, die Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe durch eine auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 an die Kommission gerichtete Beschwerde mit dem Ziel anzustoßen, dass sie genehmigt werde, und zwar gegebenenfalls gegen den Willen des betreffenden Mitgliedstaats, der durch die von ihm unterlassene Anmeldung zum Ausdruck kommt.

32      Wie die Kommission zu Recht ausführt, gibt es im Unionsrecht kein subjektives Recht auf Gewährung einer staatlichen Beihilfe. Folglich kann der Empfänger nicht in die Befugnisse des Mitgliedstaats eintreten und eine Anmeldung aus eigenem Antrieb für den Mitgliedstaat vornehmen, um dadurch einen Beschluss zu erwirken, mit dem die Durchführung der nicht angemeldeten Beihilfe genehmigt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juni 2006, P & O European Ferries [Vizcaya] und Diputación Foral de Vizcaya/Kommission, C‑442/03 P und C‑471/03 P, EU:C:2006:356, Rn. 103).

33      Zur Systematik des Beschwerdemechanismus und zum Recht, bei der Kommission Beschwerde einzulegen, ist festzustellen, dass gemäß Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 2015/1589 der Zweck dieses Rechts darin besteht, die Kommission über mutmaßliche rechtswidrige Beihilfen zu informieren, was nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung die Einleitung der Vorprüfungsphase nach Art. 108 Abs. 3 AEUV zur Folge hat und den Erlass eines Beschlusses der Kommission nach Art. 4 Abs. 2, 3 oder 4 der Verordnung 2015/1589 nach sich zieht (Urteil vom 5. Mai 2021, ITD und Danske Fragtmænd/Kommission, T‑561/18, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2021:240, Rn. 47).

34      Im Übrigen bestimmt Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung 2015/1589, dass die Kommission „… sicher[stellt], dass der betreffende Mitgliedstaat regelmäßig in vollem Umfang über den Stand und das Ergebnis der Prüfung [einer jeden Beschwerde] informiert wird“. Diese Vorschrift, die die Verteidigungsrechte des betreffenden Mitgliedstaats schützen soll, impliziert, dass der Beschluss, mit dem einer Beschwerde stattgeben wird, seiner Bestimmung nach zum Nachteil des Mitgliedstaats ausfällt und folglich in ihm die Unvereinbarkeit der Beihilfe festgestellt wird, die Gegenstand der Beschwerde war.

35      Dass der Beschwerdemechanismus dafür konzipiert ist, um diejenigen Beihilfen zu identifizieren, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind, wird auch durch Nr. 8 des Beschwerdeformblatts bestätigt, das in Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 erwähnt wird und das der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. 2004, L 140, S. 1) in geänderter Fassung beigefügt ist. Nach der genannten Nr. 8 hat der Beschwerdeführer „die Gründe an[zuführen], aus denen die mutmaßliche Beihilfe [seines] Erachtens nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar ist“.

36      Zudem ergibt sich aus Nr. 3 des genannten Formulars, dass die Beihilfeempfänger nicht zum Kreis derjenigen gehören, die eine Beschwerde einlegen können. Ebenso zeigt sich anhand der Erwähnung der Wettbewerber des Beihilfeempfängers oder der Beihilfeempfänger sowie der in derselben Nummer enthaltenen Frage, warum und inwiefern die mutmaßliche staatliche Beihilfe die Wettbewerbsposition des Beschwerdeführers berührt, dass mit dem Beschwerdemechanismus insbesondere die Rechte derjenigen geschützt werden sollen, deren Interessen durch die Gewährung der Beihilfe an bestimmte Empfänger beeinträchtigt werden könnten. Dies wird zudem durch Nr. 7 dieses Formulars bestätigt, in der verlangt wird, dass der Beschwerdeführer erläutert, warum seines Erachtens die mutmaßliche staatliche Beihilfe dem oder den Begünstigten einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft.

37      Obwohl die Beihilfeempfänger in Art. 1 Buchst. h der Verordnung 2015/1589 als „Beteiligte“ angesehen werden, steht die Systematik des Beschwerdemechanismus daher dem entgegen, dass dieser von Beteiligten in Anspruch genommen wird, die wie u. a. die Empfänger der beanstandeten Beihilfe ein Interesse an der Feststellung der Vereinbarkeit dieser Beihilfe durch die Kommission haben.

38      Daraus folgt, dass der Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 auf Beschwerden beschränkt ist, mit denen rechtswidrige Beihilfen gemeldet werden sollen, die die Beschwerdeführer für mit dem Binnenmarkt unvereinbar halten. Dagegen erfasst der Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 2 dieser Verordnung nicht die Beschwerden, mit denen die Beschwerdeführer geltend machen, dass eine Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar sei und aus diesem Grund von der Kommission genehmigt werden müsse. Folglich können sich die Empfänger einer rechtswidrigen Beihilfe und die Gesellschaften, die deswegen ein wirtschaftliches Interesse an dieser begünstigten Gesellschaft haben, weil sie mit ihr insofern eine wirtschaftliche Einheit bilden, als die Muttergesellschaft 100 % der Anteile am Kapital der Beschwerdeführerinnen hält, nicht auf Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 2015/1589 stützen, um eine Beschwerde im Hinblick auf eine rechtswidrige Beihilfe einzulegen, durch die sie unmittelbar oder mittelbar begünstigt werden, und zwar mit dem Ziel, seitens der Kommission einen Beschluss zu erwirken, mit dem die Vereinbarkeit dieser Beihilfe festgestellt wird.

39      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die von den Klägerinnen am 20. Juni 2020 eingelegte Beschwerde nicht in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 fällt.

40      Nach alledem hat die Kommission keinen Rechtsfehler begangen, als sie feststellte, dass die von den Klägerinnen eingelegte Beschwerde nicht in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 falle. Der erste Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589

41      Mit dem zweiten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, indem sie entgegen ihrer Verpflichtung gehandelt habe, die Vorprüfungsphase einzuleiten. Eine solche Verpflichtung sei nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 entstanden. Die Klägerinnen hätten nämlich eine Beschwerde gemäß Art. 24 Abs. 2 dieser Verordnung eingelegt.

42      Die Kommission ist der Ansicht, dass der zweite Klagegrund gegenüber dem ersten nicht eigenständig sei und dass die Entscheidung über diesen daher vollständig vom ersten Nichtigkeitsgrund abhänge, mit dem ein Verstoß gegen Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 gerügt werde. Die Kommission hält diesen aber unter Berücksichtigung der Bestimmungen von Art. 12 dieser Verordnung für unbegründet. Folglich sei auch dieser zweite Nichtigkeitsgrund zurückzuweisen.

43      Zu diesem Klagegrund ist festzustellen, dass die Kommission nach Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung 2015/1589 jede „nach Artikel 24 Absatz 2 [dieser Verordnung] eingelegte Beschwerde von Beteiligten“ prüft. Somit ist die Kommission verpflichtet, die bei ihr eingelegten Beschwerden sorgfältig und unvoreingenommen zu prüfen, wenn sie auf einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV gestützt werden und diesem Verstoß zugrunde liegende Maßnahmen eindeutig und detailliert benennen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 2018, Naviera Armas/Kommission, T‑108/16, EU:T:2018:145, Rn. 102). Da mit der von den Klägerinnen am 20. Juni 2020 eingelegten Beschwerde aber kein Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV geltend gemacht wurde und sie daher nicht in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 2 der genannten Verordnung fällt, war die Kommission nicht verpflichtet, die Vorprüfungsphase nach Art. 12 Abs. 1 dieser Verordnung einzuleiten.

44      Unter diesen Umständen ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verpflichtung der Kommission, über die Anwendung des AEUVertrags zu wachen

45      Im Rahmen des dritten Klagegrundes machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 107, 108 und 109 AEUV sowie aus der Verordnung 2015/1589 verstoßen.

46      Obwohl die Kommission über die mit den Tarifordnungen 2006, 1/2010 und 8/2010 eingeführten Beihilferegelungen sowie über ihre nicht erfolgte Anmeldung informiert worden sei, sei sie untätig geblieben, wodurch den Bestimmungen des AEU‑Vertrags ihre Bedeutung genommen worden sei. Die Kommission habe dadurch, dass sie eine Beschwerde im Hinblick auf Beihilfen zurückgewiesen habe, deren Rechtswidrigkeit sie anerkenne, ohne jedoch zuvor geprüft zu haben, ob diese mit dem Binnenmarkt vereinbar seien, ihre Aufgabe als Hüterin des Unionsrechts und als Garantin der Rechtssicherheit für die Rechtssuchenden nicht erfüllt. Da die Kommission die ausschließliche Zuständigkeit für die Prüfung der Vereinbarkeit einer Beihilfe habe, hätte sie prüfen müssen, ob die rechtswidrige Beihilfe, über die sie die Klägerinnen in Kenntnis gesetzt hätten, mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Im Übrigen gebe es von den Klägerinnen vorgebrachte Anhaltspunkte, nämlich insbesondere eine Stellungnahme der Commission de régulation de l’énergie (Energieregulierungskommission, Frankreich), die die Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Zweifel gezogen hätten.

47      Unter diesen Umständen komme die fehlende Stellungnahme der Kommission zur Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfen einer Rechtsverweigerung gleich, da dadurch eine Rechtslücke entstehe, die durch die Art. 107 bis 109 AEUV sowie die Verordnung 2015/1589 vermieden werden solle.

48      Die Kommission tritt dem Vorbringen entgegen.

49      Zum dritten Klagegrund ist zunächst darauf hinzuweisen, dass für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt – wie von den Klägerinnen ausgeführt – ausschließlich die Kommission zuständig ist (vgl. Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Unionsrecht erlegt der Kommission jedoch keine absolute Verpflichtung auf, die Vereinbarkeit einer nicht angemeldeten Beihilfe zu beurteilen, sobald sie darüber unterrichtet wird.

50      Die Verordnung 2015/1589 sieht nämlich nur zwei Fälle vor, in denen die Kommission tatsächlich verpflichtet ist, die Vereinbarkeit einer Beihilfemaßnahme mit dem Binnenmarkt zu prüfen. Zum einen besteht eine solche Verpflichtung, wenn der die Beihilfe gewährende Mitgliedstaat diese anmeldet. So bestimmt Art. 4 Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung, dass „[d]ie Kommission … die Anmeldung unmittelbar nach deren Eingang [prüft]“. Zum anderen ist die Kommission nach Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Verordnung verpflichtet, im Fall einer „nach Artikel 24 Absatz 2 [dieser Verordnung] eingelegte[n] Beschwerde von Beteiligten“ eine Prüfung vorzunehmen.

51      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Französische Republik die Beihilfen, die durch die Tarifordnungen 2006, 1/2010 und 8/2010 gewährt wurden, nicht bei der Kommission angemeldet hat. Außerdem ist festzustellen, dass die von den Klägerinnen am 20. Juni 2020 eingelegte Beschwerde nicht in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 fällt. Unter diesen Umständen war die Kommission nicht verpflichtet, die genannten Beihilfemaßnahmen zu prüfen. Daher kann das Fehlen eines Beschlusses der Kommission hinsichtlich dieser Beihilfemaßnahmen keine Rechtsverweigerung darstellen, die eine Rechtslücke schaffen könnte. Dies ist umso weniger der Fall, als die Klägerinnen, wie oben in den Rn. 29 und 30 ausgeführt, die Gerichte des betreffenden Mitgliedstaats anrufen können, um die Weigerung dieses Mitgliedstaats, die beanstandeten Maßnahmen anzumelden, ahnden zu lassen, sofern diese Gerichte feststellen, dass diese Maßnahmen als neue staatliche Beihilfen einzustufen sind.

52      Hierzu ist festzustellen, dass das in Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ausgesprochene Verbot der Durchführung von beabsichtigten Beihilfemaßnahmen unmittelbare Wirkung hat. Die unmittelbare Anwendbarkeit des in dieser Bestimmung enthaltenen Durchführungsverbots betrifft jede Beihilfemaßnahme, die durchgeführt wird, ohne dass sie angezeigt worden ist (vgl. Urteil vom 21. November 2013, Deutsche Lufthansa, C‑284/12, EU:C:2013:755, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Übrigen obliegt es den nationalen Behörden, jede rechtswidrig gewährte Beihilfe von Amts wegen zurückzufordern (Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 92).

53      Angesichts dieses klaren rechtlichen Rahmens im Hinblick auf die Regelung für ohne vorherige Anmeldung gewährte neue staatliche Beihilfen und in Anbetracht dessen, dass sich aus dem Unionsrecht kein subjektives Recht für derzeitige und potenzielle Empfänger ergibt, eine Beihilfe von einem Mitgliedstaat zu erhalten, wenn dieser die Beihilfe nicht angemeldet hat, kann auch das Fehlen eines Beschlusses der Kommission über die Vereinbarkeit einer solchen rechtswidrigen Beihilfe nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen.

54      Nach alledem ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen und ist letztlich die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

55      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Solar Electric Holding, Solar Electric Guyane, Solar Electric Martinique und Société de production d’énergies renouvelables tragen die Kosten.

Svenningsen

Barents

Laitenberger

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 10. November 2021.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.