Language of document : ECLI:EU:T:2008:502

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

14. November 2008 (*)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Entscheidung der Kommission mit der Anordnung, ein abgestimmtes Verhalten auf dem Gebiet der Verwaltung von Urheberrechten abzustellen – Antrag auf Aussetzung des Vollzugs – Keine Dringlichkeit“

In der Rechtssache T‑410/08 R

Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) mit Sitz in Berlin (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Bechtold und I. Brinker im Beistand von Professor J. Schwarze,

Antragstellerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Castillo de la Torre, O. Weber und A. Antoniadis als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs von Art. 3 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 und 3 der Entscheidung K (2008) 3435 endgültig der Kommission vom 16. Juli 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/C2/38.698 – CISAC), soweit die Antragstellerin betroffen ist,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte und Gegenstand des Rechtsstreits

1        Mit dem vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung begehrt die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), eine deutsche Gesellschaft zur Verwaltung von Urheberrechten, die teilweise Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung K (2008) 3435 endgültig der Kommission vom 16. Juli 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/C2/38.698 – CISAC) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

2        Die angefochtene Entscheidung betrifft die Bedingungen der Verwaltung und der Lizenzierung von Rechten zur öffentlichen Aufführung von Musikwerken. Sie ist an 24 Verwertungsgesellschaften mit Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gerichtet, die wie auch die Antragstellerin der International Confederation of Societies of Authors and Composers (Internationaler Dachverband der Verwertungsgesellschaften) (CISAC) angehören.

3        Die der CISAC angehörenden Verwertungsgesellschaften mit Sitz im EWR (im Folgenden: Verwertungsgesellschaften) verwalten die Urheberrechte von Autoren (Textdichter und Komponisten) an den von diesen geschaffenen Musikwerken. Diese Rechte begründen normalerweise das ausschließliche Recht zur Genehmigung bzw. zum Verbot der Verwertung der geschützten Werke. Dies ist insbesondere bei Rechten zur öffentlichen Aufführung der Fall. Eine Verwertungsgesellschaft erwirbt diese Rechte entweder durch direkte Übertragung vom ursprünglichen Rechteinhaber oder durch Übertragung von einer anderen Verwertungsgesellschaft, die gleichartige Rechte in einem anderen EWR-Land verwaltet, und erteilt im Namen ihrer Mitglieder (Urheber und Verleger) gewerblichen Nutzern wie Rundfunkunternehmen oder Veranstaltern von Kulturereignissen Lizenzen.

4        Im Rahmen der Verwaltung der Urheberrechte stellen die einzelnen Verwertungsgesellschaften sicher, dass jeder Rechteinhaber die Vergütung erhält, die ihm für jede tatsächliche Nutzung eines seiner Werke unabhängig davon zusteht, in welchem Gebiet diese Nutzung erfolgt, und wachen darüber, dass keine unerlaubte Verwertung geschützter Werke stattfindet. Wegen der Kosten dieser Überwachung haben die Verwertungsgesellschaften untereinander Vertretungsverträge geschlossen, in denen sie sich gegenseitig mit der Verwaltung ihres Repertoires in ihrem jeweiligen Verwaltungsgebiet betrauen, um eine Vervielfachung der in diesen Gebieten eingerichteten Kontrollinstrumente zu vermeiden.

5        In diesem Zusammenhang hat die CISAC einen nicht verbindlichen Mustervertrag erarbeitet, dessen ursprüngliche Fassung auf das Jahr 1936 zurückgeht und der der Vervollständigung durch die vertragschließenden Verwertungsgesellschaften, u. a. hinsichtlich der Festlegung des Verwaltungsgebiets, bedarf. Auf der Grundlage dieses Mustervertrags haben die Verwertungsgesellschaften ein Netz von Gegenseitigkeitsverträgen geschaffen, in denen sie sich gegenseitig das Recht zur Erteilung von Lizenzen einräumen. Diese Verträge erfassen nicht nur die Rechtewahrnehmung für die traditionellen „Offline-Anwendungen“ (Konzerte, Rundfunk, Diskotheken etc.), sondern auch die Verwertung über Internet, Satellit oder Kabel.

6        Aufgrund dieses Netzes von Gegenseitigkeitsverträgen ist jede Verwertungsgesellschaft in der Lage, innerhalb ihres Verwaltungsgebiets die Lizenzen für die öffentliche Aufführung von Musikstücken nicht nur für das Repertoire ihrer eigenen Mitglieder zu erteilen, sondern auch für das Repertoire aller anderen beteiligten Verwertungsgesellschaften (sogenannte monoterritoriale Multi-Repertoire-Lizenzen). Dank des durch den Abschluss von Gegenseitigkeitsverträgen geschaffenen Netzes ist daher jede Verwertungsgesellschaft in der Lage, gewerblichen Nutzern ein umfassendes Gesamtangebot an Musikwerken anzubieten. Dadurch können diese Nutzer Zugang zu allen Repertoires bei ein und derselben Verwertungsgesellschaft erhalten, nämlich derjenigen mit Sitz in dem Land, in dem diese Repertoires verwertet werden sollen, ohne bei jeder einzelnen Verwertungsgesellschaft, deren Repertoire durch die angestrebte Nutzung betroffen ist, eine Genehmigung einholen zu müssen (zentrale Anlaufstelle).

7        Lassen sich die Verwertungsgesellschaften von ihren Mitgliedern (Autoren) das Recht zur weltweiten Wahrnehmung von Nutzungsrechten unter der Bedingung einräumen, dass sie sich untereinander ihr Repertoire in den Gegenseitigkeitsverträgen nicht exklusiv übertragen, sind sie trotz des Netzes von Gegenseitigkeitsverträgen berechtigt, das Repertoire ihrer eigenen Mitglieder auch außerhalb ihres jeweiligen Verwaltungsgebiets selbst wahrzunehmen (so genannte multiterritoriale Mono-Repertoire-Lizenzen).

8        Insoweit geht aus der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 193) hervor, dass die britische und die deutsche Verwertungsgesellschaft, die Performing Right Society (PRS) und die Antragstellerin, ein Gemeinschaftsunternehmen gründeten, das als paneuropäische zentrale Anlaufstelle für die Erteilung von multiterritorialen Lizenzen für Online- und Mobilfunkrechte des anglo-amerikanischen Repertoires der Gesellschaft Electric & Musical Industries (EMI) an die gewerblichen Nutzer in jedem EWR-Land fungieren soll.

9        Im Jahr 2000 reichte RTL Group SA, eine Rundfunk- und Fernsehgruppe, bei der Kommission eine Beschwerde gegen eine CISAC‑Verwertungsgesellschaft ein, weil diese sich geweigert habe, RTL eine gemeinschaftsweite Lizenz für Musiksendungen im Rundfunk zu erteilen. Im Jahr 2003 reichte Music Choice Europe Ltd, die einen internetgestützten Radio- und Fernsehdienst anbietet, eine zweite, gegen die CISAC gerichtete Beschwerde ein, die deren Mustervertrag betraf. Diese Beschwerden veranlassten die Kommission, ein Verfahren der Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften einzuleiten, das mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung abgeschlossen wurde.

10      In der angefochtenen Entscheidung beanstandet die Kommission einige Klauseln in den Gegenseitigkeitsverträgen, und zwar die Bestimmung über die Mitgliedschaft der Autoren und die Ausschließlichkeitsklausel, sowie das abgestimmte Verhalten der Verwertungsgesellschaften bei der territorialen Eingrenzung des gewährten Lizenzvergaberechts mit der Folge einer Gebietsausschließlichkeit. Nach Ansicht der Kommission verstoßen diese Bestimmungen und dieses abgestimmte Verhalten gegen Art. 81 EG.

11      Was die Bestimmung über die Mitgliedschaft angeht, sieht Art. 11 Abs. II des CISAC‑Mustervertrags vor, dass die Verwertungsgesellschaften einen Urheber, der bereits Mitglied einer anderen Gesellschaft ist oder die Staatsangehörigkeit eines Staates besitzt, in dem eine andere Gesellschaft originär tätig ist, nur unter bestimmten Voraussetzungen als Mitglied aufnehmen dürfen. Der angefochtenen Entscheidung zufolge enthalten einige bilaterale Verträge immer noch eine solche Klausel, die die Freiheit der Rechteinhaber einschränke, zur Verwertung ihrer Rechte in verschiedenen Ländern Mitglied einer Verwertungsgesellschaft ihrer Wahl oder gleichzeitig Mitglied mehrerer Verwertungsgesellschaften im EWR zu werden.

12      Betreffend die Ausschließlichkeitsklausel heißt es in Art. 1 Abs. I des CISAC‑Mustervertrags, dass die eine Verwertungsgesellschaft der anderen das ausschließliche Recht gewährt, in den Gebieten, in denen die letztgenannte tätig ist, die für alle öffentlichen Aufführungen von Werken erforderlichen Genehmigungen zu erteilen. Nach der angefochtenen Entscheidung ist diese Klausel – mit der sich die Verwertungsgesellschaften gegenseitig ein Monopol für ihre nationalen Märkte bei der Vergabe von Multi-Repertoire-Lizenzen an gewerbliche Nutzer garantierten – in den von 17 Verwertungsgesellschaften geschlossenen bilateralen Verträgen immer noch enthalten.

13      Der angefochtenen Entscheidung zufolge haben die CISAC und sämtliche Verwertungsgesellschaften im Verwaltungsverfahren vor der Kommission anerkannt, dass diese beiden Klauseln wettbewerbswidrig und ungerechtfertigt seien.

14      Zum Vorwurf der abgestimmten territorialen Abgrenzung heißt es in der angefochtenen Entscheidung, dass die einzelnen Verwertungsgesellschaften in ihren bilateralen Verträgen das Recht zur Vergabe von Lizenzen für ihr Repertoire auf das Hoheitsgebiet des Landes des Vertragspartners beschränkten. Soweit sämtliche Verwertungsgesellschaften Gegenseitigkeitsverträge mit allen anderen geschlossen hätten, verfüge jede Gesellschaft über ein umfassendes Gesamtrepertoire, für das sie jedoch lediglich Lizenzen im eigenen Land vergebe.

15      In der angefochtenen Entscheidung zieht die Kommission die Rechtmäßigkeit dieses abgestimmten Verhaltens lediglich insoweit in Zweifel, als die Verwertungsarten über Internet, Satellit und Kabel betroffen sind, während die verschiedenen sog. Offline-Verwertungen (Konzerte, Rundfunk, Diskotheken, Bars usw.) nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind. Nach Ansicht der Kommission schränkt dieses abgestimmte Verhalten den Wettbewerb auf zwei Ebenen ein: auf dem Markt für Verwaltungsdienste, die die Verwertungsgesellschaften einander erbringen, und auf dem Lizenzierungsmarkt.

16      In der angefochtenen Entscheidung heißt es, dieses abgestimmte Verhalten habe zu einer systematischen Abgrenzung der Tätigkeitsgebiete nach nationalen Grenzen geführt, der Gespräche vorausgegangen seien und die auch nicht durch eine vorgeblich erforderliche geografische Nähe zwischen Lizenzgeber und gewerblichem Nutzer zu erklären sei, da eine Präsenz vor Ort zur Kontrolle einer Nutzung über Internet, Satellit oder Kabel nicht erforderlich sei. Das abgestimmte Verhalten sei auch nicht objektiv notwendig, um zu gewährleisten, dass die Verwertungsgesellschaften einander gegenseitige Mandate erteilten.

17      Im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission die oben dargestellten Zuwiderhandlungen lediglich fest, ohne Geldbußen festzusetzen. Dieser verfügende Teil hat folgenden Wortlaut:

„Artikel 1

Die folgenden [24] Unternehmen haben durch die Anwendung der in Artikel 11 Absatz II des Mustervertrags der [CISAC] (CISAC‑Mustervertrag) enthaltenen Beschränkungen der Mitgliedschaft in ihren Gegenseitigkeitsvereinbarungen oder durch die Anwendung von De-facto-Beschränkungen der Mitgliedschaft gegen Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen verstoßen:

GEMA

Artikel 2

Die folgenden 17 Unternehmen haben durch die in Artikel 1 Absätze I und II des CISAC‑Mustervertrags vorgesehene und in ihre Gegenseitigkeitsvereinbarungen aufgenommene Gewährung von ausschließlichen Rechten gegen Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen verstoßen:

[die GEMA ist nicht aufgeführt]

Artikel 3

Die folgenden [24] Unternehmen haben durch die Koordinierung der territorialen Abgrenzungen, durch die der Geltungsbereich einer Lizenz auf das jeweilige Inlandsgebiet der Verwertungsgesellschaft beschränkt wird, gegen Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen verstoßen:

GEMA

Artikel 4

1.      Die in den Artikeln 1 und 2 aufgeführten Unternehmen stellen die in diesen Artikeln aufgeführten Zuwiderhandlungen unverzüglich ab, soweit dies nicht bereits geschehen ist, und unterrichten die Kommission über alle Maßnahmen, die sie zu diesem Zweck beschlossen haben.

2.      Die in Artikel 3 aufgeführten Unternehmen stellen innerhalb von 120 Tagen ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung die in diesem Artikel genannte Zuwiderhandlung ab und unterrichten die Kommission innerhalb dieses Zeitraums [über] alle Maßnahmen, die sie zu diesem Zweck beschlossen haben.

Insbesondere überprüfen die in Artikel 3 genannten Unternehmen gegenseitig mit jedem anderen der in Artikel 3 genannten Unternehmen die territoriale Begrenzung ihrer Mandate für Satellitenübertragung, Kabelweiterverbreitung sowie Internet-Verwendung in jeder ihrer Gegenseitigkeitsvereinbarungen und übersenden der Kommission Kopien der überprüften Vereinbarungen.

3.      Die Adressaten der vorliegenden Entscheidung sehen künftig von der Wiederholung der in den Artikeln 1, 2 und 3 genannten Handlungen oder Verhaltensweisen sowie von allen Handlungen oder Verhaltensweisen ab, die denselben oder einen ähnlichen Zweck bzw. dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben.

Artikel 5

Die Kommission kann in ihrem Ermessen und aufgrund eines begründeten und rechtzeitigen Antrags von einem oder mehreren der in Artikel 3 genannten Unternehmen eine Verlängerung der in Artikel 4 Absatz 2 festgesetzten Frist gewähren.

…“

 Verfahren und Anträge der Beteiligten

18      Die Antragstellerin hat mit Klageschrift, die am 30. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Klage auf teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung erhoben.

19      Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt, mit dem sie beantragt, den Vollzug von Art. 3 und Art. 4 Abs. 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung auszusetzen, soweit die in Art. 3 vorgeworfenen Handlungen der Antragstellerin betroffen sind, und die Entscheidung über die Kosten vorzubehalten.

20      In ihrer schriftlichen Stellungnahme zum Antrag auf einstweilige Anordnung, die am 23. Oktober 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt die Kommission,

–        den Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen;

–        der Antragstellerin die Kosten aufzuerlegen.

21      Die RTL Group, die CLT‑UFA SA und Music Choice Europe haben mit Schriftsatz, der am 29. Oktober 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, ihre Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt. Die Antragstellerin und die Kommission haben mit Schriftsätzen vom 6. bzw. 7. November 2008 zu diesem Antrag Stellung genommen.

 Gründe

22      Nach den Art. 242 EG und 243 EG in Verbindung mit Art. 225 Abs. 1 EG kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

23      Gemäß Art. 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf einstweilige Anordnungen den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann somit die Aussetzung des Vollzugs anordnen und einstweilige Anordnungen treffen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass diese Anordnungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig (fumus boni iuris) und dringlich in dem Sinne sind, dass es zur Verhinderung eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens der Interessen des Antragstellers erforderlich ist, sie bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache zu erlassen und wirksam werden zu lassen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. Juli 1995, Kommission/Atlantic Container Line u. a., C‑149/95 P[R], Slg. 1995, I‑2165, Randnr. 22). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass der Antrag auf einstweilige Anordnungen zurückzuweisen ist, sofern es an einer von ihnen fehlt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Oktober 1996, SCK und FNK/Kommission, C‑268/96 P[R], Slg. 1996, I‑4971, Randnr. 30).

24      Im Übrigen verfügt der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter im Rahmen dieser Gesamtprüfung über ein weites Ermessen; er kann im Einzelfall die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschluss Kommission/Atlantic Container Line u. a., oben in Randnr. 23 angeführt, Randnr. 23, und Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. April 2007, Vischim/Kommission, C‑459/06 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).

25      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Art. 242 EG den Grundsatz aufstellt, dass Klagen keine aufschiebende Wirkung haben (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 25. Juli 2000, Niederlande/Parlament und Rat, C‑377/98 R, Slg. 2000, I‑6229, Randnr. 44, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 28. Juni 2000, Cho Yang Shipping/Kommission, T‑191/98 R II, Slg. 2000, II‑2551, Randnr. 42). Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann daher nur ausnahmsweise die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder einstweilige Anordnungen treffen.

26      Die schriftlichen Stellungnahmen der Parteien enthalten alle für die Entscheidung über den Antrag erforderlichen Informationen. Daher besteht kein Anlass zu einer mündlichen Anhörung.

27      Im vorliegenden Fall ist zunächst das Vorbringen zur Dringlichkeit zu prüfen.

 Vorbringen der Parteien

28      Die Antragstellerin macht geltend, die Voraussetzung der Dringlichkeit sei erfüllt. Sie könne den Ausgang des Verfahrens zur Hauptsache nicht abwarten, weil ihr bei einem sofortigen Vollzug der angefochtenen Entscheidung ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entstünde. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass ein solcher Schaden insbesondere dann vorliege, wenn die Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans für den Antragsteller bedeutende Änderungen des Rahmens, in dem sich seine Tätigkeit vollzieht, mit sich bringe und diese Änderungen eine Entwicklung auf dem Markt herbeiführen könnten, die später, falls der Klage in der Hauptsache stattgegeben werde, nur sehr schwer rückgängig zu machen wäre (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 10. März 1995, Atlantic Container Line u.a./Kommission, T‑395/94 R, S1g. 1995, II‑595, Randnr. 55).

29      Die Antragstellerin müsse eine Zerstörung der Grundlagen ihrer kollektiven Wahrnehmungstätigkeit, nämlich des von ihr mit anderen Verwertungsgesellschaften bilateral aufgebauten Netzes von Gegenseitigkeitsvereinbarungen, befürchten. Die Kommission greife mit der angefochtenen Entscheidung das über Jahrzehnte gewachsene, bewährte und im Grundsatz höchstrichterlich anerkannte Gesamtsystem der kollektiven Rechtewahrnehmung in den EWR-Staaten an, das eine effiziente Lizenzierung, Durchsetzung und Kontrolle von Urheberrechten an Musikwerken gewährleiste und im Interesse aller Beteiligten eine reibungslose Einziehung, Abrechnung und Verteilung der fälligen Vergütungen, im Offline- wie im Online-Bereich, garantiere.

30      Die Antragstellerin führt aus, die angefochtene Entscheidung schaffe spürbare Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Gültigkeit und der künftigen Ausgestaltung der Gegenseitigkeitsvereinbarungen und mache damit nicht nur die Befolgung ihres Art. 4 Abs. 2 und 3 faktisch unmöglich, sondern setze ihre Adressaten auch auf rechtsstaatlich nicht hinnehmbare Weise einem Sanktionsrisiko aus. Die Kommission sei im Rahmen einer Untersagungs- bzw. Abstellungsverfügung gehalten, eine genaue Bestimmung der gerügten Zuwiderhandlung vorzunehmen (Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, Alrosa/Kommission, T‑170/06, Slg. 2007 II‑0000, Randnr. 100), damit der Adressat seine Rechte und Pflichten erkennen und seine Vorkehrungen treffen könne, insbesondere dann, wenn ihm – wie hier – sanktionsbewehrte Verhaltenspflichten auferlegt würden.

31      Die angefochtene Entscheidung lasse die Antragstellerin im Unklaren darüber, inwieweit ihre derzeitigen Gegenseitigkeitsvereinbarungen noch gültig und welche Verhaltensweisen in Zukunft erlaubt seien. So könne die Antragstellerin nicht erkennen, ab welchem Zeitpunkt die an sich zulässige territoriale Begrenzung in bilateral abgeschlossenen Gegenseitigkeitsvereinbarungen aus der Sicht der Kommission in eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 4 Abs. 3 der angefochtenen Entscheidung umschlage. Zudem sei Art. 4 der angefochtenen Entscheidung insoweit widersprüchlich, als nach Abs. 2 eine Überprüfung innerhalb 120 Tagen zu erfolgen habe, Maßnahmen gleicher Wirkung nach Abs. 3 aber „künftig“, d. h. ab sofort, zu unterlassen seien.

32      Die angefochtene Entscheidung lasse auch nicht erkennen, was unter einer „Koordinierung der territorialen Abgrenzungen“ im Sinne ihres Art. 3 zu verstehen sei. Außerdem verhalte sich die Kommission widersprüchlich, wenn sie an mehreren Stellen dieser Entscheidung betone, dass die bilaterale Mandatsbegrenzung auf ein Staatsgebiet weiter zulässig sein solle, zugleich aber ankündige, aus einer objektiven Häufung solcher monoterritorialen Abgrenzungen auf ein verbotenes System territorialer Abgrenzungen zu schließen.

33      Der angefochtenen Entscheidung könne ebenso wenig entnommen werden, was unter einer „Überprüfung der territorialen Mandate“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 zu verstehen sei. So bleibe unklar, ob die bestehenden Gegenseitigkeitsvereinbarungen gekündigt oder lediglich abgeändert werden müssten, ob sie als nichtig anzusehen seien oder ob sie im bilateralen Einverständnis ohne inhaltliche Änderung fortgeführt werden könnten. Auch Art. 4 Abs. 3 sei rechtlich unbestimmt: Es würden pauschal alle Handlungen und Verhaltensweisen untersagt, die „dieselbe oder eine ähnliche Wirkung“ hätten, ohne dass klar werde, worauf sich die Ähnlichkeit im Fall der territorialen Beschränkungen beziehe. Da die zu unterlassenden Handlungen nicht hinreichend definiert würden, bleibe notwendigerweise auch der Begriff der Verhaltensweisen mit derselben oder einer ähnlichen Wirkung unbestimmt. Die Abstellungsverfügungen in Art. 4 Abs. 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung seien auch objektiv unbefolgbar, weil nicht ersichtlich sei, wie die Antragstellerin individuell das von der Kommission behauptete System der Koordinierung der territorialen Abgrenzungen abstellen solle.

34      Soweit die Antragstellerin nach Art. 4 Abs. 2 der angefochtenen Entscheidung verpflichtet sei, alle Gegenseitigkeitsvereinbarungen mit ihren Schwestergesellschaften zu „überprüfen“, bleibe die genaue Bedeutung dieser Bestimmung offen. Insoweit böten sich mehrere Interpretationsmöglichkeiten. Die Antragstellerin gehe zwar davon aus, dass diese Vereinbarungen auch in ihrer jetzigen Form als kartellrechtlich unbedenkliche Folgeverträge uneingeschränkt wirksam seien und nach bilateraler Bestätigung unverändert fortgeführt werden könnten. Angesichts des drohenden Sanktionsrisikos scheine es dennoch geboten, von der weitestgehenden, für die Antragstellerin ungünstigsten Interpretationsmöglichkeit auszugehen: dem sofortigen Wegfall des derzeitigen Netzes von Gegenseitigkeitsvereinbarungen im EWR.

35      Infolgedessen könne die Antragstellerin – die derzeit in Deutschland über 1,4 Mio. Rechteinhaber, davon etwa 62 000 Inländer, vertrete – mit Wegfall und vor Neuabschluss der Gegenseitigkeitsvereinbarungen die Rechte der Mitglieder ausländischer Verwertungsgesellschaften nicht mehr wie bisher in Deutschland lizenzieren. Daran ändere sich auch nichts, wenn man die Möglichkeit des Neuabschlusses von Gegenseitigkeitsvereinbarungen in Betracht ziehe. Ob derartige Vereinbarungen überhaupt für die Bereiche Internet, Satellitensendung und Kabelweiterverbreitung erneut abgeschlossen würden und, wenn ja, innerhalb welchen Zeitraums und für welche Territorien, sei auf Grund der unklaren Vorgaben seitens der Kommission völlig offen.

36      Selbst wenn sich die Antragstellerin dieser ungünstigsten Interpretationsmöglichkeit nicht anschließen würde, käme es zu einer bedeutenden Änderung des Rahmens, in dem sich ihre Tätigkeit vollziehe. Zum einen sei eine Wiedereinführung des derzeitigen Systems wegen Art. 4 Abs. 3 der angefochtenen Entscheidung möglicherweise gerade untersagt. Zum anderen seien einige Verwertungsgesellschaften – anders als die Antragstellerin – offensichtlich der Ansicht, dass alle Gegenseitigkeitsvereinbarungen (teil-)nichtig oder abzuändern seien oder gekündigt werden müssten. Die Antragstellerin verweist insoweit auf ein Schreiben der französischen Verwertungsgesellschaft (SACEM) vom 6. August 2008, die davon ausgehe, dass die gesamten Gegenseitigkeitsvereinbarungen nichtig seien und gesamthaft neu verhandelt werden müssten. Andere Verwertungsgesellschaften seien hingegen der Ansicht, dass diese Vereinbarungen gekündigt und (teilweise) neu verhandelt werden müssten. Bei einem Vollzug der angefochtenen Entscheidung werde es deshalb keinesfalls bei dem derzeitigen Netz von Gegenseitigkeitsvereinbarungen bleiben.

37      Nach Auffassung der Antragstellerin führen diese Änderungen des rechtlichen Rahmens für ihre Tätigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Entwicklung auf dem Markt herbei, die später, falls der Hauptsacheklage stattgegeben werde, nur sehr schwer oder gar nicht rückgängig gemacht werden könne.

38      So werde die Antragstellerin angesichts gegebenenfalls drohender Sanktionen ihre Tätigkeit zunächst unter hohen Kosten und mit hohem Aufwand umstrukturieren müssen. Insbesondere werde die Änderung des Rechtsrahmens zu einem allgemeinen Tarifverfall und einem „race to the bottom“ bei den Vergütungen für die Rechteinhaber führen, da die Kommission ein Modell etablieren wolle, das den Einstieg in einen Preiskampf zwischen den Repertoires bedeute. Eine Verwertungsgesellschaft mit einem attraktiven Repertoire, auf das Rechtenutzer angewiesen seien, könnte einen höheren „Großhandelspreis“ für ihr Repertoire durchsetzen als eine Verwertungsgesellschaft mit Mitgliedern, deren Musik am Markt weniger gefragt sei. So würden einige gewerbliche Nutzer nur noch das kommerziell erfolgreiche, angloamerikanische Repertoire erwerben und kleinere, nur regional oder lokal gefragte Rechteinhaber unberücksichtigt lassen. Daher werde es mittelfristig zu einem gravierenden Verlust an kultureller Vielfalt kommen. Diese gravierenden Änderungen des Rechtsrahmens der kollektiven Wahrnehmung wären faktisch nicht wieder rückgängig zu machen.

39      Die Antragstellerin hält im Übrigen eine komplette Umgestaltung des rechtlichen Rahmens ihrer Wahrnehmungstätigkeit innerhalb von 120 Tagen für faktisch unmöglich. Die Überprüfung aller im EWR bestehenden Gegenseitigkeitsvereinbarungen, die mit deren eventuell erforderlicher Neuverhandlung verbundenen Strategieentscheidungen und die Bewertung der Rechtslage seien in 120 Tagen nicht zu leisten. Daran ändere auch die in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Möglichkeit der Fristverlängerung im Verwaltungsverfahren nichts. Die Ausgestaltung dieser Bestimmung als Ermessensvorschrift biete nur unzureichend Schutz. Auch sei die bloße Möglichkeit der Fristverlängerung generell ungeeignet, die Umsetzung einer unklaren und in sich widersprüchlichen Verfügung auf gleiche Weise zu erleichtern wie eine Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

40      Schließlich sei zu befürchten, dass die angefochtene Entscheidung für andere Verwertungsgesellschaften einen Anreiz zur unautorisierten paneuropäischen Lizenzierung zulasten der sich rechtskonform verhaltenden Antragstellerin schaffe. So sehe bereits die niederländische Verwertungsgesellschaft BUMA/STEMRA diese Entscheidung als Ermutigung an, unautorisiert paneuropäische Lizenzen auch für das Repertoire der Antragstellerin zu vergeben.

41      Die angefochtene Entscheidung trage damit jedenfalls de facto zur Schaffung, Förderung und Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustands bei. Dadurch erleide das komplexe und wohl austarierte System der kollektiven Wahrnehmung in Europa einen empfindlichen Schaden, der sich negativ auf die Wahrnehmungstätigkeit der Antragstellerin auswirken werde. Dabei handele es sich nicht um einen kompensationsfähigen Schaden. Vielmehr sei der Verlust des Vertrauens in die Zuverlässigkeit, Funktionsfähigkeit und Rechtmäßigkeit des europäischen Wahrnehmungsmodells irreparabel. Sei das bestehende System erst einmal in seinen Grundfesten erschüttert, könne es nachträglich, wenn die Antragstellerin in der Hauptsache obsiegen sollte, nicht mit gleicher Effizienz und Verlässlichkeit wiederhergestellt werden.

42      Die Kommission entgegnet, die Antragstellerin habe den verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung gründlich missverstanden. Von einem schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden bei unmittelbarem Vollzug dieser Entscheidung könne keine Rede sein. Jedenfalls sei der geltend gemachte Schaden rein hypothetischer Art und von der Antragstellerin nicht hinreichend dargetan worden. Dieser Schaden könne auch keinesfalls als irreparabel angesehen werden. Die Antragstellerin sei nämlich nicht daran gehindert, in ihren bilateralen Vertragsbeziehungen mit den anderen Verwertungsgesellschaften eine Rückkehr zum gegenwärtigen System der Rechtewahrnehmung in Europa für den Fall ihres Obsiegens im Hauptsacheverfahren vorzusehen. Ein derartiges Ansinnen der Antragstellerin dürfte kaum auf Widerstand bei den Schwestergesellschaften stoßen, da diese ebenso wie die Antragstellerin allein das gegenwärtige System der kollektiven Rechtewahrnehmung für wirtschaftlich sinnvoll erachteten.

 Rechtliche Würdigung

43      Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage der Dringlichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung danach zu beurteilen, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht. Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne einen solchen Schaden zu erleiden (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. November 2001, Duales System Deutschland/Kommission, T‑151/01 R, Slg. 2001, II‑3295, Randnr. 187 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Darüber hinaus muss der Eintritt des behaupteten Schadens sicher sein oder zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt werden, wobei es dem Antragsteller obliegt, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen Schadens begründen sollen. Ein rein hypothetischer Schaden, der vom Eintritt künftiger und ungewisser Ereignisse abhängt, vermag den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1999, HFB u. a./Kommission, C‑335/99 P(R), Slg. 1999, I‑8705, Randnr. 67; Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 15. Januar 2001, Le Canne/Kommission, T‑241/00 R, Slg. 2001, II‑37, Randnr. 37, und vom 19. Dezember 2001 Government of Gibraltar/Kommission, T‑195/01 R und T‑207/01 R, Slg. 2001, II‑3915, Randnr. 101).

45      Im vorliegenden Fall macht die Antragstellerin zunächst geltend, bei sofortigem Vollzug der angefochtenen Entscheidung sei ein Zusammenbruch des über Jahrzehnte gewachsenen Gesamtsystems der Gegenseitigkeitsvereinbarungen zu befürchten.

46      Dazu ist festzustellen, dass die Antragstellerin nur die Aussetzung des sofortigen Vollzugs von Art. 3 und Art. 4 Abs. 2 und 3 dieser Entscheidung verlangt, soweit diese Bestimmungen die Adressaten verpflichten, die Koordinierung der territorialen Abgrenzungen, durch die der Geltungsbereich einer Lizenz auf das jeweilige Inlandsgebiet einer jeden Verwertungsgesellschaft beschränkt wird, abzustellen, gegenseitig die territoriale Begrenzung ihrer Mandate in jeder ihrer Gegenseitigkeitsvereinbarungen zu überprüfen und künftig von der Wiederholung der in Art. 3 genannten Handlungen oder Verhaltensweisen sowie von allen Handlungen oder Verhaltensweisen abzusehen, die denselben oder einen ähnlichen Zweck bzw. dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben. Hingegen hat die Antragstellerin keinen vorläufigen Rechtsschutz gegen den sofortigen Vollzug von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung begehrt, obwohl diese Bestimmung ihr eine wettbewerbswidrige Zuwiderhandlung in Form von Beschränkungen der Mitgliedschaft in ihren Gegenseitigkeitsvereinbarungen zur Last legt, die sie nach Art. 4 Abs. 1 der Entscheidung unverzüglich abzustellen hat.

47      Hinzu kommt, dass die Art. 3 und 4 Abs. 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung die Gegenseitigkeitsvereinbarungen der Antragstellerin nur insoweit betreffen, als diese Vereinbarungen sich auf die öffentliche Aufführung für die Internet-, Satelliten- und Kabelnutzung musikalischer Werke beziehen. Bei dieser sogenannte Online-Umgebung handelt es sich um relativ neue Verwertungsarten, in denen kaum ein tragender Bestandteil des über Jahrzehnte gewachsenen Gesamtsystems der kollektiven Rechtewahrnehmung gesehen werden kann. In diesem Zusammenhang hat die Kommission dargelegt, die Antragstellerin habe im Verwaltungsverfahren mitgeteilt, dass die Einnahmen aus Online-Nutzungsrechten weniger als [vertraulich](1)% der insgesamt direkt von ihr eingezogenen Gebühren ausmachten, wobei auf die Einnahmen aus der Kabelweiterverbreitung ein Anteil von [vertraulich]% entfalle und bei Radio und Fernsehen der Anteil [vertraulich]% betrage, wovon jedoch nur ein Bruchteil auf Einnahmen aus der Satellitenübertragung entfalle. Angesichts dieser Dimensionen ist schwerlich anzunehmen, die angefochtene Entscheidung werde das gesamte Netz der von der Antragstellerin aufgebauten Gegenseitigkeitsvereinbarungen in seinen Grundfesten erschüttern.

48      Die Antragstellerin hat ihrerseits keine Zahlen vorgelegt, um die genannten Angaben der Kommission aus dem Verwaltungsverfahren zu berichtigen oder zu aktualisieren oder um anderweitig die Schwere des geltend gemachten Schadens etwa unter Hinweis darauf darzutun, dass die Einnahmen aus Online-Nutzungsrechten (inzwischen) den Großteil ihrer Gesamteinkünfte ausmachten. Derartige Angaben, die eindeutig in ihre eigene Sphäre gefallen wären, hätten bereits in ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung enthalten sein müssen. Die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände müssen sich nämlich unmittelbar aus der Antragsschrift ergeben, damit der Antragsgegner seine Stellungnahme vorbereiten und der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter seine Entscheidung, gegebenenfalls ohne weitere Informationen, treffen kann (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 15. Januar 2001, Stauner u.a./Parlament und Kommission, T‑236/00 R, Slg. 2001, II‑15, Randnr. 34, vom 7. Mai 2002, Aden u.a./Rat und Kommission, T‑306/01 R, Slg. 2002, II‑2387, Randnr. 52, und vom 23. Mai 2005, Dimos Ano Liosion u.a./Kommission, T‑85/05, Slg. 2005, II‑1721, Randnr. 37).

49      Die Antragstellerin hat übrigens betont, die territoriale Begrenzung ihrer Mandate in den Gegenseitigkeitsvereinbarungen beruhe keineswegs auf der ihr vorgeworfenen Verhaltenskoordinierung, sondern auf legitimen wirtschaftlichen Alternativerklärungen. Wenn dem so ist, dann kann der in Art. 4 der angefochtenen Entscheidung angeordnete sofortige Vollzug des Verbots einer solchen Koordinierung denklogisch nicht die von der Antragstellerin befürchteten katastrophalen Auswirkungen haben.

50      Mangels konkreter Angaben seitens der Antragstellerin kann daher die Behauptung, die angefochtene Entscheidung bewirke den Zusammenbruch des Systems der Gegenseitigkeitsvereinbarungen sowie den Verlust des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Funktionsfähigkeit dieses Systems, keine Aussetzung des Vollzugs der Art. 3 und 4 Abs. 2 und 3 dieser Entscheidung rechtfertigen.

51      Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass am 14. November 2008, d. h. eine Woche vor Ablauf der in Art. 4 Abs. 2 gesetzten Frist von 120 Tagen, die Mehrzahl der 24 Adressaten der angefochtenen Entscheidung keinen einstweiligen Rechtsschutz beantragt hat. Dies dürfte ebenfalls gegen das von der Antragstellerin für den Fall des sofortigen Vollzugs beschworene Untergangsszenario sprechen.

52      Die Antragstellerin beruft sich sodann auf die Unklarheit und Widersprüchlichkeit der angefochtenen Entscheidung, auf die dadurch hervorgerufene rechtsstaatswidrige, da mit einem Sanktionsrisiko behaftete Unsicherheit sowie auf die faktische Unmöglichkeit, Art. 4 Abs. 2 und 3 zu befolgen. Sie wisse überhaupt nicht, wie sie den Anordnungen der Kommission nachkommen solle.

53      Dazu ist zu bemerken, dass die Kommission zwar Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 Abs. 1 EG feststellen und den betroffenen Unternehmen deren Abstellung aufgeben kann, jedoch rechtlich nicht befugt ist, im Rahmen der ihr insoweit zustehenden Anordnungsbefugnisse den Unternehmen eine bestimmte Abstellungsmaßnahme vorzuschreiben, wenn hierfür mehrere rechtlich zulässige Alternativen in Betracht kommen. Die Kommission darf die Unternehmen insbesondere nicht zur Beendigung einer Vereinbarung verpflichten, wenn die Zuwiderhandlung auch mit einer einfachen Änderung der Vereinbarung abgestellt werden kann, und ihnen auch nicht vorschreiben, wie die Vereinbarung inhaltlich lauten muss (Urteil des Gerichts vom 18. September 1992, Automec/Kommission, T‑24/90, Slg. 1992, II‑2223, Randnrn. 51 bis 53). Im vorliegenden Fall darf die Kommission der Antragstellerin also keine inhaltlichen Vorgaben zum Ergebnis der Überprüfung ihrer Gegenseitigkeitsvereinbarungen machen.

54      Folglich lässt die angefochtene Entscheidung der Antragstellerin, wie übrigens jeder anderen Verwertungsgesellschaft, einen nicht unbeträchtlichen Gestaltungsspielraum in Bezug auf die nach Art. 4 Abs. 2 vorzunehmende Überprüfung der betreffenden Vereinbarungen.

55      Dazu hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung, deren verfügender Teil anhand der tragenden Gründe auszulegen ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Italien/Kommission, C‑91/01, Slg. 2004, I‑4355, Randnr. 49), ausgeführt, die Entscheidung biete den Verwertungsgesellschaften die Möglichkeit, das System der gegenseitigen Vertretung den Anforderungen der Online-Umgebung anzupassen und es somit attraktiver für Rechteinhaber und Nutzer zu gestalten. Weder verbiete die angefochtene Entscheidung das System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen als solches, noch hindere sie die Verwertungsgesellschaften daran, eine gewisse territoriale Abgrenzung zu praktizieren; gerügt werde lediglich der koordinierte Ansatz sämtlicher Verwertungsgesellschaften bezüglich dieser Abgrenzung. Die Erteilung einer auf ein bestimmtes Gebiet beschränkten Lizenz stelle somit an sich nicht automatisch eine Wettbewerbsbeschränkung dar. Kurzum, ein Lizenzgeber könne seine Lizenz auf ein bestimmtes Gebiet beschränken, ohne damit gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu verstoßen (vgl. insbesondere die Randnrn. 95, 201 und 215).

56      Der Kommission kann deshalb nicht vorgeworfen werden, mit der angefochtenen Entscheidung auch kartellrechtskonforme Verhaltensweisen zu untersagen. Sie ist zu Recht der Ansicht, dass die Überprüfung der Gegenseitigkeitsvereinbarungen zwar durchaus beträchtliche Änderungen an der territorialen Abgrenzung der einzelnen Mandate zur Folge haben könne, keineswegs aber müsse und dass sie nicht unbedingt zur Änderung sämtlicher Verträge führen müsse, wobei es jedoch nicht Sache der Kommission sei, diese Änderungen zu präzisieren, weil letztlich allein die Verwertungsgesellschaften darüber entschieden, wie sie die Zuwiderhandlung abstellten.

57      Soweit sich die Antragstellerin demgegenüber auf das Urteil Alrosa/Kommission (oben in Randnr. 30 angeführt, Randnr. 100) beruft, ist ihr Vorbringen zurückzuweisen. Dieses Urteil betrifft den Sonderfall der Verbindlicherklärung von Verpflichtungszusagen eines marktbeherrschenden Unternehmens. In diesem eng abgegrenzten Rahmen hat das Gericht der Kommission aufgegeben, sich zu vergewissern, dass dem betreffenden Unternehmen zu Recht „die Einhaltung bestimmter Verpflichtungen“ vorgeschrieben werde.

58      Im Übrigen kann die Kommission nach Art. 5 der angefochtenen Entscheidung den in Art. 3 genannten Verwertungsgesellschaften auf Antrag eine Verlängerung der in Art. 4 Abs. 2 festgesetzten Überprüfungsfrist von 120 Tagen gewähren. Die Antragstellerin erkennt in diesem Zusammenhang ausdrücklich an, dass einstweiliger Rechtsschutz so lange nicht notwendig erscheine, wie gleich wirksamer Schutz in einem vorgeschalteten Verwaltungsverfahren erreicht werden könne, meint jedoch, Art. 5 als reine Ermessensvorschrift biete insoweit nur unzureichenden Schutz. Dazu genügt die Feststellung, dass die Antragstellerin nicht vorgetragen hat, die Kommission habe einen von ihr gestellten Verlängerungsantrag abgelehnt oder das Gespräch zur Lösung etwaiger Probleme bei der Erfüllung ihrer Überprüfungspflicht verweigert.

59      Ebenso wenig hat die Antragstellerin vorgetragen, die von ihr angeführten verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten hinsichtlich der Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 2 und 3 machten es ihr unmöglich, wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten mit anderen Verwertungsgesellschaften ihre Gegenseitigkeitsvereinbarungen bilateral zu überprüfen, abzuändern oder neu abzuschließen. Die Antragstellerin hätte insoweit konkret dartun müssen, dass der von ihr insoweit befürchtete schwere und nicht wieder gutzumachende Schaden mit einem hinreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist. Dafür genügt es nicht, abstrakt die „ungünstigste Interpretationsmöglichkeit“ als „worst-case-Szenario“ zu beschreiben.

60      Was die eventuelle Ungültigkeit der auf der angeblichen Verhaltenskoordinierung beruhenden Gegenseitigkeitsvereinbarungen betrifft, so ergibt sich aus Art. 81 Abs. 2 EG, dass nur die gemäß Abs. 1 verbotenen „Vereinbarungen [zwischen Unternehmen]“ oder „Beschlüsse [von Unternehmensvereinigungen]“ nichtig sind, während diese zivilrechtliche Sanktion für verbotene „aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“ nicht vorgesehen ist.

61      Im vorliegenden Fall deutet nichts in der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass die Gegenseitigkeitsvereinbarungen der Antragstellerin wegen der in Art. 3 dieser Entscheidung beanstandeten territorialen Abgrenzungen unter Art. 81 Abs. 2 EG fallen könnten. Diese Bestimmung der angefochtenen Entscheidung wirft den in Rede stehenden Verwertungsgesellschaften einen Verstoß gegen Art. 81 EG nur wegen der „Koordinierung“ der territorialen Abgrenzungen zur Beschränkung des Geltungsbereichs der Lizenzen vor. Die Rechtswidrigkeit der von der angefochtenen Entscheidung erfassten Verhaltensabstimmung kann somit nicht zur Nichtigkeit des angeblichen Ergebnisses dieser Abstimmung, d. h. der Gegenseitigkeitsvereinbarungen, führen.

62      Eine solche Nichtigkeit kann vor allem nicht aus Art. 4 Abs. 2 der angefochtenen Entscheidung hergeleitet werden, der den in Art. 3 genannten Unternehmen aufgibt, bilateral untereinander die territoriale Begrenzung ihrer Mandate in jeder ihrer Gegenseitigkeitsvereinbarungen zu „überprüfen“ und der Kommission Kopien der überprüften Vereinbarungen zu übersenden.

63      Im Übrigen scheint die Antragstellerin selbst davon auszugehen, dass ihre Gegenseitigkeitsvereinbarungen auch in ihrer jetzigen Form als kartellrechtlich unbedenkliche Folgeverträge wirksam bleiben und nach bilateraler Bestätigung fortgeführt werden können. Daher erscheint auch der geltend gemachte finanzielle Schaden (Umstrukturierungskosten, Tarifverfall und Preiskampf) wenig plausibel, wobei er ohnehin kaum als ein nicht oder auch nur schwer wieder gutzumachender Schaden anzusehen wäre, da er in der Regel Gegenstand eines späteren finanziellen Ausgleichs sein könnte (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 11. April 2001, Kommission/Cambridge Healthcare Supplies, C‑471/00 P[R], Slg. 2001, I‑2865, Randnr. 113; Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. Juni 2001, Bactria/Kommission, T‑339/00 R, Slg. 2001, II-1721, Randnr. 94).

64      Auf jeden Fall ist jeder Hinweis auf die etwaige Nichtigkeit von Gegenseitigkeitsvereinbarungen gemäß Art. 81 Abs. 2 EG im vorliegenden Zusammenhang irrelevant. Selbst die Gewährung des beantragten vorläufigen Rechtsschutzes würde nämlich nicht zur einstweiligen Gültigkeit eines Kartells führen, soweit dieses aufgrund von Art. 81 Abs. 1 EG mit den in Art. 81 Abs. 2 EG vorgesehenen Wirkungen für nichtig erklärt worden wäre, da der Richter im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nicht die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung ersetzen darf (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 15. Oktober 1974, Nederlandse Vereniging voor de Fruit- en Groentenimporthandel und Nederlandse Bond van Grossiers in Zuidvruchten en ander Geimporteerd Fruit/Kommission, 71/74 R und RR, Slg. 1974, S. 1031, Randnr. 5, und vom 30. Oktober 1978, van Landewyck u.a./Kommission, 209/78 R bis 215/78 R und 218/78 R, Slg. 1978, S. 2111, Randnr. 5).

65      Zu den angeblichen Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten, die nach Auffassung der Antragstellerin mit Art. 4 Abs. 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung verbunden sind, genügt der Hinweis, dass kein logischer Widerspruch zwischen der Abstellung der in Art. 3 genannten Zuwiderhandlung „innerhalb von 120 Tagen“ (Abs. 2) und dem Verbot „künftiger“ Wiederholung derselben Zuwiderhandlung (Abs. 3) besteht. Wie aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dient die 120tägige Frist der bilateralen Beseitigung des Ergebnisses der von der Kommission beanstandeten Koordinierung der territorialen Abgrenzungen (Überprüfung und gegebenenfalls Änderung oder Neuabschluss einzelner Gegenseitigkeitsvereinbarungen), während durch das Verbot künftiger Wiederholung derselben Zuwiderhandlung jede (erneute) Koordinierung der territorialen Abgrenzungen ab Erlass der angefochtenen Entscheidung untersagt wird.

66      Im Übrigen hat das Verbot „alle[r] Handlungen oder Verhaltensweisen …, die denselben oder einen ähnlichen Zweck bzw. dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben“ wie die in den Art. 3 genannten Verhaltensweisen, lediglich deklaratorische Bedeutung. Art. 81 Abs. 1 EG statuiert nämlich ein grundsätzliches Verbot aller wettbewerbswidrigen Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensabstimmungen; diese zwingende Vorschrift gilt somit für die Antragstellerin unabhängig von jeder Anordnung der Kommission in diesem Punkt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. Oktober 1994, Fiatagri und New Holland Ford/Kommission, T‑34/92, Slg. 1994, II‑905, Randnr. 39). Das oben genannte Verbot künftigen Verhaltens, das der festgestellten Zuwiderhandlung ähnlich ist, verstößt daher nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit.

67      Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang befürchtet, wegen der durch die angefochtene Entscheidung bewirkten Rechtsunsicherheit einem inakzeptablen Sanktionsrisiko ausgesetzt zu sein, genügt die Feststellung, dass der diesbezügliche Schaden hypothetischer Natur ist. In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission keinerlei Geldbuße gegen die Antragstellerin verhängt. Sollte sie jemals ein künftiges Verhalten der Antragstellerin als Missachtung dieser Entscheidung und Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Abs. 1 EG mit einer Geldbuße ahnden wollen, so müsste sie das hierfür vorgesehene Verwaltungsverfahren betreiben, in dessen Rahmen sie in jedem Fall die Beweislast trüge. Der Antragstellerin stünde es dann frei, den Rechtsweg zu beschreiten und gegebenenfalls geltend zu machen, dass die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens wegen der Unbestimmtheit ihrer Verpflichtungen aus der angefochtenen Entscheidung für sie nicht erkennbar gewesen sei. Im Übrigen kann die Antragstellerin durch frühzeitigen Dialog mit der Kommission, wie diese zu Recht ausgeführt hat, das Risiko einer künftigen Geldbuße nicht unwesentlich begrenzen.

68      Die Antragstellerin behauptet außerdem, bei einem sofortigen Vollzug der angefochtenen Entscheidung führten die von der Kommission verlangten Änderungen an den Gegenseitigkeitsvereinbarungen eine unumkehrbare Entwicklung auf dem Markt herbei, selbst wenn diese Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache aufgehoben werden sollte. Indes handelt es sich hierbei um eine durch nichts belegte bloße Behauptung.

69      Die Antragstellerin hat insbesondere nicht vorgetragen, geschweige denn die Gründe dafür dargetan, dass sie daran gehindert wäre, bei einem Obsiegen in der Hauptsache den früheren Zustand wiederherzustellen und die – auf den Online-Bereich beschränkten – etwaigen Änderungen in ihren Gegenseitigkeitsvereinbarungen rückgängig zu machen oder eine mögliche Rückkehr zum Status quo ante sogar schon in den neu ausgehandelten Vereinbarungen vorzusehen. Sie hat namentlich keine Erklärung dafür geliefert, weshalb die anderen Verwertungsgesellschaften ihrem etwaigen Ersuchen um Wiedereinführung des gegenwärtigen Systems ablehnend gegenüberstehen sollten. Die Antragstellerin argumentiert stattdessen mit einer vorweggenommenen (vermutlichen) Reaktion ihrer Vertragspartner. Der behauptete Schaden bleibt somit hypothetisch und kann daher den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Beschluss Government of Gibraltar/Kommission, oben in Randnr. 44 angeführt, Randnr. 101).

70      Dies gilt auch für das Argument der Antragstellerin, die angefochtene Entscheidung schaffe für andere Verwertungsgesellschaften einen Anreiz zur unautorisierten paneuropäischen Lizenzierung. Es kann insoweit dahinstehen, ob die von der Antragstellerin befürchteten Rechtsverletzungen durch Dritte unmittelbar auf der angefochtenen Entscheidung beruhten und durch die beantragte einstweilige Anordnung überhaupt abgestellt werden könnten. Jedenfalls erscheint der Eintritt des behaupteten Schadens nicht als hinreichend wahrscheinlich. Die Antragstellerin hat nämlich nicht vorgetragen, dass es ihr unmöglich wäre, vor den zuständigen nationalen Gerichten Urheberrechtsverletzungen mit Erfolg geltend zu machen.

71      Was schließlich den angeblich drohenden Verlust der kulturellen Vielfalt angeht, so kann dahingestellt bleiben, ob diese Frage überhaupt im Rahmen der Dringlichkeitsprüfung berücksichtigt werden kann (vgl. dazu analog Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 30. Juni 1999, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99 R, Slg. 1999, II‑1961, Randnr. 136). Jedenfalls ist das dahin gehende Vorbringen der Antragstellerin zu pauschal, um die Gewährung des beantragten vorläufigen Rechtsschutzes zu rechtfertigen, zumal die angefochtene Entscheidung nur die Online-Verwertungen des Gesamtrepertoires der Antragstellerin betrifft, die Wiederherstellung des früheren Zustands bei einem Obsiegen in der Hauptsache nicht ausgeschlossen erscheint und die allgemeine Frage des kommerziellen Erfolgs oder Misserfolgs von Textdichtern und Komponisten in erster Linie von der Verbrauchernachfrage abhängen dürfte.

72      Nach alledem ist der Antrag auf einstweilige Anordnung mangels Dringlichkeit zurückzuweisen, ohne dass das Vorbringen der Antragstellerin zum fumus boni iuris zu prüfen wäre.

73      Unter diesen Umständen erübrigt sich eine Entscheidung über den Streithilfeantrag von RTL Group, CLT-UFA und Music Choice Europe.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 14. November 2008.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Deutsch.


1 Nicht wiedergegebene vertrauliche Daten.