Language of document : ECLI:EU:T:2014:854

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

7. Oktober 2014(*)

„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001–Verfahrensakten und endgültiger Beschluss der Kommission über ein Kartell, nichtvertrauliche Fassung dieses Beschlusses – Verweigerung des Zugangs – Verpflichtung zur Vornahme einer konkreten und individuellen Prüfung – Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen eines Dritten – Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten – Überwiegendes öffentliches Interesse“

In der Rechtssache T‑534/11

Schenker AG mit Sitz in Essen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. von Hammerstein, B. Beckmann und C.‑D. Munding,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch M. Kellerbauer, C. ten Dam und P. Costa de Oliveira, dann durch M. Kellerbauer, P. Costa de Oliveira und H. Leupold als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Koninklijke Luchtvaart Maatschappij NV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Smeets,

durch

Martinair Holland NV mit Sitz in Haarlemmermeer (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Wesseling und M. Bredenoord-Spoek,

durch

Société Air France SA mit Sitz in Roissy-en-France (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen A. Wachsmann und S. Thibault-Liger,

durch

Cathay Pacific Airways Ltd mit Sitz in Queensway, Hongkong (China), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwalt B. Bär-Bouyssière, M. Rees, Solicitor, D. Vaughan, QC, und R. Kreisberger, Barrister, dann M. Rees, Solicitor, D. Vaughan, QC, und R. Kreisberger, Barrister,

durch

Air Canada mit Sitz in Québec (Kanada), Prozessbevollmächtigte: J. Pheasant, Solicitor, und Rechtsanwalt C. Wünschmann,

sowie durch

Lufthansa Cargo AG mit Sitz in Frankfurt am Main (Deutschland)

und

Swiss International Air Lines AG mit Sitz in Basel (Schweiz),

Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwalt S. Völcker und Rechtsanwältin E. Arsenidou, dann Rechtsanwälte S. Völcker und J. Orologas,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 3. August 2011, den Zugang zu den Verfahrensakten zum Beschluss C(2010) 7694 endgültig (Sache COMP/39.258 – Luftfracht), zur vollständigen Fassung dieses Beschlusses und zu seiner nichtvertraulichen Fassung zu verweigern,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen (Berichterstatter), der Richterin I. Pelikánová und des Richters E. Buttigieg,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2014

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Am 9. November 2010 erließ die Europäische Kommission den Beschluss C(2010) 7694 endgültig (Sache COMP/39.258 – Luftfracht) in einem Verfahren nach Art. 101 AEUV (im Folgenden: Luftfrachtbeschluss). In diesem nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) erlassenen Beschluss stellte die Kommission fest, dass mehrere Unternehmen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen hätten, indem sie an einem weltweiten Kartell im Bereich der Luftfrachtdienste (im Folgenden: Luftfrachtkartell) innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) teilgenommen hätten, und verhängte gegen diese Unternehmen Geldbußen in Höhe von insgesamt 799 445 000 Euro.

2        Am 21. April 2011 beantragte die Klägerin, die Logistikdienstleistungsgesellschaft Schenker AG, bei der Kommission gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) Zugang zur gesamten Akte des Verfahrens, in dem der Luftfrachtbeschluss ergangen war (im Folgenden: Luftfrachtakte), hilfsweise zur vollständigen Fassung des Luftfrachtbeschlusses und, äußerst hilfsweise, zur nichtvertraulichen Fassung dieses Beschlusses. Die Klägerin machte in ihrem Antrag geltend, sie habe ein besonderes Interesse an diesen Dokumenten, da zwei der Adressaten des Luftfrachtbeschlusses vor einem niederländischen Gericht Klage gegen sie erhoben hätten, um feststellen zu lassen, dass sie ihr gegenüber nicht wegen einer Verletzung des Wettbewerbsrechts schadensersatzpflichtig seien.

3        Mit Schreiben vom 25. Mai 2011 lehnte die Kommission diesen Antrag ab.

4        Am 15. Juni 2011 reichte die Klägerin nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 einen Zweitantrag mit dem Ziel ein, die Kommission möge ihren Standpunkt überprüfen (im Folgenden: Zweitantrag).

5        Mit Schreiben vom 3. August 2011 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) lehnte die Kommission den Zweitantrag ab.

6        In der angefochtenen Entscheidung bestimmte die Kommission zunächst den Gegenstand des Zweitantrags. Sie erklärte, der Antrag habe den gleichen Gegenstand wie der erste Antrag (Abschnitt 2 Abs. 3 der angefochtenen Entscheidung).

7        Anschließend prüfte die Kommission den Antrag auf Zugang zur Luftfrachtakte sowie den Antrag auf Zugang zur vollständigen Fassung des Luftfrachtbeschlusses und gesondert den Antrag auf Zugang zur nichtvertraulichen Fassung dieses Beschlusses (Abschnitt 2 Abs. 4 erster und zweiter Gedankenstrich der angefochtenen Entscheidung).

8        Hinsichtlich des Antrags auf Zugang zur Luftfrachtakte und auf Zugang zur vollständigen Fassung des Luftfrachtbeschlusses stellte die Kommission erstens fest, dass ihr die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1/2003 und die der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101 AEUV] und [102 AEUV] durch die Kommission (ABl. L 123, S. 18) verbieten würden, Informationen herauszugeben, die sie im Rahmen einer Untersuchung nach Art. 101 AEUV oder Art. 102 AEUV (im Folgenden: wettbewerbsrechtliche Untersuchung) erlangt habe. Dieses Verbot dürfe nicht auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 umgangen werden; Zweck des Verbots sei der Schutz des Systems der Anwendung der Wettbewerbsregeln sowie des Interesses der betroffenen Unternehmen daran, dass die von ihnen der Kommission gelieferten Informationen und vertrauliche Informationen nicht offengelegt würden. Im Übrigen ging die Kommission davon aus, dass eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit auch für die von der Klägerin „angeforderten Dokumente“ gelte (Abschnitt 3.1 der angefochtenen Entscheidung).

9        Zweitens sei der Luftfrachtbeschluss Gegenstand mehrerer beim Gericht anhängiger Nichtigkeitsklagen, so dass die Untersuchung, die zu diesem Beschluss geführt habe (im Folgenden: Luftfrachtuntersuchung), nicht als vollständig abgeschlossen betrachtet werden könne. Es sei nicht auszuschließen, dass das Gericht sie im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens betreffend die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Kommission auffordere, Dokumente aus ihrer Akte vorzulegen. Die Freigabe dieser Dokumente könnte das laufende Gerichtsverfahren beeinträchtigen. Ferner könnte die Kommission je nach Ausgang der beim Gericht anhängigen Verfahren gezwungen sein, die Luftfrachtuntersuchung wieder aufzunehmen. Daher würde die Verbreitung der „angeforderten Dokumente“ sie in ihrer Fähigkeit, frei von äußeren Einflüssen einen neuen Beschluss zu erlassen, einschränken und den Zweck ihrer Untersuchung beeinträchtigen (Abschnitt 3.2 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung).

10      Im Übrigen dürften die Unternehmen, die im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Untersuchung Informationen vorgelegt hätten, zu Recht darauf vertrauen, dass diese − abgesehen von der abschließenden, von Geschäftsgeheimnissen und anderen vertraulichen Informationen bereinigten Entscheidung − nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden. Bei den mit dem Zweitantrag „angeforderten Dokumenten“ handele es sich um „Dokumente hinsichtlich Erlass und Ermäßigung von Geldbußen“, Untersuchungsdokumente, Informationsanfragen und Antworten hierauf, um Mitteilungen der Beschwerdepunkte und Antworten auf diese Mitteilungen sowie um interne Dokumente der Kommission. Diese Dokumente entgegen der Vertraulichkeitsgarantie gemäß den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 zu verbreiten, würde diese Garantie unterlaufen und Unternehmen, die in Zukunft von Untersuchungen betroffen seien, dazu bewegen, ihre Kooperation auf ein Mindestmaß zu beschränken, was die Kommission daran hindern würde, die Wettbewerbsvorschriften wirksam durchzusetzen (Abschnitt 3.2 Abs. 2 bis 6 der angefochtenen Entscheidung).

11      Daraus zog die Kommission den Schluss, dass „diese Dokumente“ gänzlich unter die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 enthaltene Ausnahmeregelung zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten zu fassen seien (Abschnitt 3.2 Abs. 7 der angefochtenen Entscheidung).

12      Drittens enthielten die „beantragten Dokumente“ sensible Geschäftsinformationen, deren Verbreitung die Geschäftsinteressen der betroffenen Unternehmen im Sinne von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 beeinträchtigen würde. Es sei nicht möglich, den Inhalt dieser Informationen genauer zu erläutern, ohne diesen teilweise zu enthüllen und so den Zweck der Ausnahmeregelung dieser Bestimmung zu vereiteln (Abschnitt 3.3 der angefochtenen Entscheidung).

13      Viertens hätten zwar einige Wettbewerbsbehörden aus Drittländern Entscheidungen zum Luftfrachtkartell veröffentlicht, von denen einige dem Zweitantrag als Anlage beigefügt seien. Dies ändere aber entgegen dem Vorbringen der Klägerin im Zweitantrag nichts an dem Erfordernis, die Luftfrachtakte und die vollständige Fassung des Luftfrachtbeschlusses zu schützen (Abschnitt 3.4.1 der angefochtenen Entscheidung).

14      Fünftens sei es entgegen dem Vorbringen der Klägerin im Zweitantrag zum einen nicht erforderlich gewesen, jedes Dokument, zu dem der Zugang verweigert worden sei, individuell zu prüfen, da nach der Rechtsprechung eine Vertraulichkeit aller Dokumente vermutet werden dürfe. Zum anderen habe der Luftfrachtbeschluss nicht zum vollständigen Abschluss der Luftfrachtuntersuchung geführt (Abschnitt 3.4.2 der angefochtenen Entscheidung).

15      Sechstens fielen sämtliche „angeforderten Schriftstücke“ unter die Ausnahmeregelungen des Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001. Deshalb sei es nicht möglich, teilweisen Zugang zu diesen Dokumenten zu gewähren (Abschnitt 4 der angefochtenen Entscheidung).

16      Siebtens seien gemäß Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001 die in der vorstehenden Randnummer genannten Ausnahmen nicht anzuwenden, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse eine Verbreitung rechtfertige. Allerdings enthalte der Zweitantrag keine Argumente, die ein solches Interesse belegen könnten (Abschnitt 5 der angefochtenen Entscheidung).

17      Hinsichtlich des Antrags auf Zugang zur nichtvertraulichen Fassung des Luftfrachtbeschlusses führte die Kommission aus, dass diese Fassung in Vorbereitung sei. Zum einen nehme die Vorbereitung einer nichtvertraulichen Fassung eines Beschlusses nach Art. 101 AEUV beträchtliche Zeit in Anspruch. Zum anderen befinde sie sich mit den betroffenen Unternehmen im Gespräch über die Teile des Luftfrachtbeschlusses, die in der nichtvertraulichen Fassung nicht enthalten sein sollten. Schließlich sei, da diese Fassung noch nicht vorliege, der Antrag der Klägerin auf Zugang gegenstandslos. Die Kommission verpflichtete sich jedoch, der Klägerin eine solche Fassung zu übermitteln, sobald sie fertiggestellt sei (Abschnitt 2 Abs. 4 zweiter Gedankenstrich der angefochtenen Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

18      Mit Klageschrift, die am 10. Oktober 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

19      Mit Schriftsätzen, die am 13. und am 16. Januar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Koninklijke Luchtvaart Maatschappij NV, die Martinair Holland NV, die Société Air France SA, die Cathay Pacific Airways Ltd, Air Canada, die Lufthansa Cargo AG und die Swiss International Air Lines AG beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts hat diesen Anträgen mit Beschluss vom 24. April 2012 stattgegeben.

20      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Ersten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

21      Mit Schreiben vom 16. Januar 2014 hat das Gericht im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 seiner Verfahrensordnung schriftliche Fragen an die Parteien gerichtet, die diese fristgerecht beantwortet haben.

22      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. In der Sitzung vom 21. März 2014 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

23      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

24      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

25      Koninklijke Luchtvaart Maatschappij, Martinair Holland, Société Air France, Air Canada, Lufthansa Cargo und Swiss International Air Lines beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

26      Cathay Pacific Airways beantragt, die Klage abzuweisen.

 Rechtliche Würdigung

 Vorbemerkungen zum Inhalt der angefochtenen Entscheidung

27      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass, wie oben den Rn. 2 und 6 zu entnehmen ist, der Zweitantrag drei Anträge auf Zugang zu Dokumenten enthält; der erste und Hauptantrag betrifft die Luftfrachtakte, der zweite, hilfsweise gestellte Antrag betrifft die vollständige Fassung des Luftfrachtbeschlusses und der dritte, äußerst hilfsweise gestellte Antrag betrifft die nichtvertrauliche Fassung dieses Beschlusses.

28      Die Kommission lehnte den dritten dieser Anträge aus einem anderen Grund als dem ab, den sie für die Ablehnung der ersten beiden Anträge anführte, und zwar in einem einleitenden Abschnitt der angefochtenen Entscheidung, der u. a. der Bestimmung des Gegenstands des Zweiantrags gewidmet ist (Abschnitt 2 der angefochtenen Entscheidung).

29      In diesem einleitenden Abschnitt führte die Kommission aus, dass die Gründe für die Ablehnung der oben in Rn. 27 genannten ersten beiden Zugangsanträge in den folgenden Abschnitten der angefochtenen Entscheidung dargelegt würden.

30      In diesen folgenden Abschnitten, d. h. den Abschnitten 3 bis 5 der angefochtenen Entscheidung, wurden jedoch die oben in Rn. 27 genannten ersten beiden Zugangsanträge von der Kommission weder gesondert geprüft noch erwähnt. Soweit möglich, sind daher die von der Kommission in den genannten Abschnitten dargelegten Ablehnungsgründe dahin auszulegen, dass sie sich sowohl auf den Antrag auf Zugang zur Luftfrachtakte als auch den Antrag auf Zugang zur vollständigen Fassung des Luftfrachtbeschlusses beziehen.

31      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission diese Anträge zwar eindeutig aufgrund der Ausnahmeregelungen nach Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, die den Schutz der geschäftlichen Interessen bzw. den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten betreffen, ablehnte, sie jedoch auch zweimal den Schutz von Gerichtsverfahren erwähnte und ausführte, dass diese Verfahren durch die Verbreitung von Dokumenten wie der in den Zugangsanträgen der Klägerin in Rede stehenden beeinträchtigt werden könnten (vgl. Abschnitt 3.1 Abs. 7 und Abschnitt 3.2 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung).

32      Die Klägerin und einige Streithelferinnen haben daher in ihren Schriftsätzen auch Ausführungen zu der Frage gemacht, ob der beantragte Zugang den Schutz von Gerichtsverfahren im Sinne von Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 beeinträchtigen könnte. Die Klägerin hat jedoch keinen auf einen Verstoß gegen diese Bestimmung gestützten Grund für die Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung vorgebracht, und die Kommission hat vor dem Gericht nicht geltend gemacht, dass die angefochtene Entscheidung teilweise auf diese Bestimmung gestützt gewesen sei.

33      In diesem Punkt ist davon auszugehen, dass die Kommission, obschon sie den Schutz von Gerichtsverfahren in der angefochtenen Entscheidung erwähnte, die Ablehnung der Anträge auf Zugang zur Luftfrachtakte und zur vollständigen Fassung des Luftfrachtbeschlusses allein auf die Ausnahmeregelungen nach Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, die den Schutz der geschäftlichen Interessen bzw. den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten betreffen, nicht aber auf die Ausnahmeregelung nach Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich dieser Verordnung stützte.

34      In Abschnitt 3.2 Abs. 7, Abschnitt 3.3 Abs. 5 und Abschnitt 4 der angefochtenen Entscheidung gelangte die Kommission förmlich nämlich nur zu dem Schluss, dass die angeforderten Dokumente von den Ausnahmeregelungen nach Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 erfasst seien. Im Übrigen ging die Kommission in Abschnitt 5 Abs. 10 der angefochtenen Entscheidung als Ergebnis einer Abwägung, die sie gemäß Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil dieser Verordnung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Verbreitung der angeforderten Dokumente und den durch die in der angefochtenen Entscheidung herangezogene Ausnahmeregelung geschützten Interessen vorzunehmen hatte, davon aus, dass dem Interesse des Schutzes der geschäftlichen Interessen und des Schutzes des Zwecks der Untersuchungstätigkeit Vorrang einzuräumen sei. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der mündlichen Verhandlung nicht geltend gemacht hat, dass die angefochtene Entscheidung auf Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützt sei.

35      Die von der Klägerin zur Stützung ihrer Klage geltend gemachten Klagegründe sind im Licht der vorstehenden Erwägungen zu prüfen.

 Begründetheit

 Vorbemerkungen

36      Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf fünf Klagegründe, die in zwei Gruppen unterteilt werden können.

37      Mit den Klagegründen der ersten Gruppe wendet sich die Klägerin gegen die angefochtene Entscheidung, soweit die Kommission ihre Anträge auf Zugang zur Luftfrachtakte und zur vollständigen Fassung des Luftfrachtbeschlusses abgelehnt hat. Diese Gruppe umfasst die ersten vier Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund wird gerügt, dass die Kommission keine konkrete und individuelle Prüfung der Dokumente der Luftfrachtakte vorgenommen habe. Der zweite und der dritte Klagegrund betreffen einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 dadurch, dass die Kommission nicht begründet habe, dass eine Verbreitung der Luftfrachtakte und der vollständigen Fassung des Luftfrachtbeschlusses den Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person (zweiter Klagegrund) oder den Schutz des Zwecks ihrer Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigen würde (dritter Klagegrund). Der vierte Klagegrund schließlich betrifft einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001, da ein überwiegendes öffentliches Interesse bestehe, das die Verbreitung dieser Dokumente rechtfertige.

38      Die zweite Gruppe der Klagegründe umfasst den fünften Klagegrund. Mit diesem hilfsweise geltend gemachten Klagegrund wird im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 gerügt, da die Kommission der Klägerin keinen teilweisen Zugang zur Luftfrachtakte gewährt und ihr keine nichtvertrauliche Fassung des Luftfrachtbeschlusses übermittelt habe.

39      Es ist darauf hinzuweisen, dass ein Organ der Europäischen Union bei der Prüfung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten, die sich in seinem Besitz befinden, mehrere der in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 enthaltenen Ablehnungsgründe kumulativ berücksichtigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2012, Kommission/Éditions Odile Jacob, C‑404/10 P, Rn. 113 und 114).

40      Wie oben in den Rn. 27 bis 35 ausgeführt worden ist, ist die Kommission im vorliegenden Fall davon ausgegangen, dass die Luftfrachtakte und die vollständige Fassung des Luftfrachtbeschlusses sowohl unter die Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 betreffend den Schutz der geschäftlichen Interessen als auch unter die Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich dieser Verordnung betreffend den Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten fielen.

41      Die nichtvertrauliche Fassung des Luftfrachtbeschlusses hielt die Kommission für nicht von einer Ausnahme vom Recht auf Zugang zu Dokumenten erfasst, sondern sie beschränkte sich auf die Feststellung, dass diese Fassung noch nicht existiere und sie der Klägerin übersandt werde, sobald sie fertiggestellt sei.

 Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Pflicht, eine konkrete und individuelle Prüfung der Dokumente der Luftfrachtakte vorzunehmen

42      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 15 Abs. 3 AEUV jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsgemäßem Sitz in einem Mitgliedstaat vorbehaltlich der Grundsätze und Bedingungen, die gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren festgelegt werden, das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union hat. Die Verordnung Nr. 1049/2001 soll der Öffentlichkeit das Recht auf größtmöglichen Zugang zu den Dokumenten der Organe gewähren. Jedoch geht aus dieser Verordnung, insbesondere aus ihrem Art. 4, der insoweit eine Ausnahmeregelung enthält, ebenfalls hervor, dass dieses Zugangsrecht bestimmten Schranken aus Gründen des öffentlichen oder des privaten Interesses unterliegt (Urteil des Gerichtshofs vom 27. Februar 2014, Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, C‑365/12 P, Rn. 61).

43      Nach den von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung geltend gemachten Ausnahmen, nämlich den Ausnahmeregelungen des Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, verweigern die Unionsorgane, sofern kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung besteht, den Zugang zu einem Dokument, wenn durch dessen Verbreitung der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person oder der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten der Organe beeinträchtigt würde.

44      Daraus folgt, dass die in diesem Art. 4 vorgesehene Ausnahmeregelung auf einer Abwägung der in einer bestimmten Situation einander widerstreitenden Interessen beruht, nämlich zum einen der Interessen, die durch die Verbreitung der betreffenden Dokumente begünstigt würden, und zum anderen derjenigen, die durch diese Verbreitung gefährdet würden. Die Entscheidung, die über einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten getroffen wird, hängt davon ab, welchem Interesse im jeweiligen Fall der Vorrang einzuräumen ist (Urteil Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 63).

45      Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Luftfrachtakte und die vollständige Fassung des Luftfrachtbeschlusses unter Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten der Unionsorgane im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 fallen. Die in diesen Dokumenten enthaltenen Informationen wurden von der Kommission nämlich im Rahmen einer Untersuchung über die Anwendung von Art. 101 AEUV, deren Ziel darin bestand, Auskünfte und Nachweise zu sammeln, die ausreichen, um konkrete dieser Vorschrift zuwiderlaufende Verhaltensweisen zu unterbinden, entweder zusammengestellt oder ausgearbeitet.

46      Außerdem holt die Kommission in Anbetracht des Zwecks eines Verfahrens nach Art. 101 AEUV, mit dem überprüft werden soll, ob ein oder mehrere Unternehmen im Rahmen kollusiver Verhaltensweisen Verpflichtungen eingegangen sind, die geeignet sind, den Wettbewerb in erheblicher Weise zu beeinträchtigen, im Rahmen eines solchen Verfahrens sensible Geschäftsinformationen insbesondere über die geschäftlichen Strategien der beteiligten Unternehmen, die Höhe ihres Umsatzes, ihre Marktanteile und ihre Geschäftsbeziehungen ein, so dass der Zugang zu den Dokumenten eines solchen Verfahrens den Schutz der geschäftlichen Interessen dieser Unternehmen beeinträchtigen kann. Die Ausnahmen zum Schutz der geschäftlichen Interessen und des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten der Unionsorgane stehen daher im vorliegenden Fall in einem engen Zusammenhang (Urteil Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 79, und Urteil des Gerichts vom 13. September 2013, Niederlande/Kommission, T‑380/08, Rn. 34).

47      Um die Verweigerung des Zugangs zu einem Dokument zu rechtfertigen, genügt es zwar grundsätzlich nicht, dass dieses Dokument in Zusammenhang mit einer Tätigkeit oder einem Interesse steht, wie sie in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 erwähnt werden, da das betroffene Organ auch erläutern muss, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch eine in diesem Artikel vorgesehene Ausnahme geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte. Allerdings kann sich das Organ hierbei auf allgemeine Vermutungen stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten, da für Anträge auf Verbreitung von Dokumenten gleicher Art vergleichbare allgemeine Erwägungen gelten können (Urteile Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 64 und 65, und Niederlande/Kommission, oben in Rn. 46 angeführt, Rn. 35).

48      Es ist zu prüfen, ob sich hinsichtlich der Verfahren nach Art. 101 AEUV den Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004, die spezifisch das Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Akten der Kommission in diesen Verfahren regeln, eine solche allgemeine Vermutung entnehmen lässt.

49      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 in diesem Bereich andere Ziele verfolgen als die Verordnung Nr. 1049/2001, da sie die Wahrung der Verteidigungsrechte der betroffenen Parteien und eine sorgfältige Behandlung der Beschwerden unter gleichzeitiger Gewährleistung der Wahrung des Berufsgeheimnisses in den Verfahren nach Art. 101 AEUV sicherstellen, nicht aber die Ausübung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten so weit wie möglich erleichtern und eine gute Verwaltungspraxis durch die Gewährleistung der größtmöglichen Transparenz des Entscheidungsprozesses öffentlicher Stellen und der Informationen, auf denen deren Entscheidungen beruhen, fördern sollen (Urteile Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 83, und Niederlande/Kommission, oben in Rn. 46 angeführt, Rn. 30).

50      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin, wonach im Fall eines Widerspruchs zwischen der Verordnung Nr. 1049/2001 und einer anderen Regel des Unionsrechts die Bestimmungen dieser Verordnung vorgingen, enthalten die Verordnungen Nrn. 1049/2001 und 1/2003 keine Bestimmung, die ausdrücklich den Vorrang der einen vor der anderen vorsieht. Daher ist eine Anwendung beider Verordnungen sicherzustellen, die mit der Anwendung der jeweils anderen vereinbar ist und somit eine kohärente Anwendung ermöglicht (Urteile Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 84, und Niederlande/Kommission, oben in Rn. 46 angeführt, Rn. 31).

51      Zwar besteht rechtlich ein Unterschied zwischen dem Recht auf Einsicht in die Verwaltungsakte im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 101 AEUV und dem Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe aufgrund der Verordnung Nr. 1049/2001, in funktioneller Hinsicht führen beide jedoch zu einer vergleichbaren Situation. Denn unabhängig von der Rechtsgrundlage, auf der die Akteneinsicht gewährt wird, ermöglicht sie den Beteiligten, die bei der Kommission von den betroffenen Unternehmen und Dritten eingereichten Erklärungen und Dokumente zu erhalten (Urteile Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 89, und Niederlande/Kommission, oben in Rn. 46 angeführt, Rn. 32).

52      Art. 27 Abs. 2 und Art. 28 der Verordnung Nr. 1/2003 sowie die Art. 6, 8, 15 und 16 der Verordnung Nr. 773/2004 regeln die Verwendung der in der Akte eines Verfahrens nach Art. 101 AEUV enthaltenen Dokumente restriktiv, indem sie den Zugang zur Akte auf die „Parteien“ und die „Beschwerdeführer“, deren Beschwerde die Kommission abzuweisen beabsichtigt, beschränken, den Vorbehalt aufstellen, dass weder Geschäftsgeheimnisse oder weitere vertrauliche Informationen der Unternehmen noch interne Schriftstücke der Kommission und der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten verbreitet werden, und vorsehen, dass die zugänglich gemachten Dokumente nur für Gerichts- oder Verwaltungsverfahren zur Anwendung von Art. 101 AEUV verwendet werden dürfen (Urteile Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 86, und Niederlande/Kommission, oben in Rn. 46 angeführt, Rn. 38).

53      Daraus folgt nicht nur, dass die Parteien eines Verfahrens nach Art. 101 AEUV kein Recht auf unbeschränkten Zugang zu den Dokumenten der Kommissionsakte besitzen, sondern dass außerdem Dritte mit Ausnahme der Beschwerdeführer im Rahmen eines solchen Verfahrens über kein Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Kommissionsakte verfügen (Urteile Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 87).

54      Diese Überlegungen müssen in die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 einfließen. Wären nämlich andere als die nach den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 zur Akteneinsicht Berechtigten oder diejenigen, die ein solches Recht zwar grundsätzlich haben, davon aber keinen Gebrauch gemacht haben oder ablehnend beschieden worden sind, in der Lage, Zugang zu den Dokumenten auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 zu erhalten, wäre die mit den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 errichtete Akteneinsichtsregelung in Frage gestellt (Urteile Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 88, und Niederlande/Kommission, oben in Rn. 46 angeführt, Rn. 40).

55      Unter diesen Umständen könnte im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 101 AEUV ein allgemeiner Zugang aufgrund der Verordnung Nr. 1049/2001 zu dem Schriftverkehr zwischen der Kommission und den von diesem Verfahren betroffenen Parteien oder Dritten das Gleichgewicht gefährden, das der Unionsgesetzgeber in den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 zwischen der Verpflichtung der betroffenen Unternehmen, der Kommission möglicherweise sensible geschäftliche Informationen mitzuteilen, und der Gewährung eines wegen des Berufs- und des Geschäftsgeheimnisses verstärkten Schutzes der so der Kommission übermittelten Informationen sicherstellen wollte (Urteile Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 90, und Niederlande/Kommission, oben in Rn. 46 angeführt, Rn. 39).

56      Was die Verbreitung der von der Kommission im Rahmen der Verfahren nach Art. 101 AEUV gemäß ihren Mitteilungen über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, bzw. ABl. 2006, C 298, S. 11) gesammelten Informationen betrifft, könnte die Verbreitung dieser Informationen außerdem die potenziellen Kronzeugen davon abbringen, Erklärungen nach diesen Mitteilungen abzugeben. Sie könnten sich nämlich in einer weniger günstigen Situation wiederfinden als andere an dem Kartell beteiligte Unternehmen, die nicht oder weniger intensiv an der Untersuchung mitgewirkt haben (Urteil Niederlande/Kommission, oben in Rn. 46 angeführt, Rn. 41).

57      Folglich ist bei der Auslegung der Ausnahmeregelungen in Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 davon auszugehen, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin eine allgemeine Vermutung besteht, dass die Verbreitung der von der Kommission im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 101 AEUV gesammelten Informationen grundsätzlich den Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten der Unionsorgane sowie den Schutz der geschäftlichen Interessen der an einem solchen Verfahren beteiligten Unternehmen beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 92, und Niederlande/Kommission, oben in Rn. 46 angeführt, Rn. 42; vgl. entsprechend Urteil Kommission/Éditions Odile Jacob, oben in Rn. 39 angeführt, Rn. 123).

58      In Anbetracht der Art der im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 101 AEUV geschützten Interessen drängt sich die in der vorstehenden Randnummer gezogene Schlussfolgerung unabhängig davon auf, ob der Zugangsantrag ein bereits abgeschlossenes oder ein noch anhängiges Verfahren betrifft. Die Veröffentlichung sensibler Informationen zu den wirtschaftlichen Tätigkeiten der beteiligten Unternehmen kann deren geschäftliche Interessen unabhängig von einem laufenden Verfahren nach Art. 101 AEUV beeinträchtigen. Zudem könnte die Aussicht auf eine solche Veröffentlichung nach Abschluss dieses Verfahrens die Bereitschaft der Unternehmen zur Zusammenarbeit während des laufenden Verfahrens mindern (Urteil Niederlande/Kommission, oben in Rn. 46 angeführt, Rn. 43; vgl. entsprechend Urteil Kommission/Éditions Odile Jacob, oben in Rn. 39 angeführt, Rn. 124).

59      Im Übrigen können nach Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1049/2001 die Ausnahmen in Bezug auf die geschäftlichen Interessen und die sensiblen Dokumente für einen Zeitraum von 30 Jahren und erforderlichenfalls noch länger gelten (Urteil Kommission/Éditions Odile Jacob, oben in Rn. 39 angeführt, Rn. 125).

60      Die genannte allgemeine Vermutung schließt nicht die Möglichkeit aus, diese Vermutung für ein bestimmtes Dokument, um dessen Freigabe ersucht wird, zu widerlegen oder ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung dieses Dokuments gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 nachzuweisen (Urteile Kommission/Éditions Odile Jacob, oben in Rn. 39 angeführt, Rn. 126, Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 100, und Niederlande/Kommission, oben in Rn. 46 angeführt, Rn. 45).

61      Angesichts des Vorstehenden ist davon auszugehen, dass die Kommission entgegen dem wesentlichen Vorbringen der Klägerin nicht verpflichtet war, eine konkrete und individuelle Prüfung der Dokumente der Luftfrachtakte durchzuführen.

62      Mithin ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, soweit die Kommission angenommen hat, dass die Luftfrachtakte und die vollständige Fassung des Luftfrachtbeschlusses von der Ausnahme zum Recht auf Zugang zu Dokumenten wegen des Schutzes der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person erfasst seien

63      Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe nicht begründet, dass der Zugang zur Luftfrachtakte und zur vollständigen Fassung des Luftfrachtbeschlusses die geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person beeinträchtigen würde. Sie erinnert daran, dass sich der Luftfrachtbeschluss auf den Zeitraum von Dezember 1999 bis Februar 2006 beziehe. Die geschäftlichen Informationen seien allesamt nicht mehr aktuell und auch nicht mehr schutzwürdig. Die Kommission habe selbst in ihrer Mitteilung über die Regeln für die Einsicht in Kommissionsakten in Fällen einer Anwendung der Artikel [101 AEUV] und [102 AEUV], Artikel 53, 54 und 57 des EWR-Abkommens und der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 (ABl. 2005, C 325, S. 7) ausgeführt, dass generell Informationen, die älter als fünf Jahre seien, nicht länger vertraulich behandelt werden müssten.

64      Die Kommission, unterstützt durch die Streithelferinnen, tritt diesem Vorbringen entgegen.

65      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission unter Berücksichtigung der Ausführungen oben in Rn. 57 vermuten durfte, dass der Zugang zur Luftfrachtakte und zur vertraulichen Fassung des Luftfrachtbeschlusses die geschäftlichen Interessen der von der Luftfrachtuntersuchung betroffenen Unternehmen beeinträchtigen könne. Daher war die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht verpflichtet, spezifische Gründe hierfür anzugeben.

66      Sodann ist daran zu erinnern, dass, wie dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1049/2001 zu entnehmen und in der Rechtsprechung hervorgehoben worden ist (vgl. oben, Rn. 59), die Ausnahmen gemäß dieser Bestimmung, insbesondere die Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen, für einen Zeitraum von 30 Jahren und erforderlichenfalls noch länger gelten können.

67      Im vorliegenden Fall räumt die Klägerin selbst ein, dass sich der Luftfrachtbeschluss auf den Zeitraum von Dezember 1999 bis Februar 2006 bezieht, der weniger als 30 Jahre vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung liegt.

68      Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Dritter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, soweit die Kommission angenommen hat, dass die Luftfrachtakte und die vollständige Fassung des Luftfrachtbeschlusses von der Ausnahme zum Recht auf Zugang zu Dokumenten wegen des Schutzes des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten erfasst seien

69      Die Klägerin macht geltend, die Luftfrachtuntersuchung sei zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung trotz der vor dem Gericht anhängigen Verfahren über Klagen auf Nichtigerklärung des Luftfrachtbeschlusses abgeschlossen gewesen. Die Kommission habe daher zu Unrecht vermutet, dass die Verbreitung der Luftfrachtakte und der vollständigen Fassung des Luftfrachtbeschlusses den Schutz des Zwecks ihrer Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigen könnte.

70      Die Argumente der Klägerin sind zurückzuweisen, wie die Kommission und die Streithelferinnen zutreffend geltend machen. Wie oben in Rn. 57 ausgeführt, durfte die Kommission nämlich vermuten, dass der Zugang zur Luftfrachtakte und zum Luftfrachtbeschluss den Schutz des Zwecks ihrer Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigen könnte.

71      Im Übrigen ist hervorzuheben, dass, wie die Klägerin selbst bemerkt, zu dem Zeitpunkt, als die Kommission die angefochtene Entscheidung erließ, vor dem Gericht mehrere Verfahren zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Luftfrachtbeschlusses anhängig waren, nämlich die noch anhängigen Rechtssachen Air Canada/Kommission, T‑9/11, Koninklijke Luchtvaart Maatschappij/Kommission, T‑28/11, Japan Airlines/Kommission, T‑36/11, Cathay Pacific Airways/Kommission, T‑38/11, Cargolux Airlines/Kommission, T‑39/11, Lan Airlines und Lan Cargo/Kommission, T‑40/11, Singapore Airlines und Singapore Airlines Cargo PTE/Kommission, T‑43/11, Deutsche Lufthansa u. a./Kommission, T‑46/11, British Airways/Kommission, T‑48/11, SAS Cargo Group u. a./Kommission, T‑56/11, Air France KLM/Kommission, T‑62/11, Air France/Kommission, T‑63/11, und Martinair Holland/Kommission, T‑67/11.

72      Es ist daher festzustellen, dass die Kommission je nach Ausgang der in der vorstehenden Randnummer genannten verschiedenen Gerichtsverfahren veranlasst sein könnte, ihre Tätigkeiten wieder aufzunehmen, um möglicherweise eine neue Entscheidung zu erlassen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Éditions Odile Jacob, oben in Rn. 39 angeführt, Rn. 130). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin konnte die Luftfrachtuntersuchung zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung daher nicht als endgültig abgeschlossen angesehen werden.

73      Demnach ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

 Vierter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001, da ein überwiegendes öffentliches Interesse eine Verbreitung der Luftfrachtakte und der vollständigen Fassung des Luftfrachtbeschlusses rechtfertige

–       Vorbemerkungen

74      Aus Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001 geht hervor, dass die Unionsorgane den Zugang zu einem Dokument nicht verweigern, sofern seine Verbreitung durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist, selbst wenn diese Verbreitung, wie im vorliegenden Fall, den Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person oder den Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten der Unionsorgane beeinträchtigen würde.

75      In diesem Zusammenhang muss das besondere Interesse, das durch die Nichtverbreitung des betreffenden Dokuments geschützt werden soll, u. a. gegen das allgemeine Interesse an der Zugänglichmachung dieses Dokuments abgewogen werden, und zwar unter Berücksichtigung der Vorteile, die sich, wie im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1049/2001 ausgeführt, aus einer größeren Transparenz ergeben, nämlich einer besseren Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und einer größeren Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System (Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 2010, Agapiou Joséphidès/Kommission und EACEA, T‑439/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 136).

76      Wie oben in Rn. 16 angegeben, ging die Kommission in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass der Zweitantrag keine Argumente enthalte, die das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses belegten, das es rechtfertige, der Klägerin Zugang zur Luftfrachtakte oder zur vertraulichen Fassung des Luftfrachtbeschlusses zu gewähren.

77      Nach Ansicht der Klägerin ist diese Schlussfolgerung fehlerhaft. Hierzu führt sie im Wesentlichen vier Teile an. Diese Teile beziehen sich erstens auf das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses, das der Verbreitung der Dokumente über eine wettbewerbsrechtliche Untersuchung inhärent sei, zweitens auf die Notwendigkeit, die Dokumente zugänglich zu machen, die Schadensersatzklagen wegen des Verstoßes gegen Wettbewerbsvorschriften erleichterten, drittens auf den Grundrechtscharakter des Rechts auf Zugang zu Dokumenten und viertens auf die Berücksichtigung sämtlicher vorstehenden Argumente.

–       Erster Teil: Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses, das der Verbreitung der Dokumente über eine wettbewerbsrechtliche Untersuchung inhärent sei

78      Die Klägerin macht geltend, dass das öffentliche Interesse an der Zugänglichmachung der Dokumente über ein Kartell naturgemäß erheblich sei, da die Bürger ein Interesse an einem unverfälschten Wettbewerb hätten. Das Luftfrachtkartell betreffe nahezu die Gesamtheit eines wichtigen Wirtschaftszweigs und habe erhebliche Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts und schwerwiegende Konsequenzen für eine Vielzahl von Marktteilnehmern und für die breite Öffentlichkeit gehabt. Das Bestehen dieses öffentlichen Interesses rechtfertige die Verbreitung der Luftfrachtakte und des Luftfrachtbeschlusses.

79      Mit diesem Argument, dem die Kommission entgegentritt, beruft sich die Klägerin im Wesentlichen auf das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001 daran, die Gründe zu erfahren, aufgrund deren die Kommission ihre wettbewerbsrechtlichen Beschlüsse oder zumindest die „wichtigen“ Beschlüsse erlässt, eines Interesses, das sich systematisch zum einen gegen die geschäftlichen Interessen der betroffenen Unternehmen und zum anderen gegen das Interesse des Schutzes der Untersuchungstätigkeiten der Kommission durchsetze.

80      Insoweit ist davon auszugehen, dass die Öffentlichkeit in der Lage sein muss, vom Tätigwerden der Kommission auf dem Gebiet des Wettbewerbs zu erfahren, um sicherzustellen, dass Verhaltensweisen, die die Wirtschaftsteilnehmer Sanktionen aussetzen können, hinreichend genau zu identifizieren sind und außerdem die Entscheidungspraxis der Kommission nachvollziehbar ist, da diese eine wesentliche Bedeutung für das Funktionieren des Binnenmarkts hat, das alle Unionsbürger betrifft, seien sie Wirtschaftsteilnehmer oder Verbraucher.

81      Es besteht also ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, dass die Öffentlichkeit bestimmte grundlegende Elemente des Tätigwerdens der Kommission auf dem Gebiet des Wettbewerbs erfährt.

82      Entgegen dem wesentlichen Vorbringen der Klägerin verpflichtet das Bestehen dieses öffentlichen Interesses die Kommission jedoch nicht, auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 einen allgemeinen Zugang zu jeder im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 101 AEUV gesammelten Information zu gewähren.

83      Denn ein solcher allgemeiner Zugang könnte das Gleichgewicht gefährden, das der Unionsgesetzgeber in der Verordnung Nr. 1/2003 zwischen der Verpflichtung der betroffenen Unternehmen, der Kommission möglicherweise sensible geschäftliche Informationen mitzuteilen, und der Gewährung eines wegen des im Rahmen des Berufs- und des Geschäftsgeheimnisses verstärkten Schutzes der so der Kommission übermittelten Informationen sicherstellen wollte (vgl. Rn. 55 des vorliegenden Urteils).

84      Im Übrigen ergibt sich aus dem sechsten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1049/2001, dass das Interesse der Öffentlichkeit an der Zugänglichmachung eines Dokuments nach dem Transparenzgrundsatz nicht das gleiche Gewicht hat, je nachdem, ob es sich um ein Dokument eines Verwaltungsverfahrens oder ein Dokument über ein Verfahren handelt, in dem das Unionsorgan als Gesetzgeber tätig wird (Urteil Agapiou Joséphidès/Kommission und EACEA, oben in Rn. 75 angeführt, Rn. 139; vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 91).

85      Angesichts des Vorstehenden rechtfertigt das öffentliche Interesse, von der wettbewerbsrechtlichen Tätigkeit der Kommission zu erfahren, als solches weder die Verbreitung der Untersuchungsakte noch die der vollständigen Fassung des erlassenen Beschlusses, da diese Dokumente nicht notwendig sind, um die grundlegenden Elemente der Tätigkeit der Kommission wie das Ergebnis des Verfahrens und die Gründe, die ihr Tätigwerden geleitet haben, nachzuvollziehen. Die Kommission kann nämlich ein hinreichendes Verständnis dieses Ergebnisses und dieser Gründe insbesondere mittels der Veröffentlichung einer nichtvertraulichen Fassung des fraglichen Beschlusses gewährleisten.

86      Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Argument der Klägerin entkräftet, dass die Kommission mit der Veröffentlichung einer nichtvertraulichen Fassung eines Wettbewerbsbeschlusses lediglich eine besondere Verpflichtung erfülle, die sich von der Verpflichtung aus der Verordnung Nr. 1049/2001 unterscheide. Denn ob diese Veröffentlichung zwingend ist oder nicht, hat keinerlei Auswirkung auf die Frage, ob sie im öffentlichen Interesse liegt.

87      Die oben in Rn. 85 angeführte Schlussfolgerung wird auch nicht durch das Argument der Klägerin in Frage gestellt, wonach die Veröffentlichung der nichtvertraulichen Fassung des Luftfrachtbeschlusses ein Jahr nach seinem Erlass noch nicht erfolgt sei und weiter verzögert werden könnte, weil zwischen den betroffenen Unternehmen und der Kommission Meinungsverschiedenheiten über die als vertraulich anzusehenden Informationen bestünden.

88      Insoweit genügt der Hinweis, dass die Frage, ob die Kommission verpflichtet war, auf Antrag eine nichtvertrauliche Fassung des Luftfrachtbeschlusses zu übermitteln, im Rahmen des fünften Klagegrundes geprüft wird.

89      Der erste Teil des vierten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

–       Zweiter Teil: Notwendigkeit der Verbreitung der Dokumente, die die Durchsetzung von Schadensersatzklagen erleichtern

90      Die Klägerin hebt hervor, dass sie auf die Luftfrachtakte und die vollständige Fassung des Luftfrachtbeschlusses angewiesen sei, um ihre Chancen zu wahren, Ersatz für den ihr entstandenen Schaden zu erhalten. Die Kommission habe in ihrem Weißbuch über Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts vom 2. April 2008 (KOM[2008] 165) anerkannt, dass Schadensersatzklagen ein Mittel seien, einen funktionierenden Wettbewerb wiederherzustellen und zu fördern und vor der Bildung neuer Kartelle abzuschrecken. Die wirksame Durchsetzung solcher Ansprüche bewirke daher nicht nur den Schutz individueller Interessen, sondern habe eine generalpräventive, im öffentlichen Interesse liegende Funktion, wie in der Rechtsprechung anerkannt worden sei. Das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs gehe im vorliegenden Fall dem Interesse der Teilnehmer am Luftfrachtkartell am Schutz ihrer Geschäftsinformationen vor, wenn berücksichtigt werde, dass der Zugang zu Dokumenten ein Grundrecht sei. Jedenfalls seien die Interessen der Kartellteilnehmer aufgrund der Rechtswidrigkeit ihrer Handlungen nicht schutzwürdig.

91      Die Kommission, unterstützt durch die Streithelferinnen, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

92      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass jedermann berechtigt ist, Ersatz des Schadens zu verlangen, der ihm durch einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV entstanden ist. Ein solches Recht erhöht nämlich die Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln der Union und trägt damit zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Union bei (vgl. Urteil Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93      Derart allgemeine Erwägungen können jedoch als solche ihrer Art nach nicht schwerer wiegen als die Gründe, die die Verweigerung der Verbreitung der fraglichen Dokumente rechtfertigen (Urteil Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 105).

94      Um nämlich einen wirksamen Schutz des Rechts eines Antragstellers auf Schadensersatz zu gewährleisten, muss ihm nicht jedes zu einem Verfahren nach Art. 101 AEUV gehörende Schriftstück deshalb übermittelt werden, weil er eine Schadensersatzklage zu erheben gedenkt, denn es ist wenig wahrscheinlich, dass die Schadensersatzklage auf sämtliche Bestandteile der Akte dieses Verfahrens gestützt werden muss (Urteil Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 106).

95      Somit obliegt jedem, der Schadensersatz wegen Verstoßes gegen Art. 101 AEUV begehrt, der Nachweis, dass für ihn die Notwendigkeit des Zugangs zu dem einen oder anderen Dokument der Kommissionsakte besteht, damit die Kommission die Interessen, die die Übermittlung solcher Dokumente rechtfertigen, gegen die Interessen, die den Schutz dieser Dokumente rechtfertigen, in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte der Sache abwägen kann (Urteil Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 107).

96      Ist eine solche Notwendigkeit nicht gegeben, kann das Interesse an der Erlangung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen Art. 101 AEUV kein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 darstellen (Urteil Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 108).

97      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin in keiner Weise dargelegt, inwiefern der Zugang zu den Dokumenten der Luftfrachtakte oder zur vollständigen Fassung des Luftfrachtbeschlusses notwendig sei, so dass ein überwiegendes öffentliches Interesse deren Verbreitung gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 rechtfertigen würde.

98      Aus diesen Erwägungen folgt, dass dieser Teil zurückzuweisen ist.

–       Dritter Teil: Grundrechtscharakter des Rechts auf Zugang zu Dokumenten

99      Die Klägerin macht geltend, dass das Recht auf Zugang zu Dokumenten ein Grundrecht sei, dessen Schutz nicht nur dem Individualinteresse des Grundrechtsträgers diene. Das Unionsrecht sei von dem objektiven Gebot der Wahrung der Grundrechte geprägt, einem Erfordernis, das im allgemeinen öffentlichen Interesse stehe und daher auch bei der Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 zu berücksichtigen sei.

100    Mit diesem Argument macht die Klägerin in Wirklichkeit geltend, jeder Antrag auf Zugang zu Dokumenten sei als Ausprägung eines Grundrechts auf Transparenz Ausdruck eines überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001. Dies hätte zur Folge, dass die Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001, die ihren Inhalt verlören, nicht angewandt werden könnten.

101    Dieser Teil ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

–       Vierter Teil: Berücksichtigung aller vorstehenden Teile

102    Nach Ansicht der Klägerin zeigen die drei vorstehenden Teile zwar bereits, dass ein mehrfaches öffentliches Interesse bestehe, das jeweils isoliert betrachtet die Zugänglichmachung der Luftfrachtakte und der vollständigen Fassung des Luftfrachtbeschlusses schon rechtfertige; in Summe betrachtet mache es die Rechtfertigung jedoch noch augenfälliger.

103    Unter Berücksichtigung der Antwort auf die drei vorstehenden Teile ist auch dieser Teil zurückzuweisen.

104    Nach alledem ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

 Fünfter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001, da die Kommission der Klägerin teilweisen Zugang zur Luftfrachtakte hätte gewähren und ihr eine nichtvertrauliche Fassung des Luftfrachtbeschlusses hätte übermitteln müssen

105    Der vorliegende Klagegrund lässt sich in zwei Teile gliedern, deren erster die Pflicht der Kommission betrifft, der Klägerin teilweise Zugang zur Luftfrachtakte zu gewähren, und der zweite die Pflicht, ihr eine nichtvertrauliche Fassung des Luftfrachtbeschlusses zu übermitteln.

106    Die Kommission, unterstützt durch Air Canada und Société Air France, macht geltend, dass diese beiden Teile unbegründet seien.

–       Erster Teil: Pflicht der Kommission, der Klägerin teilweisen Zugang zur Luftfrachtakte zu gewähren

107    Nach Ansicht der Klägerin hat die Kommission, selbst wenn die Verweigerung des Zugangs zur vollständigen Luftfrachtakte gerechtfertigt gewesen wäre, gegen Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 verstoßen, indem sie ihr keinen teilweisen Zugang zu dieser Akte gewährt habe.

108    Insoweit genügt der Hinweis, dass die Dokumente der Luftfrachtakte von der oben in Rn. 57 angesprochenen allgemeinen Vermutung erfasst waren und dass kein überwiegendes öffentliches Interesse ihre Verbreitung rechtfertigte. Unter diesen Umständen sind diese Dokumente nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht von der Verpflichtung zur vollständigen oder teilweisen Verbreitung ihres Inhalts erfasst (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Enbw Energie Baden-Württemberg, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 134).

109    Damit ist dieser Teil zurückzuweisen.

–       Zweiter Teil: Pflicht der Kommission, der Klägerin eine nichtvertrauliche Fassung des Luftfrachtbeschlusses zu übermitteln

110    Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission, selbst wenn sie ihren Antrag auf Zugang zur vollständigen Fassung des Luftfrachtbeschlusses hätte ablehnen dürfen, ihrem Antrag auf Zugang zu einer nichtvertraulichen Fassung dieses Beschlusses hätte stattgeben müssen, was die Kommission bestreitet.

111    Nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 werden, wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der in diesem Artikel genannten Ausnahmen unterliegen, die übrigen Teile des Dokuments freigegeben. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Prüfung des teilweisen Zugangs zu einem Dokument der Organe der Union anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 6. Dezember 2001, Rat/Hautala, C‑353/99 P, Slg. 2001, I‑9565, Rn. 27 und 28).

112    Aus dem Wortlaut des in der vorstehenden Randnummer genannten Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 selbst ergibt sich, dass ein Organ zu prüfen hat, ob zu Dokumenten, die Gegenstand eines Zugangsantrags sind, ein teilweiser Zugang in der Form zu gewähren ist, dass eine etwaige Zugangsverweigerung auf die Angaben beschränkt wird, die von den betreffenden Ausnahmen gedeckt sind. Das Organ hat einen solchen teilweisen Zugang zu gewähren, wenn das von ihm mit der Verweigerung des Zugangs zum Dokument verfolgte Ziel dadurch erreicht werden kann, dass sich das Organ darauf beschränkt, die Stellen unkenntlich zu machen, die das geschützte öffentliche Interesse beeinträchtigen können (vgl. Urteil des Gerichts vom 25. April 2007, WWF European Policy Programme/Rat, T‑264/04, Slg. 2007, II‑911, Rn. 50, vgl. in diesem Sinne auch Urteil Rat/Hautala, oben in Rn. 111 angeführt, Rn. 29).

113    Aus Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil dieser Verordnung ergibt sich, dass, wenn das überwiegende öffentliche Interesse nach dieser letztgenannten Bestimmung die Verbreitung eines Teils eines Dokuments rechtfertigt, das Unionsorgan, an das sich der Zugangsantrag richtet, den Zugang zu diesem Teil freizugeben hat.

114    Aus den Rn. 80 und 81 des vorliegenden Urteils geht hervor, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse daran anzuerkennen ist, dass die Öffentlichkeit bestimmte grundlegende Elemente des Tätigwerdens der Kommission auf dem Gebiet des Wettbewerbs erfährt; dazu bedarf es der Verbreitung von Informationen, anhand deren u. a. das Ergebnis des Verfahrens und die Gründe, die die Tätigkeit der Kommission geleitet haben, nachvollzogen werden können.

115    Um die hierfür notwendigen Informationen zu identifizieren, ist zu berücksichtigen, dass die Kommission nach Art. 30 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1/2003 den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse zwar Rechnung tragen muss, sie aber die Entscheidungen, die sie nach Art. 7 dieser Verordnung erlässt, gleichwohl unter Angabe der Beteiligten und des wesentlichen Inhalts der Entscheidung einschließlich der verhängten Sanktionen zu veröffentlichen hat. Denn eingedenk des Erfordernisses einer kohärenten Anwendung der Verordnungen Nrn. 1049/2001 und 1/2003 (siehe oben, Rn. 50) kann die Kommission die Übermittlung eines Dokuments, das sie jedenfalls nach der Verordnung Nr. 1/2003 zu veröffentlichen hatte, nicht nach der Verordnung Nr. 1049/2001 verweigern.

116    Daher kann dem oben in Rn. 114 dargelegten überwiegenden öffentlichen Interesse an der Verbreitung nicht durch die bloße Veröffentlichung einer Pressemitteilung nachgekommen werden, mit der über den Erlass des fraglichen Beschlusses informiert wird, und zwar selbst dann nicht, wenn – wie hier – diese Mitteilung kurz die festgestellte Zuwiderhandlung beschreibt, die Unternehmen nennt, die als für diese Zuwiderhandlung verantwortlich befunden wurden, und die Höhe der gegen sie jeweils verhängten Geldbuße angibt, da eine solche Mitteilung nicht den wesentlichen Inhalt der nach Art. 7 der Verordnung Nr. 1/2003 erlassenen Entscheidungen wiedergibt. Das überwiegende öffentliche Interesse erfordert die Veröffentlichung einer nichtvertraulichen Fassung dieser Entscheidungen.

117    Die Kommission war daher verpflichtet, der Klägerin auf ihren Antrag hin eine nichtvertrauliche Fassung des Luftfrachtbeschlusses zukommen zu lassen, was einen teilweisen Zugang zu diesem Beschluss im Sinne von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 darstellt.

118    Wie oben in Rn. 17 ausgeführt, hat die Kommission den Antrag auf Zugang zur nichtvertraulichen Fassung des Luftfrachtbeschlusses in Abschnitt 2 Abs. 4 zweiter Gedankenstrich der angefochtenen Entscheidung geprüft. Die Kommission äußerte sich wie folgt:

„Hinsichtlich Ihres zweiten Hilfsantrages muss ich Sie darüber informieren, dass eine nichtvertrauliche Fassung [des Luftfrachtbeschlusses] noch nicht erstellt wurde. Die Kommissionsdienste bereiten derzeit diese nichtvertrauliche Fassung vor; die Gespräche mit den Betroffenen über die Frage, welche Teile von der Veröffentlichung auszuschließen sind, dauern an. Wie Sie wissen, benötigt das Verfahren der Erstellung einer nichtvertraulichen Fassung einer Kartellentscheidung erhebliche Zeit. Da eine solche nichtvertrauliche Fassung derzeit nicht existiert, ist Ihr Antrag nach [der] Verordnung [Nr.] 1049/2001 gegenstandslos. Wir werden Ihnen jedoch eine Kopie der nichtvertraulichen Fassung übersenden, sobald diese fertig gestellt ist.“

119    Die Klägerin macht geltend, dass diese Passage der angefochtenen Entscheidung wörtlich auszulegen sei und folglich bedeute, dass die Kommission ihren Antrag auf Zugang zur nichtvertraulichen Fassung des Luftfrachtbeschlusses allein deshalb abgelehnt habe, weil diese Fassung nicht existiere.

120    Wie die Klägerin ausführt, könnte die Kommission, würde ein solcher Ablehnungsgrund zugelassen, systematisch den teilweisen Zugang zu jedem Dokument verweigern, das vertrauliche Informationen enthält. Die Gewährung eines teilweisen Zugangs erfordert in der Praxis nämlich die Vorbereitung einer nichtvertraulichen Fassung des angeforderten Dokuments, und daher könnte die Kommission sich jedes Mal mit der Feststellung begnügen, dass es diese Fassung nicht gebe.

121    Die Kommission hat sich allerdings verpflichtet, der Klägerin eine Kopie der nichtvertraulichen Fassung des Luftfrachtbeschlusses zu übersenden, sobald diese fertiggestellt sei. Daher hat die Kommission den Antrag der Klägerin auf Zugang zu einer nichtvertraulichen Fassung in der angefochtenen Entscheidung nicht wirklich mit der Begründung abgelehnt, dass es diese Fassung nicht gebe, sondern mit der Begründung, dass der Zugang zu dieser Fassung erst zu einem späteren und unbestimmten Zeitpunkt gewährt werden könne.

122    Die Kommission macht geltend, sie sei nicht in der Lage gewesen, zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung der Klägerin eine nichtvertrauliche Fassung des Luftfrachtbeschlusses zu übermitteln, da es zunächst erforderlich gewesen sei, mit den von dem Luftfrachtbeschluss betroffenen Unternehmen die Informationen zu erörtern, die in der vertraulichen Fassung des Beschlusses unkenntlich zu machen seien.

123    Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmt in diesem Zusammenhang:

„Ein Zweitantrag ist unverzüglich zu bearbeiten. Binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Registrierung eines solchen Antrags gewährt das Organ entweder Zugang zu dem angeforderten Dokument und macht es innerhalb dieses Zeitraums gemäß Artikel 10 zugänglich oder teilt schriftlich die Gründe für die vollständige oder teilweise Ablehnung mit. Verweigert das Organ den Zugang vollständig oder teilweise, so unterrichtet es den Antragsteller über mögliche Rechtsbehelfe, das heißt Erhebung einer Klage gegen das Organ und/oder Einlegen einer Beschwerde beim Bürgerbeauftragten nach Maßgabe der Artikel [263 AEUV] bzw. [228 AEUV].“

124    Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung sieht vor:

„In Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem Antrag auf Zugang zu einem sehr umfangreichen Dokument oder zu einer sehr großen Zahl von Dokumenten, kann die in Absatz 1 vorgesehene Frist um fünfzehn Arbeitstage verlängert werden, sofern der Antragsteller vorab informiert wird und eine ausführliche Begründung erhält.“

125    Die Frist nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 ist zwingend und kann außer unter den in Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung vorgesehenen Umständen nicht verlängert werden, ohne diesem Artikel seine praktische Wirksamkeit zu nehmen, denn der Antragsteller wüsste dann nicht mehr genau, wann er die Klage erheben oder die Beschwerde einlegen kann, auf die in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung verwiesen wird (vgl. Urteil des Gerichts vom 10. Dezember 2010, Ryanair/Kommission, T‑494/08 bis T‑500/08 und T‑509/08, Slg. 2010, II‑5723, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

126    Somit sehen die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung keine Möglichkeit der Kommission vor, einen Zweitantrag dahin zu bescheiden, dass der Zugang zu dem angeforderten Dokument zu einem späteren und nicht genannten Zeitpunkt gewährt werde.

127    Der Unionsrichter ist jedoch davon ausgegangen, dass bestimmte wettbewerbsrechtliche Vorschriften, die entweder einen Zugang der von einer Untersuchung betroffenen Unternehmen zur Kommissionsakte oder die unverzügliche Übermittlung durch die Kommission von Informationen in ihrem Besitz an die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten vorsehen, unter Berücksichtigung des allgemeinen Grundsatzes des Rechts der Unternehmen auf Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse, der in Art. 339 AEUV zum Ausdruck kommt, auszulegen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 24. Juni 1986, AKZO Chemie und AKZO Chemie UK/Kommission, 53/85, Slg. 1986, 1965, Rn. 28, und vom 19. Mai 1994, SEP/Kommission, C‑36/92 P, Slg. 1994, I‑1911, Rn. 36).

128    Wie die Kommission und einige Streithelferinnen ausgeführt haben, ergibt sich also aus der Rechtsprechung, dass die Kommission, wenn ein Unternehmen geltend macht, dass ein dieses Unternehmen betreffendes Dokument Geschäftsgeheimnisse oder andere vertrauliche Informationen enthalte, dieses Dokument nicht weiterleiten darf, sofern sie nicht mehrere Verfahrensschritte eingehalten hat. Zunächst muss die Kommission dem betreffenden Unternehmen Gelegenheit geben, seinen Standpunkt geltend zu machen. Dann hat sie darüber eine ordnungsgemäß begründete Entscheidung zu erlassen, die dem Unternehmen mitzuteilen ist. Schließlich muss die Kommission angesichts des außerordentlich schweren Schadens, der aus der unzulässigen Weiterleitung dieses Dokuments entstehen kann, vor dem Vollzug ihrer Entscheidung dem Unternehmen die Möglichkeit geben, den Unionsrichter anzurufen, um die vorgenommenen Beurteilungen überprüfen zu lassen und die Weiterleitung zu verhindern (Urteile AKZO Chemie und AKZO Chemie UK/Kommission, oben in Rn. 127 angeführt, Rn. 29, und SEP/Kommission, oben in Rn. 127 angeführt, Rn. 38 und 39, vgl. auch Urteil des Gerichtshofs vom 14. Februar 2008, Varec, C‑450/06, Slg. 2008, I‑581, Rn. 54).

129    Auf der Grundlage dieser Ausführungen ist anzuerkennen, dass die Erstellung einer nichtvertraulichen Fassung eines wettbewerbsrechtlichen Beschlusses der Kommission eine gewisse, mit den in Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Fristen für die Beantwortung von Zweitanträgen nicht zu vereinbarende Zeit in Anspruch nehmen kann, damit die Interessen der betroffenen Unternehmen, die sich spezifisch auf die Vertraulichkeit bestimmter Informationen berufen haben, angemessen gewahrt werden.

130    Angesichts der Bedeutung des Transparenzgrundsatzes im Verfassungssystem der Union und der Verpflichtung, die nach Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 und gemäß ihrer allgemeinen Sorgfaltspflicht, Zweitanträge unverzüglich zu bearbeiten, grundsätzlich auf der Kommission ruht, muss sie sich jedoch bemühen, die oben in Rn. 128 genannten Schritte innerhalb kürzest möglicher Fristen abzuarbeiten, in jedem Fall innerhalb einer angemessenen Frist, die nach den besonderen Umständen jedes einzelnen Falles zu bestimmen ist. Hierbei ist der mehr oder weniger großen Zahl der Anträge auf vertrauliche Behandlung seitens der betroffenen Unternehmen sowie der technischen und rechtlichen Komplexität dieser Anträge Rechnung zu tragen.

131    Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Beantwortung der schriftlichen Fragen des Gerichts detaillierte Informationen mitgeteilt über zum einen die Zahl der Anträge auf vertrauliche Behandlung im Zusammenhang mit dem Luftfrachtbeschluss, mit denen sie beim Erlass der angefochtenen Entscheidung befasst war, und zum anderen die durch Bearbeitung dieser Anträge verursachte Arbeitsbelastung.

132    Diesen Informationen ist zunächst zu entnehmen, dass die Kommission die vom Luftfrachtbeschluss betroffenen Unternehmen am 10. Dezember 2010 bat, ihr die Teile des Beschlusses mitzuteilen, die nach deren Ansicht als Geschäftsgeheimnisse oder vertrauliche Informationen anzusehen seien. Zwischen dem 30. Dezember 2010 und dem 12. April 2011 erhielt die Kommission teils umfangreiche Anträge auf vertrauliche Behandlung von 14 dieser Unternehmen.

133    Die Kommission übersandte sodann am 20. Juli 2011 an die in der vorstehenden Randnummer genannten Unternehmen den Entwurf einer nichtvertraulichen Fassung des Luftfrachtbeschlusses, der bestimmte der Informationen, deren Vertraulichkeit geltend gemacht worden war, nicht mehr enthielt. Zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung forderten sechs dieser Unternehmen noch immer die Vertraulichkeit eines erheblichen Teils dieses Entwurfs und vier weitere hatten ihre Zustimmung zu dessen Veröffentlichung noch nicht erteilt. Tatsächlich hatten nur vier der betroffenen Unternehmen ihre Zustimmung insoweit erteilt.

134    Angesichts der Zahl und des Umfangs der Vertraulichkeitsanträge, denen sich die Kommission gegenübersah, kann die Frist von acht Monaten und 25 Tagen, die zwischen dem Erlass des Luftfrachtbeschlusses (9. November 2010) und dem der angefochtenen Entscheidung (3. August 2011) lag, nicht für unangemessen erachtet werden.

135    Die Kommission hat sich daher bei der Bearbeitung des Zweitantrags hinsichtlich der Teile des Luftfrachtbeschlusses, auf dessen Vertraulichkeit sich die von diesem Beschluss betroffenen Unternehmen beim Erlass der angefochtenen Entscheidung weiterhin beriefen, nicht als nachlässig erwiesen. Im Hinblick auf diese Teile des Luftfrachtbeschlusses ist Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 somit nicht als verletzt anzusehen, so dass der vorliegende Teil des Klagegrundes zurückzuweisen ist.

136    Allerdings geht weder aus den von der Kommission in Beantwortung der schriftlichen Fragen des Gerichts vorgelegten Informationen noch aus den in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Informationen hervor, dass die Vertraulichkeit des gesamten Luftfrachtbeschlusses von den durch diesen Beschluss betroffenen Unternehmen geltend gemacht worden wäre. Im Übrigen lassen die Informationen in der Antwort der Kommission auf die schriftlichen Fragen des Gerichts, die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allein erheblich sind, nämlich die Informationen über die Zeit vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung, nicht die Annahme zu, dass beim Erlass dieser Entscheidung die vorhandenen Vertraulichkeitsanträge Punkte von einer solchen Bedeutung umfassten, dass eine um diese Punkte bereinigte Fassung des Beschlusses unverständlich gewesen wäre.

137    Nichts hinderte die Kommission also daran, der Klägerin den Teil der nichtvertraulichen Fassung des Luftfrachtbeschlusses zu übermitteln, der nicht Gegenstand irgendeines Vertraulichkeitsantrags war.

138    Demzufolge war die Kommission verpflichtet, der Klägerin auf deren Antrag hin eine solche nichtvertrauliche Fassung des Luftfrachtbeschlusses zu übermitteln, ohne abwarten zu müssen, bis über sämtliche von den betroffenen Unternehmen eingereichten Anträge auf vertrauliche Behandlung endgültig entschieden sein würde.

139    Zum einen steht ein solcher Ansatz nämlich im Einklang mit dem Geist der Verordnung Nr. 1049/2001, deren Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 und 2 eine unverzügliche Bearbeitung der Anträge auf Zugang zu Dokumenten verlangen und deren Art. 4 Abs. 6 die Organe der Union verpflichtet, die Teile von Dokumenten freizugeben, die keiner in diesem Artikel genannten Ausnahme unterliegen.

140    Wäre die Kommission zum andern ermächtigt, die Teile der Beschlüsse nach Art. 101 AEUV, deren Vertraulichkeit außer Zweifel steht, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem entweder alle von diesen Beschlüssen betroffenen Unternehmen ihre Zustimmung zur Veröffentlichung erteilt haben oder alle oben in Rn. 128 genannten Schritte durchlaufen sind, nicht zu übermitteln, bestünde ein Anreiz für diese Unternehmen, Einwände zu erheben und sie aufrechtzuerhalten, um nicht nur ihre berechtigten Vertraulichkeitsanträge zu schützen, sondern auch die Veröffentlichung hinauszuzögern, um die Möglichkeiten von Unternehmen oder Verbrauchern, die sich durch deren Verhalten für verletzt halten, im Rahmen von Schadensersatzklagen vor den nationalen Gerichten zu beschränken.

141    Daraus ist zu folgern, dass die Kommission dadurch gegen Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 verstoßen hat, dass sie der Klägerin keine nichtvertrauliche Fassung des Luftfrachtbeschlusses übersandt hat, die von Informationen, deren Vertraulichkeit die betroffenen Unternehmen weiterhin geltend machten, bereinigt war.

142    Somit ist dem vorliegenden Teil, soweit es um diese Informationen geht, stattzugeben und die angefochtene Entscheidung folglich teilweise für nichtig zu erklären.

143    Im Übrigen sind der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

 Kosten

144    Nach Art. 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein außergewöhnlicher Grund gegeben ist.

145    Im vorliegenden Fall haben die Klägerin und die Kommission zwar teils obsiegt und sind teils unterlegen, die Klage ist im Wesentlichen jedoch abgewiesen worden. Daher ist der Klägerin neben ihren eigenen Kosten die Hälfte der Kosten der Kommission aufzuerlegen.

146    Nach Art. 87 § 4 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass andere Streithelfer als die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, die Vertragsstaaten des EWR-Abkommens, die nicht Mitgliedstaaten sind, und die Überwachungsbehörde der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) ihre eigenen Kosten tragen.

147    Im vorliegenden Fall sind den Streithelferinnen ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Kommission vom 3. August 2011, mit der der Zugang zur Verfahrensakte des Beschlusses C(2010) 7694 endgültig (Sache COMP/39.258 – Luftfracht), zur vollständigen Fassung dieses Beschlusses und zu seiner nichtvertraulichen Fassung abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt, soweit die Kommission den Zugang zu dem Teil der nichtvertraulichen Fassung dieses Beschlusses verweigert hat, dessen Vertraulichkeit die von ihm betroffenen Unternehmen nicht geltend gemacht hatten oder nicht mehr geltend gemacht haben.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Schenker AG trägt ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Kosten der Europäischen Kommission.

4.      Die Koninklijke Luchtvaart Maatschappij NV, die Martinair Holland NV, die Société Air France SA, die Cathay Pacific Airways Ltd, Air Canada, die Lufthansa Cargo AG und die Swiss International Air Lines AG tragen ihre eigenen Kosten.

Kanninen

Pelikánová

Buttigieg

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Oktober 2014.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.