Language of document : ECLI:EU:T:2023:840

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte erweiterte Kammer)

20. Dezember 2023(*)

„Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Deutsche Strom- und Gasmärkte – Beschluss, mit dem der Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Begründungspflicht – Begriff ‚einziger Zusammenschluss‘ – Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Recht auf Anhörung – Abgrenzung des Marktes – Untersuchungszeitraum – Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb – Offensichtliche Beurteilungsfehler – Verpflichtungszusagen – Sorgfaltspflicht“

In der Rechtssache T‑61/21,

EnergieVerbund Dresden GmbH mit Sitz in Dresden (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwältin I. Zenke und Rechtsanwalt T. Heymann,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Meessen und J. Szczodrowski als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte T. Funke und A. Dlouhy,

Beklagte,

unterstützt durch

E.ON SE mit Sitz in Essen (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte C. Grave, C. Barth und D.‑J. dos Santos Goncalves,

und durch

RWE AG mit Sitz in Essen, vertreten durch Rechtsanwalt U. Scholz, Rechtsanwältin J. Ziebarth und Rechtsanwalt J. Siegmund,

Streithelferinnen,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richter J. Svenningsen, C. Mac Eochaidh und J. Martín y Pérez de Nanclares (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Stancu,

Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2023

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die EnergieVerbund Dresden GmbH, die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2019) 6530 final der Kommission vom 17. September 2019 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.8870 – E.ON/Innogy) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

A.      In Rede stehende Unternehmen

2        Die E.ON SE ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die zum Zeitpunkt der Anmeldung des geplanten Zusammenschlusses auf den verschiedenen Stufen der Energieversorgungskette tätig war, insbesondere in den Bereichen Erzeugung, Übertragung und Verteilung, Groß- und Einzelhandel sowie in energiebezogenen Bereichen (wie Verbrauchsmessung, Elektromobilität) (im Folgenden: Energiemarkt). E.ON ist in mehreren europäischen Staaten tätig, darunter die Tschechische Republik, Dänemark, Deutschland, Italien, Ungarn, Polen, Rumänien, die Slowakei, Schweden und das Vereinigte Königreich.

3        Die innogy SE (im Folgenden: Innogy, zusammen mit E.ON: am Zusammenschluss Beteiligte), eine Tochtergesellschaft der RWE AG, an der diese mehrheitlich beteiligt ist, ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die auf den verschiedenen Stufen der Energieversorgungskette, der Erzeugung und Verteilung, dem Einzelhandel und in energiebezogenen Bereichen wie Verbrauchsmessung oder Elektromobilität tätig ist. Innogy ist in mehreren europäischen Staaten tätig, darunter Belgien, die Tschechische Republik, Deutschland, Spanien, Frankreich, Kroatien, Italien, Ungarn, die Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, die Slowakei und das Vereinigte Königreich.

4        Die Klägerin ist ein Unternehmensverbund der Versorgungsbranche in Sachsen (Deutschland). Sie ist auf allen Stufen der Energieversorgungskette tätig. Der Vertrieb von Strom und Gas an Haushalts- und Kleingewerbekunden gehört zu ihrem Kerngeschäft. Über die Gesellschaften SachsenNetze GmbH und SachsenNetze HS.HD GmbH betreibt sie Strom- und Gasverteilernetze.

B.      Kontext des Zusammenschlusses

5        Der im vorliegenden Fall in Rede stehende Zusammenschluss fügt sich ein in den Rahmen eines komplexen Austauschs von Vermögenswerten zwischen RWE und E.ON, der von den beiden beteiligten Unternehmen am 11. und 12. März 2018 angekündigt wurde (im Folgenden: Gesamttransaktion). So möchte RWE mit der ersten Transaktion die alleinige oder gemeinsame Kontrolle über bestimmte Erzeugungsanlagen von E.ON erwerben. Die zweite Transaktion – der vorliegend in Rede stehende Zusammenschluss – besteht darin, dass E.ON die alleinige Kontrolle über die Sparten Verteilung und Vertrieb sowie bestimmte Erzeugungsanlagen der von RWE kontrollierten Innogy erwirbt. Die dritte Transaktion sieht vor, dass RWE eine Beteiligung in Höhe von 16,67 % an E.ON erwirbt.

6        Die Klägerin übersandte am 13. November 2018 ein Schreiben an die Europäische Kommission, in dem sie dieser mitteilte, dass sie am den ersten und den zweiten Zusammenschluss betreffenden Verfahren beteiligt werden und daher die entsprechenden Unterlagen erhalten möchte. Sie nutzte diese Gelegenheit außerdem, um der Kommission eine kritische Stellungnahme zu den beiden Zusammenschlüssen zu übermitteln.

7        Der erste Zusammenschluss wurde am 22. Januar 2019 bei der Kommission angemeldet (im Folgenden: Zusammenschluss M.8871). Im Hinblick auf diese erste Transaktion erließ die Kommission den Beschluss C(2019) 1711 final vom 26. Februar 2019 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.8871 – RWE/E.ON Assets) (im Folgenden: Beschluss M.8871).

8        Der dritte Zusammenschluss wurde beim Bundeskartellamt (Deutschland) angemeldet, das ihn mit Bescheid vom 26. Februar 2019 genehmigte (Sache B8‑28/19, im Folgenden: Zusammenschluss B8‑28/19).

C.      Verwaltungsverfahren

9        Am 31. Januar 2019 ging bei der Kommission die Anmeldung eines beabsichtigten Zusammenschlusses nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, L 24, S. 1) ein, mit dem E.ON im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung die alleinige Kontrolle über die Sparten Verteilung und Kundenlösungen sowie bestimmte Stromerzeugungsanlagen der von RWE kontrollierten Innogy erwerben wollte.

10      Im Rahmen ihrer Prüfung dieses Zusammenschlusses führte die Kommission eine erste Marktbefragung unter den Wettbewerbern der am Zusammenschluss Beteiligten durch (im Folgenden: erste Marktbefragung) und übermittelte daher bestimmten Unternehmen, darunter der Klägerin, am 1. Februar 2019 einen Fragebogen, den diese am 8. Februar 2019 beantwortete.

11      Am 8. Februar 2019 veröffentlichte die Kommission gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 die vorherige Anmeldung dieses Zusammenschlusses (Sache M.8870 – E.ON/Innogy) im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2019, C 50, S. 13, im Folgenden: Zusammenschluss M.8870).

12      Am gleichen Tag wiederholte die Klägerin schriftlich ihren Wunsch, an dem von der Kommission geführten Verfahren beteiligt und dabei von der Kommission angehört zu werden.

13      Der Zusammenschluss umfasst zwei Schritte. Der erste Schritt besteht aus dem vollständigen Erwerb von Innogy durch E.ON. Der zweite Schritt besteht darin, dass E.ON sich zum einen vom Großteil von Innogys Geschäftsbereich Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen, von elf von Innogy betriebenen Gasspeicheranlagen in der Tschechischen Republik und in Deutschland sowie von der Beteiligung von Innogy an der Kärntner Energieholding Beteiligungs GmbH in Höhe von 49 % trennt und zum anderen diese Vermögenswerte auf RWE überträgt.

14      Mit Beschluss vom 7. März 2019 stellte die Kommission fest, dass der Zusammenschluss M.8870 Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt und dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR‑Abkommen) gebe. Sie beschloss daher, das Verfahren der eingehenden Prüfung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 139/2004 einzuleiten.

15      Am 14. März 2019 richtete die Kommission gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 139/2004 ein Auskunftsverlangen an die Klägerin. Dieses Auskunftsverlangen bezog sich darauf, die Dokumente zu den Befragungen zu erhalten, die zwischen 2016 und 2018 von der Klägerin unter ihren Kunden zur Einzelhandelsversorgung mit Strom und Gas in Deutschland durchgeführt worden waren (im Folgenden: Auskunftsverlangen). Die Klägerin beantwortete das Auskunftsverlangen am 21. März 2019.

16      Am 18. März 2019 veröffentlichte die Kommission die Einleitung des Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 139/2004 im Amtsblatt (ABl. 2019, C 102, S. 2).

17      Am 11. April 2019 sandte die Klägerin ein Schreiben an den Anhörungsbeauftragten und beantragte, ihr den Status einer betroffenen Dritten zuzuerkennen, um im Rahmen des Zusammenschlussverfahrens M.8870 angehört zu werden. Der Anhörungsbeauftragte gab diesem Antrag mit Schreiben vom 16. April 2019 statt.

18      Bei einer Zusammenkunft zur Bestandsaufnahme am 27. Mai 2019 informierte die Kommission die am Zusammenschluss Beteiligten über die vorläufigen Ergebnisse der Marktuntersuchung und über den Umfang ihrer vorläufigen Bedenken.

19      Um die von der Kommission bei der Zusammenkunft zur Bestandsaufnahme vom 27. Mai 2019 festgestellten wettbewerbsrechtlichen Bedenken auszuräumen, legte E.ON am 20. Juni 2019 gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 ein Angebot für Verpflichtungszusagen vor.

20      Die Kommission führte eine zweite Marktbefragung durch, die sich auf die von E.ON angebotenen Verpflichtungszusagen bezog (im Folgenden: zweite Marktbefragung), und übermittelte daher einigen Unternehmen, darunter der Klägerin, am 21. Juni 2019 zwei Fragebögen, von denen einer die für den Heizstrommarkt angebotenen Verpflichtungszusagen und der andere diejenigen für den Markt für Elektromobilität betraf. Die Klägerin beantwortete diese Fragebögen am 26. Juni 2019.

21      E.ON legte am 3. Juli 2019 ihre endgültigen Verpflichtungszusagen vor.

D.      Angefochtener Beschluss

22      Da die Kommission der Ansicht war, dass die von E.ON vorgelegten Zusagen ausreichten, um die ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt auszuräumen, übersandte sie E.ON keine Mitteilung der Beschwerdepunkte und erließ den angefochtenen Beschluss. Mit diesem Beschluss, von dem eine Zusammenfassung im Amtsblatt veröffentlicht wurde (ABl. 2020, C 379, S. 16), erklärte die Kommission den Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen vereinbar.

23      Der Zusammenschluss führt zu erheblichen Überschneidungen zwischen der Geschäftstätigkeit von E.ON und jener von Innogy, insbesondere in Deutschland. Die Kommission untersuchte deshalb die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die deutschen Märkte.

1.      Definition der relevanten Märkte

24      Die Kommission stellte fest, dass E.ON und Innogy in Deutschland beide in den Bereichen Stromerzeugung und Stromgroßhandel, Strom- und Gasverteilung, Dienstleistungen im Zusammenhang mit Trafostationen, Betrieb und Instandhaltung von Umspannwerken, Verkauf von Materialien, Strom- und Gaseinzelhandel, Energieberatung, Verkauf verschiedener Materialien, Trinkwasserversorgung und damit zusammenhängende Dienstleistungen, Lieferung von Fernwärme, Messdienstleistungen (Wärme, Wasser, Strom und Gas), Telekommunikationsdienste im Groß- und Einzelhandel, Bereitstellung von Straßenbeleuchtung, Elektromobilitätsdienstleistungen, Fotovoltaiksysteme, Verkauf und Installation von Waren und Dienstleistungen für Smart Homes sowie Last- und Bedarfssteuerungsdienste und Flexibilitätsdienste tätig seien.

a)      Strommarkt

25      Als Erstes vertrat die Kommission die Ansicht, dass die Definition des Marktes der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels, bei dem es sich um einen nationalen Markt handele, offenbleiben könne, da der Zusammenschluss keine Auswirkungen auf diesen Markt habe.

26      Was als Zweites den Markt der Stromverteilung betrifft, betrachtete sie die Verteilung von Strom über von Verteilernetzbetreibern (im Folgenden: VNB) betriebene Niederspannungsnetze als separaten Produktmarkt; jedes Gebiet, das in Deutschland durch eines dieser von VNB betriebenen Netze abgedeckt werde, bilde jeweils einen separaten Referenzmarkt.

27      Als Drittes unterschied die Kommission hinsichtlich des Stromeinzelhandelsmarktes drei Produktmärkte: den Markt für Stromlieferungen an Industriegroßkunden, den Markt für Stromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung und den Markt für Stromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen. Während sie den ersten Markt als nationalen Markt betrachtete, betrachtete sie den zweiten als lokalen, auf das betreffende Grundversorgungsgebiet beschränkten Markt, den dritten hingegen als nationalen Markt mit lokalen Elementen.

28      Als Viertes vertrat die Kommission zum Heizstrommarkt die Auffassung, dass es sich um einen vom Markt für Strom zu anderen Verwendungszwecken separaten Produktmarkt handele und dass die Frage der genauen geografischen Definition dieses Marktes offenbleiben könne, da der Zusammenschluss wirksamen Wettbewerb erheblich behindere, und zwar unabhängig davon, ob der Markt als nationaler Markt mit lokalen Wettbewerbselementen oder auf Ebene des Netzgebiets als lokaler Markt betrachtet werde.

b)      Gasmarkt

29      Zur Verteilung von Gas vertrat die Kommission die Ansicht, dass jedes von einem VNB betriebene Gasverteilernetz mit niedrigerem Druck (Niederdruck und Mitteldruck) als separater Produktmarkt zu betrachten sei, dessen räumlicher Umfang jeweils dem Gebiet entspreche, das von dem von VNB betriebenen Netz abgedeckt werde. Im Übrigen stellte die Kommission fest, dass die Struktur und Funktionsweise des Gaseinzelhandelsmarktes der Struktur und Funktionsweise des Stromeinzelhandelsmarktes sehr ähnlich seien. Folglich verwendete die Kommission für den Gaseinzelhandelsmarkt eine Definition des Produktmarktes und des geografischen Marktes, die der für den Strom vergleichbar ist.

c)      Markt für Messdienstleistungen

30      Zunächst führte die Kommission aus, dass die Verbrauchsmessung die Messung des Strom‑, Gas‑, Wasser- und Wärmeverbrauchs zum Zweck der Abrechnung, der Transparenz und der Optimierung des Verbrauchs umfasse. Außerdem gebe es Unterschiede zwischen dem Markt für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen auf der einen und dem Markt für Fernwärme‑ und Wassermessdienstleistungen auf der anderen Seite.

31      Im Wesentlichen legte die Kommission dar, dass die Verbraucher für Fernwärme‑ und Wassermessdienstleistungen ihren Messdienstleistungsanbieter nicht frei wählen könnten, da die Messungen durch den Netzbetreiber erfolgten, dass sie aber für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen einen anderen Betreiber als den normalerweise zuständigen VNB wählen könnten. Auf dem Markt für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen könne also zwischen dem „grundzuständigen Messstellenbetreiber“ (im Folgenden: gMSB) und dem „wettbewerblichen Messstellenbetreiber“ (im Folgenden: wMSB) gewählt werden.

32      Sodann definierte die Kommission White-Label-Dienstleistungen als Dienstleistungen im Zusammenhang mit Beschaffung, Installation, Betrieb, Instandhaltung und Lieferung von IT‑Lösungen, die für VNB erbracht werden.

33      Schließlich führte sie aus, dass bei der Einzelverbrauchserfassung (Submetering) die Messung des Wasser- und Energieverbrauchs so erfolge, dass jeder individuellen Einheit eines Gebäudes (z. B. in Wohnkomplexen) deren jeweiliger Verbrauch zugeordnet werde, im Gegensatz zur Verwendung eines Zählers, der den Verbrauch eines ganzen Gebäudes messe.

34      Für die Zwecke des angefochtenen Beschlusses berücksichtigte die Kommission erstens einen Markt für Strom- und Gasmessdienstleistungen durch Unternehmen in ihrer Eigenschaft als gMSB, zweitens einen Markt für Strom- und Gasmessdienstleistungen durch Unternehmen in ihrer Eigenschaft als wMSB, drittens einen Markt für Wärme- und Wassermessdienstleistungen, viertens einen Markt für Submetering-Dienstleistungen und fünftens einen Markt für White-Label-Dienstleistungen.

35      Zur räumlichen Dimension dieser Märkte kam die Kommission zu dem Schluss, dass der Markt für Strom- und Gasmessdienstleistungen durch Unternehmen in ihrer Eigenschaft als gMSB von lokaler Bedeutung und auf das betroffene Netzgebiet beschränkt sei. Gleichermaßen wurde der Markt für Wärme- und Wassermessdienstleistungen als lokaler Markt betrachtet, der auf das betroffene Netzgebiet beschränkt sei. Die Märkte für Strom- und Gasmessdienstleistungen durch Unternehmen in ihrer Eigenschaft als wMSB, der Markt für Submetering-Dienstleistungen und der Markt für White-Label-Dienstleistungen wurden als nationale Märkte angesehen.

d)      Markt für Elektromobilität

36      Als Erstes war die Kommission hinsichtlich des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge der Ansicht, dass die Errichtung und der Betrieb von öffentlichen Ladestationen für Elektrofahrzeuge zum einen an Autobahnen und zum anderen abseits von Autobahnen separate Märkte darstellten. Außerdem vertrat sie die Auffassung, dass Schnellladestationen an Autobahnen zum einen und ultraschnelle Ladestationen an Autobahnen zum anderen separate Märkte bildeten. Sie führte zudem aus, dass ultraschnelle Ladestationen abseits von Autobahnen als separater Markt zu betrachten seien. Ob gewöhnliche Ladestationen und Schnellladestationen abseits von Autobahnen als Teil des gleichen relevanten Marktes betrachtet werden sollten, kann der Kommission zufolge hingegen offenbleiben.

37      Was die Definition des geografischen Marktes betrifft, kann diese nach Ansicht der Kommission zum einen hinsichtlich des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge an Autobahnen offenbleiben, da der Zusammenschluss unabhängig von der zugrunde gelegten Definition wettbewerbsrechtliche Bedenken aufwerfe.

38      Was zum anderen den Markt der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge abseits von Autobahnen betrifft, kann dessen geografische Definition nach Ansicht der Kommission offenbleiben, da der Zusammenschluss unabhängig von der denkbaren zugrunde gelegten Definition keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken aufwerfe.

39      Als Zweites führte die Kommission zum Vorleistungsmarkt für Ladestationen für Elektrofahrzeuge – ein Geschäftsbereich von Innogy, aber nicht von E.ON – aus, dass die genaue Definition dieses Marktes offenbleiben könne, da es unabhängig von der denkbaren zugrunde gelegten Definition des Produktmarktes oder des geografischen Marktes zum einen keine horizontale Überschneidung zwischen den Tätigkeiten der Beteiligten gebe und zum anderen der Marktanteil von Innogy weniger als 30 % betrage.

40      Als Drittes betrachtete die Kommission die Lieferung von privaten Ladestationen für Elektrofahrzeuge als einen separaten nationalen Markt. In Anbetracht dessen, dass die Anteile von E.ON und Innogy an diesem Markt sehr begrenzt seien, kam die Kommission jedoch zu dem Schluss, dass er durch den Zusammenschluss nicht beeinträchtigt werde.

41      Als Viertes gelangte die Kommission hinsichtlich Abonnementdiensten für öffentliche Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu dem Ergebnis, dass die Frage nach der genauen Definition des Produktmarktes, dessen geografische Dimension sie als national einstuft, offenbleiben könne, da der Zusammenschluss unabhängig von der denkbaren zugrunde gelegten Definition keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken aufwerfe.

42      Als Fünftes gelangte die Kommission hinsichtlich der White-Label-Dienstleistungen für öffentliche Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu dem Schluss, dass es sich um einen separaten nationalen Produktmarkt handele. Da die am Zusammenschluss Beteiligten nur begrenzt auf diesem Markt tätig seien und ihr gemeinsamer Marktanteil weniger als 10 % betrage, entschied die Kommission, dass dieser Markt nicht betroffen sei.

2.      Prüfung der nicht koordinierten horizontalen Wirkungen

43      Als Erstes vertrat die Kommission hinsichtlich der Strom‑ und Gasverteilungsmärkte die Ansicht, dass sich die Geschäftstätigkeiten der am Zusammenschluss Beteiligten nicht überschnitten, da jedes Verteilernetz einen separaten geografischen Markt darstelle. Folglich wirke sich der Zusammenschluss nicht horizontal auf den Markt aus. Dennoch prüfte die Kommission, teilweise aufgrund von Bedenken, die von Dritten geäußert wurden, eine Reihe an hypothetischen Szenarien, in denen der Zusammenschluss die Verbraucher schädigen könnte. So prüfte sie

–        die Verringerung des Wettbewerbs bei öffentlichen Ausschreibungen;

–        die Diskriminierung bei der Nutzung des 110‑kV-Netzes (Kilovolt);

–        negative Auswirkungen auf den Effizienzrichtwert der Regulierung;

–        die Fähigkeit, die Entwicklung von Standards auf unzulässige Weise zu beeinflussen.

44      Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte horizontale Wirkungen auf den Strom‑ und Gasverteilungsmärkten in Deutschland führen werde.

45      Als Zweites vertrat sie zu den Märkten für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden die Auffassung, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb nicht erheblich behindern werde, und zwar weder im Rahmen der Grundversorgung noch im Rahmen von Sonderverträgen.

46      Als Drittes kam sie hinsichtlich des Heizstrommarktes jedoch zu dem Ergebnis, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb erheblich behindern werde. Erstens seien nämlich die gemeinsamen Marktanteile der am Zusammenschluss Beteiligten hoch, zweitens ergebe sich aus der Marktuntersuchung, dass die am Zusammenschluss Beteiligten sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene einen erheblichen Wettbewerbsdruck aufeinander ausübten, drittens seien die anderen Wettbewerber auf diesem Markt nicht in der Lage, die gleichen Wettbewerbsbedingungen aufrechtzuerhalten wie vor dem Zusammenschluss, viertens seien die Zutrittsschranken und Expansionshemmnisse auf diesem Markt beträchtlich, und fünftens werde sich dieser Markt zwar verändern, aber nicht verschwinden.

47      Was als Viertes die Märkte für Strom‑ und Gaslieferungen an Industriegroßkunden betrifft, war die Kommission der Ansicht, dass sich der Zusammenschluss nicht horizontal auf diese Märkte auswirke.

48      Als Fünftes sei hinsichtlich der Messdienstleistungen kein Markt vom Zusammenschluss betroffen.

49      Als Sechstes kam die Kommission hinsichtlich des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge an Autobahnen zu dem Schluss, dass E.ON und Innogy in Fällen, in denen sie über öffentliche Ladestationen innerhalb einer Entfernung von 50 Kilometern (km) verfügten und sich entlang der gleichen Strecke zwischen diesen Stationen keine öffentlichen Ladestationen eines anderen Wettbewerbers befänden, in unmittelbarstem Wettbewerb zueinander stünden. Vor diesem Hintergrund sei der Zusammenschluss geeignet, die Verbraucher zu schädigen, da er zum Wegfall bedeutender Wettbewerbszwänge führen werde, die sich die Beteiligten gegenseitig auferlegten. Folglich gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb auf diesem Markt erheblich behindern werde.

50      Als Siebtes ging die Kommission hinsichtlich des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge abseits von Autobahnen jedoch davon aus, dass der Zusammenschluss diesen Markt nicht erheblich beeinträchtigen werde.

3.      Prüfung der nicht koordinierten vertikalen Wirkungen

51      Die Kommission vertrat die Ansicht, dass es sich bei den von VNB betriebenen Strom- und Gasverteilernetzen um Märkte handele, die in Bezug auf alle vor- und nachgelagerten Märkte von vertikalen Wirkungen betroffen seien, da der Marktanteil des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens an den Verteilernetzen über 30 % betragen werde (natürliche Monopole).

52      Die am Zusammenschluss Beteiligten hätten auch am Strom- und Gaseinzelhandel auf den lokalen Märkten, auf denen sie als Grundversorger tätig seien (natürliche Monopole), einen Marktanteil von über 30 %, wodurch es hinsichtlich der verbundenen vorgelagerten Märkte zu vertikalen Beeinträchtigungen komme.

53      Als Erstes vertrat die Kommission die Auffassung, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte vertikale Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen dem vorgelagerten Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels in Deutschland sowie den nachgelagerten Stromeinzelhandelsmärkten in Deutschland beruhten.

54      Als Zweites vertrat die Kommission die Auffassung, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte vertikale Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen dem vorgelagerten Markt für den Betrieb des Verteilernetzes und dem nachgelagerten Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels in Deutschland beruhten.

55      Als Drittes führte die Kommission aus, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen den vorgelagerten Märkten der von VNB betriebenen Verteilernetze und den nachgelagerten Strom‑ und Gaseinzelhandelsmärkten in Deutschland beruhten.

56      Als Viertes war die Kommission der Ansicht, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen den vorgelagerten Märkten der von VNB betriebenen Strom‑ und Gasverteilernetze sowie den nachgelagerten Märkten für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen in Deutschland beruhten.

57      Als Fünftes war die Kommission der Ansicht, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen dem vorgelagerten Gaseinzelhandelsmarkt für Kraftwerke und den nachgelagerten Fernwärmemärkten in Deutschland beruhten.

58      Als Sechstes vertrat die Kommission die Auffassung, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen dem vorgelagerten Markt für White-Label-Dienstleistungen sowie den nachgelagerten Märkten für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen in Deutschland zum einen und dem nachgelagerten Markt für Wärme- und Wassermessdienstleistungen in Deutschland zum anderen beruhten.

59      Als Siebtes vertrat die Kommission die Auffassung, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen hinsichtlich der Märkte für Elektromobilität in Deutschland beruhten.

4.      Andere Schadenstheorien

60      Die Kommission prüfte die von Dritten geäußerten Bedenken zu anderen möglichen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf weitere energiebezogene Märkte.

61      Als Erstes prüfte die Kommission die Bedenken hinsichtlich des Zugangs zu einer einzigen Kundendatenbank. Dritte hatten vorgebracht, dass das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen aufgrund seines großen Kundenstamms und aufgrund seiner Rolle als Anbieter von (intelligenten) Messdienstleistungen (durch seine Tätigkeit als VNB und folglich automatisch als Anbieter von Messdienstleistungen) über eine bedeutende Kundendatenbank verfügen werde. Ein Anbieter von intelligenten Messdienstleistungen sammle sämtliche Verbrauchsdaten. Unter Berücksichtigung der großen Bedeutung der Datenverarbeitung für die Entwicklung neuer Produkte (z. B. personalisierte Tarifgestaltung, Prosumenten-Dienstleistungen etc.) würden die am Zusammenschluss Beteiligten über einen einzigartigen Vorteil verfügen (auch aufgrund von Verstärkungs- bzw. Netzwerkeffekten).

62      Die Kommission war der Ansicht, dass es keine ausreichenden Anhaltspunkte gebe, um davon auszugehen, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb auf dieser Grundlage erheblich behindere. Der Zusammenschluss werde nämlich insbesondere nicht dazu führen, dass die verfügbare Datenbank andere Arten von Daten enthalte als jene, zu denen die am Zusammenschluss Beteiligten bereits vor dem Zusammenschluss Zugang gehabt hätten. Folglich hätten sie Zugang zur gleichen Art von Daten wie vor dem Zusammenschluss, lediglich für mehr Kunden.

63      Als Zweites beschäftigte sich die Kommission mit von Dritten aufgezeigten Problemen betreffend das Portfolio an energiebezogenen Produkten, Cross-Selling und Finanzkraft, die mit dem zuvor erwähnten Problem der Datenbank zusammenhängen.

64      Die Kommission vertrat hinsichtlich dieser Probleme die Auffassung, dass es keine ausreichenden Anhaltspunkte gebe, die zeigten, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb erheblich behindere.

5.      Ergebnis hinsichtlich der Auswirkungen des Zusammenschlusses

65      Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass der Zusammenschluss durch die nicht koordinierten Wirkungen, die sich aus der Überschneidung der Geschäftstätigkeit der am Zusammenschluss Beteiligten ergäben, wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für Heizstromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden sowie auf dem Markt der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge an Autobahnen in Deutschland erheblich behindere.

6.      Verpflichtungszusagen

66      In Anbetracht der wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission schlug E.ON Verpflichtungszusagen vor. Die Kommission legte dieses Angebot im Rahmen einer zweiten Marktbefragung Dritten vor. Das Ergebnis dieser Befragung übermittelte sie zwecks Anpassung der angebotenen Verpflichtungszusagen an E.ON.

67      Als Erstes verpflichtete sich E.ON im Hinblick auf den Markt für Heizstromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden, beinahe alle Sondervertragskunden ihrer Tochtergesellschaft EDG abzugeben, die mit Heizstrom beliefert werden. Die endgültigen Verpflichtungszusagen umfassen für Kunden, die mit separaten Zählern ausgestattet sind, auch alle entsprechenden Sonderverträge für Haushaltsenergie, die Kunden betreffen, die mit Heizstrom beliefert werden. Die Veräußerung erfolgt über zwei getrennte Kundenportfolios, die beide von einem Käufer oder getrennt von zwei verschiedenen Käufern erworben werden.

68      Diese Veräußerung ermöglicht aus der Sicht der Kommission die wirksame Zerstreuung ihrer Bedenken, da auf diese Weise der Großteil der wettbewerblichen Überschneidungen zwischen den am Zusammenschluss Beteiligten wegfalle und eine ausreichende Anzahl an Wettbewerbern auf dem Markt verbleibe.

69      Als Zweites verpflichtete sich E.ON hinsichtlich des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge an Autobahnen, den Betrieb von Ladestationen in den Gebieten mit horizontalen Überschneidungen vollständig einzustellen und diese Ladestationen vor Ablauf eines im Vorhinein festgelegten Zeitraums nicht zu betreiben. Darüber hinaus verpflichtete sich E.ON, die von einem Dritten betriebenen Ladestationen, für die sie den Abschluss einer Betriebsvereinbarung in Erwägung zog, während eines vorher festgelegten Zeitraums nicht zu betreiben.

70      Die Kommission hielt die Verpflichtungszusagen von E.ON für ausreichend, um alle festgestellten Bedenken auszuräumen.

7.      Ergebnis

71      Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die endgültigen Verpflichtungszusagen ausreichten, um die durch den Zusammenschluss entstehenden wesentlichen Hindernisse für einen wirksamen Wettbewerb vollständig zu beseitigen. Folglich werde der Zusammenschluss aufgrund der endgültigen Verpflichtungszusagen mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen vereinbar.

II.    Anträge der Parteien

72      Die Klägerin beantragt im Wesentlichen,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

73      Die Kommission, unterstützt durch RWE und E.ON, beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

74      Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf sechs Klagegründe, nämlich erstens auf eine fehlerhafte Aufspaltung der Untersuchung der Gesamttransaktion, zweitens auf einen Verstoß gegen die Begründungspflicht, drittens auf eine Verletzung ihres Rechts auf Anhörung, viertens auf eine Verletzung ihres Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, fünftens auf offensichtliche Beurteilungsfehler und sechstens auf eine Verletzung der Sorgfaltspflicht.

A.      Erster Klagegrund: fehlerhafte Aufspaltung der Untersuchung der Gesamttransaktion

75      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erkennen lassen, dass mit dem ersten Klagegrund beanstandet wird, die Kommission habe zum einen den Zusammenschluss B8‑28/19 nicht geprüft und zum anderen die Zusammenschlüsse M.8870, M.8871 und B8‑28/19 nicht als Teile eines einzigen Zusammenschlusses betrachtet.

76      Da Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 für das Vorliegen einer Kontrolle, die einen Zusammenschluss kennzeichnen kann, darauf abstellt, dass ein bestimmender Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens erworben wurde, ist aus dem Vorwurf der Klägerin, wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt wurde, zu schließen, dass diese den Zusammenschluss B8‑28/19 als Zusammenschluss im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 betrachtet und der Ansicht ist, dass die Kommission ihn vor diesem Hintergrund hätte prüfen müssen.

77      Gegenstand der vorliegenden Klage ist jedoch formal der Beschluss der Kommission vom 17. September 2019, mit dem der Zusammenschluss M.8870 für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurde. Auch wenn der angefochtene Beschluss eine Fußnote enthält, in der ausgeführt wird, dass die Kommission die Auswirkungen der von RWE an E.ON erworbenen Minderheitsbeteiligung im Rahmen des Beschlusses M.8871 geprüft hat, ist insoweit festzustellen, dass die Kommission nicht ausdrücklich über die Frage, ob der Zusammenschluss B8‑28/19 einen Zusammenschluss im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 darstellt, und in weiterer Folge über ihre Zuständigkeit für die Entscheidung über die Vereinbarkeit dieses Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt befunden hat. Daher kann sich die Klägerin nicht auf den Klagegrund einer fehlerhaften Aufspaltung der Gesamttransaktion berufen, um beim Gericht die Entscheidung über eine Zuständigkeitsfrage zu beantragen, die von der Kommission im vor dem Gericht tatsächlich angefochtenen Beschluss nicht behandelt worden ist.

78      Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass es der Klägerin, wenn sie der Ansicht wäre, dass der Zusammenschluss B8‑28/19 durch die Kommission zu prüfen sei, oblegen hätte, eine Beschwerde an die Kommission zu richten, um sie zu ersuchen, darüber zu befinden.

79      Im vorliegenden Fall betrifft, wie oben in Rn. 5 ausgeführt, der Zusammenschluss M.8871 den Erwerb von Vermögenswerten von E.ON durch RWE, während der Zusammenschluss M.8870 den Erwerb von Innogy, einer Tochtergesellschaft von RWE, durch E.ON betrifft. Der Zusammenschluss B8‑28/19 ermöglicht wiederum RWE den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung von 16,67 % an E.ON.

80      Es müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein, damit zwei oder mehr Erwerbsvorgänge als ein einziger Zusammenschluss im Sinne des 20. Erwägungsgrundes und von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 betrachtet werden können. Zum einen müssen diese Erwerbsvorgänge voneinander abhängig sein, so dass die einen ohne die anderen nicht durchgeführt würden. Zum anderen muss ihr Ergebnis darin bestehen, dass einem oder mehreren Unternehmen die unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Kontrolle über die Tätigkeit eines oder mehrerer anderer Unternehmen übertragen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Februar 2006, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, T‑282/02, EU:T:2006:64, Rn. 109). Da diese Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen, reicht das Fehlen einer Voraussetzung, damit verschiedene Zusammenschlüsse keinen einzigen Zusammenschluss darstellen.

81      Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst die Voraussetzung betreffend das Ergebnis zu prüfen.

82      Als Erstes ist festzustellen, dass die erwerbenden Unternehmen beim Zusammenschluss M.8870 einerseits und bei den Zusammenschlüssen M.8871 und B8‑28/19 andererseits nicht die gleichen sind. Es handelt sich nämlich um E.ON bzw. um RWE. Auch die erworbenen Unternehmen sind nicht dieselben, da der Zusammenschluss M.8870 Innogy, eine Tochtergesellschaft von RWE, betrifft und es bei den Zusammenschlüssen M.8871 und B8‑28/19 um die Vermögenswerte von E.ON bzw. um das Unternehmen E.ON geht.

83      Was als Zweites die Zusammenschlüsse M.8871 und B8‑28/19 betrifft, ist das erwerbende Unternehmen – RWE – zwar in beiden Fällen dasselbe, jedoch werden unterschiedliche Unternehmen erworben. Im Rahmen des Zusammenschlusses M.8871 erwirbt RWE nämlich Vermögenswerte von E.ON, während im Rahmen des Zusammenschlusses B8‑28/19 RWE eine Minderheitsbeteiligung an E.ON erwirbt. Die Kombination aus dem Erwerb von Vermögenswerten von E.ON und dem Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an E.ON führt jedoch nicht dazu, dass RWE die Kontrolle über E.ON erwirbt. Indem E.ON seine Vermögenswerte auf RWE überträgt, hat es nämlich keine Verbindung mehr zu diesen, so dass RWE vermittels dieser Vermögenswerte keinen bestimmenden Einfluss auf E.ON ausüben kann.

84      Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Ergebnis der Zusammenschlüsse darin bestehen soll, dass dasselbe oder dieselben Unternehmen die Kontrolle über ein oder mehrere andere Unternehmen erwerben. Schließlich besteht abgesehen von der absichtlich von RWE und E.ON geschaffenen gegenseitigen Abhängigkeit keine funktionelle Verbindung zwischen den Zusammenschlüssen M.8870, M.8871 und B8‑28/19, da die Gesamttransaktion im vorliegenden Fall keine Transaktion ist, bei der mehrere Zwischentransaktionen getätigt werden, um die Kontrolle über ein oder mehrere Unternehmen durch dasselbe oder dieselben Unternehmen zu erlangen.

85      Die Gesamttransaktion erfüllt die Voraussetzung betreffend das Ergebnis folglich nicht.

86      Im Übrigen trägt die Klägerin vor, es sei widersprüchlich, dass die Kommission den Zusammenschluss M.8871 und den Zusammenschluss M.8870 getrennt betrachte, sich aber auf den Prioritätsgrundsatz stütze. Dieser Grundsatz zeige nämlich gerade, wie fehlerhaft das zerfaserte Vorgehen im vorliegenden Fall sei. Richtigerweise hätte die Kommission im Sinne des Prioritätsgrundsatzes alle Bestandteile des E.ON-RWE‑Deals verfahrenstechnisch in einem einzigen Vorgang bündeln müssen.

87      Der Prioritätsgrundsatz bedeute im Kern, dass die Kommission bei der Beurteilung der Auswirkungen eines Zusammenschlusses den Auswirkungen eines Zusammenschlusses Rechnung trage, der vor dem zu prüfenden Zusammenschluss angemeldet worden sei.

88      Sie habe nach diesem Grundsatz bei der Prüfung des Zusammenschlusses M.8871 den Zusammenschluss M.8870 deshalb berücksichtigt, weil dieser vor dem Zusammenschluss M.8871 angemeldet worden sei.

89      Es ist festzustellen, dass der Prioritätsgrundsatz ausschließlich auf der Entscheidungspraxis der Kommission beruht und durch keine Bestimmung der Verordnung Nr. 139/2004 oder der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 139/2004 (ABl. 2004, L 133, S. 1, berichtigt in ABl. 2004, L 172, S. 9) vorgesehen ist.

90      Im vorliegenden Fall wurde der Zusammenschluss M.8871 formal am 22. Januar 2019 angemeldet, also vor dem Zusammenschluss M.8870, der am 31. Januar 2019 angemeldet wurde.

91      Selbst wenn das Gericht bestätigen würde, dass der Prioritätsgrundsatz, wie er von der Kommission definiert wird, gilt, könnte daher dieser jedenfalls nicht als Rechtfertigung dafür dienen, dass die Auswirkungen des Zusammenschlusses M.8870 bei der Prüfung der Auswirkungen des Zusammenschlusses M.8871 berücksichtigt wurden.

92      Indessen ist die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt aufgrund der Informationen zu beurteilen, über die die Kommission beim Erlass des Beschlusses verfügte. Somit muss die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt tatsächliche und rechtliche Umstände zugrunde legen, die im Zeitpunkt der Anmeldung dieses Zusammenschlusses gegeben sind und deren wirtschaftliche Bedeutung zum Zeitpunkt des Erlasses des entsprechenden Beschlusses abgeschätzt werden kann (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2021, Polskie Linie Lotnicze „LOT“/Kommission, T‑296/18, EU:T:2021:724, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93      Im Rahmen eines Tauschs von Vermögenswerten wie im vorliegenden Fall können aber die Kommission ebenso wie die Anmelder der verschiedenen Zusammenschlüsse vorhersehen, welche Auswirkungen die wahrscheinliche Durchführung jedes der Zusammenschlüsse – einzeln und gemeinsam – auf den Binnenmarkt haben wird. Die rechtliche und tatsächliche gegenseitige Abhängigkeit der Zusammenschlüsse im vorliegenden Fall ermöglicht es der Kommission nämlich, zu verstehen, wie die Marktstruktur nach deren Durchführung aussehen wird.

94      Im vorliegenden Fall könnte sich mithin eine automatische Anwendung des Prioritätsgrundsatzes angesichts der gegenseitigen Abhängigkeit der in Rede stehenden Zusammenschlüsse willkürlich auf den Umfang der durch die Kommission vorgenommenen Prüfung auswirken.

95      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass mit dem Begriff „einziger Zusammenschluss“ das Ziel verfolgt wird, die gemeinsame Prüfung von Transaktionen zu ermöglichen, die letztlich auf dasselbe Ergebnis abzielen, nämlich den Erwerb der unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Kontrolle über die Tätigkeit eines oder mehrerer anderer Unternehmen durch ein oder mehrere Unternehmen. Der Grund dafür besteht darin, dass in einem solchen Fall die beabsichtigten Transaktionen die gleichen Probleme aufwerfen und sich in gleicher Art auf den Binnenmarkt auswirken.

96      Diese Interpretation entspricht der zutreffenden Auslegung des 20. Erwägungsgrundes und des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004, wobei sowohl auf deren Zielsetzung als auch auf ihre Systematik abgestellt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. September 2017, Austria Asphalt, C‑248/16, EU:C:2017:643, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

97      Sind Zusammenschlüsse wie im vorliegenden Fall hingegen nicht dazu angetan, zum selben Ergebnis zu führen, so bilden sie ihrem Wesen nach keine Einheit und müssen nicht zusammen als Transaktionen geprüft werden, die Teil eines einzigen Zusammenschlusses sind, da sie nicht notwendigerweise die gleichen Problemstellungen aufwerfen und auf dem Markt keine gleichartigen Auswirkungen zeitigen werden. Denn in einem solchen Fall erwerben mehrere Unternehmen die Kontrolle über unterschiedliche Vermögenswerte, so dass bei jedem erwerbenden Unternehmen eine separate Zusammenlegung von Ressourcen erfolgt und jeder einzelne Kontrollerwerb andere Auswirkungen auf den Markt hat.

98      Weisen die Zusammenschlüsse jedoch einen Zusammenhang auf, der es der Kommission ermöglicht, die wahrscheinlichen Auswirkungen jedes Zusammenschlusses auf den Markt vorherzusehen, so hat die Kommission dies bei der Gesamtbeurteilung aller relevanten Beweise, die sie für jeden dieser Zusammenschlüsse vornimmt, zu berücksichtigen. In diesem Fall stellt nämlich jede der in Rede stehenden Transaktionen im Hinblick auf die anderen Transaktionen einen Umstand dar, den die Kommission bei ihrer Gesamtbeurteilung der Auswirkungen der Transaktion auf den Binnenmarkt berücksichtigen muss.

99      Daraus folgt, dass es in keiner Weise widersprüchlich ist, dass die Kommission die in Rede stehenden Zusammenschlüsse M.8870 und M.8871 getrennt prüft und dabei im angefochtenen Beschluss die Auswirkungen berücksichtigt, die sie auf den jeweils anderen Zusammenschluss haben.

100    Zusammenfassend hat die Kommission, da im vorliegenden Fall eine der beiden Voraussetzungen für das Vorliegen eines einzigen Zusammenschlusses nicht erfüllt ist, nämlich jene betreffend das Ergebnis, zu Recht die Zusammenschlüsse M.8870, M.8871 und B8‑28/19 nicht als Teile eines einzigen Zusammenschlusses betrachtet.

101    Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

B.      Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

102    Die Klägerin wirft der Kommission vor, dass sie den zentralen Segmenten Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden, Verteilung von Strom und Gas sowie innovatives Geschäft, welche indessen in Deutschland vom Zusammenschluss am stärksten betroffen seien, da dieser zu einer umfassenden Neuordnung dieser Tätigkeitsfelder führe, lediglich 50 Seiten gewidmet habe. Die Knappheit dieser Begründung falle noch umso schwerer ins Gewicht, als zum Teil schlicht gar nicht ermittelt worden sei.

103    Im Übrigen leide der angefochtene Beschluss an erheblichen Begründungsmängeln, insbesondere weil die Bezugnahmen auf die Wechselwirkungen zwischen den Zusammenschlüssen M.8870, M.8871 und B8‑28/19 es nicht ermöglichten, zu prüfen, ob sich die Kommission ernsthaft mit dem Begriff „Zusammenschluss“ befasst habe. Die Klägerin wirft der Kommission auch vor, nicht über den Inhalt der informellen Zusammenkünfte mit den am Zusammenschluss Beteiligten Auskunft gegeben zu haben und die wettbewerbliche Einordnung der von E.ON angebotenen Verpflichtungszusagen nicht erläutert zu haben.

104    Die Kommission, unterstützt durch RWE, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

105    Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Unionsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 166 und die dort angeführte Rechtsprechung).

106    Der Urheber eines solchen Rechtsakts braucht jedoch nicht zu Gesichtspunkten Stellung zu nehmen, die eindeutig untergeordnete Bedeutung haben, oder mögliche Einwände vorwegzunehmen. Außerdem müssen die Anforderungen, die an die Begründung eines Beschlusses zu stellen sind, den tatsächlichen Möglichkeiten sowie den technischen und zeitlichen Bedingungen angepasst werden, unter denen der Beschluss erlassen werden muss. So verstößt die Kommission nicht gegen ihre Begründungspflicht, wenn sie bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnis hinsichtlich der Zusammenschlüsse in ihrem Beschluss nicht genau die Gründe für die Würdigung bestimmter Aspekte des Zusammenschlusses darlegt, die ihrer Ansicht nach offenkundig neben der Sache liegen oder keine oder eine eindeutig untergeordnete Bedeutung für die Einschätzung dieses Zusammenschlusses haben. Ein solches Erfordernis wäre nämlich schwerlich vereinbar mit dem Beschleunigungsgebot und den kurzen Verfahrensfristen, denen die Kommission bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnis hinsichtlich der Zusammenschlüsse nachkommen muss und die zu den besonderen Umständen eines Verfahrens zu deren Kontrolle gehören (Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 167).

107    Daher ist, wenn die Kommission nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 einen Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt, der Begründungspflicht genügt, wenn in dem Beschluss deutlich dargelegt ist, aus welchen Gründen die Kommission der Meinung ist, dass durch den fraglichen Zusammenschluss, gegebenenfalls nach entsprechenden Änderungen durch die beteiligten Unternehmen, wirksamer Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben nicht erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung (vgl. entsprechend Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 168).

108    In diesem Zusammenhang muss die Kommission jedoch, auch wenn sie in der Begründung von Beschlüssen, die gemäß der Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen erlassen werden, nicht auf alle vor ihr geltend gemachten Faktoren und Argumente, einschließlich jener, die für die vorzunehmende Würdigung eindeutig untergeordnete Bedeutung haben, einzugehen braucht, die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen anführen, denen nach dem Aufbau des Beschlusses eine wesentliche Bedeutung zukommt. Ferner muss die Begründung folgerichtig sein und darf insbesondere keine inneren Widersprüche aufweisen (Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 169).

109    Der zweite Klagegrund der Klägerin ist im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

110    Im vorliegenden Fall ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss die relevanten Märkte definiert und dabei die Gründe für diese Definition erläutert hat (Rn. 34 bis 218 des angefochtenen Beschlusses). Hierzu hat die Kommission in jedem Fall den betreffenden Produktmarkt sowie den betreffenden geografischen Markt definiert und gegebenenfalls erläutert, warum sie die eine oder andere Definition offengelassen hat (vgl. z. B. Rn. 35 und 120 des angefochtenen Beschlusses).

111    Zweitens hat die Kommission für jeden der relevanten Märkte, den sie definiert hat, die nicht koordinierten horizontalen Wirkungen des Zusammenschlusses geprüft (Rn. 219 bis 388 des angefochtenen Beschlusses). In diesem Zusammenhang hat sie die Besonderheiten jedes relevanten Marktes berücksichtigt und ihre Prüfung nach diesen ausgerichtet. Gleichermaßen hat sie die nicht koordinierten vertikalen Wirkungen geprüft (Rn. 389 bis 420 des angefochtenen Beschlusses). Hierzu hat sie die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen relevanten Märkten untersucht.

112    Drittens hat die Kommission die von Dritten angeführten anderen Schadenstheorien zur Kenntnis genommen und diese geprüft (Rn. 421 bis 436 des angefochtenen Beschlusses).

113    Viertens hat sie Angaben zum Inhalt der von E.ON angebotenen Verpflichtungszusagen, zu den von Dritten eingereichten Stellungnahmen zu diesen Verpflichtungszusagen, zum Inhalt der von E.ON überarbeiteten Verpflichtungszusagen und zu ihrer Prüfung dieser Dokumente gemacht (Rn. 1054 bis 1132 des angefochtenen Beschlusses).

114    Die Kommission hat die Gründe für den Erlass des angefochtenen Beschlusses also ausführlich dargelegt.

115    Das Vorbringen der Klägerin vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen.

116    Als Erstes ist das Vorbringen der Klägerin zur Seitenzahl des angefochtenen Beschlusses, die in Anbetracht der Komplexität dessen, was bei diesem Zusammenschluss auf dem Spiel stehe, nicht hinreichend sei, zurückzuweisen. Ob ein Organ seiner Begründungspflicht nachgekommen ist, ist nämlich allein anhand des Inhalts seiner Entscheidung zu beurteilen. Die Anzahl der Seiten ist insoweit unerheblich, da eine – auch knappe – Begründung den oben in Rn. 105 genannten Kriterien genügen kann, indem sie es dem Betroffenen ermöglicht, die Gründe für den Erlass des Beschlusses zu verstehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2018, Syriatel Mobile Telecom/Rat, T‑411/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:902, Rn. 79).

117    Im vorliegenden Fall ist der angefochtene Beschluss, wie von der Kommission zu Recht geltend gemacht, hinreichend klar, kohärent und ausführlich, um es der Klägerin zu ermöglichen, ihm die Gründe für die erlassene Maßnahme zu entnehmen und sie anzufechten, sowie um die Unionsgerichte in die Lage zu versetzen, ihre Kontrollaufgabe wahrzunehmen. Der Klage kann im Übrigen eindeutig entnommen werden, dass die Klägerin die Hauptgründe, aus denen die Kommission den angefochtenen Beschluss erlassen hat, verstanden hat.

118    Als Zweites können die Vorwürfe der Klägerin an die Kommission nicht durchgreifen, dass sie die Wechselwirkung der Zusammenschlüsse M.8870, M.8871 und B8‑28/19 unzureichend begründet habe und dass Angaben zu den informellen Zusammenkünften mit den am Zusammenschluss Beteiligten sowie Erläuterungen zu den von E.ON angebotenen Verpflichtungszusagen fehlten.

119    Erstens trifft es zwar zu, dass die Frage der Wechselwirkungen der Zusammenschlüsse M.8870, M.8871 und B8‑28/19 von der Kommission sehr knapp behandelt wird, da sie sich nur in einer Fußnote des angefochtenen Beschlusses damit befasst; jedoch ist darauf hinzuweisen, dass der Beschluss M.8871, in dem diese Wechselwirkung ausführlicher behandelt wird, zum Kontext des Erlasses des angefochtenen Beschlusses gehört. Ebenso hat die Kommission im Rahmen des Beschlusses M.8871 die durch RWE an E.ON erworbene Minderheitsbeteiligung berücksichtigt, um die Auswirkungen des Zusammenschlusses M.8871 zu beurteilen. Die Klägerin, die mit dem Inhalt des Zusammenschlusses M.8871 vertraut ist, da sie am diesen Zusammenschluss betreffenden Verwaltungsverfahren teilgenommen und außerdem beim Gericht die unter dem Aktenzeichen T‑317/20 in das Register eingetragene Klage erhoben hat, mit der die Nichtigerklärung des Beschlusses betreffend den Zusammenschluss M.8871 beantragt wurde, kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Gründe, aus denen die Kommission zu dem Ergebnis gelangt ist, dass diese Zusammenschlüsse in getrennten Verfahren zu prüfen seien, nicht zu kennen. Ebenso wenig kann sie der Kommission mit Erfolg vorwerfen, die Auswirkungen des Erwerbs der Minderheitsbeteiligung an E.ON durch RWE nicht berücksichtigt zu haben.

120    Zweitens kann dem Vorwurf der Klägerin, die Kommission habe im angefochtenen Beschluss den Inhalt ihrer Zusammenkünfte mit den am Zusammenschluss Beteiligten nicht dargetan, nicht gefolgt werden. Hierzu genügt zum einen der Hinweis, dass die Kommission im Rahmen des angefochtenen Beschlusses den Standpunkt der am Zusammenschluss Beteiligten zu verschiedenen von der Kommission behandelten Fragen dargelegt hat (vgl. z. B. Rn. 44, 55, 68, 99, 100 und 114 des angefochtenen Beschlusses), so dass die Klägerin von den Ausführungen der am Zusammenschluss Beteiligten sowie von den jeweiligen Erwiderungen der Kommission Kenntnis nehmen konnte. Zum anderen kann von der Kommission nicht erwartet werden, dass sie in ihrem Beschluss alle ihre Treffen und anderen Arten von Kontakten mit den am Zusammenschluss Beteiligten detailliert zusammenfasst, damit ihrer Begründungspflicht Genüge getan ist.

121    Drittens trifft es nicht zu, dass die Kommission nicht erläutert hätte, inwiefern die von E.ON angebotenen Verpflichtungszusagen geeignet seien, die Zweifel hinsichtlich der von der Kommission festgestellten Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb auszuräumen. Insbesondere wurden die von den angebotenen Verpflichtungszusagen und den erwarteten Wirkungen betroffenen Märkte entgegen dem Vorbringen der Klägerin genau bezeichnet (vgl. hierzu zum Markt für Heizstromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden die Rn. 1092 bis 1101 des angefochtenen Beschlusses und zum Markt der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge an Autobahnen die Rn. 1126 bis 1131 des angefochtenen Beschlusses).

122    Als Drittes reicht der von der Klägerin angeführte Umstand, dass die Kommission bestimmte Elemente nicht berücksichtigt habe, für sich allein nicht aus, um die Begründung als unzureichend zu charakterisieren. Wie oben in Rn. 108 ausgeführt, muss die Kommission nämlich nicht auf alle vor ihr geltend gemachten Faktoren und Argumente eingehen. Denn eine solche Verpflichtung wäre schwer mit dem Beschleunigungsgebot und den kurzen Verfahrensfristen vereinbar, die die Kommission bei der Kontrolle eines Zusammenschlusses einzuhalten hat.

123    Da oben in den Rn. 114 und 117 dargelegt wurde, dass der angefochtene Beschluss hinreichend Angaben enthält, um nachzuvollziehen, weswegen ihn die Kommission erlassen hat, kann es die Klägerin für den Nachweis einer unzureichenden Begründung nicht mit der abstrakten Rüge bewenden lassen, dass die Kommission gewisse Gesichtspunkte nicht berücksichtigt habe.

124    Die Frage, ob die Kommission tatsächlich alle maßgeblichen Gesichtspunkte für den Erlass des angefochtenen Beschlusses berücksichtigt hat, gehört jedenfalls zur Prüfung der Begründetheit des angefochtenen Beschlusses und wird im Rahmen des sechsten Klagegrundes untersucht, mit dem eine Verletzung der Sorgfaltspflicht geltend gemacht wird.

125    Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

C.      Dritter Klagegrund: Verletzung des Rechts der Klägerin auf Anhörung

126    Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei im Rahmen des für sie völlig intransparenten Verwaltungsverfahrens nicht ernsthaft angehört worden. Die Beteiligung von Dritten verlange die ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung mit und Aufklärung von Beiträgen solcher Dritter, was jedoch voraussetze, dass die betroffenen Personen über eine ausreichende Informationsgrundlage verfügten, was hier nicht der Fall gewesen sei.

127    Insoweit wirft die Klägerin der Kommission vor, ihr den Inhalt der Zusammenkünfte der Kommission mit den am Zusammenschluss Beteiligten nicht mitgeteilt, ihr keine Einsicht in die Akten des Verwaltungsverfahrens gewährt und im Wesentlichen keine Mitteilung der Beschwerdepunkte angenommen zu haben.

128    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

129    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 11 Buchst. c der Verordnung Nr. 802/2004 das Recht auf Anhörung gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 139/2004 Dritten zusteht, und zwar natürlichen oder juristischen Personen einschließlich Kunden, Lieferanten und Wettbewerbern, sofern diese ein hinreichendes Interesse im Sinne von Art. 18 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung Nr. 139/2004 darlegen können. Nach dieser Bestimmung ist, wenn natürliche oder juristische Personen, die ein hinreichendes Interesse darlegen, und insbesondere Mitglieder der Leitungsorgane der beteiligten Unternehmen oder rechtlich anerkannte Vertreter der Arbeitnehmer dieser Unternehmen einen Antrag auf Anhörung stellen, ihrem Antrag stattzugeben.

130    Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 802/2004 sieht dazu vor, dass die Kommission Dritte, die nach Art. 18 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung Nr. 139/2004 schriftlich ihre Anhörung beantragen, schriftlich über Art und Gegenstand des Verfahrens unterrichtet und ihnen eine Frist zur Äußerung setzt.

131    Somit wird Dritten wie der Klägerin, die ein hinreichendes Interesse darlegen und die Anhörung beantragt haben, im Rahmen des Verfahrens der Union zur Kontrolle von Zusammenschlüssen durch Art. 18 Abs. 4 der Verordnung Nr. 139/2004 sowie durch Art. 11 Buchst. c und Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 802/2004 ausdrücklich ein Recht auf Anhörung eingeräumt.

132    Diese Dritten haben auf entsprechenden Antrag ein Recht darauf, von der Kommission angehört zu werden, um zu den für sie nachteiligen Wirkungen des angemeldeten Zusammenschlussvorhabens Stellung zu nehmen, wobei aber dieses Recht mit der Beachtung der Verteidigungsrechte der am Zusammenschluss Beteiligten auf der einen und dem Hauptziel der Verordnung, der Sicherstellung einer wirksamen Kontrolle und der Rechtssicherheit für die der Verordnung unterliegenden Unternehmen, auf der anderen Seite in Einklang zu bringen ist (vgl. Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 202 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit ist im Rahmen dieses Systems des Schutzes der Rechte der Beteiligten bzw. der Dritten zu entscheiden, ob im vorliegenden Fall die Rechte der Klägerin verletzt worden sind.

133    Aus den Akten geht hervor, dass die Klägerin von der Dritten eingeräumten Möglichkeit, am Verwaltungsverfahren teilzunehmen und ihren Standpunkt zum Zusammenschluss zum Ausdruck zu bringen, umfassend Gebrauch gemacht hat.

134    Erstens hat die Klägerin der Kommission während der Voranmeldephase im Rahmen ihres Schreibens vom 13. November 2018 ihre Stellungnahme zu dem in Rede stehenden Zusammenschluss übermittelt.

135    Im Übrigen hat die Klägerin der Kommission mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 eine von der Oxera Consulting LLP, einem Wirtschaftsberatungsunternehmen, erstellte Studie mit dem Titel „Transaktion zwischen E.ON und RWE: Auswirkungen auf Erstabsatz- und Regelenergiemarkt“ vom 29. November 2018 sowie ihre Stellungnahme zu den Auswirkungen des Zusammenschlusses M.8871 auf den Zusammenschluss M.8870 übermittelt.

136    Schließlich hat die Klägerin der Kommission mit Schreiben vom 7. Dezember 2018 eine zusätzliche Stellungnahme übermittelt.

137    Zweitens hat die Klägerin nach der Anmeldung des Zusammenschlusses an der ersten und der zweiten Marktbefragung teilgenommen und auf das von der Kommission an sie gerichtete Auskunftsverlangen geantwortet.

138    Zudem hat die Klägerin der Kommission weitere Stellungnahmen übermittelt. So hat sie der Kommission mit Schreiben vom 10. Mai 2019 eine Studie der LBD Beratungsgesellschaft mbH vom 9. Mai 2019 mit dem Titel „Merger E.ON/innogy, Analysen zum Pricing beim Vertrieb von Strom an Haushaltskunden“ (im Folgenden: LBD-Studie) sowie eine zusätzliche Stellungnahme zu regionalen Tarifen zukommen lassen.

139    Am 25. Juli 2019 hat die Klägerin eine weitere Stellungnahme an die Kommission gesandt. Diese enthielt zusätzliche Anmerkungen zu den Verpflichtungszusagen und Kritik an dem Umstand, dass die Klägerin nicht zu den im Anschluss an die zweite Marktbefragung angepassten Verpflichtungszusagen gehört worden sei.

140    Weitere Beteiligungsrechte standen der Klägerin nicht zur Verfügung.

141    Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin der Kommission nicht vorwerfen, dass sie ihr keine Gelegenheit gegeben habe, ihren Standpunkt im Verwaltungsverfahren hinreichend darzutun.

142    Folglich kann das allgemeine Argument der Klägerin, dass die Kommission entgegen ihres eigenen Verhaltenskodexes darauf verzichtet habe, Dritte zu konsultieren, nicht zum Erfolg führen. Vielmehr geht aus den obigen Rn. 134 bis 139 hervor, dass die Kommission die Klägerin sowohl vor als auch nach der Anmeldung des Zusammenschlusses angehört hat.

143    Als Zweites vertritt die Klägerin im Wesentlichen die Ansicht, dass die Kommission ihr nicht alle Informationen übermittelt habe, die für die wirksame Ausübung ihres Rechts auf Anhörung erforderlich gewesen seien.

144    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 802/2004 Dritten, die ihre Anhörung beantragen, lediglich Art und Gegenstand des Verfahrens mitzuteilen hat. Daraus ist abzuleiten, dass die Kommission den Anforderungen dieser Bestimmung genügt, wenn sie Dritten ausreichend Informationen zur Verfügung stellt, damit diese eine Stellungnahme abgeben können. Dieser Artikel darf hingegen nicht dahin ausgelegt werden, dass die Kommission verpflichtet ist, alle Protokolle der Zusammenkünfte zwischen ihr und den am Zusammenschluss Beteiligten zu übermitteln.

145    Im vorliegenden Fall zeigen der Inhalt der Stellungnahmen, die die Klägerin in Form ihrer Schreiben, bei Zusammenkünften mit der Kommission sowie mittels ihrer Antworten auf die erste und die zweite Marktbefragung und auf das Auskunftsverlangen unterbreitet hat, dass die Klägerin Art und Gegenstand des in Rede stehenden Verfahrens durchaus kannte. Dies bestreitet sie im Übrigen auch nicht.

146    Infolgedessen kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Kommission ihr Recht auf Anhörung verletzt habe, indem sie ihr nicht alle Informationen übermittelt habe, über die sie verfügt habe.

147    Als Drittes wirft die Klägerin der Kommission vor, ihr nicht gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) Zugang zu den Akten des Verwaltungsverfahrens gegeben zu haben.

148    Hierzu genügt die Feststellung, dass etwaige Entscheidungen der Kommission, mit denen der Zugang zu Dokumenten verweigert wurde, nicht Gegenstand der vorliegenden Klage sind, so dass dieses Argument der Klägerin nicht durchgreifen kann.

149    Als Viertes macht die Klägerin geltend, dass die Kommission keine Mitteilung der Beschwerdepunkte angenommen habe.

150    Auf entsprechende Nachfrage hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ihr Vorbringen bestätigt, dass das Fehlen einer Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Verletzung ihres Rechts auf Anhörung beigetragen habe, da ihr die Möglichkeit vorenthalten worden sei, der Kommission Gegenargumente zu präsentieren und die Diskussion zu vertiefen.

151    Die Klägerin erläutert jedoch nicht, inwiefern das Fehlen einer Mitteilung der Beschwerdepunkte geeignet wäre, ihr Recht auf Anhörung zu verletzen, obwohl feststeht, dass sie von der Kommission sowohl vor als auch nach der Anmeldung des Zusammenschlusses tatsächlich angehört wurde, und zwar zu allen relevanten Gesichtspunkten.

152    Es ist jedenfalls anzumerken, dass die Kommission, wie sie in ihrer Klagebeantwortung zu Recht geltend macht, nicht verpflichtet ist, eine Mitteilung der Beschwerdepunkte anzunehmen, wenn sie sich für einen mit Verpflichtungen verbundenen Genehmigungsbeschluss nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 entscheidet. Eine Mitteilung der Beschwerdepunkte ist nämlich nur verpflichtend, wenn die Kommission plant, sich gegen die Durchführung eines Zusammenschlusses auszusprechen, wie es sich im Wesentlichen aus Art. 18 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung Nr. 139/2004 sowie konkreter aus Art. 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 802/2004 ergibt.

153    In diesem Sinne ist die Mitteilung der Beschwerdepunkte eine vorbereitende Verfahrenshandlung, die, um die wirksame Ausübung der Verteidigungsrechte zu ermöglichen, den Gegenstand des von der Kommission eingeleiteten Verwaltungsverfahrens festlegt und diese somit daran hindert, in ihrer das betreffende Verfahren abschließenden Entscheidung andere Beschwerdepunkte in Betracht zu ziehen (Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 63).

154    Solange die Kommission also nicht beabsichtigte, einen Beschluss zu erlassen, mit dem der Zusammenschluss für nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt würde, war sie nicht verpflichtet, eine Mitteilung der Beschwerdepunkte anzunehmen.

155    Als Fünftes wirft die Klägerin der Kommission mit ihrem Vorbringen, inhaltlich den Beitrag der Klägerin nicht ernsthaft geprüft und nicht versucht zu haben, dessen Inhalt zu klären, in Wirklichkeit vor, die Umstände des vorliegenden Falles nicht auf die gleiche Weise beurteilt zu haben wie die Klägerin.

156    Sie macht nämlich geltend, dass sich die Kommission mit einer bloß „formalen“ Einbindung begnügt habe.

157    Im Rahmen der Prüfung des Klagegrundes, mit dem eine Verletzung des Rechts auf Anhörung geltend gemacht wird, stellt sich gerade die Frage, ob die Klägerin von der Kommission förmlich angehört wurde und ob sie dieser ihre Stellungnahme zum in Rede stehenden Zusammenschluss übermitteln konnte. Wie oben in Rn. 141 dargelegt, war dies hier der Fall.

158    Die Klägerin rügt mit ihrem Vorbringen also weniger, dass die Kommission sie nicht angehört habe, sondern beanstandet vielmehr die Schlüsse, die die Kommission aus den verschiedenen ihr übermittelten Stellungnahmen gezogen hat. Dieses Argument geht daher im Rahmen der Prüfung des vorliegenden Klagegrundes ins Leere.

159    Nach alledem ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

D.      Vierter Klagegrund: Verletzung des Rechts der Klägerin auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

160    Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass die Veröffentlichung des angefochtenen Beschlusses, die 421 Tage nach seinem Erlass erfolgt sei, ihr Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verletzt habe. So habe die Kommission ein Jahr lang verhindert, dass der angefochtene Beschluss Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung werde, obwohl die negativen Folgen, die er mit sich bringe, seine Nichtigerklärung rechtfertigten und die so geschaffene Situation schwer umkehrbar sei, und zwar selbst dann, wenn dieser Klage stattgegeben werde.

161    Die Kommission, unterstützt durch RWE und E.ON, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

162    Es steht fest, dass der angefochtene Beschluss am 17. September 2019 erlassen wurde und dass eine entsprechende Zusammenfassung am 10. November 2020, also 420 Tage später, im Amtsblatt veröffentlicht wurde. Hierbei handelt es sich objektiv um einen langen Zeitraum.

163    Ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die von der Kommission zur Rechtfertigung der Verzögerung bei der Veröffentlichung einer Zusammenfassung des angefochtenen Beschlusses angeführten Gründe stichhaltig sind, ist jedoch festzustellen, dass die späte Veröffentlichung einer Handlung der Union im Amtsblatt die Gültigkeit dieser Handlung nicht beeinflusst (Urteil vom 23. November 1999, Portugal/Rat, C‑149/96, EU:C:1999:574, Rn. 54).

164    Für die Gültigkeit des angefochtenen Beschlusses kann auch nicht das Vorbringen der Klägerin von Belang sein, dass ihr Rechtsbehelf deshalb nicht als effektiv betrachtet werden könne, weil die Klägerin in Anbetracht des Zeitpunkts der Veröffentlichung des angefochtenen Beschlusses erst 421 Tage nach dessen Erlass habe Klage erheben können, weshalb der Markt einer ungehinderten Entfaltung der Wettbewerbsfolgen des Zusammenschlusses ausgesetzt gewesen sei.

165    Würde der angefochtene Beschluss nämlich für nichtig erklärt, hätte die Kommission nach Art. 266 AEUV die sich aus dem ihr gegenüber ergangenen Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen und außerdem die Parteien in die Lage zurückzuversetzen, die vor Erlass des angefochtenen Beschlusses bestand (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. März 1971, Kommission/Rat, 22/70, EU:C:1971:32, Rn. 60, und vom 13. Dezember 2017, Crédit mutuel Arkéa/EZB, T‑712/15, EU:T:2017:900, Rn. 43).

166    Schließlich kann die Klägerin, wenn sie meint, durch die späte Veröffentlichung der Zusammenfassung des angefochtenen Beschlusses einen Schaden erlitten zu haben, gemäß Art. 268 AEUV eine Schadensersatzklage gegen die Kommission erheben.

167    Folglich ist der vierte Klagegrund als ins Leere gehend zurückzuweisen.

E.      Fünfter Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler

168    Mit dem fünften Klagegrund, mit dem offensichtliche Beurteilungsfehler gerügt werden, macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass der Zusammenschluss mit dem Binnenmarkt vereinbar sei, obwohl sie den Zusammenschluss gemäß Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 für mit dem Binnenmarkt unvereinbar hätte erklären müssen. Nach Ansicht der Klägerin hätte die Kommission also sämtliche entscheidungserheblichen Tatsachen zusammentragen müssen, die ihr die Prognose der Auswirkungen des Zusammenschlusses, darunter seiner zahlreichen vertikalen Auswirkungen, erlaubten. Insbesondere hätte sie auch Schadenstheorien der Digital- und Datenökonomik nachgehen müssen, die aus dem einzigartigen Zugriff von E.ON auf Kundendaten und deren Präsenz auf den Gatekeeper-Kanälen resultierten.

1.      Vorbemerkungen

169    Nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 sind Zusammenschlüsse, durch die wirksamer Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung, für mit dem Binnenmarkt unvereinbar zu erklären.

170    Zu den Beweisanforderungen ergibt sich aus dem Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala (C‑413/06 P, EU:2008:392, Rn. 50 bis 53), dass die Kommission grundsätzlich entweder für die Genehmigung des Zusammenschlusses, mit dem sie befasst ist, oder für dessen Untersagung Stellung zu beziehen hat, je nachdem, welche wirtschaftliche Entwicklung des Zusammenschlusses sie für die wahrscheinlichste hält. Es handelt sich daher um eine Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten und nicht um eine Verpflichtung der Kommission, ohne vernünftige Zweifel nachzuweisen, dass ein Zusammenschluss keine Wettbewerbsprobleme aufwirft (Urteil vom 11. Dezember 2013, Cisco Systems und Messagenet/Kommission, T‑79/12, EU:T:2013:635, Rn. 47).

171    Vor diesem Hintergrund ist es Sache der Kommission, das Ergebnis des zur Beurteilung der Wettbewerbssituation herangezogenen Indizienbündels insgesamt zu bewerten. Dabei kann es sein, dass bestimmte Umstände privilegiert und andere außer Acht gelassen werden. Die Prüfung und die entsprechende Begründung sind Gegenstand der vom Gericht über die Entscheidungen der Kommission im Fusionsbereich ausgeübten Rechtmäßigkeitskontrolle (Urteil vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 136).

172    Nach ständiger Rechtsprechung räumen außerdem die Grundregeln der Verordnung Nr. 139/2004 und insbesondere ihr Art. 2 der Kommission vor allem bei wirtschaftlichen Beurteilungen ein gewisses Ermessen ein, so dass die von den Gerichten vorzunehmende Kontrolle der Ausübung eines solchen – für die Aufstellung der Regeln über Zusammenschlüsse wesentlichen – Ermessens unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums erfolgen muss, der den Bestimmungen wirtschaftlicher Art, die Teil der Regelung von Zusammenschlüssen sind, zugrunde liegt (vgl. Urteil vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

173    Daher beschränkt sich die Kontrolle einer Entscheidung der Kommission im Bereich der Zusammenschlüsse durch die Unionsgerichte auf die Nachprüfung der materiellen Richtigkeit des Sachverhalts und das Fehlen offensichtlicher Beurteilungsfehler (vgl. Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 144 und die dort angeführte Rechtsprechung).

174    Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Unionsgerichte eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission unterlassen müssen. Sie müssen nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (Urteile vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, EU:C:2005:87, Rn. 39, und vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 54).

175    Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die inhaltliche Beurteilung, ob der in Rede stehende Zusammenschluss hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 keine Probleme aufwerfe, auf das Vorliegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers zu prüfen ist. Zur Überprüfung, ob sich die Kommission beim Erlass ihres Beschlusses zu Recht auf die genannte Bestimmung gestützt hat, ist somit zu prüfen, ob sie bei der Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb keinen offensichtlichen Fehler begangen hat (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 48).

176    Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

177    Der fünfte Klagegrund ist in drei Teile aufgegliedert. Mit dem ersten Teil wird eine fehlerhafte Abgrenzung des Untersuchungszeitraums geltend gemacht, mit dem zweiten eine fehlerhafte Definition der relevanten Märkte und mit dem dritten die fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses. Vor der Prüfung dieser drei Teile ist jedoch auf die von der Klägerin geäußerte Kritik hinsichtlich der von der Kommission bei ihrer Prüfung berücksichtigten Gesichtspunkte einzugehen.

2.      Gesichtspunkte, die die Kommission bei ihrer Prüfung berücksichtigt hat

a)      Angaben, die von den am Zusammenschluss Beteiligten übermittelt wurden, und Gesamtheit der relevanten Daten

178    Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission sich ausschließlich auf die Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten gestützt habe, ohne diese kritisch zu prüfen, und dass sie weitere Erkenntnisquellen, vor allem anderslautende Rückmeldungen aus dem Markt, ausgeblendet habe.

179    Als Erstes stünden die Ergebnisse der von der Kommission durchgeführten Marktbefragungen sowie die von der Klägerin übermittelten Informationen, und zwar öffentlich zugängliche Fundstellen, die LBD-Studie, die Studie der Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH (BET) vom Oktober 2020 mit dem Titel „Kurzgutachten zu den Ergebnissen der Marktbefragung im Zusammenhang mit der Neuaufteilung der Geschäftsfelder zwischen E.ON und RWE/innogy“ (im Folgenden: BET‑Studie) sowie die Studie von Innoplexia vom 13. Januar 2021 mit dem Titel „Digitale Marktbeobachtung. Deutschlandweite Erhebung zur Untersuchung von dominanten Stellungen deutscher Energieversorger“ (im Folgenden: Innoplexia-Studie) im Widerspruch zu dem von der Kommission festgestellten Sachverhalt. Hätte die Kommission also vorab die erforderlichen Schritte eingeleitet, hätte sie die Schlussfolgerungen der am Zusammenschluss Beteiligten widerlegen können und müssen.

180    Als Zweites könne die Kommission nicht mit Erfolg geltend machen, dass die BET‑Studie und die Innoplexia-Studie vollständig außen vor gelassen werden könnten, weil sie nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses erstellt worden seien. Die Klägerin trägt insbesondere vor, dass sich die BET‑Studie am generellen Ermittlungskonzept der Kommission orientiere und lediglich die Plausibilität der Feststellungen der Kommission teste, während die Innoplexia-Studie die verdrängende Online-Präsenz von E.ON quantifiziere, die von den Wettbewerbern im Lauf des Verfahrens klar zum Ausdruck gebracht worden sei, so dass diese beiden Studien nicht als neue Tatsachen gewertet werden könnten, die erst nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses eingetreten seien.

181    Die Kommission, unterstützt durch E.ON und RWE, macht geltend, sie habe alle entscheidungserheblichen Tatsachen zusammengetragen, anhand deren sie die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Binnenmarkt habe prognostizieren können. Insoweit habe die Kommission nicht nur über ihre eigene Kenntnis des Marktes, öffentliche Informationen und die von den am Zusammenschluss Beteiligten gelieferten Daten, sondern auch über Informationen Dritter verfügt. Hinsichtlich der Beweise vertritt die Kommission die Auffassung, dass die BET‑Studie und die Innoplexia-Studie unzulässig seien, da sie zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses noch nicht existiert hätten. Schließlich bestreitet die Kommission die Einschlägigkeit, die Kohärenz und die Belastbarkeit der von der Klägerin übermittelten Beweise.

182    In einem ersten Schritt wird das Gericht die allgemeine Rüge prüfen, wonach die Kommission andere öffentlich zugängliche Informationen oder von Dritten übermittelte Informationen nicht berücksichtigt und sich ausschließlich auf die von den am Zusammenschluss Beteiligten zur Verfügung gestellten Informationen gestützt habe. In einem zweiten Schritt wird sich das Gericht mit der Zulässigkeit, der Einschlägigkeit, der Kohärenz und der Belastbarkeit der von der Klägerin vorgelegten Studien befassen, soweit diese belegen sollen, dass die Kommission bei ihrer Prüfung der Auswirkungen des Zusammenschlusses nicht alle maßgeblichen Tatsachen berücksichtigt habe.

183    Als Erstes ist zum Vorbringen der Klägerin, wonach sich die Kommission ausschließlich auf die Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten gestützt habe, ohne diese kritisch zu prüfen, und weitere Erkenntnisquellen ausgeblendet habe, festzustellen, dass die Klägerin keine Rechtsvorschrift nennt, die es der Kommission untersagen würde, sich auf die von den am Zusammenschluss Beteiligten selbst im Rahmen des Verwaltungsverfahrens gelieferten Daten zu stützen, oder die sie im Gegenteil dazu verpflichten würde, eine eigene, von den Daten der am Zusammenschluss Beteiligten unabhängige Marktuntersuchung durchzuführen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 126).

184    Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission angesichts des Beschleunigungsgebots und der strengen Fristen, die sie in einem Fusionskontrollverfahren einhalten muss, nicht verpflichtet sein kann, alle bei ihr eingehenden Informationen zu überprüfen, sofern keine Indizien für die Unrichtigkeit der mitgeteilten Informationen vorliegen. Denn auch wenn die der Kommission in einem solchen Verfahren obliegende Verpflichtung zur Durchführung einer sorgfältigen und unparteiischen Prüfung es ihr nicht erlaubt, sich auf Umstände oder Informationen zu stützen, die nicht als wahr angesehen werden können, hat das Beschleunigungsgebot doch zur Folge, dass sie die Glaubhaftigkeit und Zuverlässigkeit aller ihr übermittelten Informationen nicht selbst in allen Einzelheiten überprüfen kann, da das Fusionskontrollverfahren zwangsläufig in gewissem Maß Vertrauen voraussetzt (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2021, Polskie Linie Lotnicze „LOT“/Kommission, T‑240/18, EU:T:2021:723, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

185    In den Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Fusionskontrolle sind verschiedene Maßnahmen vorgesehen, die von der Übermittlung unrichtiger und irreführender Informationen abhalten und diese ahnden sollen. Es sind nämlich nicht nur die Anmelder gemäß Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 802/2004 ausdrücklich verpflichtet, der Kommission wahrheitsgemäß und vollständig die Tatsachen und Umstände mitzuteilen, die für die Entscheidung von Bedeutung sind, wobei diese Verpflichtung in Art. 14 der Verordnung Nr. 139/2004 mit Sanktionen bewehrt ist, sondern die Kommission kann die Entscheidung über die Vereinbarkeit gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchst. a und Art. 8 Abs. 6 Buchst. a der Verordnung Nr. 139/2004 auch widerrufen, wenn sie auf unrichtigen Angaben beruht, die von einem der beteiligten Unternehmen zu vertreten sind, oder wenn sie durch Irreführung herbeigeführt worden ist (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2021, Polskie Linie Lotnicze „LOT“/Kommission, T‑240/18, EU:T:2021:723, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

186    Die Kommission wird also durch nichts daran gehindert, sich ausschließlich auf die Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten zu stützen, sofern keine Indizien für die Unrichtigkeit dieser Angaben vorliegen und sie alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen sind.

187    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss, dass sich die Kommission teilweise auf die Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten gestützt hat. Eine Gesamtbetrachtung des angefochtenen Beschlusses zeigt jedoch, dass sich die Kommission nicht unkritisch auf die Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten verlassen hat. Vielmehr ist, sofern die Klägerin die Zuverlässigkeit der von den am Zusammenschluss Beteiligten an die Kommission übermittelten Angaben in Abrede stellt, darauf hinzuweisen, dass diese Angaben anhand anderer der Kommission zur Verfügung stehenden Informationen bestätigt wurden. Zum Beispiel hat die Kommission in den Rn. 81 ff. des angefochtenen Beschlusses die Erläuterungen der am Zusammenschluss Beteiligten zur Definition des geografischen Stromeinzelhandelsmarktes im Licht der LBD-Studie einer kritischen Prüfung unterzogen. Ebenso hat sie in Rn. 230 dieses Beschlusses die Aussagen der am Zusammenschluss Beteiligten zu ihrem Wettbewerbsverhältnis im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen für Strom- und Gaskonzessionen mit der Sichtweise bestimmter Wettbewerber verglichen. Zudem hat die Kommission in Rn. 293 des angefochtenen Beschlusses die Informationen, die sie mittels ihrer Marktuntersuchung zur möglichen Verdrängung von Wettbewerbern von Preisvergleichsportalen im Internet zusammengetragen hat, mit ihrer eigenen Kenntnis des Marktes abgeglichen. Im Übrigen hat sie in Rn. 191 des angefochtenen Beschlusses Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten verwendet, gleichzeitig aber andere einschlägige Informationen wie Berichte des Bundeskartellamts über den erheblichen Aufpreis an Tankstellen entlang von Autobahnen im Vergleich zu Tankstellen in unmittelbarer Nähe von Autobahnen bzw. abseits von Autobahnen berücksichtigt.

188    Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Kommission die Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten im Licht aller ihr zur Verfügung stehenden Informationen geprüft hat. Die Gesamtheit der von der Kommission berücksichtigten Informationen bestand also nicht nur aus den Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten, sondern auch aus anderen öffentlich zugänglichen Informationen und aus von Dritten mittels Auskunftsverlangen, Marktbefragungen oder im Rahmen von Zusammenkünften erlangten Informationen, wie es beispielsweise den Rn. 12, 13, 21 oder 58 des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen ist.

189    Folglich ist, ohne an diesem Punkt der Frage vorzugreifen, ob die Kommission tatsächlich in allen Teilen ihrer Prüfung alle für den jeweiligen Teil erheblichen Tatsachen berücksichtigt hat, der Schluss zu ziehen, dass sie im Allgemeinen versucht hat, alle entscheidungserheblichen Beweise zusammenzutragen, die es ihr ermöglichen könnten, die Auswirkungen des Zusammenschlusses vorherzusehen, und dass sie sie abgeglichen hat.

190    Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass es Sache der Kommission ist, zu beurteilen, ob die ihr vorliegenden Informationen für die wettbewerbliche Bewertung ausreichen (Urteil vom 13. Mai 2015, Niki Luftfahrt/Kommission, T‑162/10, EU:T:2015:283, Rn. 109), und das Ergebnis des zur Beurteilung der Wettbewerbssituation herangezogenen Indizienbündels insgesamt zu bewerten. In Anwendung dieser Gesamtbeurteilung kann die Kommission bestimmte Umstände privilegieren und andere außer Acht lassen. Das Gericht prüft die Rechtmäßigkeit dieser Prüfung und ihre Begründung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 136).

191    Insoweit beschränkt sich die Klägerin im Wesentlichen auf die Aussage, dass die Kommission den Sachverhalt falsch oder unvollständig festgestellt habe, indem sie bestimmte Beweise ignoriert habe. Dem angefochtenen Beschluss kann jedoch eindeutig entnommen werden, dass die Kommission alle ihr zur Verfügung stehenden Beweise berücksichtigt und im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums einige privilegiert und andere außer Acht gelassen hat, indem sie die Beweise miteinander verglichen und allgemein ihre Gründe für die Nichtbeachtung bestimmter Angaben erläutert hat.

192    Als Zweites ist zu den drei von der Klägerin übermittelten und oben in Rn. 179 genannten Studien darauf hinzuweisen, dass die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen ist (vgl. Urteile vom 18. Juli 2013, Schindler Holding u. a./Kommission, C‑501/11 P, EU:C:2013:522, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 260 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insbesondere ist nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung in Wettbewerbssachen anhand der Informationen zu beurteilen, über die die Kommission bei Erlass der Entscheidung verfügen konnte (vgl. Urteil vom 27. Januar 2021, KPN/Kommission, T‑691/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:43, Rn. 141 und die dort angeführte Rechtsprechung).

193    Der angefochtene Beschluss ist folglich anhand der tatsächlichen Umstände zu prüfen, die zum Zeitpunkt seines Erlasses vorlagen, und nicht unter Berücksichtigung von nach seinem Erlass liegender tatsächlicher Umstände (Urteil vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission, T‑177/04, EU:T:2006:187, Rn. 204).

194    Es ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss am 17. September 2019 erlassen wurde. Was die LBD-Studie betrifft, die vom 9. Mai 2019 stammt, nimmt die Kommission in den Rn. 81, 83, 84 und 86 sowie in den Fn. 79, 80, 84, 85, 90 bis 92 und 315 des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich auf diese Studie Bezug. Folglich ist diese Studie nicht nur für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses einschlägig, sondern es kann der Kommission auch nicht vorgeworfen werden, sie bei ihrer Prüfung der Auswirkungen des Zusammenschlusses nicht berücksichtigt zu haben.

195    Die BET‑Studie vom Oktober 2020 und die Innoplexia-Studie vom 13. Januar 2021 stammen hingegen tatsächlich aus einer Zeit nach Erlass des angefochtenen Beschlusses.

196    Die Kommission kann sich indessen, um diese beiden Studien bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses außer Acht zu lassen, nicht allgemein auf die Rechtsprechung berufen, nach der bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses abzustellen ist (Urteil vom 21. September 2005, EDP/Kommission, T‑87/05, EU:T:2005:333, Rn. 158).

197    Soweit die Vorlage einer Anlage nämlich nicht den Versuch darstellt, den der Kommission zuvor im Hinblick auf den Erlass des angefochtenen Beschlusses unterbreiteten rechtlichen und tatsächlichen Rahmen zu ändern, sondern eine Zusammenstellung von Argumenten im Rahmen der bloßen Wahrnehmung der Verteidigungsrechte, ist diese Anlage als zulässig anzusehen (Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 63).

198    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die BET‑Studie und die Innoplexia-Studie speziell dazu erstellt wurden, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen. Gemäß der oben in Rn. 197 genannten Rechtsprechung kann die Kommission nicht verlangen, die BET‑Studie und die Innoplexia-Studie allein deshalb für unzulässig zu erklären, weil sie nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses erstellt wurden, ohne dass ihr Inhalt analysiert wurde, um zu prüfen, ob es sich bei ihnen um einen Versuch handelt, den zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bestehenden rechtlichen oder tatsächlichen Rahmen zu ändern.

199    Die Kommission kann sich in Bezug auf spezifische Punkte allerdings damit verteidigen, dass eine Anlage die ausdrücklichen Erklärungen oder die Auslassungen der Parteien im Verwaltungsverfahren verkennt (Urteil vom 21. September 2005, EDP/Kommission, T‑87/05, EU:T:2005:333, Rn. 158). Ebenso kann die in einer Anlage enthaltene Analyse hinsichtlich eines bestimmten Punktes aber auf Informationen basieren, die im Sinne der oben in Rn. 196 angeführten Rechtsprechung im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bereits vorhanden waren. Anders ausgedrückt wird ein Kläger durch nichts daran gehindert, im Rahmen der Ausübung seiner Verteidigungsrechte auf eine in einer Anlage enthaltene Analyse zu verweisen, die nach Erlass des angefochtenen Rechtsakts durchgeführt wurde, sofern diese Analyse auf Tatsachen basiert, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Rechtsakts verfügbar waren.

200    Erstens ist zur BET‑Studie auszuführen, dass sich diese in ihrem Abschnitt 2 kritisch zur von der Kommission im Rahmen der ersten Marktbefragung verwendeten Methodik äußert. Diese Kritik ist als integraler Bestandteil des Vorbringens der Klägerin im Rahmen ihrer Verteidigungsrechte zu werten. Dieser Abschnitt der BET‑Studie ist daher zulässig.

201    Abschnitt 3 der BET-Studie widmet sich hingegen den Ergebnissen einer Marktbefragung, die gemäß Rn. 41 in diesem Abschnitt 3 der Studie zwischen dem 29. Juli und dem 18. August 2020, also fast ein ganzes Jahr nach Erlass des angefochtenen Beschlusses, von BET durchgeführt wurde.

202    Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen und noch nicht einmal geltend gemacht hat, dass die teilnehmenden Unternehmen die gleiche Meinung verträten, die sie bei einer Befragung zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses vertreten hätten. Unter Berücksichtigung der Dynamik des Energiemarktes ist außerdem vernünftigerweise davon auszugehen, dass sich die Antworten der Unternehmen, die an der BET‑Studie teilgenommen haben, fast ein Jahr nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses parallel zur Entwicklung des Energiemarktes verändert haben. Im Übrigen stammen die Antworten aus einer Zeit nach der Durchführung des Zusammenschlusses. Die Analyse dieser Antworten erfolgte also auf der Grundlage von Tatsachen, die der Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses nicht bekannt sein konnten. Die Kommission konnte nämlich nicht wissen, welche Ansicht die Marktteilnehmer fast ein Jahr später, insbesondere nach der Durchführung des Zusammenschlusses, vertreten würden.

203    Da die Lage auf dem Energiemarkt zum Zeitpunkt der BET‑Studie zwangsläufig eine andere war als zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission ihre eigenen Befragungen durchgeführt hat, sind Einschlägigkeit und Beweiswert der in dieser Studie auf der Basis jüngerer Daten durchgeführten Analysen bestenfalls beschränkt. Die Verwendung dieser Daten erfolgt nämlich nicht nur im Rahmen der Zusammenstellung von Argumenten zur Wahrnehmung der Verteidigungsrechte der Klägerin, sondern stellt zumindest zum Teil einen Versuch im Sinne der oben in Rn. 197 wiedergegebenen Rechtsprechung dar, den zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses der Kommission bestehenden tatsächlichen Rahmen zu ändern.

204    Zweitens ist zur Innoplexia-Studie darauf hinzuweisen, dass die in dieser Studie verwendeten Daten in zwei Schritten gesammelt wurden. Zum einen wurde zwischen dem 4. und dem 17. Dezember 2020 täglich eine deutschlandweite Erhebung von Daten über die Suchmaschine Google und auf zwei Vergleichsportalen im Internet, „Check24“ und „Verivox“, durchgeführt. Zum anderen griff Innoplexia, um auch Vergleichsportal-Daten über einen längeren Zeitraum in die Untersuchung einzubeziehen, für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2020 auf einen permanenten Daten-Scan zurück.

205    Hierzu ist festzustellen, dass die Suchmaschine Google ebenso wie die Vergleichsportale „Check24“ und „Verivox“ Angebote verschiedener Anbieter zu einem konkreten Zeitpunkt zeigen. Diese Plattformen unterliegen also dem gleichen dynamischen Wandel wie der Energiemarkt.

206    Die Klägerin hat jedoch nicht nachgewiesen und noch nicht einmal geltend gemacht, dass die erzielten Ergebnisse die gleichen gewesen wären, wenn die Daten während des Zeitraums gesammelt worden wären, in dem die Kommission ihre eigene Analyse angestellt hat. Wie bereits zur BET‑Studie festgestellt, ist mithin vernünftigerweise davon auszugehen, dass sich diese Ergebnisse im Lauf der Zeit entsprechend der Entwicklung des Energiemarktes verändert haben.

207    Außerdem ergibt sich klar aus der Innoplexia‑Studie, dass Innoplexia über Daten verfügte, die aus dem permanenten Scan von Internetseiten hervorgingen und auf imitiertem menschlichen Suchverhalten basieren, so dass mehrere Millionen Abfragen pro Tag vorgenommen werden können, und dies über mehrere Jahre hinweg. Während Innoplexia also Daten aus dem Zeitraum der Marktuntersuchung der Kommission hätte verwenden können, wählte sie Daten aus dem Jahr 2020.

208    Da die Analyse der Innoplexia-Studie weitgehend auf Daten aus dem Jahr 2020 basiert, die also aus einer Zeit nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses stammen, stellt die Verwendung dieser Daten zumindest zum Teil einen Versuch im Sinne der oben in Rn. 197 wiedergegebenen Rechtsprechung dar, den tatsächlichen Rahmen zu ändern, der der Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses zur Verfügung stand. Folglich sind Einschlägigkeit und Beweiswert dieser Analysen selbst unter der Annahme, dass sie zulässig sind, bestenfalls beschränkt.

209    Die BET‑Studie und die Innoplexia-Studie, die von der Klägerin vorgelegt wurden, führen keine Daten an, deren Berücksichtigung die Kommission beim Erlass des angefochtenen Beschlusses unterlassen hätte. Der Klägerin gelingt daher mittels dieser Studien nicht der Nachweis, dass die Kommission bestimmte Daten nicht berücksichtigt hat.

b)      Erste Marktbefragung der Kommission

210    Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass Konzept, Form, Frist und Inhalt der ersten Marktbefragung der Kommission nicht optimal gewesen seien.

211    Nach Ansicht der Kommission wurde die erste Marktbefragung korrekt durchgeführt.

212    Was als Erstes die für die erste Marktbefragung herangezogene Stichprobe betrifft, geht aus Fn. 52 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass 161 Unternehmen an der ersten Marktbefragung tatsächlich teilgenommen haben, darunter neben den großen Wettbewerbern EnBW und Vattenfall mehr als 50 Stadtwerke unterschiedlicher Größe, Energiegenossenschaften von Stadtwerken, Gesellschaften, bei denen alle Anteile von Kommunen oder deren Kommunalwerken gehalten werden, Gesellschaften, an denen Stadtwerke und unabhängige Energieversorger Anteile halten, Gesellschaften, an denen nur unabhängige Energieversorger Anteile halten, unabhängige Energieversorger sowie neue Marktteilnehmer.

213    Die Kommission hat für die Beantwortung ihrer Marktbefragung also ein großes Spektrum an Marktteilnehmern ausgewählt.

214    Zur Bestimmung der angemessenen Größe der Stichprobe für eine Marktbefragung sind drei Faktoren zu berücksichtigen: erstens die Größe der Gruppe, in der die Umfrage durchgeführt wird, zweitens das Konfidenzniveau (der Prozentsatz, der ausdrückt, mit welcher Sicherheit die Gruppe eine Antwort zwischen zwei bestimmten Werten wählen wird) und drittens die Fehlermarge (entspricht dem Prozentsatz, der ausdrückt, inwieweit die Ergebnisse der Umfrage geeignet sind, die Ansicht der gesamten Gruppe widerzuspiegeln).

215    Im vorliegenden Fall besteht die Gruppe insgesamt aus etwa 2 500 Unternehmen, deren Meinung von Nutzen sein könnte. Um ein Konfidenzniveau von 95 % – was dem Industriestandard entspricht – und eine Fehlermarge von 10 % zu erreichen, muss eine angemessene Stichprobe 93 Antworten umfassen. Durch die Befragung von 383 Unternehmen auf dem Energiemarkt, von denen erwartungsgemäß eine bestimmte Anzahl nicht antworten würde, hat die Kommission also versucht, eine hinreichend repräsentative Stichprobe zugrunde zu legen.

216    Ebenso wenig kann der Kommission mit Erfolg vorgeworfen werden, nur 383 Unternehmen kontaktiert zu haben, da die Logistik und Organisation einer derartigen Befragung sowie die anschließende Verarbeitung der Informationen einen enormen Aufwand bedeuten, und zwar umso mehr, wenn die beschränkten Ressourcen der Kommission sowie das im Rahmen der Kontrolle von Zusammenschlüssen geltende Beschleunigungsgebot berücksichtigt werden. Im Hinblick auf das in Verfahren zur Kontrolle von Zusammenschlüssen geltende Beschleunigungsgebot vertritt das Gericht daher die Ansicht, dass angesichts des Umstands, dass 161 der 383 kontaktierten Unternehmen tatsächlich auf die erste Marktbefragung geantwortet haben, die Stichprobe als hinreichend repräsentativ betrachtet werden und als dazu geeignet erachtet werden kann, signifikante Ergebnisse zu liefern, die die Kommission ihren Schlussfolgerungen zugrunde legen konnte.

217    Als Zweites kritisiert die Klägerin, dass der Fragebogen auf Englisch übermittelt worden sei. Hierzu steht fest, dass die Fragen auf Englisch gestellt wurden, die Unternehmen, an die diese Fragen gerichtet waren, aber durch nichts davon abgehalten wurden, auf Deutsch zu antworten.

218    Im Urteil vom 12. Juli 2018, Brugg Kabel und Kabelwerke Brugg/Kommission (T‑441/14, EU:T:2018:453), machten die Klägerinnen geltend, die Kommission habe ihr Recht auf ein faires Verfahren und ihre Verteidigungsrechte verletzt, indem sie ihnen die Auskunftsverlangen und die Mitteilung der Beschwerdepunkte im Rahmen eines Kartellverfahrens ausschließlich auf Englisch zugestellt habe, obwohl eine der Klägerinnen mehrfach darum gebeten habe, auf Deutsch zu kommunizieren. In den Rn. 46 bis 50 jenes Urteils kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Weigerung der Kommission, die Auskunftsverlangen auf Deutsch an die Brugg Kabel AG zu richten, diese nicht davon abgehalten habe, ihren Standpunkt zu den von der Kommission angeforderten Informationen sachdienlich zu äußern, insbesondere da die Kommission keineswegs von Brugg Kabel gefordert habe, die Auskunftsverlangen auf Englisch zu beantworten.

219    Unter Heranziehung dieser Rechtsprechung gelangt das Gericht zu dem Schluss, dass es erst recht zulässig war, den Fragebogen der ersten Marktbefragung auf Englisch zu verfassen, der für sich genommen nicht geeignet war, zu Sanktionen gegen die Unternehmen zu führen, an die er sich richtete. Außerdem hätten die Unternehmen bei Übersetzungsproblemen beantragen können, die Frist aus Gründen der Sprache zu verlängern. Schließlich ist festzustellen, dass die Unternehmen durch nichts davon abgehalten wurden, ihren Standpunkt sachdienlich zu äußern, da sie die auf Englisch gestellten Fragen auf Deutsch beantworten konnten.

220    Unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots kann also überdies nicht von der Kommission verlangt werden, die Fragen in die von den befragten Unternehmen gewünschten Sprachen zu übersetzen.

221    Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass diese Vorgehensweise umso mehr dem Gebot der Vernunft entsprach, als die Kommission auf den verschiedenen geografischen Märkten, die betroffen waren, Befragungen durchgeführt hat, darunter in der Tschechischen Republik, Ungarn, der Slowakei und dem Vereinigten Königreich. Zu verlangen, dass die Kommission ihre Fragebögen in die Sprachen der Mitgliedstaaten übersetzt, auf deren Gebiet sie ihre Marktbefragungen durchführt, wäre angesichts der Kosten für die Dienststellen der Kommission unverhältnismäßig und nicht mit dem für die Kommission geltenden Beschleunigungsgebot vereinbar.

222    Als Drittes sind die Komplexität des Fragebogens und die von der Kommission gesetzte Antwortfrist zu prüfen. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Notwendigkeit der Durchführung einer vollständigen Befragung zur Erlangung aller relevanten Informationen für ihre Beurteilung mit dem von ihr zu beachtenden Beschleunigungsgebot in Einklang bringen muss. Daher kann der Kommission zum einen nicht vorgehalten werden, dass sie 228 Fragen gestellt habe. Dass trotz einer kurzen Antwortfrist 161 Unternehmen innerhalb der Frist geantwortet haben und dass die Unternehmen eine Verlängerung der Frist beantragen konnten, genügt, um daraus folgern zu können, dass die Kommission in dieser Hinsicht nicht gegen ihre Sorgfaltspflicht verstoßen hat.

223    Nach alledem wurde die erste Marktbefragung korrekt durchgeführt. Sie kann daher als solche nicht als mit offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet betrachtet werden.

3.      Erster Teil des fünften Klagegrundes: fehlerhafte Abgrenzung des Untersuchungszeitraums

224    Die Klägerin macht geltend, dass sich die Kommission im Wesentlichen auf Erwägungen aus der Vergangenheit gestützt habe, ohne eine Prognose abzugeben, und zwar insbesondere in Bezug auf den Markt für Elektromobilität und den Markt für Messdienstleistungen.

225    Sie rügt im Wesentlichen die Abgrenzung des Untersuchungszeitraums erstens in Bezug auf den Markt für Elektromobilität und zweitens in Bezug auf den Markt für Messdienstleistungen.

226    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

227    Was insbesondere den Markt für Messdienstleistungen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin der Kommission im Wesentlichen vorwirft, nicht berücksichtigt zu haben, wie sich der Umstand in Zukunft auswirken würde, dass E.ON dank des Zusammenschlusses und dank der Geschäftstätigkeit, die sie auf dem Markt für Messdienstleistungen möglicherweise entwickeln werde, zahlreiche Daten sammeln werde, die es ihr erlauben würden, den Verbrauchern innovative Lösungen anzubieten.

228    Es ist daran zu erinnern, dass die Kommission bei der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen prüfen muss, ob ein Zusammenschluss geeignet ist, wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich zu beeinträchtigen. Dies ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004.

229    Bei der Kontrolle von Zusammenschlüssen durch die Kommission ist somit eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung geboten, bei der zu prüfen ist, inwieweit ein Zusammenschluss die für den Stand des Wettbewerbs auf einem bestimmten Markt maßgebenden Faktoren verändern könnte, um zu ermitteln, ob sich daraus ein erhebliches Hindernis für einen wirksamen Wettbewerb ergeben würde. Diese Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung erfordert es, sich die verschiedenen Kausalketten vor Augen zu führen und von derjenigen mit der größten Wahrscheinlichkeit auszugehen (Urteile vom 19. Juni 2009, Qualcomm/Kommission, T‑48/04, EU:T:2009:212, Rn. 88, und vom 9. März 2015, Deutsche Börse/Kommission, T‑175/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:148, Rn. 62; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, EU:C:2005:87, Rn. 43).

230    Außerdem darf, wie im Wesentlichen oben in Rn. 92 ausgeführt, die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt nur tatsächliche und rechtliche Umstände zugrunde legen, die im Zeitpunkt der Anmeldung dieser Transaktion gegeben sind, nicht aber hypothetische Gesichtspunkte, deren wirtschaftliche Bedeutung zum Zeitpunkt des Erlasses der Genehmigungsentscheidung nicht abgeschätzt werden kann (vgl. Urteil vom 13. September 2010, Éditions Odile Jacob/Kommission, T‑279/04, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:384, Rn. 327 und die dort angeführte Rechtsprechung).

231    Folglich wird von der Kommission erwartet, dass sie die Auswirkungen des Zusammenschlusses für einen Zeitraum prüft, der nicht länger währen darf, als bis bestimmte Ereignisse mit einem hinreichenden Grad an Gewissheit eintreten. Je weiter in der Zukunft das vorherzusehende Ereignis liegt, desto größer ist die Unsicherheit seines Eintretens. In diesem Sinne kann von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung auf der Grundlage von Faktoren durchführt, deren langfristige Auswirkungen sie mit einer vernünftigen Fehlermarge nicht vorhersehen kann.

232    Im vorliegenden Fall kann dem angefochtenen Beschluss entnommen werden, dass die Kommission in ihrer Untersuchung zukunftsbezogene Elemente berücksichtigt hat, die ausreichend vorhersehbar waren, um relevant zu sein.

233    Erstens geht in Bezug auf den Markt für Elektromobilität aus Rn. 183 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Kommission die parallele Entwicklung der Anzahl an Ladestationen für Elektrofahrzeuge und der Anzahl an verkauften Elektrofahrzeugen berücksichtigt hat, die bis 2029 um etwa 27 % pro Jahr steigen sollten. Die Kommission hat in Rn. 193 des angefochtenen Beschlusses außerdem festgestellt, dass die Marktteilnehmer erwarteten, dass die Zahl der ultraschnellen Ladestationen kontinuierlich zunehmen werde und dass sich die Preise für Schnellladestationen und ultraschnelle Ladestationen unterscheiden würden. In Rn. 199 des angefochtenen Beschlusses hat sie außerdem ausgeführt, dass die Marktteilnehmer davon ausgingen, dass sich der Bereich Ladestationen für Elektrofahrzeuge auf gleiche Weise entwickeln werde wie jener der herkömmlichen Tankstellen, in dem sich die lokalen Wettbewerbsbedingungen auf die Strategie der Kraftstoffunternehmen auswirkten. In Rn. 385 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission die vorhersehbaren Entwicklungen auf dem sich schnell entwickelnden Markt der Errichtung und des Betriebs von herkömmlichen Ladestationen und Schnellladestationen dargelegt. Daraus gehe hervor, dass mit neuen Markteintritten zu rechnen sei, darunter jener der Deutschen Telekom, die kürzlich angekündigt habe, Ladestationen für Elektrofahrzeuge in ihre Verteilerkästen des Telefonnetzes integrieren zu wollen, oder von Volkswagen, die ebenfalls angekündigt habe, in den Markt für Elektromobilität einsteigen und bei ihren 4 000 Händlern und Servicepartnern in Europa öffentliche Ladestationen für Elektrofahrzeuge schaffen zu wollen.

234    Aus den Rn. 183, 193, 199 und 385 des angefochtenen Beschlusses geht also hervor, dass sich die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin bei ihrer Untersuchung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb nicht darauf beschränkt hat, die Lage zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses zu prüfen, sondern dass sie auch die vorhersehbare Entwicklung im Bereich der Elektromobilität berücksichtigt hat.

235    Was zweitens den Bereich der Messdienstleistungen betrifft, auf dem die dominante Position von E.ON ihr nach Ansicht der Klägerin auch die Vormacht bei datengetriebenen Kundenlösungen verschafft, nennt die Klägerin weder speziell Entwicklungen, die die Kommission hätte berücksichtigen müssen, noch den hierfür maßgeblichen Zeitraum. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, geltend zu machen, dass die Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung nicht korrekt sei, soweit die Kommission den von ihr prognostizierten nachteiligen Auswirkungen nicht beipflichte.

236    Es ist jedenfalls festzustellen, dass die Kommission tatsächlich geprüft hat, welche Folgen der Zusammenschluss für diesen Bereich haben könnte, und in Rn. 423 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, dass zusätzliche, eine kritische Masse überschreitende Informationen nicht unbedingt einen Mehrwert böten. Ebenso hat sie in Rn. 424 des angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen, dass bezüglich der Mindestmenge (und der Art) der für die Entwicklung neuer Lösungen im Energiebereich erforderlichen Daten große Unsicherheit bestehe.

237    Folglich verfügte die Kommission nicht über Informationen, die es ihr erlaubt hätten, eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung auf der Grundlage eines längeren als des von ihr gewählten Zeitraums durchzuführen. Sie hat somit bei der Abgrenzung des Zeitraums für die Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

238    Schließlich hat die Kommission in Rn. 432 des angefochtenen Beschlusses die Grenzen ihrer Untersuchung dargelegt und erläutert, dass sich der Strommarkt in einem tief greifenden Wandel befinde und dass auch unter den Marktteilnehmern keine Einigkeit darüber bestehe, wie sich der Markt letztlich entwickeln werde.

239    Nach alledem konnte die Kommission unter Berücksichtigung der unsicheren Entwicklung des Strommarktes im Allgemeinen ihre Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung vernünftigerweise nicht auf einen längeren als den von ihr gewählten Zeitraum erstrecken. Sie hat somit bei der Abgrenzung des Untersuchungszeitraums keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

240    Der erste Teil des Klagegrundes, mit dem eine fehlerhafte Abgrenzung des Untersuchungszeitraums geltend gemacht wird, ist daher zurückzuweisen.

4.      Zweiter Teil des fünften Klagegrundes: fehlerhafte Definition der relevanten Märkte

241    Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Abschnitt 7.1 des angefochtenen Beschlusses die Definition der relevanten Märkte in Deutschland vorgenommen. Sie hat insbesondere die Definition der Produktmärkte und der geografischen Märkte in folgenden Bereichen untersucht: Stromerzeugung und Stromgroßhandel (Abschnitt 7.1.1), Stromverteilung oder Stromnetze (Abschnitt 7.1.2), Stromlieferungen an Endkunden (Abschnitt 7.1.3), Heizstromlieferungen an Endkunden (Abschnitt 7.1.4), Gasverteilung oder Gasnetze (Abschnitt 7.1.5), Gaslieferungen an Endkunden (Abschnitt 7.1.6), Messdienstleistungen (Abschnitt 7.1.7) und Elektromobilität (Abschnitt 7.1.8).

a)      Erste Rüge: fehlerhafte Definition der Märkte für Strom und Gaseinzelhandel

242    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission den Sachverhalt im Bereich der Stromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden mangelhaft ermittelt und die Strom- und Gaseinzelhandelsmärkte offenkundig fehlerhaft definiert habe.

243    Als Erstes habe die Kommission den relevanten Produktmarkt insofern unzutreffend definiert, als sie die Sicht der Verbraucher nicht ausreichend berücksichtigt habe. Folglich habe sie zu Unrecht angenommen, dass der Markt für Strom- und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung vom Markt für Strom- und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen zu unterscheiden sei.

244    Als Zweites habe die Kommission die räumliche Marktabgrenzung des Marktes für Strom- und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden falsch beurteilt, indem sie für den Markt der Kunden, die über Sonderverträge verfügten, zu Unrecht angenommen habe, dass es sich um einen nationalen und nicht um einen lokalen Markt handele. Die Kommission habe nicht berücksichtigt, dass sich aufgrund des Zusammenschlusses die lokalen Marktanteile von E.ON erhöhten und teils 70 % und mehr betrügen.

245    Die Kommission, unterstützt durch E.ON, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

246    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission insbesondere die Definition der Märkte für Strom- und Gaslieferungen an Endkunden in den Abschnitten 7.1.3 und 7.1.6 des angefochtenen Beschlusses geprüft hat. In Rn. 91 des angefochtenen Beschlusses hat sie für die Zwecke dieses Beschlusses Folgendes festgelegt:

–        Der Markt für Stromlieferungen an Industriegroßkunden wird als nationaler Markt betrachtet;

–        der Markt für Stromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung wird als separater Produktmarkt und als lokaler Markt betrachtet, der auf das betroffene Grundversorgungsgebiet beschränkt ist;

–        der Markt für Stromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen wird als separater Produktmarkt sowie als nationaler Markt mit lokalen Elementen betrachtet.

247    In Rn. 129 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission festgestellt, dass Struktur und Funktionsweise des Gaseinzelhandelsmarktes jenen des Stromeinzelhandelsmarktes sehr ähnlich seien.

1)      Definition des relevanten Produktmarktes

248    Was den relevanten Produktmarkt betrifft, hat die Kommission in Abschnitt 7.1.3.2 (Rn. 52 bis 62) des angefochtenen Beschlusses den Produktmarkt für Stromlieferungen an Endkunden und in Abschnitt 7.1.6.1 (Rn. 130 bis 133) des angefochtenen Beschlusses jenen für Gaslieferungen an Endkunden untersucht.

249    Vorab ist festzustellen, dass dem angefochtenen Beschluss entnommen werden kann, dass die Kommission mehrere Informationsquellen herangezogen hat, um die Produktmärkte für Strom‑ und Gaslieferungen an Endkunden zu definieren. Sie hat also nicht nur die Sichtweise der am Zusammenschluss Beteiligten geprüft (Rn. 51, 55, 58 und 132), sondern auch ihre frühere Entscheidungspraxis und jene des Bundeskartellamts und der Bundesnetzagentur (Deutschland, BNetzA) (Rn. 52 bis 54, 58, 130 und 131) berücksichtigt und außerdem Informationen des Bundeskartellamts (Rn. 50), aus den anwendbaren Rechtsvorschriften (Rn. 47, 51, 56 und 133), aus einem Bericht der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) (Rn. 59) und aus Antworten der Wettbewerber auf die erste Marktbefragung (Rn. 58 und 60) sowie interne Dokumente der am Zusammenschluss Beteiligten (Rn. 61) herangezogen. Die Kommission hat also die relevanten Beweise berücksichtigt, über die sie verfügte. Die Klägerin wirft der Kommission jedoch vielmehr vor, nicht zu den gleichen Schlussfolgerungen gelangt zu sein wie sie. Das Problem besteht nämlich nicht so sehr darin, dass die Kommission relevante Beweise ignoriert haben soll, sondern darin, dass die Klägerin der Analyse dieser Beweise durch die Kommission nicht zustimmt.

250    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission, indem sie zwischen dem Markt für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung und jenem im Rahmen von Sonderverträgen unterschieden hat, auf eine engere Definition der relevanten Märkte gestützt hat, als wenn sie nicht zwischen Grundversorgung und Sonderverträgen unterschieden hätte. Hierzu ist im Übrigen festzustellen, dass aus den Rn. 55 und 132 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, dass die am Zusammenschluss Beteiligten im Rahmen des Verwaltungsverfahrens ebenfalls die Meinung vertraten, dass eine Unterscheidung zwischen Grundversorgung und Sonderverträgen nicht angemessen sei.

251    Erstens macht die Klägerin geltend, dass die Kommission, wenn sie das Verhalten der Haushalts‑ und Kleingewerbekunden untersucht hätte, hätte feststellen müssen, dass Grundversorgungskunden nicht träge seien und dass es eine generelle Durchlässigkeit zwischen Grundversorgungs- und Sondertarifen gebe, da die homogenen Produkte Strom und Gas substituierbar seien.

252    Im vorliegenden Fall hat die Kommission im Licht der oben in Rn. 249 genannten Beweise einige aus Nachfragesicht entscheidende Gesichtspunkte geprüft.

253    So hat die Kommission auf dem Produktmarkt zwischen Grundversorgungskunden und Sondervertragskunden unterschieden, da die Nachfrage nicht substituierbar sei. Obwohl der Prozentsatz von Haushaltskunden mit Strom zu Grundversorgungstarifen konstant abnehme und von etwa 59 % im Jahr 2007 auf 37 % im Jahr 2012, auf 31 % im Jahr 2016 und auf 28 % im Jahr 2017 gesunken sei (Rn. 50 des angefochtenen Beschlusses), war die Kommission der Ansicht, dass die Sondervertragstarife die Grundversorgungstarife für Strom und Gas sachlich nicht einschränken würden, so dass folglich die zwei Arten von Verträgen zwei verschiedene Produktmärkte darstellten (Rn. 62 und 133 des angefochtenen Beschlusses).

254    Die Kommission hat einen großen Teil ihrer Analyse auf die Verbraucherträgheit gestützt. In der Einleitung des Abschnitts 7.1.3.1 des angefochtenen Beschlusses hat sie das Konzept der Trägheit der Kunden erläutert. Diese Trägheit zeichne sich dadurch aus, dass nach der Liberalisierung des Strommarktes in Deutschland im Jahr 1998 ein großer Teil der Kunden, insbesondere Haushalte und kleine Unternehmen, trotz neuer, konkurrenzfähigerer Angebote dem herkömmlichen Versorger treu geblieben sei. Dies treffe auf den Großteil der europäischen Stromeinzelhandelsmärkte zu (Rn. 48 des angefochtenen Beschlusses). Der Kommission zufolge ist dieser Effekt des herkömmlichen Versorgers besonders ausgeprägt bei Kunden, die immer im Rahmen von Grundversorgungsverträgen beliefert wurden, die den Versorger nicht wechseln möchten und die sich mit den teureren Grundversorgungstarifen des herkömmlichen Versorgers begnügen (Rn. 50 des angefochtenen Beschlusses). Sie geht davon aus, dass sich ein Zusammenschluss wie der in diesem Fall in Rede stehende zunächst nur beschränkt oder gar nicht auf diese Verbraucher auswirken werde (Rn. 49 des angefochtenen Beschlusses). Nach Ansicht der Kommission gelten diese Ausführungen auch für den Gasmarkt (Rn. 133 des angefochtenen Beschlusses).

255    Obwohl die Kommission die Homogenität von Strom und Gas, die sie nicht in Frage stellt, nicht erwähnt, hat sie angemerkt, dass im Jahr 2017 trotz der stetig sinkenden Zahl an Grundversorgungsverträgen und trotz allgemein günstigerer Bedingungen für Sonderverträge 28 % der Haushaltskunden ihren Strom nach wie vor auf der Basis eines Grundversorgungsvertrags bezogen hätten.

256    Vor diesem Hintergrund ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission eine gewisse Trägheit der Kunden der Grundversorgung aufgezeigt hat, deren Nachfrage unelastischer ist, was sich daran zeigt, dass ein Teil davon trotz vorteilhafterer Bedingungen von Sonderverträgen einem Vertragswechsel immer zurückhaltend gegenübersteht.

257    Es trifft zu, dass die stetig sinkende Zahl an Grundversorgungsverträgen aufgrund des Abschlusses von Sonderverträgen durch die Kunden auf ein gewisses Maß an Nachfragesubstituierbarkeit zwischen Grundversorgungsverträgen und Sonderverträgen hindeutet. Die Kommission kann jedoch im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums darauf hinweisen, dass es nach wie vor viele Grundversorgungsverträge gibt, was darauf hindeutet, dass ein separater Produktmarkt besteht. Dass sich die Kommission nicht darauf beschränkt hat, festzustellen, dass die objektiven Merkmale von Strom und Gas homogen sind, sondern dass sie auch die Wettbewerbsverhältnisse und insbesondere die Struktur von Angebot und Nachfrage auf dem Markt untersucht hat, stellt also keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler dar. Dieses Argument ist somit zurückzuweisen.

258    Zweitens ist zur Anwendung des „small but significant non-transitory increase of price“-Tests (kleine, aber signifikante und anhaltende Preiserhöhung, im Folgenden: SSNIP-Test), die aufgrund der schlechten Darstellung der Ergebnisse der ersten Marktbefragung, des Fehlens eines groß angelegten SSNIP-Tests sowie der üblicherweise durchgeführten quantitativen Bewertung des SSNIP-Tests fehlerhaft sein soll, darauf hinzuweisen, dass mit diesem Test die Frage gemäß Rn. 17 der Bekanntmachung der Kommission vom 9. Dezember 1997 über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. 1997, C 372, S. 5, im Folgenden: Bekanntmachung über die Marktdefinition) beantwortet werden soll, ob eine Preiserhöhung im Bereich von 5‑10 % Grundversorgungskunden zu einem Umstieg auf Sonderverträge bewegen würde.

259    Hierzu hat die Kommission in Rn. 60 des angefochtenen Beschlusses unter Bezugnahme auf die erste Marktbefragung ausgeführt, dass in einem gewissen Teil der Antworten zwar angegeben worden sei, dass eine solche Preiserhöhung bei den Grundversorgungsverträgen zu einem vermehrten Wechsel auf Sonderverträge hätte führen können, dass aber fast 70 % der Wettbewerber geantwortet hätten, dass die Zunahme von Vertragswechseln wahrscheinlich geringfügig oder vernachlässigbar gewesen wäre. Eine Mehrheit der Marktteilnehmer hat also die Ansicht vertreten, dass der SSNIP‑Test keine Nachfragesubstituierbarkeit zeige.

260    Es trifft zwar zu, dass die Kommission keine quantitative oder groß angelegte Analyse durchgeführt hat, die über die Antworten der Wettbewerber hinausging, jedoch ist darauf hinzuweisen, dass es Sache der Kommission ist, zu beurteilen, ob die ihr vorliegenden Informationen für die wettbewerbliche Bewertung ausreichen (Urteil vom 13. Mai 2015, Niki Luftfahrt/Kommission, T‑162/10, EU:T:2015:283, Rn. 109).

261    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass zwischen „technischen Beweisen“ und „nicht technischen Beweisen“ keine Rangordnung geschaffen werden soll, es aber Sache der Kommission ist, das Ergebnis des zur Beurteilung der Wettbewerbssituation herangezogenen Indizienbündels insgesamt zu bewerten, und dass in diesem Zusammenhang bestimmte Umstände privilegiert und andere außer Acht gelassen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2015, Deutsche Börse/Kommission, T‑175/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:148, Rn. 133).

262    Unter Berücksichtigung der Einschätzungen der Mehrheit der Marktteilnehmer, die auf die erste Marktbefragung geantwortet haben, hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie die Auffassung vertrat, dass die Informationen, über die sie verfügte, für eine wettbewerbliche Analyse der Substituierbarkeit von Grundversorgungsverträgen und Sonderverträgen aufgrund einer kleinen, aber signifikanten und anhaltenden Preiserhöhung bei den Grundversorgungsverträgen ausreichten.

263    Es ist jedenfalls festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin die Schlussfolgerungen der Kommission zum SSNIP‑Test nicht in Frage zu stellen vermag. Die Klägerin erläutert nämlich nicht, welche konkreten Gesichtspunkte die Kommission hätte analysieren sollen, und sie hat nichts vorgebracht, was den Schluss der Kommission, wonach eine quantitative Analyse nicht sachdienlich sei, in Zweifel ziehen könnte.

264    Drittens genügt hinsichtlich des Arguments der Klägerin, dass die Kommission hätte feststellen müssen, dass die Wechselquote nicht wegen der Trägheit der Kunden stagniert habe, sondern aufgrund der marktaufteilenden Übereinkunft zwischen E.ON und RWE, die Feststellung, dass dieses Vorbringen durch nichts untermauert wurde. Jedenfalls hat die Kommission auf der Grundlage der Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten in Rn. 287 des angefochtenen Beschlusses für den Zeitraum von 2015 bis 2018, der deutlich vor Abschluss des Übereinkommens zwischen E.ON und RWE liegt, das Ausmaß des Abgangs von E.ON-Kunden zu Innogy innerhalb des Gebiets geprüft, in dem E.ON als VNB tätig war.

265    Viertens macht die Klägerin geltend, dass die Kommission zu Unrecht festgestellt habe, dass die am Zusammenschluss Beteiligten unterschiedliche Preisbildungsmechanismen für Grundversorgungs- und Sondertarife anwenden würden, während sie in Wirklichkeit sowohl bei den Sondertarifen als auch bei jenen der Grundversorgung auf lokale Tarife setzten.

266    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Rn. 51 und 60 des angefochtenen Beschlusses in der Tat ausgeführt hat, dass die Rechtsvorschriften zum Abschluss von Grundversorgungsverträgen und jene betreffend Sonderverträge unterschiedlich seien. In Deutschland ist nämlich gesetzlich vorgesehen, dass es pro Versorgungsgebiet nur einen Grundversorger geben kann und dass das Unternehmen, das die Rolle des Grundversorgers übernimmt, alle drei Jahre vom zuständigen VNB zu bestimmen ist. Die Grundversorgung unterliegt somit speziellen Rechtsvorschriften. Der Grundversorger ist gesetzlich verpflichtet, Grundversorgungsverträge abzuschließen. Er kann einen Grundversorgungsvertrag nur unter außergewöhnlichen Umständen kündigen, während der Kunde den Vertrag jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von lediglich zwei Wochen auflösen kann. Außerdem sind die Grundversorger gesetzlich verpflichtet, nicht wiedereinbringliche gesetzlich vorgesehene Kosten, z. B. Steuern, Konzessionsabgaben, Zuschläge und Umlagen (mit Ausnahme von Netzentgelten), weiterzugeben, und unterliegen in Bezug auf Preiserhöhungen Beschränkungen, da Erhöhungen der Gewinnspanne nicht erlaubt sind. Preisschwankungen auf dem Großhandelsmarkt können also im Verbraucherpreis der Grundversorgung nur eingeschränkt abgebildet werden.

267    Daraus ergibt sich, dass Preisbildung und Tarifpolitik für Grundversorgung und Sonderverträge letztlich nicht vergleichbar sind und dass die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass die Unterscheidung zwischen Grundversorgungstarifen und Sondervertragstarifen auch daraus hervorgehe, dass die am Zusammenschluss Beteiligten für beide Arten von Tarifen verschiedene Preis- und Preisbereinigungspolitiken verfolgten. Zur Stützung ihrer Ausführungen hat sich die Kommission nicht nur auf unterschiedliche Rechtsvorschriften, sondern auch auf interne Dokumente der am Zusammenschluss Beteiligten gestützt, die gemäß der Praxis der Kommission normalerweise privilegierte Beweise mit einer hohen Glaubhaftigkeit darstellen, da sie von den am Zusammenschluss Beteiligten nicht den Erfordernissen des Zusammenschlusses angepasst wurden, sondern unverarbeitete Informationen enthalten.

268    Fünftens vertritt das Gericht hinsichtlich des Arguments der Klägerin, wonach die Kommission einen Fehler begangen habe, indem sie nicht untersucht habe, wie sich die Umstände, dass die Kunden der rechtlichen Einordnung ihres Vertrags keine Bedeutung beimäßen, dass der Wechsel von einem Grundversorgungsvertrag zu einem Sondervertrag einfach und kostenlos möglich sei und dass Kunden tatsächlich den Anbieter wechselten, auf die Definition des Produktmarktes auswirkten, die Auffassung, dass sich die von der Kommission festgestellten und oben in Rn. 266 dargelegten regulatorischen Unterschiede aus Nachfragesicht unmittelbar auf die Substituierbarkeit auswirken. Der Kontrahierungszwang und die Beschränkungen bei der Festsetzung von Tarifen wirke sich nämlich abträglich auf die Homogenität der Verträge aus. Zwar ist das Endprodukt, also Strom oder Gas, homogen, jedoch unterscheiden sich die Tarife der Grundversorgungsverträge und der Sonderverträge, und die große Mehrheit der Wettbewerber der am Zusammenschluss Beteiligten war, wie es den vorstehenden Rn. 259 und 262 zu entnehmen ist, der Ansicht, dass diese Verträge aus Nachfragesicht nicht substituierbar seien.

269    Was die Mühelosigkeit des Vertragswechsels betrifft, hat die Kommission in Rn. 59 des angefochtenen Beschlusses basierend auf dem oben in Rn. 249 genannten Bericht von ACER ausgeführt, dass die geringe Ersparnis, die sich Verbraucher vom Wechsel des Versorgers erwarten, das mangelnde Vertrauen in neue Versorger, die angenommene Komplexität des Wechsels und die Zufriedenheit mit dem aktuellen Versorger die wichtigsten Faktoren der Wechselhemmungen der Verbraucher darstellten. Folglich gibt es unabhängig davon, dass der Wechsel des Versorgers genauso leicht ist wie von der Klägerin ausgeführt, eine große Anzahl an Kunden, die trotz theoretischer Vorteile an ihrem Grundversorgungsvertrag festhalten.

270    Sechstens ist zur angeblichen Abweichung von der Entscheidungspraxis der Kommission darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Rn. 52 bis 54 des angefochtenen Beschlusses ihre frühere Entscheidungspraxis sowie jene des Bundeskartellamts analysiert hat.

271    Hierzu ist den Rn. 53 und 133 des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen, dass sich die Kommission in der Vergangenheit nicht ausdrücklich festgelegt hat, ob Sonderverträge und Grundversorgungstarife separaten Märkten zuzuordnen sind. So hat sie im Beschluss C(2015) 9088 final der Kommission vom 8. Dezember 2015 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.7778 – Vattenfall/ENGIE/GASAG) die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf Haushalts‑ und Kleingewerbekunden beurteilt, wobei sie auf nationaler Ebene zum einen Grundversorgungskunden und Sondervertragskunden ohne Unterscheidung berücksichtigt hat und zum anderen Sondervertragskunden separat betrachtet hat. Die Frage nach der Definition des Produktmarktes hat die Kommission dort jedoch offengelassen. Sie hat in Rn. 19 des Beschlusses in der Sache M.7778 nämlich ausgeführt, dass die Frage nach der genauen Definition des in Rede stehenden Produktmarktes in diesem Fall offenbleiben könne, da der geplante Zusammenschluss unabhängig von der erwogenen Definition keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gebe.

272    Daraus ergibt sich, dass der Kommission im vorliegenden Fall nicht vorgeworfen werden kann, von ihrer früheren Entscheidungspraxis abgewichen zu sein. Vielmehr hat sie ihre früheren Erwägungen als maßgebliches Element ihrer Analyse berücksichtigt. Unter Wahrnehmung ihres Beurteilungsspielraums hat die Kommission in den Rn. 56 bis 62 und 133 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die Marktbedingungen zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses eine engere Definition des Produktmarktes erforderten.

273    Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass, wenn die Kommission über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt anhand einer diesem Zusammenschluss eigenen Anmeldung und Aktenlage entscheidet, ein Kläger gegen die Feststellungen der Kommission nicht einwenden kann, dass sie von früher in einer anderen Sache anhand einer anderen Anmeldung und anderer Unterlagen getroffenen Feststellungen abwichen; dies gilt selbst dann, wenn die betreffenden Märkte in den beiden Fällen ähnlich oder sogar identisch sind. Somit ist das Vorbringen der Klägerin, insofern es sich auf Analysen der Kommission in einem früheren Beschluss stützt, unbeachtlich (vgl. Urteil vom 18. Mai 2022, Wieland-Werke/Kommission, T‑251/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:296, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

274    Die Kommission ist jedenfalls nicht durch Sachfeststellungen und wirtschaftliche Beurteilungen in einer früheren Entscheidung gebunden; das Gleiche gilt umso mehr noch für das Gericht. Würde im Übrigen angenommen, dass die Analyse im angefochtenen Beschluss anders sei als jene in einem früheren Beschluss, ohne dass dieser Unterschied objektiv gerechtfertigt wäre, müsste das Gericht den angefochtenen Beschluss im vorliegenden Verfahren nur dann für nichtig erklären, wenn dieser und nicht der frühere fehlerhaft wäre. Es ist daher immer Sache des Klägers, nachzuweisen, inwiefern die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Beurteilungen für sich genommen und unabhängig von jenen in dem früheren Beschluss falsch sind (Urteil vom 18. Mai 2022, Wieland-Werke/Kommission, T‑251/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:296, Rn. 79).

275    Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Kommission nicht an die in ihren früheren Entscheidungen vorgenommenen Beurteilungen relevanter Märkte gebunden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2017, Topps Europe/Kommission, T‑699/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:2, Rn. 93).

276    Nach alledem ist es der Klägerin nicht gelungen, nachzuweisen, dass die Kommission bei der Definition des relevanten Produktmarktes einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat. Die Rüge einer fehlerhaften Definition des relevanten Produktmarktes ist daher zurückzuweisen, soweit sie den Strom- und Gaseinzelhandel betrifft.

2)      Definition des geografischen Marktes

277    In Rn. 90 des angefochtenen Beschlusses ist die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass für die Zwecke dieses Beschlusses trotz des Vorliegens lokaler Wettbewerbselemente der Markt für Stromlieferungen an Haushaltskunden im Rahmen von Sonderverträgen ein nationaler Markt sei, obwohl sie auch die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf lokaler Ebene geprüft hat und zu dem Ergebnis gelangt ist, dass auch auf lokaler Ebene der Zusammenschluss keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken aufwerfe. In Bezug auf Gas hat die Kommission in Rn. 147 des angefochtenen Beschlusses dargelegt, dass der Markt für Gaslieferungen an Haushaltskunden im Rahmen der Grundversorgung für die Zwecke dieses Beschlusses als separater Produktmarkt und als lokaler Markt betrachtet werde, der auf das betroffene Grundversorgungsgebiet beschränkt sei, und dass der Markt für Gaslieferungen an Haushaltskunden im Rahmen von Sonderverträgen als separater, nationaler Produktmarkt betrachtet werde.

278    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass der Markt für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushaltskunden im Rahmen von Sonderverträgen als lokaler Markt hätte definiert werden sollen und nicht als nationaler Markt mit lokalen Elementen.

279    Erstens stellt das Gericht zu dem Vorbringen, dass sich die Kommission hinsichtlich der lokalen Abgrenzung des Marktes uneingeschränkt der nicht näher begründeten Sichtweise der am Zusammenschluss Beteiligten angeschlossen habe, ohne abweichende Angaben zu berücksichtigen oder eigene Recherchen durchzuführen, in Bezug auf Strom fest, dass die Kommission in den Rn. 63 bis 65 des angefochtenen Beschlusses auf ihre eigene Entscheidungspraxis, in den Rn. 66 und 67 auf jene des Bundeskartellamts sowie in Rn. 68 auf die Standpunkte der am Zusammenschluss Beteiligten eingegangen ist und in den Rn. 69 bis 90 ihre Analyse angestellt hat.

280    Hinsichtlich des geografischen Marktes für Stromlieferungen an Haushalts‑ und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen zum einen hat die Kommission für ihre Analyse nicht nur die Standpunkte der am Zusammenschluss Beteiligten berücksichtigt (Rn. 78, 83, 84 und 88). Sie hat nämlich auch ihre frühere Entscheidungspraxis (Rn. 69 und 70), jene des Bundeskartellamts (Rn. 69, 74, 85 und 86), die Ausführungen des Bundeskartellamts (Rn. 80, 82, 83 und 86), die anwendbaren Rechtsvorschriften (Rn. 66), die Antworten der Wettbewerber auf die erste Marktbefragung (Rn. 74 bis 76, 79 und 80), den Fragebogen an Kunden von KMU und Kleinstunternehmen in Deutschland aus der Phase der eingehenden Prüfung (Rn. 85), die Beiträge der Wettbewerber (Rn. 75, 79, 81, 84 und 87) und die LBD-Studie (Rn. 81, 84 und 87) untersucht. Außerdem hat die Kommission ihre eigene Analyse vorgenommen (Rn. 88). Daraus ergibt sich, dass sie die verschiedenen ihr zur Verfügung stehenden Informationsquellen verglichen hat, um den geografischen Stromeinzelhandelsmarkt zu definieren.

281    Hinsichtlich des geografischen Gaseinzelhandelsmarktes zum anderen hat die Kommission in den Rn. 134 und 135 des angefochtenen Beschlusses ihre eigene Entscheidungspraxis, in Rn. 136 jene des Bundeskartellamts und in Rn. 137 die Standpunkte der am Zusammenschluss Beteiligten analysiert. Zudem hat sie in den Rn. 138 bis 146 des angefochtenen Beschlusses eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorgenommen.

282    Wie bereits in Bezug auf Strom hat die Kommission für ihre Analyse nicht nur die Standpunkte der am Zusammenschluss Beteiligten berücksichtigt, sondern auch die frühere Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts (Rn. 138 und 139), die Ausführungen des Bundeskartellamts (Rn. 142 und 144), die Antworten der Wettbewerber auf die erste Marktbefragung (Rn. 138 und 143), ihre eigenen Analysen (Rn. 145) sowie die internen Dokumente der am Zusammenschluss Beteiligten (Rn. 143). Daraus ergibt sich, dass die Kommission wie für den Stromsektor die verschiedenen Informationsquellen verglichen hat, um den geografischen Gaseinzelhandelsmarkt zu definieren.

283    Folglich kann dem Vorbringen der Klägerin, mit dem geltend gemacht wird, dass die von der Kommission hinsichtlich der geografischen Strom- und Gaseinzelhandelsmärkte durchgeführten Untersuchungen unzureichend seien, nicht gefolgt werden.

284    Im Übrigen ist festzustellen, dass auch hinsichtlich anderer Gesichtspunkte der Kontrolle des Zusammenschlusses, zu denen die Klägerin der Kommission vorwirft, sie nicht ausreichend untersucht zu haben (siehe Rn. 249 oben), der Vorwurf der Klägerin in Wirklichkeit darin besteht, dass die Kommission bestimmte Elemente anders beurteilt habe als die Klägerin und nicht die gleichen Schlüsse wie die Klägerin gezogen habe.

285    Zweitens erkennt die Klägerin darin, dass es nur lokale Angebote mit verschiedenen Preisen gebe, einen Ermittlungsfehler.

286    Zunächst stellt das Gericht zur Untersuchung der Kunden anhand ihrer Postleitzahl und der örtlichen Reichweite des Angebots der Versorger fest, dass die Kommission in Rn. 73 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass zwar lokale Wettbewerbselemente vorlägen, es sich beim Markt der Sonderverträge für die Stromversorgung jedoch um einen nationalen Markt mit lokalen Wettbewerbselementen handele. Insoweit hat die Kommission im Hinblick auf Strom festgestellt, dass sich die Anzahl der aktiven Versorger in jedem Netzgebiet tendenziell erhöhe (Rn. 74), dass die Versorger dazu neigten, in allen Regionen ähnliche Verkaufsstrategien anzuwenden (Rn. 75), dass 65 % der Versorger, die auf die erste Marktbefragung geantwortet hätten, mit wenigen Ausnahmen im ganzen Land den gleichen Nettopreis anböten (Rn. 76), dass die Angebotssubstituierbarkeit aufgrund der relativ einfachen und gängigen Expansionsmöglichkeiten in lokalen Gebieten beträchtlich sei (Rn. 77) und dass die durchschnittliche Anzahl an Versorgern pro Gebiet von 46 im Jahr 2008 auf 124 im Jahr 2017 gestiegen sei (Rn. 80).

287    Was Gas betrifft, hat die Kommission in Rn. 142 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass der durchschnittliche Gas-Endkunde in Deutschland in seinem Netzgebiet aus nahezu 120 Versorgern wählen könne und dass über 50 Wettbewerber in ganz Deutschland tätig seien. In Rn. 143 des angefochtenen Beschlusses hat sie ausgeführt, dass nur eine Minderheit der Wettbewerber angegeben habe, dass sich die Nettopreise von Region zu Region für alle oder die Mehrheit der Produkte unterschieden, dass die internen Dokumente der am Zusammenschluss Beteiligten gezeigt hätten, dass die am Zusammenschluss Beteiligten die Tätigkeit ihrer Wettbewerber in ganz Deutschland beobachteten, ohne sich auf bestimmte Regionen oder Wettbewerber zu konzentrieren, da die Entwicklung des Wettbewerbs im Strom- und Gasbereich von den am Zusammenschluss Beteiligten gleichermaßen beobachtet und bewertet werde, dass die Angebotssubstituierbarkeit beträchtlich sei und dass sie keine erheblichen Marktzutritts‑ oder Expansionshindernisse festgestellt habe.

288    Die Kommission hat also die Art und die Eigenschaften von Strom, das Vorhandensein von Zutrittsschranken, Verbrauchergewohnheiten sowie das Preisniveau im betroffenen Gebiet im Sinne von Art. 9 Abs. 7 der Verordnung Nr. 139/2004 berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund gelangte sie zu dem Schluss, dass die Sondervertragskunden in ganz Deutschland unter einer großen Anzahl an Stromversorgern mit ähnlichen Bedingungen wählen könnten.

289    Unter Berücksichtigung der Antworten auf Frage Nr. 12 der ersten Marktbefragung hat die Kommission nämlich festgestellt, dass etwa zwei Drittel der Versorger generell einen nationalen Tarif mit identischen Nettopreisen anböten. Die Klägerin bestreitet die von der Kommission festgestellte Zahl nicht.

290    Was Gas betrifft, haben die Antworten auf Frage Nr. 80 der ersten Marktbefragung zu der Beurteilung der Kommission geführt, dass gemäß dem Großteil der antwortenden Unternehmen die Preise im Allgemeinen bundesweit gleich seien, dass es aber gelegentlich Abweichungen zwischen den Regionen gebe. Zwar hat die Kommission keine eigenen Untersuchungen durchgeführt, um über die Suchmaschine Google oder die Internet-Vergleichsportale „Verivox“ oder „Check24“ festzustellen, ob sich die angebotenen Preise je nach Postleitzahl unterschieden, jedoch ist es – wie es der oben in den Rn. 190 und 260 wiedergegebenen Rechtsprechung zu entnehmen ist – Sache der Kommission, zu beurteilen, ob die ihr vorliegenden Informationen für die Durchführung ihrer Prüfung ausreichen. Das Gericht ist der Auffassung, dass die Kommission anhand der ersten Marktbefragung hinreichend belegt hat, dass die Mehrheit der Versorger in ganz Deutschland vergleichbare Preise anbietet. Insoweit waren zusätzliche Erhebungen mittels der genannten Internetseiten also nicht erforderlich.

291    Jedenfalls hat die Kommission in den Rn. 81 ff. des angefochtenen Beschlusses die von der Klägerin geäußerte Kritik, einschließlich jener bezüglich der LBD-Studie, eingehend geprüft. Die Kommission hat insbesondere ausgeführt, dass die vergleichsweise hohen Preise, die lokale Strom- und Gasgrundversorger für Sonderverträge verlangen könnten (Rn. 83 und 144), auf ihren Vorteil als herkömmliche Versorger zurückzuführen seien (Rn. 85). Außerdem hat die Kommission in Rn. 84 des angefochtenen Beschlusses einen Fehler in der Methodik thematisiert. In der LBD-Studie seien nämlich verschiedene Tochtergesellschaften der am Zusammenschluss Beteiligten als unabhängige Einheiten behandelt worden, was sich stark auf die Ergebnisse hätte auswirken können, z. B., wenn die Margen oder Preisstrategien in einer Region geprüft würden, in der ein Unternehmen der Gruppe die Grundversorgung sicherstelle, und nur die Margen oder Preise dieses Unternehmens in dieser Region berücksichtigt würden, nicht aber jene der anderen Unternehmen der Gruppe.

292    Nach alledem hat die Kommission hinsichtlich der geografischen Reichweite der Tarifkonditionen für Strom und Gas keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

293    Selbst unter der Annahme, dass eine Prüfung wie die von der Klägerin vorgeschlagene zu dem Ergebnis führen würde, dass die Versorger je nach Postleitzahl unterschiedliche Tarife und Bedingungen anböten, wäre dies nur ein Angebotsfaktor im Sinne von Rn. 30 der Bekanntmachung über die Marktdefinition. Andere Faktoren wie Marktzutrittsschranken wären nämlich ebenfalls relevant. Insoweit verfügt jeder Stromversorger über die Möglichkeit, deutschlandweit jeden Haushalts- oder Kleingewerbekunden mit Strom zu beliefern. Die Klägerin wendet sich weder gegen die Feststellung der Kommission, dass die Versorger, darunter die kleinen Stadtwerke, regelmäßig versuchten, sich weiterzuentwickeln und den Wettbewerb außerhalb ihres Gebiets zu stärken, noch dagegen, dass in den zwei oder drei Jahren vor Erlass des angefochtenen Beschlusses in jedes eine beliebige Postleitzahl umfassende Gebiet im Durchschnitt zwei neue Akteure in den Markt eingetreten seien und rasch nicht vernachlässigbare Marktanteile erlangt hätten (Rn. 79). Was Gas betrifft, bedeuten der aktuelle Wettbewerb und drohende Markteintritte Einschränkungen für die herkömmlichen lokalen Versorger (Rn. 145). Daher kann vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass aufgrund des Bestehens äußerst wettbewerbsfähiger Margen in Gebieten, die bestimmte Postleitzahlen umfassen, andere Versorger miteinander konkurrieren werden, um die Nachfrage zu decken. Vor diesem Hintergrund reicht das Bestehen lokaler Tarife für sich genommen nicht aus, um eine geografische Definition des Marktes als lokal zu rechtfertigen.

294    Zudem bestreitet die Klägerin die Relevanz der Anzahl und der Reichweite der Versorger für die Definition des geografischen Marktes. Die Anzahl der Stromversorger, die ihre Dienstleistungen bundesweit oder in über ihre Regionen hinausgehenden Gebieten anbieten, stellt einen Angebotsfaktor gemäß Rn. 30 der Bekanntmachung über die Marktdefinition dar. Nach dieser kann die Kommission, falls erforderlich, nämlich ermitteln, ob die Unternehmen in bestimmten Gebieten vor Hindernissen stehen, wenn sie ihren Absatz zu wettbewerbsfähigen Bedingungen innerhalb des gesamten geografischen Marktes ausbauen wollen. Die Anzahl und die Reichweite der Versorger stellen Indizien für diese Art von Hindernissen dar.

295    Hinsichtlich des Arguments, dass es sich beim geografischen Markt um einen lokalen Markt handele, da die Kunden genau genommen an einen bestimmten Ort gebunden seien, genügt im Übrigen, wie von der Kommission geltend gemacht, die Feststellung, dass dieses Argument ins Leere geht, da maßgeblich ist, ob die Verbraucher von Versorgern in anderen Gebieten beliefert werden können, und nicht, ob die Verbraucher umziehen können, um sich von anderen Versorgern beliefern zu lassen.

296    Das Argument der Klägerin, wonach die Tarifstrukturen lokalen Charakter hätten und die Versorger ihre Vertriebsstrategie an die regionalen Gegebenheiten anpassen würden, wird zum Teil auf die BET‑Studie und die Innoplexia-Studie gestützt, deren Beweiswert aus den oben in den Rn. 200 bis 208 dargelegten Gründen jedoch beschränkt ist. Aus Rn. 81 des angefochtenen Beschlusses ergibt sich jedenfalls, dass die Kommission dieses Vorbringen geprüft hat, dass sie aber ihren Standpunkt, wonach der geografische Markt ein nationaler Markt sei, beibehalten hat. Selbst unter der Annahme, dass die Angebote der Versorger eine lokale Perspektive beinhalten, wäre dies nur ein Indiz für einen möglicherweise lokalen Markt und vereinbar mit der Schlussfolgerung der Kommission, dass der nationale Markt lokale Elemente aufweise. Es ist nämlich nicht erforderlich, dass alle Wettbewerbsparameter im gesamten Gebiet eines Mitgliedstaats identisch sind, um von einem nationalen Markt auszugehen.

297    Im Übrigen kann Rn. 81 des angefochtenen Beschlusses entnommen werden, dass die Kommission die von den am Zusammenschluss Beteiligten angebotenen lokalen Tarife, die in der LBD-Studie festgestellt wurden, berücksichtigt hat.

298    Ebenso hat sie eine eigene Untersuchung durchgeführt und ist von einer lokalen Tarifpolitik der Versorger ausgegangen. Sie hat dabei untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen der Marge eines Versorgers und seinem Anteil an der Belieferung der Gruppe der Verbraucher besteht, die keinen Sondervertrag mit dem Grundversorger haben. Hierbei handelt es sich um einen vernünftigen Ausgangspunkt, da erwartet werden kann, dass ein Unternehmen, das in einem bestimmten Bereich eine gewisse Marktmacht hat, über einen gewissen Spielraum zur Erhöhung der Preise und der Gewinnspannen verfügt. Diese Analyse der Kommission hat insbesondere ergeben, dass auf lokaler Ebene in Bezug auf Sonderverträge keine Korrelation zwischen Margen und Marktanteilen bestehe (Rn. 88 und 89 in Bezug auf Strom und Rn. 145 in Bezug auf Gas). Die Kommission ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das Fehlen einer systematischen Verbindung zwischen Margen und Marktanteilen bei Kunden, die gerade den Versorger wechselten oder dies intendierten, darauf schließen lasse, dass der aktuelle Wettbewerb und drohende Eintritte Einschränkungen für lokale herkömmliche Versorger darstellten, zumindest in Bezug auf diese Gruppen von Kunden, was auf das Vorliegen eines nationalen Marktes hindeute.

299    Vor diesem Hintergrund hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie sich nicht dem Standpunkt der Wettbewerber angeschlossen hat, dass der Strom- und Gaseinzelhandel seinem Umfang nach lokal sei.

300    Drittens ergibt sich aus den im angefochtenen Beschluss genannten Fällen zu dem Vorbringen der Klägerin, wonach die Kommission nicht ihrer üblichen Entscheidungspraxis gefolgt sei, dass sich in der von der Kommission entwickelten Praxis für die von der Klägerin vorgeschlagenen Definitionen der geografischen Märkte keine Bestätigung finden lässt. In ihren früheren Entscheidungen hat die Kommission die Definition des geografischen Stromeinzelhandelsmarktes nämlich offengelassen, und sie vertritt die Ansicht, dass die Definition des Gasmarktes als national, regional oder lokal einzelfallbezogen erfolgt.

301    Was Strom betrifft, hat die Kommission in Rn. 63 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass sie die geografischen Märkte für Stromlieferungen an Endkunden allgemein als national definiert habe. In ihrem Beschluss C(2009) 5111 vom 22. Juni 2009 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.5496 – Vattenfall/Nuon Energy) hat die Kommission auf der Ebene des Verteilernetzes für die Stromlieferung an Kleinkunden für Deutschland auch die Möglichkeit einer engeren Definition des geografischen Marktes berücksichtigt, obgleich sie die Frage nach der Definition des Marktes im betreffenden Fall letztlich offengelassen hat. In den Rn. 64 und 65 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission jedoch angemerkt, dass sich der Stromeinzelhandelsmarkt in Deutschland seit 2009 erheblich entwickelt habe und dass sich die geografische Reichweite des Wettbewerbs vergrößert habe, was sich bereits in ihrem Beschluss C(2015) 9088 final vom 8. Dezember 2015 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.7778 – Vattenfall/ENGIE/GASAG) widerspiegelte, in dem sie die Teile des nationalen Marktes für Stromlieferungen an Haushaltskunden im Allgemeinen sowie nur an Sondervertragskunden untersucht hat, wohingegen die Definition des geografischen Marktes offengelassen wurde.

302    Betreffend Gas hat die Kommission in Rn. 134 des angefochtenen Beschlusses unter Bezugnahme auf ihren Beschluss C(2015) 9088 final vom 8. Dezember 2015 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.7778 – Vattenfall/ENGIE/GASAG), ihren Beschluss C(2011) 2638 final vom 11. April 2011 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.6068 – ENI/ACEGASAPS/JV) und ihren Beschluss C(2006) 5418 final vom 14. November 2006 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.4180 – Gaz de France/Suez) ausgeführt, dass sie in früheren Beschlüssen davon ausgegangen sei, dass der Gaseinzelhandelsmarkt national, regional oder lokal sein könne, jeweils beschränkt auf das Verteilernetzgebiet und abhängig von den Merkmalen des Marktes.

303    Zwar zieht die Klägerin eine Parallele zum Lebensmitteleinzelhandelsmarkt, den die Kommission trotz des Vorhandenseins zahlreicher nationaler Versorger als lokal betrachtet. Es genügt jedoch die Feststellung, dass die Klägerin keinen Grund geltend macht, aus dem die Kommission gezwungen sein sollte, die in anderen Bereichen entwickelte Entscheidungspraxis zu berücksichtigen. Sie erläutert auch nicht, inwiefern die Parallele, die sie zu ziehen versucht, maßgeblich sei. Jedenfalls ist die Entscheidungspraxis in diesem Bereich nicht maßgeblich, da Kunden auf den Strom- und Gasmärkten nicht den Versorgungsort wechseln können, sondern lediglich Verträge mit Versorgern aus anderen Gebieten des Staatsgebiets abschließen können; anders verhält es sich beim Lebensmitteleinzelhandel, von dem die Kommission die Auffassung vertreten hat, dass zum einen Unternehmen gewisse Investitionen tätigen müssten, um in Einzugsbereiche vorzudringen, in denen sie zuvor noch nicht präsent waren, und zum anderen, dass Kunden im Allgemeinen nicht bereit seien, für Lebensmitteleinkäufe lange Strecken zurückzulegen.

304    Zudem stützt die Klägerin ihr Vorbringen, wonach die Kommission ignoriert habe, dass nach ihrer Entscheidungspraxis die Unterschiede bei regionalen Preisen dazu angetan seien, das Bestehen kleinerer als nationaler Märkte aufzuzeigen, auf bestimmte Fälle, ohne jedoch darzutun, inwiefern diese auf das Bestehen einer ständigen Praxis schließen ließen oder inwieweit die aus diesen Fällen gezogenen Schlüsse auf den vorliegenden Fall anwendbar seien. Die Kommission ist jedenfalls, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, zu dem Ergebnis gekommen, dass die Mehrheit der Versorger ihre Tarife bundesweit anwenden, wie es der vorstehenden Rn. 289 entnommen werden kann.

305    Daraus folgt, dass die Kommission nicht von ihrer bisherigen Entscheidungspraxis abgewichen ist und dass sie ihre früheren Beurteilungen bei ihrer Untersuchung als maßgebliches Element berücksichtigt hat.

306    Das Gericht weist jedenfalls darauf hin, dass die Kommission gemäß der oben in Rn. 275 wiedergegebenen Rechtsprechung nicht an die in ihren früheren Entscheidungen vorgenommenen Beurteilungen relevanter Märkte gebunden ist.

307    Die Kommission hat daher keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie in den Rn. 91 und 147 des angefochtenen Beschlusses davon ausgegangen ist, dass für die Zwecke des angefochtenen Beschlusses Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung einen lokalen Markt darstellen, der auf das betreffende Grundversorgungsgebiet begrenzt ist, und dass Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen einen nationalen Markt mit lokalen Elementen darstellen.

308    Nach alledem ist die erste Rüge, mit der eine fehlerhafte Definition der Strom- und Gaseinzelhandelsmärkte geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

b)      Zweite Rüge: unvollständige Definition der Strom und Gasverteilungsmärkte

309    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass nur die Märkte für den Betrieb von Übertragungs- und Verteilernetzen für Strom und Gas betroffen seien. In diesem Zusammenhang habe sich die Kommission weder mit der durch den Zusammenschluss nachfrageseitig betroffenen Beschaffung von Netzequipment sowie Bau- und IT‑Leistungen beschäftigt noch mit der angebotsseitig betroffenen Erbringung von Dienstleistungen für andere VNB. Daher sei die weitere Analyse der Auswirkungen des Zusammenschlusses unvollständig.

310    Die Kommission, unterstützt durch E.ON, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

311    Es ist darauf hinzuweisen, dass, wenn der Kommission vorgeworfen wird, sie habe ein etwaiges Wettbewerbsproblem auf anderen Märkten als denjenigen, auf die sich die Wettbewerbsuntersuchung bezog, nicht berücksichtigt, es dem Kläger obliegt, zuverlässige Indizien beizubringen, mit denen auf greifbare Weise das Bestehen eines Wettbewerbsproblems bewiesen wird, das wegen seiner Auswirkungen von der Kommission hätte geprüft werden müssen. Um diesem Erfordernis zu genügen, muss der Kläger die betreffenden Märkte bezeichnen, die Wettbewerbslage ohne Zusammenschluss beschreiben und angeben, welche Auswirkungen ein Zusammenschluss vermutlich im Hinblick auf die Wettbewerbslage auf diesen Märkten hätte (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2021, Polskie Linie Lotnicze „LOT“/Kommission, T‑240/18, EU:T:2021:723, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

312    Es ist jedoch festzustellen, dass sich die Klägerin auf unbelegte Behauptungen beschränkt und dass sie keine zuverlässige Definition der relevanten Märkte vorgeschlagen hat, die betroffen sein sollen, so dass diese Rüge zurückzuweisen ist.

c)      Dritte Rüge: fehlerhafte Definition der Märkte für Messdienstleistungen und Elektromobilität

313    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission die Märkte für Messdienstleistungen und Elektromobilität aufgrund von Fehlern in ihrer Marktuntersuchung falsch definiert habe. Die Kommission habe insbesondere entscheidende Faktoren wie gesteigerte Skaleneffekte, Finanzkraft, Datenverfügbarkeit und Kooperationsgeflechte vernachlässigt.

314    Als Erstes trägt die Klägerin in Bezug auf den Markt für Messdienstleistungen im Wesentlichen vor, dass die Kommission zu Unrecht zwischen gMSB und wMSB unterschieden habe. Dies liege daran, dass es aus Sicht des Verbrauchers keine Rolle spiele, ob ein gMSB oder ein wMSB die Messdienstleistungen vornehme. Folglich sei von einem einzigen Markt für Messdienstleistungen auszugehen.

315    Als Zweites bringt die Klägerin vor, dass die Kommission die räumliche Abgrenzung des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge nicht ausreichend gewürdigt habe, da die täglich mit einem Elektrofahrzeug zurückgelegte Strecke normalerweise nur 30 km betrage und nur etwas über 1 % der Strecken 100 km übersteige. Darüber hinaus habe die Kommission die Abgrenzung des Betriebs von Ladestationen abseits von Autobahnen nicht ausreichend berücksichtigt.

316    Als Drittes seien die am Zusammenschluss Beteiligten aufgrund ihrer Tätigkeit auf dem Markt für Messdienstleistungen in der Lage, große Mengen an Daten zu sammeln, auf deren Grundlage sie auf dem Markt für Kundenlösungen Vorteile erlangen könnten. Die Kommission habe diesen Markt aber nicht definiert.

317    Die Kommission, unterstützt durch E.ON, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

1)      Märkte für Messdienstleistungen

318    Wie oben in Rn. 30 dargetan, bestehen Messdienstleistungen in der Messung des Strom‑, Gas‑, Wasser- und Wärmeverbrauchs zum Zweck der Abrechnung, der Transparenz und der Optimierung des Verbrauchs.

319    In den Rn. 151 bis 153 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission ausgeführt, dass der Betrieb von Messstellen in Deutschland bis zur Liberalisierung im Jahr 2005 den VNB oblegen habe. Das Messstellenbetriebsgesetz vom 1. September 2016 (BGBl. I S. 2034) habe den Betrieb des Netzes und jenen der Messstellen voneinander abgekoppelt, habe die Rolle der gMSB und der wMSB geschaffen und sehe Folgendes vor:

–        erstens die ausschließlich für gMSB geltende Verpflichtung, alle Strommesssysteme in Deutschland bis 2032 durch moderne Messsysteme zu ersetzen;

–        zweitens die Verpflichtung der gMSB, intelligente Messsysteme mit verschiedenen Preisobergrenzen einzusetzen, je nach Verbrauchertyp und Höhe des Verbrauchs, wobei dieses System für kleine Kunden jedenfalls fakultativ ist; die gleiche Verpflichtung besteht für wMSB, jedoch ohne Preisobergrenzen;

–        drittens die allgemeine Verpflichtung, bestehende Messsysteme durch Gasmesssysteme zu ersetzen, die über eine Einrichtung zum gesicherten Datenaustausch – ein Smart-Meter-Gateway – verfügen, um die Übertragung der gemessenen Daten an autorisierte Marktteilnehmer zu ermöglichen.

320    Vor diesem Hintergrund hat die Kommission in Rn. 169 des angefochtenen Beschlusses die Ansicht vertreten, dass zwischen Strom‑ und Gasmessdienstleistungen durch gMSB und Strom‑ und Gasmessdienstleistungen durch wMSB zu unterscheiden sei, und zwar aus ähnlichen Gründen wie jenen, die die Unterscheidung zwischen Grundversorgungsverträgen und Sonderverträgen rechtfertigten, nämlich zunächst der Umstand, dass der Wettbewerb hauptsächlich auf dem Markt der wMSB stattfinde, weiter der Umstand, dass für gMSB und wMSB unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen bestünden, insbesondere in Bezug auf Preisobergrenzen und den verpflichtenden Einsatz von modernen und intelligenten Messsystemen, sowie schließlich der Umstand, dass der Eintritt in den nationalen Markt durch nicht dem Stromsektor zuzuordnende externe Akteure wie Deutsche Telekom oder Deutsche Bahn auf dem Markt der wMSB stattfinde. Die Kommission hat am Ende jedoch entschieden, dass die Frage, ob die Märkte für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen durch eine Trennung von gMSB und wMSB zu unterteilen seien, letztlich offenbleiben könne, da der Zusammenschluss unabhängig von der denkbaren Definition des Marktes hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt keine Bedenken aufwerfe.

321    Hierzu ist auf die Rechtsprechung hinzuweisen, nach der die Kommission die Frage nach der Definition des in Rede stehenden Produktmarktes offenlassen kann, sofern die von ihr im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründe klar und unmissverständlich zeigen, dass keine der Marktdefinitionen die Feststellung ermöglicht, dass der Zusammenschluss zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Oktober 2017, KPN/Kommission, T‑394/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:756, Rn. 60).

322    Nach alledem ist das Argument der Klägerin, wonach die Kommission den Produktmarkt durch die Trennung von gMSB und wMSB falsch definiert habe, zurückzuweisen, da sich die Kommission nicht ausdrücklich für diese engere Definition ausgesprochen hat, obgleich sie ausgeführt hat, dass eine derartige Unterscheidung angemessen sein könnte.

2)      Märkte der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge

323    Erstens hat die Kommission zur geografischen Definition des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Schnellladestationen an Autobahnen zum einen und des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher ultraschneller Ladestationen an Autobahnen zum anderen in Rn. 197 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass eine Entfernung von 50 km einen guten Indikator für die Bestimmung der Stationen darstelle, die einen bedeutenden wettbewerblichen Druck aufeinander ausüben könnten. Dennoch hat sie in den Rn. 200 und 218 des angefochtenen Beschlusses die Frage nach der Definition des geografischen Marktes (lokaler Markt oder nationaler Markt mit lokalen Wettbewerbselementen) letztlich offengelassen, da sie unabhängig von der zugrunde gelegten Marktdefinition erhebliche Behinderungen des wirksamen Wettbewerbs festgestellt hat.

324    Hierzu hat die Kommission in den Rn. 367 und 370 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass E.ON und Innogy zusammen Verträge über die Errichtung und den Betrieb öffentlicher Schnellladestationen und ultraschneller Ladestationen für über 60‑70 % der Tankstellen der Autobahnraststätten des Unternehmens Autobahn Tank & Rast abgeschlossen hätten, das mehr als 90 % der Tankstellen entlang der Autobahnen in Deutschland betreibe.

325    Vor diesem Hintergrund hat die Kommission in den Rn. 379 und 380 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass E.ON und Innogy in Fällen, in denen sie über öffentliche Ladestationen innerhalb einer Entfernung von 50 km verfügten und sich zwischen diesen Stationen keine öffentlichen Ladestationen eines anderen Wettbewerbers befänden, in unmittelbarstem Wettbewerb zueinander stünden.

326    Somit hat die Kommission unabhängig von der geografischen Definition des Marktes – lokal oder national mit lokalen Wettbewerbselementen – eine Entfernung von 50 km als maßgebliches Element für die Prüfung festgelegt, ob wettbewerbswidrige Auswirkungen bestehen.

327    Ebenso ist festzustellen, dass die Kommission, wenn sie die Frage der Definition eines in Rede stehenden Marktes offenlassen kann, falls im Sinne der oben in Rn. 321 wiedergegebenen Rechtsprechung keine der Marktdefinitionen die Feststellung ermöglicht, dass der Zusammenschluss zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führt, sie die Frage nach der Definition eines in Rede stehenden Marktes ebenso offenlassen kann, wenn sie unabhängig von der zugrunde gelegten Definition wettbewerbswidrige Auswirkungen feststellt, und zwar sofern der Zusammenschluss infolge von durch die betroffenen Unternehmen vorgenommenen Änderungen unabhängig von der Definition des in Rede stehenden Marktes nicht mehr geeignet ist, wirksamen Wettbewerb erheblich zu behindern.

328    Um die Marktdefinition offenzulassen, muss die Kommission unter diesen Umständen also ihrerseits prüfen, ob die Beseitigung von Überschneidungen des Angebots der am Zusammenschluss Beteiligten innerhalb einer Entfernung von 50 km unabhängig von der geografischen Abgrenzung des Marktes zum Wegfall der wettbewerbswidrigen Auswirkungen führen würde.

329    Hierzu geht die Klägerin davon aus, dass sich die Kommission auf eine Entfernung von 30 km statt 50 km hätte stützen sollen. Sie erläutert jedoch nicht, wie selbst unter der Annahme, dass ihre Angaben – nämlich, dass die täglich mit einem Elektrofahrzeug zurückgelegte Strecke 30 km betrage und nur etwas mehr als 1 % der Strecken länger seien als 100 km – korrekt sind, die von der Kommission herangezogene Entfernung von 50 km in Bezug auf die Errichtung und den Betrieb elektrischer Ladestationen an Autobahnen in Frage gestellt oder irgendein offensichtlicher Beurteilungsfehler aufgezeigt werden soll.

330    Es wird also nicht nachgewiesen, dass die Kommission dadurch, dass sie die Frage der geografischen Definition des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Schnellladestationen an Autobahnen und jenes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher ultraschneller Ladestationen an Autobahnen offengelassen hat, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hätte.

331    Zweitens hat die Kommission zum Markt der Errichtung und des Betriebs von Ladestationen abseits von Autobahnen in Rn. 203 des angefochtenen Beschlusses die Frage nach der geografischen Definition des Marktes offengelassen, da der Zusammenschluss unabhängig von der denkbaren Marktdefinition keine Bedenken aufwerfe, da – wie den Rn. 381 bis 387 des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen ist – die am Zusammenschluss Beteiligten sehr wenige ultraschnelle Ladestationen betrieben und es auf dem Markt eine bedeutende Anzahl von Wettbewerbern sowie mehrere andere große Wettbewerber mit Expansionsplänen gebe.

332    Die Kommission hat mithin explizit ausgeführt, dass keine der Marktdefinitionen die Feststellung ermögliche, dass der Zusammenschluss zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führe. Angesichts der oben in Rn. 321 wiedergegebenen Rechtsprechung ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie die Frage nach der Definition des Marktes hinsichtlich Ladestationen abseits von Autobahnen offengelassen hat.

3)      Markt für datengetriebene Kundenlösungen

333    Zur angeblich fehlenden Definition des Marktes für datengetriebene Kundenlösungen stellt das Gericht fest, dass es zwar zutrifft, dass die Kommission keine Definition vorgenommen hat, obwohl sie die möglichen wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Zusammenschlusses in Abschnitt 7.4 („Andere Schadenstheorien“) des angefochtenen Beschlusses geprüft hat.

334    Dennoch ist diese Rüge angesichts der oben in Rn. 311 wiedergegebenen Rechtsprechung zurückzuweisen, da die Klägerin nicht erläutert hat, inwiefern auf diesem Markt ein Wettbewerbsproblem bestehe, das wegen seiner Auswirkungen von der Kommission hätte geprüft werden müssen. Die Klägerin begnügt sich nämlich damit, auszuführen, dass die Kommission die möglichen wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Zusammenschlusses geprüft habe, ohne jedoch zu erläutern, wie diese Prüfung sie verpflichte, diesen Markt zu definieren.

335    Nach alledem ist die dritte Rüge, mit der eine fehlerhafte Definition des Marktes für Messdienstleistungen und Elektromobilität geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

d)      Ergebnis zum zweiten Teil des fünften Klagegrundes

336    Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Kommission alle relevanten ihr zur Verfügung stehenden Informationen berücksichtigt hat und dass sie die im vorliegenden Fall relevanten Märkte identifiziert und definiert hat, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen.

337    Der zweite Teil des fünften Klagegrundes, mit dem eine fehlerhafte Definition der relevanten Märkte geltend gemacht wird, ist daher zurückzuweisen.

5.      Dritter Teil des fünften Klagegrundes: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses

a)      Erste Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Märkte für Strom und Gaseinzelhandel

338    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Strom‑ und Gaseinzelhandelsmärkte unzureichend geprüft und diese auch offensichtlich falsch beurteilt.

339    Als Erstes habe die Kommission die Wettbewerbssituation im Bereich der Grundversorgung nicht zutreffend beurteilt. Sie habe sich insoweit darauf beschränkt, zu prüfen, in welchen Grundversorgungsgebieten die am Zusammenschluss Beteiligten in der Lage seien, den jeweils anderen als Grundversorger abzulösen, was eine unvollständige Analyse darstelle.

340    Als Zweites habe die Kommission nicht untersucht, wie sich die Zusammenführung der Kundenportfolios der am Zusammenschluss Beteiligten in deren Grundversorgungsgebieten im Verhältnis zu dritten Anbietern auswirke, insbesondere vor dem Hintergrund der wachsenden Fähigkeit von E.ON, Wettbewerber aus dem Markt zu verdrängen.

341    Als Drittes habe die Kommission die Auswirkungen des Wegfalls des Wettbewerbs zwischen E.ON und Innogy nicht ausreichend gewürdigt.

342    Als Viertes habe die Kommission die wachsende Finanzkraft von E.ON, die sich aus Wettbewerbsvorteilen ergebe, nicht ausreichend berücksichtigt.

343    Die Kommission, unterstützt durch E.ON, macht geltend, dass sie die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Strom‑ und Gaseinzelhandelsmärkte vollständig und fehlerfrei beurteilt habe.

344    Als Erstes ist zur angeblich fehlerhaften Beurteilung der Wettbewerbssituation auf den Märkten für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung festzustellen, dass das Gericht bereits oben in den Rn. 276 und 307 zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Kommission dadurch, dass sie in den Rn. 91 und 147 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass die Grundversorgung mit Strom und Gas als separater Produktmarkt und als lokaler, auf das betreffende Grundversorgungsgebiet beschränkter Markt zu betrachten sei, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

345    Hierzu hat die Kommission in den Rn. 265 und 331 des angefochtenen Beschlusses auch ausgeführt, dass, da für jedes Grundversorgungsgebiet, das einen separaten Markt darstelle, ein einziges Unternehmen als Grundversorger für Strom und Gas benannt sei, dieses Unternehmen für Strom de facto und für Gas de iure in diesem Gebiet eine Monopolstellung innehabe. Sie ist daher in den Rn. 265 und 331 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gekommen, dass der Zusammenschluss begrenzte unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf diese Märkte habe.

346    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht in Frage stellt, dass es aufgrund des De-iure-Monopols in den Grundversorgungsgebieten keinen Wettbewerb zwischen den verschiedenen Grundversorgungsgebieten gebe und es daher zu keinen wettbewerbswidrigen Auswirkungen kommen könne. Die Klägerin erläutert nicht, wie der Umstand, dass die Marktanteile von E.ON auf lokaler Ebene in den Grundversorgungsgebieten bis zu 69 % betragen könnten, für sich allein eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf dem Grundversorgungsmarkt oder ein Indiz einer solchen Behinderung darstellen könne. Infolge des Zusammenschlusses sind nämlich nicht die Anteile von E.ON an einem Grundversorgungsmarkt oder in einem Grundversorgungsgebiet gestiegen, sondern vielmehr die Anzahl der Gebiete, in denen E.ON als Grundversorgerin tätig ist. Die Kommission hat also keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die unmittelbaren Auswirkungen des Zusammenschlusses auf diese Märkte allenfalls begrenzt seien.

347    Zweitens ist dem angefochtenen Beschluss zur möglichen Verringerung der Chancen der Wettbewerber, im Rahmen der alle drei Jahre stattfindenden Kontrolle zum Grundversorger aufzusteigen, zu entnehmen, dass die Kommission, obwohl unmittelbare materielle Auswirkungen des Zusammenschlusses auf diese Märkte unwahrscheinlich seien, einen großen Teil des Abschnitts 7.2.2.1 des angefochtenen Beschlusses der Prüfung möglicher mittelbarer Auswirkungen gewidmet hat, nämlich ob der Zusammenschluss die Fähigkeit von E.ON erhöhen könne, die Position als Grundversorgerin in bestimmten lokalen Gebieten zu behalten, und dadurch die Anreize, wettbewerbsfähige Preise für Sonderverträge anzubieten, verringern könne.

348    Hierzu hat die Kommission in Rn. 266 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass der Grundversorger alle drei Jahre durch den zuständigen VNB bestimmt werde und dass der Stromversorger gewählt werde, der in der Region die meisten Haushaltskunden habe, darunter Kunden mit Grundversorgungsvertrag und Kunden mit Sonderverträgen, einschließlich Heizstromkunden. Wie von der Kommission in der gleichen Randnummer des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, hängt die Ermittlung der Grundversorgung von der Anzahl der Haushaltskunden mit Sonderverträgen ab, und die Preisstrategien für Sonderverträge können sich auf den Grundversorgungsmarkt auswirken.

349    Obwohl theoretisch die am Zusammenschluss Beteiligten ihre Haushalts- und Kleingewerbekunden durch den Zusammenschluss zusammenlegen können, um ihre Chancen auf Beibehaltung der Rolle als Grundversorger zu erhöhen oder diese zu erlangen, ist festzustellen, dass – wie von der Kommission in Rn. 268 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt – für die Ermittlung der Grundversorgung nur die Kunden einer juristischen Einheit zählen, nicht die Kunden aller von einer Muttergesellschaft gehaltenen Einheiten zusammen. Die Kommission hat hierzu die Auffassung vertreten, dass, wenn sich die Strategie, bestimmte Rechtsträger auszuschlachten, um den Kundenstamm eines anderen Rechtsträgers der Gruppe zu erweitern oder diese Kunden bei einem einzigen Rechtsträger zu bündeln, lohnen würde, die Beteiligten höchstwahrscheinlich schon vor dem Zusammenschluss versucht hätten, sie umzusetzen, was sie jedoch nicht beobachtet habe.

350    Hierzu beschränkt sich die Klägerin darauf, diese mögliche Schadenstheorie geltend zu machen, ohne jedoch Beweise vorzulegen, die zeigen, dass diese Strategie von den am Zusammenschluss Beteiligten angesichts der großen Anzahl der von ihnen vor dem Zusammenschluss kontrollierten Marken und Tochtergesellschaften bereits tatsächlich umgesetzt wurde. Es ist jedoch festzustellen, dass, wenn es für die am Zusammenschluss Beteiligten einen echten Anreiz gäbe, zu versuchen, ihre Grundversorgungsgebiete zu schützen oder Zugang zu neuen Gebieten zu erlangen, sie ihre Marken oder Einheiten wahrscheinlich bereits umstrukturiert hätten, da unstreitig ist, dass sie bereits vor dem Zusammenschluss über eine große Zahl an Marken und Tochtergesellschaften verfügten. Die Klägerin äußert sich auch nicht zu den Gründen, aus denen das Risiko, dass diese Strategie zum Einsatz komme, nach dem Zusammenschluss höher sei. Aufgrund eines Mangels an Indizien für den Realitätsbezug dieser Schadenstheorie ist der Schluss zu ziehen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission mit ihrer Feststellung, dass das Risiko einer solchen mittelbaren Auswirkung begrenzt sei, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe.

351    Die Kommission hat in Rn. 269 des angefochtenen Beschlusses jedenfalls festgestellt, dass die am Zusammenschluss Beteiligten selten die größte Wettbewerberin der jeweils anderen seien und dass in den meisten Fällen Stadtwerke der zweitgrößte Versorger von Haushaltskunden seien. In Rn. 270 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission außerdem ausgeführt, dass E.ON gemäß interner Dokumente Innogy nur in einem Fall als zweitgrößte Versorgerin eines Gebiets betrachtet habe. In Rn. 271 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission außerdem festgestellt, dass in Gebieten, in denen eine der am Zusammenschluss Beteiligten Grundversorgerin sei, die andere grundsätzlich nur einen kleinen Kundenanteil habe, nämlich 5 % oder weniger. Daraus ergibt sich also, dass die Strategie theoretisch zwar möglich ist, die Kommission aber hinreichend dargetan hat, dass die am Zusammenschluss Beteiligten in Anbetracht der begrenzten regionalen Überschneidung ihrer Kundenstämme davon materiell nicht profitieren würden.

352    Drittens ist die Klägerin der Ansicht, dass die Kommission die Auswirkungen, die zum einen mit der Trägheit der Kunden beim Wechsel des Grundversorgers zusammenhingen und zum anderen mit dem Umstand, dass der Grundversorger die Mehrheit der Sondervertragskunden innerhalb seines Gebiets versorge, nicht geprüft habe. Hierzu ist festzustellen, dass sich die Klägerin erneut darauf beschränkt, auf mangelhafte Ermittlungen der Kommission zu verweisen, aber nicht erläutert, welchen Schluss die Kommission hinsichtlich der Auswirkungen auf die Grundversorgungsgebiete hätte ziehen sollen. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass diese Gesichtspunkte nicht relevant sind, da sich die Gegebenheiten im Zusammenhang mit Sondervertragskunden, die der Position als Grundversorger zu verdanken sind, oder mit der Trägheit der Grundversorgungskunden von Innogy oder E.ON aufgrund des Zusammenschlusses nicht ändern. Dies schließt unmittelbare Auswirkungen insofern aus, als es, wie oben in Rn. 346 dargelegt, zwischen den verschiedenen Grundversorgungsgebieten keinen direkten Wettbewerb gibt. Hinsichtlich der mittelbaren Auswirkungen erläutert die Klägerin nicht, inwieweit diese Faktoren E.ON in eine bessere Lage versetzen könnten, in bestimmten Gebieten die Position als Grundversorgerin beizubehalten oder zu erlangen.

353    Die Kommission konnte daher, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, davon ausgehen, dass der Zusammenschluss wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung in Deutschland nicht erheblich behindere.

354    Als Zweites ist zu den Auswirkungen der Zusammenführung der Kundenportfolios der am Zusammenschluss Beteiligten auf dem Markt für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Bewertung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen eines Zusammenschlusses die sich aus dem Zusammenschluss ergebenden Wettbewerbsbedingungen mit dem Zustand vergleicht, wie er ohne den Zusammenschluss fortbestanden hätte (Urteil vom 23. Mai 2019, KPN/Kommission, T‑370/17, EU:T:2019:354, Rn. 115).

355    Das Bestehen erheblicher Marktanteile ist in hohem Maß bedeutsam, und das Verhältnis zwischen den Marktanteilen der am Zusammenschluss Beteiligten und denen ihrer Konkurrenten, insbesondere der nächstkleineren, ein taugliches Indiz für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung oder einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs. Außerdem legt ein besonders geringer Marktanteil einer der am Zusammenschluss Beteiligten prima facie das Fehlen einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs nahe, insbesondere wenn die anderen Wirtschaftsteilnehmer über viel größere Marktanteile verfügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Februar 2006, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, T‑282/02, EU:T:2006:64, Rn. 201).

356    Nach Ziff. 17 der Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, C 31, S. 5, im Folgenden: Leitlinien) können zum einen nur sehr hohe Marktanteile von 50 % oder mehr für sich allein ein Nachweis für das Vorhandensein einer beherrschenden Marktstellung sein und zum anderen bei einem Zusammenschluss mit einem Marktanteil von unter 50 % trotzdem Wettbewerbsbedenken hinsichtlich anderer Faktoren bestehen, wie z. B. die Stärke und Anzahl der Wettbewerber (Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 59).

357    Außerdem kann gemäß dem 32. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004 und Ziff. 18 der Leitlinien bei Zusammenschlüssen, die wegen des begrenzten Marktanteils der beteiligten Unternehmen nicht geeignet sind, wirksamen Wettbewerb zu behindern, davon ausgegangen werden, dass sie mit dem Binnenmarkt vereinbar sind. Diese Vermutung gilt insbesondere, wenn der Marktanteil der beteiligten Unternehmen im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben 25 % nicht überschreitet.

358    Es ist im vorliegenden Fall also im Licht dieser Erwägungen zu prüfen, ob die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie die Auswirkungen auf den Markt für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen durch das Zusammenführen der Kundenportfolios der am Zusammenschluss Beteiligten falsch eingestuft hat.

359    Erstens geht im vorliegenden Fall aus den Rn. 274 und 333 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Marktanteile von E.ON auf den Märkten für Lieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen in Deutschland 5‑10 %, nämlich [vertraulich](1), bei Strom und 5‑10 %, nämlich unter [vertraulich], bei Gas betragen. Die Marktanteile von Innogy belaufen sich auf 10‑20 %, nämlich [vertraulich], bei Strom und auf 5‑10 %, nämlich unter [vertraulich], bei Gas.

360    Hierzu hat das Gericht im Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission (T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 61), entschieden, dass die Kommission die Leitlinien nicht verkannt hat, als sie unter Berücksichtigung eines gemeinsamen Marktanteils der am Zusammenschluss Beteiligten sowohl von 35,1 % als auch von 35,5 % die Auffassung vertrat, dass der gemeinsame Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten „moderat“ sei.

361    Der gemeinsame Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten, der 15‑30 %, nämlich [vertraulich], bei Strom und 10‑20 %, nämlich unter [vertraulich], bei Gas beträgt, deutet zumindest stark darauf hin, dass der Zusammenschluss nicht geeignet ist, wirksamen Wettbewerb auf den Märkten für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen in Deutschland zu behindern.

362    Zweitens hat die Kommission weitere Faktoren berücksichtigt. Sie hat insbesondere festgestellt, dass es eine große Zahl von Wettbewerbern gebe, dass die am Zusammenschluss Beteiligten keine nahen Wettbewerberinnen seien sowie dass die Marktzutrittsschranken relativ niedrig und der Wettbewerbsdruck beträchtlich seien.

363    Zunächst ergibt sich aus Rn. 275 des angefochtenen Beschlusses und aus S. 253 des Berichts des Bundeskartellamts, auf die in Fn. 281 des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen wird, dass gemäß der Prüfung der von 808 VNB übermittelten Informationen zur Anzahl der Versorger im Jahr 2017 in über 89 % der Netzgebiete mehr als 50 Versorger tätig waren und dass in 71 % der Netzgebiete mehr als 100 Versorger tätig waren, so dass ein Kunde in Deutschland im Jahr 2017 durchschnittlich unter über 120 Versorgern auswählen konnte. Außerdem sind in Deutschland über 1 000 Stromversorger tätig, darunter EnBW und Vattenfall, deren Marktanteil jeweils 5‑10 % beträgt, sowie EWE, Mainova und Stadtwerke München, deren Marktanteil jeweils unter 5 % liegt. Die Kommission hat in den Rn. 334 und 335 des angefochtenen Beschlusses auch festgestellt, dass Gasverbraucher in Deutschland in ihrem Netzgebiet durchschnittlich unter fast 116 Gasversorgern wählen könnten, dass die durchschnittliche Anzahl an Versorgern pro Gebiet in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sei und dass die Verbraucher manchmal von außerhalb des Sektors kämen, wie es insbesondere bei Shell der Fall sei. Im Übrigen seien in Deutschland über 1 000 Gasversorger aktiv, darunter EnBW, deren Marktanteil 5‑10 % betrage, sowie EWE, Mainova, Enercity und Rheinenergie, deren Marktanteil jeweils weniger als 5 % ausmache. Aus den Rn. 276 und 336 des angefochtenen Beschlusses ergibt sich, dass das Bundeskartellamt im Allgemeinen die Strom‑ und Gaseinzelhandelsmärkte als kompetitiv betrachtet.

364    Sodann hat die Kommission in den Rn. 277 und 337 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass es sich bei den am Zusammenschluss Beteiligten hinsichtlich Strom‑ und Gaslieferungen im Rahmen von Sonderverträgen nicht um besonders nahe Wettbewerberinnen handele. Sie hat nämlich ausgeführt, dass sich die Kunden, die sich in den jeweiligen Gebieten von E.ON oder Innogy abwendeten, selten dem jeweils anderen Unternehmen zuwendeten. Maximal 20 % der Kunden würden das andere am Zusammenschluss beteiligte Unternehmen wählen. Die Kommission hat außerdem angemerkt, dass in den internen Dokumenten der am Zusammenschluss Beteiligten nichts darauf hindeute, dass sie sich gegenseitig genauer beobachten würden als die anderen Versorger. Im Übrigen hat sie darauf hingewiesen, dass sich E.ON und Innogy bei der Tarifgestaltung gegenseitig keine besondere Aufmerksamkeit schenkten. Schließlich hat die Kommission festgestellt, dass die Mehrheit der Wettbewerber, die auf die erste Marktbefragung geantwortet habe, angegeben habe, in der Lage gewesen zu sein, Kunden der am Zusammenschluss Beteiligten anzuwerben. Ebenso kann Rn. 278 des angefochtenen Beschlusses entnommen werden, dass im Bereich Strom aus der Mehrheit der Antworten hervorgegangen sei, dass es kein Kundensegment gebe, in dem E.ON und Innogy in besonders engem Wettbewerb stünden und in dem es nur wenige andere Möglichkeiten gebe als die am Zusammenschluss Beteiligten. Die Mehrheit der antwortenden Unternehmen, die mit den am Zusammenschluss Beteiligten im Wettbewerb stünden, hätten ausgeführt, dass sie in der Lage seien, aus dem Gesamtkundenstamm der am Zusammenschluss Beteiligten Kunden abzuwerben.

365    Außerdem ist die Kommission in den Rn. 279 und 338 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gekommen, dass die auf dem Strom‑ und Gaseinzelhandelsmarkt bestehenden Zutrittsschranken und Expansionshemmnisse relativ gering seien.

366    Schließlich hat sie hilfsweise die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die hypothetischen lokalen Märkte für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen geprüft, und zwar in den Rn. 281 bis 290 des angefochtenen Beschlusses für Strom und in den Rn. 339 bis 350 für Gas. Diese Prüfung erfolgte aufgrund der von den Stadtwerken geäußerten Bedenken. Da die Kommission im Übrigen, wie es oben aus den Rn. 292, 299 und 308 hervorgeht, bei der Definition des relevanten Marktes keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, war sie nicht verpflichtet, diese Prüfung anzustellen, so dass dies ergänzend erfolgt ist.

367    Drittens verweist die Klägerin darauf, dass E.ON und RWE Minderheitsbeteiligungen an im Energiesektor tätigen Unternehmen hätten, und wirft der Kommission vor, diese nicht berücksichtigt zu haben. Zum einen ist festzustellen, dass der Zusammenschluss M.8870, der im Rahmen der vorliegenden Klage der Kontrolle des Gerichts unterliegt, den Erwerb von Innogy durch E.ON betrifft, so dass RWE an diesem Zusammenschluss nicht beteiligt ist. Aus diesem Grund sind die von RWE gehaltenen Minderheitsbeteiligungen für die Prüfung der Auswirkungen des in Rede stehenden Zusammenschlusses nicht relevant. Zum anderen erläutert die Klägerin nicht, wie sich diese Beteiligungen auf die Untersuchung der mit dem Zusammenschluss verbundenen Behinderungen des Wettbewerbs auswirken könnten. Sie beschränkt sich nämlich darauf, die Zahl der Beteiligungen von RWE und E.ON an anderen Unternehmen anzugeben, ohne zu erläutern, ob diese Unternehmen auf den betreffenden Märkten tätig sind, welche Stellung sie auf ihren Märkten einnehmen, wie ihre Beziehung zu RWE und E.ON den Wettbewerb behindern könnte oder ob diese hypothetischen Behinderungen durch den Zusammenschluss bedingt seien.

368    Außerdem hat die Kommission bei ihrer Beurteilung des Zusammenschlusses auch die Marktanteile von Unternehmen berücksichtigt, an denen Innogy und E.ON beteiligt sind. Hierzu hat die Kommission in den Fn. 280 und 367 des angefochtenen Beschlusses für Strom bzw. Gas ausgeführt, dass sogar dann, wenn der Gesamtmarktanteil der Unternehmen, an denen die am Zusammenschluss Beteiligten eine Minderheitsbeteiligung hielten, hinzugerechnet werde, dies den gemeinsamen Marktanteil der Beteiligten um weniger als 5 % erhöhe. Die Kommission hat ergänzt, dass sie angesichts des Umstands, dass dieser Prozentsatz überschaubar sei und die tatsächliche finanzielle Beteiligung der am Zusammenschluss Beteiligten an diesen Unternehmen bei prozentualer Betrachtung überbewertet werde, davon ausgehe, dass die Minderheitsanteile der Beteiligten deren Position nach dem Zusammenschluss und damit die Beurteilung dieses Zusammenschlusses durch die Kommission nicht merklich beeinflussten.

369    Außerdem ergibt sich aus dem dritten Absatz der Rn. 287 des angefochtenen Beschlusses, dass gemäß der Prüfung der Kommission zwischen den Margen von E.ON und Innogy bei Tarifen für die aktivsten Kunden und der Position der jeweils anderen am Zusammenschluss Beteiligten auf lokaler Ebene keine klare Korrelation bestehe, was zeige, dass die am Zusammenschluss Beteiligten in gewissen lokalen Gebieten keine besonders nahen Wettbewerberinnen seien und dass der Zusammenschluss auf lokaler Ebene nicht zum Wegfall eines erheblichen Wettbewerbsdrucks führe.

370    Unter diesen Umständen ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission die Auswirkungen auf die Märkte für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen ausreichend, ja sogar erschöpfend und extensiv geprüft und dabei keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

371    Als Drittes macht die Klägerin zu den Auswirkungen des Wegfalls des Wettbewerbs zwischen E.ON und Innogy im Wesentlichen geltend, dass E.ON infolge des Zusammenschlusses Bestandskunden von einem Wechsel abhalten oder Kunden zurückgewinnen bzw. sich in anderen Gebieten entwickeln könne.

372    Hierzu verweist das Gericht auf die Feststellungen in den Rn. 362 ff., die zeigen, dass die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, dargetan hat, dass ein gesunder Wettbewerb existiere, dass die am Zusammenschluss Beteiligten keine nahen Wettbewerberinnen seien und dass die Zutrittsschranken und Expansionshemmnisse gering seien.

373    Als Viertes wirft die Klägerin der Kommission zur größeren Finanzkraft von E.ON infolge des Zusammenschlusses im Wesentlichen vor, dass sie die Verdrängungseffekte aufgrund möglicher aggressiver Tarife und Werbeanstrengungen von E.ON nicht geprüft habe. Die Klägerin erläutert nicht näher, auf welche Märkte sich diese Rüge bezieht.

374    Vorab ist festzustellen, dass die Kommission in den Rn. 291 bis 299 des angefochtenen Beschlusses auf die von Dritten geäußerten zusätzlichen Bedenken zu den möglichen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Stromeinzelhandelsmarkt in Deutschland eingegangen ist.

375    Zunächst ergibt sich zur Gefahr der Quersubventionierung von Grundversorgungsverträgen hin zu Sonderverträgen aus Rn. 292 des angefochtenen Beschlusses, dass die Kommission geprüft hat, ob die am Zusammenschluss Beteiligten erhebliche, auf dem Grundversorgungsmarkt erzielte Gewinne verwenden könnten, um auf dem Markt für Sonderverträge eine sehr aggressive Preispolitik zu subventionieren und zu stützen. Hierzu hat die Kommission die Auffassung vertreten, dass diese Schadenstheorie wenig wahrscheinlich sei, da E.ON und Innogy diese Strategie angesichts des Umstands, dass sie schon vor dem Zusammenschluss über zwei der größten Kundenportfolios für die Grundversorgung verfügten, bereits umgesetzt hätten, wenn sie rentabel wäre. Die Kommission hat im Rahmen ihrer ersten Marktbefragung keine Anzeichen für dieses Verhalten gefunden und hat festgestellt, dass auf den Vergleichsportalen im Internet bestimmte Versorger, darunter Discounter und Stadtwerke, systematisch oder gelegentlich niedrigere Preise anböten als die am Zusammenschluss Beteiligten. Außerdem ist die Kommission angesichts kontinuierlicher Markteintritte und des Vorhandenseins einer großen Anzahl neuer Wettbewerber davon ausgegangen, dass diese Strategien nicht umgesetzt worden seien und dass sie, selbst wenn dies geschehen wäre, weder die Verdrängung von Wettbewerbern ermöglicht noch Markteintritte Dritter verhindert hätten.

376    Sodann hat die Kommission zur möglichen Verdrängung Dritter von Werbeflächen in Rn. 293 des angefochtenen Beschlusses geprüft, ob die am Zusammenschluss Beteiligten nach dem Zusammenschluss in den Rankings der Internet-Vergleichsportale alle vorderen Plätze belegen könnten. Sie hat festgestellt, dass E.ON nach dem Zusammenschluss die Preise ihrer Marken unter das optimale Niveau senken müsste, damit diese auf der ersten Seite des Internet-Vergleichsportals aufscheinen und so die Wettbewerber verdrängen würden. Es stehe fest, dass E.ON bereits vor dem Zusammenschluss über zahlreiche Marken und bedeutende finanzielle Ressourcen verfügt habe. Eine solche Strategie sei also nicht an den Zusammenschluss geknüpft.

377    Schließlich hat die Kommission angemerkt, dass es wenig glaublich sei, dass eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit der am Zusammenschluss Beteiligten auf dem deutschen Stromeinzelhandelsmarkt den Verbrauchern schaden würde (Rn. 297 des angefochtenen Beschlusses), insbesondere aufgrund des Umstands, dass der deutsche Stromeinzelhandelsmarkt zahlreiche Unternehmen angezogen habe und heute mit über 1 000 Versorgern sehr fragmentiert sei (Rn. 298 des angefochtenen Beschlusses), was eine erfolgreiche Verdrängungsstrategie äußerst unwahrscheinlich mache. Ebenso würden die niedrigsten Preise am Markt trotz der umfangreichen Mittel, über die die am Zusammenschluss Beteiligten bereits vor dem Zusammenschluss verfügten, oft von kleineren und neueren Wettbewerbern angeboten, nicht von den am Zusammenschluss Beteiligten (Rn. 299 des angefochtenen Beschlusses).

378    Der einzige Beweis, den die Klägerin vorgelegt hat, um den Feststellungen der Kommission entgegenzutreten, ist die LBD-Studie. Die Klägerin nennt zwar auch die Innoplexia-Studie, jedoch ist daran zu erinnern, dass deren Einschlägigkeit und Beweiswert aus den oben in Rn. 208 dargelegten Gründen begrenzt sind. Außerdem verweist die Klägerin auf diese Anlage, ohne jedoch hinreichend genau die Passage zu nennen, die ihre Ausführungen belegen soll.

379    Es ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 97, und vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, EU:T:2005:455, Rn. 57). Diese bloße Beweis- und Hilfsfunktion der Anlagen bedeutet, dass, soweit eine Anlage rechtliche Umstände enthält, auf die bestimmte in der Klageschrift vorgebrachte Klagegründe gestützt sind, diese Umstände unmittelbar in dem Schriftsatz, dem diese Anlage beigefügt ist, dargelegt oder in diesem Schriftsatz zumindest hinreichend bezeichnet werden müssen (Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 61). Folglich ist es nicht Sache des Gerichts, die Innoplexia-Studie zu prüfen, um dort Angaben zu finden, die die Ausführungen der Klägerin belegen.

380    Die LBD-Studie weist in ihrem Abschnitt 4.1 (S. 9 ff.) darauf hin, dass E.ON im Februar 2018 eine Preisrallye durchgeführt habe. Der Klägerin zufolge ist dies ein Nachweis für die Fähigkeit von E.ON, das gesamte Preisgefüge im Markt zu beeinflussen, und zeige, dass sie Preise mit negativen Margen anbiete, die kein kleinerer Versorger anwenden könne. Die Preise von Innogy lägen hingegen die meiste Zeit über jenen der „Top 5“, und sie verzeichne die höchsten Margen.

381    Es ist festzustellen, dass diese Studie in der Tat die Anwendung negativer Margen durch den Großteil der Versorger auf dem Markt für Stromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen zeigt. Dennoch kann dieser Studie zum einen nicht entnommen werden, dass E.ON nach dem Zusammenschluss besser in der Lage wäre, Preise mit negativen Margen anzubieten. Zum anderen ergibt das Anbieten von Preisen mit negativen Margen für die meisten Wettbewerber aus wirtschaftlicher Sicht nur bei Bestehen von Überkapazitäten oder im Fall eines Preiskampfs zur Disziplinierung des Marktes Sinn, um die weniger effizienten Wettbewerber zu verdrängen, woraufhin die Preise wieder steigen, was die Rückkehr positiver Margen für die am Markt Verbliebenen ermöglicht. Solche Umstände wurden jedoch nicht geltend gemacht.

382    Die Kommission thematisiert außerdem einen Fehler in der Methodik der LBD-Studie, da diese Studie Boni für den Vertragsabschluss auf das erste Lieferjahr umlege, nicht auf die gesamte Vertragsdauer, was sich direkt auf die Höhe der Margen für das erste Lieferjahr auswirke. In der mündlichen Verhandlung ist die Klägerin auf Nachfrage der Kritik der Kommission nicht sachdienlich entgegengetreten.

383    Die Klägerin hat somit nicht nachgewiesen, dass die Kommission hinsichtlich der Schaffung einer Kapazität oder von Anreizen für eine potenzielle Preisstrategie mit negativen Margen zur Verdrängung kleiner Wettbewerber oder zur Belegung aller vorderen Plätze im Ranking von Internet-Vergleichsportalen einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe.

384    Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Kommission die Märkte hinreichend geprüft hat und, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Zusammenschluss wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen in Deutschland nicht erheblich behindere.

385    Folglich ist die erste Rüge, mit der eine fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Märkte für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden in Deutschland geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

b)      Zweite Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Strom und Gasverteilungsmärkte

386    Mit der zweiten Rüge, die sich auf eine fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Strom‑ und Gasverteilungsmärkte stützt, macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Kommission die Auswirkungen der sich auf diesen Märkten entwickelten Geschäftstätigkeit unzureichend untersucht und auch offensichtlich falsch beurteilt habe.

387    Die Kommission, unterstützt durch E.ON, macht im Wesentlichen geltend, dass sie bei der Feststellung und Analyse des Sachverhalts hinsichtlich der Strom‑ und Gasverteilungsmärkte keinen Beurteilungsfehler begangen habe.

388    Als Erstes bringt die Klägerin vor, dass die am Zusammenschluss Beteiligten in der Lage seien, die Festlegung technischer und regulatorischer Standards zu beeinflussen. Daher ist zu prüfen, ob die Beurteilung der Kommission mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet ist, und zwar erstens hinsichtlich regulatorischer Bestimmungen der Bundesnetzagentur und zweitens hinsichtlich von anderen Organisationen und Verbänden festgesetzter Regeln.

389    Erstens stellt das Gericht zum Vorbringen der Klägerin, dass die Bundesnetzagentur künftig regulatorische Vorgaben vorrangig bzw. gar ausschließlich an den Belangen von E.ON orientieren müsse, vorab fest, dass die Kommission den Einfluss des Zusammenschlusses auf die von der Bundesnetzagentur vorgenommene Regulierung in den Rn. 253 ff. des angefochtenen Beschlusses geprüft hat. Aufgrund der Angaben der Bundesnetzagentur ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass es wenig wahrscheinlich sei, dass sich der Zusammenschluss erheblich auf die Fähigkeit der Bundesnetzagentur auswirken werde, Netztarife zu regulieren. Hierzu bringt die Klägerin nichts vor, was den Einfluss belegen würde, den E.ON ausüben könnte und der darüber hinaus von der Bundesnetzagentur selbst verneint wird. Sie erbringt auch keinen Nachweis dafür, wie ein solcher Einfluss für sich allein ein Anzeichen für eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs darstellen könnte.

390    Was zweitens den Einfluss auf wichtige Organisationen und Verbände betrifft, die Standards festlegen, hat die Kommission in den Rn. 246 ff. des angefochtenen Beschlusses geprüft, welchen Einfluss E.ON auf Regulierungsorganisationen und Normierungsverbände hat, insbesondere in Bezug auf das Forum Netztechnik/Netzbetrieb des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (Deutschland, im Folgenden: VDE). Auf der Grundlage des telefonischen Austauschs zwischen der Kommission und VDE am 17. Mai und am 24. Juli 2019 (Fn. 257 und 260 des angefochtenen Beschlusses) sowie der Eingaben der am Zusammenschluss Beteiligten vom 25. und 29. Juli 2019 (Fn. 258 und 259 des angefochtenen Beschlusses) hat die Kommission in Rn. 252 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass es unwahrscheinlich sei, dass der Zusammenschluss E.ON in die Lage versetzen werde, den Entscheidungsprozess von VDE betreffend die Festsetzung technischer Standards auf unzulässige Weise zu beeinflussen. Aus den Rn. 248 und 249 des angefochtenen Beschlusses ergibt sich nämlich, dass E.ON nach dem Zusammenschluss keine Mehrheit in den verschiedenen Lenkungskreisen hätte, die die Mitglieder der Projektgruppen bestimmten, die für alle technischen Standards verantwortlich seien, und dass E.ON nur in einer der Projektgruppen potenziell eine Mehrheit hätte erlangen können.

391    Es trifft zu, dass dieser Verband zu den von der Klägerin genannten zählt und dass die Kommission die Dynamik dieses bestimmten Verbandes als Beispiel herangezogen hat.

392    Insoweit muss das Gericht im Rahmen seiner Kontrolle auch prüfen, ob Versäumnisse der Kommission bei ihrer Untersuchung das Ergebnis der Prüfung in Frage stellen können, wonach der vorliegende Zusammenschluss keine ernstlichen Zweifel hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt aufwirft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2007, Sun Chemical Group u. a./Kommission, T‑282/06, EU:T:2007:203, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

393    Im vorliegenden Fall legt die Klägerin jedoch keine Beweise vor, die das Vorbringen stützen würden, wonach E.ON nach dem Zusammenschluss über eine Mehrheit in den Gremien anderer Verbände verfügen würde. Die Dokumente des Anhangs A.19, die das Bestehen dieser Mehrheiten belegen sollen, zeigen nur, dass E.ON und RWE in bestimmten Verbänden in Deutschland vertreten sind, beweisen jedoch keine entsprechende Mehrheit von E.ON. Jedenfalls zeigt die Klägerin nicht auf, wie eine mögliche Mehrheit von E.ON in der einen oder anderen dieser Organisationen wirksamen Wettbewerb erheblich behindern könnte.

394    Das Argument bezüglich des Einflusses auf die Bundesnetzagentur sowie auf andere Organisationen und Verbände ist daher zurückzuweisen.

395    Als Zweites bringt die Klägerin vor, dass E.ON infolge des Zusammenschlusses aufgrund ihrer verstärkten Nachfragemacht bei Netzequipment, Bau- und Planungsleistungen sowie Netzsoftware günstigere Konditionen erzielen werde.

396    Die Kommission hat dies in den Rn. 262 und 263 des angefochtenen Beschlusses geprüft. Was den Vorteil von E.ON gegenüber kleineren VNB betrifft, der darin bestehe, dass Dienstleister mit begrenzter Kapazität ihr in Bezug auf Netzdienste Priorität einräumen würden, hat die Kommission zum einen keine Engpässe bei der Erbringung von Netzdiensten feststellen können. Jedenfalls hat sie in den Rn. 234 und 235 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass E.ON und Innogy bereits vor dem Zusammenschluss bedeutsamer gewesen seien als der Großteil der anderen VNB.

397    Zum anderen ist sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kundenabschottung im Hinblick auf Zugang zu Netzdiensten der am Zusammenschluss Beteiligten unwahrscheinlich sei, da der Großteil der Netzdienste grundsätzlich lokal erbracht und eingekauft werde, so dass angesichts des Umstands, dass der Zusammenschluss geografisch komplementär sei, eine erhebliche Erhöhung des Einkaufsvolumens auf lokaler Ebene aufgrund des Zusammenschlusses wenig wahrscheinlich sei. Die Kommission hat außerdem angemerkt, dass die Dienstleistungen für VNB nur einen Teil der bestehenden Nachfrage für vorgelagerte Versorger ausmache.

398    Daraus ist abzuleiten, dass die Kommission den lokalen Charakter dieser Dienstleistungen berücksichtigt hat. Angesichts der detaillierten Prüfung der Kommission im Allgemeinen sowie der Prüfung aller Bedenken hinsichtlich der Netzdienste kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, nicht ausreichend ermittelt zu haben. In Wirklichkeit wirft die Klägerin der Kommission vielmehr vor, aus den ihr zur Verfügung stehenden Informationen und Beweisen keine anderen Schlüsse gezogen zu haben.

399    Der Klägerin zufolge hätte die Kommission also zu folgendem Ergebnis gelangen sollen: Erstens werde E.ON günstigere Preise und Konditionen erzielen, zweitens würden sich die Stromgroßhändler den Bedürfnissen von E.ON anpassen, drittens würden die Dienstleister E.ON Priorität einräumen, und viertens wären die Wettbewerber nicht in der Lage, die notwendigen unterstützenden Dienstleistungen nachzubilden. Sämtliche Bedenken der Klägerin sind jedoch rein spekulativ. Sie liefert keine ernst zu nehmenden Anhaltspunkte für die Plausibilität dieser Szenarien oder dazu, wie diese wirksamen Wettbewerb erheblich behindern könnten.

400    Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen der Klägerin zu den wettbewerbswidrigen Vorteilen, die E.ON in Bezug auf Netzdienste erlangen werde, zurückzuweisen.

401    Als Drittes macht die Klägerin geltend, dass die Kommission die Vergabe von Leitungsrechten zum Bau und Betrieb von Netzen nicht ausreichend untersucht und falsch beurteilt habe.

402    Hierzu hat die Kommission in den Rn. 224 bis 236 des angefochtenen Beschlusses eine gewisse Anzahl von hypothetischen Szenarien analysiert, in denen der Zusammenschluss den Gas- und Stromverbrauchern schaden könnte, darunter eine Verringerung des Wettbewerbs bei Konzessionsvergabeverfahren. Es steht fest, dass der Betrieb der Verteilernetze in Deutschland von den Kommunen organisiert wird, die im Wege von Konzessionsvergabeverfahren für einen durchschnittlichen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren Konzessionen für die Errichtung und den Betrieb der Strom- und Gasverteilernetze auf ihrem Gebiet an VNB vergeben (Rn. 224 und 225 des angefochtenen Beschlusses).

403    Die Klägerin bringt eine Reihe von Argumenten zu wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf diese Konzessionen vor.

404    Erstens regt sie an, dass die Kommission einen Untersuchungszeitraum von 20 Jahren vor dem Zusammenschluss hätte berücksichtigen müssen, um die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Konzessionen zutreffend prüfen zu können.

405    Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission in Rn. 224 des angefochtenen Beschlusses einräumt, dass die durchschnittliche Dauer der Konzessionsverträge 15 bis 20 Jahre beträgt. Dennoch war sie der Ansicht, dass eine Prüfung der in den fünf Jahren vor dem Zusammenschluss vergebenen Konzessionen für ihre Untersuchung ausreiche. Die Wahl dieses Zeitraums ermöglichte es der Kommission, über 1 000 Konzessionsvergabeverfahren einzusehen. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Daten hinsichtlich der derzeitigen und künftigen Marktverhältnisse mit der Zeit an Aussagekraft verlieren. Somit hat die Kommission, indem sie ihre Prüfung auf einen Zeitraum von ungefähr fünf Jahren vor dem Zusammenschluss beschränkt hat, den Wettbewerb im Hinblick auf Konzessionen ausreichend untersucht und keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

406    Zweitens macht die Klägerin geltend, dass E.ON dank ihrer Finanzkraft, ihrer Erfahrung und eventueller Synergieeffekte möglicherweise bessere Angebote für Konzessionen abgeben könne.

407    Hierzu hat die Kommission in Rn. 231 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die am Zusammenschluss Beteiligten die Konzessionsvergabeverfahren in erster Linie an Stadtwerke verloren hätten. Zumindest 90 % der Stromkonzessionen, die E.ON nicht erhalten habe, seien an öffentliche oder halb öffentliche Unternehmen vergeben worden, und mindestens 80 % der Konzessionen, die Innogy nicht erhalten habe, seien an Stadtwerke gegangen. Bei den Gaskonzessionen verhalte es sich ähnlich.

408    Zu den potenziellen Vorteilen aufgrund der gesteigerten Skaleneffekte hat die Kommission in Rn. 235 des angefochtenen Beschlusses außerdem festgestellt, dass die am Zusammenschluss Beteiligten vor dem Zusammenschluss deutlich größer gewesen seien als die Mehrheit der Wettbewerber, insbesondere die Stadtwerke. Insoweit seien die am Zusammenschluss Beteiligten bei Ausschreibungen vor allem erfolgreich gewesen, wenn es sich bei ihnen um den herkömmlichen Versorger gehandelt habe; beim Erwerb neuer Konzessionen seien sie nur mäßig erfolgreich gewesen.

409    Vor diesem Hintergrund war angesichts des Umstands, dass der Kommission kein Anhaltspunkt vorlag, dass die Stadtwerke neue Konzessionen an große Unternehmen verlören, die Schlussfolgerung angemessen, dass nicht genug darauf hindeute, dass mögliche Skaleneffekte oder frühere Erfahrungen mit der Teilnahme an solchen Ausschreibungen E.ON infolge dieses Zusammenschlusses einen wettbewerbswidrigen Vorteil verschaffen würden.

410    Hierzu hat die Klägerin mehrere hypothetische Szenarien präsentiert, ohne zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses existierende Beweise vorzulegen. Sie möchte ihre Argumente nämlich mit der BET‑Studie untermauern. Die Einschlägigkeit und der Beweiswert dieser Studie für die Beurteilung der Wettbewerbssituation zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sind aus den oben in Rn. 203 angeführten Gründen jedoch begrenzt. Im Übrigen verweist die Klägerin auf die S. 48 ff. dieser Studie und nimmt in ihrer Klageschrift ausdrücklich auf die Fragen Nrn. 39, 42 und 44 bis 47b Bezug. Zu Frage Nr. 39 vertraten 80 % der 87 antwortenden Unternehmen die Ansicht, dass es bei den am Zusammenschluss Beteiligten zu Synergieeffekten kommen könne. Es deutet jedoch nichts darauf hin, dass die Unternehmen, die auf die BET‑Studie geantwortet haben, meinten, dass diese Synergien wirksamen Wettbewerb erheblich behindern würden. Die Formulierung von Frage Nr. 42 enthält den Grundgedanken, dass die Synergien zu höheren Anforderungen an die Effizienz führen würden. Dafür liefert die Studie jedoch keinen Beweis. Auf dieser Grundlage gehen 71 % der antwortenden Unternehmen davon aus, diese Anforderungen nicht erfüllen zu können. Der Studie kann jedoch nicht eindeutig entnommen werden, ob diese Anforderungen tatsächlich Realität werden sollen. Insgesamt genügt der Hinweis, dass mehr als zwei Drittel der antwortenden Unternehmen im Hinblick auf Frage Nr. 43 bestätigen, dass ihnen die Konzessionen, die sie erhalten haben, nicht von E.ON oder Innogy streitig gemacht wurden. Dies bestätigt die Schlussfolgerungen der Kommission, dass der Wettbewerb zwischen den am Zusammenschluss Beteiligten im Hinblick auf Konzessionen sehr gering ist.

411    Die Klägerin hat also keinen ausreichend relevanten Anhaltspunkt für einen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission vorgelegt, der es ermöglichen würde, davon auszugehen, dass E.ON infolge des Zusammenschlusses in der Lage wäre, bessere Angebote für Konzessionen abzugeben, geschweige denn, dass es wettbewerbswidrig sein könnte, falls dieser Fall doch eintreten würde. Im Gegenteil: Selbst wenn E.ON aufgrund des Zusammenschlusses bessere Angebote abgeben könnte, könnte sich dies positiv auf den Wettbewerb auswirken. Wettbewerbsschädigende Auswirkungen wären theoretisch nur möglich, wenn die am Zusammenschluss Beteiligten auf lange Sicht in der Lage wären, den Markt zu monopolisieren, da sich kein Wettbewerber an die Kostenstruktur dieser Unternehmen anpassen könnte, wie von der Kommission zu Recht in Rn. 234 des angefochtenen Beschlusses erläutert.

412    Drittens ist die Klägerin der Ansicht, dass die am Zusammenschluss Beteiligten nahe Wettbewerberinnen seien, da sie zwischen 2010 und 2015 in über 100 Fällen im Wettbewerb um Konzessionen gestanden hätten. Hierzu genügt die Feststellung, dass die Kommission über 1 000 Konzessionsverfahren untersucht hat, die zwischen 2013 und 2017 stattgefunden haben, und in den Rn. 228 und 229 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass die am Zusammenschluss Beteiligten nicht in einem engen Wettbewerbsverhältnis stünden, da sie in weniger als 5 % der Fälle an den gleichen Ausschreibungen teilgenommen hätten. Aus Fn. 244 des angefochtenen Beschlusses ergibt sich auch, dass die Kommission geprüft hat, ob die am Zusammenschluss Beteiligten mittels Unternehmen, an denen sie Minderheitsbeteiligungen hielten, an solchen Ausschreibungen teilgenommen hatten. Die Kommission hat auch hinreichend nachgewiesen, dass es zwischen den am Zusammenschluss Beteiligten in den verschiedenen Konzessionsverfahren keine erheblichen Überschneidungen gab.

413    Was viertens die deutschlandweite Präsenz von E.ON betrifft, die ihr einen Vorteil verschaffen könnte, um sich aus Regionen, in denen sie bereits präsent ist, in Nachbarregionen zu begeben, hat die Kommission in Rn. 230 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass sich die Ausschreibungen, an denen die am Zusammenschluss Beteiligten zwischen 2013 und 2017 teilgenommen hätten, nicht auf eine bestimmte Region konzentriert und nicht durchgehend Gebiete in der Nähe der VNB-Gebiete von E.ON und Innogy betroffen hätten. Die Kommission hat in Rn. 231 des angefochtenen Beschlusses, auf die oben in Rn. 407 Bezug genommen wurde, außerdem festgestellt, dass die Stadtwerke einen starken Wettbewerbsdruck ausüben würden. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission die Enge des Wettbewerbsverhältnisses der am Zusammenschluss Beteiligten und den von den Stadtwerken ausgeübten Wettbewerbsdruck hinreichend untersucht hat.

414    Fünftens ist zwischen den Parteien unstreitig, dass ein Trend zur Rekommunalisierung besteht. Den Rn. 232 und 233 des angefochtenen Beschlusses ist zu entnehmen, dass die am Zusammenschluss Beteiligten und mehrere Unternehmen, die auf die erste Marktbefragung geantwortet haben, einen Trend zur Rekommunalisierung der Netze festgestellt haben. Die Klägerin verweist jedoch auf die Gefahr der Abschwächung dieses Trends in naher Zukunft aufgrund möglicher, von E.ON praktizierter gezielter Zermürbungsstrategien. Hierzu hat die Kommission in Rn. 236 des angefochtenen Beschlusses analysiert, durch welche Prozesstaktiken die Übertragung von Konzessionen, die die am Zusammenschluss Beteiligten verloren hätten, absichtlich verzögert werden könne (sham litigation).

415    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht bereits entschieden hat, dass eine Klage manchmal ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung sein kann. Dazu müssen zwei Kriterien kumulativ erfüllt sein. Als Erstes darf die Klage vernünftigerweise nicht als Geltendmachung der Rechte des in Rede stehenden Unternehmens verstanden werden und daher nur dazu dienen können, den Gegner zu belästigen. Als Zweites muss sie Teil eines Planes sein, mit dem der Wettbewerb beseitigt werden soll (vgl. Urteil vom 13. September 2012, Protégé International/Kommission, T‑119/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:421, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

416    Im vorliegenden Fall ist die Kommission in Rn. 236 des angefochtenen Beschlusses zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Taktiken nicht dem Zusammenschluss angelastet werden könnten, da dieser nicht geeignet sei, den am Zusammenschluss Beteiligten zusätzliche Anreize für die Nutzung solcher Strategien zu bieten. Selbst unterstellt, dass die Verwendung solcher Taktiken erwiesen wäre, hat die Klägerin nicht erläutert, inwiefern es nach dem Zusammenschluss größere Anreize für den Einsatz solcher Taktiken durch die am Zusammenschluss Beteiligten gäbe, und hat damit keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission nachgewiesen.

417    Sechstens bestreitet die Klägerin den Entscheidungsspielraum von Kommunen bei der Vergabe von Rechten. E.ON hat nämlich im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, dass die Kommunen bei der Auswahl, der Gewichtung und der Ausgestaltung der Vergabekriterien über einen großen Gestaltungsspielraum verfügen würden, insbesondere in Bezug auf die Berücksichtigung der kommunalen Interessen (Rn. 226 des angefochtenen Beschlusses). Insoweit steht fest, dass die Kommune die Vergabekriterien festlegt. Die Klägerin bestreitet jedoch, dass der Kommune bei der Auswahl, der Gewichtung und der Ausgestaltung dieser Kriterien ein Entscheidungsspielraum zukomme. Wenn jedoch das Vorbringen der Klägerin, dass die Kommunen bei der Auswahl keinen Entscheidungsspielraum hätten und dass die am Zusammenschluss Beteiligten effizienter seien und einen Vorteil aus ihrer Finanzkraft, den Skaleneffekten und ihrer Erfahrung mit Konzessionen zögen, richtig wäre, müssten die am Zusammenschluss Beteiligten bereits eine große Zahl an Konzessionen zulasten ihrer kleineren Wettbewerber erhalten haben, was – wie im Wesentlichen oben in Rn. 409 dargelegt – nicht der Fall ist. Jedenfalls erscheint es unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin keine konkreten Anhaltspunkte vorgelegt hat, sowie unter Berücksichtigung des normalen Ablaufs von Konzessionsverfahren nicht plausibel, dass die Kommunen keinen ausreichenden Entscheidungsspielraum haben, zumal einige der zu berücksichtigenden Kriterien subjektiv sind. So wurde, wie von der Kommission in Rn. 232 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, durch eine kürzlich erfolgte Änderung der gesetzlichen Bestimmungen zu Konzessionsausschreibungen, die 2017 umgesetzt wurde, die „Berücksichtigung kommunaler Interessen“ als legitimes Kriterium betreffend Konzessionsausschreibungen eingeführt.

418    Nach alledem ist die Kommission auf sämtliche Bedenken der Klägerin eingegangen und hat hinsichtlich der Konzessionen keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

419    Als Viertes hat die Klägerin zur Möglichkeit, als VNB Bundle-Produkte anzubieten, ihr Vorbringen nicht untermauert und keine Hinweise übermittelt, die die Schlussfolgerung erlauben würden, dass E.ON nach dem Zusammenschluss mehr Möglichkeiten hätte, Bundle-Produkte anzubieten. Es handelt sich lediglich um Spekulationen zu hypothetischen Szenarien. Die Klägerin erläutert insbesondere nicht, warum die am Zusammenschluss Beteiligten diese Möglichkeit nicht bereits hätten, obwohl sie schon in der gesamten Wertschöpfungskette als Netzbetreiberinnen präsent seien, warum die Wettbewerber nicht in der Lage seien, ebenfalls solche Angebote zu machen, oder welche wettbewerbswidrigen Auswirkungen gegebenenfalls zu erwarten wären.

420    Im Hinblick auf die Möglichkeit, Bundle-Produkte anzubieten, führt die Kommission in der Klagebeantwortung aus, dass der Netzbetrieb aufgrund gesetzlicher Vorgaben von den übrigen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgungsunternehmen unabhängig sei. Jedenfalls sei E.ON bereits vor dem Zusammenschluss finanzstark gewesen und habe Bundle-Produkte anbieten können, so dass ein solches Verhalten nicht durch den Zusammenschluss bedingt sei.

421    Als Fünftes bringt die Klägerin – ohne dies auf irgendeine Art und Weise zu belegen – vor, dass die Kommission die Wechselwirkungen aus Substitutions‑, Ketten- bzw. Dominoeffekten auf benachbarten, räumlich begrenzten Märkten nicht berücksichtigt habe. Die Klägerin erläutert indessen weder, inwiefern diese Gesichtspunkte maßgeblich seien, noch, inwiefern sie auf eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs schließen ließen.

422    Nach alledem ist die zweite Rüge, mit der die fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Strom‑ und Gasverteilungsmärkte geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

c)      Dritte Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Märkte für Messdienstleistungen und Elektromobilität

423    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Märkte für Messdienstleistungen und Elektromobilität nicht ausreichend und korrekt beurteilt habe.

424    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

1)      Märkte für Messdienstleistungen

425    Zu den Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Märkte für Messdienstleistungen ist anzumerken, dass die Kommission in Rn. 355 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass der Markt für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen der gMSB und die potenziellen Teilmärkte je nach gemessenem Gut auf der Ebene des Netzgebiets ebenfalls Monopole darstellten, da nur der Netzbetreiber berechtigt sei, eine Messstelle zu betreiben. Außerdem hat sie in Rn. 356 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass der Markt für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen der wMSB in Deutschland ein aufstrebender Markt sei und dass der gemeinsame Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten in Deutschland unter 5 % liege, auch bei einer weiteren Unterteilung der Teilmärkte. Die Kommission hat daraus geschlossen, dass sich der Zusammenschluss nicht auf diese Märkte auswirke.

426    Die Klägerin bringt mehrere Argumente zu wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Märkte für Messdienstleistungen vor.

427    Was erstens das Argument der Klägerin zu den Substitutions‑, Ketten- und Dominoeffekten betrifft, die aus der Stellung von E.ON als gMSB in den Kommunen resultieren könnten, in denen E.ON die Konzession zum Betrieb des Strom- und Gasverteilernetzes innehabe, ist dieses aus den gleichen Gründen wie oben in Rn. 421 dargelegt zurückzuweisen.

428    Jedenfalls hat die Kommission in den Rn. 406 bis 409 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen den vorgelagerten Märkten der von VNB betriebenen Strom‑ und Gasverteilernetze sowie den nachgelagerten Märkten für Messdienstleistungen durch wMSB in Deutschland beruhten. Sie hat nämlich darauf hingewiesen, dass der Zusammenschluss nichts daran ändere, das E.ON in der Lage sei, wMSB-Wettbewerber zu verdrängen, da die VNB vor und nach dem Zusammenschluss über lokale Monopole verfügten. Sie hat außerdem die Auffassung vertreten, dass die Anreize für Verdrängungen wenig ausgeprägt seien und aufgrund des Zusammenschlusses nicht merklich zunehmen würden, da erstens der gemeinsame Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten in Deutschland auf dem aufstrebenden Markt für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen durch wMSB unter 5 % betrage, sich der Markt zweitens noch in den Anfängen befinde und die Entwicklung insgesamt noch sehr schwach sei, es drittens auch Markteintritte aus anderen Bereichen gebe und viertens die VNB gesetzlich verpflichtet seien, einen Netzanschluss zu gewährleisten und das Netz diskriminierungsfrei zu verwenden. Daraus ergibt sich, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin die vertikalen Wirkungen zwischen diesen beiden Märkten geprüft hat.

429    Zweitens macht die Klägerin geltend, dass E.ON nach dem Zusammenschluss als gMSB mit 41 % der Entnahmestellen zur Nummer eins werde und unter Berücksichtigung der Netzlänge über einen Marktanteil von mindestens 44,14 % oder unter Berücksichtigung der Anzahl der versorgten Gemeinden über einen Marktanteil von über 50 % verfügen werde.

430    Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission bei der Definition des Marktes für Messdienstleistungen, wie oben in Rn. 335 ausgeführt, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat. Aus diesem Grund sind die Marktanteile der am Zusammenschluss Beteiligten als gMSB für die Prüfung des Marktes für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen durch wMSB nicht relevant.

431    Jedenfalls ist festzustellen, dass sich die Klägerin auf die Verwendung ihrer eigenen Daten beschränkt, ohne zu erläutern, weshalb die von der Kommission herangezogenen Daten falsch wären.

432    Es kann aber für den Nachweis, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, nicht genügen, dass die Klägerin andere Daten verwendet als die Kommission im angefochtenen Beschluss, ohne einen konkreten Anhaltspunkt zu liefern, aus dem sich ergäbe, dass die Berücksichtigung der Daten im angefochtenen Beschluss einen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 156).

433    Nach alledem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die von der Kommission verwendeten und für die Berechnung der Marktanteile relevanten Daten falsch waren. Folglich ist es ihr nicht gelungen, zu zeigen, dass die Kommission durch die Feststellung, dass der Zusammenschluss keine Auswirkungen auf die Märkte der gMSB und der wMSB habe, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

434    Drittens stellt das Gericht zur Leistungsfähigkeit, die erforderlich ist, um den Anforderungen an die personellen und technischen Ressourcen im Bereich der Messdienstleistungen Genüge zu tun, und zur bundesweiten Präsenz von E.ON fest, dass die Kommission mehrere Beurteilungen der Präsenz von Anbietern von White-Label-Dienstleistungen vorgenommen hat, die verfügbar wären, um den Betrieb von Messstationen zu gewährleisten.

435    Hinsichtlich einer möglichen Marktdefinition ist die Kommission in Rn. 358 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Zusammenschluss nicht auf den Markt für White-Label-Dienstleistungen oder potenzielle Teilmärkte auswirke. Hierzu ergibt sich aus Fn. 180 des angefochtenen Beschlusses, dass die Kommission die Auffassung vertreten hat, dass White-Label-Dienstleistungen –zumindest zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses und in naher Zukunft – wahrscheinlich hinsichtlich der Märkte eine Rolle spielen würden, auf denen gewisse Dienstleistungen verpflichtend zu erbringen seien, diese Erbringung aber ausgelagert werden könne. Folglich hat die Kommission einen Markt für White-Label-Dienstleistungen für die Messung von Gas und Strom nicht als wMSB-Markt betrachtet, da der wMSB-Markt noch am Anfang stehe und nur Akteure, die über entsprechende Eigenkapazitäten verfügten, diese Tätigkeit aufnehmen könnten. In Rn. 178 und Fn. 186 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission ausgeführt, dass für gMSB und wMSB erbrachte White-Label-Dienstleistungen wahrscheinlich nationale Reichweite haben könnten, da die Mehrheit, wenn nicht alle gMSB und wMSB lokal noch Monopolstellungen innehätten und für einen Kundenstamm einer bestimmten Größe ein größeres Gebiet abgedeckt werden müsse. Außerdem hat die Kommission in Rn. 359 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass der gemeinsame Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten auf einem potenziellen Teilmarkt für White-Label-Dienstleistungen für die Messung von Strom und Gas nicht über 5 % betrage.

436    Die Kommission hat in den Rn. 414 bis 417 des angefochtenen Beschlusses auch die vertikalen Wirkungen zwischen dem nachgelagerten gMSB-Markt und den vorgelagerten White-Label-Dienstleistungen beurteilt. Zum einen ist sie zu dem Schluss gekommen, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen diesen beiden Märkten beruhten, da auf den nachgelagerten Märkten gMSB lokale Monopole hätten, es daher keinen Wettbewerb gebe und der Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten an White-Label-Dienstleistungen weniger als 5 % betrage. Zum anderen ändere der Zusammenschluss auf den vorgelagerten Märkten weder etwas an der Möglichkeit, Anbieter von White-Label-Dienstleistungen zu verdrängen, da die gMSB lokal bereits Monopole hätten, noch an den Anreizen zur Abschottung, da diese unter Berücksichtigung der sehr schwachen Marktstellung der am Zusammenschluss Beteiligten auf dem vorgelagerten Markt der White-Label-Dienstleistungen und der geringfügigen Verbesserung aufgrund des Zusammenschlusses nicht wesentlich zunehmen würden.

437    Ebenso hat die Kommission in den Rn. 178 und 407 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass es Markteintritte gegeben habe und dass keine Zutrittsschranken bestünden. Somit würde kein wahrnehmbares Hindernis das Angebot dieser Dienstleistungen auf eine bestimmte Region beschränken, da die meisten gMSB und wMSB auch solche White-Label-Dienstleistungen erbrächten und neue Marktteilnehmer wie Telefónica oder Deutsche Telekom, die nicht Teil dieses Sektors seien, in den nationalen Markt einträten.

438    Insoweit legt die Klägerin keinen Beweis vor, der die Schlussfolgerungen der Kommission in Bezug auf die Anbieter von White-Label-Dienstleistungen, die ihr zufolge die Bedürfnisse jener gMSB und wMSB decken könnten, die nicht über die für das ordnungsgemäße Funktionieren der Messsysteme erforderlichen Kapazitäten verfügen, in Frage zu stellen vermag.

439    Zu dem Umstand, dass bestimmte potenzielle kommunale Wettbewerber aufgrund ihrer Satzung oder aufgrund des deutschen Kommunalrechts nur auf lokaler Ebene tätig werden können, hat die Kommission zu Recht die Auffassung vertreten, dass dies nur von untergeordneter Bedeutung für den Wettbewerb sei, da nur wenige Unternehmen von solchen absoluten Verboten betroffen seien.

440    Viertens hat die Kommission zu den angeblichen Vorteilen aus den Skaleneffekten und der Finanzkraft als gMSB in den Rn. 362 und 363 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass bestimmte Annahmen, insbesondere hinsichtlich der Kosten und der Skaleneffekte für E.ON und Innogy und andere Akteure, nicht belegt worden seien. Zur Untermauerung dieser Schadenstheorie verweist die Klägerin auf die LBD-Studie und auf die BET‑Studie.

441    Abbildung 7 auf S. 17 der LBD-Studie, auf die die Klägerin verweist, zeigt die Preisgestaltung für die Marken von Innogy im Grundversorgungsgebiet der LSW Energie GmbH & Co. KG. Die Klägerin erläutert aber nicht, wie diese Abbildung belegen könne, dass sich infolge des Zusammenschlusses aus den Skaleneffekten und der Kaufkraft Vorteile ergäben.

442    Gestützt auf die BET‑Studie, macht die Klägerin geltend, dass die Unternehmer, die auf die Befragung geantwortet hätten, erwarteten, dass sich der Markt für neue Marktteilnehmer verschließen werde. Die Einschlägigkeit und der Beweiswert dieser Befragung für die Beurteilung der Wettbewerbssituation zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sind jedoch aus den oben in Rn. 203 angeführten Gründen begrenzt. Darüber hinaus stehen die Antworten auf die Fragen Nrn. 62, 63, 65 und 71 in Bezug auf das Fehlen von Marktzutrittsschranken und den Eintritt neuer Wettbewerber in den Markt nicht im Widerspruch zu den oben in Rn. 437 dargelegten Feststellungen der Kommission.

443    Jedenfalls erläutert die Klägerin nicht, wie durch die LBD-Studie und die BET‑Studie die Schlussfolgerungen der Kommission in Bezug auf die fehlende Betroffenheit der Märkte für Messdienstleistungen und insbesondere die mangelnde Plausibilität der Behauptungen im Zusammenhang mit den Skaleneffekten in Frage gestellt werden sollen. In Rn. 363 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission nämlich der Behauptung widersprochen, dass nur bestimmte große Akteure in der Lage seien, Dienstleistungen zum Betrieb von intelligenten Messsystemen kosteneffizient zu erbringen. Sie hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass dies unwahrscheinlich sei, weil zunächst die Hardware für Smart-Meter-Gateways und die erforderliche Infrastruktur von mehreren unabhängigen Anbietern bereitgestellt würden, außerdem der kommerzielle Betrieb ab einer Zahl von 100 000 bis 300 000 intelligenten Messsystemen möglich sei, was einem Bruchteil der Gesamtzahl von Messsystemen entspreche, weil Anbieter mit weniger Messsystemen auch zusammenarbeiten könnten, um größere Skaleneffekte zu erzielen, und schließlich der Markteintritt großer Akteure von außerhalb des Energiesektors zeige, dass der Eintritt in den Markt und damit Wettbewerb möglich seien.

444    Somit sind die Argumente der Klägerin zum Markt für Messdienstleistungen zurückzuweisen.

2)      Markt für Elektromobilität

445    In Bezug auf den Markt für Elektromobilität wirft die Klägerin der Kommission als Erstes vor, die Wettbewerbssituation abseits von Autobahnen auf lokaler Ebene falsch beurteilt zu haben.

446    Hierzu merkt das Gericht zunächst an, dass die Kommission in Rn. 381 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass der gemeinsame Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten in Bezug auf Ladepunkte für Elektrofahrzeuge abseits von Autobahnen in Deutschland weniger als 20 % betrage, und zwar selbst dann, wenn man von separaten Märkten für Normal- bzw. Schnellladestationen ausgehe. Sodann hat die Kommission in Rn. 384 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die am Zusammenschluss Beteiligten nur sehr wenige öffentliche ultraschnelle Ladestationen abseits von Autobahnen betreiben würden und dass die Expansionspläne für ultraschnelle Ladestationen vieler großer Wettbewerber wie Allego, EnBW oder Ionity ähnlich umfassend seien wie jene der am Zusammenschluss Beteiligten oder sogar darüber hinausgingen. Außerdem hat die Kommission in Rn. 385 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass es auf nationaler Ebene mehrere gegenwärtige und zukünftige Wettbewerber wie die Deutsche Telekom oder Volkswagen gebe und dass Volkswagen ebenfalls angekündigt habe, in den Markt für Elektromobilität einsteigen zu wollen, und plane, bei ihren 4 000 Händlern und Servicepartnern in Europa öffentliche Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu schaffen. Schließlich hat die Kommission in Rn. 386 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass selbst in den 16 von ihr ermittelten lokalen Gebieten abseits von Autobahnen, in denen der gemeinsame Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten über 25 % betrage bzw. der Delta‑Wert des Herfindahl-Hirschman‑Indexes über 150 liege, der Zusammenschluss den Wettbewerb nicht erheblich behindern könne, da es erstens andere Wettbewerber gebe, darunter auch auf Elektromobilität spezialisierte Akteure und Stadtwerke, zweitens in einigen dieser Regionen Wettbewerber Expansionspläne angekündigt hätten, drittens die mit dem Zusammenschluss verbundene Kapazitätssteigerung häufig weniger als 10 % der Marktanteile ausmache und viertens einige der Gebiete, die sich in unmittelbarer Nähe von Großstädten oder anderen Kommunen befänden, dadurch unter Wettbewerbsdruck stünden.

447    Daraus ergibt sich, dass die Kommission eine kohärente und umfassende Prüfung der Wettbewerbselemente aus der Sicht des kleinsten denkbaren Marktes vorgenommen hat, insbesondere im Licht der Marktanteile der am Zusammenschluss Beteiligten, der Enge ihres Wettbewerbsverhältnisses, der Marktstruktur und der Marktzutrittsschranken, und dabei auch die Situation abseits von Autobahnen berücksichtigt hat.

448    Als Zweites bringt die Klägerin mehrere Argumente hinsichtlich wettbewerbswidriger Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Markt für Elektromobilität vor. So macht sie auf der Grundlage der BET‑Studie im Wesentlichen geltend, dass erstens kleinere Anbieter kein bundesweites Ladenetz aufbauen könnten, dass zweitens die Skaleneffekte, die E.ON durch den Zusammenschluss erziele, einen Verdrängungseffekt hätten und dass drittens durch den Wegfall von Innogy der Wettbewerb weitgehend beseitigt werde.

449    Hierzu ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass insbesondere aus den oben in Rn. 446 dargelegten Gründen der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte horizontale Wirkungen führen werde, die auf Überschneidungen der Tätigkeiten der am Zusammenschluss Beteiligten auf den Märkten der Errichtung und des Betriebs von Ladestationen abseits von Autobahnen in Deutschland beruhten.

450    In Bezug auf die Feststellungen der Klägerin, die auf die BET‑Studie gestützt sind, ist zur begrenzten Einschlägigkeit und zum begrenzten Beweiswert dieser Studie (siehe Rn. 203 oben) hinzuzufügen, dass sie die Wettbewerbssituation auf dem Markt für Elektromobilität nicht ausreichend repräsentativ darstellt, da sie nur Energieversorgungsunternehmen und VNB umfasst, obwohl in diesem Sektor auch Unternehmen aus anderen Sektoren tätig sind, wie die Deutsche Telekom, Volkswagen, Ionity, Shell oder BP, sowie auf Elektromobilität spezialisierte Unternehmen, wie Fastned, eLoaded, ChargePoint oder Allego.

451    Die Klägerin führt weiter aus, dass gemäß S. 19 der Präsentation der LBD Beratungsgesellschaft, die die Situation auf dem Markt am 9. Januar 2019 widerspiegele, der Marktanteil von E.ON nach dem Zusammenschluss schon jetzt 33 % betrage. Gemäß dieser Präsentation beträgt der gemeinsame Marktanteil von E.ON und Innogy eher 21,2 %. Die Klägerin erklärt jedoch nicht, woher die Differenz von 12 % stammt. Darüber hinaus zeigt diese Präsentation, auf die die Klägerin Bezug nimmt, auch die Präsenz mehrerer Wettbewerber mit nicht unerheblichen Marktanteilen, wie [vertraulich]. Diese Prozentsätze liegen im Bereich der Schätzungen der Kommission und stimmen mit ihren Schlussfolgerungen überein. Die Kommission geht nämlich davon aus, dass der Marktanteil von E.ON nach dem Zusammenschluss nicht mehr als 20 % betragen werde und dass es auf dem Markt mehrere Wettbewerber gebe.

452    Die Klägerin beschränkt sich jedenfalls auf die Verwendung ihrer eigenen Daten, ohne zu erläutern, weshalb die von der Kommission herangezogenen Daten falsch seien. Wie oben in Rn. 432 dargelegt wurde, kann es aber für den Nachweis, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, nicht genügen, dass die Klägerin andere Daten verwendet als die Kommission im angefochtenen Beschluss, ohne einen konkreten Anhaltspunkt zu liefern, aus dem sich ergäbe, dass die Berücksichtigung der Daten im angefochtenen Beschluss einen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission darstellt. Nach alledem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die von der Kommission verwendeten Daten unzutreffend sind.

453    Die Klägerin führt aus, dass die Monopolkommission (Deutschland) im Rahmen ihres 7. Sektorgutachtens Energie (2019) bedenkliche regionale Konzentrationen und einen Mangel an Wettbewerb auf lokaler Ebene aufgezeigt habe. Es ist darauf hinzuweisen, dass dieses Gutachten erst nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses erstellt wurde, so dass die Kommission nicht darüber verfügen konnte. Damit ist es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses gemäß der oben in Rn. 192 wiedergegebenen Rechtsprechung irrelevant. Auf jeden Fall stellt der in diesem Gutachten enthaltene Überblick über den Markt die oben in Rn. 446 wiedergegebene Analyse der lokalen Faktoren in keiner Weise in Frage. Das Gericht stellt fest, dass aus den S. 96 ff. dieses Gutachtens hervorgeht, dass der Markt für Elektromobilität ein aufstrebender Markt sei. Konkret heißt es in Punkt 244 dieses Gutachtens, dass, wie von der Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellt, „die zukünftige Entwicklung der Elektromobilität [zwar] nicht absehbar“ sei. Jedenfalls legt die Klägerin nicht dar, welche konkreten Aspekte dieses Beweises zeigen sollten, dass ein der Kommission zuzurechnender offensichtlicher Fehler vorliege.

454    Die Klägerin hat also nicht nachgewiesen, dass die Kommission in Bezug auf den Markt für Elektromobilität einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

455    Nach alledem ist die dritte Rüge, mit der eine fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Märkte für Messdienstleistungen und Elektromobilität geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

d)      Vierte Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen datengetriebener Kundenlösungen

456    Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission datengetriebene Kundenlösungen im Energiebereich in den Rn. 428 bis 432 des angefochtenen Beschlusses nur sehr stark verkürzt behandelt habe, insbesondere im Hinblick auf Big Data und innovative (Bundle‑)Produkte.

457    Was als Erstes Big Data betreffe, sei der verbesserte Zugang zu einer Vielzahl von Datensätzen, insbesondere im Rahmen der Verbreitung von intelligenten Messsystemen und der Etablierung eines Marktes für wMSB, ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, da diese Daten es ermöglichten, den Bedarf der Verbraucher einfacher zu identifizieren und Produkte und Dienstleistungen gezielter auf die Kunden zuzuschneiden. Insoweit habe E.ON eine umfassendere Kenntnis der Haushalts- und Kleingewerbekunden, des Nutzungs- und Ladeverhaltens der Nutzer von Ladeinfrastruktur und des wettbewerblichen Messstellenbetriebs. Nach Ansicht der Klägerin hat die Kommission diese Aspekte nicht ausreichend geprüft.

458    Als Zweites habe E.ON einen Wettbewerbsvorteil in Bezug auf innovative Lösungen und Bundle-Produkte.

459    Als Drittes erleichtere der breite Marktauftritt der am Zusammenschluss Beteiligten nach dem Zusammenschluss das Cross-Selling.

460    Die Kommission, unterstützt von E.ON, macht geltend, sie habe die Auswirkungen der datengetriebenen Kundenlösungen ausreichend geprüft, ohne einen Beurteilungsfehler zu begehen.

461    Es ist festzustellen, dass die Kommission in Abschnitt 7.4 des angefochtenen Beschlusses andere Schadenstheorien analysiert hat. Sie hat sich in den Rn. 422 bis 427 insbesondere mit Schadenstheorien im Zusammenhang mit dem Zugang zu Kundendaten und in den Rn. 428 bis 435 mit Bundle-Produkten für energiebezogene Dienstleistungen auseinandergesetzt.

462    Was als Erstes den Zugang zu Daten betrifft, hat die Kommission in Rn. 423 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass der Zusammenschluss E.ON keinen Zugang zu unterschiedlicheren Datentypen verschaffen würde, als ihn beide Beteiligte bereits vor dem Zusammenschluss gehabt hätten, sondern lediglich Zugang zu mehr Informationen der gleichen Art. Die Kommission hat daraus abgeleitet, dass Zugang zu mehr Informationen der gleichen Art nicht zwangsläufig einen Mehrwert biete und dass die möglichen Skaleneffekte dieser Informationen gering seien. Ebenso hat die Kommission in den Rn. 424 und 425 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass sich aus der ersten Marktbefragung ergebe, dass hinsichtlich der Mindestmenge und der Art der Daten, die für die Entwicklung neuer Energielösungen erforderlich seien, große Unsicherheit bestehe. Darüber hinaus hat die Kommission die Gefahr einer Verdrängung untersucht und festgestellt, dass aus der ersten Marktbefragung hervorgehe, dass mehrere Wettbewerber, darunter auch Stadtwerke, allein oder zusammen mit anderen Akteuren bereits verschiedene datengetriebene Lösungen anböten oder entwickelten. Die erste Marktbefragung und die internen Dokumente der am Zusammenschluss Beteiligten zeigten ebenso, dass große Unternehmen wie Google, Amazon, Samsung, Bosch und Phillips bereits Smart-Home- oder datenbezogene Dienstleistungen oder Produkte anböten oder dies beabsichtigten, auch in Zusammenarbeit mit kleinen Energieeinzelhändlern. Im Übrigen hat die Kommission in Rn. 427 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die Regulierung der Erhebung und Nutzung von Daten die Gefahr missbräuchlicher oder diskriminierender Verhaltensweisen vertikal integrierter Unternehmen verringern sollte.

463    Die Klägerin macht insoweit geltend, dass die Kommission den Zugang zu den Kundendaten nicht hinreichend geprüft habe, legt aber keinen Beweis dafür vor, dass E.ON unter Berücksichtigung des Umstands, dass sie bereits über einen umfassenden Zugang zu den Kundendaten verfügt habe, nach dem Zusammenschluss anders handeln könnte als vor dem Zusammenschluss. Die Klägerin legt auch keine Beweise dazu vor, worin der konkrete Schaden von besser auf die Kunden zugeschnittenen Angeboten bestünde. Außerdem könnten besser zugeschnittene Angebote an sich für die Verbraucher von Vorteil sein, wenn dies nicht zu einer Monopolisierung des Marktes durch Verdrängung der Wettbewerber vom Markt führt. In Ermangelung von Beweisen eines möglichen Verdrängungseffekts hat die Klägerin also nicht nachgewiesen, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

464    Was als Zweites die innovativen Lösungen und die Bundle-Produkte betrifft, hat die Kommission in den Rn. 432 bis 435 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass mehrere Wettbewerber, darunter einige kleine, bereits Bundle-Produkte anböten oder entwickelten und dass das Konzept der Produktbündelung in der Branche üblich sei. Sie hat darauf hingewiesen, dass diese Wettbewerber solche Lösungen allein oder in Zusammenarbeit mit anderen anböten, dass sich eine Reihe multinationaler Akteure für Bundle-Produkte und Energieplattformen interessiere und dass sie wahrscheinlich über Cross-Selling-Kapazitäten und über finanzielle Ressourcen verfügten, die mit denen der am Zusammenschluss Beteiligten vergleichbar seien. Schließlich seien einige dieser Unternehmen große, finanziell solide Unternehmen, die bereits auf den sogenannten „Business-to-Consumer“-Märkten (B2C) tätig seien, nämlich Unternehmen, die auf anderen Märkten auf bestimmte einzelne Kunden abzielten und daher bereits über einen großen Kundenstamm verfügten, für den sich Cross-Selling anbiete.

465    Insoweit macht die Klägerin keine Angaben zu Informationen, die der Kommission vor Erlass des angefochtenen Beschlusses zur Verfügung gestanden hätten und die Annahme zuließen, dass die Finanzkraft von E.ON, Bundling oder Cross-Selling oder noch allgemeiner die sich aus dem Zusammenschluss ergebenden innovativen Lösungen wettbewerbswidrige Auswirkungen haben könnten. Die Klägerin legt auch keine Beweise vor, die die Präsenz und den Markteintritt von Wettbewerbern, die Wettbewerbsdruck auf die am Zusammenschluss Beteiligten ausüben können, oder das Fehlen von Hindernissen für den Zugang oder die Expansion widerlegen würden. Ebenso wenig legt sie einen Beweis zur Stützung ihres Vorbringens vor, dass sich das Portfolio von E.ON nach dem Zusammenschluss aufgrund des Erwerbs bisher nicht verfügbarer Kapazitäten erweitern werde. Im Gegenteil: Die Portfolios von E.ON und Innogy waren vor dem Zusammenschluss geografisch komplementär, so dass E.ON nach diesem Zusammenschluss die gleichen Kapazitäten hat, nur an mehr Orten. Daraus ergibt sich, dass es sich bei den Argumenten der Klägerin um nicht belegte Annahmen handelt, die das erforderliche Beweismaß nicht erfüllen.

466    Nach alledem ist die vierte Rüge, mit der eine fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen datengetriebener Kundenlösungen geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

e)      Fünfte Rüge: von RWE und E.ON beschlossene Aufteilung der Strommärkte

467    Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass die Aufteilung der Stufen der Wertschöpfungskette im Bereich Strom zwischen E.ON und RWE eine verbotene Wettbewerbsbeschränkung darstelle, weil sie gegen Art. 101 AEUV verstoße.

468    Die Kommission, unterstützt von RWE, macht geltend, dass ihr keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV vorgelegen hätten.

469    Zur angeblichen Aufteilung des Strommarktes infolge der Gesamttransaktion macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass sich RWE und E.ON den Strommarkt durch diese Transaktion vollständig aufgeteilt hätten, was eine Wettbewerbsbeschränkung und einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV darstelle.

470    Wie sich aus Art. 21 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 ergibt, gilt diese Verordnung allein für Zusammenschlüsse im Sinne ihres Art. 3, auf die die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) grundsätzlich nicht anwendbar ist. Die letztgenannte Verordnung bleibt jedoch auf Verhaltensweisen von Unternehmen anwendbar, die zwar keinen Zusammenschluss im Sinne der Verordnung Nr. 139/2004 darstellen, aber gleichwohl zu einer gegen Art. 101 AEUV verstoßenden Koordinierung zwischen ihnen führen können und aus diesem Grund der Kontrolle durch die Kommission oder die nationalen Wettbewerbsbehörden unterliegen (Urteil vom 7. September 2017, Austria Asphalt, C‑248/16, EU:C:2017:643, Rn. 32 und 33).

471    Es ist unstreitig, dass der angefochtene Beschluss einen Zusammenschluss zum Gegenstand hat. Nach alledem geht die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV ins Leere.

f)      Sechste Rüge: Beurteilung der Auswirkungen der Verpflichtungszusagen

472    Die Klägerin macht geltend, dass die von E.ON angebotenen und von der Kommission für bindend erklärten Verpflichtungszusagen in Bezug auf Deutschland auf die Märkte für Heizstrom und für Ladestationen für Elektrofahrzeuge an Autobahnen beschränkt und nicht geeignet seien, die bestehenden Wettbewerbsbedenken auszuräumen.

473    Als Erstes betreffe die Abgabe von rund 260 000 Kunden auf dem Heizstrommarkt einen anderen Markt als den Markt für Stromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden, auf dem der Zusammenschluss den Wettbewerb schädige.

474    Als Zweites trage der Verzicht auf den Betrieb von 34 der mehr als 11 000 von E.ON vor dem Zusammenschluss an Autobahnen betriebenen Ladestationen nicht zum Schutz des Wettbewerbs bei.

475    Die Kommission hält diese Rüge für unzulässig, weil die Klägerin nicht erläutert habe, welche Verpflichtungen erforderlich gewesen wären. Hilfsweise macht die Kommission geltend, dass weiter reichende Verpflichtungen nicht erforderlich gewesen wären.

476    Es ist die Einrede der Unzulässigkeit der Kommission zu prüfen, wonach die Unzulässigkeit dieser Rüge darauf beruhe, dass die Klägerin nicht erläutert habe, welche Verpflichtungen erforderlich gewesen wären.

477    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es Sache der Klägerin ist, darzulegen, inwiefern die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Beurteilungen fehlerhaft sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Mai 2022, Wieland-Werke/Kommission, T‑251/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:296, Rn. 438).

478    Es ist auch darauf hinzuweisen, dass nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts die verfahrenseinleitende Klageschrift eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss. Diese Darstellung muss hinreichend klar und deutlich sein, um dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht gegebenenfalls ohne weitere Informationen die Entscheidung über die Klage zu ermöglichen. In der Klageschrift ist deshalb darzulegen, worin der Klagegrund besteht, auf den die Klage gestützt wird, so dass seine bloß abstrakte Nennung den Erfordernissen der Verfahrensordnung nicht entspricht. Das Gleiche gilt für eine zur Stützung eines Klagegrundes vorgebrachte Rüge (vgl. Urteil vom 18. Mai 2022, Wieland-Werke/Kommission, T‑251/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:296, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

479    Im vorliegenden Fall beschränkt sich die Klägerin auf das Vorbringen, dass die Verpflichtungszusagen die Wettbewerbsbedenken nicht ausräumten, erläutert aber nicht, warum dies so sei, und legt keinen Beweis dafür vor, dass die Verpflichtungszusagen ungeeignet seien, den im Verfahren zur Kontrolle des Zusammenschlusses festgestellten Problemen, ohne dass eine Mitteilung der Beschwerdepunkte erforderlich gewesen wäre, unmittelbar und ausreichend zu begegnen.

480    Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Klägerin nichts vorgetragen hat, um darzutun, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die von E.ON angebotenen Verpflichtungszusagen geeignet seien, den Zusammenschluss mit dem Binnenmarkt vereinbar zu machen. Aus diesem Grund war die Kommission nicht in der Lage, eine angemessene Verteidigung vorzubereiten, und das Gericht konnte nicht über die Frage befinden, ob die Kommission bei ihrer Prüfung der von E.ON angebotenen Verpflichtungszusagen einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

481    Diese Rüge ist daher für unzulässig zu erklären.

g)      Ergebnis zum dritten Teil des fünften Klagegrundes

482    Da alle Rügen zurückzuweisen sind, ist der dritte Teil des fünften Klagegrundes insgesamt zurückzuweisen.

6.      Ergebnis

483    Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin keine offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie davon ausging, dass der Zusammenschluss vorbehaltlich der Einhaltung der endgültigen Verpflichtungszusagen keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 gebe.

484    Daher ist der fünfte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

F.      Sechster Klagegrund: Verletzung der Sorgfaltspflicht

485    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe den relevanten Sachverhalt unter Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht nicht hinreichend ermittelt. So habe die Kommission nicht mit Umsicht und Sorgfalt die Umstände festgestellt, die sich auf das Ergebnis des Entscheidungsprozesses auswirken könnten, da ihre Ermittlungen unzureichend gewesen seien, insbesondere da sie es versäumt habe, wesentliche Umstände der Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden, des Verteilernetzbereichs und des innovativen Geschäfts zu untersuchen.

486    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

487    Nach ständiger Rechtsprechung kommt, soweit die Unionsorgane über einen Beurteilungsspielraum verfügen, wie bei der Kontrolle von Zusammenschlüssen, eine umso größere Bedeutung der Beachtung der Garantien zu, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt. Zu diesen Garantien gehören insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen, das Recht des Betroffenen, seinen Standpunkt zu Gehör zu bringen, und das Recht auf eine ausreichende Begründung der Entscheidung (Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14, und vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 31).

488    Auf dem Gebiet der Fusionskontrolle verfügt die Kommission nach gefestigter Rechtsprechung vor allem bei wirtschaftlichen Beurteilungen über einen Beurteilungsspielraum. Der Beachtung der durch die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährten Garantien durch die Kommission, zu denen die Sorgfaltspflicht gehört, die ihr auferlegt, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen, kommt daher auf diesem Gebiet eine umso größere Bedeutung zu (vgl. Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 164 und die dort angeführte Rechtsprechung).

489    Da die Kommission bei ihrem Handeln auf diesem Gebiet die Sorgfaltspflicht zu beachten hat, muss sie mit der gebührenden Sorgfalt die für die Ausübung ihres Beurteilungsspielraums maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände feststellen, indem sie die für die Ausnutzung dieses Spielraums unerlässlichen Fakten zusammenträgt, die erhebliche Auswirkungen auf das Ergebnis des Entscheidungsprozesses haben können. Diese Verpflichtung bedeutet, dass die Kommission erstens gehalten ist, sowohl die ihr von den Anmeldern als auch die ihr von am Verfahren aktiv beteiligten Dritten mitgeteilten Fakten und Informationen zu berücksichtigen, und dass sie zweitens diese Fakten gegebenenfalls durch Marktuntersuchungen oder an die Marktteilnehmer gerichtete Auskunftsverlangen ermitteln muss (Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 165).

490    Allerdings ist auf diesem Gebiet das Erfordernis der Beachtung der durch die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährten Garantien, zu der die Kommission verpflichtet ist, und damit auch das Erfordernis der Beachtung der Sorgfaltspflicht ebenso wie das Erfordernis der Beachtung der Begründungspflicht im Einklang mit dem Beschleunigungsgebot auszulegen, das die allgemeine Systematik der Verordnung Nr. 139/2004 kennzeichnet und der Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens die Einhaltung strenger Fristen auferlegt (vgl. Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 166 und die dort angeführte Rechtsprechung).

491    Im Licht der insbesondere im Rahmen des fünften Klagegrundes getroffenen Feststellungen kann nicht geleugnet werden, dass die Kommission alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen Umstände mit der gebührenden Sorgfalt geprüft hat, da sie alle Tatsachen und Informationen berücksichtigt hat, die sowohl von der Anmelderin als auch von den am Verfahren beteiligten Dritten übermittelt wurden. Die Kommission hat im Wege ihrer Marktbefragungen und ihres Auskunftsverlangens an die Marktteilnehmer auch eigene Nachforschungen angestellt. Im Übrigen geht aus dem angefochtenen Beschluss klar hervor, dass die Kommission die Ergebnisse dieser Untersuchungen berücksichtigt hat.

492    Der sechste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

G.      Antrag auf Vorlage von Unterlagen

493    In ihrer Klageschrift beantragt die Klägerin, die Kommission aufzufordern, zu den Gesprächen zwischen der Kommission und den am Zusammenschluss Beteiligten vor und während des Verfahrens zur Kontrolle der Zusammenschlüsse, zu der isolierten Anmeldung der Einzelteile der Transaktion und zum Meinungswechsel der Kommission im Verfahren die Vorgangsakten M.8870 und M.8871 vorzulegen.

494    Die Kommission legt dar, dass die Klägerin nicht ausführe, auf welche Anspruchsgrundlage sie ihr Akteneinsichtsbegehren stütze. Soweit die Klägerin einen Antrag nach der Verordnung Nr. 1049/2001 stellen möchte, sei dieser unzulässig, weil das Gericht für den Antrag nicht zuständig sei.

495    In ihrer Erwiderung erläutert die Klägerin im Wesentlichen, dass dieser Antrag als Antrag auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme im Sinne von Art. 88 der Verfahrensordnung zu verstehen sei. Hierzu bringt sie vor, den Gegenstand der beantragten Maßnahme und die sie rechtfertigenden Umstände hinreichend konkretisiert zu haben. Zu diesem Punkt vertritt sie die Ansicht, dass diese Vorlage der Dokumente für eine sachgerechte Überprüfung des angefochtenen Beschlusses erforderlich sei, weil die vorliegenden Angaben in der Begründung dieses Beschlusses allein für eine Überprüfung und Entscheidung des Gerichts bei Weitem nicht ausreichten.

496    Die Kommission entgegnet darauf in ihrer Gegenerwiderung, dass der Antrag der Klägerin sogar bei einer Auslegung als Antrag auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme zurückzuweisen sei. Zum einen sei der in Rede stehende Antrag nicht ausreichend präzise. Zum anderen sei er verspätet, da er erst im Rahmen der Erwiderung gestellt worden sei. Schließlich seien alle für die Prüfung durch das Gericht relevanten Gesichtspunkte bereits in das Verfahren eingebracht worden.

497    Es trifft zu, dass die Klägerin in der Klageschrift nicht erläutert, dass ihr Antrag als Antrag auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme im Sinne von Art. 88 Abs. 1 der Verfahrensordnung gedacht sei. Dennoch ergibt sich aus Rn. 29 der Klageschrift hinreichend klar, dass dieser Antrag für das vorliegende Verfahren gestellt wurde. Die Klägerin macht nämlich geltend, dass sie die Übermittlung der oben in Rn. 493 genannten Dokumente begehre, um dem Gericht eine wirksame Kontrolle des Verfahrens und des Entscheidungsprozesses der Kommission zu ermöglichen.

498    Folglich ist der Antrag der Klägerin als Antrag auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme im Sinne von Art. 88 Abs. 1 der Verfahrensordnung auszulegen.

499    Da dieser bereits in der Klageschrift gestellt wurde, ist er entgegen dem Vorbringen der Kommission zulässig.

500    Zur Notwendigkeit des Erlasses einer solchen prozessleitenden Maßnahme ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des Gerichts ist, zu entscheiden, ob es von seiner Befugnis zum Erlass einer prozessleitenden Maßnahme oder zur Durchführung einer Beweisaufnahme Gebrauch zu machen hat, um die vorliegenden Informationen zu ergänzen, wobei der Beweiswert der Verfahrensunterlagen seiner freien Würdigung des Sachverhalts unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 2009, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, C‑385/07 P, EU:C:2009:456, Rn. 163, und vom 11. Juni 2015, EMA/Kommission, C‑100/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:382, Rn. 80).

501    Im vorliegenden Fall wurde im Rahmen der Prüfung des zweiten Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen die Begründungspflicht geltend gemacht wird, festgestellt, dass der angefochtene Beschluss hinreichend begründet wurde, um es der Klägerin zu ermöglichen, die Gründe zu verstehen, die die Kommission zu seinem Erlass veranlasst haben, und das Gericht in die Lage zu versetzen, seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen. Darüber hinaus hat die Klägerin keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür vorgebracht, dass die beantragten Dokumente für das Verfahren zweckdienlich seien. Das Gericht vertritt daher die Ansicht, dass Zugang zu diesen Dokumenten für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht erforderlich ist.

502    Folglich ist dem Antrag der Klägerin auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme nicht stattzugeben.

IV.    Kosten

503    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr entsprechend den Anträgen der Kommission, von E.ON und RWE ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission, von E.ON und RWE aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die EnergieVerbund Dresden GmbH trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission, der E.ON SE und der RWE AG.

Van der Woude

Svenningsen

Mac Eochaidh

Martín y Pérez de Nanclares

 

Stancu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. Dezember 2023.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

M. van der Woude


Inhaltsverzeichnis


I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

A. In Rede stehende Unternehmen

B. Kontext des Zusammenschlusses

C. Verwaltungsverfahren

D. Angefochtener Beschluss

1. Definition der relevanten Märkte

a) Strommarkt

b) Gasmarkt

c) Markt für Messdienstleistungen

d) Markt für Elektromobilität

2. Prüfung der nicht koordinierten horizontalen Wirkungen

3. Prüfung der nicht koordinierten vertikalen Wirkungen

4. Andere Schadenstheorien

5. Ergebnis hinsichtlich der Auswirkungen des Zusammenschlusses

6. Verpflichtungszusagen

7. Ergebnis

II. Anträge der Parteien

III. Rechtliche Würdigung

A. Erster Klagegrund: fehlerhafte Aufspaltung der Untersuchung der Gesamttransaktion

B. Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

C. Dritter Klagegrund: Verletzung des Rechts der Klägerin auf Anhörung

D. Vierter Klagegrund: Verletzung des Rechts der Klägerin auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

E. Fünfter Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler

1. Vorbemerkungen

2. Gesichtspunkte, die die Kommission bei ihrer Prüfung berücksichtigt hat

a) Angaben, die von den am Zusammenschluss Beteiligten übermittelt wurden, und Gesamtheit der relevanten Daten

b) Erste Marktbefragung der Kommission

3. Erster Teil des fünften Klagegrundes: fehlerhafte Abgrenzung des Untersuchungszeitraums

4. Zweiter Teil des fünften Klagegrundes: fehlerhafte Definition der relevanten Märkte

a) Erste Rüge: fehlerhafte Definition der Märkte für Strom und Gaseinzelhandel

1) Definition des relevanten Produktmarktes

2) Definition des geografischen Marktes

b) Zweite Rüge: unvollständige Definition der Strom und Gasverteilungsmärkte

c) Dritte Rüge: fehlerhafte Definition der Märkte für Messdienstleistungen und Elektromobilität

1) Märkte für Messdienstleistungen

2) Märkte der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge

3) Markt für datengetriebene Kundenlösungen

d) Ergebnis zum zweiten Teil des fünften Klagegrundes

5. Dritter Teil des fünften Klagegrundes: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses

a) Erste Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Märkte für Strom und Gaseinzelhandel

b) Zweite Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Strom und Gasverteilungsmärkte

c) Dritte Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Märkte für Messdienstleistungen und Elektromobilität

1) Märkte für Messdienstleistungen

2) Markt für Elektromobilität

d) Vierte Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen datengetriebener Kundenlösungen

e) Fünfte Rüge: von RWE und E.ON beschlossene Aufteilung der Strommärkte

f) Sechste Rüge: Beurteilung der Auswirkungen der Verpflichtungszusagen

g) Ergebnis zum dritten Teil des fünften Klagegrundes

6. Ergebnis

F. Sechster Klagegrund: Verletzung der Sorgfaltspflicht

G. Antrag auf Vorlage von Unterlagen

IV. Kosten


*      Verfahrenssprache: Deutsch.


1 Nicht wiedergegebene vertrauliche Daten.