Language of document : ECLI:EU:T:2009:405

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DER SIEBTEN KAMMER DES GERICHTS

19. Oktober 2009(*)

„Streithilfe – Berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits – Repräsentative Vereinigungen“

In der Rechtssache T‑410/08

Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) mit Sitz in Berlin (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Bechtold und I. Brinker sowie Professor J. Schwarze,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Castillo de la Torre, A. Antoniadis und O. Weber als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Teilnichtigerklärung der Entscheidung K (2008) 3435 endgültig der Kommission vom 16. Juli 2008 in einem Verfahren nach Art. 81 EG-Vertrag und 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/C2/38.698 – CISAC)

erlässt





DER PRÄSIDENT DER SIEBTEN KAMMER DES
GERICHTS ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

 Verfahren

1        Mit Klageschrift, die am 30. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin, die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), gemäß Art. 230 Abs. 4 EG eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung K (2008) 3435 endgültig der Kommission vom 16. Juli 2008 in einem Verfahren nach Art. 81 EG-Vertrag und 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/C2/38.698 – CISAC) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) erhoben.

2        Mit am 26. Januar 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichtem Schriftsatz haben die RTL Group S.A. (im Folgenden: RTL), die CLT‑UFA S.A. (im Folgenden: CLT), die Music Choice Europe Limited (im Folgenden: Music Choice), die ProSiebenSat.1 Media AG (im Folgenden: ProSiebenSat.1), die Modern Times Group MTG AB (im Folgenden: MTG), die Viasat Broadcasting UK Limited (im Folgenden: Viasat) und der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (im Folgenden: VPRT) beantragt, im vorliegenden Rechtsstreit als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zugelassen zu werden. Dieser Antrag auf Zulassung als Streithelfer ist den Parteien nach Art. 116 § 1 der Verfahrensordnung übermittelt worden.

3        Mit am 20. März 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichtem Schriftsatz hat die Klägerin Einwände gegen diesen Antrag erhoben. Die Kommission hat sich hierzu nicht geäußert.

 Rechtliche Würdigung

4        Nach Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs, der gemäß Art. 53 Abs. 1 dieser Satzung für das Verfahren vor dem Gericht gilt, kann, wer ein berechtigtes Interesse am Ausgang eines bei dem Gericht anhängigen Rechtsstreits – mit Ausnahme von Rechtsstreitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten, zwischen Gemeinschaftsorganen oder zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsorganen – glaubhaft macht, diesem Rechtsstreit beitreten.

5        Der Begriff des berechtigten Interesses am Ausgang des Rechtsstreits ist nach dem Gegenstand des betreffenden Rechtsstreits selbst zu bestimmen und als ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse daran zu verstehen, wie die Klageanträge selbst beschieden werden, und nicht als ein Interesse an den geltend gemachten Angriffs- und Verteidigungsmitteln (vgl. in diesem Sinne auch Beschluss des Gerichtshofs vom 12. April 1978, Amylum u. a./Rat und Kommission, 116/77, 124/77 und 143/77, Slg. 1978, 893, Randnrn. 7 und 9, und Beschluss des Gerichts vom 25. Februar 2003, T‑15/02, BASF/Kommission, Slg. 2003, II‑213, Randnr. 26).

6        RTL, CLT, Music Choice, ProSiebenSat.1, Viasat und MTG führen im Wesentlichen die gleichen Umstände an, um ihr berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits zu beweisen. Daher ist es angebracht, ihre Anträge auf Streithilfe gemeinsam zu prüfen. Das vom VPRT zur Stützung seines Antrags auf Streithilfe geltend gemachte berechtigte Interesse am Ausgang des Rechtsstreits wird getrennt geprüft (unten Randnrn. 15 ff.).

 Zum Antrag auf Streithilfe von RTL, CLT, Music Choice, ProSiebenSat.1, Viasat und MTG

 Vorbringen der Beteiligten

7        RTL, CLT, Music Choice, ProSiebenSat.1, Viasat und MTG tragen vor, sie hätten ein berechtigtes Interesse am Schicksal des Antrags der Kommission. Die Entscheidung des Gerichts im Verfahren zur Hauptsache habe eine gegenwärtige und unmittelbare Auswirkung auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere auf die Bedingungen des Erwerbs von Copyright-Lizenzen von Verwertungsgesellschaften, unter denen sie operierten. Die vollständige Anwendung der angefochtenen Entscheidung würde dazu führen, dass der Wettbewerb zwischen den Verwertungsgesellschaften begünstigt würde, der Erwerb von Lizenzen mit einem weiteren Anwendungsbereich erlaubt würde und RTL, CLT, Music Choice, ProSiebenSat.1, Viasat und MTG Kosten sparten.

8        Die Klägerin trägt vor, dass RTL, CLT, Music Choice, ProSiebenSat.1, Viasat und MTG ihr berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits nicht nachgewiesen hätten und von einem hypothetischen Sachverhalt ausgingen, der sich auf die Art und Weise stütze, in der die Verwertungsgesellschaften ihre Vertragsbeziehungen neu gestalteten. Die räumliche Reichweite und der Inhalt von Lizenzen, die nach der Durchführung der angefochtenen Maßnahme erteilt würden, seien im Voraus nicht zu erkennen. Folglich überschreite das von RTL, CLT, Music Choice, ProSiebenSat.1, Viasat und MTG zur Stützung ihres Streithilfeantrags vorgebrachte berechtigte Interesse den Rahmen des Gegenstands der angefochtenen Entscheidung und daher die Wirkungen der Entscheidung, die das Gericht in der vorliegenden Rechtssache zu erlassen habe.

 Würdigung durch das Gericht

9        Einleitend ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung die Bedingungen der Verwaltung und der Lizenzierung von Rechten zur öffentlichen Aufführung von Musikwerken für die Übertragung per Satellit, Kabel oder Internet betrifft, die in einem Bündel von zwischen den verschiedenen Verwertungsgesellschaften getroffenen Gegenseitigkeitsvereinbarungen geregelt sind. Die International Confederation of Societies of Authors and Composers (internationaler Dachverband der Verwertungsgesellschaften) (CISAC) arbeitete einen unverbindlichen Mustervertrag aus, der von den vertragsschließenden Verwertungsgesellschaften insbesondere in Bezug auf die Bestimmung des Gebiets der Verwaltung auszufüllen ist. Auf der Grundlage dieses Mustervertrags errichteten die Verwertungsgesellschaften ein Netz von Gegenseitigkeitsvereinbarungen, durch das sie sich gegenseitig die Befugnis einräumen, Lizenzen zu erteilen.

10      In den Art. 1 bis 3 der angefochtenen Entscheidung verneint die Kommission die Rechtmäßigkeit der in Art. 11 des CISAC‑Mustervertrags enthaltenen Beschränkungen der Mitgliedschaft oder der Anwendung von De-facto‑Beschränkungen durch bestimmte Verwertungsgesellschaften, die Rechtmäßigkeit der in manche Gegenseitigkeitsvereinbarungen aufgenommenen Gewährung ausschließlicher Rechte sowie die Rechtmäßigkeit des abgestimmten Verhaltens von Verwertungsgesellschaften in Bezug auf die territoriale Abgrenzung des Mandats für die Erteilung der Lizenzen, die zu einer territorialen Ausschließlichkeit führe. Nach Ansicht der Kommission verstoßen diese Klauseln und dieses abgestimmte Verhalten gegen Art. 81 EG. Art. 4 der angefochtenen Entscheidung erlegt den in den Art. 1 bis 3 aufgeführten Unternehmen ferner auf, die entsprechenden Zuwiderhandlungen abzustellen, und insbesondere den in Art. 3 genannten Unternehmen, gegenseitig die territoriale Begrenzung ihrer Mandate für Satellitenübertragung, Kabelweiterverbreitung sowie Internet-Verwendung in jeder ihrer Gegenseitigkeitsvereinbarungen zu überprüfen. Die Klägerin ist in den Art. 1 bis 3 der angefochtenen Entscheidung aufgeführt.

11      Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist zu prüfen, ob RTL, CLT, Music Choice, ProSiebenSat.1, Viasat und MTG, wie sie geltend machen, ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse daran nachgewiesen haben, dass die angefochtene Entscheidung bestätigt wird.

12      Erstens ist festzustellen, dass RTL und Music Choice, da sie 2000 bzw. 2003 bei der Kommission eine Beschwerde eingelegt haben, die der Sache COMP/C2/38.698 – CISAC zugrunde liegt, ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse daran haben, dass die angefochtene Entscheidung aufrechterhalten wird (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 10. Januar 2008, Mediaset/Kommission, T‑177/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 7).

13      Zweitens ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung den Markt der Erteilung von Lizenzen in Bezug auf die Verwertung per Satellit, Kabel oder Internet, dem RTL, CLT, Music Choice, ProSiebenSat.1, Viasat und MTG angehören, unmittelbar betrifft. Sollte das Gericht die angefochtene Entscheidung bestätigen, müssten die Verwertungsgesellschaften, insbesondere die Klägerin, nach Art. 4 der angefochtenen Entscheidung ihre Gegenseitigkeitsvereinbarungen neu verhandeln, um die Wettbewerbsbeschränkungen abzustellen, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gerügt hat und die den Markt der Erteilung der Lizenzen beeinträchtigen, deren Nutzer RTL, CLT, Music Choice, ProSiebenSat.1, Viasat und MTG sind.

14      Demnach haben RTL, CLT, Music Choice, ProSiebenSat.1, Viasat und MTG ihr berechtigtes Interesse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits nachgewiesen; einer Entscheidung in Bezug auf die Form der Gegenseitigkeitsvereinbarungen nach der Anwendung der angefochtenen Entscheidung und die Reichweite und den Inhalt der entsprechenden Lizenzen bedarf es nicht (vgl. entsprechend Beschluss des Gerichts vom 20. Januar 2005, Altstoff Recycling Austria und ARGEV Verpackungs-Gesellschaft/Kommission, T‑419/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 12).

 Zum Antrag auf Streithilfe des VPRT

 Vorbringen der Beteiligten

15      Der VPRT trägt vor, dass er die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für die Streithilfe von repräsentativen Vereinigungen erfülle. Denn er sei ein repräsentativer Vertreter der kommerziellen Rechtenutzer aus dem europäischen Rundfunk‑ und Produktionssektor, seine Ziele umfassten die Vertretung der Rechte seiner Mitglieder, und die angefochtene Entscheidung werfe prinzipielle Fragen auf, die die kommerziellen Bedingungen beträfen, unter denen kommerzielle Rechtenutzer Lizenzen erwerben könnten und die die Funktionsweise des betroffenen Sektors und die Interessen seiner Mitglieder beeinflussten.

16      Die Klägerin trägt vor, dass der VPRT nicht ausreichend repräsentativ für die auf dem betreffenden Markt tätigen Anbieter sei und seine Satzung nicht ausdrücklich erwähne, dass er mit der Interessenvertretung für seine Mitglieder im Sinne einer rechtlichen Wahrnehmung in Rechtssachen von grundsätzlicher Bedeutung beauftragt sei.

 Würdigung durch das Gericht

17      Nach ständiger Rechtsprechung werden repräsentative Vereinigungen, die den Schutz ihrer Mitglieder bezwecken, als Streithelfer in Rechtssachen zugelassen, die Grundsatzfragen aufwerfen, die sich auf diese Mitglieder auswirken können, wenn sie eine beträchtliche Anzahl von Wirtschaftsteilnehmern des betreffenden Sektors vertreten, ihre Ziele den Schutz der Interessen ihrer Mitglieder einschließen, die Rechtssache Grundsatzfragen aufwerfen kann, die das Funktionieren des betreffenden Sektors berühren, und damit die Interessen ihrer Mitglieder in erheblichem Maße durch das zu erlassende Urteil beeinträchtigt werden können (Beschlüsse des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichts vom 26. Februar 2007, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, T‑253/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 15, und des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 2. August 2007, Brosmann Footwear [HK] u. a./Rat, T‑401/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 7).

18      Erstens ist festzustellen, dass der VPRT ein Verein ohne eigenwirtschaftliche Zwecke ist, der eine beträchtliche Anzahl von Wirtschaftsteilnehmern des in der vorliegenden Rechtssache betroffenen Sektors vertritt. Denn in ihm sind ungefähr 160 gewerbliche Radio‑ und audiovisuelle Sendeanstalten zusammengeschlossen sowie Multimedia‑ und Fernsehgesellschaften, die in Deutschland und in anderen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums tätig sind und von denen die meisten Nutzer der Gebrauchslizenzen der betroffenen Musikwerke sind.

19      Zweitens ergibt sich aus der Satzung des VPRT, dass er mit der Vertretung der Interessen seiner Mitglieder beauftragt ist.

20      Schließlich wirft die vorliegende Rechtssache das Funktionieren des betreffenden Sektors berührende Grundsatzfragen auf, soweit sie die Modalitäten der Erteilung der Gebrauchslizenzen für Musikwerke – ein unentbehrliches Instrument in dem betroffenen Sektor – betrifft, deren Nutzer die Mitglieder des VPRT sind. Daher ist festzustellen, dass die vom Gericht zu erlassende Entscheidung in einem erheblichen Umfang sowohl die Funktionsweise des betroffenen Sektors als auch die Interessen der Mitglieder des VPRT berühren kann.

21      Außerdem ergibt sich aus dem 68. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass sich der VPRT aktiv am Verwaltungsverfahren beteiligt hat, das zur angefochtenen Entscheidung geführt hat. Daraus folgt, dass der VPRT sein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits glaubhaft gemacht hat.

22      Nach alledem kann das von den Antragstellern geltend gemachte Interesse, dem Rechtsstreit als Streithelfer beizutreten, als ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse am Ausgang des Rechtsstreits im Sinne des Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs angesehen werden. Folglich ist ihrem Antrag auf Zulassung als Streithelfer stattzugeben.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DER SIEBTEN KAMMER DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Die RTL Group S.A., die CLT‑UFA S.A., die Music Choice Europe Limited, die ProSiebenSat.1 Media AG, die Modern Times Group MTG AB, die Viasat Broadcasting UK Limited und der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. werden in der Rechtssache T‑410/08 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zugelassen.

2.      Der RTL Group S.A., der CLT‑UFA S.A., der Music Choice Europe Limited, der ProSiebenSat.1 Media AG, der Modern Times Group MTG AB, der Viasat Broadcasting UK Limited und dem Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. werden auf Veranlassung des Kanzlers abschriftlich sämtliche Verfahrensunterlagen übermittelt.

3.      Der RTL Group S.A., der CLT‑UFA S.A., der Music Choice Europe Limited, der ProSiebenSat.1 Media AG, der Modern Times Group MTG AB, der Viasat Broadcasting UK Limited und dem Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. wird eine Frist zur schriftlichen Begründung ihrer Anträge zur Unterstützung der Anträge der Kommission gesetzt.

4.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 19. Oktober 2009

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      N. J. Forwood


* Verfahrenssprache: Deutsch.