Language of document : ECLI:EU:C:2024:318

BESCHLUSS DES VIZEPRÄSIDENTEN DES GERICHTSHOFS

11. April 2024(*)

„Rechtsmittel – Vorläufiger Rechtsschutz – Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Medienmarkt – Auskunftsverlangen – Personenbezogene Daten – Dringlichkeit – Recht auf Achtung des Privatlebens“

In der Rechtssache C‑90/24 P(R)

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 57 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 2. Februar 2024,

Vivendi SE mit Sitz in Paris (Frankreich), vertreten durch Y. Boubacir, F. de Bure, E. Dumur, P. Gassenbach, S. Schrameck, O. Thomas und P. Wilhelm, Avocats,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch P. Caro de Sousa, B. Cullen und D. Viros als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER VIZEPRÄSIDENT DES GERICHTSHOFS

nach Anhörung des Generalanwalts M. Szpunar

folgenden

Beschluss

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Vivendi SE die Aufhebung des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts der Europäischen Union vom 19. Januar 2024, Vivendi/Kommission (T‑1097/23 R, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2024:15), mit dem dieser ihren Antrag zurückgewiesen hat, der zum einen auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses C(2023) 6428 final der Kommission vom 19. September 2023 in einem Verfahren nach Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates (Sache M.11184 – Vivendi/Lagardère) in der durch den Beschluss C(2023) 7463 final der Kommission vom 27. Oktober 2023 geänderten Fassung (im Folgenden: streitiger Beschluss) gerichtet war, und der zum anderen vorsorglich darauf abzielte, Vivendi zu verpflichten, sämtliche sich in ihrem Besitz befindenden und vom streitigen Beschluss betroffenen Unterlagen auf einem hierfür bestimmten elektronischen Datenträger aufzubewahren und in elektronisch versiegelter Form an einen vertrauenswürdigen, unabhängigen Dritten zu übergeben.

 Rechtlicher Rahmen

2        Im zehnten Erwägungsgrund der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1) (im Folgenden: DSGVO) heißt es:

„… Diese Verordnung bietet den Mitgliedstaaten zudem einen Spielraum für die Spezifizierung ihrer Vorschriften, auch für die Verarbeitung besonderer Kategorien von personenbezogenen Daten (im Folgenden ‚sensible Daten‘). …“

3        Art. 6 Abs. 1 und 3 DSGVO sieht vor:

„(1)      Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:

a)      Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;

c)      die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;

e)      die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;

(3)      Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen gemäß Absatz 1 Buchstaben c und e wird festgelegt durch

a)      Unionsrecht oder

b)      das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt.

…“

4        Art. 9 Abs. 1 und 2 DSGVO bestimmt:

„(1)      Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.

(2)      Absatz 1 gilt nicht in folgenden Fällen:

a)      Die betroffene Person hat in die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten für einen oder mehrere festgelegte Zwecke ausdrücklich eingewilligt, es sei denn, nach Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten kann das Verbot nach Absatz 1 durch die Einwilligung der betroffenen Person nicht aufgehoben werden,

g)      die Verarbeitung ist auf der Grundlage des Unionsrechts oder des Rechts eines Mitgliedstaats, das in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht, den Wesensgehalt des Rechts auf Datenschutz wahrt und angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Person vorsieht, aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich,

…“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

5        Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 2 bis 8 des angefochtenen Beschlusses dargestellt. Sie lässt sich für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens wie folgt zusammenfassen.

6        Am 24. Oktober 2022 meldete Vivendi bei der Europäischen Kommission einen Zusammenschluss an, der darin bestand, die alleinige Kontrolle über die Lagardère SA zu erwerben. Am 9. Juni 2023 wurde dieser Zusammenschluss von der Kommission vorbehaltlich der Einhaltung der von Vivendi eingegangenen Verpflichtungen genehmigt.

7        Am 25. Juli 2023 unterrichtete die Kommission Vivendi über die Einleitung einer förmlichen Untersuchung über einen möglichen vorzeitigen Vollzug des Zusammenschlusses. Im Rahmen dieses Verfahrens richtete die Kommission mit Beschluss C(2023) 6428 final vom 19. September 2023 ein Auskunftsersuchen an Vivendi, das mit einer Frist bis zum 27. Oktober 2023 verbunden war. Mit Beschluss C(2023) 7463 final vom 27. Oktober 2023 verlängerte die Kommission diese Frist bis zum 1. Dezember 2023.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

8        Mit am 23. November 2023 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob Vivendi Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

9        Mit gesondertem Schriftsatz, der am 24. November 2023 bei der Kanzlei des Gerichts einging, stellte Vivendi einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, mit dem sie zum einen die Aussetzung der Vollziehung dieses Beschlusses begehrte und zum anderen, vorsorglich, sie zu verpflichten, sämtliche sich in ihrem Besitz befindenden und vom streitigen Beschluss betroffenen Unterlagen auf einem hierfür bestimmten elektronischen Datenträger aufzubewahren und innerhalb einer angemessenen und mit den tatsächlichen Zwängen im Zusammenhang mit der Kopie der diese Dokumente enthaltenden Datenträger zu vereinbarenden Frist in elektronisch versiegelter Form an einen vertrauenswürdigen, unabhängigen Dritten, z. B. einen Gerichtsvollzieher oder einen Bevollmächtigten, zu übergeben.

10      Der Präsident des Gerichts ordnete mit dem auf Art. 157 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts gestützten Beschluss vom 28. November 2023, Vivendi/Kommission (T‑1097/23 R), die Aussetzung der Vollziehung des streitigen Beschlusses bis zum Erlass des das Verfahren in der Rechtssache T‑1097/23 R beendenden Beschlusses an, unbeschadet der Verpflichtung von Vivendi, die Sammlung von Informationen fortzusetzen und alle von diesem Beschluss betroffenen Dokumente, die für die Untersuchung der Kommission von Interesse sein könnten, auf einem elektronischen Datenträger aufzubewahren.

11      Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Präsident des Gerichts den in Rn. 9 des vorliegenden Beschlusses genannten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit der Begründung zurückgewiesen, dass Vivendi nicht nachgewiesen habe, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt sei, und seinen Beschluss vom 28. November 2023 (T‑1097/23 R) aufgehoben.

12      Erstens hat der Präsident des Gerichts in Rn. 29 des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass die Gefahr, dass Vivendi mit Zwangsgeldern oder Geldbußen belegt werde, in dem Verfahrensstadium, in dem dieser Beschluss ergehen solle, hypothetischer Natur sei.

13      Zweitens hat er in Rn. 39 des angefochtenen Beschlusses das Vorbringen von Vivendi zurückgewiesen, mit dem ein Schaden im Zusammenhang mit der Mobilisierung erheblicher personeller und finanzieller Ressourcen geltend gemacht wurde.

14      Drittens hat der Präsident des Gerichts in den Rn. 41 und 42 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass der Umstand, dass die Kommission von einer Fülle von Dokumenten Kenntnis nehmen könne, obwohl sie offenkundig keinen Bezug zum Gegenstand der Untersuchung hätten, Vivendi keinen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen könne.

15      Viertens hat der Präsident des Gerichts in Rn. 43 des angefochtenen Beschlusses das Vorbringen von Vivendi zurückgewiesen, mit dem sie einen Schaden geltend machte, der sich aus der Verletzung der Privatsphäre bestimmter ihrer Mitarbeiter und Unternehmensvertreter ergebe.

16      Fünftens ist er in Rn. 51 des angefochtenen Beschlusses davon ausgegangen, dass mit dem geltend gemachten Schaden, der sich aus der Gefahr für Vivendi ergebe, sich selbst belasten zu müssen, nicht nachgewiesen werden könne, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt sei.

17      Sechstens hat der Präsident des Gerichts in den Rn. 52 und 54 des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass die Gefahr, dass Vivendi Zwangsgelder oder Geldbußen zu zahlen habe, nicht irreparabel und rein hypothetisch sei.

 Anträge der Parteien des Rechtsmittelverfahrens und Verfahren vor dem Gerichtshof

18      Vivendi beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss aufzuheben,

–        die Vollziehung des streitigen Beschlusses bis zur Verkündung des endgültigen Urteils des Gerichts und gegebenenfalls des Gerichtshofs über die von Vivendi gegen diesen Beschluss erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen,

–        hilfsweise, die Sache an das Gericht zurückzuverweisen und

–        der Kommission die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.

19      Die Kommission beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen und

–        Vivendi die Kosten aufzuerlegen.

20      Mit seinem Beschluss vom 6. Februar 2024, Vivendi/Kommission (C‑90/24 P[R]–R, EU:C:2024:121), der auf der Grundlage von Art. 160 Abs. 7 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ergangen ist, hat der Vizepräsident des Gerichtshofs die Vivendi mit dem streitigen Beschluss auferlegte Verpflichtung, die in diesem Beschluss genannten Dokumente zu sammeln und der Kommission zu übermitteln, bis zum Erlass des Beschlusses, der von den beiden folgenden Beschlüssen als erster ergeht, nämlich des Beschlusses über die Beendigung des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes in der Rechtssache C‑90/24 P(R)‑R oder des Beschlusses, mit dem über das vorliegende Rechtsmittel entschieden wird, ausgesetzt, unbeschadet der Verpflichtung von Vivendi, alle zweckdienlichen Maßnahmen zu treffen, um die Aufbewahrung aller dieser Dokumente sicherzustellen.

 Zum Rechtsmittel

21      Vivendi stützt ihr Rechtsmittel auf sechs Gründe. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund rügt sie einen Verstoß gegen die Grundsätze der Waffengleichheit und des kontradiktorischen Verfahrens und mit dem zweiten bis sechsten Rechtsmittelgrund offensichtliche Fehler bei der Beurteilung der von Vivendi geltend gemachten Schäden.

 Vorbringen

22      Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund, der zuerst zu prüfen ist, macht Vivendi geltend, der Präsident des Gerichts habe einen offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung des Schadens begangen, der sich aus dem weitreichenden Eingriff in die Privatsphäre der vom streitigen Beschluss betroffenen Personen ergebe.

23      Erstens beschränke die Argumentation in Rn. 45 des angefochtenen Beschlusses den Schutzbereich der Privatsphäre auf sensible personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO. Dieser Begriff habe jedoch einen sehr eingeschränkten Anwendungsbereich, da sowohl aus der DSGVO als auch aus der Rechtsprechung des Gerichts hervorgehe, dass er sich nur auf die intimsten und sensibelsten Informationen der betroffenen Personen beziehe. Die in Bezug auf sensible personenbezogene Daten gewährten Garantien ermöglichten es daher nicht, den Schutz sämtlicher personenbezogener Daten, die mit der Privatsphäre dieser Personen verbunden seien, zu gewährleisten und damit dem von Vivendi geltend gemachten Schaden in angemessener Weise vorzubeugen.

24      Zweitens macht Vivendi geltend, mehrere der ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beigefügten Schriftstücke belegten, dass der streitige Beschluss die Sammlung und die Übermittlung von Dokumenten an die Kommission vorschreibe, die mit der Privatsphäre der betroffenen Personen verbunden seien.

25      Drittens lasse der angefochtene Beschluss die Zwänge, die sich für Vivendi aus dem französischen Straf- und Arbeitsrecht ergäben, völlig außer Acht. Es sei Vivendi daher tatsächlich unmöglich, dem streitigen Beschluss nachzukommen, ohne sich sowohl strafrechtlichen als auch zivilrechtlichen Sanktionen auszusetzen.

26      Viertens könnten die Garantien, die die Kommission in Bezug auf sensible personenbezogene Daten biete, den Eintritt des Schadens, auf den Vivendi sich berufe, nicht verhindern, da diese Garantien voraussetzten, dass die diese Daten enthaltenden Dokumente der Kommission übermittelt würden und diese von ihnen Kenntnis nehmen könne.

27      Fünftens könne entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss das Berufsgeheimnis, dem die Beamten und Bediensteten der Kommission unterlägen, keine ausreichende Garantie darstellen, um den Eintritt des geltend gemachten Schadens zu verhindern, da Vivendi auch ein Interesse daran habe, zu verhindern, dass diese Beamten und Bediensteten Zugang zu geschützten Dokumenten erhielten. Außerdem habe der Präsident des Gerichts den Umstand, obwohl er von Vivendi ausdrücklich angeführt worden sei, nicht berücksichtigt, dass die Kommission das Tätigwerden mehrerer nicht am Verfahren beteiligter Dritter zugelassen und damit die Gefahr geschaffen habe, dass diese Dritten Zugang zu vertraulichen Daten erhielten und diese offenlegten.

28      Nach Ansicht der Kommission ist der vierte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

29      Insbesondere sei es unvermeidlich, dass sie, um ihre Untersuchung durchführen zu können, personenbezogene Daten zu verarbeiten habe. Der bloße Umstand, dass sie die Relevanz solcher Daten prüfe, könne für sich genommen keinen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden verursachen. In diesem Zusammenhang sei das Bestehen von Verfahrensgarantien für sensible personenbezogene Daten ein relevanter Gesichtspunkt für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des fraglichen Eingriffs in das Recht auf Achtung des Privatlebens. Im Übrigen werde der Gefahr, dass die erhobenen personenbezogenen Daten unbefugt weitergegeben würden, durch die strengen Pflichten zur Wahrung des Berufsgeheimnisses, denen die Beamten und Bediensteten der Kommission unterlägen, vorgebeugt.

30      In Bezug auf das Vorbringen zum potenziellen Zugang Dritter zu personenbezogenen Daten macht die Kommission zunächst geltend, dass dieses Argument als unzulässig zurückgewiesen werden müsse, da es im ersten Rechtszug nicht hinreichend substantiiert worden sei. Sodann macht sie geltend, dass ihre Beamten und sonstigen Bediensteten angesichts ihrer strengen Geheimhaltungspflichten keine vertraulichen Informationen an Dritte weitergeben dürften. Schließlich erhielten interessierte Dritte nur im Fall der Mitteilung der Beschwerdepunkte Akteneinsicht und hätten niemals Einsicht in die vertrauliche Fassung der Aktenstücke.

 Würdigung

31      Zum Vorbringen von Vivendi zur Gefahr einer Verletzung der Privatsphäre bestimmter ihrer Mitarbeiter und Unternehmensvertreter hat der Präsident des Gerichts in Rn. 44 des angefochtenen Beschlusses angenommen, dass die Kommission, da die Unternehmen über ihre Mitarbeiter und Unternehmensvertreter handelten, berechtigt sei, für die Zwecke einer wettbewerbsrechtlichen Untersuchung Informationen über deren Verhalten anzufordern, soweit dieses Verhalten die Sphäre des Unternehmens und nicht ihre Privatsphäre betreffe.

32      In Rn. 45 dieses Beschlusses hat der Präsident des Gerichts darauf hingewiesen, dass die Kommission Vivendi in diesem Zusammenhang über die im Bereich sensibler personenbezogener Daten angewandten besonderen Verfahrensgarantien informiert habe und dass sie daher Maßnahmen ergriffen habe, um zu verhindern, dass sich die von Vivendi angeführte Gefahr realisiere. Daraus hat er gefolgert, dass in Anbetracht dieser Vorsichtsmaßnahmen die Auskunftsverlangen betreffend die Mobiltelefone und E‑Mails der Mitarbeiter von Vivendi nicht geeignet seien, den von ihr geltend gemachten schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zu verursachen.

33      In Rn. 46 des angefochtenen Beschlusses hat der Präsident des Gerichts ausgeführt, dass die Beamten und Bediensteten der Kommission jedenfalls strengen Pflichten zur Wahrung des Berufsgeheimnisses unterlägen. Insoweit hat er in Rn. 47 dieses Beschlusses darauf hingewiesen, dass es diesen Beamten und Bediensteten untersagt sei, Informationen, von denen sie im Rahmen ihrer Aufgaben Kenntnis erhielten, ohne Erlaubnis zu verbreiten, es sei denn, diese Informationen seien bereits veröffentlicht oder der Öffentlichkeit zugänglich.

34      In diesem Zusammenhang ist erstens zur Würdigung in Rn. 45 des angefochtenen Beschlusses festzustellen, dass sich bereits aus dem Wortlaut dieser Randnummer ergibt, dass sie auf der Berücksichtigung der in den Rn. 26 bis 28 dieses Beschlusses genannten Verfahrensgarantien beruht.

35      Aus diesen Rn. 26 bis 28 geht hervor, dass sich diese Garantien ausschließlich auf drei Kategorien von Daten beziehen, nämlich die durch die Vertraulichkeit des Austauschs zwischen Rechtsanwalt und Mandant geschützten Daten, Daten zu journalistischen Quellen und sensible personenbezogene Daten.

36      Diese letztgenannte Kategorie, die als einzige in Rn. 45 des angefochtenen Beschlusses erwähnt wird, wird in diesem Beschluss nicht definiert.

37      Unter diesen Umständen ist zur Beurteilung der Tragweite der vom Präsidenten des Gerichts vorgenommenen Würdigung die Tragweite zu bestimmen, die dieser Datenkategorie im streitigen Beschluss beigemessen wurde. In diesem Beschluss wird klargestellt, dass er für „sensible personenbezogene Daten im Sinne der [DSGVO]“ eine Sonderregelung vorsieht. Aus Art. 9 Abs. 1 DSGVO im Licht des zehnten Erwägungsgrundes der DSGVO ergibt sich, dass sich dieser Begriff auf personenbezogene Daten bezieht, aus deren Verarbeitung die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie auf genetische und biometrische Daten, deren Verarbeitung die eindeutige Identifizierung einer natürlichen Person ermöglicht, und auf Gesundheitsdaten, Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person.

38      In Anbetracht der Tragweite, die dem Begriff „sensible personenbezogene Daten“ damit zukommt, gelten die in Rn. 45 des angefochtenen Beschlusses genannten Verfahrensgarantien, wie Vivendi geltend macht, nicht für alle zur Privatsphäre der betroffenen Personen gehörenden Daten, insbesondere weil diese Garantien keinerlei Schutz für Daten bieten, die sich z. B. auf das Familienleben, die Vorlieben oder private Aktivitäten dieser Personen ohne politischen, religiösen, weltanschaulichen oder gewerkschaftlichen Charakter beziehen.

39      Es ist jedoch festzustellen, dass Vivendi sich in ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz auf die Gefahr des Zugangs zu Daten berufen hat, die allgemein der Privatsphäre der betroffenen Personen zugeordnet werden können. Zwar ist in Rn. 95 dieses Antrags von sensiblen personenbezogenen Daten die Rede, doch war diese Erwähnung in einem Zitat aus der Rechtsprechung des Gerichts enthalten und kann nicht so verstanden werden, dass damit die Tragweite des Vorbringens von Vivendi eingeschränkt werden sollte.

40      Vivendi macht daher zu Recht geltend, dass der Präsident des Gerichts mit seiner Feststellung, dass die in Rn. 45 des angefochtenen Beschlusses genannten Garantien gerade verhindern sollten, dass die von Vivendi angeführte Gefahr eintrete, und daraus abgeleitet hat, dass die Auskunftsverlangen nicht geeignet seien, den von ihr geltend gemachten schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zu verursachen, nicht alle personenbezogenen Daten berücksichtigt hat, die in den der Kommission zu übermittelnden Dokumenten enthalten sein könnten und für die Beurteilung des Vorliegens und der Schwere dieses Schadens relevant sind.

41      Folglich hat der Präsident des Gerichts einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem er davon ausgegangen ist, dass diese Garantien ausreichten, um das Vorbringen von Vivendi bezüglich der Gefahr einer Verletzung der Privatsphäre bestimmter ihrer Mitarbeiter und Unternehmensvertreter zurückzuweisen.

42      Was zweitens die in den Rn. 46 und 47 des angefochtenen Beschlusses ergänzend angeführte Begründung betrifft, ist zwar festzustellen, dass der Präsident des Gerichts zu Recht davon ausgehen konnte, dass die Beamten und Bediensteten der Kommission nicht berechtigt waren, die in den Dokumenten, die Vivendi der Kommission zur Durchführung des streitigen Beschlusses übermitteln würde, enthaltenen Informationen uneingeschränkt der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

43      Zum einen sind jedoch die Pflichten der Beamten und Bediensteten der Kommission zur Wahrung des Berufsgeheimnisses, wie Vivendi geltend macht, nicht geeignet, die Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens bestimmter ihrer Mitarbeiter und Unternehmensvertreter zu verhindern, die darin besteht, dass diese Beamten und Bediensteten selbst Zugang zu personenbezogenen Daten haben, die mit der Privatsphäre dieser Mitarbeiter und Unternehmensvertreter verbunden sind.

44      Zum anderen hatte Vivendi in Rn. 96 ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz auch auf die Gefahr hingewiesen, dass „von der Kommission zum Verfahren zugelassene interessierte Dritte“ von den der Kommission von Vivendi übermittelten Dokumenten Kenntnis nehmen könnten, wobei sie insoweit auf Schreiben in der Anlage zu diesem Antrag verwies, in denen sie davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass bestimmte interessierte Dritter zum Verfahren zugelassen worden seien.

45      Da diese Behauptung hinreichend klar und untermauert ist, um vom Gericht berücksichtigt werden zu müssen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das zur Stützung des vierten Rechtsmittelgrundes vorgebrachte Argument zur Gefahr der Offenlegung bestimmter Dokumente gegenüber Dritten mit der Begründung als unzulässig zurückzuweisen ist, dass es ein neues Argument darstelle, das im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sei.

46      Wie Vivendi geltend macht, wird mit den den Beamten und Bediensteten der Kommission auferlegten Pflichten zur Wahrung des Berufsgeheimnisses jedoch weder bezweckt noch bewirkt, den Zugang zum Verfahren zugelassener Dritter zu Dokumenten der Kommissionsakte zu regeln.

47      Außerdem ist, soweit die Kommission geltend macht, dass andere Regeln einen solchen Zugang ausschließen könnten, festzustellen, dass diese Regeln in den Rn. 46 und 47 des angefochtenen Beschlusses nicht erwähnt worden sind.

48      Daraus folgt, dass der Präsident des Gerichts mit seiner Annahme in den Rn. 46 und 47 des angefochtenen Beschlusses, dass die den Beamten und Bediensteten der Kommission auferlegten Pflichten zur Wahrung des Berufsgeheimnisses geeignet gewesen seien, den Eintritt des von Vivendi behaupteten Schadens zu verhindern, einen Fehler bei der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts begangen hat.

49      Drittens ist festzustellen, dass die in Rn. 44 des angefochtenen Beschlusses angeführten Erwägungen für sich genommen nicht geeignet sind, die Zurückweisung des Vorbringens von Vivendi bezüglich der Gefahr einer Verletzung der Privatsphäre bestimmter ihrer Mitarbeiter und Unternehmensvertreter zu rechtfertigen.

50      In dieser Randnummer hat sich der Präsident des Gerichts nämlich auf den Hinweis beschränkt, dass die Kommission befugt sei, Informationen über das Verhalten der Mitarbeiter und Unternehmensvertreter von Vivendi anzufordern, „soweit dieses Verhalten die Sphäre des Unternehmens und nicht ihre Privatsphäre betrifft“. Damit hat er keine Feststellung zum etwaigen Vorliegen eines Schadens für den Fall getroffen, dass die der Kommission übermittelten Informationen, wie Vivendi vorträgt, zur Privatsphäre der betroffenen Personen gehören sollten.

51      Nach alledem enthält der angefochtene Beschluss angesichts der Fehler, mit denen seine Rn. 45 bis 47 behaftet sind, keine Gründe, die die Zurückweisung des Vorbringens von Vivendi bezüglich der Gefahr einer Verletzung der Privatsphäre bestimmter ihrer Mitarbeiter und Unternehmensvertreter stützen könnten.

52      Folglich ist dem vierten Rechtsmittelgrund stattzugeben.

53      Da der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit der Begründung zurückgewiesen wurde, Vivendi habe nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt sei, fehlt es dem Tenor des angefochtenen Beschlusses an einer Grundlage.

54      Somit ist der angefochtene Beschluss in vollem Umfang aufzuheben, ohne dass die übrigen Rechtsmittelgründe geprüft zu werden brauchen.

 Zu dem beim Gericht gestellten Antrag auf einstweilige Anordnung

55      Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen. Diese Bestimmung gilt auch für Rechtsmittel, die gemäß Art. 57 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingelegt wurden (Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 24. Mai 2022, Puigdemont i Casamajó u. a./Parlament und Spanien, C‑629/21 P[R], EU:C:2022:413, Rn. 172 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 156 Abs. 4 der Verfahrensordnung des Gerichts in Anträgen auf vorläufigen Rechtsschutz der Streitgegenstand, die Umstände, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, sowie die den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung dem ersten Anschein nach rechtfertigenden Sach‑ und Rechtsgründe anzuführen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs können die Aussetzung der Vollziehung und sonstige einstweilige Anordnungen von dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter gewährt werden, wenn ihre Notwendigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht (fumus boni iuris) und dargetan ist, dass sie in dem Sinne dringlich sind, dass sie zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers bereits vor der Entscheidung über die Klage erlassen werden und ihre Wirkungen entfalten müssen. Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass Anträge auf einstweilige Anordnungen zurückzuweisen sind, sofern eine von ihnen nicht erfüllt ist. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vor (Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 24. Mai 2022, Puigdemont i Casamajó u. a./Parlament und Spanien, C‑629/21 P[R], EU:C:2022:413, Rn. 175 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen verfügt der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter über ein weites Ermessen; er kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Unionsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 16. Juli 2021, Symrise/ECHA, C‑282/21 P[R], EU:C:2021:631, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Im vorliegenden Fall verfügt der Vizepräsident des Gerichtshofs angesichts der bereits vom Präsidenten des Gerichts vorgenommenen Feststellungen und des schriftlichen Verfahrens zwischen den Parteien über ausreichende Angaben, um endgültig über die Voraussetzung der Dringlichkeit zu entscheiden.

 Vorbringen

59      Zum Nachweis, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt sei, macht Vivendi mehrere verschiedene Schäden geltend.

60      Zu dem – zuerst zu prüfenden – Vorbringen, mit dem geltend gemacht wird, dass der streitige Beschluss die Gefahr einer Verletzung der Privatsphäre bestimmter Mitarbeiter und Unternehmensvertreter von Vivendi mit sich bringe, macht diese geltend, der streitige Beschluss verlange, dass sie der Kommission alle Gespräche, die zwischen mehreren natürlichen Personen geführt worden seien, in vollem Umfang und über den gesamten betroffenen Zeitraum übermittele, ohne dass danach unterschieden werde, ob es sich um berufliche oder private Gespräche handele. Auch sei Vivendi verpflichtet, sämtliche Gespräche zu übermitteln, die bestimmte Schlüsselwörter enthielten, selbst wenn diese Gespräche aus privaten oder persönlichen Mailboxen und aus privaten oder persönlichen Mobilgeräten der betreffenden Mitarbeiter und Unternehmensvertreter stammten, sofern diese Mailboxen oder diese Geräte mindestens einmal für berufliche Kommunikationen verwendet worden seien. Zahlreiche Dokumente, die der Kommission auf diese Weise zu übermitteln seien, könnten Informationen enthalten, die für Vivendi sensibel seien und zur Privatsphäre sowohl der betroffenen Personen als auch Dritter gehörten.

61      Die Sammlung solcher Dokumente durch Vivendi und deren Übermittlung an die Kommission seien mit dem französischen Zivil- und Strafrecht sowie mit den Vorschriften des Unionsrechts und der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten unvereinbar. Sie werde auf diese Weise vor eine unmögliche Wahl gestellt, da sie sich unabhängig davon, ob sie dem streitigen Beschluss nachkomme oder nicht, erheblichen Sanktionen aussetze.

62      Außerdem würde Vivendi und den betroffenen Personen durch die Übermittlung der in Rede stehenden Informationen ein schwerer Schaden entstehen, da der Kreis der Personen, die von diesen Informationen Kenntnis erlangten, erweitert würde. Dieser Schaden sei nicht wiedergutzumachen, da die Verletzung der fraglichen Rechte durch die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses nicht mehr behoben werden könne.

63      Die Kommission macht erstens geltend, die von Vivendi angeführte rechtliche Unmöglichkeit, den streitigen Beschluss durchzuführen, könne allenfalls zu einem finanziellen Schaden führen, dem kein außergewöhnlicher Charakter zukomme.

64      Zweitens beziehe sich das Vorbringen von Vivendi im Wesentlichen auf eine Verletzung der Rechte Dritter. Der Antragsteller in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes könne sich jedoch für den Nachweis, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt sei, nur auf den Nachweis einer Gefahr für seine eigenen Interessen stützen.

65      Drittens sei nach der Rechtsprechung des Gerichts nur die Offenlegung sensibler personenbezogener Daten für den Nachweis geeignet, dass ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden vorliege. Es sei nämlich unvermeidlich, dass die Kommission, um ihre Untersuchung durchführen zu können, personenbezogene Daten verarbeite. Der bloße Umstand, dass sie die Relevanz solcher Daten prüfe, könne für sich genommen keinen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden verursachen.

66      Vivendi habe jedoch nicht nachgewiesen, dass die der Kommission zu übermittelnden Dokumente sensible personenbezogene Daten enthielten. Jedenfalls habe die Kommission Vivendi besondere Verfahrensgarantien für sensible personenbezogene Daten eingeräumt, die zusätzlich zu den strengen Pflichten der Beamten und Bediensteten der Kommission zur Wahrung des Berufsgeheimnisses zur Anwendung kämen.

 Würdigung

67      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs besteht der Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes darin, die volle Wirksamkeit der künftigen endgültigen Entscheidung zu gewährleisten, um eine Lücke in dem vom Gerichtshof gewährten Rechtsschutz zu verhindern. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Dringlichkeit im Hinblick darauf zu beurteilen, ob eine einstweilige Anordnung erforderlich ist, um den Eintritt eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens bei der Partei, die den vorläufigen Rechtsschutz beantragt, zu verhindern. Dieser Partei obliegt der Nachweis, dass sie den Ausgang des Verfahrens zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne dass ihr derartiger Schaden entstünde. Zwar ist es für den Nachweis eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens nicht erforderlich, dass Eintritt und unmittelbares Bevorstehen des Schadens mit absoluter Sicherheit belegt werden, und es genügt, dass dieser mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist; jedoch obliegt es weiterhin dem Antragsteller, der den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen Schadens begründen sollen (Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 24. Mai 2022, Puigdemont i Casamajó u. a./Parlament und Spanien, C‑629/21 P[R], EU:C:2022:413, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      Erstens ist festzustellen, dass, wie die Kommission vorträgt, das Vorbringen von Vivendi, mit dem geltend gemacht wird, dass der streitige Beschluss die Gefahr einer Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens mit sich bringe, im Wesentlichen auf der Verletzung von Rechten Dritter beruht, nämlich der Mitarbeiter und Unternehmensvertreter von Vivendi, deren Kommunikationen gemäß dem streitigen Beschluss gesammelt und der Kommission übermittelt werden sollen.

69      Während Vivendi in ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ausführlich auf den mit der Durchführung des streitigen Beschlusses einhergehenden Eingriff in die Privatsphäre dieser Mitarbeiter und Unternehmensvertreter eingeht, beschränkt sie sich bezüglich ihrer eigenen Rechte auf die Behauptung, dass die der Kommission zu übermittelnden Dokumente für diese Gesellschaft sensible Informationen enthalten könnten, ohne darzulegen, worin diese Informationen bestünden und in welchem Zusammenhang sie mit dem Recht auf Achtung des Privatlebens stünden.

70      Aus der in Rn. 67 des vorliegenden Beschlusses angeführten Rechtsprechung ergibt sich jedoch, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit normalerweise im Hinblick auf den Schaden beurteilt wird, der der Partei, die den vorläufigen Rechtsschutz beantragt, möglicherweise entstehen kann.

71      Dieser Grundsatz darf jedoch nicht in einer Weise ausgelegt werden, die der Verwirklichung des Zwecks des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes entgegenstehen würde, nämlich die volle Wirksamkeit der künftigen endgültigen Entscheidung zu gewährleisten, um eine Lücke in dem vom Gerichtshof gewährten Rechtsschutz zu verhindern. Unter diesem Blickwinkel ist u. a. entschieden worden, dass sich ein Mitgliedstaat auf eine Beeinträchtigung, die er nicht unmittelbar erleidet, berufen kann, da die Mitgliedstaaten die Interessen zu vertreten haben, die auf nationaler Ebene als allgemeine Interessen gelten, und deren Verteidigung sie im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes sicherstellen können (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 3. Juni 2022, Bulgarien/Parlament und Rat, C‑545/20 R, EU:C:2022:445, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Gleichwohl kann sich ein privates Unternehmen wie Vivendi nicht mit Erfolg auf die Gefahr einer Beeinträchtigung der Rechte Dritter berufen, um den Erlass einstweiliger Anordnungen in Bezug auf einen Rechtsakt zu erwirken, der seine Interessen nicht beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 6. Mai 1988, Verband der kretischen Zitrusfrüchteerzeuger/Kommission, 112/88 R, EU:C:1988:241, Rn. 20).

73      Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.

74      Der Schaden, den Vivendi im Zusammenhang mit dem Recht auf Achtung des Privatlebens geltend macht, ergäbe sich nämlich unmittelbar aus dem Verhalten, zu dem sie ihrer Ansicht nach gegenüber bestimmten ihrer Mitarbeiter und Unternehmensvertreter gezwungen wäre, um dem streitigen Beschluss nachzukommen.

75      Daraus folgt, dass Vivendi mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht anstelle von Dritten, die autonom von den Auswirkungen des streitigen Beschlusses betroffen wären, sondern in eigener Sache handeln will, um ihre eigenen Interessen zu wahren, indem sie verhindert, dass sie selbst dazu veranlasst wird, Dritten einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden zuzufügen, für den sie im Übrigen möglicherweise haftbar gemacht werden könnte, wobei dies in einem Kontext geschähe, in dem dieser Schaden diesen Dritten aufgrund ihrer Verbindungen zu Vivendi zugefügt würde, ohne dass diese Dritten in der Lage wären, selbst einen vorläufigen Schutz zu erlangen, durch den das Eintreten dieses Schadens verhindert werden könnte.

76      Unter diesen besonderen Umständen kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, ohne den in Rn. 71 des vorliegenden Beschlusses angeführten Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes zu verkennen, nicht davon ausgehen, dass ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden, den Vivendi, um dem streitigen Beschluss nachzukommen, bestimmten ihrer Mitarbeiter und Unternehmensvertreter zufügen müsste, von dieser Gesellschaft nicht für den Nachweis geltend gemacht werden kann, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt ist.

77      Daher ist zweitens zu prüfen, ob durch die Durchführung des streitigen Beschlusses mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden für bestimmte Mitarbeiter und Unternehmensvertreter von Vivendi verursacht werden kann.

78      Da Vivendi eine Verletzung bestimmter Grundrechte geltend machen möchte, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Ansicht, ein Schaden sei definitionsgemäß nicht wiedergutzumachen, da er den Bereich der Grundrechte antaste, nicht zugelassen werden kann, da es nicht genügt, abstrakt einen Eingriff in Grundrechte zu behaupten, um nachzuweisen, dass der sich daraus etwa ergebende Schaden notwendig irreparablen Charakter hat (Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 28. November 2013, EMA/InterMune UK u. a., C‑390/13 P[R], EU:C:2013:795, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass ein Eingriff in ein Grundrecht niemals als schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden angesehen werden kann.

80      Zum einen kann die Verletzung bestimmter Grundrechte wie des Verbots der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung nach Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als solche wegen der eigentlichen Natur des verletzten Rechts zu einem schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden führen (Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 28. November 2013, EMA/InterMune UK u. a., C‑390/13 P[R], EU:C:2013:795, Rn. 43).

81      Zum anderen ist die Verletzung von Grundrechten, die wie das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 7 der Charta der Grundrechte nicht zu der in der vorstehenden Randnummer genannten Kategorie gehören, anhand aller in Rede stehenden Umstände zu beurteilen, um festzustellen, ob der Umfang und die Art des mit dieser Verletzung verbundenen Schadens es rechtfertigen, diesen Schaden als schwer und nicht wiedergutzumachend anzusehen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 28. November 2013, EMA/InterMune UK u. a., C‑390/13 P[R], EU:C:2013:795, Rn. 44).

82      Folglich ist es Sache des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters, festzustellen, ob die Durchführung des streitigen Beschlusses mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Eingriff in die Privatsphäre bestimmter Mitarbeiter und Unternehmensvertreter von Vivendi führen kann, und gegebenenfalls unter Berücksichtigung aller in Rede stehenden Umstände den Umfang und die Art des sich aus dieser Beeinträchtigung ergebenden Schadens zu bewerten.

83      Insoweit verpflichtet der streitige Beschluss Vivendi u. a. dazu, den gesamten Austausch, der während eines Zeitraums von mehreren Jahren über verschiedene Kommunikationsmittel zwischen mehreren natürlichen Personen stattgefunden hat, sowie einen bestimmten Austausch zwischen anderen natürlichen Personen zu erfassen und die so erfassten Daten der Kommission zu übermitteln.

84      In Bezug auf den letztgenannten Austausch geht aus diesem Beschluss hervor, dass die Auswahl der der Kommission zu übermittelnden Dokumente unter Anwendung einer Reihe von Schlüsselwörtern zu erfolgen hat, die einen gewissen Grad an Allgemeinheit aufweisen und u. a. den Familiennamen oder den Vornamen mehrerer Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus der Politik oder dem Mediensektor enthalten.

85      Darüber hinaus muss ein Austausch, der – wenn auch nur indirekt – mit einem der Kommission zu übermittelnden Dokument in Verbindung steht, ebenfalls der Kommission mitgeteilt werden, da ihr nach Rn. 9 des streitigen Beschlusses sämtliche E‑Mails, die „zu derselben Serie“ wie ein solches Dokument gehören, oder, wenn es sich bei diesem Dokument um eine SMS oder um Instant Messaging handelt, das gesamte Gespräch über den gesamten betreffenden Zeitraum zu übermitteln sind.

86      Außerdem steht fest, dass sich diese Verpflichtungen nach Rn. 2 dieses Beschlusses u. a. auf den Austausch mittels privater oder persönlicher Mailboxen und privater oder persönlicher Mobilgeräte der betreffenden Mitarbeiter und Unternehmensvertreter erstrecken, sofern diese Mailboxen und Geräte mindestens einmal für berufliche Kommunikationen verwendet wurden.

87      Angesichts des Wortlauts des streitigen Beschlusses ist zunächst festzustellen, dass sich die Dokumente, die Vivendi zu sammeln und der Kommission zu übermitteln hat, auf den Inhalt von Kommunikationen zwischen natürlichen Personen beziehen.

88      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass es angesichts der sowohl sachlich als auch zeitlich sehr weitreichenden Verpflichtungen, die Vivendi mit diesem Beschluss auferlegt wurden, sowie des Umstands, dass mit diesen Verpflichtungen insbesondere ein Austausch erfasst werden soll, der über Kommunikationsinstrumente erfolgt, die üblicherweise im rein privaten Bereich verwendet werden, sehr wahrscheinlich ist, dass eine große Zahl von Dokumenten, die der Kommission auf diese Weise zu übermitteln sind, nicht in die berufliche Sphäre fällt und Informationen über das Privatleben der betroffenen Personen liefern könnte.

89      Schließlich enthält der streitige Beschluss keinen Mechanismus, um allgemein zu vermeiden, dass mit der Privatsphäre dieser Personen verbundene Dokumente gesammelt und der Kommission übermittelt werden, oder um Garantien für die Verarbeitung solcher Dokumente zu bieten.

90      Das Vorbringen von Vivendi belegt somit mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit, dass die personenbezogenen Daten, die gemäß dem streitigen Beschluss erhoben und der Kommission übermittelt werden müssen, geeignet sind, genaue Schlüsse auf das Privatleben der betroffenen Personen zuzulassen, was gemäß der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs bedeutet, dass die daraus resultierende Verletzung des Rechts auf Privatleben als schwerwiegend anzusehen ist (vgl. entsprechend Urteil vom 2. März 2021, Prokuratuur [Voraussetzungen für den Zugang zu Daten über die elektronische Kommunikation], C‑746/18, EU:C:2021:152, Rn. 39).

91      Da der immaterielle Schaden, der sich aus einer solchen Verletzung des Rechts auf Privatleben ergibt, nicht durch eine finanzielle Entschädigung vollständig beseitigt oder im Fall der Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses nachträglich behoben werden kann, muss dieser Schaden als nicht wiedergutzumachend angesehen werden.

92      Diese Beurteilung wird nicht durch die Lösung in Frage gestellt, zu der der Präsident des Gerichtshofs im Beschluss vom 27. September 2004, Kommission/Akzo und Akcros (C‑7/04 P[R], EU:C:2004:566), gelangt ist, auf den sich die Kommission beruft.

93      Zwar hat der Präsident des Gerichtshofs in diesem Beschluss die Auffassung vertreten, dass die Beeinträchtigung des Berufsgeheimnisses, die sich daraus ergeben kann, dass die Kommission Einsicht in Schriftstücke erhält, die angeblich dem Berufsgeheimnis unterliegen, nicht geeignet ist, dem betroffenen Unternehmen einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zuzufügen.

94      Diese Lösung war jedoch u. a. dadurch gerechtfertigt, dass die Gefahr, auf die sich der Antragsteller im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Rechtssache, in der der genannte Beschluss ergangen ist, berufen hatte, lediglich in einer gründlicheren Kenntnisnahme von Schriftstücken durch Beamte der Kommission bestand, die die Schriftstücke bereits, wenn auch nur summarisch, geprüft hatten. Außerdem ging es in jener Rechtssache nur um eine begrenzte Zahl von Dokumenten, die nicht das Privatleben natürlicher Personen betrafen.

95      In diesem Zusammenhang ist drittens noch darauf hinzuweisen, dass die Verfahrensgarantien, auf die sich die Kommission beruft, nicht ausreichen, um den von Vivendi geltend gemachten Schaden als nicht schwer einzustufen.

96      Zum einen geht zwar aus dem streitigen Beschluss hervor, dass die Kommission ein besonderes Verfahren vorgesehen hat, das den Zugang ihrer Beamten und Bediensteten zu Dokumenten mit sensiblen personenbezogenen Daten beschränken soll.

97      Aus den Rn. 34 bis 41 des vorliegenden Beschlusses geht jedoch hervor, dass dieses Verfahren die Verarbeitung personenbezogener Daten, die mit der Privatsphäre der betroffenen Personen verbunden sind, ohne jedoch als „sensible personenbezogene Daten“ eingestuft werden zu können, nicht ausschließen oder minimieren kann.

98      Ein solcher Schutz kann nicht verhindern, dass die Einsichtnahme in die der Kommission übermittelten Daten genaue Schlüsse auf das Privatleben der betroffenen Personen zulässt, da die sensiblen personenbezogenen Daten nur einen begrenzten Teil der mit der Privatsphäre dieser Personen verbundenen personenbezogenen Daten erfassen und der streitige Beschluss eine breite Erhebung der letztgenannten Art von Daten zum Zweck ihrer Übermittlung an die Kommission vorschreibt.

99      Zum anderen geht aus dem Vorbringen der Kommission in der Tat hervor, dass ihre Beamten und sonstigen Bediensteten strengen Pflichten zur Wahrung des Berufsgeheimnisses unterliegen, so dass es ihnen grundsätzlich untersagt ist, Informationen offenzulegen, die sich aus den von Vivendi übermittelten Unterlagen ergeben und von denen sie Kenntnis nehmen.

100    Diese Verpflichtungen beschränken jedoch nicht die Möglichkeiten dieser Beamten und Bediensteten, Zugang zu personenbezogenen Daten zu erhalten, die mit der Privatsphäre der betroffenen Personen verbunden sind, was als solches einen schweren Eingriff in das Recht auf Privatleben dieser Personen darstellt.

101    Viertens erscheint es zwar, wie die Kommission geltend macht, auf den ersten Blick erforderlich, dass sie in gewissem Umfang personenbezogene Daten verarbeiten kann, die mit der Privatsphäre der Mitarbeiter und Unternehmensvertreter der Unternehmen, über die sie eine Untersuchung durchführt, verbunden sind, da sonst die Gefahr bestünde, dass ihren Untersuchungsbefugnissen sehr weitgehend ihre Wirksamkeit genommen würde. Auch ist es im Rahmen einer von der Kommission durchgeführten Untersuchung in der Praxis kaum vermeidbar, dass Dokumente gesammelt werden, die sich gegebenenfalls als für diese Untersuchung letztlich irrelevant erweisen können.

102    Ebenso weist die Kommission zu Recht darauf hin, dass nach Art. 6 DSGVO eine Verarbeitung personenbezogener Daten unter bestimmten Voraussetzungen auch dann rechtmäßig sein kann, wenn die betroffene Person nicht in diese Verarbeitung eingewilligt hat.

103    Die in den Rn. 101 und 102 des vorliegenden Beschlusses dargelegten Gesichtspunkte scheinen daher für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses und damit für die Prüfung der Voraussetzung des fumus boni iuris relevant zu sein.

104    Hingegen können diese Gesichtspunkte im Rahmen der Prüfung der Voraussetzung der Dringlichkeit nicht berücksichtigt werden.

105    Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter muss nämlich zum alleinigen Zweck der Beurteilung der Voraussetzung der Dringlichkeit, ohne dass dies eine wie auch immer geartete Stellungnahme seinerseits zur Begründetheit der vom Antragsteller in der Hauptsache geltend gemachten Rügen bedeutete, als gegeben annehmen, dass diese Rügen durchgreifen könnten. Denn der schwere und nicht wiedergutzumachende Schaden, dessen wahrscheinlicher Eintritt glaubhaft gemacht werden muss, ist der Schaden, der sich gegebenenfalls aus der Ablehnung der beantragten einstweiligen Anordnungen in dem Fall ergäbe, dass anschließend der Klage in der Hauptsache stattgegeben würde (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2013, Kommission/Deutschland, C‑426/13 P[R], EU:C:2013:848, Rn. 52, und Beschluss vom 17. Dezember 2018, Kommission/Polen, C‑619/18 R, EU:C:2018:1021, Rn. 61).

106    Im vorliegenden Fall ist es daher bei der Beurteilung der Voraussetzung der Dringlichkeit als gegeben anzunehmen, dass der streitige Beschluss rechtswidrig und der sich aus diesem Beschluss ergebende Eingriff in das Recht der betroffenen Personen auf Privatleben folglich unrechtmäßig ist.

107    Daraus folgt, dass der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter für die Feststellung, ob diese Voraussetzung in der vorliegenden Rechtssache erfüllt ist, nicht feststellen muss, ob dieser Eingriff erforderlich oder im weiteren Sinne rechtmäßig war, sondern nur den Umfang und die Art des Schadens zu bewerten hat, der sich aus diesem Eingriff in dem Fall ergäbe, dass er sich letztlich als unrechtmäßig erweisen sollte.

108    Das Vorbringen der Kommission, mit dem dargetan werden soll, dass dieser Eingriff sowohl für die Wirksamkeit ihrer Untersuchungen unerlässlich sei als auch mit den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts im Einklang stehe, ist daher im Stadium der Prüfung der Voraussetzung der Dringlichkeit als ins Leere gehend zurückzuweisen.

109    Nach alledem ist die Voraussetzung der Dringlichkeit im vorliegenden Fall als erfüllt anzusehen.

110    Da der Präsident des Gerichts im Übrigen zu Unrecht zu dem Schluss gelangt ist, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, ohne die Voraussetzung des fumus boni iuris geprüft zu haben, dessen Prüfung sowohl tatsächliche als auch rechtliche Feststellungen voraussetzt, ist die Sache zur Entscheidung über diese Voraussetzung und gegebenenfalls zur Vornahme einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an das Gericht zurückzuverweisen.

 Kosten

111    Da die vorliegende Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen wird, ist die Kostenentscheidung vorzubehalten.

Aus diesen Gründen hat der Vizepräsident des Gerichtshofs beschlossen:

1.      Der Beschluss des Präsidenten des Gerichts der Europäischen Union vom 19. Januar 2024, Vivendi/Kommission (T1097/23 R, EU:T:2024:15), wird aufgehoben.

2.      Die Sache wird zur Entscheidung über die Voraussetzung des fumus boni iuris und gegebenenfalls zur Vornahme einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.

3.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.