Language of document : ECLI:EU:T:2013:194

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

17. April 2013(*)

„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran zur Verhinderung der nuklearen Proliferation – Einfrieren von Geldern – Begründungspflicht – Offensichtlicher Beurteilungsfehler“

In der Rechtssache T‑404/11

Turbo Compressor Manufacturer (TCMFG) mit Sitz in Teheran (Iran), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt K. Kleinschmidt,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bishop und J.‑P. Hix als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch F. Erlbacher und T. Scharf als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses 2011/299/GASP des Rates vom 23. Mai 2011 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 136, S. 65), soweit er die Klägerin betrifft,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) und des Richters M. van der Woude,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2012

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Turbo Compressor Manufacturer (TCMFG), ist eine in Iran ansässige Gesellschaft und stellt Kompressoren her, die in der Gas- und Erdölindustrie zur Förderung eingesetzt werden.

2        Am 26. Juli 2010 erließ der Rat der Europäischen Union den Beschluss 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140/GASP (ABl. L 195, S. 39). Art. 20 Abs. 1 des Beschlusses 2010/413 sieht das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen der in den Anhängen I und II dieses Beschlusses aufgeführten Personen und Einrichtungen vor.

3        Am 25. Oktober 2010 erließ der Rat im Anschluss an den Beschluss 2010/413 die Verordnung (EU) Nr. 961/2010 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 (ABl. L 281, S. 1). Art. 16 Abs. 2 der Verordnung Nr. 961/2010 sieht das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen der in Anhang VIII dieser Verordnung aufgeführten Personen, Organisationen und Einrichtungen vor.

4        Am 23. Mai 2011 erließ der Rat den Beschluss 2011/299/GASP zur Änderung des Beschlusses 2010/413 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 136, S. 65) (im Folgenden: angefochtener Beschluss), durch den u. a. Sakhte Turbopomp va Kompressor (SATAK) in die Liste der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 aufgeführten Personen und Einrichtungen aufgenommen wurde. Im angefochtenen Beschluss folgt auf den Firmennamen SATAK der Hinweis „auch bekannt als Turbo Compressor Manufacturer, TCMFG“.

5        Am selben Tag erließ der Rat die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 503/2011 zur Durchführung der Verordnung Nr. 961/2010 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 136, S. 26), durch die u. a. SATAK in die Liste des Anhangs VIII der Verordnung Nr. 961/2010 aufgenommen wurde. In der Verordnung Nr. 503/2011 folgt wie im angefochtenen Beschluss dem Firmennamen SATAK der Hinweis „auch bekannt als Turbo Compressor Manufacturer, TCMFG“.

6        Im angefochtenen Beschluss begründete der Rat das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen von SATAK damit, dass sie „an Beschaffungstätigkeiten für das Programm Irans für ballistische Flugkörper beteiligt“ sei. Die Verordnung Nr. 503/2011 führt in Bezug auf SATAK denselben Grund für ihre Aufnahme in die Liste an.

7        Mit Schreiben vom 24. Mai 2011 unterrichtete der Rat die Klägerin über ihre Aufnahme in die Listen der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 und in Anhang VIII der Verordnung Nr. 961/2010 aufgeführten Personen und Einrichtungen.

 Verfahren und Anträge der Parteien

8        Mit Klageschrift, die am 25. Juli 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

9        Mit Schriftsatz, der am 28. Oktober 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Europäische Kommission beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 16. Januar 2012 hat die Präsidentin der Vierten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben.

10      Auf Bericht der Berichterstatterin hat das Gericht (Vierte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts aufgefordert, bestimmte Unterlagen vorzulegen, und ihnen schriftlich Fragen gestellt. Die Parteien sind diesen Aufforderungen nachgekommen.

11      Die Parteien haben in der Sitzung vom 6. November 2011 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

12      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft;

–        eine prozessleitende Maßnahme gemäß Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts zu erlassen, mit der dem Rat aufgegeben wird, sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit dem angefochtenen Beschluss vorzulegen, soweit sie die Klägerin betreffen;

–        Herrn M. E., das geschäftsführende Vorstandsmitglied der Klägerin, als Zeugen zu vernehmen;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

13      Der Rat, unterstützt durch die Kommission, beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

14      In der mündlichen Verhandlung hat der Rat beantragt, im Fall der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses dessen Wirkungen für einen Zeitraum von drei Monaten ab Verkündung des Nichtigkeitsurteils aufrechtzuerhalten.

 Rechtliche Würdigung

15      Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin drei Klagegründe geltend. Sie rügt erstens eine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung der dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegenden Tatsachen, zweitens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und drittens eine Verletzung der Begründungspflicht, der Verteidigungsrechte und des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz.

16      Das Gericht hält es für angezeigt, seine Prüfung mit dem dritten Klagegrund zu beginnen.

 Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht, der Verteidigungsrechte und des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

17      Die Klägerin macht geltend, dass der Rat die Begründungspflicht, die Verteidigungsrechte und den Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verletzt habe. Die von ihm im angefochtenen Beschluss angeführte Begründung sei nicht substantiiert. Er habe weder die Tatsachen noch die Beweismittel benannt, auf die er sich gestützt habe. Aus diesem Grund habe sie nicht die Möglichkeit gehabt, den Negativbeweis zu erbringen, dass sie nicht SATAK sei und dass sie weder an proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten noch am Handel oder der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen beteiligt sei.

18      Der Rat, unterstützt durch die Kommission, hält dieses Vorbringen für nicht begründet. Er macht insbesondere geltend, der Klägerin seien die Gründe ihrer Aufnahme in die Liste des Anhangs II des Beschlusses 2010/413 bekannt gewesen. Diese Gründe erwähnten ihre Beteiligung an Beschaffungstätigkeiten für das Programm Irans für ballistische Flugkörper in Verbindung mit Berichten, wonach sie ein geheimes Geschäft zum Erwerb von Marschflugkörpern ukrainischer Herkunft durch die Islamische Republik Iran in den Jahren 2001 oder 2002 abgewickelt habe.

19      Nach der Rechtsprechung dient die Pflicht zur Begründung eines beschwerenden Rechtsakts, wie sie in Art. 296 Abs. 2 AEUV und in Art. 24 Abs. 3 des Beschlusses 2010/413 vorgesehen ist, dem Zweck, den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob der Rechtsakt sachlich richtig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der seine Anfechtung vor dem Unionsrichter zulässt, und außerdem dem Unionsrichter die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Rechtsakts zu ermöglichen. Die so verstandene Begründungspflicht ist ein wesentlicher Grundsatz des Rechts der Europäischen Union, von dem Ausnahmen nur aufgrund zwingender Erwägungen möglich sind. Die Begründung ist dem Betroffenen außerdem grundsätzlich gleichzeitig mit dem ihn beschwerenden Rechtsakt mitzuteilen; ihr Fehlen kann nicht dadurch geheilt werden, dass der Betroffene die Gründe für den Rechtsakt während des Verfahrens vor dem Unionsrichter erfährt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Oktober 2009, Bank Melli Iran/Rat, T‑390/08, Slg. 2009, II‑3967, Randnr. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Soweit nicht der Mitteilung bestimmter Umstände zwingende Erwägungen der Sicherheit der Europäischen Union oder ihrer Mitgliedstaaten oder der Gestaltung ihrer internationalen Beziehungen entgegenstehen, hat daher der Rat nach Art. 24 Abs. 3 des Beschlusses 2010/413 die Einrichtung, gegen die sich eine gemäß Art. 20 Abs. 1 des Beschlusses 2010/413 erlassene Maßnahme richtet, von den besonderen und konkreten Gründen in Kenntnis zu setzen, aus denen er der Auffassung ist, dass diese Bestimmung auf den Betroffenen anwendbar sei. Er hat somit die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme abhängt, und die Erwägungen aufzuführen, die ihn zu ihrem Erlass veranlasst haben (vgl. in diesem Sinne Urteil Bank Melli Iran/Rat, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnr. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich kann der Unionsrichter nach der Rechtsprechung nicht zulassen, dass die Begründung lediglich aus einer allgemeinen und stereotypen Formulierung besteht, die dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung entnommen ist, in der die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der fraglichen Maßnahme enthalten sind (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2006, Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat, T‑228/02, Slg. 2006, II‑4665, Randnr. 143).

21      Die Begründung muss im Übrigen der Natur des betreffenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen worden ist, angepasst sein. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung ausreichend ist, nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Insbesondere ist ein beschwerender Rechtsakt hinreichend begründet, wenn er in einem Zusammenhang ergangen ist, der dem Betroffenen bekannt war und ihn in die Lage versetzt, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen (vgl. Urteil Bank Melli Iran/Rat, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnr. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss, dass der Rat die Aufnahme von SATAK, alias die Klägerin, in die Liste des Anhangs II des Beschlusses 2010/413, wie oben in Randnr. 6 des vorliegenden Urteils ausgeführt, damit begründet hat, dass sie „an Beschaffungstätigkeiten für das Programm Irans für ballistische Flugkörper beteiligt“ sei.

23      Mit dieser Begründung hat sich der Rat darauf beschränkt, den Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2010/413 zu paraphrasieren, wonach sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen eingefroren werden, die u. a. Einrichtungen gehören, die an den proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten der Islamischen Republik Iran oder an der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen beteiligt sind, auch durch die Beteiligung an der Beschaffung der verbotenen Artikel, Güter, Ausrüstungen, Materialien und Technologien. Dagegen hat der Rat die besonderen und konkreten Gründe, aus denen er der Auffassung ist, dass diese Bestimmung auf die Klägerin anwendbar sei, nicht näher ausgeführt.

24      Die Begründung, die die Kommission veranlasst hat, die Klägerin in die Liste des Anhangs II des Beschlusses 2010/413 aufzunehmen, wie diese im angefochtenen Beschluss enthalten ist, ist somit im Hinblick auf die in den Randnrn. 19 bis 21 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung unzureichend.

25      Das vom Rat in seinen Schriftsätzen vorgetragene Argument, dass der Erlass des angefochtenen Beschlusses durch die Tatsache gerechtfertigt sei, dass die Klägerin ein geheimes Geschäft zum Erwerb von Marschflugkörpern durch die Islamische Republik Iran in den Jahren 2001 oder 2002 abgewickelt habe, geht ins Leere und ist zurückzuweisen, da es die in Randnr. 24 des vorliegenden Urteils getroffene Feststellung nicht entkräften kann. Denn nach der in Randnr. 19 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung kann das Fehlen der Mitteilung einer Begründung an den Betroffenen nicht dadurch geheilt werden, dass während des Verfahrens vor dem Unionsrichter Gründe mitgeteilt werden, die der Rat dem Betroffenen bis dahin nicht mitgeteilt hatte.

26      Nach alledem ist dem dritten Klagegrund stattzugeben, ohne dass die weiteren Rügen der Klägerin geprüft zu werden brauchen.

27      Unbeschadet des in der vorstehenden Randnummer dargelegten Ergebnisses hält das Gericht es für angezeigt, ergänzend den ersten von der Klägerin geltend gemachten Klagegrund im Hinblick auf den gesamten Akteninhalt zu prüfen.

 Zum ersten Klagegrund: offensichtlich fehlerhafte Beurteilung der dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegenden Tatsachen

28      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass der Rat einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, da sie weder an proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten noch am Handel oder der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen in Iran beteiligt sei und da sie nicht SATAK sei.

29      Der Rat, unterstützt durch die Kommission, hält dieses Vorbringen für nicht begründet.

30      Nach der Rechtsprechung erstreckt sich die gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts, mit dem restriktive Maßnahmen gegen eine Einrichtung erlassen worden sind, auf die Beurteilung der Tatsachen und Umstände, die zu seiner Begründung angeführt wurden, sowie auf die Prüfung der Beweise und Informationen, auf die sich diese Beurteilung stützt. Im Fall des Bestreitens obliegt es dem Rat, diese Beweise und Informationen dem Unionsrichter zur Überprüfung vorzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Bank Melli Iran/Rat, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnrn. 37 und 107).

31      Im vorliegenden Fall ist erstens die Rüge der Klägerin zu prüfen, sie sei nicht SATAK, und zweitens ihre Rüge, dass sie weder an proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten noch am Handel oder der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen in Iran beteiligt sei.

32      Was als Erstes die Rüge betrifft, dass die Klägerin und SATAK nicht ein und dieselbe Einrichtung seien, führt der Rat im Wesentlichen vier Umstände zur Stützung seines Vorbringens an. Erstens macht er geltend, dass das Akronym SATAK (Sakhte Turbopomp va Kompressor) im Persischen eine vergleichbare Bedeutung wie das Akronym TCMFG (Turbo Compressor Manufacturer) im Englischen habe. Zweitens erscheine die Klägerin in einem internationalen Branchenadressbuch unter dem Namen Satak Co. (Turbo Compressors) mit derselben Geschäftsanschrift wie der ihres Geschäftssitzes und, wie der Rat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, mit demselben geschäftsführenden Vorstandsmitglied. Drittens ergebe sich aus von einem Wirtschaftsauskunftsunternehmen zusammengestellten Wirtschaftsauskünften, dass der Gesellschaft Sazandeh Turbo Compressor, die auch als SATAK Company bezeichnet werde, und der Gesellschaft Oil Turbo Compressor Manufacturing, die auch als Sakht Turbo Compressor Naft Company oder TCMFG bezeichnet werde, im iranischen Ministerium für Handel und Industrie eine einzige Registernummer zugeteilt worden sei. Viertens sei zum einen die Verbindung dieser Umstände, die sich – isoliert betrachtet – als unzureichend erweisen könnten, um zu belegen, dass die Klägerin und SATAK ein und dieselbe Einrichtung seien, insoweit ausreichend. Zum anderen sei es in einem Verfahren wie dem vorliegenden, das kein Strafverfahren sei, nicht notwendig, dass der Rat die Identität der Klägerin beweise.

33      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass restriktive Maßnahmen zwar keine strafrechtliche Sanktion darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 11. Juli 2007, Sison/Rat, T‑47/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 101, und vom 7. Dezember 2010, Fahas/Rat, T‑49/07, Slg. 2010, II‑5555, Randnr. 67), dass es jedoch dem Rat nach der in Randnr. 30 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung gleichwohl obliegt, die Identität der Personen und Einrichtungen, gegen die er restriktive Maßnahmen erlässt, rechtlich hinreichend zu beweisen.

34      Zum einen reichen aber die in Randnr. 32 des vorliegenden Urteils genannten Umstände – isoliert betrachtet – nicht aus, um zu beweisen, dass die Klägerin und SATAK ein und dieselbe Einrichtung sind. Denn erstens beweist die nur vergleichbare, jedoch nicht identische Bedeutung der Akronyme SATAK und TCMFG nicht, dass es sich um ein und dieselbe Einrichtung handelt. Zweitens reicht der Umstand, dass diese beiden Gesellschaften dieselbe Anschrift haben, nicht aus, um zu belegen, dass es sich um ein und dieselbe Einrichtung handelt, da zahlreiche Gesellschaften, die in keiner Verbindung zueinander stehen, dieselbe Anschrift haben können. Drittens ergibt sich aus dem internationalen Branchenadressbuch, auf das sich der Rat bezieht, keineswegs, dass das geschäftsführende Vorstandsmitglied von SATAK, das dort nicht genannt wird, mit dem der Klägerin personengleich ist. Viertens sind die in Randnr. 32 des vorliegenden Urteils erwähnten Wirtschaftsauskünfte von einem Wirtschaftsauskunftsunternehmen zusammengestellt worden, das weder die Richtigkeit dieser Auskünfte noch deren Vollständigkeit und Aktualität garantiert.

35      Zum anderen können die in Randnr. 34 des vorliegenden Urteils aufgeführten Umstände auch zusammen betrachtet nicht rechtlich hinreichend beweisen, dass die Klägerin und SATAK ein und dieselbe Einrichtung sind. Denn die Feststellung, dass sie ähnliche Bezeichnungen führen, dass ihre Anschriften übereinstimmen und dass ihnen nach nicht überprüften Informationen im iranischen Ministerium für Handel und Industrie eine einzige Registernummer zugeteilt wurde, reicht mangels jedes weiteren überprüfbaren Anhaltspunkts nicht aus, um nachzuweisen, dass die Klägerin und SATAK ein und dieselbe Einrichtung sind. Darüber hinaus sind, wie der Rat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, die Informationen, die er insoweit vorgelegt hat, widersprüchlich. Zum einen stimmen nämlich die Telefonnummern, auf die sich der Rat in den dem Gericht vorgelegten Unterlagen bezieht, nicht überein. Zum anderen weichen die in diesen Unterlagen enthaltenen Informationen hinsichtlich des Jahres der Eintragung der Klägerin im Handelsregister – 2000 oder 2001 – voneinander ab.

36      Daher ist die Rüge der Klägerin, der Rat habe nicht bewiesen, dass sie und SATAK ein und dieselbe Einrichtung seien, begründet.

37      Was als Zweites die Rüge der Klägerin betrifft, dass sie weder an proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten noch am Handel oder an der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen beteiligt sei, trägt der Rat vor, dass SATAK an der Beschaffung von Marschflugkörpern ukrainischer Herkunft durch die Islamische Republik Iran in den Jahren 2001 oder 2002, also vor dem Erlass der Resolution 1696 (2006) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, beteiligt gewesen sei. In diesem Zusammenhang macht er geltend, der vorbeugende Charakter der restriktiven Maßnahmen erlaube es, solche Maßnahmen auch dann zu erlassen, wenn diese Beschaffung zur Zeit der Vornahme nicht rechtswidrig gewesen sei.

38      Doch selbst wenn man annimmt, die Klägerin und SATAK seien ein und dieselbe Einrichtung, ist festzustellen, dass der Rat zum einen keinen Beweis erbracht hat, um die genannte Behauptung zu stützen und dass er zum anderen den Erlass restriktiver Maßnahmen jedenfalls nicht auf eine einzige Handlung stützen kann, die ungefähr vier Jahre vor dem Erlass der Sanktionsregelung gegen die Islamische Republik Iran und ungefähr zehn Jahre vor dem Erlass der restriktiven Maßnahmen gegen die Klägerin stattgefunden hat. Zum einen beruhen nämlich restriktive Maßnahmen mehr auf einer Einschätzung einer aktuellen oder zukünftigen Bedrohung als auf der Beurteilung eines Verhaltens in der Vergangenheit (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2008, People’s Mojahedin Organization of Iran/Rat, T‑256/07, Slg. 2008, II‑3019, Randnr. 110). Zum anderen ist die bloße Gefahr, dass sich die betreffende Einrichtung in der Zukunft an verbotenen Tätigkeiten beteiligt, damit in Verbindung steht oder Unterstützung dafür bereitstellt, nicht ausreichend.

39      Daher ist festzustellen, dass der Rat angesichts von Art. 20 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2010/413 einem Irrtum erlegen ist, als er davon ausging, dass der Erlass der restriktiven Maßnahmen gegen die Klägerin gerechtfertigt sei. Mithin ist die insoweit von der Klägerin erhobene Rüge begründet.

40      Nach alledem ist dem ersten Klagegrund insgesamt stattzugeben.

41      Somit ist der vorliegenden Klage, wie sich aus den in den Randnrn. 26 und 40 des vorliegenden Urteils dargestellten Schlussfolgerungen ergibt, insgesamt stattzugeben und der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären, ohne dass der von der Klägerin geltend gemachte zweite Klagegrund sowie ihr zweiter und ihr dritter Klageantrag geprüft zu werden brauchen.

42      Was die zeitlichen Wirkungen der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses betrifft, kann das Gericht nach Art. 264 Abs. 2 AEUV, falls es dies für notwendig hält, diejenigen der Wirkungen der für nichtig erklärten Handlung bezeichnen, die als fortgeltend zu betrachten sind.

43      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerin keine Nichtigkeitsklage gegen die Durchführungsverordnung Nr. 503/2011 erhoben hat. Der Umstand, dass diese Durchführungsverordnung anwendbar bleibt, obwohl der angefochtene Beschluss für nichtig erklärt wird, kann zu einer ernsten Beeinträchtigung der Rechtssicherheit führen, da diese beiden Rechtsakte identische Maßnahmen gegen die Klägerin verhängen.

44      Unter diesen Umständen erscheint es nach Art. 264 AEUV angemessen, die Wirkungen des angefochtenen Beschlusses, soweit er die Klägerin betrifft, für einen Zeitraum, der zwei Monate und zehn Tage ab dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils nicht überschreiten darf, aufrechtzuerhalten.

 Kosten

45      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

46      Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Daher trägt die Kommission ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss 2011/299/GASP des Rates vom 23. Mai 2011 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran wird, soweit er Turbo Compressor Manufacturer (TCMFG) betrifft, für nichtig erklärt.

2.      Die Wirkungen des Beschlusses 2011/299, soweit er TCMFG betrifft, werden für einen Zeitraum, der zwei Monate und zehn Tage ab dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils nicht überschreiten darf, aufrechterhalten.

3.      Der Rat der Europäischen Union trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten von TCMFG.

4.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Pelikánová

Jürimäe

Van der Woude

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. April 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.