Language of document : ECLI:EU:T:2015:1003

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

17. Dezember 2015(*)

„Staatliche Beihilfen – Von Frankreich zugunsten der Sernam SCS verwendete Beihilfen – Beihilfen zur Umstrukturierung und Kapitalaufstockung, Garantien und Forderungsverzicht der SNCF zugunsten der Sernam – Beschluss, mit dem die Beihilfen als mit dem Binenmarkt unvereinbar erklärt wurden – Missbräuchliche Verwendung der Beihilfe – Rückforderung – Wirtschaftliche Kontinuität – Kriterium des privaten Investors“

In der Rechtssache T‑242/12

Société nationale des chemins de fer français (SNCF) mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte P. Beurier, O. Billard und V. Landes,

Klägerin,

unterstützt durch

Französische Republik, zunächst vertreten durch D. Colas und J. Gstalter, dann durch D. Colas und J. Rossi und schließlich durch D. Colas und J. Bousin als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch T. Maxian Rusche und B. Stromsky als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Mory SA, in Liquidation, mit Sitz in Pantin (Frankreich),

und

Mory Team, in Liquidation, mit Sitz in Pantin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B. Vatier und F. Loubières,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses 2012/398/EU der Kommission vom 9. März 2012 über die Staatliche Beihilfe SA.12522 (C 37/08) – Frankreich – Anwendung der Entscheidung „Sernam 2“ (ABl. L 195, S. 19)

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude sowie der Richterin I. Wiszniewska-Białecka und des Richters I. Ulloa Rubio (Berichterstatter),

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2015

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1.     Die Klägerin und die Sernam im entscheidungserheblichen Zeitraum

1        Die 1938 als Aktiengesellschaft gegründete Société nationale des chemins de fer français (SNCF) (im Folgenden: SNCF oder Klägerin) wurde durch das Gesetz 82-1153 vom 30. Dezember 1982 (Loi d’orientation des transports intérieurs [Rahmengesetz über inländische Transporte]) mit Wirkung vom 1. Januar 1983 in ein staatliches Industrie- und Handelsunternehmen (Établissement public industriel commercial, EPIC) umgewandelt. Das gesamte Kapital (das aus vom Staat bereitgestellten Mitteln und nicht aus Aktien besteht) befindet sich in der Hand des Staates.

2        Das Unternehmen Sernam ist seit seiner Gründung im Jahr 1970 durch die Klägerin als interner Dienst auf dem Gebiet der Paket- und Palettenbeförderung (Stückgut) tätig.

3        1993 wurden im Rahmen einer Umstrukturierung die Sernam Domaine und die Tochtergesellschaft Sernam Transport SA gegründet. Die Sernam Domaine blieb ein interner Dienst der SNCF, während die Sernam Transport als 100%ige Tochtergesellschaft der SNCF errichtet wurde und mit ihren 24 Filialen Straßentransportdienste ausführte.

4        Am 1. Februar 2000 wurde die Sernam Domaine in eine neue Kommanditgesellschaft, die Sernam SCS, umgewandelt, die eigene Rechtspersönlichkeit besaß und eine 100%ige Tochtergesellschaft der SNCF war. Die Sernam SCS hielt u. a. die Gesellschaftsanteile der Sernam Transport, die ihre 100%ige Tochtergesellschaft geworden war.

5        Im Dezember 2001 wurde die Sernam SCS in die Sernam SA umgewandelt. Diese zählte im Jahr 2005 zehn Betriebsgesellschaften sowie mit der Sernam Transport Route (zuvor Sernam Transport) eine Gesellschaft für Straßentransportdienstleistungen.

2.     Zur Entscheidung Sernam 1

6        Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften vertrat in ihrer Entscheidung NN 122/00 (ex N 140/00) vom 23. Mai 2001 (im Folgenden: Entscheidung Sernam 1) die Ansicht, dass die von der Klägerin vorgesehene kommerzielle Unterstützung und Sanierung der SCS Sernam, die zwischen Anfang 2001 und Ende 2004 realisiert werden sollten, als eine staatliche Beihilfe anzusehen seien, die mit dem EG-Vertrag in Einklang stehe. Die Beihilfe belaufe sich auf insgesamt 503 Mio. Euro. Die Kommission brachte ferner „ihr Bedauern darüber zum Ausdruck, dass die [Französische Republik] die in Rede stehende Beihilfe unter Verstoß gegen Artikel 88 Absatz 3 EG‑Vertrag rechtswidrig gewährt hat“.

7        Die Beihilfe von 503 Mio. Euro wurde vor allem aufgrund der Verpflichtungserklärung der Französischen Republik genehmigt, dass das Unternehmen privatisiert werde. Die Sernam SCS sollte in Höhe von 60 % ihres Kapitals von der Géodis SA übernommen werden. Die Géodis SA hätte auf diese Weise die volle und unbegrenzte Haftung für die Schulden der Sernam SCS übernehmen und die zusätzlichen Umstrukturierungskosten in Höhe von 67 Mio. Euro tragen sollen. Die Sernam SCS verpflichtete sich ihrerseits, im Zeitraum 1999 bis 2004 die Anzahl der Betriebsstandorte von 107 auf 72 zu verringern, ihren Umsatz um 18 % zu reduzieren, Personal abzubauen und in der vorgegebenen Zeit mit den genannten Finanzmitteln die Umstrukturierung durchzuführen.

3.     Zur Entscheidung Sernam 2

8        Die französischen Behörden teilten der Kommission mit Schreiben vom 17. Juni 2002 mit, dass die durch die Entscheidung Sernam 1 genehmigten Beihilfen unter anderen Bedingungen ausgezahlt worden seien als denen, auf deren Grundlage die Kommission ihre Entscheidung getroffen habe.

9        Die Kommission unterrichtete die Französische Republik mit Schreiben vom 30. April 2003 über ihren Beschluss, wegen dieser Beihilfen das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG zu eröffnen (Beschluss mit der Überschrift: „Staatliche Beihilfe – Frankreich – Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag zu der Beihilfe C 32/03 [ex NN 122/2000] – ‚Sernam 2: Änderung der Umstrukturierungsbeihilfe‘“) (ABl. C 182, S. 2).

10      Die Kommission prüfte den gesamten Vorgang erneut auf der Grundlage eines vollständigen, aktualisierten Umstrukturierungsplans, der die neuen Gegebenheiten berücksichtigte. Sie untersuchte die neuen Tatsachen, um festzustellen, inwieweit sie mit der Entscheidung Sernam 1 in Einklang standen, und prüfte, inwieweit die neue Sachlage insgesamt am Tag der Entscheidung – im Vergleich zur Entscheidung Sernam 1 – mit den Leitlinien der Gemeinschaft für Staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. 1999, C 288, S. 2) vereinbar war, insbesondere mit dem Prinzip der „einmaligen Beihilfe“.

11      Die Kommission kam in ihrer Entscheidung 2006/367/EG vom 20. Oktober 2004 über die staatliche Beihilfe, die Frankreich dem Unternehmen Sernam bereits zum Teil zur Verfügung gestellt hat (ABl. 2006, L 140, S. 1, im Folgenden: Entscheidung Sernam 2), zu dem Schluss, dass der Entscheidung Sernam 1 nicht entsprochen worden sei, was eine missbräuchliche Verwendung der Beihilfe gemäß Art. 1 Buchst. g der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. [108 AEUV] (ABl. L 83, S. 1) und Rn. 43 der Leitlinien der Gemeinschaft für Staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten darstelle.

12      Sie stellte jedoch fest, dass die französischen Behörden mehrere ihrer Ziele in Übereinstimmung mit der Entscheidung Sernam 1 erreicht hätten und dass die geprüfte Beihilfe die Kriterien für die Änderung eines Umstrukturierungsplans, die in Abschnitt 3.2.4 der Leitlinien der Gemeinschaft für Staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten aufgestellt worden seien, erfülle. Die Kommission bestätigte deshalb, dass die durch die Entscheidung Sernam 1 genehmigte Beihilfe in Höhe von 503 Mio. Euro unter neuen Bedingungen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei.

13      Ferner stellte sie fest, dass die von der Klägerin zusätzlich an Sernam gezahlte Beihilfe in Höhe von 41 Mio. Euro, die sich unmittelbar aus der missbräuchlichen Verwendung der durch die Entscheidung Sernam 1 genehmigten Beihilfe ergebe, als nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären und mit Zinsen wieder einzuziehen sei.

14      Der verfügende Teil der Entscheidung Sernam 2 bestimmt:

Artikel 1

1.      Die staatliche Beihilfe in Höhe von 503 Mio. [Euro] zugunsten des Unternehmens Sernam, die im Mai 2001 genehmigt wurde, ist unter den Bedingungen der Artikel 3 und 4 mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

2.      Die von [der Französischen Republik] an das Unternehmen Sernam gezahlte staatliche Beihilfe von 41 Mio. [Euro] ist nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

Artikel 2

1.      [Die Französische Republik] hat alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die in Artikel 1 Absatz 2 genannte, widerrechtlich bereits an Sernam gezahlte Beihilfe wieder einzuziehen.

2.      Die Rückforderung der Beihilfe hat unverzüglich im Einklang mit den nationalen Verfahren zu erfolgen, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen. Die zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen von dem Zeitpunkt an, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung. Die Zinsen werden auf der Grundlage des für die Berechnung des Subventionsäquivalents der Regionalbeihilfen verwendeten Bezugssatzes errechnet.

Artikel 3

1. Vorbehaltlich des Absatzes 2 sind folgende Bedingungen einzuhalten:

a)      Sernam darf nur die Beförderung von Paketen mit der Bahn entsprechend dem Konzept des TBE (‚Train bloc express‘) weiter ausbauen. In diesem Zusammenhang garantiert die SNCF allen anderen Unternehmen, die dies beantragen, beim Ausbau von Frachtdiensten mit der Bahn (TBE) die gleichen Bedingungen, die Sernam erhalten hat.

b)      Sernam [ihrerseits] muss in den nächsten zwei Jahren (ab dem Datum der Notifizierung dieser Entscheidung) ihre eigenen Straßentransportmittel und ‑dienste vollständig durch Straßentransportmittel und ‑dienste eines oder mehrerer Unternehmen ersetzen, die rechtlich und wirtschaftlich von der SNCF unabhängig sind und in einem offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Verfahren ausgewählt wurden.

Mit eigenen Straßentransportmitteln und ‑diensten der Sernam sind sämtliche Straßenfahrzeuge gemeint, die Eigentum des Unternehmens Sernam sind bzw. über die dieses einen Leasing- oder Mietvertrag abgeschlossen hat.

Die Unternehmen, die die Straßentransporttätigkeiten der Sernam übernehmen, müssen die gesamte Beförderungsleistung mit eigenen Mitteln erbringen.

2.      Sollte Sernam bis zum 30. Juni 2005 [ihre] Aktiva ‚en bloc‘ im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens zum Marktpreis an ein Unternehmen verkaufen, das keine rechtliche Verbindung mit der SNCF hat, gilt Absatz 1 nicht.

Artikel 4

Jeder Verkauf von Sernam (zum Teil oder im Ganzen) muss zum Marktpreis und im Rahmen eines transparenten und für alle Konkurrenten offenen Verfahrens stattfinden. In diesem Fall hat Sernam – sofern das Unternehmen weiter besteht – die Beihilfe in Höhe von 41 Mio. [Euro] zurückzuerstatten.

…“

4.     Zur Übertragung der Aktiva der Sernam „en bloc“ auf die Financière Sernam und den darauf folgenden Ereignissen

15      Nach Erlass der Entscheidung Sernam 2 statteten die französischen Behörden der Kommission am 24. November 2004 einen Besuch ab und unterrichteten sie am 21. Dezember 2004 mit einem förmlichen Schreiben über ihre Entscheidung, die Aktiva der Sernam gemäß Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 „en bloc“ zu verkaufen.

16      Die Klägerin veranstaltete mit Hilfe einer Bank (im Folgenden: Bank X) eine Ausschreibung. Mit 34 Gruppen wurde Kontakt aufgenommen.

17      Den französischen Behörden zufolge war es wegen der wirtschaftlichen Lage der Sernam nicht möglich, Vorschläge mit positiver Bewertung der Aktiva zu erhalten. Alle im Rahmen dieses Verfahrens eingereichten Angebote hätten äußerst negative Werte ausgewiesen:

–        Bewerber 1 (vorläufiges Angebot): -120 Mio. Euro;

–        Bewerber 2 (vorläufiges Angebot): -90,4 Mio. Euro;

–        Bewerber 3 (vorläufiges Angebot): -90,4 Mio. Euro;

–        Bewerber 4 (unverbindliches Angebot zweite Runde): - 65,2 Mio. Euro;

–        Bewerber 5 (unverbindliches Angebot zweite Runde): - 56,4 Mio. Euro.

18      Es wurde kein verbindliches Angebot abgegeben. Zwei Bieter, der Bewerber Nr. 4 und der mit dem Führungsteam der Sernam verbundene Bewerber Nr. 5, zeigten allerdings ein ernsthaftes Interesse nach der zweiten Runde. Es wurde beschlossen, die Verhandlungen ausschließlich mit dem Konsortium fortzusetzen, das von dem mit dem Führungsteam der Sernam verbundenen Bewerber Nr. 5 gebildet worden war (im Folgenden: Konsortium).

19      Der Bewerber Nr. 5 teilte der Klägerin schließlich am 15. Juni 2005 mündlich mit, dass er nicht in der Lage sei, vor dem 30. Juni 2005 ein auch nur bedingtes Übernahmeangebot abzugeben.

20      Das Führungsteam der Sernam beschloss, im Rahmen einer noch zu gründenden Gesellschaft, die zunächst Bidco und dann Financière Sernam hieß, ein eigenes Übernahmeangebot abzugeben, das der Klägerin am 30. Juni 2005 übermittelt und am selben Tag von ihrer Generaldirektion grundsätzlich angenommen wurde.

21      Die Vereinbarung zwischen der Klägerin, der Sernam, der SAS Sernam Xpress (einer der zehn 100%igen Tochtergesellschaften der Sernam, die 2002 gegründet wurde, im Folgenden: Sernam Xpress) und den Führungskräften der künftigen Gesellschaft Financière Sernam wurde am 21. Juli 2005 unterzeichnet (im Folgenden: Vereinbarung vom 21. Juli 2005).

22      Die Übertragung erfolgte in vier Schritten:

–        Die Klägerin nahm bei ihrer 100%igen Tochtergesellschaft Sernam eine Kapitalaufstockung in Höhe von 57 Mio. Euro vor.

–        Die Sernam brachte sodann eine Teileinlage von Vermögenswerten in ihre 100%ige Tochtergesellschaft Sernam Xpress ein (im Folgenden: Einlage), die der Spaltungsregelung nach den Art. L 236-16 bis L 236-21 des französischen Handelsgesetzbuchs unterliegt. Als Gegenleistung für diese Einlage erhielt die Sernam einen Anteil an der Sernam Xpress im Nennwert von 100 Euro (die Vergütung einer Teileinlage von Vermögenswerten erfolgt in Form von Beteiligungen). Die Einlage umfasste alle Aktivposten einschließlich der Kapitalaufstockung in Höhe von 57 Mio. Euro sowie alle Passivposten der Sernam mit Ausnahme bestimmter Finanzpassiva in Höhe von insgesamt 38,5 Mio. Euro (im Folgenden zusammen als Finanzpassiva bezeichnet). Diese umfassten:

–        den Betrag, den Sernam im Zusammenhang mit dem von ihr am 21. Dezember 2001 bei der SNCF‑Gruppe aufgenommenen Beteiligungsdarlehen schuldete;

–        die Aktiv- und Passivposten infolge der Vertragsauflösung „IBM – GPS“.

–        Sofort nach der Realisierung der Einlage nahm die Sernam Xpress eine Kapitalerhöhung um 2 Mio. Euro vor, die voll und ganz von der Klägerin getragen wurde. Im Anschluss an diese Maßnahme besaß die Klägerin die Mehrheit der Anteile der Sernam Xpress.

–        Die Sernam und die Klägerin traten sodann die Gesamtheit ihrer Anteile an der Sernam Xpress, die deren gesamtes Kapital ausmachten, zum Preis von 2 Mio. Euro an die Financière Sernam ab.

23      Ferner wurden ein Preisaufstockungsmechsnismus für den Fall einer späteren vollständigen oder teilweisen Übertragung des Kapitals oder der Aktiva der veräußerten Gesellschaft auf einen Dritten sowie eine Vertragsauflösungsklausel für den Fall einer negativen Entscheidung der Kommission innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss der Vereinbarung vom 21. Juli 2005 vorgesehen.

24      Bei der Übertragung übernahm die Klägerin auch Bürgschaften.

25      Die Vereinbarung zwischen der Sernam und der Sernam Xpress über die Teileinlage von Vermögenswerten wurde am 14. September 2005 getroffen. Die Financière Sernam wurde am 14. Oktober 2005 in das Handelsregister eingetragen.

26      Die verschiedenen oben in Rn. 22 beschriebenen Übertragungsmaßnahmen wurden am selben Tag, dem 17. Oktober 2005, der als „Closing“ bezeichnet wurde, durchgeführt.

27      Die Sernam wurde am 15. Dezember 2005 durch gerichtlich angeordnete Liquidation aufgelöst. Die 41 Mio. Euro, die kraft der Entscheidung Sernam 2 an die Klägerin zurückzuzahlen waren, wurden auf der Passivseite dieser Liquidation ausgewiesen, ebenso wie die 38,5 Mio. Euro der von der Einlage ausgenommenen Finanzpassiva (siehe oben, Rn. 22 zweiter Gedankenstrich).

28      Im Laufe des Jahres 2006 trat ein Investmentfonds mit einer Kapitalbeteiligung von 51,8 % in die Gesellschaft Sernam Xpress ein.

29      Im Mai 2011 brachte die Sernam Xpress die Marke Sernam in ihre Betriebsgesellschaft Sernam Services ein.

30      Am 30. Juni 2011 wurde die Sernam Xpress aufgelöst, und die Financière Sernam übernahm als einzige Teilhaberin deren Vermögen („Gesamtrechtsnachfolge“).

31      Die Sernam-Gruppe bestand zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Beschlusses aus der Financière Sernam und den Betriebsgesellschaften der ehemaligen Sernam Xpress, nämlich der Sernam Services und der Aster (der früheren Sernam Transport Route).

32      Am 31. Januar 2012 wurde gegen die Gesellschaften Financière Sernam und Sernam Services ein Insolvenzverfahren eingeleitet. Am 3. Februar 2012 wurde gegen die Betriebsgesellschaft „Aster“ ein gerichtliches Liquidationsverfahren bei vorübergehender Fortführung der Tätigkeit eingeleitet.

33      Da der bestellte Insolvenzverwalter einen Plan für den Weiterbestand der Sernam-Gruppe für nicht realisierbar hielt, begab er sich auf die Suche nach Übernahmeinteressenten.

5.     Zu dem Verfahren, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses geführt hat

34      Am 24. Juni 2005 reichte erstmals ein Beschwerdeführer (im Folgenden: erster Beschwerdeführer) Beschwerde wegen der nicht ordnungsgemäßen Anwendung der Entscheidung Sernam 2 der Kommission ein.

35      Am 22. Februar 2006 erhob der erste Beschwerdeführer Untätigkeitsklage gegen die Kommission.

36      Mit Schreiben vom 10. April 2006 und vom 23. April 2007 reichte auch ein zweiter Betroffener (im Folgenden: zweiter Beschwerdeführer) eine Beschwerde bei der Kommission ein.

37      Die beiden Beschwerdeführer rügten im Wesentlichen die missbräuchliche Anwendung der Entscheidung Sernam 2.

38      Die Kommission eröffnete mit Entscheidung vom 16. Juli 2008 („Staatliche Beihilfe – Frankreich – Staatliche Beihilfe C 37/08 – Anwendung der Entscheidung Sernam 2. Aufforderung zur Stellungnahme gemäß Artikel [108 Abs. 2 AEUV]“) (ABl. 2009, C 4, S. 5, im Folgenden: Eröffnungsentscheidung) das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV.

39      Am 29. April 2009 erklärte das Gericht auf die vom ersten Beschwerdeführer gegen die Kommission erhobene Untätigkeitsklage die Hauptsache für erledigt (Beschluss vom 29. April 2009, HALTE/Kommission, T‑58/06, EU:T:2009:125).

40      Am 9. März 2012 erließ die Kommission den Beschluss 2012/398/EU über die Staatliche Beihilfe SA.12522 (C 37/08) – Frankreich – Anwendung der Entscheidung „Sernam 2“ (ABl. L 195, S. 19, im Folgenden: angefochtener Beschluss), den sie am 10. März 2012 den französischen Behörden übersandte. Diese übermittelten ihn der Klägerin am 26. März 2012.

6.     Der angefochtene Beschluss

41      Die Kommission wies einleitend darauf hin, dass das Verfahren nach Art. 16 der Verordnung Nr. 659/1999 eröffnet worden sei, weil sie Anhaltspunkte dafür gehabt habe, dass die Französische Republik die unter den Bedingungen der Entscheidung Sernam 2 genehmigte Beihilfe missbräuchlich verwendet habe, und zwar nach missbräuchlicher Verwendung der durch die Entscheidung Sernam 1 ebenfalls unter Bedingungen genehmigten Beihilfe.

 Zur missbräuchlichen Verwendung der durch die Entscheidung Sernam 2 genehmigten staatlichen Beihilfe

42      Die Kommission führte aus, sie habe sich auf die Prüfung beschränken können, ob die Französische Republik die Bedingungen nach Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 eingehalten habe, da die französischen Behörden zugegeben hätten, dass die Bedingungen nach Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung Sernam 2 nicht eingehalten worden seien.

43      Nach Meinung der Kommission wurden zahlreiche Bedingungen nach Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 nicht eingehalten.

44      Erstens wies die Kommission in Abschnitt 3.2.1 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass die Übertragung der Geschäftstätigkeiten nicht bis zum 30. Juni 2005 erfolgt sei.

45      Zweitens vertrat sie in Abschnitt 3.2.2 des angefochtenen Beschlusses die Auffassung, dass die Übertragung der Geschäftstätigkeiten keinen Verkauf dargestellt habe, da der Preis negativ gewesen sei. Auch aus diesem Grund sei Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 nicht eingehalten worden.

46      Drittens stellte die Kommission in Abschnitt 3.2.3 des angefochtenen Beschlusses fest, dass es sich bei der Übertragung der Geschäftstätigkeiten nicht um einen Verkauf der Aktiva, sondern um eine Übertragung der Sernam als Ganzes (Aktiva und Passiva) gehandelt habe, denn zum einen habe eine Übertragung der Aktiva und Passiva im Ganzen („en bloc“) innerhalb verbundener Unternehmen mit anschließendem Verkauf der Geschäftsanteile (share deal) der Tochtergesellschaft, die die Aktiva und Passiva erhalten habe, stattgefunden (Erwägungsgründe 108 bis 112 des angefochtenen Beschlusses), und zum anderen habe sich die Übertragung nicht auf die Aktiva beschränkt, sondern die Gesamtheit (Aktiva und Passiva) der Sernam umfasst (Erwägungsgründe 113 bis 116 des angefochtenen Beschlusses).

47      Viertens führte die Kommission in Abschnitt 3.2.4 des angefochtenen Beschlusses aus, die Übertragung sei nicht auf die Aktiva begrenzt gewesen, die die Sernam zum Zeitpunkt der Annahme der Entscheidung Sernam 2 besessen habe, sondern die Kapitalaufstockung in Höhe von 57 Mio. Euro netto habe einen Zufluss zu den Aktiva gebildet, der nach Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 nicht gestattet gewesen sei.

48      Fünftens legte die Kommission in Abschnitt 3.2.5 des angefochtenen Beschlusses dar, dass die Übertragung der Geschäftstätigkeiten nicht im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens erfolgt sei.

49      Sechstens führte sie in Abschnitt 3.2.6 des angefochtenen Beschlusses aus, dass der Zweck des Verkaufs der Aktiva nicht erfüllt worden sei.

50      Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass Art. 3 der Entscheidung Sernam 2 nicht eingehalten und die Umstrukturierungsbeihilfe in Höhe von 503 Mio. Euro demzufolge missbräuchlich verwendet worden sei.

51      Die Kommission war der Meinung, dass die Beihilfe von 503 Mio. Euro vom Begünstigten unter Verletzung der Entscheidung Sernam 2 verwendet worden sei und daher auf der Grundlage der Entscheidung Sernam 2 nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Da die Französische Republik keinen Grund für die Vereinbarkeit angeführt habe, sei diese Beihilfe mit dem Binnenmarkt unvereinbar und müsse samt Zinsen, die ab dem Zeitpunkt der Bereitstellung der Beihilfe zu berechnen seien, zurückgefordert werden, und zwar von der Financière Sernam und ihren Betriebsgesellschaften, namentlich der Sernam Services und der Aster, die die mit der Beihilfe geförderte wirtschaftliche Tätigkeit fortführten, die ehemals von der Sernam und danach von der Sernam Xpress (deren Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge am 30. Juni 2011 auf die Financière Sernam übergegangen sei) ausgeübt worden sei.

 Zur Rückforderung der Beihilfe von 41 Mio. Euro

52      Die Kommission prüfte in den Erwägungsgründen 132 bis 151 des angefochtenen Beschlusses, ob die Französische Republik die durch die Entscheidung Sernam 2 für unvereinbar erklärte Beihilfe von 41 Mio. Euro dadurch, dass sie sie auf der Passivseite der Liquidation der Sernam ausgewiesen habe, ordnungsgemäß zurückgefordert habe und ob diese Rückforderung nach der einschlägigen Unionsrechtsprechung nicht auf die Financière Sernam und ihre Betriebsgesellschaften Sernam Services und Aster erstreckt werden müsse. Sie verwies dazu insbesondere auf die Urteile vom 8. Mai 2003, Italien und SIM 2 Multimedia/Kommission (C‑399/00 und C‑328/99, Slg, im Folgenden: Urteil Seleco, EU:C:2003:252), vom 29. April 2004, Deutschland/Kommission (C‑277/00, Slg, im Folgenden: Urteil SMI, EU:C:2004:238), und vom 19. Oktober 2005, CDA Datenträger Albrechts/Kommission (T‑324/00, Slg, im Folgenden: Urteil CDA, EU:T:2005:364).

53      Erstens kam die Kommission in den Erwägungsgründen 144 bis 148 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der Sernam auf die Sernam Xpress zur Folge gehabt habe, dass der Sernam Xpress der tatsächliche Nutzen des mit dem Erhalt der Beihilfen verbundenen Wettbewerbsvorteils verblieben sei, denn zwischen diesen beiden Gesellschaften habe es immer wirtschaftliche Kontinuität gegeben. Die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der Sernam auf Sernam Xpress komme einer Umgehung der auf der Sernam lastenden Rückzahlungsanordnung gleich.

54      Zweitens wies sie im 149. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass nach der Rechtsprechung der Verkauf von Anteilen an einer Gesellschaft, die Empfängerin einer rechtswidrigen Beihilfe sei, durch den Anteilseigner an einen Dritten keinerlei Einfluss auf die Verpflichtung zur Rückforderung von der begünstigten Gesellschaft habe. Folglich sei die Sernam Xpress auch nach dem Verkauf ihrer Gesellschaftsanteile an die Financière Sernam zur Rückzahlung der Beihilfe von 41 Mio. Euro verpflichtet.

55      Drittens führte die Kommission im 150. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aus, nach der Fusion der Sernam Xpress und der Financière Sernam am 30. Juni 2011 sei der Nutzen der Beihilfe von 41 Mio. Euro und damit auch die Rückzahlungsverpflichtung auf die Financière Sernam und ihre Betriebsgesellschaften, namentlich die Sernam Services und die Aster, die die Geschäftstätigkeiten der Sernam und der Sernam Xpress fortführten, übergegangen.

 Zu den der Sernam Xpress/Financière Sernam gewährten neuen Beihilfen

56      Die Kommission war der Auffassung, dass die in der Vereinbarung vom 21. Juli 2005 vorgesehenen Maßnahmen neue staatliche Beihilfen darstellten. Bei diesen Maßnahmen handele es sich um die von der Klägerin bei der Sernam vorgenommene Kapitalaufstockung in Höhe von 57 Mio. Euro netto, um den Verzicht der Klägerin auf zwei gegen Sernam bestehende Forderungen von insgesamt 38,5 Mio. Euro und um vier der Sernam Xpress/Financière Sernam von der Klägerin gewährte Bürgschaften.

57      Die Kommission legte zunächst in den Erwägungsgründen 154 bis 158 des angefochtenen Beschlusses dar, weshalb sie beschlossen habe, bei der Qualifizierung dieser Maßnahmen nach Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Investors anzuwenden.

58      Erstens vertrat sie im 154. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Auffassung, dass in einer Rechtslage, in der es um die Rückforderung einer Beihilfe gehe, der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Investors keine Anwendung finde.

59      Zweitens stellte sie im 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fest, dass nach Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 der Verkauf von Aktiva als gleichwertig mit den Ausgleichsmaßnahmen nach Art. 3 Abs. 1 dieser Entscheidung anzusehen sei. Nach Rn. 40 der Leitlinien der Gemeinschaft für Staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. 2004, C 244, S. 2, im Folgenden: Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung) könne die Veräußerung einer defizitären Geschäftstätigkeit jedoch nicht als Ausgleichsmaßnahme betrachtet werden. Der negative Preis zeige, dass es sich um die Veräußerung einer defizitären Geschäftstätigkeit handele, die einer Ausgleichsmaßnahme nicht gleichwertig sein könne. Im vorliegenden Fall entspreche der negative Preis einer Betriebsbeihilfe für das Unternehmen, die somit von Natur aus nicht geeignet sei, Wettbewerbsverzerrungen zu verringern.

60      Bezüglich der Qualifizierung als staatliche Beihilfe wies die Kommission im 159. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass die Maßnahme aus Mitteln eines staatlichen Unternehmens, der Klägerin, gewährt worden sei. Da die Klägerin eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (EPIC) sei und einer sehr strengen staatlichen Aufsicht unterliege, sei die Gewährung des Vorteils somit auch dem Staat zurechenbar. Da die Sernam Xpress und die Financière Sernam auf dem Straßentransportsektor tätig seien, der in der Union dem Wettbewerb offenstehe, drohe der Vorteil den Wettbewerb zu verfälschen und beeinträchtige den Handel zwischen den Mitgliedstaaten. Es sei nicht notwendig, zwischen den der Sernam Xpress und den der Financière Sernam gewährten Vorteilen zu unterscheiden, da diese beiden Unternehmen später fusioniert hätten.

61      Da die Französische Republik, der die Beweislast obliege, keine Gründe für die Vereinbarkeit dieser Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt genannt habe, seien die Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und samt Zinsen zurückzufordern.

62      Der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses lautet:

Artikel 1

(1)      Die staatlichen Beihilfen in Höhe von 503 Mio. [Euro], die [die Französische Republik] der Kommanditgesellschaft Sernam SCS (umgewandelt in … [Sernam]) gewährt und die Kommission mit ihrer Entscheidung [Sernam 2] genehmigt hat, wurden missbräuchlich verwendet. Sie sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. Diese Beihilfen sind auch der Sernam Xpress wie auch der Financière Sernam und ihren Betriebsgesellschaften Sernam Services und Aster zugutegekommen.

(2)      Die staatliche Beihilfe in Höhe von 41 Mio. [Euro], die [die Französische Republik] der Sernam SCS gewährt hat und die durch die Entscheidung Sernam 2 als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wurde, ist auch der Sernam Xpress wie auch der Financière Sernam und ihren Betriebsgesellschaften, namentlich der Sernam Services und der Aster, zugutegekommen.

(3)      Die Kapitalaufstockung bei der [Sernam] in Höhe von 57 Mio. [Euro] durch die SNCF, der Forderungsverzicht der SNCF gegenüber der [Sernam] in Höhe von 38,5 Mio. [Euro] und die Bürgschaften, die bei der Übertragung der Geschäftstätigkeiten der [Sernam] auf die Financière Sernam von der SNCF übernommen wurden, stellen – mit Ausnahme des den Eisenbahnbediensteten garantierten Rückkehrrechts – staatliche Beihilfen dar, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind.

Artikel 2

(1)      [Die Französische Republik] fordert die in Artikel 1 genannten staatlichen Beihilfen von Financière Sernam und von deren Betriebsgesellschaften Sernam Services und Aster zurück.

(2)      Der Rückforderungsbetrag umfasst Zinsen, die ab dem Zeitpunkt, an dem die Beihilfen dem Begünstigten zur Verfügung gestellt wurden, bis zu deren tatsächlichen Rückzahlung berechnet werden.

(3)      Die Zinsen werden nach Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommssion vom 21. April 2004 berechnet.

Artikel 3

(1)      Die in Artikel 1 genannten Beihilfen werden sofort und tatsächlich zurückgefordert.

(2)      [Die Französische Republik] stellt sicher, dass dieser Beschluss binnen vier Monaten nach seiner Bekanntgabe umgesetzt wird.

(3)      Im Rahmen dieser Umsetzung kann [die Französische Republik] etwaige Beträge anrechnen, die die SNCF in der Folge der Liquidation der [Sernam] unter vorstehenden Bedingungen zurückgefordert hat.

Artikel 4

(1)      [Die Französische Republik] übermittelt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses die folgenden Informationen:

a)      das Datum, zu dem jede einzelne Beihilfemaßnahme dem jeweils Begünstigten bereitgestellt wurde, und den Gesamtbetrag (Beihilfe und Zinsen), der von dem Begünstigten für jede einzelne Beihilfemaßnahme zurückzufordern ist;

b)      eine ausführliche Beschreibung der Maßnahmen, die ergriffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen;

c)      die Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass an den Begünstigten eine Rückzahlungsanordnung ergangen ist.

(2)      [Die Französische Republik] unterrichtet die Kommission über den Fortgang [ihrer] Maßnahmen zur Umsetzung dieses Beschlusses, bis die Rückzahlung der in Artikel 1 genannten Beihilfen abgeschlossen ist. Auf Anfrage der Kommission legt [sie] unverzüglich alle Informationen über die Maßnahmen vor, die ergriffen wurden bzw. beabsichtigt sind, um diesem Beschluss nachzukommen. Ferner übermittelt [sie] ausführliche Angaben über die Beihilfebeträge und die Zinsen, die vom Begünstigten zurückgezahlt wurden.

Artikel 5

Dieser Beschluss ist an die Französische Republik gerichtet.“

7.     Über die nach Erlass des angefochtenen Beschlusses eingetretenen Ereignisse

63      Nach Erlass des angefochtenen Beschlusses, ersuchten die französischen Behörden die Kommission am 23. März 2012 um eine Bestätigung, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung der staatlichen Beihilfen, die den Unternehmen der Sernam-Gruppe durch Art. 2 des angefochtenen Beschlusses auferlegt worden sei, nicht auf die Unternehmen der Gruppen Géodis (die zur SNCF‑Gruppe gehören) und BMV erstreckt werde, falls diese einen Teil der Aktiva der Sernam-Unternehmen im Rahmen des diese betreffenden Insolvenzverfahrens übernehmen würden.

64      Die Kommission stellte in ihrem Beschluss vom 4. April 2012 betreffend die staatliche Beihilfe SA. 34547 (2012/N) – Frankreich – Übernahme der Aktiva der Sernam-Gruppe im Rahmen des diese betreffenden Insolvenzverfahrens (im Folgenden: Entscheidung Sernam 4) fest, dass zwischen der Sernam-Gruppe und Géodis und BMV, den Übernehmern eines Teils der Aktiva der Sernam-Gruppe, keine wirtschaftliche Kontinuität bestehe und es keinen Grund gebe, die Rückforderung der durch den angefochtenen Beschluss für rechtswidrig und unvereinbar erklärten Beihilfen auf Geodis und BMV zu erstrecken.

65      Am 13. April 2012 wurde gegen die Financière Sernam und die Sernam Services das Liquidationsverfahren eröffnet. Am selben Tag reichte Géodis ein Angebot ein und wurde vom Handelsgericht Nanterre (Frankreich) zum Übernehmer der Aktiva der Sernam-Gruppe bestimmt.

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

66      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 4. Juni 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

67      Die Französische Republik hat mit Schriftsatz, der am 18. Oktober 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden. Der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts hat diesen Streitbeitritt mit Beschluss vom 26. November 2012 zugelassen. Die Französische Republik hat ihren Streithilfeschriftsatz am 11. Februar 2013 eingereicht.

68      Die Klägerin hat mit Schriftsatz, der am 14. Februar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, ein neues Beweisangebot in die Akten aufzunehmen. Der Präsident der Sechsten Kammer hat am 26. Februar 2013 das neue Beweisangebot zu den Akten genommen. Die Kommission hat am 14. März 2013 Erklärungen zu dem neuen Beweisangebot abgegeben. Die Französische Republik hat mitgeteilt, dass sie keine Erklärungen abgeben werde.

69      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Siebten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache am 23. September 2013 zugewiesen worden ist.

70      Mit Schriftsatz, der am 25. November 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Firmen Mory SA, Mory Team und Superga Invest beantragt, im vorliegenden Rechtsstreit als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

71      Mit Schriftsatz, der am 29. Januar 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin beantragt, bestimmte Angaben und Passagen der Verfahrensakten als vertraulich zu behandeln, falls dem Antrag der Streithelferinnen auf Zugang zu den gesamten Verfahrensakten ausnahmsweise entsprochen werden sollte. Zu diesem Zweck hat sie eine nicht vertrauliche Fassung der Verfahrensakten vorgelegt.

72      Durch Beschluss vom 23. Mai 2014 hat der Präsident der Siebten Kammer des Gerichts den Streitbeitritt der Firmen Mory und Mory Team gemäß Art. 116 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 zugelassen und den Streithilfeantrag der Firma Superga Invest abgewiesen. Die Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf vertrauliche Behandlung ist vorbehalten worden.

73      Das Gericht hat der Klägerin, der Kommission und der Französischen Republik mit Schreiben vom 23. Oktober 2014 im Wege der in Art. 64 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991vorgesehenen prozessleitenden Maßnahmen schriftliche Fragen zur schriftlichen Beantwortung übermittelt. Ferner hat es die Klägerin und die Kommission aufgefordert, bestimmte Dokumente einzureichen. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

74      Die Klägerin hat mit Schriftsatz, der am 17. November 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, ein zweites neues Beweisangebot in die Akten aufzunehmen. Der Präsident der Siebten Kammer des Gerichts hat dieses Beweisangebot am 21. November 2014 zu den Akten genommen und die Kommission und die Französische Republik aufgefordert, in der mündlichen Verhandlung dazu Stellung zu nehmen.

75      Mit Schriftsatz, der am 27. November 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin zu den von der Kommission eingereichten Antworten auf die Fragen Stellung genommen. Der Präsident der Siebten Kammer hat mit Beschluss vom 3. Dezember 2014 beschlossen, diesen Schriftsatz nicht zu den Akten zu nehmen.

76      Die Parteien haben in der Sitzung vom 12. Februar 2015 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

77      Die Klägerin, unterstützt durch die Französische Republik, beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

78      Die Kommission beantragt,

–        die Klage für unzulässig, hilfsweise für unbegründet zu erklären;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

79      Die Firmen Mory und Mory Teams beantragen, die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

 Rechtliche Würdigung

80      Die Klägerin stützt ihre Nichtigkeitsklage auf sechs Klagegründe. Erstens rügt sie eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte, da die Kommission im angefochtenen Beschluss den in der Eröffnungsentscheidung nicht geäußerten Standpunkt vertreten habe, dass das Kriterium des privaten Investors im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Dazu macht die Französische Republik geltend, sie sei in ihren eigenen Verteidigungsrechten ebenfalls verletzt worden, und zwar aus den gleichen Gründen. Zweitens beanstandet die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Drittens rügt sie einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Einhaltung einer angemessenen Frist und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Viertens macht die Klägerin geltend, der Kommission seien Rechts- und Tatsachenfehler unterlaufen, soweit sie in der Veräußerung der Aktiva der Sernam „en bloc“ einen Verstoß gegen die in Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 genannten Bedingungen gesehen habe. Fünftens sei der Kommission ein Rechtsfehler unterlaufen, soweit sie die Ansicht vertreten habe, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung der durch die Entscheidung Sernam 2 für unvereinbar erklärten staatlichen Beihilfe von 41 Mio. Euro auf die Financière Sernam und ihre Betriebsgesellschaften übergegangen sei. Sechstens macht sie geltend, der Kommission sei ein Rechtsfehler unterlaufen, soweit sie die in der Vereinbarung vom 21. Juli 2005 vorgesehenen Maßnahmen als neue staatliche Beihilfen zugunsten der Sernam Xpress/Financière Sernam angesehen habe.

81      Nach Ansicht des Gerichts sind zunächst die letzten drei Klagegründe und dann die ersten drei Klagegründe betreffend die Verstöße gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts zu untersuchen, da zahlreiche Fragen, die diese ersten drei aufwerfen, von der Beurteilung des vierten, des fünften und des sechsten Klagegrundes abhängen.

1.     Zum vierten Klagegrund: Der Kommission seien Rechts- und Tatsachenfehler unterlaufen, soweit sie in der Veräußerung der Aktiva der Sernam „en bloc“ einen Verstoß gegen die in Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 genannten Bedingungen gesehen habe

82      Der vierte Klagegrund besteht aus sechs Teilen. Erstens rügt die Klägerin, die Erwägungsgründe 97 und 98 des angefochtenen Beschlusses, wonach die Veräußerung der Aktiva der Sernam „en bloc“ nicht vor dem 30. Juni 2005 erfolgt sei, enthielten Rechts- und Tatsachenfehler. Zweitens enthielten die Erwägungsgründe 99 bis 102 des angefochtenen Beschlusses, wonach die Veräußerung der Aktiva der Sernam „en bloc“ zu einem negativen Preis keinen Verkauf darstelle, Rechts- und Tatsachenfehler. Drittens enthielten die Erwägungsgründe 103 bis 116 des angefochtenen Beschlusses, wonach es sich bei der Transaktion um eine Übertragung der Sernam „im Ganzen“ handele, Rechts- und Tatsachenfehler. Viertens enthalte der 117. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, wonach sich die Übertragung nicht auf die Aktiva der Sernam beschränkt habe, sondern um 59 Mio. Euro (57 Mio. Euro netto) erhöht worden sei, einen Rechtsfehler. Fünftens enthielten die Erwägungsgründe 118 und 119 des angefochtenen Beschlusses, wonach der Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ nicht in einem tranparenten und offenen Verfahren erfolgt sei, Rechts- und Tatsachenfehler. Sechstens enthielten die Erwägungsgründe 121 bis 123 des angefochtenen Beschlusses, wonach der Zweck des Verkaufs der Aktiva nicht erfüllt worden sei, Rechts- und Tatsachenfehler.

83      Was die missbräuchliche Verwendung von Beihilfen angeht, muss die Kommission nach Art. 108 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 1 Buchst. g und Art. 16 der Verordnung Nr. 659/1999 grundsätzlich nachweisen, dass Beihilfen, die sie gemäß einer früheren Entscheidung zuvor genehmigt hatte, vom Empfänger ganz oder teilweise missbräuchlich verwendet wurden. Ohne einen solchen Nachweis wären diese Beihilfen nämlich als von ihrer früheren Genehmigungsentscheidung gedeckt anzusehen (Urteil vom 11. Mai 2005, Saxonia Edelmetalle und ZEMAG/Kommission, T‑111/01 und T‑133/01, Slg, EU:T:2005:166, Rn. 86).

 Zum ersten Teil: Der Kommission seien Rechts- und Tatsachenfehler unterlaufen, soweit sie in den Erwägungsgründen 97 und 98 des angefochtenen Beschlusses die Veräußerung der Aktiva der Sernam „en bloc“ als nicht vor dem 30. Juni 2005 erfolgt angesehen habe

84      Erstens beanstandet die Klägerin, die Kommission habe im 98. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses den Wortlaut der Entscheidung Sernam 2 verfälscht, als sie geltend gemacht habe, dass „die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der [Sernam] auf die Financière Sernam nicht bis spätestens zum 30. Juni 2005 erfolgt ist, wie dies aufgrund der einschlägigen Bedingung in der Entscheidung Sernam 2 erforderlich gewesen wäre“. In Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 werde lediglich von „verkaufen“, nicht dagegen von der „Übertragung“ der Geschäftstätigkeiten im eigentlichen Sinne gesprochen. Zweitens wendet sich die Klägerin gegen die im 97. Erwägungsgrund von der Kommission vertretene Auffassung, dass die Annahme des verbindlichen Angebots der Financière Sernam durch den Präsidenten der SNCF am 30. Juni 2005 nach französischem Recht für den Abschluss eines Kaufvertrags nicht ausreiche. Nach französischem Recht, so die Klägerin, stelle vielmehr die Einigung des Käufers und des Verkäufers über die Sache und den Preis unabhängig von ihrer rechtlichen Form einen unwiderruflichen Kaufvertrag dar, auch wenn der Gegenstand noch nicht geliefert und der Preis noch nicht bezahlt worden sei.

85      In den Erwägungsgründen 97 und 98 des angefochtenen Beschlusses legte die Kommission dar, dass die Generaldirektion der Klägerin am 30. Juni 2005 das verbindliche Angebot der Financière Sernam nur grundsätzlich angenommen habe. Die schriftliche Vereinbarung, durch die alle Parteien an die Übertragung gebunden gewesen seien, sei hingegen erst am 21. Juli 2005 unterzeichnet worden, und die verschiedenen Übertragungsmaßnahmen seien erst am 17. Oktober 2005 erfolgt. Die Kommission kam somit zu dem Ergebnis, dass die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der Sernam auf die Financière Sernam nicht bis spätestens zum 30. Juni 2005 erfolgt sei, wie dies aufgrund der einschlägigen Bedingung in der Entscheidung Sernam 2 erforderlich gewesen wäre, und dass allein dieser Grund ausreiche, um daraus den Schluss zu ziehen, dass die Französische Republik die unter gewissen Bedingungen nach der Entscheidung Sernam 2 genehmigte Beihilfe missbräuchlich verwendet habe.

86      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteile vom 17. November 1983, Merck, 292/82, Slg, EU:C:1983:335, Rn.12, und vom 21. Februar 2013, RVS Levensverzekeringen, C‑243/11, Slg, EU:C:2013:85, Rn. 23).

87      Ferner ist nach ständiger Rechtsprechung der verfügende Teil eines Rechtsakts mit seiner Begründung untrennbar verbunden, so dass er erforderlichenfalls unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen ist, die zu seinem Erlass geführt haben (Urteil vom 15. Mai 1997, TWD/Kommission, C‑355/95 P, Slg, EU:C:1997:241, Rn. 21).

88      Zu dem ersten Argument der Klägerin, dass die Kommission den Wortlaut der Entscheidung Sernam 2 verfälscht habe, ist zu bemerken, dass Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 den Fall betrifft, dass Sernam „bis zum 30. Juni 2005 [ihre] Aktiva ‚en bloc‘ [verkauft]“.

89      Im 217. Erwägungsgrund der Entscheidung Sernam 2 heißt es: „Sollte Sernam jedoch [ihre] Aktiva im Ganzen verkaufen, weist die Kommission darauf hin, dass die beiden [in Art. 3 Abs. 2] genannten Bedingungen im Zusammenhang mit der Umstrukturierung des Unternehmens nicht gelten, da Sernam nicht mehr in ihrer derzeitigen Rechtsform aktiv wäre und ihre Marktanteile an den unabhängigen Käufer abgegeben hätte, der de facto seine Tätigkeiten mit den Aktiva von Sernam fortsetzen könnte.“

90      Folglich war, wie die Kommission vorgetragen hat, der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Verkauf stattgefunden hat, im vorliegenden Fall notwendigerweise der Zeitpunkt der tatsächlichen Übertragung der Aktiva, denn Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2, ausgelegt im Licht ihres 217. Erwägungsgrundes, bezweckte, Sernam zur Aufgabe aller ihrer Aktiva und zur Abgabe ihrer Marktanteile zu verpflichten. Eine gegenteilige, rein formale Auslegung des Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 würde dessen Wirksamkeit beeinträchtigen und die Gefahr heraufbeschwören, dass die tatsächliche Übertragung der Aktiva erst lange nach dem Abschluss des „Kaufvertrags“ im rechtlichen Sinne erfolgt.

91      Somit hat die Kommission zutreffend festgestellt, dass die verschiedenen Maßnahmen zur Übertragung der Geschäftstätigkeiten erst am Tag des „Closing“, dem 17. Oktober 2005, durchgeführt wurden und dass der in Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 auf den 30. Juni 2005 festgesetzte Stichtag daher nicht eingehalten worden ist.

92      Somit ist das zweite Argument der Klägerin betreffend den genauen Zeitpunkt des Abschlusses des „Kaufvertrags“ nach französischem Recht unerheblich.

93      Der erste Teil des vierten Klagegrundes ist sonach zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: Der Kommission seien Rechts- und Tatsachenfehler unterlaufen, soweit sie in den Erwägungsgründen 99 bis 102 des angefochtenen Beschlusses festgestellt habe, dass die Veräußerung der Aktiva der Sernam „en bloc“ zu einem negativen Preis keinen Verkauf darstelle

94      Die Klägerin, unterstützt durch die Französische Republik, rügt Rechts- und Tatsachenfehler, die der Kommission mit ihrer Feststellung in den Erwägungsgründen 99 bis 102 des angefochtenen Beschlusses unterlaufen seien, dass Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 verletzt worden sei, da es sich bei dem zwischen der SNCF und der Financière Sernam geschlossenen Vertrag wegen des negativen Preises nicht um einen Verkauf handle.

95      In dem ebenfalls von der Klägerin beanstandeten 124. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht es um eine andere Frage als in den Erwägungsgründen 99 bis 102 dieses Beschlusses, denn er betrifft die Aufteilung der Transaktion in zwei Schritte (Einbringung der Aktiva der Sernam in die Sernam Xpress, gefolgt vom Verkauf der Geschäftsanteile der Sernam Xpress an die Financière Sernam) und die Weigerung der Kommission, diese verschiedenen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit einem Verkauf der Aktiva „en bloc“ gleichzustellen. Da der 124. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ähnliche Fragen aufwirft wie die Erwägungsgründe 108 bis 112 dieses Beschlusses, wird das Gericht die Einwendungen der Klägerin gegen diese verschiedenen Erwägungsgründe im Rahmen des dritten Teils des vorliegenden Klagegrundes zusammen untersuchen (siehe unten, Rn. 140 bis 149).

96      In den Erwägungsgründen 99 und 100 des angefochtenen Beschlusses führte die Kommission aus, dass ein „Verkauf“ aus der Übertragung des Eigentums an einer Sache gegen Bezahlung des vereinbarten Kaufpreises bestehe, bei dem es sich um einen positiven Preis handeln müsse. Eine Transaktion, bei der die Person, die das Eigentum an einer oder an mehreren Sachen übertragen wolle, der Person, die die Sache(n) annehme, Geld biete, stelle keinen Verkauf, sondern einen Vertrag anderer Art dar. Im 101. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wies die Kommission darauf hin, dass die Klägerin im vorliegenden Fall 59 Mio. Euro gezahlt habe, indem sie Kapitalaufstockungen bei der Sernam in Höhe von 57 Mio. Euro und bei der Sernam Xpress in Höhe von 2 Mio. Euro vorgenommen habe. Überdies habe sie noch verschiedene Bürgschaften für die Financière Sernam übernommen. Die Zahlung der Financière Sernam in Höhe von 2 Mio. Euro an die Klägerin und die Sernam neutralisiere die Kapitalaufstockung bei der Sernam Xpress, nicht dagegen die übrigen Bestandteile der Transaktion. Die Kommission kam im 102. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass der zwischen der Klägerin und der Financière Sernam geschlossene Vertrag keinen Verkauf darstelle und auch aus diesem Grund Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 nicht eingehalten worden sei.

97      Dagegen führt die Klägerin, unterstützt durch die Französische Republik, drei Argumente an.

98      Erstens sei die Verwendung des allgemeinen Begriffs „Verkauf“ in der Entscheidung Sernam 2 ohne Bedeutung für die Art des geschlossenen Vertrags, da die Transaktion die erwartete Wirkung gehabt habe, nämlich die Übertragung des Eigentums an den Aktiva der Sernam „en bloc“ auf einen Dritten, der von der Klägerin unabhängig sei. Zweitens sei sie, die Klägerin, wegen der sich aus dem französischen Recht ergebenden Zwänge wie des Verbots eines Verkaufs zu einem negativen Preis genötigt gewesen, die Transaktion in der angegebenen Art und Weise aufzuteilen und vorab das Kapital der Sernam aufzustocken. Gleichwohl sei der negative Preis ein Marktpreis, was die einzige in Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 aufgestellte Bedingung gewesen sei. Drittens verweisen die Klägerin und die Französische Republik auf Präzedenzfälle in der Entscheidungspraxis der Kommission, in denen diese die Veräußerung von Aktiva oder Aktien zu einem negativen Preis als „Verkauf“ qualifiziert habe.

99      Die Kommission widerspricht diesen Argumenten: Erstens räume die Klägerin stillschweigend ein, dass die Maßnahme kein Verkauf im Sinne des Art. 1582 des französischen Zivilgesetzbuchs sei, da sie Maßnahmen zur Umgehung des im französischen Recht bestehenden Verbots eines Verkaufs zu einem negativen Preis getroffen habe. Zweitens habe die Übertragung von Geschäftstätigkeiten zu einem negativen Preis nicht dieselben wirtschaftlichen Auswirkungen wie ein Verkauf von Aktiva zu einem positiven Preis, da im ersten Fall ein Wirtschaftsteilnehmer dafür bezahlt werde, eine Tätigkeit und ein Unternehmen, die andernfalls verschwinden würden, am Leben zu erhalten, während im zweiten Fall ein Wirtschaftsgut, das einen tatsächlichen positiven Wert habe, veräußert werde, um wirtschaftlich rentabel betrieben zu werden. Dieser Punkt sei von wesentlicher Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen der Beihilfenregelung und den Zweck der Entscheidung Sernam 2. Drittens könne nach ständiger Rechtsprechung die Entscheidungspraxis der Kommission in anderen Fällen nicht die Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung berühren, die nur anhand der objektiven Normen des Vertrags zu beurteilen sei. Außerdem seien die von der Französischen Republik und der Klägerin herangezogenen Entscheidungen hier nicht einschlägig, u. a., weil sie nach der Vornahme der Transaktion erlassen worden seien und den Verkauf von Aktien betroffen hätten, während es im vorliegenden Fall um den Verkauf von Aktiva gegangen sei.

100    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2, wörtlich ausgelegt, verlangte, dass Sernam „seine Aktiva ‚en bloc‘ verkauf[te]“, und dass das einzige Erfordernis hinsichtlich des Preises darin bestand, dass es sich um einen Marktpreis im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens handeln musste.

101    Wie sich aus Rn. 86 des vorliegenden Urteils ergibt, sind bei der Auslegung der Entscheidung Sernam 2 nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden.

102    Deshalb kann sich die Kommission nicht nur auf Begriffe oder rechtliche Formen stützen, um daraus herzuleiten, dass die in einer ihrer Entscheidungen aufgestellten Voraussetzungen für die Vereinbarkeit einer Umstrukturierungsbeihilfe nicht eingehalten wurden. Dazu kommt, dass der Rechtsbegriff des Verkaufs ein dem Recht jedes einzelnen Mitgliedstaats eigener Begriff ist.

103    Der Klägerin ist also darin beizupflichten, dass es im Recht der staatlichen Beihilfen nicht auf die Rechtsformen, sondern auf die wirtschaftliche Realität der Transaktionen ankommt.

104    Deshalb sind die auf das französiche Recht gestützten formalistischen Argumente der Kommission zurückzuweisen.

105    Zweitens trägt die Klägerin schlüssig vor, dass eine vor dem Verkauf vorgenommene Kapitalaufstockung ein Mittel darstellt, das ermöglicht, dass die Transaktion nicht unter das im französischen Recht bestehende Verbot der Festsetzung eines negativen Preises in einem Kaufvertrag fällt.

106    Die Frage nach den wirtschaftlichen Auswirkungen des Verkaufs zu einem negativen Preis im vorliegenden Fall wird im Rahmen des dritten und des sechsten Teils des vorliegenden Klagegrundes geprüft werden.

107    Drittens zeigen die von der Klägerin und der Französischen Republik angeführten Entscheidungen, dass es möglich ist, Aktien von Unternehmen zu „negativen Preisen“, d. h. nach einer Kapitalaufstockung durch den Verkäufer, zu verkaufen (vgl. u. a. die Beschlüsse vom 13. Juli 2009 über die Umstrukturierungsbeihilfe für COMBUS A/S und vom 28. August 2009 betreffend die staatliche Beihilfe C 6/09 [ex N 663/08] betreffend die Maßnahmen zugunsten der Austrian Airlines).

108    Die Schlussfolgerung der Kommission in den Erwägungsgründen 99 bis 102 des angefochtenen Beschlusses, dass wegen des negativen Kaufpreises kein Verkauf vorgelegen habe und auch aus diesem Grund Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 nicht beachtet worden sei, ist deshalb unrichtig.

109    Daher greift der zweite Teil des vierten Klagegrundes durch.

 Zum dritten Teil: Der Kommission seien Rechts- und Tatsachenfehler unterlaufen, soweit sie in den Erwägungsgründen 103 bis 116 des angefochtenen Beschlusses festgestellt habe, dass es sich bei der Transaktion um eine Übertragung der Sernam im Ganzen (Aktiva und Passiva) handele

110    Die Klägerin stützt den dritten Teil auf zwei Rügen. Erstens beanstandet sie die von der Kommission in den Erwägungsgründen 103 und 113 bis 116 des angefochtenen Beschlusses vertretene Auffassung, die von der Klägerin vorgenommene Übertragung habe sich nicht auf die Aktiva beschränkt, sondern Sernam im Ganzen (Aktiva und Passiva) umfasst, und auch aus diesem Grund sei die in Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 aufgestellte Bedingung des Verkaufs der Aktiva der Sernam „en bloc“ nicht eingehalten worden. Zweitens rügt sie, die Kommission habe in den Erwägungsgründen 108 bis 112 und 124 des angefochtenen Beschlusses den Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ künstlich in zwei verschiedene Maßnahmen aufgeteilt, nämlich erstens die Teileinlage der Aktiva der Sernam in die Sernam Xpress und zweitens den Verkauf der Aktien der Sernam Xpress an die Financière Sernam. In Wirklichkeit habe es sich jedoch um einen einzigen nicht teilbaren Vorgang gehandelt, der auf ein und demselben Rechtsakt beruhend zu ein und demselben Zeitpunkt in einer „logischen Sekunde“ stattgefunden habe und ein und dasselbe Ziel verfolgt habe, nämlich den Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ an die Financière Sernam.

 Zur ersten Rüge: Die Kommission habe in den Erwägungsgründen 103 und 113 bis 116 zu Unrecht die Auffassung vertreten, die von der Klägerin vorgenommene Übertragung habe sich nicht auf die Aktiva beschränkt, sondern Sernam im Ganzen (Aktiva und Passiva) umfasst

111    Die Klägerin bringt im Wesentlichen drei Argumente vor. Erstens habe die Kommission Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 falsch ausgelegt, als sie im 103. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses davon ausgegangen sei, dass der Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ nur die Aktiva umfassen dürfe und die Passiva ausschließe. Zweitens hätten wegen der sich aus dem nationalen Recht ergebenden Zwänge bestimmte Passiva, namentlich die Betriebspassiva, hinzugefügt werden müssen, und zwar mit dem einzigen Ziel, die Ausübung des den Gläubigern nach französischem Recht zustehenden Widerspruchsrechts zu verhindern. Drittens habe die Übertragung entgegen der Behauptung der Kommission im 116. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nicht Sernam im Ganzen (Aktiva und Passiva) umfasst, was durch die entgegenstehenden Passagen des angefochtenen Beschlusses über die genaue Abgrenzung des Gegenstands der Übertragung bestätigt werde.

–       Zum ersten Argument, wonach die Kommission Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 falsch ausgelegt habe, als sie davon ausgegangen sei, dass der Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ nur die Aktiva umfassen dürfe und die Passiva ausschließe

112    Die Klägerin macht erstens geltend, der Begriff des Verkaufs der Aktiva „en bloc“ verlange per definitionem, dass der Verkauf die Gesamtheit der Aktiva der Sernam umfasse und dass diese „en bloc“, d. h. alle zusammen an ein und denselben Erwerber, verkauft würden, doch bedeute er nicht, dass diese Aktiva notwendigerweise allein verkauft würden.

113    Im 103. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt es: „Selbst wenn man der Ansicht ist, dass die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der [Sernam] auf die Financière Sernam einen Verkauf darstellt, setzt eine Einhaltung von Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung Sernam 2 voraus, dass sich dieser Verkauf ausschließlich auf die Aktiva bezieht und nicht auf die [Sernam] als Ganzes (Aktiva und Passiva). Dies ergibt sich aus dem Erwägungsgrund 217 der Entscheidung Sernam 2 …“ Im 113. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erklärte die Kommission ferner, dass „[d]er Erwägungsgrund 217 der Entscheidung Sernam 2 … klar und deutlich zwischen dem Verkauf der Aktiva einerseits und dem Verkauf der [Sernam] als Ganzes (Aktiva und Passiva) andererseits“ unterscheide.

114    Nach der oben in Rn. 87 angeführten Rechtsprechung ist der verfügende Teil eines Rechtsakts mit seiner Begründung untrennbar verbunden, so dass er erforderlichenfalls unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen ist, die zu seinem Erlass geführt haben.

115    In den beiden Absätzen des Art. 3 der Entscheidung Sernam 2, die alternativ Anwendung finden, heißt es:

„(1)      Vorbehaltlich des Absatzes 2 sind folgende Bedingungen einzuhalten:

a)      Sernam darf nur die Beförderung von Paketen mit der Bahn entsprechend dem Konzept des TBE (‚Train bloc express‘) weiter ausbauen …

b)      Sernam [ihrerseits] muss in den nächsten zwei Jahren (ab dem Datum der Notifizierung dieser Entscheidung) ihre eigenen Straßentransportmittel und ‑dienste vollständig durch Straßentransportmittel und ‑dienste eines oder mehrerer Unternehmen ersetzen, die rechtlich und wirtschaftlich von der SNCF unabhängig sind und in einem offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Verfahren ausgewählt wurden …

(2)      Sollte Sernam bis zum 30. Juni 2005 [ihre] Aktiva ‚en bloc‘ im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens zum Marktpreis an ein Unternehmen verkaufen, das keine rechtliche Verbindung mit der SNCF hat, gilt Absatz 1 nicht.“

116    Der 217. Erwägungsgrund der Entscheidung Sernam 2 lautet:

„Die Kommission weist ferner darauf hin, dass bei einem Verkauf von Sernam im Ganzen (Aktiva und Passiva), wie er von den französischen Behörden geplant ist, in jedem Fall die Bedingungen dieser Entscheidung einzuhalten sind (Übernahme der Straßentransporttätigkeit der Sernam durch andere Unternehmen, Diversifizierung der Aktivitäten hin zum Frachtdienst mit der Bahn). Sollte Sernam jedoch [ihre] Aktiva im Ganzen verkaufen, weist die Kommission darauf hin, dass die beiden genannten Bedingungen im Zusammenhang mit der Umstrukturierung des Unternehmens nicht gelten, da Sernam nicht mehr in ihrer derzeitigen Rechtsform aktiv wäre und ihre Marktanteile an den unabhängigen Käufer abgegeben hätte, der de facto seine Tätigkeiten mit den Aktiva von Sernam fortsetzen könnte.“

117    Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass die Entscheidung Sernam 2 dem „Verkauf von Sernam im Ganzen (Aktiva und Passiva)“ klar den „Verkauf der Aktiva [von Sernam] im Ganzen [en bloc]“ gegenüberstellt.

118    Folglich ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass Gegenstand des Verkaufs der Aktiva „en bloc“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 unter Berücksichtigung des 217. Erwägungsgrundes dieser Entscheidung nur die Aktiva, nicht dagegen die Passiva sein durften.

119    Die gegenteilige Auslegung dieser Bestimmung würde darauf hinauslaufen, den Unterschied zwischen den beiden in den Abs. 1 und 2 des Art. 3 der Entscheidung Sernam 2 alternativ aufgestellten Bedingungen (und den beiden im 217. Erwägungsgrund dieser Entscheidung ins Auge gefassten Verkaufsmodalitäten) zu leugnen. Wäre nämlich der Verkauf der Aktiva „en bloc“ so zu verstehen, dass er auch die Passiva umfassen könnte, so wäre es unlogisch und inkohärent, in den Abs. 1 und 2 des Art. 3 der Entscheidung Sernam 2 verschiedene Bedingungen aufzustellen.

120    Zweitens wäre nach Ansicht der Klägerin, wenn man dem Verkauf der Aktiva „en bloc“ eine Maßnahme gegenüberstellen wollte, dies ein Verkauf, bei dem die Aktiva einzeln veräußert würden, und nicht der Verkauf der Sernam „im Ganzen“ (Aktiva und Passiva), wie die Kommission selbst in den oben in Rn. 52 angeführten Rechtssachen SMI (EU:C:2004:238, Rn. 68 und 70) und CDA (EU:T:2005:364, Rn. 73) ausgeführt habe.

121    Dieses Argument ist zurückzuweisen, denn die Entscheidungspraxis der Kommission in anderen Fällen kann nicht die Gültigkeit einer angefochtenen Entscheidung berühren, die nur anhand der objektiven Normen des Vertrags zu beurteilen ist (Urteil vom 20. Mai 2010, Todaro Nunziatina & C., C‑138/09, Slg, EU:C:2010:291, Rn. 21).

122    In der vorliegenden Rechtssache geht es um die Auslegung der Entscheidung Sernam 2 anhand ihrer eigenen Begründung und nicht anhand des Standpunkts, den die Kommission in anderen Rechtssachen vertreten hat. Die Entscheidung Sernam 2 macht eindeutig keinen Unterschied zwischen einem Verkauf der Aktiva „en bloc“ und einem Verkauf der Aktiva, die einzeln veräußert werden.

123    Drittens trägt die Klägerin vor, wenn die Kommission gewollt hätte, dass der Verkauf der Aktiva „en bloc“ die Passiva ausschließe, hätte sie dies in der Entscheidung Sernam 2 klar zum Ausdruck bringen müssen. Die Klägerin hat dazu in der mündlichen Verhandlung auf die zu einem späteren Zeitpunkt in der Sache „polnische Werften“ ergangenen Entscheidungen verwiesen, die detailliertere Bedingungen enthalten hätten, und hat namentlich die Erwägungsgründe 349, 350 und 354 der Entscheidung der Kommission vom 6. November 2008 über die staatliche Beihilfe C 19/05 (ex N 203/05), die Polen zugunsten der Stettiner Werft gewährt hat (ABl. 2010, L 5, S. 1), und die Erwägungsgründe 401 bis 410 der Entscheidung der Kommission vom 6. November 2008 über die staatliche Beihilfe C 17/05 (ex N 194/05 und PL 34/04) Polens für die Gdingener Werft (ABl. 2010, L 33, S. 1) angeführt.

124    Abgesehen davon, dass die Entscheidung Sernam 2 bestandskräftig ist und im vorliegenden Verfahren nicht in Frage gestellt werden kann, brachte sie in ihrem 217. Erwägungsgrund, indem sie die Bedingungen für den Verkauf der Sernam im Ganzen (Aktiva und Passiva) denjenigen für den Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ gegenüberstellte, völlig klar zum Ausdruck, dass der Verkauf der Aktiva „en bloc“ die Passiva ausschloss. Die Kommission, die verpflichtet ist, die genauen Umstände jedes Einzelfalls konkret zu untersuchen, ist ohnehin nicht an andere Entscheidungen gebunden, und erst recht nicht, wenn diese später ergangen sind.

125    Somit ist das erste Argument zurückzuweisen.

–       Zum zweiten Argument, wonach die Klägerin wegen der sich aus dem nationalen Recht ergebenden Zwänge genötigt gewesen sei, den Aktiva der Sernam bestimmte Passiva (mit Ausnahme der Finanzpassiva) hinzuzufügen

126    Die Klägerin trägt vor, sie sei gezwungen gewesen, den Aktiva der Sernam die Betriebspassiva hinzuzufügen, und zwar zu dem einzigen Zweck, die Gläubiger daran zu hindern, das ihnen nach französischem Recht zustehende Widerspruchsrecht auszuüben. Nach französischem Recht könnten die Gläubiger Einlagen oder Verkäufen widersprechen und entweder die sofortige Befriedigung ihrer Forderungen oder die Stellung von Garantien verlangen. Darüber hinaus könnten sie im Fall der späteren Eröffnung eines Kollektivverfahrens die innerhalb von 18 Monaten vor Eröffnung des Verfahrens vom Schuldner vorgenommenen Handlungen zur Minderung seines Vermögens anfechten. Somit wären die Gläubiger der Sernam, wenn nur deren Aktiva verkauft worden wären, zu Gläubigern einer Gesellschaft geworden, die über keinerlei Aktiva verfügt hätte und überschuldet gewesen wäre, sodass sie keine Aussicht auf Befriedigung gehabt hätten. Folglich hätten sie sehr wahrscheinlich dem Verkauf „en bloc“, der nur die Aktiva der Sernam umfasst hätte, widersprochen oder mit Sicherheit eine eventuell erteilte Zustimmung zu einem solchen Verkauf im Rahmen der später durchgeführten Liquidation widerrufen. Deshalb sei es notwendig gewesen, die Betriebspassiva hinzuzufügen, um die Aktiva der Sernam verkaufen zu können.

127    Die Klägerin hat jedoch nicht dargetan, dass der Verkauf allein der Aktiva den Gläubigern jede Möglichkeit einer Befriedigung genommen hätte, denn durch ihn hätte Sernam normalerweise Einkünfte erzielen müssen. Davon abgesehen beruht dieses auf die Besonderheiten des nationalen Rechts gestützte Argument auf der irrigen Annahme, dass die Kommission die Einhaltung der in Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 genannten Bedingungen verlangt habe, während doch die Möglichkeit bestand, zwischen den beiden Absätzen des Art. 3 dieser Entscheidung zu wählen.

128    Für den Fall, dass die Klägerin und der Mitgliedstaat wegen praktischer oder sich aus dem nationalen Recht ergebender Hindernisse Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 hatten, hatten sie, wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung ausgeführt hat, die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten: Sie hätten die in Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung Sernam 2 genannten Bedingungen einhalten können, sie hätten die Kommission über diese Schwierigkeiten unterrichten und mit ihr eine eventuelle Änderung dieser Bedingung gemäß den Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung erörtern können oder aber die rechtswidrig gewährten unvereinbaren Beihilfen wieder einziehen können, notfalls unter Liquidierung der Sernam.

129    Folglich kann sich die Klägerin im vorliegenden Fall nicht auf die sich aus dem nationalen Recht ergebenden Zwänge berufen, um die von ihr gewählte Umgehung der Bedingung zu rechtfertigen.

130    Deshalb ist das zweite Argument zurückzuweisen.

–       Zum dritten Argument, wonach die Übertragung in Wirklichkeit nicht die Sernam „im Ganzen“ (Aktiva und Passiva) zum Gegenstand gehabt habe

131    Die Klägerin trägt erstens vor, entgegen der Behauptung der Kommission im 116. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses habe die Übertragung nicht die Sernam „im Ganzen“ (Aktiva und Passiva) zum Gegenstand gehabt, da die Finanzpassiva und der Betrag, welcher der Verpflichtung zur Rückzahlung der durch die Entscheidung Sernam 2 für unvereinbar erklärten Beihilfe von 41 Mio. Euro entspreche, nicht auf die Sernam Financière übertragen worden seien. Zweitens enthalte der angefochtene Beschluss hinsichtlich der genauen Abgrenzung des Gegenstands der Übertragung Widersprüche. So sei in Abschnitt 3.2.3.2 und im 113. Erwägungsgrund die Rede von „[Sernam] als Ganzes (Aktiva und Passiva)“, im 114. Erwägungsgrund von „alle[n] Aktiva und Passiva der [Sernam] … bis auf folgende Ausnahmen“, im 115. Erwägungsgrund von „wesentlichen Teile[n] der Aktiva und Passiva der [Sernam]“ und im 116. Erwägungsgrund von „der Sernam als Ganzes (Aktiva und Passiva) bis auf einige Ausnahmen“.

132    Die Kommission hat in den Erwägungsgründen 114 und 115 des angefochtenen Beschlusses Folgendes ausgeführt:

„… die Financière Sernam [erwirbt] mit dem Erwerb der Sernam Xpress auch alle Aktiva und Passiva der [Sernam] …, bis auf folgende Ausnahmen: Zum einen wurden die Aktiva durch die Kapitalspritzen von 57 Mio. Euro für die [Sernam] und von 2 Mio. Euro für die Sernam Xpress vergrößert[,] … und zum anderen wurden die Passiva in Höhe des von der Gesellschaft [Sernam] bei der SNCF‑Gruppe aufgenommenen Beteiligungsdarlehens, [des] Passivposten[s] infolge der Vertragsauflösung ‚IBM – GPS‘, und in Höhe der Rückzahlungsverpflichtung [bezüglich] der mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfe von 41 Mio. Euro verkleinert.

Doch diese Korrekturen an der Bandbreite können nicht die Tatsache verschleiern, dass die wesentlichen Teile der Aktiva und Passiva der [Sernam] unzweifelhaft zunächst auf die Sernam Xpress und dann auf die Financière Sernam übertragen wurden.“

133    Die Kommission leitete daraus im 116. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses her: „Die Übertragung der Geschäftstätigkeiten stellt also keinen Verkauf der Aktiva, sondern eine Übertragung der [Sernam] als Ganzes (Aktiva und Passiva) bis auf einige Ausnahmen dar. Infolgedessen und auch aus diesem Grund wurden die Bedingungen nach Artikel 3 Absatz 2 der Entscheidung Sernam 2 nicht eingehalten.“

134    Erstens ist festzustellen, dass die Klägerin also nicht bestreitet, dass sie der von ihr eingebrachten Gesamtheit der Aktiva der Sernam fast alle ihre Passiva hinzugefügt hat, mit Ausnahme bestimmter Finanzpassiva (von insgesamt 38,5 Mio. Euro) und der Verpflichtung zur Rückzahlung der durch die Entscheidung Sernam 2 für rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt für unvereinbar erklärten staatlichen Beihilfe von 41 Mio. Euro.

135    Dies ergibt sich auch aus den Akten insgesamt. So war in der Vereinbarung vom 21. Juli 2005 vorgesehen, dass Sernam „die Gesamtheit der Aktiva und Passiva der Sernam mit Ausnahme [der Finanzpassiva]“ in die Sernam Xpress einbringen sollte. Ferner ergibt sich aus der Vereinbarung über die Teileinlage von Vermögenswerten vom 14. September 2005, dass u. a. (was die bedeutendsten Passiva angeht) ein negativer Firmenwert (Badwill) in erheblicher Größenordnung (negativer Geschäftswert), Rückstellungen für zwischenzeitliche Verluste, Betriebsschulden, verschiedene Schulden sowie Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit Beteiligungen hinzugefügt wurden. Auch in der zustimmenden Stellungnahme 2005-AC 2 des Ausschusses für Beteiligungen und Übertragungen (Commission des participations et des transferts) vom 22. Juli 2005 zu der von der Klägerin durchzuführenden Privatisierung der Aktiva der Sernam wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin „die Aktiva und die Betriebspassiva des Unternehmens ‚en bloc‘“ übertragen wolle. Ferner heißt es im Bericht der Bank X ausdrücklich, dass „in der Praxis die veräußerte Gesellschaft die Gesamtheit der Aktiva und Betriebspassiva der Sernam (einschließlich aller Betriebsgesellschaften und der Marke) unter Ausschluss der Finanzpassiva in sich vereinigen wird“.

136    Zweitens kann entgegen dem Vorbringen der Klägerin der Umstand, dass die Finanzpassiva und die Verpflichtung zur Rückzahlung der rechtswidrigen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfe von 41 Mio. Euro von der Einlage ausgenommen waren, nicht die Schlussfolgerung entkräften, dass Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 nicht eingehalten wurde, denn aus Rn. 118 des vorliegenden Urteils geht hervor, dass allein die Tatsache, dass nicht nur die Aktiva der Sernam verkauft, sondern die meisten Passiva hinzugefügt wurden, zum Beweis eines Verstoßes gegen diese Bestimmung ausreicht. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, das die von der Klägerin angeführten etwas unterschiedlichen Formulierungen in den Erwägungsgründen 114, 115 und 116 des angefochtenen Beschlusses kohärent sind und die Gültigkeit des Beschlusses nicht beeinträchtigen.

137    Der Kommission ist somit hinsichtlich des Gegenstands der Übertragung kein Rechts- oder Tatsachenfehler unterlaufen, als sie im 116. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, dass die Übertragung der Geschäftstätigkeiten keinen Verkauf der Aktiva, sondern eine Übertragung der Sernam als Ganzes (Aktiva und Passiva) bis auf einige Ausnahmen darstelle.

138    Das dritte Argument greift daher nicht durch.

139    Nach alledem ist die erste Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

 Zur zweiten Rüge: Die Kommission habe in den Erwägungsgründen 108 bis 112 und 124 des angefochtenen Beschlusses zu Unrecht behauptet, die Übertragung der Geschäftstätigkeit habe aus einer Übertragung der Aktiva und Passiva im Ganzen (en bloc) innerhalb verbundener Unternehmen und dem anschließenden Verkauf der Geschäftsanteile (share deal) der Tochtergesellschaft, die die Aktiva und Passiva erhalten habe, bestanden

140    Die Klägerin bemüht sich mit zahlreichen Argumenten, die sie ebenfalls im Rahmen des zweiten Teils (siehe Rn. 95 des vorliegenden Urteils) vorgebracht hat, um den Nachweis, dass die von der Kommission vorgenommene Aufteilung des Verkaufs der Aktiva der Sernam „en bloc“ in zwei Schritte (Einbringung der Sernam in die Sernam Xpress und anschließender Verkauf der Geschäftsanteile der Sernam Xpress an die Financière Sernam) gekünstelt sei und nicht dem tatsächlichen Ablauf der nicht teilbaren einzigen Transaktion entspreche, die zu ein und demselben Zeitpunkt in einer „logischen Sekunde“ durchgeführt worden sei und ein und dasselbe Ziel verfolgt habe, nämlich die Übertragung des Eigentums an den Aktiva der Sernam „en bloc“ an die Financière Sernam. Sie weist darauf hin, dass eine Teileinlage von Vermögenswerten einer Gesellschaft und der anschließende Verkauf der Anteile der Gesellschaft, die diese erhalten habe, im französischen Recht als „Verkauf“ angesehen würden.

141    Dieses Vorbringen ist unerheblich, denn die Prüfung der ersten Rüge hat gezeigt, dass auch dann, wenn man wie die Klägerin die vorgenommene Transaktion als einheitlichen Verkaufsvorgang betrachtet, das „Endergebnis“ dieser beiden Schritte keineswegs einem Verkauf nur der Aktiva entsprach und der Gegenstand des Verkaufs, wie die Kommission in den Erwägungsgründen 103 und 113 bis 116 des angefochtenen Beschlusses zutreffend dargelegt hat, nicht beachtet wurde.

142    Der Kommission ist jedenfalls bei ihrer Feststellung, dass diese beiden Maßnahmen nicht die in Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 aufgestellten Bedingungen erfüllten, ob sie nun in den Erwägungsgründen 108 bis 112 des angefochtenen Beschlusses getrennt oder in den Erwägungsgründen 113 bis 116 des angefochtenen Beschlusses insgesamt untersucht wurden, kein Fehler unterlaufen.

143    Es geht um die Prüfung, ob die verschiedenen Übertragungsmaßnahmen die erwartete Wirkung hatten, nämlich die tatsächliche Übertragung der Aktiva der Sernam „en bloc“ zum Marktpreis an ein Unternehmen ohne rechtliche Verbindung zur Klägerin bis zum 30. Juni 2005 im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens. Aus dem angefochtenen Beschluss ergibt sich, dass die Kommission die Verkaufsschritte im Hinblick auf ihre Wirkungen – sowohl einzeln als auch zusammen betrachtet – richtig beurteilt hat.

144    Wie sich nämlich aus der Prüfung der ersten Rüge ergibt, hat die Kommission in den Erwägungsgründen 109 und 110 des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt, dass die „‚Teileinlage von Vermögenswerten‘ … (die in Wirklichkeit aber eine Teileinlage von Aktiva und Passiva ist) … nicht als ‚Verkauf der Aktiva an einen Dritten‘ gewertet werden [kann]“, vor allem, weil sie sich „nicht nur auf die Aktiva, sondern auch auf die gesamten Passiva, mit Ausnahme bestimmter Schulden der [Sernam] bei ihrer Muttergesellschaft, der SNCF, [bezog], [es sich bei] dem Vorgehen … also um eine Übertragung der [Sernam] als Ganzes (Aktiva und Passiva) und nicht nur um den Verkauf der Aktiva [handelte]“, und „diese Übertragung bei einem 100 %igen Tochterunternehmen, nämlich der Sernam Xpress … [erfolgte], [die] betreffende Einlage … also nicht etwa bei einem dritten und von der SNCF unabhängigen Unternehmen eingebracht“ wurde.

145    Die Kommission hat in den Erwägungsgründen 108 bis 111 des angefochtenen Beschlusses ebenfalls zutreffend festgestellt, dass die Aktien der Sernam Xpress an die Financière Sernam verkauft wurden, was einen „share deal“ oder Verkauf von Gesellschaftsanteilen darstellt.

146    Tatsächlich handelte es sich um einen Verkauf von Aktien oder genauer von Gesellschaftsanteilen an einer Mantelgesellschaft, der Sernam Xpress, in die zuvor alle Aktiva und Betriebspassiva der Sernam – also fast die gesamte Sernam – eingebracht worden waren.

147    Folglich hat die Kommission im 111. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses felerfrei festgestellt, dass dieser Verkauf der Anteile keinen Verkauf von Aktiva an einen Dritten darstellte.

148    Der Kommission ist sonach kein Tatsachen- oder Rechtsfehler unterlaufen. Sie hat im angefochtenen Beschluss bei ihrer Prüfung, ob die in Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 aufgestellten Bedingungen für die Vereinbarkeit eingehalten wurden, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Transaktion insgesamt und der sie bildenden Einzelmaßnahmen zutreffend bewertet.

149    Aufgrund dieser Erwägungen greift auch die zweite Rüge nicht durch.

150    Somit ist der dritte Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum vierten Teil: Der Kommission sei im 117. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ein Rechtsfehler unterlaufen, soweit sie die Ansicht vertreten habe, dass sich die Übertragung nicht auf die Aktiva der Sernam beschränkt habe, sondern um 57 Mio. Euro netto erhöht worden sei

151    Die Klägerin beanstandet die Feststellung der Kommission im 117. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass der Sernam auf der Seite der Aktiva die Summe von 57 Mio. Euro netto zugeflossen sei. Erstens verwechsle die Kommission den Gegenstand des Verkaufs (die Aktiva) mit dem dafür bezahlten Preis. Dieser negative Preis von 57 Mio. Euro netto sei ein Marktpreis, der sich aus einer offenen, transparenten, unbedingten und nicht diskriminierenden Ausschreibung ergebe und durch mehrere unabhängige Gutachten bestätigt worden sei. Zweitens hätte die Kommission, die genau gewusst habe, dass die Sernam defizitär gewesen sei, in ihrer Entscheidung Sernam 2 einen Verkauf zu einem negativen Preis eindeutig verbieten müssen.

152    Im 117. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stellte die Kommission im Wesentlichen fest, dass der Sernam auf der Seite der Aktiva durch die Kapitalaufstockungen bei ihr und der Sernam Xpress die Summe von 57 Mio. Euro netto zugeflossen sei und dass ein solcher Zufluss zu den Aktiva nach Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 nicht gestattet gewesen sei.

153    Dazu genügt erstens die Feststellung, dass die Kommission den Gegenstand des Verkaufs keineswegs mit dem Kaufpreis verwechselt hat. Der Betrag von 57 Mio. Euro netto ist durch die aufeinanderfolgenden Kapitalaufstockungen bei der Sernam und dann der Sernam Xpress tatsächlich der Sernam und später der Sernam Xpress auf der Seite der Aktiva zugeflossen.

154    Zweitens hat die Prüfung des dritten Teils ergeben, dass die Klägerin zu Unrecht die Ansicht vertritt, die Kommission hätte klar zum Ausdruck bringen müssen, dass sie keinen negativen Preis wegen der defizitären Situation der Sernam wünsche. Der negative Preis ergibt sich nämlich daraus, dass die Verpflichtung, nur die Aktiva der Sernam ohne die Passiva zu verkaufen, nicht eingehalten wurde.

155    In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf eine Frage des Gerichts eingeräumt, dass ein Aktivum, das einzeln verkauft wird, per definitionem einen Wert hat, der positiv oder null, nicht aber negativ sein kann.

156    Dazu weist die Kommission darauf hin, dass in der ersten Ausschreibungsrunde die Bewerber aufgefordert worden seien, die Aktiva der Sernam „cash free, debt free“, d. h. ohne Berücksichtigung der liquiden Mittel und der Schulden, zu bewerten, was zu allseits positiven Preisvorschlägen geführt habe.

157    Die Klägerin bestreitet dies nicht, entgegnet jedoch, dass diese vorläufigen, nicht verbindlichen Angebote nur auf einer einfachen Bewertungsmethode beruht hätten; all dies habe keinesfalls bedeutet, dass die Geschäftstätigkeit ohne Schulden und ohne liquide Mittel habe übertragen werden sollen, sondern nur, dass die Bewerber eine Schätzung des Wertes des Unternehmens unabhängig von der Höhe seiner Schulden und seiner liquiden Mittel hätten abgeben sollen, um einen objektiven Vergleich der eingereichten Angebote zu ermöglichen.

158    Folglich zeigen, wie die Kommission vorgetragen hat, diese positiven Schätzungen „cash free, debt free“ (ohne Berücksichtigung der liquiden Mittel und der Schulden), dass der Kaufpreis positiv oder null, aber nicht negativ gewesen wäre, wenn die Klägerin nur die Aktiva ohne die Passiva verkauft hätte.

159    Folglich ist der vierte Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum fünften Teil: Der Kommission seien in den Erwägungsgründen 118 und 119 des angefochtenen Beschlusses Rechts- und Tatsachenfehler unterlaufen, soweit sie die Ansicht vertreten habe, dass der Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ nicht in einem tranparenten und offenen Verfahren erfolgt sei

160    Unterstützt von der Französischen Republik trägt die Klägerin vor, der Kommission seien in den Erwägungsgründen 118 und 119 des angefochtenen Beschlusses Fehler unterlaufen. Sie erhebt, unterstützt von der Französischen Republik, insoweit vier Rügen; die Französische Republik erhebt eine Rüge.

161    Vor einer Prüfung dieser Rügen sind die Erwägungsgründe 118 und 119 des angefochtenen Beschlusses im Wortlaut wiederzugeben:

„Die französischen Behörden sorgten zunächst für ein transparentes und offenes Verfahren. Dennoch hat die SNCF bis zum Ende dieses Verfahrens kein verbindliches Angebot erhalten.

Nach dem Misserfolg des transparenten und offenen Verfahrens wurde der Vertrag über die verschiedenen Maßnahmen zur Übertragung der Geschäftstätigkeiten der [Sernam] mit der Financière Sernam abgeschlossen. Da Letztere nicht als solche und in autonomer Eigenschaft am transparenten und offenen Verfahren teilgenommen hat, ist die Übertragung der Geschäftstätigkeiten letztlich nicht im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens erfolgt.“

 Zur ersten Rüge, die auf die Behauptung gestützt wird, dass das Führungsteam von Anfang an an der Ausschreibung teilgenommen habe

162    Die Klägerin und die Französische Republik machen im Wesentlichen geltend, das Angebot des Führungsteams der Sernam sei das Ergebnis eines transparenten und offenen Verfahrens gewesen, denn das Führungsteam habe von Anfang an im Rahmen eines Konsortiums mit dem Bewerber Nr. 5 an der Ausschreibung teilgenommen und nach der Mitteilung ihres Partners am 15. Juni 2005, dass es ihm nicht möglich sei, in der gesetzten Frist ein verbindliches Angebot abzugeben, ein Angebot allein eingereicht, bei dem es sich um das ursprünglich gemeinsame Angebot von ihr und dem Bewerber Nr. 5 gehandelt habe.

163    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass ursprünglich das aus dem Bewerber Nr. 5 und dem Führungsteam bestehende Konsortium und nicht dessen Mitglieder einzeln an der Ausschreibung teilgenommen und ein vorläufiges Angebot abgegeben haben.

164    Zu beachten ist nämlich, dass am Ende der zweiten Runde der Ausschreibung zunächst dem Projekt des Konsortiums unter Leitung des Bewerbers Nr. 5 insgesamt der Vorzug vor dem Projekt des Bewerbers Nr. 4 gegeben worden war. Dies haben die französischen Behörden in ihrer Anwort vom 6. Januar 2012 auf die Fragen der Kommission eindeutig bestätigt:

„Der Vorschlag [des Bewerbers Nr. 5] beruhte auf mehreren grundlegenden Prinzipien, u. a. der von der [Klägerin] zu übernehmenden Deckung des Liquiditätsbedarfs der Sernam, den [der Bewerber Nr. 5] auf [einen bedeutenden Betrag] veranschlagte, und der Nichtübernahme der finanziellen Passiva der Sernam (in Höhe von … Euro, die zusammen mit der Übernahme der Deckung des Liquiditätsbedarfs [in Höhe des bedeutenden Betrags] zu einem negativen Preis von -56,4 Mio. Euro führte) sowie einer Kapitalpartnerschaft mit dem Führungsteam der Sernam.

Die zu erwartende Forderung des [Bewerbers Nr. 5] hinsichtlich der vorherigen Kapitalaufstockung war niedriger als die, die bei Verhandlungen mit [dem Bewerber N. 4] zu erwarten war. [Der Bewerber Nr. 4] hatte nämlich stillschweigend auf die Notwendigkeit einer vorherigen Kapitalaufstockung der Sernam durch die [Klägerin] in Höhe [eines Betrags, der größer war als der vom Bewerber Nr. 5 genannte] hingewiesen, was zusammen mit der Übernahme der finanziellen Passiva zu einem negativen Preis von -65,2 Mio. Euro führen würde.

Deshalb beschloss die [Klägerin], die Verhandlungen nur mit [dem Bewerber Nr. 5] und dem Führungsteam der Sernam fortzusetzen.“

165    Zweitens war das verbindliche Angebot des Führungsteams sehr weit entfernt von dem in der zweiten Runde abgegebenen Angebot des Konsortiums unter der Führung des Bewerbers Nr. 5 und sehr viel ungünstiger für den Verkäufer.

166    Aus der oben in Rn. 164 angeführten Antwort der französischen Behörden und den Schreiben des Konsortiums vom 29. März und vom 7. April 2005 (in dem Schreiben vom 7. April wurden die wesentlichen Bedingungen des Angebots vom 29. März wiederholt, wobei die seit seiner Abgabe diskutierten Änderungen eingearbeitet waren) ergibt sich, dass das Konsortium in seinem Angebot in der zweiten Runde die erforderliche Kapitalaufstockung durch die Klägerin in diesem Stadium zwar auf einen bedeutenden Betrag veranschlagte, das Führungsteam den Bedarf schließlich aber mit einem weit höheren Betrag, nämlich mit 59 Mio. Euro (oder 57 Mio. Euro netto) in seinem endgültigen Angebot, ansetzte. Zu vergleichen sind, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, der bedeutende Betrag, den das vom Bewerber Nr. 5 geleitete Konsortium in seinem in der zweiten Runde abgegebenen Angebot veranschlagt hatte, und der in dem verbindlichen Angebot des Führungsteams genannte wesentlich höhere Betrag von 57 Mio. Euro, denn diese beiden Beträge entsprachen der voraussichtlich notwendigen Kapitalaufstockung von Sernam durch die Klägerin. Zu diesem Liquiditätsbedarf kam noch der Forderungsverzicht hinzu, der in dem Angebot des Konsortiums in der zweiten Runde und in dem verbindlichen Angebot des Führungsteams ungefähr gleich hoch veranschlagt wurde.

167    Folglich betrug das negative Angebot des Konsortiums in der zweiten Runde im April 2005 höchstens (ohne Berücksichtigung der bedeutenden Kapitalspritze, die der Bewerber Nr. 5 durch Zeichnung einer Kapitalerhöhung geben wollte) ungefähr -56,4 Mio. Euro (Angebot „alles eingeschlossen“, d. h. die Kapitalerhöhung und der Forderungsverzicht der Klägerin), während sich das Angebot des Führungsteams bei gleichen Rechnungsposten auf ungefähr -95,5 Mio. Euro belief (nämlich die 57 Mio. Euro netto der Kapitalaufstockung zuzüglich der 38,5 Mio. Euro Forderungsverzicht der Klägerin).

168    Nach alledem hat die Kommission das Angebot eines finanziellen Investors, nämlich des Bewerbers Nr. 5, der außerdem einen bedeutenden Kapitalbetrag in die Sernam investieren wollte, und das Angebot von 84 höheren Angestellten und Führungskräften, die einen geringen Betrag, nämlich 2 Mio. Euro des Preises, aus persönlichen Mitteln beisteuerten, unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeit und Solidität zu Recht als nicht gleichwertig angesehen.

169    Drittens bemerken die Klägerin und die Französische Republik, dass die Transparenz und Offenheit eines Verfahrens nicht ende, wenn der beste Bieter schließlich ausgewählt worden sei und die anderen Bewerber zwangsläufig abgelehnt worden seien und die Verhandlungen mit dem letzten Interessenten fortgesetzt würden.

170    Zum einen war der letzte Interessent in dem transparenten und offenen Ausschreibungsverfahren der Bewerber Nr. 4. Denn aus Rn. 164 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass das verbindliche Angebot des Führungsteams, das sich auf -95,5 Mio. Euro belief, für den Verkäufer auch weniger interessant war als das vorläufige Angebot des Bewerbers Nr. 4 in der zweiten Runde, das auf einen negativen Preis von -65,2 Mio. Euro hinauslief, und dies bei gleichen Rechnungsposten (d. h. unter Berücksichtigung der Kapitalaufstockung und des Forderungsverzichts der Klägerin). Nach dem Rücktritt des Bewerbers Nr. 5 hätte man, wie die Kommission in ihren Schriftsätzen geltend gemacht hat, auf den Bewerber Nr. 4 zurückkommen müssen, der an diesem Verfahren von Beginn an teilgenommen und ebenfalls sein Interesse am Ende der zweiten Runde bekundet hatte.

171    Zum anderen kann das Angebot des Führungsteams nicht als das des letzten Interessenten angesehen werden, denn das Führungsteam hat nicht als solches an dem transparenten und offenen Verfahren teilgenommen.

172    Viertens trägt die Klägerin vor, das verbindliche Angebot des Führungsteams könne nicht mit dem nicht verbindlichen Angebot des Konsortiums, zu dem das Führungsteam gehört habe, verglichen werden, da nur das verbindliche Angebot gültig sei, auch wenn es nicht das günstigste sei.

173    Dem kann nicht gefolgt werden, denn hier geht es um die Frage, ob das verbindliche Angebot des Führungsteams das Resultat des Ausschreibungsverfahrens war, was notwendigerweise die Prüfung der während dieses Verfahrens eingereichten nicht verbindlichen Angebote einschließt.

174    Deshalb ist die Behauptung, das Führungsteam habe an der Ausschreibung von Beginn an teilgenommen, zurückzuweisen, da es nicht eigenständig daran teilgenommen und das ursprünglich zusammen mit dem Bewerber Nr. 5 eingereichte Angebot nicht allein abgegeben hat. Sein Angebot kann daher nicht als Angebot im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens angesehen werden.

175    Die erste Rüge ist daher zurückzuweisen.

 Zur zweiten Rüge, die sich auf die Gültigkeit des Angebots der Financière Sernam stützt, obwohl diese zum Zeitpunkt der Einreichung des Angebots des Führungsteams noch nicht gegründet war

176    Die Klägerin weist zum einen darauf hin, dass die Gründung einer Gesellschaft nach der Annahme des Angebots einer gängigen Praxis bei Ausschreibungen entspreche; zum anderen besäßen die das Führungsteam bildenden natürlichen Personen selber Rechtspersönlichkeit, was für die Abgabe eines Angebots ausreiche.

177    Dieses Vorbringen ist unerheblich, denn aus dem angefochtenen Beschluss geht nicht hervor, dass die Kommission der Financière Sernam vorgeworfen hat, dass sie im Ausschreibungsverfahren keine Rechtspersönlichkeit besessen hätte. Sie hat vielmehr beanstandet, dass das Angebot des Führungsteams und damit der Financière Sernam nicht das Ergebnis eines transparenten und offenen Ausschreibungsverfahrens gewesen sei.

178    Die zweite Rüge greift deshalb nicht durch.

 Zur dritten Rüge, die auf die Behauptung gestützt wird, dass alle Bewerber Gelegenheit zur Abgabe eines Angebots gehabt hätten, gleich behandelt worden seien, dieselben Informationsmöglichkeiten gehabt und dieselbe Frist hätten einhalten müssen

179    Die Klägerin, unterstützt von der Französischen Republik, führt dazu aus, nach der Entscheidungspraxis der Kommission und der Rechtsprechung sei Voraussetzung der Offenheit und Transparenz einer Ausschreibung, dass alle möglicherweise interessierten Parteien Gelegenheit hätten, ein Angebot abzugeben, und dabei dieselben Informationsmöglichkeiten hätten und dieselbe Frist einzuhalten hätten. Dies sei hier der Fall gewesen.

180    Dieses Vorbringen, das die Gleichbehandlung der Beteiligten betrifft, ist zurückzuweisen, da das Angebot des Führungsteams nicht im Rahmen dieses Ausschreibungsverfahrens eingereicht wurde.

181    Daher ist die dritte Rüge zurückzuweisen.

 Zur vierten Rüge, die sich darauf stützt, dass der Umstand, dass der Verkauf von Aktiva wie hier erst nach fruchtlosen Verhandlungen mit einem anderen Unternehmen stattgefunden habe, sei nach der Rechtsprechung ein „[Anhaltspunkt] dafür, dass es sich um ein hinreichend offenes und transparentes Verfahren handelte“

182    Die Klägerin weist darauf hin, dass nach den Urteilen SMI (oben in Rn. 52 angeführt, EU:C:2004:238) und CDA (oben in Rn. 52 angeführt, EU:T:2005:364) der Umstand, dass der Verkauf von Aktiva erst nach fruchtlosen Verhandlungen mit einem anderen Unternehmen stattgefunden habe, ein „[Anhaltspunkt] dafür [ist], dass es sich um ein hinreichend offenes und transparentes Verfahren handelte“ (Urteile SMI, oben in Rn. 52 angeführt, EU:C:2004:238, Rn. 95, und CDA, oben in Rn. 52 angeführt, EU:T:2005:364, Rn. 110). Dies sei auch hier der Fall gewesen, da der Verkauf an das Führungsteam erst nach fruchtlosen Verhandlungen mit dem vom Bewerber Nr. 5 gebildeten Konsortium stattgefunden habe.

183    Derartige Umstände können zwar in bestimmten Fällen einen Anhaltspunkt dafür bilden, dass es sich um ein hinreichend offenes und transparentes Verfahren gehandelt hat, doch stellt dies keinen schlüssigen Beweis dar. In der vorliegenden Rechtssache konnte sich die Kommission bei ihrer Prüfung, ob die ausdrücklich in Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 aufgestellte Bedingung eines transparenten und offenen Verfahrens erfüllt war, nicht mit dem eventuellen Vorliegen eines solchen Anhaltspunkts begnügen. Aus der Prüfung der ersten Rüge in den Rn. 162 bis 175 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass diese Bedingung nicht erfüllt war.

184    Deshalb ist die vierte Rüge zurückzuweisen.

 Zu der Rüge der Französischen Republik, die sie darauf stützt, dass der negative Preis von 57 Mio. Euro in den vorgelegten Gutachten als Marktpreis anerkannt worden sei

185    Die Französische Republik führt aus, der negative Preis von 57 Mio. Euro sei durch die vorgelegten Gutachten bestätigt worden, deren Wert für die Feststellung, ob ein Verkauf unter normalen Marktbedingungen stattgefunden habe, in der Rechtsprechung anerkannt sei.

186    Dieses Vorbringen ist als unerheblich zurückzuweisen, da es hier um die Einhaltung des Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 geht, soweit er ein transparentes und offenes Verfahren vorschreibt, und nicht um die Bestätigung des Preises durch ein Gutachten.

187    Nach alledem ist der fünfte Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum sechsten Teil: Der Kommission seien Rechts- und Tatsachenfehler unterlaufen, soweit sie in den Erwägungsgründen 121 bis 123 des angefochtenen Beschlusses die Ansicht vertreten habe, dass der Zweck des Verkaufs der Aktiva nicht erfüllt worden sei

188    Die Klägerin erhebt im Wesentlichen zwei Rügen: Die erste stützt sie auf die Behauptung, der Zweck des Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 sei sehr wohl erfüllt worden, denn die Geschäftstätigkeit der Sernam sei abgebrochen worden. Mit der zweiten macht sie geltend, der Ausdruck „Verkauf der Aktiva ,en bloc‘“ habe in Wirklichkeit eine Fortführung der Geschäftstätigkeit erlaubt.

 Zur ersten Rüge, die auf die Behauptung gestützt wird, dass der Zweck des Verkaufs der Aktiva „en bloc“ erfüllt worden sei, da die Geschäftstätigkeit der Sernam abgebrochen worden sei

189    Nach den Erwägungsgründen 121 und 122 des angefochtenen Beschlusses war es, wie es im 217. Erwägungsgrund der Entscheidung Sernam 2 heißt, Sinn und Zweck des Verkaufs der Aktiva, die Marktanteile und die Aktiva der Sernam abzugeben sowie einen Dritten in die Lage zu versetzen, diese Aktiva für sich zu nutzen. Der Verkauf der Aktiva zielte somit darauf ab, die wirtschaftliche Tätigkeit der Sernam abzubrechen. Im 123. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission die Ansicht vertreten, im vorliegenden Fall sei die Sernam als Ganzes von ihren Führungskräften erworben worden, die in die künftige Financière Sernam wechselten. Die wirtschaftliche Kontinuität sei total gewährleistet gewesen. Darüber hinaus sei das Unternehmen von einem bedeutenden Teil seiner Schulden befreit worden und habe frisches Kapital in Höhe von 59 Mio. Euro erhalten, von denen 57 Mio. Euro wirtschaftlich weiter zulasten der Klägerin gegangen seien. Abgesehen davon, dass dieses Vorgehen die Bedingungen nach Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 nicht erfülle, habe es auch nicht für die Erreichung der mit dieser Entscheidung verfolgten Ziele gesorgt. Ganz im Gegenteil habe es zu einer Stärkung der wirtschaftlichen Einheit geführt, was die Wettbewerbsverzerrungen, die mit den in der Entscheidung Sernam 2 vorgesehenen Maßnahmen gerade hätten abgeschwächt werden sollen, noch habe verstärken können.

190    Das Gericht hält es für erforderlich, vor der Untersuchung der verschiedenen Argumente der Klägerin in den nachstehenden Rn. 196 bis 211 den Zweck des Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 im Licht ihrer Begründung zu untersuchen.

191    Wie sich insbesondere aus den Erwägungsgründen 200 und 208 bis 211 der Entscheidung Sernam 2 im Abschnitt „Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen – spezifische Gegenleistungen“ ergibt, war die Kommission der Auffassung, dass Maßnahmen getroffen werden müssten, um die nachteiligen Auswirkungen der der Sernam gewährten Beihilfe von 503 Mio. Euro für die Konkurrenz nach Möglichkeit abzumildern, dass die Begrenzung oder erzwungene Reduzierung der Präsenz auf dem Markt oder den Märkten, auf denen das Unternehmen tätig sei, eine Gegenleistung zugunsten der Konkurrenz darstelle und dass die Gegenleistungen je nachdem, ob das Unternehmen auf einem Markt mit Überkapazitäten tätig sei oder nicht, in verschiedener Form erbracht werden könnten. Angesichts der in derselben Entscheidung festgestellten missbräuchlichen Verwendung der Beihilfe und der Verlängerung des Umstrukturierungsplans war die Kommission der Ansicht, dass die Sernam eine besondere Gegenleistung in Form eines dauerhaften Rückzugs aus Marktsegmenten mit wesentlichen Überkapazitäten erbringen müsse, in diesem Fall aus dem Segment Sammelgutverkehr/herkömmliche Paketdienste per Straßentransport, um so die Genehmigung eines Teils der Umstrukturierungsbeihilfe zu rechtfertigen. Wie die Kommission bemerkt, hätte die Gewährung staatlicher Beihilfen in Märkten mit strukturellen Überkapazitäten oder schrumpfenden Märkten unmittelbar zur Folge, dass ein Unternehmen, das normalerweise seine Tätigkeit aufgrund zugegebener Schwierigkeiten hätte einstellen müssen, stark umkämpfte Marktanteile anstelle von wirtschaftlich gesunden Konkurrenzunternehmen unter künstlichen Bedingungen übernehmen könne.

192    Diese Gründe rechtfertigen die in Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung Sernam 2 aufgestellten Bedingungen, nämlich die Übernahme der Straßentransporttätigkeiten der Sernam durch andere Unternehmen und die Diversifizierung ihrer Aktivitäten hin zum Frachtdienst mit der Bahn, die bezweckten, dass sich die Sernam aus dem durch Überkapazitäten gekennzeichneten Markt zurückzieht, um Wettbewerbsverzerrungen aufgrund der Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe von 503 Mio. Euro zu vermeiden.

193    Aus dem 217. Erwägungsgrund der Entscheidung Sernam 2, der zu demselben Abschnitt über die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen gehört wie die Erwägungsgründe 200 und 208 bis 211, folgt, dass für den Fall, dass die Sernam ihre Aktiva „en bloc“ verkaufen sollte, die beiden genannten Bedingungen im Zusammenhang mit der Umstrukturierung des Unternehmens „nicht gelten, da Sernam nicht mehr in ihrer derzeitigen Rechtsform aktiv wäre und ihre Marktanteile an den unabhängigen Käufer abgegeben hätte, der de facto seine Tätigkeiten mit den Aktiva von Sernam fortsetzen könnte“.

194    Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, machten die beiden Absätze des Art. 3 der Entscheidung Sernam 2, die ausdrücklich alternativ galten, die Umstrukturierungsbeihilfe von 503 Mio. Euro von Bedingungen abhängig und verfolgten dasselbe Ziel der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen aufgrund dieser Beihilfe. Dass es im Fall des Verkaufs der Aktiva „en bloc“ nicht mehr notwendig war, den Rückzug aus dem von Überkapazitäten gekennzeichneten Straßentransportsektor vorzuschreiben, lässt sich nur so erklären, dass im Fall des Verkaufs der Aktiva der Sernam „en bloc“ in einem transparenten und offenen Verfahren zum Marktpreis an eine Gesellschaft, die keine rechtliche Verbindung mit der Klägerin hatte, die Sernam wirtschaftlich vom Markt verschwunden wäre und mit ihr die Wettbewerbsverzerrung aufgrund der ihr gewährten Umstrukturierungsbeihilfe. Folglich ist die im 217. Erwägungsgrund der Entscheidung Sernam 2 erwähnte „[Abgabe] ihre[r] Marktanteile an den unabhängigen Käufer“ als Beendigung der Wettbewerbsverzerrung, d. h. der subventionierten Tätigkeit der Sernam, zu verstehen.

195    Demnach hat die Kommission im 122. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zutreffend die Meinung vertreten, dass der Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ darauf abzielte, die wirtschaftliche Tätigkeit der Sernam abzubrechen.

196    Erstens macht die Klägerin, unterstützt durch die Französische Republik, geltend, dass die Geschäftstätigkeit der Sernam abgebrochen worden sei, da alle ihre Aktiva zusammen zur selben Zeit an ein und denselben Erwerber verkauft worden seien, und dass, wie sie im Rahmen des dritten Teils dargetan habe, die Sernam nicht im Ganzen erworben worden sei.

197    Aus der Prüfung des dritten Teils des vierten Klagegrundes (siehe oben, Rn. 134 bis 137) ergibt sich jedoch, dass die Klägerin sich nicht darauf beschränkte, alle Aktiva der Sernam zusammen an ein und denselben Erwerber zu verkaufen, sondern auch fast alle ihre Passiva veräußerte, was einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 darstellt. Die Behauptung, dass sie Sernam gleichwohl nicht vollständig im Ganzen veräußert habe, ist bereits oben in den Rn. 136 und 137 zurückgewiesen worden.

198    Zweitens macht die Klägerin geltend, Sernam sei nicht mehr in ihrer vor dem Verkauf bestehenden Rechtsform tätig geworden, da ihre Geschäftstätigkeiten aufgrund des Verkaufs ihrer Aktiva von der Financière Sernam fortgeführt worden seien.

199    Nach Sinn und Zweck des Verkaufs der Aktiva „en bloc“, der durch die Entscheidung Sernam 2 angeordnet wurde, um eine wirtschaftlich defizitäre Gesellschaft vom Markt zu entfernen, reicht die bloße Änderung der rechtlichen Bezeichnung der Sernam für die Feststellung des tatsächlichen Abbruchs ihrer Geschäftstätigkeit nicht aus.

200    Drittens behauptet die Klägerin, sie habe keine rechtliche Verbindung mit dem Führungsteam und damit mit der Financière Sernam gehabt. Deshalb sei die Übernahme der Sernam durch ihre Führungskräfte kein Anhaltspunkt für eine wirtschaftliche Kontinuität.

201    Dieses Vorbringen ist unerheblich, da dieser Umstand im 123. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nur der Vollständigkeit halber im Zusammenhang mit dem Erwerb der Sernam im Ganzen erwähnt wurde.

202    Jedenfalls hatten am 30. Juni 2005 die leitenden Angestellten der Sernam, die das in Rede stehende Angebot gemacht hatten, noch nicht ihr Amt als Vorsitzender des Verwaltungsrats bzw. stellvertretender Generaldirektor der Sernam niedergelegt (in Art. 4 der Vereinbarung vom 21. Juli 2005 hieß es, dass sie zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme ihr Amt niederlegen würden) und gehörten also noch zur SNCF‑Gruppe.

203    Viertens behauptet die Klägerin, die Marktanteile der Sernam seien an die Financière Sernam abgegeben worden, die die Geschäftstätigkeit mit den Aktiva der Sernam habe fortführen können.

204    Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass die Klägerin mit der von ihr vorgenommenen Übertragung bezweckte, Sernam im Ganzen zu verkaufen, um ihren Fortbestand zu sichern und sie zu sanieren. Dies steht im Gegensatz zu dem Ziel des Abbruchs ihrer Geschäftstätigkeit und der Abgabe ihrer Marktanteile an den Käufer ihrer Aktiva.

205    Zunächst hat die Klägerin in der Bekanntgabe der Ausschreibung vom 29. November 2004 erklärt, dass sie ein Auswahlverfahren eingeleitet habe, um einen Erwerber zu ermitteln, der in der Lage sei, „den Fortbestand der Geschäftstätigkeiten der Sernam sicherzustellen“, und dass sie ihr besonderes Augenmerk „auf den Fortbestand der Geschäftstätigkeiten der Sernam [und] die Erhaltung der Arbeitsplätze“ richten werde. Desgleichen hat die Bank X in ihrem Bericht an den Ausschuss für Beteiligungen und Übertragungen vom 21. Juli 2005 darauf hingewiesen, dass „die geplante Maßnahme in der Übernahme der Gesellschaft [und] der Sernam-Gruppe [besteht]“.

206    Dann hat der Ausschuss für Beteiligungen und Übertragungen in seiner zustimmenden Stellungnahme 2005-AC 2 vom 22. Juli 2005 klargestellt, dass „die der neuen Gesellschaft zur Verfügung gestellten Mittel der Deckung des Finanzbedarfs für ihre Umstrukturierung dienten, um die Rückkehr zu einem ausgeglichenen Betrieb zu ermöglichen“, und dass „die neue Sernam gerade über die Mittel verfügen wird, die es dem Unternehmen in völliger Unabhängigkeit von der Klägerin ermöglichen sollten, die ersten Geschäftsjahre zu überstehen, die schwierig bleiben, um allein oder mit Hilfe von Investoren zu einem normalen Betrieb zurückzukehren“.

207    Des Weiteren ergibt sich aus dem gesamten Akteninhalt und namentlich aus dem Bericht der Bank X und dem verbindlichen Übernahmeangebot des Führungsteams, dass zwei wesentliche Gesichtspunkte für die Bemessung des Übernahmeangebots zum einen der Liquiditätsbedarf der Sernam für die Finanzierung ihres Sanierungsplans und zum anderen die wegen der für die Zeit von 2005 bis 2008 zu erwartenden Verluste notwendige Kapitalaufstockung waren. Ein ganz erheblicher Teil des negativen Preises von 59 Mio. Euro entsprach dem Finanzbedarf für die Umstrukturierung der Sernam und ein geringerer Teil dem Finanzbedarf für die Kosten des im Geschäftsplan vorgesehenen Personalabbaus, die die dafür nach dem Gesetz und dem anwendbaren Tarifvertrag vorgesehenen Beträge überstiegen. In dem Bericht der Bank X heißt es dazu, dass „das Angebot des Führungsteams … im vorliegenden Fall mit einer Kapitalaufstockung einhergeht, die nach Meinung des Führungsteams unerlässlich ist, um seinen Sanierungsplan durchzuführen und ihm die notwendige Zuversicht für die Abgabe seines verbindlichen Übernahmeangebots in Höhe von 59 [Mio. Euro] zu geben“.

208    Sodann hat die Kommission, wie sich aus der vorstehenden Prüfung des dritten und des vierten Teils ergibt, im 123. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zutreffend festgestellt, dass das Unternehmen darüber hinaus von einem Teil seiner Schulden befreit wurde (denn die Finanzpassiva wurden der Einlage nicht hinzugefügt) und dass es frisches Kapital in Höhe von 59 Mio. Euro erhielt, von denen 57 Mio. Euro weiter zulasten der Klägerin gingen.

209    Schließlich ist auch zu beachten, dass die Entscheidung Sernam 2 vorsah, dass im Fall des Verbleibens der Sernam auf dem Markt, sei es innerhalb der SNCF‑Gruppe, sei es durch den Verkauf der Sernam im Ganzen (Aktiva und Passiva), die in Art. 3 Abs. 1 aufgestellten Bedinungen einzuhalten seien und sich Sernam in diesem Fall von dem durch Überkapazitäten gekennzeichneten Straßentransportmarkt hätte zurückziehen müssen. Die Klägerin behauptet jedoch nicht, dass die in Art. 3 Abs. 1 aufgestellten Bedingungen erfüllt worden seien, obwohl sie die Sernam fast als Ganzes verkauft hat.

210    Nach alledem behauptet die Klägerin zu Unrecht, dass die Geschäftstätigkeit der Sernam abgebrochen worden sei, denn in Wirklichkeit ist die Sernam fast als Ganzes (Aktiva und Passiva) übertragen worden und auf dem Markt aktiv geblieben, was eine erhebliche Kapitalaufstockung für die Finanzierung des neuen Sanierungsplans notwendig machte, und die vorgenommene Transaktion ermöglichte es nicht, die von der Entscheidung Sernam 2 verfolgten Ziele – nämlich Vermeidung der Wettbewerbsverzerrungen im Zusammenhang mit der Gewährung der durch die Entscheidung Sernam 2 genehmigten Umstrukturierungsbeihilfe – zu erreichen, sondern führte im Gegenteil zu einer Steigerung dieser Verzerrungen, indem sie die durch diese Beihilfe begünstigte wirtschaftliche Einheit insbesondere auf den von Überkapazitäten gekennzeichneten Märkten stärker machte.

211    Demnach ist die erste Rüge zurückzuweisen.

 Zur zweiten Rüge, die darauf gestützt wird, dass der Ausdruck „Verkauf der Aktiva ,en bloc‘“ in Wirklichkeit eine Fortführung der Geschäftstätigkeit der Sernam erlaubt habe

212    Nach Ansicht der Klägerin hätte die Kommission, wenn sie Sernam mit der Entscheidung Sernam 2 hätte zerschlagen wollen, eine andere Maßnahme als einen Verkauf der Aktiva „en bloc“ vorsehen müssen, der in Wirklichkeit sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich gesehen untrennbar mit der Fortführung der Geschäftstätigkeit der Sernam verbunden gewesen sei. Folglich könne die Kommission jetzt nicht eine gewisse Form von Kontinuität der Geschäftstätigkeit zwischen der Sernam und der Financière Sernam beanstanden.

213    Vorweg ist festzustellen, dass diesesVorbringen, wenn die Klägerin damit versucht, die Abfassung und die Erheblichkeit des Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 in Frage zu stellen, zurückzuweisen ist, da die Entscheidung Sernam 2, die nicht angefochten worden ist, Bestandskraft erlangt hat. Ihre Rechtmäßigkeit kann somit nicht im Rahmen der vorliegenden Klage untersucht werden. Das Vorbringen, dass die Abfassung der Entscheidung Sernam 2 Fehler enthalte, ist somit unzulässig.

214    Soweit die Klägerin mit diesem Vorbringen dartun will, dass die Entscheidung Sernam 2 ihr erlaubt habe, den Verkauf der Aktiva „en bloc“ so zu gestalten, wie sie es getan habe, da die Übertragung von Aktiva „en bloc“ in Wirklichkeit untrennbar mit der Fortführung der Geschäftstätigkeit verbunden gewesen sei, widerspricht ihr Vorbringen diametral ihrer früheren Behauptung, dass die Geschäftstätigkeit der Sernam durch diesen Verkauf sehr wohl abgebrochen worden sei.

215    Erstens vertritt die Klägerin unter Berufung auf die Rn. 68 bis 70 des Urteils SMI (oben in Rn. 52 angeführt, EU:C:2004:238) und Rn. 73 des Urteils CDA (oben in Rn. 52 angeführt, EU:T:2005:364) die Auffassung, dass der Verkauf der Aktiva „en bloc“ sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich gesehen in Wirklichkeit untrennbar mit der Fortführung der Geschäftstätigkeit verbunden sei, im Gegensatz zum Verkauf der Aktiva, die einzeln veräußert würden, der eine Beendigung der gesamten oder eines Teils der Geschäftstätigkeit beinhalte.

216    Zunächst ist festzustellen, dass dieses Vorbringen unerheblich ist, da die Prüfung des dritten Teils ergeben hat, dass Sernam in Wirklichkeit als Ganzes verkauft wurde und nicht nur ihre Aktiva verkauft wurden.

217    Sodann betreffen die von der Klägerin angeführten Randnummern Argumente, die die Kommission in ganz bestimmten Rechtssachen vor dem Unionsrichter geltend gemacht hat, und nicht eine vom Unionsrichter vorgenommene allgemeine Auslegung des Begriffs des Verkaufs der Aktiva „en bloc“. Der angefochtene Beschluss ist anhand des Vertrags und der Entscheidung Sernam 2 zu untersuchen, nicht dagegen anhand von Argumenten, die die Kommission in Rechtsstreitigkeiten vorgebracht hat, die andere Fälle betreffen.

218    Wie bereits oben in Rn. 122 festgestellt worden ist, macht die Entscheidung Sernam 2 keinen Unterschied zwischen einem Verkauf der Aktiva „en bloc“ und einem Verkauf der Aktiva, die einzeln veräußert werden, und bringt auch hinreichend klar zum Ausdruck, dass bei einem Verkauf der Aktiva „en bloc“ die Passiva nicht verkauft werden dürfen. Ferner heißt es im 217. Erwägungsgrund a. E. der Entscheidung Sernam 2, dass der Käufer, der die Aktiva der Sernam „en bloc“ erwerbe, de facto seine eigenen Tätigkeiten mit den Aktiva der Sernam fortsetzen könnte. Dies kann zwar den Anschein einer Fortführung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens erwecken, das durch die in der Entscheidung Sernam 2 für vereinbar erklärten Umstrukturierungsbeihilfen begünstigt worden ist, doch ist mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass es sich um die Tätigkeit eines ganz anderen Wirtschaftsteilnehmers als Sernam handeln muss, d. h. eines Käufers, der die Aktiva der Sernam in seine eigene Unternehmensstrategie integriert, da anderenfalls die Marktanteile des begünstigten Unternehmens nicht als „abgegeben“ angesehen werden können.

219    Schließlich ergibt sich aus den von der Klägerin angeführten Randnummern (Urteile SMI, oben in Rn. 52 angeführt, EU:C:2004:238, Rn. 68 bis 70, und CDA, oben in Rn. 52 angeführt, EU:T:2005:364, Rn. 73), in denen es um die Umgehung der Pflicht zur Rückzahlung staatlicher Beihilfen ging, dass die Kommission zwar darauf hingewiesen hat, dass „[g]roße Probleme entstünden …, wenn die Aktiva ‚en bloc‘ verkauft worden seien, so dass der Erwerber die Tätigkeit der begünstigten Gesellschaft fortsetzen könne[, und dass i]n diesem Fall … die Fortsetzung der subventionierten Tätigkeit die Wettbewerbsverzerrung verstetigen [könnte], so dass besondere Wachsamkeit geboten sei, um zu verhindern, dass die Übertragung der Vermögensgegenstände der begünstigten Gesellschaft eine Umgehung der Rückerstattungspflicht ermögliche, indem die fraglichen Aktiva ‚in Sicherheit gebracht‘ würden“, doch hat sie daran erinnert, dass in diesem Fall „die Umgehung nur ausgeschlossen [sei], wenn die ‚en bloc‘ erfolgte Übertragung der Vermögensgegenstände der begünstigten Gesellschaft nicht nur zum Marktpreis, sondern auch in einem nicht an Bedingungen geknüpften und allen Konkurrenten der begünstigten Gesellschaft offenstehenden Verfahren stattgefunden habe [und n]ur dann … die Erwerber nicht zur Rückerstattung der Beihilfen verpflichtet“ seien (Urteile SMI, oben in Rn. 52 angeführt, EU:C:2004:238, Rn. 70, und CDA, oben in Rn. 52 angeführt, EU:T:2005:364, Rn. 73).

220    Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 hat gerade einen Marktpreis in einem transparenten und offenen Verfahren vorgeschrieben. Die Prüfung des fünften Teils hat jedoch ergeben, dass auch dieses Erfordernis im vorliegenden Fall nicht erfüllt worden ist.

221    Zweitens trägt die Klägerin vor, die Kommission hätte, wenn sie den Abbruch der Geschäftstätigkeit der Sernam bezweckt hätte, deutlich machen müssen, dass sie nur den Verkauf der materiellen Betriebswerte und nicht den des Firmenwerts wolle, der die Fortführung der Geschäftstätigkeit ermögliche.

222    Zunächst ist festzustellen, dass zum einen im 217. Erwägungsgrund der Entscheidung Sernam 2 nicht zwischen materiellen und immateriellen Aktiva unterschieden wird und zum anderen im angefochtenen Beschluss der Klägerin nicht vorgeworfen wird, die immateriellen Aktiva, darunter den Firmenwert, hinzugefügt zu haben, sondern, die Passiva mit einbezogen zu haben.

223    Des Weiteren geht, falls die Klägerin mit ihrem oben in Rn. 221 wiedergegebenen Vorbringen auf den negativen Firmenwert oder „Badwill“ im Zusammenhang mit dem negativen Geschäftswert des Unternehmens verweisen will, aus den Rn. 139 und 140 der Erklärungen der französischen Behörden zu der Eröffnungsentscheidung hervor, dass die Behörden diesen Badwill definiert haben als die mögliche Differenz zwischen dem bar oder in Anteilsrechten gezahlten Kaufpreis und dem Wert der erworbenen Forderungen und übernommenen Verbindlichkeiten, jeweils für sich genommen. Die französischen Behörden betonen, dass der Badwill nicht autonom bestimmt worden sei, sondern faktisch nur die buchungstechnische Umschreibung des negativen Marktwerts von 57 Mio. Euro netto sei, der das Resultat der Ausschreibung sei. Seine Höhe habe sich nachträglich in Anbetracht des vom Markt für die „Aktiva“ der Sernam gebotenen Preises ergeben, der wiederum durch das einzige verbindliche Angebot bestimmt worden sei. Der Badwill, so die französischen Behörden, „spiegelt somit die Vorwegnahme der erwarteten Verluste und der Umstrukturierungskosten durch den Käufer wider, was im Übrigen im Bericht der [Bank X] näher ausgeführt wird, wonach zwei wesentliche Gesichtspunkte für die korrekte Bemessung eines Übernahmeangebots zum einen der Liquiditätsbedarf der Gesellschaft für die Finanzierung ihres Sanierungsplans und zum anderen die wegen der für die Zeit von 2005 bis 2008 zu erwartenden Verluste notwendige Kapitalaufstockung sind (S. 47 des Berichts)“.

224    Somit folgt aus den Akten, dass der von der Klägerin verwendete Begriff „Firmenwert“ nicht einen immateriellen Vermögenswert bezeichnete, sondern in Wirklichkeit die buchhalterische Übersetzung der Forderung des Führungsteams nach einer Kapitalaufstockung war, die im Wesentlichen darauf beruhte, dass ein Unternehmen, das Geld verlor, als Ganzes mit seinen Passiva verkauft worden war.

225    Drittens tägt die Klägerin vor, in Wirklichkeit hätte die Kommission die Übertragung der Aktiva der Sernam „en bloc“ auf industrielle Käufer beschränken wollen, was in der Entscheidung Sernam 2 allerdings nicht zum Ausdruck gekommen sei.

226    Aus dem angefochtenen Beschluss ergibt sich aber nicht, dass die Feststellung, Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 sei nicht eingehalten worden, damit begründet worden ist, dass es sich bei dem Käufer nicht um ein in dem fraglichen Sektor tätiges Industrieunternehmen gehandelt hat, sondern hauptsächlich damit, dass Sernam als Ganzes verkauft worden ist, ohne dass die in Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung Sernam 2 aufgestellten Bedingungen, namentlich die des Rückzugs aus dem von Überkapazitäten gekennzeichneten Markt, eingehalten wurden.

227    Mithin greift auch die zweite Rüge nicht durch.

228    Nach alledem ist der sechste Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Ergebnis bezüglich des vierten Klagegrundes

229    Nach Auffassung der Klägerin muss der angefochtene Beschluss schon für nichtig erklärt werden, wenn der Kommission bei ihrer Begründung für einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 ein einziger Fehler unterlaufen sei.

230    Können bestimmte Gründe einer Entscheidung für sich allein die Entscheidung rechtlich hinreichend rechtfertigen, dann haben nach der Rechtsprechung Mängel, mit denen andere Gründe der Entscheidung behaftet sein können, jedenfalls keinen Einfluss auf deren verfügenden Teil. Zudem ist, wenn der verfügende Teil einer Entscheidung der Kommission auf mehreren Begründungen beruht, von denen jede für sich allein schon den verfügenden Teil trägt, diese Entscheidung grundsätzlich nur dann für nichtig zu erklären, wenn jede dieser Begründungen rechtswidrig ist. Ein Fehler oder sonstiger Rechtsverstoß, der nur eine Begründung berührt, genügt in diesem Fall nicht, um die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung zu rechtfertigen, da er deren verfügenden Teil, der von dem Organ, das diese Entscheidung erlassen hat, beschlossen wurde, nicht entscheidend beeinflussen konnte (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2011, Eridania Sadam/Kommission, T‑579/08, EU:T:2011:608, Rn. 56 und 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

231    Da die Feststellung der Nichteinhaltung des Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 und damit der Unvereinbarkeit der staatlichen Beihilfen in Höhe von 503 Mio. Euro in dem angefochtenen Beschluss auf mehrere Gründe gestützt wurde, von denen jeder einzelne schon den verfügenden Teil trug, reicht entgegen dem Vorbringen der Klägerin der in Rn. 108 des vorliegenden Urteils festgestellte Fehler, mit dem einer dieser Gründe, im vorliegenden Fall bezüglich der Qualifizierung als Verkauf, behaftet war, für sich allein nicht aus, um den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit dort die missbräuchliche Verwendung der von der Kommission in der Entscheidung Sernam 2 unter bestimmten Bedingungen genehmigten staatlichen Beihilfe in Höhe von 503 Mio. Euro festgestellt wurde.

232    Deshalb ist der vierte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2.     Zum fünften Klagegrund: Der Kommission sei ein Rechtsfehler unterlaufen, soweit sie die Ansicht vertreten habe, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung der durch die Entscheidung Sernam 2 für unvereinbar erklärten staatlichen Beihilfe von 41 Mio. Euro auf die Financière Sernam und ihre Betriebsgesellschaften übergegangen sei

233    Die Klägerin führt aus, nach ständiger Rechtsprechung reiche die Verbuchung der durch die Entscheidung Sernam 2 für unvereinbar erklärten staatlichen Beihilfe von 41 Mio. Euro auf der Passivseite der Liquidation der Sernam zur Beseitigung der auf dieser Beihilfe beruhenden Wettbewerbsverzerrung aus. Insoweit bestreitet sie, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung dieser Beihilfe auf die Financière Sernam und ihre Betriebsgesellschaften übergegangen sei. Erstens sei entgegen den Behauptungen der Kommission in den Erwägungsgründen 144 bis 148 des angefochtenen Beschlusses keines der Kriterien für eine wirtschaftliche Kontinuität im Sinne des Urteils Seleco (oben in Rn. 52 angeführt, EU:C:2003:252) im vorliegenden Fall erfüllt. Zweitens habe die Verbuchung der 41 Mio. Euro auf der Passivseite der Liquidation der Sernam mit Art. 4 der Entscheidung Sernam 2 in Einklang gestanden.

234    Wie der Gerichtshof bereits mehrfach entschieden hat, kann die Eintragung der Forderung nach Rückerstattung der fraglichen Beihilfen in die Forderungstabelle die Rückforderungspflicht nur dann erfüllen, wenn das Konkursverfahren in dem Fall, dass die staatlichen Stellen nicht den Gesamtbetrag der Beihilfen zurückerlangen können, zur Liquidation des Unternehmens, das die rechtswidrigen Beihilfen erhalten hat, d. h. zur endgültigen Einstellung seiner Tätigkeit, führt. Denn mit der Rückforderung von Beihilfen, die für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt worden sind, soll die Wettbewerbsverzerrung beseitigt werden, die durch den Wettbewerbsvorteil verursacht wurde, den der Empfänger dieser Beihilfen auf dem Markt gegenüber seinen Mitbewerbern besaß, und so die vor der Zahlung der Beihilfen bestehende Lage wiederhergestellt werden. Befindet sich das Unternehmen, dem die rechtswidrigen Beihilfen zugutegekommen sind, in Konkurs und ist eine Gesellschaft gegründet worden, um einen Teil der Tätigkeiten dieses in Konkurs gefallenen Unternehmens fortzusetzen, kann die Fortsetzung dieser Tätigkeit, ohne dass die betreffenden Beihilfen vollständig zurückerlangt wurden, die Wettbewerbsverzerrung fortdauern lassen, die durch den Wettbewerbsvorteil verursacht worden ist, den diese Gesellschaft auf dem Markt gegenüber ihren Mitbewerbern besaß. Somit kann eine derartige neu gegründete Gesellschaft, wenn dieser Vorteil zu ihren Gunsten fortbesteht, zur Rückerstattung der fraglichen Beihilfen verpflichtet sein Dies ist namentlich dann der Fall, wenn erwiesen ist, dass dieser Gesellschaft der tatsächliche Nutzen des mit dem Erhalt dieser Beihilfen verbundenen Wettbewerbsvorteils verbleibt, vor allem wenn sie die Vermögensgegenstände der Gesellschaft in Liquidation erwirbt, ohne dafür einen den Marktbedingungen entsprechenden Preis zu zahlen, oder wenn erwiesen ist, dass mit der Gründung einer derartigen Gesellschaft die Pflicht zur Rückerstattung der Beihilfen umgangen wurde. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Zahlung eines den Marktbedingungen entsprechenden Preises nicht ausreichen würde, um den mit dem Erhalt der rechtswidrigen Beihilfen verbundenen Wettbewerbsvorteil zu neutralisieren. In einem solchen Fall genügt die Aufnahme der Forderung, die sich auf die für rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärten Beihilfen bezieht, in die Forderungstabelle für sich genommen nicht zur Beseitigung der so entstandenen Wettbewerbsverzerrung (vgl. Urteile vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, Slg, EU:C:2012:781, Rn. 104 bis 107 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 24. Januar 2013, Kommission/Spanien, C‑529/09, Slg, EU:C:2013:31, Rn. 107 und 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).

235    Nach der Rechtsprechung zum Verkauf von Aktiva kann bei der Prüfung der Frage, ob die Verpflichtung zur Rückzahlung der Beihilfe, die einer in Schwierigkeiten geratenen Gesellschaft gewährt wurde, auf eine neue Gesellschaft, auf die die erstgenannte Gesellschaft bestimmte Vermögenswerte übertragen hat, erstreckt werden kann, wenn diese Übertragung die Feststellung einer wirtschaftlichen Kontinuität zwischen den beiden Gesellschaften erlaubt, Folgendes berücksichtigt werden: der Gegenstand der Übertragung (Aktiva und Passiva, Fortbestand der Belegschaft, gebündelte Aktiva), der Übertragungspreis, die Identität der Aktionäre oder Eigentümer des erwerbenden und des ursprünglichen Unternehmens, der Zeitpunkt der Übertragung (nach Beginn der Untersuchung, der Verfahrenseinleitung oder der abschließenden Entscheidung) oder schließlich die ökonomische Logik der Transaktion (vgl. in diesem Sinne Urteile Seleco, oben in Rn. 52 angeführt, EU:C:2003:252, Rn. 78; vom 13. September 2010, Griechenland u. a./Kommission, T‑415/05, T‑416/05 und T‑423/05, Slg, EU:T:2010:386, Rn. 135, und vom 28. März 2012, Ryanair/Kommission, T‑123/09, Slg, EU:T:2012:164, Rn. 155). Die Kommission ist jedoch nicht verpflichtet, alle diese Umstände zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne das vorgenannte Urteil Ryanair/Kommission, EU:T:2012:164, Rn. 156).

236    Die Parteien stellen dieses Analyseraster für die wirtschaftliche Kontinuität nicht in Frage, wohl aber seine Anwendung durch die Kommission auf den vorliegenden Fall.

 Zur ersten Rüge, die darauf gestützt wird, dass im vorliegenden Fall keines der Kriterien für eine wirtschaftliche Kontinuität erfüllt sei

237    Die Klägerin ist der Ansicht, dass entgegen der Analyse der Kommission in den Erwägungsgründen 144 bis 148 des angefochtenen Beschlusses keines der Kriterien für die wirtschaftliche Kontinuität im Sinne des oben in Rn. 52 angeführten Urteils Seleco (EU:C:2003:252), nämlich Gegenstand der Übertragung, Übertragungspreis, Identität der Aktionäre oder Eigentümer des erwerbenden und des ursprünglichen Unternehmens, Zeitpunkt der Übertragung oder aber ökonomische Logik der Transaktion, im vorliegenden Fall erfüllt sei.

238    Der 144. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses lautet:

„Was zunächst die Übertragung der gesamten Aktiva und Passiva der [Sernam] auf die Sernam Xpress mit Ausnahme von drei finanziellen Passiva … anbelangt, stellt die Kommission fest, dass diese Übertragung das Unternehmen als Ganzes umfasste (siehe Abschnitt 3.2.3.). Zwischen der [Sernam] und der Sernam Xpress besteht daher wirtschaftliche Kontinuität … Ferner fand die Übertragung innerhalb verbundener Unternehmen statt. Sie erfolgt nach einer endgültigen Entscheidung der Kommission, die die Rückforderung der Beihilfe anordnet. Ihre einzige ökonomische Logik besteht darin, die Geschäftstätigkeiten der [Sernam] fortführen zu können, ohne die Bedingungen nach Artikel 3 der Entscheidung Sernam 2 einhalten zu müssen. Damit sind sämtliche Kriterien für die Darlegung der wirtschaftlichen Kontinuität im Sinne der Entscheidung und des Urteils Seleco gegeben.“

 Zum Gegenstand der Übertragung

239    Die Klägerin behauptet, Sernam sei nicht als Ganzes an die Financière Sernam verkauft worden.

240    Die Prüfung des dritten Teils des vierten Klagegrundes und insbesondere die vorstehenden Rn. 134 bis 137 haben jedoch ergeben, dass die Kommission im 144. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zutreffend die Ansicht vertreten hat, dass das Unternehmen unter Verletzung des Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 als Ganzes übertragen wurde.

 Zur Identität der Aktionäre oder Eigentümer des erwerbenden und des ursprünglichen Unternehmens

241    Die Klägerin trägt vor, die Übertragung der gesamten Aktiva und Passiva der Sernam habe entgegen der Behauptung der Kommission im 144. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nicht innerhalb verbundener Unternehmen stattgefunden, da die Aktionäre der Financière Sernam nicht mit denen der Sernam identisch seien. Aktionär der Financière Sernam sei das frühere Führungsteam der Sernam, während Aktionär der Sernam die Klägerin selbst gewesen sei. Eigentümerin und Nutznießerin der bei der Sernam Xpress verbliebenen Aktiva der Sernam sei letztlich die Financière Sernam. Deshalb sei das Kriterium der Identität der Aktionäre oder Eigentümer des erwerbenden und des ursprünglichen Unternehmens im Sinne des oben in Rn. 52 angeführten Urteils Seleco nicht erfüllt.

242    Dieses Vorbringen vermag nicht zu überzeugen, denn es geht in diesem Stadium der Überlegungen der Kommission um die Frage der wirtschaftlichen Kontinuität. Erst nachdem die Kommission eine wirtschaftliche Kontinuität zwischen der Sernam und der Sernam Xpress (in den Erwägungsgründen 144 bis 148 des angefochtenen Beschlusses) festgestellt hatte, kam sie im 150. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass der Nutzen aus der unvereinbaren Beihilfe aufgrund der Fusion mit der Sernam Xpress letztendlich auf die Financière Sernam übergegangen sei.

243    Somit hat die Kommission im 144. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zutreffend festgestellt, dass die Einbringung der Sernam in die Sernam Xpress innerhalb der SNCF‑Gruppe stattfand.

 Zum Zeitpunkt der Übertragung

244    Was den Zeitpunkt der Übertragung der Aktiva „en bloc“ betrifft, trägt die Klägerin vor, in den oben in Rn. 52 angeführten Rechtssachen Seleco (EU:C:2003:252), SMI, (EU:C:2004:238) und CDA (EU:T:2005:364) seien die von der Kommission als „Umgehung“ angesehenen Maßnahmen entweder während des förmlichen Prüfverfahrens oder aber zu einem Zeitpunkt ergriffen worden, zu dem die nationalen Behörden die Eröffnung eines Prüfverfahrens durch die Kommission erwartet hätten. Hier dagegen habe die Übertragung der Aktiva der Sernam „en bloc“ nach Erlass der Entscheidung Sernam 2 innerhalb der in deren Art. 3 Abs. 2 festgesetzten Frist und nach den dort festgelegten Modalitäten stattgefunden. Dies schließe aus, dass sie in der Absicht vorgenommen worden sei, der Rückforderung der Beihilfe zu entgehen.

245    Im 144. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission festgestellt, dass die Übertragung der gesamten Aktiva und Passiva der Sernam nach Erlass der abschließenden Entscheidung Sernam 2, in deren Art. 2 die Rückforderung der Beihilfe von 41 Mio. Euro angeordnet worden sei, stattgefunden habe.

246    Dazu ist zu bemerken, dass der Zeitpunkt der Umsetzung einer Entscheidung, die die Möglichkeit eines Verkaufs der Aktiva des Beihilfebegünstigten „en bloc“ sowie eine Verpflichtung zur Rückzahlung einer rechtswidrigen und unvereinbaren Beihilfe beinhaltet, sich zumindest ebenso gut für eine Umgehung der Rückzahlungspflicht anbietet wie die Phase des förmlichen Prüfverfahrens. Denn während ein förmliches Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV aufgrund von Zweifeln an der Existenz und der Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe eröffnet wird, beseitigt eine Entscheidung, mit der die Rückforderung einer staatlichen Beihilfe angeordnet wird, alle insoweit bestehenden Zweifel.

247    Im Übrigen ergibt sich aus der Prüfung des ersten, des dritten, des vierten und des fünften Teils des vierten Klagegrundes, dass die vorgenommene Transaktion weder die Frist (siehe oben, Rn. 84 bis 93) noch die Modalitäten (siehe oben, Rn. 110 bis 187) einhielt, die in Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 vorgesehen waren.

 Zur ökonomischen Logik der Übertragung

248    Zur ökonomischen Logik der Übertragung bemerkt die Klägerin, unterstützt durch die Französische Republik, erstens, dass sie gezwungen gewesen sei, sich unter Einhaltung der in der Entscheidung Sernam 2 aufgestellten Bedingungen von einem defizitären Unternehmen zu trennen.

249    Zweitens sei die Mantelgesellschaft Sernam Xpress nicht in der Absicht in Anspruch genommen worden, die Verpflichtung zur Rückzahlung der Beihilfen zu umgehen, sondern allein, um den Erwerb der Aktiva der Sernam „en bloc“ durch die Financière Sernam zu ermöglichen, da gemäß der Entscheidung Sernam 2 sicherzustellen gewesen sei, dass der Erwerber der Aktiva keine Verbindung mit der Klägerin habe. Die Klägerin legt dazu unter Berufung auf ein von einem Professor für französisches Recht erstelltes Gutachten über französisches Recht dar, dass die sogenannte „Teileinlage von Vermögenswerten“ (apport partiel d’actifs) die einzige Maßnahme gewesen sei, durch die den Aktiva die Betriebspassiva hätten hinzugefügt werden können, ohne die Zustimmung jedes einzelnen Gläubigers einholen zu müssen (um in den Genuss der Wirkung dieser Maßnahme, nämlich der Gesamtrechtsnachfolge, zu kommen). Wegen des Erfordernisses der Unabhängigkeit des Käufers von der Klägerin sei jedoch eine direkte Teileinlage von Vermögenswerten in die Financière Sernam ausgeschlossen gewesen, da die Klägerin sonst aufgrund der Vergütung ihrer Einlage (in Form von Beteiligungen) Anteilseignerin der Financière Sernam geworden wäre. Dies erkläre, weshalb es notwendig gewesen sei, zunächst die Teileinlage von Vermögenswerten in die Sernam Xpress vorzunehmen und sodann deren Anteile auf die Financière Sernam zu übertragen.

250    Die Kommission hat in den Erwägungsgründen 144 bis 147 des angefochtenen Beschlusses die Ansicht vertreten, die ökonomische Logik habe allein darin bestanden, die Geschäftstätigkeit der Sernam fortführen zu können, ohne die Bedinungen nach Art. 3 der Entscheidung Sernam 2 einhalten zu müssen.

251    Wie schon oben in Rn. 247 festgestellt, hat die Prüfung des ersten, des dritten, des vierten und des fünften Teils des vierten Klagegrundes ergeben, dass die in Art. 3 der Entscheidung Sernam 2 aufgestellten Bedingungen nicht eingehalten wurden. Auch aus der Untersuchung des sechsten Teils des vierten Klagegrundes (siehe namentlich oben, Rn. 189 bis 211) folgt, dass der Zweck des Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 nicht erfüllt wurde, da die Geschäftstätigkeit der Sernam nicht abgebrochen wurde.

252    Ferner ergibt sich aus den vorstehenden Rn. 127 bis 129, dass die Klägerin die Umgehung der in Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 aufgestellten Bedingungen nicht mit sich aus dem nationalen Recht ergebenden Zwängen rechtfertigen kann. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass sie ihr oben in Rn. 249 wiedergegebenes Vorbringen auf die angebliche Notwendigkeit gestützt hat, den Aktiva der Sernam die Passiva hinzuzufügen. Aus den vorstehenden Rn. 113 bis 119 ergibt sich jedoch, dass dem Verkauf der Aktiva „en bloc“ gemäß Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 keine Passiva hinzugefügt werden durften.

 Zum Preis der Übertragung

253    Zum Preis der Übertragung macht die Klägerin, unterstützt durch die Französische Republik, erstens geltend, dass es sich bei dem negativen Preis, den die Financière Sernam für die „en bloc“ verkauften Aktiva der Sernam gezahlt habe, entgegen der Behauptung der Kommission in den Erwägungsgründen 145 und 146 des angefochtenen Beschlusses um einen Markpreis gehandelt habe, der das Resultat eines transparenten und offenen Ausschreibungsverfahrens gewesen sei. Aus den gleichen Gründen sei der Hinweis im 145. Erwägungsgrund bezüglich des vertraglichen Gleichgewichts zwischen der SNCF und der Financière Sernam bedeutungslos. Nach Auffassung der Klägerin und der Französischen Republik kann deshalb weder der Empfänger der fraglichen Aktiva, d. h. die Sernam Xpress, noch ihr Käufer, d. h. die Financière Sernam, zur Rückzahlung verpflichtet werden. Die Rückzahlung hätte vielmehr vom Verkäufer, d. h. der Sernam, verlangt werden müssen.

254    Der 145. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses lautet:

„Die Kommission stellt im Übrigen fest, dass die Übertragung auf Sernam Xpress nicht den Marktbedingungen entspricht. Die Übertragung auf Sernam Xpress erfolgte zu einem negativen Preis und ist nicht das Ergebnis eines transparenten und offenen Verfahrens (siehe Abschnitt 3.2.5.[des angefochtenen Beschlusses]). Zu dem negativen Preis von 57 Mio. [Euro], der wie eine Betriebsbeihilfe gestaltet ist, mit der sich die Verluste der Sernam Xpress für den Zeitraum 2005-2008 decken lassen, gesellt sich der Forderungsverzicht der SNCF gegenüber der [Sernam] in Höhe von 38,5 Mio. [Euro] (siehe Erwägungsgrund 27 [des angefochtenen Beschlusses]). Schließlich stellt die Kommission auch noch fest, dass es sich bei den in der [Sernam] verbleibenden Passiva um Schulden gegenüber Dritten und nicht um Schulden gegenüber der SNCF handelt. Mit ihrer Kapitalspritze von 57 Mio. [Euro] hat die SNCF dafür gesorgt, dass die Sernam Xpress ihre Gläubiger zumindest für den Zeitraum 2005-2008 komplett befriedigen kann. Hätte die SNCF als Gegenleistung nur die Aktiva zu einem positiven Preis verkauft, wären die Schulden der [Sernam] gegenüber Dritten nur in Höhe des Verkaufserlöses beglichen worden. Dies ist ein zusätzliches Anzeichen dafür, dass das vertragliche Gleichgewicht zwischen der SNCF und der Financière Sernam nicht den Marktbedingungen entspricht.“

255    Das Vorbringen, dass es sich bei dem im vorliegenden Fall gezahlten negativen Preis um einen Marktpreis handele, der das Ergebnis eines transparenten und offenen Ausschreibungsverfahrens gewesen sei, ist zurückzuweisen, da die Prüfung des fünften Teils des vierten Klagegrundes ergeben hat, dass das Angebot des Führungsteams nicht als Ergebnis eines transparenten und offenen Verfahrens angesehen werden kann. Die auf die gleichen Gründe gestützte Beanstandung des Hinweises bezüglich des vertraglichen Gleichgewichts zwischen der Klägerin und der Financière Sernam ist deshalb ebenfalls zurückzuweisen.

256    Aus Rn. 207 des vorliegenden Urteils ergibt sich ferner, dass das Übernahmeangebot des Führungsteams so bemessen war, dass damit ein neuer Sanierungsplan für Sernam sowie die wegen der für die Zeit von 2005 bis 2008 zu erwartenden Verluste notwendige Kapitalaufstockung finanziert werden konnten. Deshalb hat die Kommission im 145. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ebenfalls zutreffend festgestellt, dass der negative Preis von 57 Mio. Euro wie eine Betriebsbeihilfe gestaltet war, mit der sich die Verluste der Sernam Xpress für den Zeitraum von 2005 bis 2008 decken ließen, wozu sich noch der Forderungsverzicht der Klägerin gegenüber der Sernam in Höhe von 38,5 Mio. Euro gesellte.

257    Zweitens weist die Klägerin in ihrer Klageschrift im Rahmen mehrerer Klagegründe und Rügen darauf hin, dass der negative Preis von 57 Mio. Euro netto durch mehrere unabhängige Gutachten bestätigt worden sei, und nimmt insoweit Bezug auf den Bericht vom 21. Juli 2005, der von der Revisionssparte der Bank X, ihrer Beraterbank, die auch die Ausschreibung durchgeführt hatte, erstellt worden war, auf den Bericht einer Prüfungsgesellschaft (im Folgenden: Prüfungsgesellschaft Y) vom 3. Juni 2005 (im Jahr 2008 auf den neuesten Stand gebracht), auf den vom Ausschuss für Beteiligungen und Übertragungen in Auftrag gegebenen Bericht einer anderen Bank, der Bank Z, vom 18. Juli 2005 und auf die Stellungnahme 2005-AC 2 des Ausschusses für Beteiligungen und Übertragungen vom 22. Juli 2005. Dieser Ausschuss sei angesichts der übereinstimmenden Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass die geplante Veräußerung offensichtlich „die Lösung ist, die der neuen Sernam nicht unrealistische Erfolgsaussichten bietet und zugleich die Klägerin am wenigsten teuer zu stehen kommt“.

258    Nach Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 mussten die Aktiva „en bloc“ „im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens“ zum Marktpreis verkauft werden. Ebenso bestimmt Art. 4 dieser Entscheidung: „Jeder Verkauf von Sernam (zum Teil oder im Ganzen) muss zum Marktpreis und im Rahmen eines transparenten und für alle Konkurrenten offenen Verfahrens stattfinden.“ Somit hatte die Kommission in der Entscheidung Sernam 2 gefordert, dass der Marktpreis das Ergebnis eines transparenten und offenen Ausschreibungsverfahrens sein müsse, was im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden ist (vgl. oben, Rn. 160 bis 187).

259    Ohnehin betreffen zwei der genannten Berichte, nämlich der Bericht der Prüfungsgesellschaft Y und der Bericht der Bank Z, nur die Frage der Anwendung des Kriteriums des privaten Investors, d. h. den Vergleich der Kosten der geplanten Veräußerung mit den Kosten einer etwaigen Liquidation der Sernam. Sie spielen deshalb keine Rolle für die Frage, ob der für die Aktiva und Passiva der Sernam gezahlte Preis der Marktpreis war. Auch die angeführte Passage der Stellungnahme des Ausschusses für Beteiligungen und Übertragungen bezieht sich nur auf den Vergleich der Kosten der Übertragung mit den Kosten einer Liquidation der Sernam. Was im Übrigen die Schlussfolgerungen der Revisionssparte der Bank X vom 21. Juli 2005 angeht, so handelt es sich um ein Gutachten, das nach Einreichung und auf der Grundlage des Angebots des Führungsteams (und des von diesem aufgestellten Geschäftsplans 2005-2008) erstellt wurde.

260    Die Klägerin behauptet daher zu Unrecht, dass die vorgelegten Gutachten die Auffassung bestätigten, dass es sich bei dem Verkaufspreis um den Marktpreis gehandelt habe.

261    Drittens bestreitet die Klägerin die Behauptung der Kommission in den letzten beiden Sätzen des 145. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses, dass die Schulden der Sernam gegenüber Dritten, wenn die Klägerin die Aktiva allein zu einem positiven Preis verkauft hätte, nur in Höhe des Verkaufserlöses beglichen worden wären. Nach Ansicht der Klägerin hätte, da bei einem Verkauf der Aktiva „en bloc“ nach nationalem Recht nicht nur die Schulden, sondern nach Art. L 1224-1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs auch die Arbeitnehmer hätten übernommen werden müssen, kein Käufer einen positiven Preis für den Erwerb dieser Aktiva „en bloc“ geboten.

262    Das gegen die letzten beiden Sätze des 145. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses gerichtete Vorbringen der Klägerin ist unerheblich, da die Kommission die bestrittene Behauptung nur als Ergänzung der anderen Feststellungen am Anfang dieses Erwägungsgrundes vorgetragen hat, nämlich als „zusätzliches Anzeichen“ dafür, dass das vertragliche Gleichgewicht zwischen der Klägerin und der Financière Sernam nicht den Marktbedingungen entspreche. Da die Kommission, wie bereits dargelegt, am Anfang des 145. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses zutreffend festgestellt hat, dass der negative Preis des Verkaufs an Sernam Xpress nicht das Ergebnis eines transparenten und offenen Verfahrens war, können die gegen die letzten beiden Sätze dieses Erwägungsgrundes gerichteten Argumente nicht zur Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses führen.

263    Viertens wendet sich die Klägerin gegen die Feststellung der Kommission im 146. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass der negative Preis von 57 Mio. Euro höher ausgefallen sei als das beste Angebot, das bei der fruchtlosen Ausschreibung eingegangen sei und sich auf einen negativen Preis in Höhe von 56,4 Mio. Euro belaufen habe (Angebot des Bewerbers Nr. 5 in der zweiten Runde), mit dem Hinweis, dass es sich bei diesem Angebot in der zweiten Runde nicht um ein verbindliches Angebot gehandelt habe, das folglich habe unberücksichtigt bleiben müssen.

264    Nach den Ausführungen in Rn. 167 des vorliegenden Urteils hat die Kommission im 146. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht das Angebot eines negativen Preises von 57 Mio. Euro als weniger interessant angesehen als das Angebot eines negativen Preises von 56,4 Mio. Euro in der zweiten Runde, das von dem vom Bewerber Nr. 5 geführten Konsortium abgegeben worden war. Insoweit ist das Vorbringen der Klägerin, die Interessenbekundung des mit dem Bewerber Nr. 5 gebildeten Konsortiums könne nicht zum Vergleich herangezogen werden, da sie im Gegensatz zum Angebot des Führungsteams nicht verbindlich gewesen sei, unerheblich, da die Prüfung des fünften Teils des vierten Klagegrundes ergeben hat, dass auch das Angebot des Führungsteams nicht berücksichtigt werden kann, weil es nicht im Rahmen eines transparenten und offenen Ausschreibungsverfahrens abgegeben wurde.

265    Nach dem Vorstehenden (siehe oben, Rn. 237 bis 264) ist die Kommission im 148. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zutreffend zu dem Schluss gekommen, dass die Übertragung der Geschäftstätigkeiten der Sernam auf die Sernam Xpress zur Folge hatte, dass der Sernam Xpress der tatsächliche Nutzen des mit dem Erhalt der Beihilfen verbundenen Wettbewerbsvorteils verblieb, da zwischen diesen beiden Gesellschaften immer eine wirtschaftliche Kontinuität bestand.

266    Ferner verweist die Französische Republik auf die Rechtsprechung zum Aktienverkauf: Werde danach ein Unternehmen, das eine staatliche Beihilfe erhalten habe, zum Marktpreis erworben, d. h. zum höchsten Preis, den ein privater Investor unter normalen Wettbewerbsbedingungen für diese Gesellschaft in der Situation, in der sie sich – insbesondere nach dem Erhalt staatlicher Beihilfen – befunden habe, zu zahlen bereit sei, so sei das Beihilfeelement zum Marktpreis bewertet und in den Kaufpreis einbezogen worden. Unter diesen Umständen könne der Käufer nicht als Nutznießer eines Vorteils gegenüber den übrigen Marktteilnehmern angesehen werden. Wenn ein Unternehmen, das eine Beihilfe erhalten habe, zum Marktpreis verkauft worden sei, spiegele der Kaufpreis allerdings grundsätzlich die Auswirkungen der zuvor gewährten Beihilfe wider, und der Verkäufer dieses Unternehmens bleibe Nutznießer der Beihilfe. In diesem Fall müsse in erster Linie durch die Rückerstattung der Beihilfe seitens des Verkäufers für die Wiederherstellung der früheren Situation gesorgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2001, Banks, C‑390/98, Slg, EU:C:2001:456, Rn. 77 und 78). Nach Ansicht der Französischen Republik würde, wenn man das verkaufte Unternehmen, d. h. hier Sernam Xpress, zur Rückzahlung der rechtswidrigen und unvereinbaren Beihilfe verpflichten würde, dies im Ergebnis darauf hinauslaufen, den Käufer dieses Unternehmens, also die Financière Sernam, zu bestrafen, die dadurch, dass sie für dieses Unternehmen den Marktpreis entrichtet habe, die rechtswidrige und unvereinbare Beihilfe bereits bezahlt habe. Dies bedeute, dass der Käufer der Aktien des verkauften Unternehmens diese rechtswidrige und unvereinbare Beihilfe zweimal bezahlen müsse.

267    Zum einen unterscheidet die Rechtsprechung jedoch, wie sich aus den Erwägungsgründen 138 und 149 sowie der Fn. 32 des angefochtenen Beschlusses ergibt, zwischen dem Erwerber der Aktien und der durch die rechtswidrige Beihilfe begünstigten Gesellschaft, deren Aktien verkauft worden sind. Denn nach ständiger Rechtsprechung wirkt es sich auf die Rückforderungspflicht nicht aus, wenn ein Anteilseigner einem Dritten Anteile an einer Gesellschaft verkauft, die durch eine rechtswidrige Beihilfe begünstigt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil Seleco, oben in Rn. 52 angeführt, EU:C:2003:252, Rn. 83). Behält das Unternehmen, dem rechtswidrige staatliche Beihilfen gewährt wurden, seine Rechtspersönlichkeit und übt es weiterhin für eigene Rechnung die mit den staatlichen Beihilfen subventionierten Tätigkeiten aus, verbleibt der mit den fraglichen Beihilfen verbundene Wettbewerbsvorteil daher normalerweise bei diesem Unternehmen, so dass ihm die Verpflichtung aufzuerlegen ist, einen Betrag in Höhe dieser Beihilfen zurückzuzahlen. Vom Erwerber kann daher die Rückzahlung solcher Beihilfen nicht verlangt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil SMI, oben in Rn. 52 angeführt, EU:C:2004:238, Rn. 81).

268    Aus dieser Rechtsprechung hat die Kommission im 149. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht hergeleitet, dass der Verkauf der Gesellschaftsanteile der Sernam Xpress an die Financière Sernam nicht die Befreiung der Sernam Xpress von der Verpflichtung zur Rückzahlung der Beihilfe von 41 Mio. Euro zur Folge hatte.

269    Dem Einwand der Französischen Republik und der Klägerin, diese Argumentation führe dazu, dass der Käufer der Aktien den Preis einer rechtswidrigen und unvereinbaren Beihilfe zweimal zahlen müsse, kann nicht gefolgt werden. Denn wie die Kommission bemerkt, kann diese Unterscheidung zwischen dem Käufer der Aktien und der verkauften Gesellschaft praktische Konsequenzen haben, da in diesem Fall der Käufer der Aktien außer bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände nicht die dem erworbenen Unternehmen gewährte Beihilfe schuldet, solange er das erworbene Unternehmen in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung fortführt.

270    Zum anderen war, anders als das Vorbringen der Französischen Republik nahelegt, der Grund für den Übergang der Verpflichtung zur Rückzahlung der rechtswidrigen und unvereinbaren Beihilfe von 41 Mio. Euro auf die Financière Sernam nicht ihre Eigenschaft als Käuferin der Gesellschaftsanteile der Sernam Xpress, sondern ihre Eigenschaft als deren Rechtsnachfolgerin aufgrund der Fusion mit Sernam Xpress am 30. Juni 2011, da diese Fusion die Wirkung einer Gesamtrechtsnachfolge hatte (vgl. 150. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Da die Kommission die wirtschaftliche Kontinuität zwischen Sernam und Sernam Xpress rechtlich hinreichend nachgewiesen hat (siehe oben, Rn. 237 bis 265) und die Klägerin die Fusion der Sernam Xpress mit der Financière Sernam nicht leugnet, ist diese Begründung zu bestätigen.

271    Schließlich trägt die Französische Republik vor, das Kriterium des privaten Investors sei im vorliegenden Fall erfüllt, denn die Kosten des Verkaufs der Aktiva der Sernam „en bloc“ an die Financière Sernam seien, wie sie in ihren Schreiben vom 8. Oktober 2008 und vom 5. Mai 2009 ausgeführt habe, geringer gewesen als die Kosten, die der Klägerin im Fall der Liquidation der Sernam entstanden wären.

272    Diese Ausführungen der Französischen Republik zum Kriterium des privaten Investors stehen jedoch in keinem Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Rückzahlung der 41 Mio. Euro, sondern betreffen die Qualifizierung der im angefochtenen Beschluss als „neue Beihilfen“ bezeichneten Beihilfen im Hinblick auf Art. 107 Abs. 1 AEUV. Sie sind daher im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes unerheblich.

273    Folglich ist die Kommission in Übereinstimmung mit der im Urteil Kommission/Spanien (oben in Rn. 234 angeführt, EU:C:2012:781) angeführten Rechtsprechung zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass im vorliegenden Fall die bloße Verbuchung der durch die Entscheidung Sernam 2 für rechtswidrig und unvereinbar erklärten Beihilfe auf der Passivseite der Liquidation nicht ausreichte, um die durch diese Beihilfe verursachte Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen.

274    Die erste Rüge der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

 Zur zweiten Rüge, die darauf gestützt wird, dass die Verbuchung des Betrags von 41 Mio. Euro auf der Passivseite der Liquidation der Sernam mit Art. 4 der Entscheidung Sernam 2 in Einklang gestanden habe

275    Die Klägerin trägt vor, die Verbuchung des Betrags der durch die Entscheidung Sernam 2 für rechtswidrig und unvereinbar erklärten Beihilfe auf der Passivseite der Liquidation der Sernam habe mit Art. 4 dieser Entscheidung in Einklang gestanden. Nach diesem Artikel habe, wenn Sernam zum Teil oder im Ganzen zum Marktpreis und im Rahmen eines transparenten und für alle Konkurrenten offenen Verfahrens verkauft werde, „Sernam – sofern das Unternehmen weiter besteht –“ die Beihilfe in Höhe von 41 Mio. Euro zurückzuerstatten. Art. 4 der Entscheidung Sernam 2 stelle nicht auf den Abbruch der Geschäftstätigkeit der Sernam ab und unterscheide nur danach, ob das Unternehmen Sernam weiter bestehe oder nicht.

276    Im 135. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt es: „Artikel 4 [der Entscheidung Sernam 2] trifft eine Unterscheidung danach, ob ein Abbruch der wirtschaftlichen Tätigkeit der Sernam erfolgte oder nicht. Nimmt man einen Wegfall dieser Tätigkeit an, besteht keinerlei Möglichkeit zur Rückforderung der Beihilfe bei denjenigen, die die Aktiva zum Marktpreis im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens erworben haben.“

277    Gemäß der Rechtsprechung, die in dem oben in Rn. 234 genannten Urteil Kommission/Spanien (EU:C:2012:781) angeführt worden ist, muss die Beihilfe von der Gesellschaft zurückgefordert werden, die die Geschäftstätigkeit des Unternehmens, das ursprünglich von dem mit dem Erhalt staatlicher Beihilfen verbundenen Vorteil profitiert hat, fortführt und der folglich der tatsächliche Nutzen dieses Vorteils verblieben ist.

278    Im Zusammenhang mit der Rückforderung staatlicher Beihilfen kann sich der Hinweis auf das Weiterbestehen der Sernam in Art. 4 der Entscheidung Sernam 2 nur auf die Fortführung ihrer Geschäftstätigkeit beziehen.

279    Die Klägerin macht daher zu Unrecht geltend, dass die Verbuchung der 41 Mio. Euro auf der Passivseite der Liquidation der Sernam mit Art. 4 der Entscheidung Sernam 2 in Einklang gestanden habe. Die Prüfung der ersten Rüge hat nämlich ergeben, dass die Sernam wirtschaftlich in der Sernam Xpress und später in der Financière Sernam fortbestand.

280    Mithin greift die zweite Rüge nicht durch.

281    Folglich ist der fünfte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

3.      Zum sechsten Klagegrund: Der Kommission sei ein Rechtsfehler unterlaufen, soweit sie die in der Vereinbarung vom 21. Juli 2005 vorgesehenen Maßnahmen betreffend die Veräußerung der Aktiva der Sernam „en bloc“ als neue staatliche Beihilfen zugunsten der Sernam Xpress/Financière Sernam angesehen habe

282    Der sechste Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Erstens beanstandet die Klägerin die Erklärung der Kommission in den Erwägungsgründen 154 bis 158 des angefochtenen Beschlusses, dass das Kriterium des privaten Investors im Fall eines Verkaufs zu einem negativen Preis im Rahmen der Qualifizierung der in der Vereinbarung vom 21. Juli 2005 vorgesehenen Maßnahmen, d. h. der Kapitalaufstockung von 57 Mio. Euro netto, des Verzichts auf Forderungen in Höhe von 38,5 Mio. Euro und der Stellung von Bürgschaften (im Folgenden: streitige Maßnahmen), als staatliche Beihilfen unanwendbar sei. Zweitens widerspricht die Klägerin den Ausführungen der Kommission in den Erwägungsgründen 159 bis 171 des angefochtenen Beschlusses, wonach die streitigen Maßnahmen der Sernam Xpress/Financière Sernam einen Vorteil verschafft hätten.

 Zum ersten Teil: Die Erklärung der Kommission, dass das Kriterium des privaten Investors im vorliegenden Fall unanwendbar sei, beruhe auf einem Rechtsfehler

283    Die Klägerin, unterstützt von der Französischen Republik, trägt vor, das Kriterium des privaten Investors sei auf die streitigen Maßnahmen anwendbar, da nach der ständigen Rechtsprechung zur Klärung der Frage, ob die Privatisierung eines Unternehmens im Fall eines negativen Kaufpreises Elemente staatlicher Beihilfe enthalte, zu prüfen sei, ob ein privater Investor von vergleichbarer Größe wie die Einrichtungen des öffentlichen Sektors unter den gleichen Umständen hätte veranlasst werden können, im Rahmen des Verkaufs des betreffenden Unternehmens Kapitalhilfen dieses Umfangs zu gewähren, oder ob er sich für die Liquidation des Unternehmens entschieden hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2003, Deutschland/Kommission, C‑334/99, Slg, EU:C:2003:55, Rn. 133 und die dort angeführte Rechtsprechung) (im Folgenden: Kriterium des privaten Investors im Sinne des Falls Gröditzer Stahlwerke).

284    Die Klägerin und die Französische Republik sind der Ansicht, dass hier im Rahmen der Veräußerung keine staatliche Beihilfe gewährt worden sei, da die Gesamtkosten der Veräußerung niedriger gewesen seien als die voraussichtlichen Kosten einer Liquidation der Sernam, wie sie anhand der im Verwaltungsverfahren der Kommission vorgelegten Dokumente gezeigt hätten.

285    Dieses von der Französischen Republik unterstützte Vorbringen der Klägerin richtet sich im Wesentlichen gegen die beiden Gründe, aus denen die Kommission in den Erwägungsgründen 154 und 155 des angefochtenen Beschlusses die Anwendbarkeit des oben in Rn. 283 beschriebenen Kriteriums des privaten Investors im Sinne des Falls Gröditzer Stahlwerke ausgeschlossen hat.

286    Der erste Grund für die Nichtanwendbarkeit des Kriteriums des privaten Investors wird im 154. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannt. Dort heißt es, dass in einer Rechtslage, in der es um die Rückforderung einer Beihilfe gehe, der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Investors keine Anwendung finde, da der Staat bei der Rückforderung einer Beihilfe aufgrund von Verpflichtungen, die ihm kraft des Rechts der Europäischen Union oblägen, und nicht als staatlicher Aktionär handele.

287    Der zweite Grund für die Nichtanwendung des Kriteriums des privaten Investors wird im 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannt. Dort stellte die Kommission fest, dass Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 den Verkauf von Aktiva als mit den Ausgleichsmaßnahmen nach Art. 3 Abs. 1 gleichwertig ansehe. Nach Ziff. 40 der Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung könne die Veräußerung einer defizitären Geschäftstätigkeit nicht als Ausgleichsmaßnahme betrachtet werden. Der zwischen der Klägerin und der Financière Sernam vereinbarte negative Preis führe vor Augen, dass es sich um die Veräußerung einer defizitären Geschäftstätigkeit handele, die einer Ausgleichsmaßnahme nicht gleichwertig sein könne. Die Kommission schloss daraus, dass der negative Preis im vorliegenden Fall einer Betriebsbeihilfe für das Unternehmen entspreche, die somit von Natur aus nicht geeignet sei, Wettbewerbsverzerrungen zu verringern.

288    Im 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses beruft sich die Kommission für die Nichtanwendung des Kriteriums des privaten Investors auf die besonderen Gegebenheiten des vorliegenden Falles, nämlich den Umstand, dass die Klägerin eine Ausgleichsmaßnahme, von der die Vereinbarkeit der Umstrukturierungsbeihilfe von 503 Mio. Euro abgehangen habe, nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe. Das Gericht hält es für erforderlich, zunächst die Argumente zu prüfen, die die Klägerin zu diesem zweiten Grund der Nichtanwendung des Kriteriums des privaten Investors vorbringt.

289    Die Klägerin erhebt zwei Rügen gegenüber dem im 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angegebenen zweiten Grund für die Nichtanwendung des Kriteriums des privaten Investors: Erstens habe der Verkauf der Aktiva „en bloc“ keine Alternative zu den in Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung Sernam 2 genannten Ausgleichsmaßnahmen dargestellt, und zweitens schließe die Durchführung einer Ausgleichsmaßnahme, von der die Vereinbarkeit einer Beihilfe abhänge, nicht die Anwendbarkeit des Kriteriums des privaten Investors aus, da die Verpflichtung zur Durchführung einer Ausgleichsmaßnahme niemals dem Staat als Träger öffentlicher Gewalt obliege.

290    Der Rechtsprechung des Gerichtshofs zufolge ist der Begriff der staatlichen Beihilfe, wie er im Vertrag definiert ist, ein Rechtsbegriff und anhand objektiver Kriterien auszulegen. Deshalb hat der Unionsrichter die Frage, ob eine Maßnahme in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fällt, grundsätzlich unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits und des technischen oder komplexen Charakters der von der Kommission vorgenommenen Beurteilungen umfassend zu prüfen (vgl. Urteil vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission, C‑487/06 P, Slg, EU:C:2008:757, Rn. 111 und die dort angeführte Rechtsprechung).

291    Nach der Rechtsprechung folgt aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung von öffentlichen und privaten Unternehmen, dass Mittel, die der Staat einem Unternehmen unter Umständen, die den normalen Marktbedingungen entsprechen, unmittelbar oder mittelbar zur Verfügung stellt, nicht als staatliche Beihilfen anzusehen sind (Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, Slg, EU:C:2002:294, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Beurteilung erfolgt bei öffentlichen Unternehmen grundsätzlich unter Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers (Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, Slg, EU:C:2012:318, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

292    Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Anwendbarkeit des Kriteriums des privaten Kapitalgebers letztlich davon abhängt, ob der betroffene Mitgliedstaat einem ihm gehörenden Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil in seiner Eigenschaft als Anteilseigner und nicht in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt gewährt (Urteile Kommission/EDF, oben in Rn. 291 angeführt, EU:C:2012:318, Rn. 81, und vom 3. April 2014, Kommission/Niederlande und ING Groep, C‑224/12 P, Slg, EU:C:2014:213, Rn. 31). Die Interventionen des Staates zur Erfüllung der Verpflichtungen, die ihm als Träger öffentlicher Gewalt obliegen, können nämlich nicht mit denen eines privaten Investors in einer Marktwirtschaft verglichen werden (Urteil vom 15. Dezember 2009, EDF/Kommission, T‑156/04, Slg, EU:T:2009:505, Rn. 228). Hierbei können insbesondere die Natur und der Gegenstand dieser Maßnahme, der Kontext, in den sie eingebettet ist, sowie das verfolgte Ziel und die Regeln, denen diese Maßnahme unterworfen ist, von Bedeutung sein (vgl. in diesem Sinne das vorgenannte Urteil Kommission/EDF, EU:C:2012:318, Rn. 86).

 Zur ersten gegen den 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erhobenen Rüge, die darauf gestützt wird, dass der Verkauf der Aktiva „en bloc“ keine Alternative zu den in Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung Sernam 2 genannten Ausgleichsmaßnahmen dargestellt habe

293    Die Klägerin stützt diese Rüge auf drei Argumente.

294    Erstens könne der Verkauf der Gesamtheit der Aktiva der Sernam nicht als gleichwertig mit den in Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung Sernam 2 genannten Ausgleichsmaßnahmen, nämlich der Fokussierung auf die Aktivität „Train bloc express“ (im Folgenden: TBE) und dem Rückzug aus den Straßentransporttätigkeiten, angesehen werden.

295    Dazu ist zu bemerken, dass Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 der Erfüllung einer der beiden alternativen Bedingungen für die Vereinbarkeit der Umstrukturierungsbeihilfe entspricht, die Art. 3 der Entscheidung Sernam 2 als Maßnahmen zur Vermeidung der durch die Umstrukturierungsbeihilfe bewirkten Wettbewerbsverzerrungen und als spezifische Gegenleistungen für die Konkurrenten vorsieht. Dies ergibt sich namentlich aus der Überschrift des Abschnitts der Entscheidung Sernam 2, der die Begründung der in Art. 3 aufgestellten Bedingungen enthält, nämlich des Abschnitts 6.3.7 mit der Überschrift „Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen – Spezifische Gegenleistungen“, in dem sich die bereits oben in den Rn. 191 und 193 angeführten Erwägungsgründe 200 bis 217 der Entscheidung Sernam 2 finden.

296    Abs. 2 des Art. 3 der Entscheidung Sernam 2 sieht eine Alternative vor, die den Bedingungen des Abs. 1 gleichwertig ist, denn diese sind „vorbehaltlich des Absatzes 2“ einzuhalten. Wie sich aus Rn. 194 des vorliegenden Urteils ergibt, verfolgte die im 217. Erwägungsgrund der Entscheidung Sernam 2 angeführte Abgabe der Marktanteile der Sernam an einen unabhängigen Käufer durch einen Verkauf ihrer Aktiva „en bloc“ zu einem Marktpreis im Rahmen eines transparenten und offenen Verfahrens dasselbe Ziel wie der Rückzug von dem durch Überkapazitäten gekennzeichneten Straßentransportmarkt, nämlich den Ausgleich der Wettbewerbsverzerrungen. In diesem Fall ist die subventionierte Tätigkeit der Sernam völlig beendet.

297    Folglich macht die Klägerin zu Unrecht geltend, dass im vorliegenden Fall der Verkauf der gesamten Aktiva der Sernam „en bloc“ an ein und denselben Käufer den Maßnahmen der Fokussierung auf die TBE-Tätigkeit und des Rückzugs aus den Straßentransporttätgkeiten nicht gleichwertig sei.

298    Zweitens führt die Klägerin aus, nach dem 217. Erwägungsgrund der Entscheidung Sernam 2 sei es die Fortführung der Sernam in ihrer vor dem Verkauf bestehenden Rechtsform, die die Einhaltung der in Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung Sernam 2 vorgesehen Ausgleichsmaßnahmen rechtfertige.

299    Aufgrund der Ausführungen in den Rn. 191 und 192 des vorliegenen Urteils ist dieses Vorbringen zurückzuweisen, da die Einhaltung der in Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung Sernam 2 aufgestellten Bedingungen ihre Rechtfertigung in der Fortführung der Geschäftstätigkeit des Empfängers der Umstrukturierungsbeihilfe auf dem Markt und nicht nur in dessen Fortbestehen als juristische Person findet.

300    Drittens macht die Klägerin geltend, dass die Kommission, hätte sie den Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ als gleichwertig mit den in Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung Sernam 2 genannten Ausgleichsmaßnahmen aufgefasst, in dieser Entscheidung hätte klarstellen müssen, dass ein Verkauf zu einem negativen Preis nicht in Frage komme, denn sie sei über die finanzielle Situation der Sernam voll und ganz unterrichtet gewesen und hätte mit dieser Möglichkeit rechnen müssen.

301    Auch diesem Argument kann nicht gefolgt werden. Da die den Verkauf der Aktiva „en bloc“ betreffende Bedingung die Passiva ausschloss, war die Möglichkeit, im vorliegenden Fall einen negativen Preis zu erhalten, naturgemäß ausgeschlossen, wie sich aus den Rn. 154 bis 158 des vorliegenden Urteils ergibt.

302    Folglich ist die erste gegen den 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses gerichtete Rüge (siehe oben, Rn. 287) zurückzuweisen.

 Zu der zweiten gegen den 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses gerichteten Rüge, die darauf gestützt wird, dass die Durchführung einer Ausgleichsmaßnahme Aufgabe des Empfängers der Beihilfe oder allenfalls des Staates als Aktionär, nicht dagegen des Staates als Träger der öffentlichen Gewalt sei

303    Die Klägerin trägt vor, die Kosten einer durch eine Entscheidung der Kommission angeordneten Ausgleichsmaßnahme wären ohnehin von dem Unternehmen, das die Umstrukturierungsbeihilfe erhalten habe, und nicht vom Staat als Träger der öffentlichen Gewalt zu tragen.

304    Wie die Klägerin und die Französische Republik weiter ausführen, handele, wenn ein öffentliches Unternehmen gemäß einer Entscheidung der Kommission beschließe, eine seiner Tochtergesellschaften oder seine Aktiva ganz oder teilweise zu verkaufen, dieses öffentliche Unternehmen – und gegebenenfalls durch dieses Unternehmen auch der Staat – als Aktionär. Deshalb seien die streitigen Maßnahmen angesichts ihrer Natur, ihres Gegenstands und ihres Zwecks eine Investition, die mit der eines privaten Investors vergleichbar sei.

305    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin und der Französischen Republik handelte es sich jedoch bei dem Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ gemäß Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 nicht um eine Entscheidung, die ein privater Investor unter „normalen“ Marktbedingungen unter dem wirtschaftlicher Vernunft entsprechenden Blickwinkel der Gewinnmaximierung oder der Verlustminimierung getroffen hätte.

306    Den in Art. 3 der Entscheidung Sernam 2 vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen lag der Gedanke zugrunde, übermäßige Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, die auf der Gewährung der durch diese Entscheidung unter bestimmten Bedingungen für vereinbar erklärten Umstrukturierungsbeihilfe beruhten.

307    Diese Ausgleichsmaßnahmen konnten nämlich sowohl den Beihilfeempfänger als auch seinen Aktionär zwingen, sich für eine Lösung zu entscheiden, die unter dem alleinigen Blickwinkel der Rentabilität nicht optimal war und die ein privater Investor in einer sogenannten „normalen“ Marktsituation nicht ins Auge fassen würde.

308    Der Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ als Ausgleichsmaßnahme setzte im vorliegenden Fall den Verkauf von Aktiva voraus, die einen positiven Wert hatten und die der Begünstigte unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit nicht unbedingt verkauft hätte.

309    Folglich entsprach der im 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegte Gedanke eines Ausgleichs durch den Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ nicht der Zielsetzung eines privaten Investors, der seinen Profit zu maximieren oder wie hier seine Verluste zu minimieren sucht.

310    Ferner geht aus der Prüfung des dritten, des vierten und des sechsten Teils des vierten Klagegrundes hervor, dass es nach dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 nicht darum ging, eine defizitäre Gesellschaft im Ganzen zu verkaufen, sondern nur die Aktiva, die einen positiven wirtschaftlichen Wert hatten. Im vorliegenden Fall enthielt das Angebot des Führungsteams die Forderung nach einer Kapitalaufstockung, nach einem Forderungsverzicht und nach Bürgschaften des Verkäufers, weil Sernam als Ganzes mit dem entsprechenden Finanzbedarf verkauft wurde. Die streitigen Maßnahmen sind also eine direkte Folge des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 und haben deshalb mit der Anwendung des Kriteriums des privaten Investors nichts zu tun.

311    Folglich greift die zweite gegen den 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses gerichtete Rüge nicht durch.

312    Unter diesen Umständen erübrigt sich die Prüfung der anderen Argumente, die den ersten Grund betreffen, mit dem die Kommission im Kontext der „Rückforderung“ der staatlichen Beihilfen die Nichtanwendbarkeit des Kriteriums des privaten Investors gerechtfertigt hat.

313    Nach alledem ist der erste Teil des sechsten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil: Keine der streitigen Maßnahmen habe der Sernam Xpress/Financière Sernam einen Vorteil verschafft

314    Die Klägerin bestreitet, dass die Kapitalaufstockung und der Forderungsverzicht der Sernam Xpress/Financière Sernam Vorteile verschafft hätten. Was die Bürgschaften angeht, so rügt sie zunächst einen Begründungsmangel, da der angefochtene Beschluss zu der Frage schweige, ob diese von den normalen Bedingungen eines Verkaufs durch einen privaten Verkäufer abwichen. Sodann macht sie geltend, dass jede der Bürgschaften auch von einem privaten Verkäufer gewährt worden wäre. Schließlich meint sie, diese Bürgschaften hätten der Sernam Xpress/Financière Sernam keine Vorteile verschafft, da sie sich nur auf einen geringen Betrag belaufen hätten und nicht in Anspruch genommen worden seien.

315    Erstens trägt die Klägerin vor, die Kapitalaufstockung der Sernam zum Zeck des Verkaufs ihrer Aktiva „en bloc“ habe weder der Financière Sernam noch irgendeinem Unternehmen einen Vorteil verschafft, da dieser Verkauf zum Marktpreis erfolgt sei.

316    Die Kommission hat in dem angefochtenen Beschluss nicht zu der Frage Stellung genommen, ob die Financière Sernam als Käuferin der Geschäftsanteile der Sernam Xpress einen Vorteil hatte, sondern dazu, ob dies der Fall war, weil sie aufgrund der Fusion mit der Sernam Xpress deren Rechtsnachfolgerin wurde.

317    Dazu heißt es im 159. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses: „Da [die Sernam Xpress und die Financière Sernam] später fusioniert haben, ist es nicht notwendig, zwischen den Vorteilen, die dem einen oder dem anderen Unternehmen gewährt wurden, zu unterscheiden.“ Die Kommission begründete mit diesem Argument alle streitigen Maßnahmen einschließlich der Kapitalaufstockung.

318    Der 172. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses lautet:

„Im Erwägungsgrund 164 der Eröffnungsentscheidung hatte sich die Kommission auch selbst die Frage gestellt, ob der von der Financière Sernam ‚gezahlte‘ negative Preis auch wirklich dem Marktwert entsprach. In dieser Hinsicht stellt die Kommission fest, dass inzwischen eine Fusion zwischen der Sernam Xpress und der Financière Sernam erfolgte und dass die mögliche Beihilfe für die Financière Sernam, die etwa in einem zu hohen negativen Preis bestand, ohnehin nicht die 57 Mio. EUR an Beihilfe überstieg, die die Sernam Xpress als neue Beihilfe erhielt. Infolgedessen kann dahingestellt bleiben, ob darin eine mögliche Beihilfe für den Käufer zu sehen ist.“

319    Was die Sernam betrifft, verschaffte ihr ihre Kapitalaufstockung unbestreitbar einen finanziellen Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten. Zudem hat die Prüfung des ersten Teils des sechsten Klagegrundes ergeben, dass die Kommission in diesem konkreten Fall das Verhalten des Staates zu Recht nicht mit dem eines privaten Investors unter normalen Marktbedingungen verglichen hat. Folglich ist der in dieser Kapitalaufstockung bestehende finanzielle Vorteil als staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen.

320    Im Übrigen ergibt sich aus dem fünften Klagegrund, dass zwischen Sernam und Sernam Xpress eine wirtschaftliche Kontinuität bestand und dass demzufolge der mit der Kapitalaufstockung verbundene Vorteil auf die Sernam Xpress übergegangen ist. Selbst wenn es sich bei dem Kaufpreis um einen Marktpreis gehandelt hätte, schlösse dies nicht aus, dass die Sernam Xpress, die wie oben dargelegt die von den gewährten staatlichen Beihilfen umfassten Geschäftstätigkeiten der Sernam fortführte, weiter von dem Vorteil profitierte, der sich aus allen in Rede stehenden staatlichen Beihilfen, darunter der Kapitalaufstockung in Höhe von 57 Mio. Euro netto, ergab (vgl. in diesem Sinne das oben in Rn. 52 angeführte Urteil SMI, EU:C:2004:238, Rn. 80 und 81).

321    Deshalb hat die Kommission im 160. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt, dass „[d]urch die Kapitalaufstockung in Höhe von 57 Mio. [Euro], die die SNCF bei der [Sernam] vorgenommen hat, … die [Sernam] einen erheblichen finanziellen Vorteil [erhielt], über den ihre Mitbewerber nicht verfügen“, und dass „[d]ieser Vorteil … dann zusammen mit den anderen Aktiva und Passiva auf die Sernam Xpress übertragen“ wurde.

322    Zweitens macht die Klägerin geltend, der Kommission sei im 162. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses mit der Feststellung, dass der Verzicht der Klägerin auf Forderungen gegen die Sernam in Höhe von 38,5 Mio. Euro der Sernam Xpress oder der Financière Sernam einen Vorteil verschafft habe, ein Rechts- und ein Tatsachenfehler unterlaufen, da die Klägerin die Schuld auf der Passivseite der Liquidation der Sernam verbucht habe und nicht Gläubigerin der Sernam Xpress oder der Financière Sernam gewesen sei.

323    Dem kann nicht gefolgt werden, da die Klägerin Gläubigerin der Sernam war und, wie die Prüfung des fünften Klagegrundes ergeben hat, zwischen der Sernam und der Sernam Xpress und dann zwischen der Sernam Xpress und der Financière Sernam nach deren Fusion wirtschaftliche Kontinuität bestand. Unter diesen Umständen kommt die Verbuchung dieser Forderungen auf der Passivseite der Liquidation der Sernam der Gewährung eines Vorteils für die Sernam Xpress und sodann für die Financière Sernam gleich.

324    Drittens rügt die Klägerin, die Kommission habe ihre in den Erwägungsgründen 163 bis 171 des angefochtenen Beschlusses dargelegte Auffassung zu den Bürgschaften, die die SNCF anlässlich der Veräußerung der Aktiva der Sernam „en bloc“ übernommen habe, nicht begründet, da der angefochtene Beschluss zu der Frage schweige, ob diese Bürgschaften von den normalen Bedingungen des Verkaufs durch einen privaten Wirtschaftsteilnehmer abwichen. Dazu führt die Klägerin aus, dass die Verkäufe (ob es sich nun um Verkäufe von Aktiva oder von Unternehmen handele) grundsätzlich mit Garantien verbunden würden. Bei der Beurteilung, ob diese Garantien staatliche Beihilfen seien, stelle sich die Frage, ob sie dem Verhalten eines marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers (hier eines „privaten Verkäufers“ in einer Marktwirtschaft) entsprächen. Die Klägerin ist der Meinung, dass Garantien für Passiva nur dann eine staatliche Beihilfe darstellten, wenn sie zu Bedingungen übernommen würden, die für einen marktwirtschaftlich handelnden privaten Verkäufer nicht akzeptabel seien.

325    Nach der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel [107 AEUV] und [108 AEUV] auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (ABl. 2000, C 71, S. 14) können sowohl vom Staat direkt gewährte Garantien als auch von Unternehmen, auf die öffentliche Stellen einen beherrschenden Einfluss ausüben, gewährte Garantien genau wie andere mögliche Beihilfeformen eine staatliche Beihilfe darstellen.

326    Zunächst ist festzustellen, dass die Kommission ihre Ablehnung des Kriteriums des privaten Investors in den Erwägungsgründen 152 bis 158 des angefochtenen Beschlusses allgemein für alle streitigen Maßnahmen begründet hat. Es war somit nicht erforderlich, dass sie eine besondere Begründung in Bezug auf die Bürgschaften hinzufügte. Deshalb ist insoweit kein Begründungsmangel festzustellen. Ferner wurde der Vorteil, den jede dieser Bürgschaften für die Sernam Xpress (und nach der Fusion für die Financière Sernam) darstellte, in den Erwägungsgründen 164 bis 171 des angefochtenen Beschlusses gebührend begründet.

327    Des Weiteren ergibt sich aus den Rn. 293 bis 313 des vorliegenden Urteils, dass die Kommission das Kriterium des privaten Investors auf die streitigen Maßnahmen, zu denen die Bürgschaften gehören, zu Recht nicht angewandt hat. Folglich greift das Hilfsvorbringen der Klägerin zum Nachweis, dass jede der Bürgschaften auch von einem privaten Verkäufer übernommen worden wäre, nicht durch.

328    Schließlich sind die übrigen Argumente der Klägerin, mit denen sie bestreitet, dass jede der Bürgschaften der Sernam Xpress/Financière Sernam einen Vorteil habe verschaffen können, aus folgenden Gründen zurückzuweisen.

 Die Bürgschaft bezüglich der Erschließung des Standorts Valenton und die Bürgschaft bezüglich der Mieterhöhungen bei neuen Betriebsstätten

329    Die Klägerin führt aus, die Bürgschaft, die sich auf die Erschließung des für die Frachtdienste mit der Bahn (TBE) benötigten Standorts Valenton, die bei einem verspäteten Abschluss der Arbeiten eine Vertragsstrafe von 1 Mio. Euro zur Folge gehabt hätte, bezogen habe, sowie die Bürgschaft bezüglich etwaiger Mieterhöhungen bei neuen Betriebsstätten bis zu höchstens 3 Mio. Euro, begrenzt auf drei Jahre, hätten nur einen geringen Betrag ausgemacht und seien nicht in Anspruch genommen worden.

330    Zunächst hat die Kommission im 164. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt, dass diese beiden Sicherheiten einen Vorteil darstellten, da ohne sie die Sernam Xpress/Financière Sernam die betreffenden Kosten hätte selbst tragen müssen.

331    Was weiter das Vorbringen der Klägerin zu der geringen Höhe der streitigen Beihilfen angeht, schließt nach einer gefestigten Rechtsprechung der verhältnismäßig geringe Umfang einer Beihilfe oder die verhältnismäßig geringe Größe des begünstigten Unternehmens nicht von vornherein die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten aus (vgl. Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, C‑280/00, Slg, EU:C:2003:415, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 4. April 2001, Regione Autonoma Friuli-Venezia Giulia/Kommission, T‑288/97, Slg, EU:T:2001:115, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

332    Schließlich ist nach Rn. 2.1.2 der in Rn. 325 des vorliegenden Urteils genannten Mitteilung über staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften der Umstand, dass im Rahmen dieser Garantien keine Zahlungen erfolgt sind, ohne Bedeutung für ihre Qualifizierung als Beihilfe, da die Beihilfe bei Übernahme der Garantie gewährt wird und nicht erst dann, wenn die Garantie in Anspruch genommen wird oder aufgrund der Garantie Zahlungen erfolgen.

333    Auch das Vorbringen der Klägerin, sie habe die Bürgschaft bezüglich der Erschließung des Standorts Valenton gewährt, weil sie ein anderes Gelände habe zurückgewinnen wollen, greift nicht durch, da sie die Verlagerung nach Valenton (Frankreich) auch ohne die Übernahme einer Bürgschaft bezüglich der Durchführung der Erschließungsarbeiten an diesem Standort hätte verlangen können.

 Die Garantie des Fortbestands des TBE und des Zugangs zum TBE

334    Zu der Garantie der Fortbestands des TBE und des Zugangs zum TBE behauptet die Klägerin, dass diese Garantie keinen Ausschließlichkeitscharakter gehabt habe und der Sernam Xpress somit keinen Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten verschafft habe.

335    Die Kommission hat jedoch im 165. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Garantie das Risiko der Sernam Xpress in erheblichem Umfang verringerte, was einen Vorteil darstellt. Insoweit ist zu bemerken, dass die Klägerin nicht geltend macht, dass andere Unternehmen in der Praxis den TBE nutzten. Im Übrigen geht aus dem 163. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Klägerin aufgrund dieser Garantie tatsächlich 3 Mio. Euro an die Sernam Xpress zahlte, was unstreitig ist. Somit besteht kein Zweifel daran, dass die Sernam Xpress einen Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten erlangte.

 Die Verlängerung des Rückkehrrechts der Eisenbahnbediensteten innerhalb der SNCF‑Gruppe um drei Jahre

336    Nach Auffassung der Klägerin ist der 169. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, wonach die Verlängerung des Rückkehrrechts der Eisenbahnbediensteten innerhalb der SNCF‑Gruppe um drei Jahre einen Verbleib als Beschäftigter der „Sernam Xpress“ attraktiver gemacht habe, ein Zirkelschluss ohne Beweise.

337    Die Kommission hat jedoch in den Erwägungsgründen 169 und 171 des angefochtenen Beschlusses rechtlich hinreichend bewiesen, dass der Vorteil für die Sernam Xpress darin bestand, dass diese Garantie den Verbleib als Beschäftigter der Sernam Xpress für diesen Zeitraum attraktiver machte und es der Sernam Xpress ermöglichte, Beschäftigte ohne zusätzliche Kosten zu halten. Der Vorteil bestand also nicht in dem Gesamtbetrag der gezahlten Gehälter, sondern in der Differenz, die der Gehaltserhöhung entsprach, die Sernam Xpress ohne diese Garantie hätte gewähren müssen, um die fraglichen Beschäftigten zu halten.

338    Der zweite Teil des sechsten Klagegrundes greift somit nicht durch.

339    Nach alledem ist der sechste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

4.     Zum ersten Klagegrund der Klägerin und zu dem Klagegrund der Französischen Republik: Verletzung ihrer jeweiligen Verteidigungsrechte

340    Mit ihrem ersten Klagegrund wirft die Klägerin der Kommission vor, im angefochtenen Beschluss einen Standpunkt vertreten zu haben, den sie in der Eröffnungsentscheidung nicht geäußert habe und zu dem sie, die Klägerin, nicht zweckdienlich habe Stellung nehmen können. Sie verweist auf die Erwägungsgründe 154 bis 158 des angefochtenen Beschlusses, wonach das Prinzip des privaten Investors im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei.

341    Die Französische Republik macht als eigenständiges Angriffsmittel geltend, dass diese Abweichung des angefochtenen Beschlusses von der Eröffnungsentscheidung auch sie in ihren eigenen Verteidigungsrechten verletze.

342    Die Kommission widerspricht den Argumenten der Klägerin und hält den Klagegrund der Französischen Republik für offensichtlich unzulässig, auf jeden Fall aber für unbegründet.

343    Wenn ein von einem Streithelfer geltend gemachtes Angriffsmittel, bei dem fraglich ist, ob es an den Streitgegenstand anknüpft, schon aus einem anderen Grund unzulässig oder unbegründet ist, kann der Gemeinschaftsrichter dieses zurückweisen, ohne darüber zu entscheiden, ob der Streithelfer über seine Rolle als Unterstützer der Anträge einer der Parteien hinausgegangen ist (vgl. Urteil vom 15. Juni 2005, Regione autonoma della Sardegna/Kommission, T‑171/02, Slg, EU:T:2005:219, Rn. 155 und die dort angeführte Rechtsprechung).

344    In der vorliegenden Rechtssache hält es das Gericht aus Gründen der Prozessökonomie für geboten, das Angriffsmittel der Französischen Republik, dass ihre Verteidigungsrechte verletzt worden seien, zu prüfen, ohne zuvor über die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit dieses Angriffsmittels zu entscheiden, da es der Französischen Republik mit diesem Vorbringen aus den nachstehend genannten Gründen nicht gelungen ist, eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte durch die Kommission darzutun. Anschließend ist der erste Klagegrund zu untersuchen, mit dem auch die Klägerin die Abweichung des angefochtenen Beschlusses von der Eröffnungsentscheidung beanstandet.

 Zum Angriffsmittel der Französischen Republik, wonach ihre Verteidigungsrechte verletzt worden seien

345    Die Französische Republik beanstandet im Wesentlichen, dass die Kommission bei Erlass der Eröffnungsentscheidung, aber auch während des Verwaltungsverfahrens und bis zu dessen Ende niemals erklärt habe oder auch nur habe durchblicken lassen, dass das Kriterium des privaten Investors im vorliegenden Fall grundsätzlich nicht anwendbar sei. Die französischen Behörden seien nicht in der Lage gewesen, zu der Anwendbarkeit des Kriteriums des privaten Investors im Sinne des Urteils Deutschland/Kommission (oben in Rn. 283 angeführt, EU:C:2003:55) auf den vorliegenden Fall Stellung zu nehmen. Sie seien vielmehr hauptsächlich dazu befragt worden, unter welchen Voraussetzungen die Kosten der Veräußerung der Aktiva der Sernam mit den Kosten ihrer Liquidation verglichen werden könnten. Dann aber habe die Kommission im angefochtenen Beschluss plötzlich und unerwartet erklärt, dass dieser Vergleich hier keine Rolle spiele, da das Kriterium des privaten Investors unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht anwendbar sei. Die Kommission habe der Französischen Republik die radikale Änderung ihrer Beurteilung während des Verfahrens nicht mitgeteilt und ihr dadurch die Möglichkeit genommen, im förmlichen Prüfverfahren dem Standpunkt der Kommission hinsichtlich der Qualifizierung der in der Vereinbarung vom 21. Juli 2005 festgelegten, den Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ betreffenden Maßnahmen als staatliche Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV zu widersprechen.

346    Die Klägerin hat in ihren Erklärungen zu dem Streithilfeschriftsatz der Französischen Republik deren Angriffsmittel, dass ihre Verteidigungsrechte als Mitgliedstaat verletzt worden seien, unterstützt.

347    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Gewährung rechtlichen Gehörs in allen Verfahren, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen können, ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts und muss auch dann sichergestellt werden, wenn eine besondere Regelung fehlt (vgl. Urteil vom 21. März 1990, Belgien/Kommission, C‑142/87, Slg, EU:C:1990:125, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, gebietet dieser Grundsatz, dass dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit gegeben werden muss, zu den Gesichtspunkten gebührend Stellung zu nehmen, auf die die Kommission ihre Beurteilung gestützt hat (vgl. in diesem Sinne entsprechend das vorgenannte Urteil Belgien/Kommission, EU:C:1990:125, Rn. 47).

348    Gemäß Art. 6 der Verordnung Nr. 659/1999 kann sich, wenn die Kommission beschließt, ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten, der Einleitungsbeschluss auf eine Zusammenfassung der wesentlichen Sach- und Rechtsfragen, eine vorläufige Würdigung des Beihilfecharakters der fraglichen staatlichen Maßnahme und Ausführungen über die Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt beschränken (Urteile vom 23. Oktober 2002, Diputación Foral de Guipúzcoa u. a./Kommission, T‑269/99, T‑271/99 und T‑272/99, Slg, EU:T:2002:258, Rn. 104, und vom 22. Oktober 2008, TV 2/Dänemark u. a./Kommission, T‑309/04, T‑317/04, T‑329/04 und T‑336/04, Slg, EU:T:2008:457, Rn. 138).

349    Das förmliche Prüfverfahren ermöglicht es, die in der Eröffnungsentscheidung aufgeworfenen Fragen zu vertiefen und zu erläutern (Urteil vom 4. März 2009, Italien/Kommission, T‑424/05, EU:T:2009:49, Rn. 69).

350    Aus Art. 7 der Verordnung Nr. 659/1999 geht hervor, dass die Beurteilung durch die Kommission am Ende des förmlichen Prüfverfahrens anders ausfallen kann, da sie abschließend entscheiden kann, dass die Maßnahme keine Beihilfe darstellt oder dass die Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit ausgeräumt sind. Folglich kann der abschließende Beschluss bis zu einem gewissem Grad von der Eröffnungsentscheidung abweichen, ohne dass dies zur Rechtswidrigkeit der abschließenden Entscheidung führt (Urteile Italien/Kommission, oben in Rn. 349 angeführt, EU:T:2009:49, Rn. 69, und vom 16. Dezember 2010, Niederlande und NOS/Kommission, T‑231/06 und T‑237/06, Slg, EU:T:2010:525, Rn. 50).

351    Im vorliegenden Fall führte die Kommission in der Eröffnungsentscheidung, namentlich in den Ziff. 131 bis 133 und 166, aus, dass sie bei der Prüfung der Frage, ob die Kapitalaufstockung und der Forderungsverzicht staatliche Beihilfen seien, beim Vergleich der Kosten der gemäß Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 vorgenommenen Transaktion mit den Kosten, die eine Liquidation der Sernam für die Klägerin verursacht hätte, das Kriterium des privaten Investors im Sinne des Falls Gröditzer Stahlwerke anzuwenden gedenke.

352    Erstens wies die Kommission jedoch in den Ziff. 141 und 142 der Eröffnungsentscheidung klar darauf hin, dass diese Überlegungen zur Qualifizierung als neue Beihilfe vorläufigen Charakter hätten, wie sich aus den Worten „in diesem Stadium“ ergibt. Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass andere Passagen entschiedener formuliert waren, vor allem, wenn man den Zweck der Eröffnungsentscheidung und den vorläufigen Charakter der dort vorgenommenen Prüfung berücksichtigt.

353    Selbst wenn die Kommission es für erforderlich hielt, Informationen über die Kosten der Liquidation der Sernam einzuholen, ist die Schlussfolgerung in Ziff. 140 der Eröffnungsentscheidung, es müsse ermittelt werden, ob die Gesamtkosten der Kapitalaufstockung höher oder niedriger seien als die hypothetischen Kosten einer Liquidation der Sernam, daher in den Zusammenhang des förmlichen Prüfverfahrens und seiner Zwecke einzuordnen, die darin bestehen, den Beteiligten Gehör zu gewähren und die Kommission in die Lage zu versetzen, sich vor Erlass ihrer Entscheidung umfassend über alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte zu unterrichten. Das förmliche Prüfverfahren kann keine andere als die vorstehend beschriebene Bedeutung haben und insbesondere nicht diejenige, schon vor Erlass der abschließenden Entscheidung endgültig über bestimmte Aktenbestandteile zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni/Kommission, T‑62/08, Slg, EU:T:2010:268, Rn. 174 und 175 und die dort angeführte Rechtsprechung).

354    Zweitens wurde die Frage des Kriteriums des privaten Investors in der Eröffnungsentscheidung im Rahmen der Prüfung aufgeworfen, ob die Kapitalaufstockung und der Forderungsverzicht einen Vorteil im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen, und der Mitgliedstaat konnte daher alle seine Argumente vorbringen, warum das Kriterium vor allem unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles angewandt werden musste. Die Kommission hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es noch keinen Präzedenzfall für die Anwendung des Kriteriums des privaten Investors gibt, wenn es um die Durchführung einer unter Bedingungen erlassenen Entscheidung über die Vereinbarkeit geht.

355    Ferner führte die Kommission in Ziff. 161 der Eröffnungsentscheidung aus, dass die von der Klägerin übernommenen Bürgschaften der Sernam Xpress weitere zusätzliche Mittel, namentlich in Form eines finanziellen Vorteils, verschaffen könnten.

356    Folglich konnte die Französische Republik der Eröffnungsentscheidung die Gründe für den vorläufigen Standpunkt der Kommission entnehmen, dass die Kapitalaufstockung, der Forderungsverzicht und die Bürgschaften unvereinbare neue Beihilfen darstellten, und zu den Gesichtspunkten, auf die die Kommission ihr Auffassung stützte, angemessen Stellung nehmen.

357    Drittens ist die Kommission weder nach einer Vorschrift über staatliche Beihilfen noch nach der Rechtsprechung verpflichtet, den Empfänger staatlicher Mittel zu ihrer rechtlichen Beurteilung der fraglichen Maßnahme zu hören oder den betroffenen Mitgliedstaat – oder gar den Beihilfeempfänger – vor Erlass ihrer Entscheidung über ihren Standpunkt zu informieren, wenn den Beteiligten und dem Mitgliedstaat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde (Urteil vom 1. Juli 2010, Italien/Kommission, T‑53/08, Slg, EU:T:2010:267, Rn.123).

358    Viertens: Was die Begründung für die Nichtanwendbarkeit des Kriteriums des privaten Investors in der vorliegenden Rechtssache betrifft, d. h. die Feststellung im 154. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass es um eine Rückforderung der staatlichen Beihilfen gehe, und die Feststellung im 155. Erwägungsgrund, dass Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 eine Maßnahme sei, die den Ausgleichsmaßnahmen des Abs. 1, der nicht eingehalten worden sei, gleichwertig sei, so ist festzustellen, das die Kommission im Stadium der Eröffnungsentscheidung noch prüfen musste, ob Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 und die Rückforderung der rechtswidrigen und unvereinbaren Beihilfe von 41 Mio. Euro ordnungsgemäß durchgeführt worden waren. Zur Zeit des Erlasses der Eröffnungsentscheidung war die Kommission somit noch nicht zu der Feststellung in der Lage, dass das Kriterium des privaten Investors im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei.

359    Infolgedessen greift das Angriffsmittel der Französischen Republik, mit dem sie eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte rügt, nicht durch.

 Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin

360    Die Klägerin, unterstützt durch die Französische Republik, erhebt zwei Rügen. Erstens stelle die oben in Rn. 345 in Rede stehende Abweichung des angefochtenen Beschlusses von der Eröffnungsentscheidung eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte dar. Zweitens ergebe sich aus dieser Abweichung eine Verletzung ihres Rechts, als Beteiligte Erklärungen zu einem wesentlichen Punkt abzugeben, auf dem die Schlussfolgerung beruhe, dass die Veräußerungsmodalitäten staatliche Beihilfen darstellten

361    Was die Verfahrensrechte der Klägerin angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass sie jedenfalls weniger umfassend sind als die der Französischen Republik, die im förmlichen Prüfverfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV der betroffene Mitgliedstaat ist. Hierzu geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass andere Beteiligte als der betroffene Mitgliedstaat, wie im vorliegenden Fall die Klägerin, in einem Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen nur die Möglichkeit haben, der Kommission sämtliche Informationen zu übermitteln, die dazu beitragen können, ihr Klarheit über ihr weiteres Vorgehen zu verschaffen, und dass sie selbst keinen Anspruch auf eine streitige Erörterung mit der Kommission haben, wie sie dem Mitgliedstaat offensteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, Slg, EU:C:2011:732, Rn. 180 und 181 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Recht auf Unterrichtung der Beteiligten geht daher nicht weiter als das Recht, von der Kommission angehört zu werden. Insbesondere kann es nicht bis zu einem allgemeinen Recht gehen, sich zu allen im förmlichen Prüfverfahren aufgeworfenen potenziell wichtigen Punkten zu äußern (vgl. Urteil vom 30. November 2009, Franreich/Kommission, T‑427/04 und T‑17/05, Slg, EU:T:2009:474, Rn. 149 und die dort angeführte Rechtsprechung).

362    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann die Klägerin keineswegs einen Anspruch auf rechtliches Gehör geltend machen, wie er denjenigen zusteht, gegen die ein Verfahren eingeleitet worden ist; sie verfügt lediglich über das Recht, am Verwaltungsverfahren unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen beteiligt zu werden (Urteile vom 25. Juni 1998, British Airways u. a./Kommission, T‑371/94 und T‑394/94, Slg, EU:T:1998:140, Rn. 60, und vom 6. März 2003, Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, T‑228/99 und T‑233/99, Slg, EU:T:2003:57, Rn. 125).

363    Deshalb ist die Rüge der Klägerin, sie sei in ihren Verteidigungsrechten verletzt, zurückzuweisen.

364    Zu der Rüge, mit der die Klägerin die Verletzung ihrer Rechte als Beteiligte geltend macht, ist zu bemerken, dass sie Gelegenheit hatte, der Kommission Erklärungen zu der Eröffnungsentscheidung zu übermitteln, in der gerade die streitigen Maßnahmen als potenziell unvereinbare staatliche Beihilfen bezeichnet wurden, und dass sie von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. Folglich war die Klägerin hinreichend über die Durchführung eines Prüfverfahrens unterrichtet und hatte Gelegenheit, alle Erklärungen abzugeben, die sie als Beteiligte für zweckdienlich hielt.

365    Da die festgestellte Abweichung des angefochtenen Beschlusses von der Eröffnungsentscheidung keine Verletzung der Verteidigungsrechte der Französischen Republik darstellt und die Klägerin im Wesentlichen die gleichen Argumente vorbringt wie diese, ist festzustellen, dass auch die Verfahrensrechte der Klägerin als Verfahrensbeteiligte durch diese Abweichung nicht verletzt werden.

366    Deshalb greift die Rüge einer Verletzung des Rechts der Klägerin, als Beteiligte zweckdienliche Erklärungen abzugeben, nicht durch.

367    Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

5.     Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

368    Die Klägerin erhebt im Wesentlichen drei Rügen. Erstens hätten Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 der Entscheidung Sernam 2 in ihr die begründete Erwartung geweckt, dass es ihr gestattet sei, bei der Veräußerung der Aktiva und bei der Rückforderung der durch die Entscheidung Sernam 2 für unvereinbar erklärten Beihilfe von 41 Mio. Euro so vorzugehen, wie sie es getan habe. Zweitens habe das Ersuchen der Kommission vom 14. März 2006 um Auskunft über die genauen Kosten einer Liquidation der Sernam sie darin bestärkt, dass das Kriterium des privaten Investors auf die Veräußerung der Aktiva der Sernam „en bloc“ angewandt werden würde und dass diese folglich keine staatlichen Beihilfen enthielt. Drittens wendet sich die Klägerin gegen die Erwägungsgründe 126 und 177 bis 182 des angefochtenen Beschlusses.

 Zur ersten Rüge, die darauf gestützt wird, dass Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 der Entscheidung Sernam 2 in der Klägerin die begründete Erwartung geweckt hätten, dass es ihr gestattet sei, bei dem Verkauf der Aktiva und der Rückforderung der 41 Mio. Euro so vorzugehen, wie sie es getan habe

369    Die Klägerin macht geltend, dass Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 der Entscheidung Sernam 2 „völlig eindeutige Grundsätze“ und „feststehende Standpunkte“ wiedergäben, die ihr berechtigtes Vertrauen darauf begründet hätten, dass es ihr gestattet sei, diese Artikel so durchzuführen, wie sie es getan habe.

370    Nach ständiger Rechtsprechung kann sich jeder auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, bei dem ein Unionsorgan begründete Erwartungen geweckt hat (Urteil vom 11. März 1987, Van den Bergh en Jurgens und Van Dijk Food Products [Lopik]/Kommission, 265/85, EU:C:1987:121, Rn.. 44). Dieses Recht unterliegt drei Voraussetzungen, die gleichzeitig erfüllt sein müssen. Erstens muss die Unionsverwaltung dem Betroffenen präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite gemacht haben. Zweitens müssen diese Zusicherungen geeignet sein, bei dem Adressaten begründete Erwartungen zu wecken. Drittens müssen die gegebenen Zusicherungen den geltenden Vorschriften entsprechen (vgl. Urteil vom 30. Juni 2005, Branco/Kommission, T‑347/03, Slg, EU:T:2005:265, Rn. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung, Urteile vom 23. Februar 2006, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, T‑282/02, Slg, EU:T:2006:64, Rn. 77, und vom 30. Juni 2009, CPEM/Kommission, T‑444/07, Slg, EU:T:2009:227, Rn. 126).

371    Art. 1 der Entscheidung Sernam 2 (siehe oben, Rn. 14) bestimmt ausdrücklich, dass die staatliche Beihilfe in Höhe von 503 Mio. Euro zugunsten der Sernam, die im Mai 2001 genehmigt wurde, unter den Bedingungen der Art. 3 und 4 dieser Entscheidung mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist.

372    Den Ausführungen in den Rn. 118, 278 und 279 des vorliegenden Urteils zufolge war in Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 der Entscheidung Sernam 2 völlig verständlich dargelegt, dass die Genehmigung des Verkaufs der Aktiva der Sernam „en bloc“ nicht den Verkauf ihrer Passiva erlaubte und dass die Sernam in dem Fall, dass sie selbst oder ein Unternehmen, das ihre Geschäftstätigkeit fortführte, weiter auf dem Markt tätig war, die 41 Mio. Euro zurückzahlen musste, selbst wenn der Verkauf im Rahmen eines transparenten und für alle ihre Konkurrenten offenen Verfahrens zum Marktpreis erfolgt war. Außerdem hat die Prüfung des vierten und des fünften Klagegrundes ergeben, dass die Klägerin diese beiden Bestimmungen der Entscheidung Sernam 2 falsch angewandt hat.

373    Folglich konnten Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 der Entscheidung Sernam 2 kein berechtigtes Vertrauen der Klägerin begründen, dass es ihr gestattet sei, die Passiva der Sernam den Aktiva hinzuzufügen und sich damit zu begnügen, die 41 Mio. Euro auf der Passivseite der Liquidation der Sernam zu verbuchen, obwohl eine wirtschaftliche Kontinuität zwischen der Sernam und der Sernam Xpress bestand.

374    Ferner stellten Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 der Entscheidung Sernam 2 Bedingungen auf und konnten daher keine präzisen und nicht an Bedingungen geknüpften Zusicherungen bieten, dass diese Bedingungen als erfüllt angesehen wurden. Wie die Kommission zu Recht bemerkt, hat diese Rüge nichts mit dem berechtigten Vertrauen als solchem zu tun, sondern betrifft vielmehr die Prüfung, ob die in der Entscheidung Sernam 2 für die Vereinbarkeit aufgestellten Bedingungen eingehalten wurden.

375    Folglich ist die erste Rüge zurückzuweisen.

 Zur zweiten Rüge, die auf den Inhalt des Ersuchens vom 14. März 2006 um Auskunft über die genauen Kosten der Liquidation der Sernam gestützt wird

376    Die Klägerin trägt vor, das Ersuchen der Kommission vom 14. März 2006 um Auskunft über die genauen Kosten einer Liquidation der Sernam habe sie darin bestärkt, dass die Kommission das Kriterium des privaten Investors im Sinne des Falls Gröditzer Stahlwerke bei Verkäufen zu einem negativen Preis anwenden werde und der Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ folglich keine staatlichen Beihilfen enthalte.

377    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass das Schreiben vom 14. März 2006 im Rahmen der Prüfung der Einhaltung der in der Entscheidung Sernam 2 aufgestellten Bedingungen und nach der von der Klägerin zur Durchführung des Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 vorgenommenen Transaktion übersandt wurde. Folglich konnte dieses Schreiben kein berechtigtes Vertrauen bei der Klägerin begründen, dass die vor diesem Schreiben von ihr vorgenommene Transaktion keine neuen staatlichen Beihilfen enthielt.

378    Zweitens hätte die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen durch einen solchen Hinweis im Schreiben vom 14. März 2006 keine präzisen, nicht an Bedingungen geknüpften und übereinstimmenden Zusicherungen erlangen können, dass das Kriterium des privaten Investors in der abschließenden Entscheidung der Kommission tatsächlich angewandt und im vorliegenden Fall auch als erfüllt angesehen werde. Tatsächlich handelte es sich um ein bloßes Auskunftsersuchen der Kommission im Rahmen einer Nachprüfung und nicht um eine abgeschlossene und endgültige Beurteilung der in Rede stehenden Maßnahmen.

379    Die zweite Rüge greift somit nicht durch.

 Zur dritten Rüge: In den Erwägungsgründen 126 und 177 bis 182 des angefochtenen Beschlusses sei der Kommission ein Fehler unterlaufen

380    Die Klägerin führt aus, der Kommission sei in den Erwägungsgründen 177 bis 182 des angefochtenen Beschlusses ein Fehler unterlaufen, als sie in Abrede gestellt habe, dass die Schritte, die die französischen Behörden bei der Kommission unternommen hätten, bei der Französischen Republik oder bei den Empfängern der Beihilfe das berechtigte Vertrauen hätten aufkommen lassen, dass der Verkauf mit der Entscheidung Sernam 2 vereinbar sei.

381    Nach Auffassung des Gerichts sind auch im Rahmen der vorliegenden Rüge bestimmte Einwände zu prüfen, die im sechsten Teil des vierten Klagegrundes gegen den 126. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erhoben worden sind und die weitgehend mit den hier erhobenen Rügen übereinstimmen.

382    Die Klägerin stützt ihre dritte Rüge auf drei Argumente.

383    In den Erwägungsgründen 126 und 177 bis 182 des angefochtenen Beschlusses stellte die Kommission in Abrede, dass die Schritte, die die französischen Behörden unternommen hätten, wie ihr Besuch bei der Kommission am 24. November 2004, ihr Schreiben vom 21. Dezember 2004 und andere Kontakte mit ihr, ein berechtigtes Vertrauen hätten aufkommen lassen, dass die vorgenommene Transaktion mit der Entscheidung Sernam 2 und dem Unionsrecht vereinbar sei. Die Kommission führte in den Erwägungsgründen 178 bis 181 aus, dass die Französische Republik sich bei den ihr übermittelten Informationen darauf beschränkt habe, sie über die Entscheidung, die Aktiva der Sernam „en bloc“ zu verkaufen, in Kenntnis zu setzen, ohne jedoch die wesentlichen Umstände dieser Übertragung darzulegen. Die französischen Behörden könnten sich jedenfalls nicht auf ein berechtigtes Vertrauen berufen, ohne sie von sich aus am 21. Dezember 2004 oder später über diese wesentlichen Umstände unterrichtet zu haben. Die Kommission fügte in den Erwägungsgründen 126 und 182 des angefochtenen Beschlusses hinzu, dass die französischen Behörden, wenn sie bei der Umsetzung der Entscheidung Sernam 2 auf Schwierigkeiten gestoßen seien, erneut mit ihr Kontakt hätten aufnehmen müssen, um gemäß dem in Art. 4 Abs. 3 EUV und Abschnitt 3.2.3 der Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit – wonach ein Mitgliedstaat nicht von einem genehmigten Umstrukturierungsplan abweichen dürfe, ohne die Änderungen zuvor der Kommission mitgeteilt und ihre Genehmigung eingeholt zu haben – im Einvernehmen mit ihr eine auf einem anderen Konzept beruhende Lösung zu finden.

384    Die Klägerin verweist erstens auf Kontakte mit der Kommission, die ihr berechtigtes Vertrauen darauf begründet hätten, dass die vorgenommene Transaktion mit der Entscheidung Sernam 2 vereinbar sei.

385    Was das Telefongespräch des Generaldirektors der Agence des participations de l’État (APE) mit dem Generaldirektor der Generaldirektion Energie und Verkehr vom 8. November 2004 betrifft, so führt die Klägerin insoweit kein Gesprächsprotokoll an und auch die Akten enthalten kein offizielles Gesprächsprotokoll. Dasselbe gilt für das Treffen des Direktors für allgemeine Angelegenheiten der Generaldirektion Energie und Verkehr und der Delegation APE-SNCF vom 24. November 2004 sowie das Telefongespräch des Präsidenten der SNCF mit dem Leiter der Generaldirektion Energie und Verkehr vom Juli 2005. Die wenigen knappen Hinweise auf diese Kontakte in den Akten ermöglichen es nicht, sich eine klare und umfassende Vorstellung von den geführten Gesprächen zu bilden, und gestatten auch nicht den Schluss, dass den französischen Behörden hinsichtlich der umstrittenen Umstände der Transaktion eine Genehmigung erteilt worden wäre.

386    Zweitens beruft sich die Klägerin auf das Schreiben der französischen Behörden an die Kommission vom 21. Dezember 2004. Dieses Dokument zeigt jedoch, dass die Kommission im 179. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht die Ansicht vertritt, sie habe anhand dieses Schreibens nicht genau voraussehen können, wie die französischen Behörden die Entscheidung Sernam 2 genau umsetzen würden, denn die wesentlichen und umstrittenen Umstände der Transaktion würden dort nicht genannt, nämlich die Tatsache, dass die Veräußerung auf einer gruppeninternen Übertragung der Aktiva und Passiva auf eine andere juristische Person (Sernam Xpress) beruhe und anschließend die Veräußerung dieser anderen juristischen Person betrieben werde (share deal), die Tatsache, dass der größte Teil der Passiva zusammen mit den Aktiva übertragen werde und dass nur die Rückzahlungsanordnung bezüglich der Beihilfe von 41 Mio. Euro und die Forderungen der SNCF in Höhe von 38,5 Mio. Euro weiter auf der Passivseite der Liquidation der Sernam verblieben, und schließlich die Tatsache, dass die Französische Republik für den Fall eines Übernahmeangebots zu einem negativen Preis bereit sei, das Kapital der Sernam und der Sernam Xpress aufzustocken.

387    Tatsächlich wird in diesem Schreiben keiner dieser Umstände ausdrücklich erwähnt. Wie die Kommission hervorhebt, lässt das Schreiben vom 21. Dezember 2004 „im Gegenteil erkennen, dass die Veräußerung ohne Unterscheidung zwischen den verschiedenen Passivposten und zu einem positiven Preis erfolgen werde, da es angibt, dass ,nach abgeschlossener Veräußerung [der Erlös] zur Rückzahlung der [Schulden] der juristischen Person Sernam, darunter die unvereinbare Beihilfe, im Rahmen der üblichen innerstaatlichen Verfahren‘“ verwendet wird.

388    Drittens wendet sich die Klägerin gegen die Erwägungsgründe 126 und 182 des angefochtenen Beschlusses mit der Begründung, die Entscheidung Sernam 2 sei ordnungsgemäß durchgeführt und es sei keine Änderung des Umstrukturierungsplans vorgenommen worden. Dieses Vorbringen vermag nicht zu überzeugen, da die Prüfung des vierten Klagegrundes ergeben hat, dass Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 in Wirklichkeit nicht eingehalten wurde. Diese Voraussetzung für die Vereinbarkeit der Beihilfe war jedoch wesentlicher Bestandteil des durch die Entscheidung Sernam 2 genehmigten Umstrukturierungsplans. Deshalb hätten die französischen Behörden die Kommission gemäß Rn. 52 der Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung um Genehmigung der Änderungen des Umstrukturierungsplans ersuchen müssen.

389    Die dritte Rüge greift folglich nicht durch.

390    Nach alledem ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

6.     Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Verpflichtung zur Einhaltung einer angemessenen Frist und Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

391    Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe dadurch, dass sie den angefochtenen Beschluss erst mehr als sieben Jahre nach der als „Verkauf der Aktiva en bloc“ bezeichneten Transaktion erlassen habe, gegen die Verpflichtung zur Einhaltung einer angemessenen Frist, gegen Art. 41 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 52 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen. Dieser Klagegrund lässt sich in drei Rügen unterteilen.

392    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Einhaltung einer angemessenen Frist bei der Abwicklung der Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, dessen Wahrung der Unionsrichter zu sichern hat und der als Bestandteil des Rechts auf ordnungsgemäße Verwaltung durch Art. 41 Abs. 1 der Grundrechtecharta übernommen wurde (Urteil vom 13. Januar 2004, JCB Service/Kommission, T‑67/01, Slg, EU:T:2004:3, Rn. 36).

393    Der Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer rechtfertigt jedoch die Nichtigerklärung einer Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik erlassen worden ist, nur dann, wenn durch den Verstoß auch die Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens verletzt worden sind. Wenn nämlich nicht bewiesen ist, dass die überlange Verfahrensdauer die Möglichkeit für die betroffenen Unternehmen, sich wirksam zu verteidigen, beeinträchtigt hat, wirkt sich die Nichtbeachtung des Grundsatzes der angemessenen Verfahrensdauer nicht auf die Rechtsgültigkeit des Verwaltungsverfahrens aus und kann somit nicht als Grund für einen Schaden angesehen werden, der vor dem Unionsrichter geltend gemacht werden kann. Jedenfalls können sich die Beteiligten wie hier die Klägerin in dem Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV keineswegs einen Anspruch auf rechtliches Gehör geltend machen, wie er denjenigen zusteht, gegen die ein Verfahren eingeleitet worden ist; sie verfügen lediglich über das Recht, am Verwaltungsverfahren unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen beteiligt zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Eridania Sadam/Kommission, oben in Rn. 230 angeführt, EU:T:2011:608, Rn. 80 und 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zur ersten Rüge, die den zwischen dem Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ und der Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens am 16. Juli 2008 verstrichenen Zeitraum von drei Monaten betrifft

394    Die Klägerin beanstandet gegenüber der Kommission, dass zwischen dem Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ und der Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens am 16. Juli 2008 ein übermäßig langer Zeitraum von drei Jahren verstrichen sei. Sie führt mehrere Umstände an, um darzutun, dass die Kommission schnell über die Modalitäten des von der Klägerin durchgeführten Verkaufs der Aktiva der Sernam informiert worden sei, u. a. durch die Beschwerde des ersten Beschwerdeführers im Juni 2005, das Interview des Präsidenten der SNCF vom 26. Juli 2005 in der Zeitung Les Echos und die telefonische Unterrichtung des Leiters der Generaldirektion Energie und Verkehr über die Modalitäten des Verkaufs im Juli 2005. Im Übrigen sei am 22. Februar 2006 eine Untätigkeitsklage gegen die Kommission erhoben worden, und am 11. April 2006 sei die Kommission im Besitz aller für ihre Untersuchung erforderlichen Informationen und Unterlagen gewesen.

395    Wie bereits ausgeführt, stellt es einen Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung dar, dass die Kommission Entscheidungen, mit denen Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik abgeschlossen werden, innerhalb eines angemessenen Zeitraums erlässt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. November 2003, Regione Siciliana/Kommission, T‑190/00, Slg, EU:T:2003:316, Rn. 136 und die dort angeführte Rechtsprechung, und JCB Service/Kommission, oben in Rn. 392 angeführt, EU:T:2004:3, Rn. 36).

396    Nach der Rechtsprechung darf der Umstand, dass die Vorprüfungsphase durch eine Beschwerde und nicht durch eine Anmeldung ausgelöst wurde, nicht dazu führen, dass es der Kommission erlaubt wäre, die Vorprüfungsphase nach Belieben zu verlängern. So ist entschieden worden, dass die Kommission, da sie eine ausschließliche Zuständigkeit für die Beurteilung der Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt besitzt, im Interesse einer ordnungsgemäßen Anwendung der grundlegenden Vorschriften des Vertrags auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen eine Beschwerde, mit der beanstandet wird, dass eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe gewährt worden sei, sorgfältig und unvoreingenommen zu prüfen hat und die Vorprüfung staatlicher Maßnahmen, gegen die eine Beschwerde wegen ihrer Beihilfenatur erhoben worden ist, nicht unbegrenzt hinausschieben kann. Nach ständiger Rechtsprechung beurteilt sich die Angemessenheit der Dauer eines Verwaltungsverfahrens nach den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls und insbesondere nach dessen Kontext, den verschiedenen Verfahrensabschnitten, die die Kommission zu durchlaufen hat, der Komplexität der Angelegenheit sowie ihrer Bedeutung für die verschiedenen Beteiligten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2011, Regione autonoma della Sardegna u. a./Kommission, T‑394/08, T‑408/08, T‑453/08 und T‑454/08, Slg, EU:T:2011:493, Rn. 98 und 99 und die dort angeführte Rechtsprechung).

397    Ausweislich der Akten prüfte die Kommission die in ihrem Besitz befindlichen Informationen, die mit den Beschwerden gegen die mißbräuchliche Verwendung der Beihilfe unverzüglich gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999, der nach Art. 16 dieser Verordnung für die mißbräuchliche Verwendung von Beihilfen entsprechend gilt, zusammenhingen und blieb auch in den drei Jahren vor der Eröffnungsentscheidung nicht untätig.

398    Die wichtigsten Etappen waren:

–        Schreiben der Kommission vom 30. September 2005 mit Fragen an die französischen Behörden und Antwort der französischen Behörden vom 2. November 2005;

–        Schreiben der Kommission vom 14. März 2006 mit Fragen an die französischen Behörden und Antwort der französischen Behörden vom 11. April 2006;

–        Schreiben vom 10. April 2006 bzw. 23. April 2007, mit denen auch ein zweiter Betroffener eine Beschwerde bei der Kommission einreichte;

–        Schreiben der Kommission vom 8. September 2006 mit Fragen an die französischen Behörden und Antwort der französischen Behörden vom 10. Oktober 2006;

–        Treffen der französischen Behörden mit der Kommission am 14. Mai 2007; Schreiben der französischen Behörden vom 25. Juli 2007 zur Beantwortung der Fragen der Kommission;

–        Treffen der Kommission mit den französischen Behörden am 18. April 2008 und daran anschließend Memorandum der französischen Behörden vom 6. Mai 2008 mit Antworten auf die bei diesem Treffen gestellten Fragen.

399    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hatte die Kommission am 11. April 2006 keine vollständige Kenntnis des Vorgangs, da sie in ihrem Schreiben vom 8. September 2006, das neue Fragen enthielt, erklärte, dass sich aus den beiden Antwortschreiben der französischen Behörden und aus neuen Tatsachen, die ihr zur Kenntnis gebracht worden seien, weitere Fragen ergäben.

400    Im Übrigen erscheint der genannte Zeitraum angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität der Angelegenheit nicht unangemessen.

401    Die erste Rüge ist daher zurückzuweisen.

 Zur zweiten Rüge, die den zwischen der Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens am 16. Juli 2008 und dem Auskunftsersuchen vom 29. November 2011 verstrichenen Zeitraum von mehr als drei Jahren betrifft

402    Die Klägerin beanstandet, dass zwischen der Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens am 16. Juli 2008 und dem Auskunftsersuchen vom 29. November 2011 mehr als drei Jahre verstrichen seien. Die letzten Anmerkungen der französischen Behörden zu der Stellungnahme des ersten Beschwerdeführers zu der Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens seien am 7. Mai 2009, also zweieinhalb Jahre vor Erlass des angefochtenen Beschlusses, übermittelt worden. Was das Auskunftsersuchen vom 29. November 2011 angehe, so sei verwunderlich, dass die Fragen ausschließlich die Kosten der Liquidation der Sernam betroffen hätten – eine Frage, die drei Monate später bei Erlass des angefochtenen Beschlusses keine Rolle mehr gespielt habe – und dass die Kommission erst nach sechs Jahren eine Kopie der im Ausschreibungsverfahren eingegangenen Vorschläge für eine Übernahme der Aktiva der Sernam „en bloc“ angefordert habe.

403    Erstens ist auf die folgenden hauptsächlichen Verfahrensetappen nach der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens am 16. Juli 2008 hinzuweisen:

–        Am 8. Oktober 2008, am 13. November 2008 und am 6. und 9. Februar 2009 reichten die französischen Behörden, der erste Beschwerdeführer, die Klägerin und der Investmentfonds, der Anteile an der Sernam Xpress erworben hatte, nacheinander Stellungnahmen zur Eröffnungsentscheidung ein; die Kommission übermittelte der Französischen Republik die eingegangenen Stellungnahmen am 25. März 2009;

–        am 5. Mai 2009 reichten die französischen Behörden Anmerkungen zu der Stellungnahme des ersten Beschwerdeführers ein (bei der Kommission eingegangen am 7. Mai 2009);

–        am 25. November 2009 richtete die Kommission ein neues Auskunftsersuchen an die französischen Behörden, die dieses am 14. Januar 2010 beantworteten;

–        am 15. März 2011 forderte der zweite Beschwerdeführer die Kommission auf, eine Untersuchung zur Überprüfung der Anwendungsbedingungen der Entscheidung Sernam 2 durchzuführen; die Kommission antwortete darauf mit Schreiben vom 18. Mai 2011;

–        am 29. November 2011 und am 13. Januar 2012 richtete die Kommission erneut Fragen an die französischen Behörden, die darauf am 6. und 25. Januar 2012 antworteten;

–        am 9. März 2012 wurde der angefochtene Beschluss erlassen.

404    Dazu ist festzustellen, dass der von der Klägerin beanstandete Zeitraum von mehr als drei Jahren zwischen der Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens und dem Auskunftsersuchen vom November 2011 jedoch durch die verschiedenen eingegangenen Stellungnahmen zu der Eröffnungsentscheidung und durch das Auskunftsersuchen vom 25. November 2009 unterbrochen wurde.

405    So musste die Kommission die zu der Eröffnungsentscheidung eingegangenen Stellungnahmen auswerten und analysieren, darunter bestimmte Dokumente, die die Französische Republik ihrer Stellungname vom 8. Oktober 2008 als Anlagen beigefügt hatte wie den auf den neuesten Stand gebrachten Bericht der Prüfungsgesellschaft Y und das Gutachten eines Professors für französisches Recht über das nationale Recht.

406    Angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität der Sache erscheint dieser Zeitraum für die Untersuchung nicht unangemessen. Es lagen im vorliegenden Fall nämlich besondere Umstände vor, da die Kommission die rechtswidrig gewährten Beihilfen schon zweimal hatte untersuchen müssen und bereits festgestellt hatte, dass die in der Entscheidung Sernam 1 für vereinbar erklärten Beihilfen missbräuchlich verwendet worden waren. Zudem waren die zu untersuchenden Veräußerungsvorgänge komplex, und die Kommission musste nicht nur die Einhaltung der Bedingungen für die Vereinbarkeit in der Entscheidung Sernam 2, die Frage der Rückforderung der durch die Entscheidung Sernam 2 für unvereinbar erklärten Beihilfe von 41 Mio. Euro und die Frage der wirtschaftlichen Kontinuität zwischen mehreren Unternehmen, sondern auch die Frage prüfen, ob die Vereinbarung vom 21. Juli 2005 neue Beihilfen enthielt.

407    Im Übrigen tragen weder die Klägerin noch die Französische Republik vor, dass sie sich während des Verfahrens über die lange Dauer des Verwaltungsverfahrens beklagt hätten.

408    Zweitens ist zu bemerken, dass die Kommission mit dem Ersuchen um eine Kopie der im Ausschreibungsverfahren eingegangenen Angebote zu Recht noch warten konnte, denn sie konnte die zuvor bei ihr mit Schreiben vom 11. April 2006 und vom 6. Mai 2008 eingegangenen Erklärungen der französischen Behörden zu diesen Angeboten, deren Stellungnahme zur Eröffnungsentscheidung vom 8. Oktober 2008 und deren Anmerkungen vom 5. Mai 2009 als zunächst ausreichend ansehen. Außerdem reicht der Umstand, dass die Fragen im Auskunftsersuchen vom 29. November 2011 hauptsächlich, aber nicht ausschließlich die Kosten der Liquidation der Sernam betrafen – eine Frage, die drei Monate später beim Erlass des angefochtenen Beschlusses keine Rolle mehr spielte –, für die Feststellung einer Verletzung des Grundsatzes der angemessenen Frist nicht aus, da die Kommission nicht untätig geblieben ist und zu Recht diese Frage noch genauer überdenken wollte.

409    Folglich ist die zweite Rüge zurückzuweisen, und es besteht daher kein Anlass zu der Feststellung dass das Recht auf Sachbehandlung innerhalb angemessener Frist verletzt worden ist.

 Zur dritten Rüge: Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, wonach die Kommission Sorgfalt walten lassen muss, und Verstoß gegen Art. 41 Abs. 1 der Grundrechtecharta

410    Die Klägerin macht zunächst geltend, die überlange Dauer des Verfahrens verletze Art. 41 Abs. 1 der Grundrechtecharta. Sie führt dazu in ihrer Erwiderung aus, dass nach dieser Bestimmung in Verbindung mit Art. 52 Abs. 3 der Charta für den Fall der Verletzung eines Grundrechts wie des Rechts auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist wirksame Abhilfemaßnahmen vorgesehen sein müssten. Durch den Verzicht auf jede Sanktion und die Einstellung der Verfolgung könnten jedoch Verstöße gegen den Grundsatz der angemessenen Frist im Sinne des Art. 41 der Grundrechtecharta folgenlos bleiben.

411    Oben in Rn. 409 ist festgestellt worden, dass sich in der vorliegenden Rechtssache keine Verletzung des Rechts der Beteiligten auf Behandlung ihrer Angelegenheiten in einer angemessenen Frist feststellen lässt. Deshalb ist die Rüge der Verletzung des Art. 41 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 52 Abs. 3 der Grundrechtecharta ebenfalls zurückzuweisen.

412    Zweitens macht die Klägerin geltend, die überlange Dauer des Verfahrens habe gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen, wonach die Kommission Sorgfalt walten lassen müsse.

413    Nach der Rechtsprechung gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit, dass die Vorschriften des Unionsrechts klar und bestimmt sind, damit die Betroffenen sich bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren können (vgl. Urteil vom 30. April 2014, Tisza Erőmű/Kommission, T‑468/08, EU:T:2014:235, Rn. 221 und die dort angeführte Rechtsprechung).

414    Da die Klägerin sich auf das Argument beschränkt, dass die Dauer des Verfahrens gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen habe, ohne dies genau zu begründen, ist diese Rüge aufgrund der Ausführungen in Rn. 409 des vorliegenden Urteils zurückzuweisen, da sich aus den Akten nicht ergibt, dass die Kommission ihre Verpflichtung zur Einhaltung einer angemessenen Frist verletzt hat.

415    Seit dem Erlass der Eröffnungsentscheidung am 16. Juli 2008 hatte die Klägerin die Gewissheit, dass die Kommission eine abschließende Entscheidung über die Einhaltung der in der Entscheidung Sernam 2 aufgestellten Bedingungen, die Rückzahlung der durch die Entscheidung Sernam 2 für unvereinbar erklärten Beihilfe von 41 Mio. Euro und die neuen staatlichen Beihilfen erlassen werde. Sie kann also nicht geltend machen, dass die einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts nicht klar und bestimmt seien.

416    Falls die Klägerin mit ihrem Vorbringen, es sei verwunderlich, dass die Fragen im Auskunftsersuchen vom 29. November 2011 ausschließlich die Kosten der Liquidation der Sernam betroffen hätten – eine Frage, die später keine Rolle mehr gespielt habe –, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit geltend machen will, genügt der Hinweis, dass ein Auskunftsersuchen wie das vom 14. März 2006, wie sich aus den vorstehenden Rn. 376 bis 379 ergibt, weder gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit noch gegen den des Vertrauensschutzes verstößt, da es zum förmlichen Prüfverfahren gehört. Wenn die Klägerin die Gewissheit hatte, dass eine Entscheidung u. a. über die Qualifizierung der in der Vereinbarung vom 21. Juli 2005 vorgesehenen Maßnahmen nach Art. 107 Abs. 1 AEUV ergehen werde, konnte sie nicht verlangen, im Voraus über die abschließende rechtliche Beurteilung dieser Maßnahmen durch die Kommission informiert zu werden.

417    Daher greift die dritte Rüge nicht durch.

418    Folglich ist der dritte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

419    Aufgrund aller dieser Erwägungen ist die Klage insgesamt abzuweisen, wobei es aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht erforderlich ist, zuvor über ihre Zulässigkeit zu entscheiden (Urteile vom 26. Februar 2002, Rat/Boehringer, C‑23/00 P, Slg, EU:C:2002:118, Rn. 51 und 52, und Regione autonoma della Sardegna/Kommission, oben in Rn. 343 angeführt, EU:T:2005:219, Rn. 155).

 Kosten

420    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission deren Kosten aufzuerlegen.

421    Die Französische Republik trägt gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

422    Die Firmen Mory und Mory Team tragen nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage der Société nationale des chemins de fer français (SNCF) wird abgewiesen.

2.      Die SNCF trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

4.      Die Firmen Mory und Mory Team tragen ihre eigenen Kosten.

Van der Woude

Wiszniewska-Białecka

Ulloa Rubio

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Dezember 2015.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

1.  Die Klägerin und die Sernam im entscheidungserheblichen Zeitraum

2.  Zur Entscheidung Sernam 1

3.  Zur Entscheidung Sernam 2

4.  Zur Übertragung der Aktiva der Sernam „en bloc“ auf die Financière Sernam und den darauf folgenden Ereignissen

5.  Zu dem Verfahren, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses geführt hat

6.  Der angefochtene Beschluss

Zur missbräuchlichen Verwendung der durch die Entscheidung Sernam 2 genehmigten staatlichen Beihilfe

Zur Rückforderung der Beihilfe von 41 Mio. Euro

Zu den der Sernam Xpress/Financière Sernam gewährten neuen Beihilfen

7.  Über die nach Erlass des angefochtenen Beschlusses eingetretenen Ereignisse

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

Rechtliche Würdigung

1.  Zum vierten Klagegrund: Der Kommission seien Rechts- und Tatsachenfehler unterlaufen, soweit sie in der Veräußerung der Aktiva der Sernam „en bloc“ einen Verstoß gegen die in Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 genannten Bedingungen gesehen habe

Zum ersten Teil: Der Kommission seien Rechts- und Tatsachenfehler unterlaufen, soweit sie in den Erwägungsgründen 97 und 98 des angefochtenen Beschlusses die Veräußerung der Aktiva der Sernam „en bloc“ als nicht vor dem 30. Juni 2005 erfolgt angesehen habe

Zum zweiten Teil: Der Kommission seien Rechts- und Tatsachenfehler unterlaufen, soweit sie in den Erwägungsgründen 99 bis 102 des angefochtenen Beschlusses festgestellt habe, dass die Veräußerung der Aktiva der Sernam „en bloc“ zu einem negativen Preis keinen Verkauf darstelle

Zum dritten Teil: Der Kommission seien Rechts- und Tatsachenfehler unterlaufen, soweit sie in den Erwägungsgründen 103 bis 116 des angefochtenen Beschlusses festgestellt habe, dass es sich bei der Transaktion um eine Übertragung der Sernam im Ganzen (Aktiva und Passiva) handele

Zur ersten Rüge: Die Kommission habe in den Erwägungsgründen 103 und 113 bis 116 zu Unrecht die Auffassung vertreten, die von der Klägerin vorgenommene Übertragung habe sich nicht auf die Aktiva beschränkt, sondern Sernam im Ganzen (Aktiva und Passiva) umfasst

–  Zum ersten Argument, wonach die Kommission Art. 3 Abs. 2 der Entscheidung Sernam 2 falsch ausgelegt habe, als sie davon ausgegangen sei, dass der Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ nur die Aktiva umfassen dürfe und die Passiva ausschließe

–  Zum zweiten Argument, wonach die Klägerin wegen der sich aus dem nationalen Recht ergebenden Zwänge genötigt gewesen sei, den Aktiva der Sernam bestimmte Passiva (mit Ausnahme der Finanzpassiva) hinzuzufügen

–  Zum dritten Argument, wonach die Übertragung in Wirklichkeit nicht die Sernam „im Ganzen“ (Aktiva und Passiva) zum Gegenstand gehabt habe

Zur zweiten Rüge: Die Kommission habe in den Erwägungsgründen 108 bis 112 und 124 des angefochtenen Beschlusses zu Unrecht behauptet, die Übertragung der Geschäftstätigkeit habe aus einer Übertragung der Aktiva und Passiva im Ganzen (en bloc) innerhalb verbundener Unternehmen und dem anschließenden Verkauf der Geschäftsanteile (share deal) der Tochtergesellschaft, die die Aktiva und Passiva erhalten habe, bestanden

Zum vierten Teil: Der Kommission sei im 117. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ein Rechtsfehler unterlaufen, soweit sie die Ansicht vertreten habe, dass sich die Übertragung nicht auf die Aktiva der Sernam beschränkt habe, sondern um 57 Mio. Euro netto erhöht worden sei

Zum fünften Teil: Der Kommission seien in den Erwägungsgründen 118 und 119 des angefochtenen Beschlusses Rechts- und Tatsachenfehler unterlaufen, soweit sie die Ansicht vertreten habe, dass der Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ nicht in einem tranparenten und offenen Verfahren erfolgt sei

Zur ersten Rüge, die auf die Behauptung gestützt wird, dass das Führungsteam von Anfang an an der Ausschreibung teilgenommen habe

Zur zweiten Rüge, die sich auf die Gültigkeit des Angebots der Financière Sernam stützt, obwohl diese zum Zeitpunkt der Einreichung des Angebots des Führungsteams noch nicht gegründet war

Zur dritten Rüge, die auf die Behauptung gestützt wird, dass alle Bewerber Gelegenheit zur Abgabe eines Angebots gehabt hätten, gleich behandelt worden seien, dieselben Informationsmöglichkeiten gehabt und dieselbe Frist hätten einhalten müssen

Zur vierten Rüge, die sich darauf stützt, dass der Umstand, dass der Verkauf von Aktiva wie hier erst nach fruchtlosen Verhandlungen mit einem anderen Unternehmen stattgefunden habe, sei nach der Rechtsprechung ein „[Anhaltspunkt] dafür, dass es sich um ein hinreichend offenes und transparentes Verfahren handelte“

Zu der Rüge der Französischen Republik, die sie darauf stützt, dass der negative Preis von 57 Mio. Euro in den vorgelegten Gutachten als Marktpreis anerkannt worden sei

Zum sechsten Teil: Der Kommission seien Rechts- und Tatsachenfehler unterlaufen, soweit sie in den Erwägungsgründen 121 bis 123 des angefochtenen Beschlusses die Ansicht vertreten habe, dass der Zweck des Verkaufs der Aktiva nicht erfüllt worden sei

Zur ersten Rüge, die auf die Behauptung gestützt wird, dass der Zweck des Verkaufs der Aktiva „en bloc“ erfüllt worden sei, da die Geschäftstätigkeit der Sernam abgebrochen worden sei

Zur zweiten Rüge, die darauf gestützt wird, dass der Ausdruck „Verkauf der Aktiva ,en bloc‘“ in Wirklichkeit eine Fortführung der Geschäftstätigkeit der Sernam erlaubt habe

Ergebnis bezüglich des vierten Klagegrundes

2.  Zum fünften Klagegrund: Der Kommission sei ein Rechtsfehler unterlaufen, soweit sie die Ansicht vertreten habe, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung der durch die Entscheidung Sernam 2 für unvereinbar erklärten staatlichen Beihilfe von 41 Mio. Euro auf die Financière Sernam und ihre Betriebsgesellschaften übergegangen sei

Zur ersten Rüge, die darauf gestützt wird, dass im vorliegenden Fall keines der Kriterien für eine wirtschaftliche Kontinuität erfüllt sei

Zum Gegenstand der Übertragung

Zur Identität der Aktionäre oder Eigentümer des erwerbenden und des ursprünglichen Unternehmens

Zum Zeitpunkt der Übertragung

Zur ökonomischen Logik der Übertragung

Zum Preis der Übertragung

Zur zweiten Rüge, die darauf gestützt wird, dass die Verbuchung des Betrags von 41 Mio. Euro auf der Passivseite der Liquidation der Sernam mit Art. 4 der Entscheidung Sernam 2 in Einklang gestanden habe

3.  Zum sechsten Klagegrund: Der Kommission sei ein Rechtsfehler unterlaufen, soweit sie die in der Vereinbarung vom 21. Juli 2005 vorgesehenen Maßnahmen betreffend die Veräußerung der Aktiva der Sernam „en bloc“ als neue staatliche Beihilfen zugunsten der Sernam Xpress/Financière Sernam angesehen habe

Zum ersten Teil: Die Erklärung der Kommission, dass das Kriterium des privaten Investors im vorliegenden Fall unanwendbar sei, beruhe auf einem Rechtsfehler

Zur ersten gegen den 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erhobenen Rüge, die darauf gestützt wird, dass der Verkauf der Aktiva „en bloc“ keine Alternative zu den in Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung Sernam 2 genannten Ausgleichsmaßnahmen dargestellt habe

Zu der zweiten gegen den 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses gerichteten Rüge, die darauf gestützt wird, dass die Durchführung einer Ausgleichsmaßnahme Aufgabe des Empfängers der Beihilfe oder allenfalls des Staates als Aktionär, nicht dagegen des Staates als Träger der öffentlichen Gewalt sei

Zum zweiten Teil: Keine der streitigen Maßnahmen habe der Sernam Xpress/Financière Sernam einen Vorteil verschafft

Die Bürgschaft bezüglich der Erschließung des Standorts Valenton und die Bürgschaft bezüglich der Mieterhöhungen bei neuen Betriebsstätten

Die Garantie des Fortbestands des TBE und des Zugangs zum TBE

Die Verlängerung des Rückkehrrechts der Eisenbahnbediensteten innerhalb der SNCF‑Gruppe um drei Jahre

4.  Zum ersten Klagegrund der Klägerin und zu dem Klagegrund der Französischen Republik: Verletzung ihrer jeweiligen Verteidigungsrechte

Zum Angriffsmittel der Französischen Republik, wonach ihre Verteidigungsrechte verletzt worden seien

Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin

5.  Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

Zur ersten Rüge, die darauf gestützt wird, dass Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 der Entscheidung Sernam 2 in der Klägerin die begründete Erwartung geweckt hätten, dass es ihr gestattet sei, bei dem Verkauf der Aktiva und der Rückforderung der 41 Mio. Euro so vorzugehen, wie sie es getan habe

Zur zweiten Rüge, die auf den Inhalt des Ersuchens vom 14. März 2006 um Auskunft über die genauen Kosten der Liquidation der Sernam gestützt wird

Zur dritten Rüge: In den Erwägungsgründen 126 und 177 bis 182 des angefochtenen Beschlusses sei der Kommission ein Fehler unterlaufen

6.  Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Verpflichtung zur Einhaltung einer angemessenen Frist und Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

Zur ersten Rüge, die den zwischen dem Verkauf der Aktiva der Sernam „en bloc“ und der Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens am 16. Juli 2008 verstrichenen Zeitraum von drei Monaten betrifft

Zur zweiten Rüge, die den zwischen der Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens am 16. Juli 2008 und dem Auskunftsersuchen vom 29. November 2011 verstrichenen Zeitraum von mehr als drei Jahren betrifft

Zur dritten Rüge: Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, wonach die Kommission Sorgfalt walten lassen muss, und Verstoß gegen Art. 41 Abs. 1 der Grundrechtecharta

Kosten


* Verfahrenssprache: Französisch.