Language of document : ECLI:EU:T:2007:379

Rechtssache T‑86/05

K & L Ruppert Stiftung & Co. Handels-KG

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Bildmarke CORPO LIVRE – Nationale und internationale Wortmarken LIVRE – Verspäteter Nachweis der Benutzung der älteren Marken“

Leitsätze des Urteils

1.      Gemeinschaftsmarke – Verfahrensvorschriften – Fristen

(Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Regel 71 Abs. 1 und 2)

2.      Gemeinschaftsmarke – Verfahrensvorschriften – Widerspruchsverfahren

(Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Regel 22 Abs. 1)

1.      Aus Regel 71 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 2868/95 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke geht hervor, dass die Verlängerung der vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) gesetzten Fristen nicht automatisch erfolgt, sondern davon abhängt, dass die Umstände des jeweiligen Falles sie rechtfertigen und dass ein Antrag auf Verlängerung gestellt wird. Das gilt erst recht im Inter-partes-Verfahren, in dem ein Vorteil, der dem einen Beteiligten gewährt wird, einen Nachteil für den anderen Beteiligten darstellt. In einem solchen Fall muss das Amt folglich darauf achten, dass es seine Unparteilichkeit gegenüber den Beteiligten wahrt.

Es ist Sache des Beteiligten, der die Verlängerung beantragt, die Umstände geltend zu machen, die die Verlängerung rechtfertigen können, da diese in seinem Interesse beantragt und möglicherweise gewährt wird. Liegen außerdem diese Umstände in der Sphäre des die Verlängerung beantragenden Beteiligten, ist dieser der Einzige, der das Amt sachdienlich darüber unterrichten kann. Damit die Widerspruchsabteilung also beurteilen kann, ob Umstände gegeben sind, die eine Verlängerung rechtfertigen, müssen diese im Verlängerungsantrag angegeben werden.

Außerdem ergibt sich aus der Systematik von Regel 71, dass ihr Abs. 2, wonach das Amt bei zwei oder mehr Beteiligten die Verlängerung einer Frist von der Zustimmung der anderen Beteiligten abhängig machen kann, nicht die alleinige Voraussetzung für die Verlängerung einer Frist festlegt, sondern die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen – die Verlängerung muss von dem Beteiligten vor Ablauf der gesetzten Frist beantragt worden sein und unter den gegebenen Umständen angezeigt sein – um eine weitere Voraussetzung ergänzt.

(vgl. Randnrn. 21-22, 55-56)

2.      Aus Regel 22 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 2868/95 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke geht hervor, dass eine Vorlage von Beweisen für die Benutzung der älteren Marke, die nach Ablauf der dafür gesetzten Frist erfolgt, grundsätzlich zur Zurückweisung des Widerspruchs führt, ohne dass das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) insoweit über ein Ermessen verfügt. Ob die ältere Marke ernsthaft benutzt wurde, ist nämlich eine Vorfrage, die daher beantwortet werden muss, bevor eine Entscheidung über den Widerspruch selbst getroffen wird.

(vgl. Randnr. 49)