Language of document : ECLI:EU:T:2013:371

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

11. Juli 2013(*)

„Kohäsionsfonds – Verordnung (EG) Nr. 1164/94 – Vorhaben zur Abwasserentsorgung von Saragossa – Teilweise Streichung der finanziellen Beteiligung – Öffentliche Aufträge – Begriff Bauwerk – Art. 14 Abs. 10 und 13 der Richtlinie 93/38/EWG – Aufteilung von Aufträgen – Vertrauensschutz – Begründungspflicht – Frist für den Erlass einer Entscheidung – Festsetzung von Finanzkorrekturen – Art. H Abs. 2 des Anhangs II der Verordnung Nr. 1164/94 – Verhältnismäßigkeit – Verjährung“

In der Rechtssache T‑358/08

Königreich Spanien, vertreten zunächst durch J. Rodríguez Cárcamo, dann durch A. Rubio González, abogados del Estado,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Valero Jordana und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C (2008) 3249 der Kommission vom 25. Juni 2008 über die Kürzung der dem Königreich Spanien durch die Entscheidung C (96) 2095 der Kommission vom 26. Juli 1996 zugunsten des Vorhabens Nr. 96/11/61/018 „Saneamiento de Zaragoza“ gewährten finanziellen Unterstützung durch den Kohäsionsfonds

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten L. Truchot, der Richterin M. E. Martins Ribeiro und des Richters A. Popescu (Berichterstatter),

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2012

folgendes

Urteil(1)

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1       Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften genehmigte mit ihrer Entscheidung C (96) 2095 vom 26. Juli 1996 (im Folgenden: Entscheidung von 1996) die Gewährung einer finanziellen Unterstützung durch den Kohäsionsfonds in Höhe von 8 850 689 Euro zugunsten des Vorhabens Nr. 96/11/61/018 „Saneamiento de Zaragoza“ (im Folgenden: Vorhaben zur Abwasserentsorgung von Saragossa). Dieses Vorhaben zur Verbesserung und zum Ausbau der Kanalisation und Kläranlagen der Stadt Saragossa (Spanien) umfasste zwei Gruppen von Maßnahmen. Die erste mit der Bezeichnung „Plan zum Austausch der Abwasserleitungen“ (im Folgenden: Phase FIMMA 96) sah den Austausch der Abwasserleitungen in einigen Teilen der Stadt vor. Die zweite Gruppe von Maßnahmen mit der Bezeichnung „Programm zur Sanierung des westlichen Teils der Stadt (Klärbecken von Almozara)“ (im Folgenden: Phase SPWS) umfasste insbesondere den Bau von Sammlern, ein sekundäres Abwassersammelsystem und einen Regenwasserüberlauf. Die Stadtverwaltung von Saragossa war der Hauptbegünstigte der finanziellen Beteiligung und mit der Leitung des Vorhabens betraut, das in dem Zeitraum vom 1. Mai 1996 bis 31. Dezember 1998 durchgeführt werden sollte.

2       Die Entscheidung von 1996 wurde auf Antrag des Königreichs Spanien durch die Entscheidung C (97) 2601 der Kommission vom 29. Juli 1997 geändert (im Folgenden: Entscheidung von 1997), um acht weitere Maßnahmen einzubeziehen (im Folgenden: Phase FIMMA 97). Sieben Maßnahmen betrafen den Austausch, den Umbau und den Bau von Sammlern sowie eine weitere den Bau einer Klärschlammanlage. Die Frist für die Fertigstellung der Arbeiten wurde bis zum 31. Dezember 1999 verlängert.

[nicht wiedergegeben]

 Angefochtene Entscheidung

13     Die Kommission hatte in der angefochtenen Entscheidung Unregelmäßigkeiten bei acht Aufträgen der Phase SPWS und insbesondere bei vier Aufträgen der Phase FIMMA 97 festgestellt.

14     Die acht Aufträge der Phase SPWS betrafen

–        den Sammler mit Überlauf in den Fluss Ebro,

–        den Sammler im Stadtteil Los Palos,

–        den Sammler im Gebiet von Martín Arpal,

–        den Sammler von Valles Verdes,

–        den Sammler von San Lamberto – Vistabella,

–        den Sammler an der Straße nach Madrid,

–        das sekundäre Abwassersammelsystem,

–        den Sammler im Grenzgebiet der städtischen Gemeinde.

15     Die vier Aufträge der Phase FIMMA 97 betrafen

–        den Sammler auf der rechten Flussseite der Huerva,

–        die Klärschlammanlage,

–        die Sammler für den Fluss Gállego,

–        den Anschlusssammler der Kläranlage von Almozara.

16     Die Kommission stellte im 20. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass es sich bei den streitigen Aufträgen gemäß Art. 4 Abs. 2 sowie Art. 14 Abs. 1, 10 und 13 der Richtlinie 93/38 um Lose für ein einziges Bauwerk handele, die von einem einzigen Auftraggeber vergeben worden seien und auf die die Vorschriften der genannten Richtlinie hätten angewandt werden müssen. Die fraglichen Aufträge seien entgegen den Vorschriften der Richtlinie, insbesondere denen über den Schwellenwert, die Veröffentlichung und die Gleichbehandlung der Bieter, aufgeteilt worden.

[nicht wiedergegeben]

18     Um das Vorliegen von Unregelmäßigkeiten im Sinne von Art. H des Anhangs II der Verordnung Nr. 1164/94 nachzuweisen, verwies die Kommission zunächst auf Art. 1 Abs. 4 Buchst. b, Art. 4 Abs. 2 sowie Art. 14 Abs. 1, 10 und 13 der Richtlinie 93/38 (Erwägungsgründe 19 und 21 bis 23 der angefochtenen Entscheidung).

19     Anschließend wies sie im 24. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass der Stadtrat von Saragossa in allen im Boletín Oficial de Aragón und in den örtlichen Medien veröffentlichten Ausschreibungen der für die Abgabe von Angeboten zuständige Auftraggeber gewesen sei. Außerdem seien die Beschreibung der Arbeiten an der Kanalisation und die der Abwasseraufbereitung ähnlich und sollten die gleiche wirtschaftliche und technische Funktion erfüllen. Es handele sich im vorliegenden Fall um eine Reihe spezifischer Arbeiten zur Wartung, Erweiterung und Sanierung der bestehenden Kanalisation und Abwasseraufbereitung, deren Ergebnis nach ihrem Abschluss eine allgemeine Verbesserung des Abwassernetzes für die Endnutzer sein solle. Die Arbeiten bezögen sich auf Abwassersammler, Sammler mit einem Überlauf für Regenwasser, eine Klärschlammanlage und einen Abwassersammler zwischen den beiden Kläranlagen in Almozara und Cartuja. Die einzelnen Arbeiten unterschieden sich in funktioneller, nicht jedoch in technischer oder wirtschaftlicher Hinsicht, so dass für ihre Durchführung keine spezifischen Fachkenntnisse erforderlich seien. In wirtschaftlicher Hinsicht müssten die Endverbraucher den Dienstleister entsprechend ihrem Verbrauch bezahlen.

20     Erstens stellte die Kommission im 24. Erwägungsgrund Buchst. a der angefochtenen Entscheidung zu den acht Vorhaben der Phase SPWS fest, dass die Arbeiten einem ähnlichen Zweck dienten. Der einzige Unterschied sei, dass sie in geografisch abgegrenzten Bereichen durchgeführt worden seien. Der Hauptzweck der Arbeiten bestehe darin, Abwassersysteme für verschiedene Bereiche zu schaffen oder zu erneuern, wozu auch die Einrichtung von Abwassersammlern und Überläufen gehöre.

21     Zweitens meinte die Kommission im 24. Erwägungsgrund Buchst. b der angefochtenen Entscheidung zu den vorstehend in Randnr. 15 erwähnten vier Vorhaben der Phase FIMMA 97, für die die Ausnahmeregelung des Art. 14 Abs. 10 der Richtlinie 93/38 nicht geltend gemacht werden könne, dass die Arbeiten einem ähnlichen Zweck dienten. Der einzige Unterschied bestehe darin, dass die Arbeiten in geografisch abgegrenzten Bereichen hätten durchgeführt werden sollen. Der Hauptzweck der Arbeiten bestehe darin, entlang den Flüssen Huerva und Gállego Sammler einzurichten, um die Gebiete zu versorgen, in denen das Abwasser noch unmittelbar in die Flüsse geleitet werde, und die beiden Abwasseraufbereitungsanlagen, in die das Abwasser geleitet werde, wieder in Stand zu setzen.

22     Im 25. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hob die Kommission hinsichtlich des Verstoßes gegen Art. 4 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 10 der Richtlinie 93/38 hervor, dass die Verträge, wenn sie wie im vorliegenden Fall derart miteinander zusammenhingen, dass ein Unternehmen der Gemeinschaft sie als einen einzigen wirtschaftlichen Vorgang auffassen könne und demzufolge ein Angebot für das gesamte Vorhaben einreiche, als zur Errichtung eines einzigen Bauwerks bestimmt anzusehen seien. Diese Auslegung stehe im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie 93/38, Unternehmen anderer Mitgliedstaaten die Teilnahme an Ausschreibungen zu ermöglichen, wenn sie daran aus objektiven, mit dem Auftragswert zusammenhängenden Gründen ein Interesse hätten. Ein solches Unternehmen hätte möglicherweise gerne den Auftragswert aller Lose gewusst, in die die Arbeiten aufgeteilt gewesen seien, selbst wenn es nicht zur Durchführung aller dieser Arbeiten in der Lage gewesen sei. Das wäre die einzige Möglichkeit gewesen, das genaue Auftragsvolumen zu beurteilen und die Preise auf die Anzahl der Lose abzustimmen, für die ein Angebot abgegeben werden sollte.

23     Im 26. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die acht Vorhaben der Phase SPWS zusammen und die vier Vorhaben der Phase FIMMA 97 zusammen eine wirtschaftliche und technische Funktion erfüllten und dass die spanischen Behörden demnach die Arbeiten zur Wartung, Erweiterung und Sanierung der bestehenden Kanalisation und Abwasseraufbereitung künstlich aufgeteilt hätten. Diese Schlussfolgerung ergebe sich aus der Ähnlichkeit der Beschreibungen der Arbeiten und der Vergabebekanntmachungen, der Zuständigkeit desselben Auftraggebers für das Verfahren und die Gesamtkoordination und der Durchführung der Arbeiten allein in einem geografischen Gebiet.

[nicht wiedergegeben]

 Verfahren und Anträge der Parteien

28     Mit Klageschrift, die am 3. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Königreich Spanien die vorliegende Klage erhoben.

29     Am 30. November 2010 ist die vorliegende Rechtssache einem neuen, der Zweiten Kammer angehörenden Berichterstatter zugewiesen worden. Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter sodann der Achten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

30     Das Gericht (Achte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. In der Sitzung vom 28. November 2012 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

31     Das Königreich Spanien beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

32     Die Kommission beantragt,

–        die Klage insgesamt abzuweisen;

–        dem Königreich Spanien die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

[nicht wiedergegeben]

 1. Erster Klagegrund: Rechtsfehler und offensichtliche Beurteilungsfehler im Rahmen der Anwendung von Art. H des Anhangs II über Finanzkorrekturen der Verordnung Nr. 1164/94 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 13 der Richtlinie 93/38

[nicht wiedergegeben]

35     Zunächst ist festzustellen, dass das Königreich Spanien in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts hin ausgeführt hat, dass es mit dem ersten Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 13 der Richtlinie 93/38 in Verbindung mit deren Art. 14 Abs. 10 geltend mache. Dies ist im Sitzungsprotokoll vermerkt worden.

36     Im Übrigen macht das Königreich Spanien geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung mit ihrer Behauptung, dass ein Verstoß gegen die Richtlinie 93/38 vorliege, einen Rechtsfehler und einen schwerwiegenden Beurteilungsfehler begangen. Zwar obliege die Beweislast der Kommission, doch sei es zweckmäßig, kurz die dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden Aufträge anhand der vom Gerichtshof aufgestellten Kriterien zu untersuchen, um aufzuzeigen, dass keine der Voraussetzungen für das Bestehen eines einzigen Bauwerks erfüllt sei. Es ist festzustellen, dass das Königreich Spanien mit der vorliegenden Klage sowohl die Definition der Kommission hinsichtlich der Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 und Art. 14 Abs. 13 der Richtlinie 93/38 als auch die Anwendung dieser Vorschriften auf die in der angefochtenen Entscheidung in Rede stehenden Aufträge in Frage stellt. Deshalb ist zu prüfen, ob die Kommission in der angefochtenen Entscheidung fehlerhaft zu dem Ergebnis gekommen ist, dass ein Verstoß gegen die genannten Vorschriften vorliege. Der Nachweis hierfür obliegt dem Königreich Spanien.

[nicht wiedergegeben]

 Erster Teil: offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission in Bezug auf den Begriff Bauwerk

38     Nach Ansicht des Königreichs Spanien ist die Kommission fehlerhaft zu dem Schluss gelangt, der Stadtrat von Saragossa habe dadurch gegen die Richtlinie 93/38 verstoßen, dass er die fraglichen Aufträge aufgeteilt und keine Ausschreibung im Amtsblatt veröffentlicht habe. Das Vorbringen der Kommission im achten Erwägungsgrund Abs. 2 sowie in den Erwägungsgründen 9, 23 Buchst. b und 24 der angefochtenen Entscheidung sei nicht stichhaltig.

39     Erstens sei für die Beurteilung, ob ein Vorhaben mehrere verschiedene Bauwerke umfassen könne, eine Prüfung anhand des Wortlauts der Bestimmungen der Richtlinie 93/38 und der Rechtsprechung des Gerichtshofs in dreifacher Hinsicht durchzuführen: in technisch-wirtschaftlicher, in geografischer und in zeitlicher Hinsicht.

40     Zweitens seien diese Kriterien im vorliegenden Fall fehlerhaft angewandt worden. Die Kommission habe die Bauwerke keineswegs in dieser „dreifachen Hinsicht“ objektiv untersucht, sondern für die Prüfung der Zuwiderhandlung durch die spanischen Behörden offenbar ziemlich spezielle Kriterien herangezogen, z. B. die Leistungsfähigkeit der potenziellen Bieter und die Zweckmäßigkeit für diese, einige oder sämtliche Aufträge gleichzeitig durchzuführen (neunter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Außerdem habe der technisch-wirtschaftlichen Prüfung die technische Genauigkeit gefehlt.

41     Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, die spanischen Behörden hätten gegen Art. 14 Abs. 13 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 und 10 der Richtlinie 93/38 verstoßen, indem sie acht Aufträge der Phase SPWS und insbesondere vier Aufträge der Phase FIMMA 97 aufgeteilt hätten. Im 23. Erwägungsgrund Buchst. b der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission zunächst auf die Definition eines Bauwerks im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 verwiesen und anschließend in den Erwägungsgründen 24 bis 26 der angefochtenen Entscheidung diese Definition auf die streitigen Aufträge angewandt.

[nicht wiedergegeben]

 Zum Begriff Bauwerk im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 in der angefochtenen Entscheidung

43     Die Richtlinie 93/38 gilt gemäß ihrem Art. 14 Abs. 1 Buchst. c für Aufträge, deren geschätzter Wert ohne Mehrwertsteuer sich bei Bauaufträgen auf mindestens 5 Mio. Euro beläuft. Art. 14 Abs. 13 der Richtlinie 93/38 bestimmt: „Die Auftraggeber dürfen diese Richtlinie nicht dadurch umgehen, dass sie die Aufträge aufteilen oder für die Berechnung des Auftragswertes besondere Modalitäten anwenden.“

44     Außerdem heißt es in Art. 14 Abs. 10 der Richtlinie 93/38: „Für die Anwendung des Absatzes 1 wird der Wert eines Bauauftrags auf der Grundlage des Gesamtwertes des Bauwerkes berechnet.“ In Unterabs. 1 dieser Vorschrift wird ein Bauwerk definiert als „das Ergebnis einer Gesamtheit von Hoch‑ und Tiefbauarbeiten, das seinem Wesen nach eine wirtschaftliche und technische Funktion erfüllen soll“.

45     Erstens ist dem Königreich Spanien und der Kommission folgend hervorzuheben, dass der Gerichtshof Art. 14 Abs. 10 und 13 der Richtlinie 93/38 im Urteil vom 5. Oktober 2000, Kommission/Frankreich (C‑16/98, Slg. 2000, I‑8315), ausgelegt hat. Er hat in diesem Urteil festgestellt, dass Art. 14 Abs. 13 der Richtlinie 93/38 „konkret die Verpflichtungen zum Ausdruck [bringt], die sich für die Auftraggeber aus Artikel 14 Absatz 10 Unterabsatz 1 der Richtlinie ergeben, und daher bei der Beantwortung der Frage, ob eine Bauwerkaufteilung vorliegt, zusammen mit dieser Bestimmung zu berücksichtigen [ist]“ (Randnr. 31). Ferner heißt es in diesem Urteil, „aus der Definition des Bauwerks in Artikel 14 Absatz 10 Unterabsatz 1 Satz 2 der Richtlinie [93/38] [ergibt sich], dass die Frage, ob ein Bauwerk vorliegt, nach der wirtschaftlichen und technischen Funktion des Ergebnisses der betreffenden Arbeiten zu beurteilen ist“ (Randnr. 36).

46     Dieses Urteil zeigt, dass der Gerichtshof für die Beurteilung, ob diese Arbeiten miteinander in einem derartigen Zusammenhang standen, dass sie als ein Bauwerk im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 anzusehen waren, einen funktionalen Ansatz gewählt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 2012, Kommission/Deutschland, C‑574/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 37). Er hat dabei auf zwei Kriterien abgestellt: die wirtschaftliche und die technische Funktion des Ergebnisses der Arbeiten.

47     Es ist festzustellen, dass die Kommission gemäß dem Urteil Kommission/Frankreich in der angefochtenen Entscheidung (Erwägungsgründe 23 und 24) darauf hingewiesen hat, dass für die Definition eines Bauwerks im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 auf die Kriterien der wirtschaftlichen und der technischen Funktion des Ergebnisses der Arbeiten abzustellen ist. So hat die Kommission im 23. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zunächst an den Wortlaut dieser Vorschrift erinnert und sodann im 24. Erwägungsgrund festgestellt, dass „die Beschreibung der Arbeiten an der Kanalisation und die der Abwasseraufbereitung ähnlich war und die Arbeiten die gleiche wirtschaftliche und technische Funktion erfüllen sollten“, dass es sich „im vorliegenden Fall um eine Reihe spezifischer Arbeiten zur Wartung, Erweiterung und Sanierung der bestehenden Kanalisation und Abwasseraufbereitung handelt, deren Ergebnis nach ihrem Abschluss eine allgemeine Verbesserung des Abwassernetzes für die Endnutzer sein [dürfte]“ und dass „zwischen den einzelnen Arbeiten … in technischer oder wirtschaftlicher Hinsicht kein Unterschied besteht“.

48     Daher ist festzustellen − ohne dass auf die von der Kommission aufgeworfene Frage eingegangen werden müsste, ob die Kriterien der wirtschaftlichen und der technischen Funktion des Ergebnisses der Arbeiten für die Definition eines Bauwerks im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 kumulativ sind −, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung entgegen dem Vorbringen des Königreichs Spanien keinen Fehler begangen hat, als sie für die Definition eines Bauwerks im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 auf die Kriterien der wirtschaftlichen und der technischen Funktion des Ergebnisses der Arbeiten abgestellt hat.

49     Zweitens macht das Königreich Spanien geltend, dass die streitigen Aufträge auch nach geografischen und zeitlichen Kriterien geprüft werden müssten.

50     Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof im Urteil Kommission/Frankreich für die Definition eines Bauwerks auf die Kriterien der wirtschaftlichen und der technischen Funktion des Ergebnisses der Arbeiten abgestellt hat (Randnrn. 49 bis 56). Anschließend hat er in Randnr. 65 des Urteils klargestellt, dass „jeder einzelne Fall der Vergabe eines Auftrags nach seinem Zusammenhang und seinen Besonderheiten zu beurteilen ist“ und dass in dem Fall, in dem sein Urteil ergangen ist, „gewichtige Gründe, wie die Gleichzeitigkeit der Einleitung der streitigen Vergabeverfahren, die Ähnlichkeit der Bekanntmachungen, die Einheitlichkeit des [geografischen] Gebietes, in dem diese Verfahren eingeleitet worden sind, und die Koordinierung durch [die] Einrichtung, in der die Elektrifizierungszweckverbände auf Departementsebene zusammengeschlossen sind, für eine Zusammenfassung der genannten Aufträge auf dieser Ebene [sprechen]“.

51     Der Gerichtshof hat im Urteil Kommission/Frankreich somit anhand eines geografischen Gesichtspunkts sowohl für die Stromversorgung (Randnrn. 64 und 65) als auch für die Straßenbeleuchtung (Randnrn. 69 und 70) geprüft, ob die technische und wirtschaftliche Funktion der Arbeiten bei den einzelnen örtlichen Netzen in einem größeren Gebiet immer noch die gleiche war und ob diese örtlichen Netze daher zu einem einheitlichen Netz zusammengeschlossen werden konnten, weil sie verbundfähig waren.

52     Hinsichtlich des zeitlichen Aspekts hat der Gerichtshof im Urteil Kommission/Frankreich auf „die Gleichzeitigkeit der Einleitung der streitigen Vergabeverfahren“ (Randnr. 65) verwiesen.

53     Der geografische und der zeitliche Aspekt sind keine Kriterien für die Definition eines Bauwerks im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38, aber notwendige Gesichtspunkte zur Erhärtung, dass ein derartiges Bauwerk vorliegt, denn nur Arbeiten innerhalb eines bestimmten geografischen und zeitlichen Rahmens können als ein einziges Bauwerk angesehen werden.

54     Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung aufgrund der Zusammenfassung der Aufträge für Vorhaben derselben Phase, sei es der Phase SPWS oder der Phase FIMMA 97, auf den geografischen (Erwägungsgründe 24 und 26 der angefochtenen Entscheidung) und den zeitlichen Gesichtspunkt Bezug genommen. Sie hat deshalb keinen Fehler begangen, als sie bei der Untersuchung der streitigen Aufträge den geografischen und den zeitlichen Gesichtspunkt herangezogen, aber nicht als funktionale Kriterien für die Definition der fraglichen Bauwerke angesehen hat.

55      Drittens hat die Kommission nach Ansicht des Königreichs Spanien für die Prüfung der Zuwiderhandlung durch die spanischen Behörden offenbar ziemlich spezielle Kriterien herangezogen, z. B. die Leistungsfähigkeit der potenziellen Bieter und die Zweckmäßigkeit für diese, einige oder sämtliche Aufträge gleichzeitig durchzuführen (neunter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

56     Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung in dem Teil über die anfängliche Beurteilung tatsächlich einige Gesichtspunkte in Bezug auf potenzielle Bieter erwähnt (neunter Erwägungsgrund).

57     Dazu hat der Gerichtshof im Urteil Kommission/Frankreich festgestellt, dass nach der in Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 enthaltenen Definition des Begriffs Bauwerk das Bestehen eines solchen nicht von Umständen wie der Zahl der Auftraggeber oder der Möglichkeit der Ausführung sämtlicher Arbeiten durch ein einziges Unternehmen abhängig ist (Randnr. 43). Des Weiteren hat er ausgeführt, dass es je nach den Umständen zwar jeweils ein Indiz für das Bestehen eines Bauwerks im Sinne der Richtlinie sein kann, dass ein einziger Auftraggeber vorhanden ist und dass ein Unternehmen der Union alle in den betreffenden Aufträgen bezeichneten Arbeiten zusammen ausführen könnte, dies aber insoweit nicht den Ausschlag geben kann. Überdies „kann das Bestehen eines Bauwerks nicht schon deshalb verneint werden, weil mehrere Auftraggeber vorhanden sind und die Gesamtheit der betreffenden Arbeiten nicht durch ein einziges Unternehmen ausgeführt werden kann, wenn die in Artikel 14 Absatz 10 Unterabsatz 1 Satz 2 der Richtlinie festgelegten Funktionskriterien das Gegenteil nahelegen“ (Randnr. 42).

58     Somit ergibt sich aus dem Urteil Kommission/Frankreich, dass insbesondere bei potenziellen Bietern bestimmte Gesichtspunkte berücksichtigt werden können, die jedoch für die Schlussfolgerung, dass ein Bauwerk vorliegt, weil die Kriterien für die technische und die wirtschaftliche Funktion des Ergebnisses der Arbeiten erfüllt sind, weder entscheidend sind noch sie in Frage stellen können.

59     Deshalb ist die Anwendung dieser Kriterien auf die in der angefochtenen Entscheidung in Rede stehenden Aufträge zu untersuchen und zu prüfen, ob die Kommission diese Kriterien zu Recht als erfüllt angesehen hat, um auf das Vorliegen von zwei Bauwerken zu schließen. Anschließend ist zu prüfen, inwiefern weitere Gesichtspunkte berücksichtigt wurden.

 Zur Anwendung des Begriffs des Bauwerks im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 auf die in der angefochtenen Entscheidung in Rede stehenden Aufträge

60     Das Königreich Spanien macht geltend, dass die Bauwerke in technisch-wirtschaftlicher, geografischer und zeitlicher Hinsicht keiner objektiven Prüfung unterzogen und diese Kriterien im vorliegenden Fall fehlerhaft angewandt worden seien. Außerdem rügt es die Anwendung einzelner Kriterien.

61     Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, es gebe zwei Gruppen von Bauwerken, zum einen die acht Vorhaben der Phase SPWS (24. Erwägungsgrund Buchst. a) und zum anderen die vier Vorhaben der Phase FIMMA 97 (24. Erwägungsgrund Buchst. b). Deshalb sind diese zwei Gruppen nacheinander zu prüfen.

 – − Zu den acht streitigen Aufträgen der Phase SPWS

62     Das Königreich Spanien rügt die fehlende Genauigkeit der technisch-wirtschaftlichen Prüfung der Kommission und untersucht in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht die oben in Randnr. 14 dieses Urteils erwähnten acht streitigen Aufträge der Phase SPWS über sechs Abwassersammler, einen Regenwasserüberlauf und ein sekundäres Abwassersammelsystem, bei denen es sich seiner Meinung nach um voneinander unabhängige Vorhaben handelt.

63     Erstens sei die technische Funktion dieser Arbeiten bei jedem der fraglichen Vorhaben eine andere.

64     Die Kommission hat jedoch die einzelnen unter die streitigen Aufträge fallenden Arbeiten nicht unabhängig voneinander geprüft und nicht ihre jeweilige technische Funktion gewürdigt, wie es das Königreich Spanien befürwortet, sondern gemäß der vorstehend in Randnr. 45 dieses Urteils angeführten Rechtsprechung geprüft, ob das Ergebnis der Arbeiten die gleiche technische Funktion hat.

65     So hat die Kommission festgestellt, dass das Ergebnis der Arbeiten eine allgemeine Verbesserung des Abwassernetzes war und dass sie die gleiche technische Funktion erfüllten (24. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

66     Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass sowohl die sechs Abwassersammler als auch das sekundäre Abwassersammelsystem Abwasser zur Aufbereitung innerhalb des Abwassernetzes aufnehmen.

67     Zum anderen macht das Königreich Spanien in Bezug auf den Regenwasserüberlauf geltend, dieser habe eine andere technische Funktion, die nicht darin bestehe, Abwasser aufzubereiten oder zu behandeln, sondern zu verhindern, dass es bei starken Regenfällen zu Überschwemmungen komme. Es behauptet jedoch im vorliegenden Fall nicht, dass der genannte Überlauf im Zusammenwirken mit den Abwassersammlern und dem sekundären Abwassersammelsystem zur technischen Funktion des Abwassernetzes nichts beitrage. Dieser Überlauf dient nämlich, wie die Kommission zu Recht geltend macht, dazu, eine unnötige Zunahme des in einer Kläranlage zu behandelnden Wasservolumens zu verhindern und eine Verschmutzung der Aufnahmegewässer durch Überlastungen aufgrund von starken Regenfällen zu begrenzen, und trägt dadurch zu einer besseren Abwasseraufbereitung bei. Ferner macht das Königreich Spanien geltend, dass der fragliche Überlauf kein Abwasser aufbereite, es behauptet jedoch nicht, dass er kein Abwasser überlaufen lasse. Eine strikte Trennung zwischen Regenwasser, das den fraglichen Überlauf passiert, und Abwasser, das von den Abwassersammlern kommt, ist seiner Ansicht nach nicht möglich. Über den fraglichen Überlauf fließen demnach sowohl Regenwasser als auch Abwasser, um die Abwassersammler zu entlasten und für ein besseres Funktionieren des Abwassernetzes zu sorgen.

68     Die spanischen Behörden hatten in dem von ihnen 1996 im Rahmen des Antrags auf Beteiligung vorgelegten Fragebogen angegeben, dass das Sanierungsvorhaben zum Ziel habe, eine Reihe weiterer Abwassersammler in dem Gebiet zu bauen, in dem das Abwasser zur Kläranlage von Almozara geführt werde. Außerdem erwähnten sie, dass der Bau eines Überlaufs geplant sei, um Hochwasser, das ein Abwassersammler nicht aufnehmen könne, ausschließlich bei starken Regenfällen und mit einem angemessenen Verdünnungsgrad des Abwassers in den Fluss Ebro zu leiten. Schließlich heißt es, der Hauptzweck all dieser Vorhaben sei, „die bestehenden alten Strukturen zu sanieren und die Unzulänglichkeiten des Systems zu beheben, indem für die Stadt eine Kanalisation geschaffen wird, bei der das Abwasser in die wichtigsten Sammler geleitet wird, so dass Überschwemmungen, Verunreinigungen des Grundwassers und unkontrollierte Abflüsse von Abwasser verhindert werden“. Im Anhang der Entscheidung von 1996, wo das Vorhaben in einer Übersicht zusammengefasst wurde, findet sich die gleiche Beschreibung dieses Hauptzwecks. Somit besteht nach dem eigenen Vorbringen des Königreichs Spanien im Rahmen des Abwassernetzes ein Zusammenhang zwischen dem Abwassertransport und der Verhinderung von Überschwemmungen durch Überläufe.

69     Daraus folgt, dass die acht Vorhaben nicht, wie das Königreich Spanien vorgibt, voneinander unabhängig sind, sondern Teil desselben Vorhabens für das Abwassernetz sind, das gemäß dem 1996 im Rahmen des Antrags auf Beteiligung vorgelegten Fragebogen und der im Anhang der Entscheidung von 1996 enthaltenen Übersicht darin besteht, eine Kanalisation zu schaffen, die das Abwasser in die wichtigsten Sammler leiten kann, so dass Überschwemmungen, Verunreinigungen des Grundwassers und unkontrollierte Abflüsse von Abwasser verhindert werden. Wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, dienten die Arbeiten der Phase SPWS einem ähnlichen Zweck, nämlich für verschiedene Bereiche ein Abwassersystem zu schaffen oder zu erneuern, wozu auch die Installation von Abwassersammlern und Überläufen gehörte (24. Erwägungsgrund Buchst. a der angefochtenen Entscheidung). Es handelt sich somit effektiv um eine Reihe von Arbeiten, deren Ergebnis eine allgemeine Verbesserung des Abwassernetzes für die Endnutzer ist (24. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Das Ergebnis dieser Reihe von Arbeiten soll gemäß Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 und dem Urteil Kommission/Frankreich an sich eine technische Funktion erfüllen, nämlich die Abwasserentsorgung.

70     Diese Schlussfolgerung wird durch das Vorbringen des Königreichs Spanien nicht in Frage gestellt, wonach die Richtlinie 93/38 auf Überläufe keine Anwendung finde, weil diese nicht der Abwasserentsorgung dienten. Wie erwähnt (siehe oben, Randnr. 67), ist zum einen die Behauptung unzutreffend, dass nur Regenwasser über den fraglichen Überlauf fließe. Zum anderen ist der Kommission folgend festzustellen, dass der Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/38 nicht auf Anlagen beschränkt ist, in denen Abwasser unmittelbar beseitigt oder aufbereitet wird. Diese Vorschrift gilt vielmehr für Aufträge, die „mit der Ableitung und Klärung von Abwässern im Zusammenhang stehen“, was Überläufe einschließt.

71     Im Übrigen ist die Argumentation des Königreichs Spanien, mit der es sich gegen das Vorbringen der Kommission wendet, wonach die Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser (ABl. L 135, S. 40) dafür spreche, dass Maßnahmen, die eine Reihe von städtischen Abwassersammlern unterschiedlicher Art beträfen, mit einem einzigen Bauwerk gleichzusetzen seien, zurückzuweisen. Diese Richtlinie betrifft nämlich insbesondere das Sammeln, Behandeln und Einleiten von kommunalem Abwasser, das gemäß der Definition in ihrem Art. 2 Abs. 1 Niederschlagswasser einschließt. Im Übrigen, selbst wenn die Richtlinie eine individuelle Regelung für Kläranlagen enthielte, hat das Königreich Spanien nicht dargetan, welche Schlussfolgerungen daraus für die fraglichen Vorhaben zu ziehen sind, von denen sich keines auf eine Kläranlage bezieht.

72     Zweitens bestreitet das Königreich Spanien, dass die in Rede stehenden Vorhaben die gleiche wirtschaftliche Funktion hätten. Die vom Stadtrat von Saragossa erhobene spezifische Abgabe für Abwasserbeseitigungsleistungen gelte nicht für Regenwasser. Deshalb könne für den Regenwasserüberlauf keine Abgabe oder individuell bestimmte Steuer erhoben werden. Ferner hält das Königreich Spanien der Kommission entgegen, dass diese spezifische Abgabe, obwohl sie zur Finanzierung der Betriebskosten des Netzes diene, unzureichend sei und aus dem städtischen Haushalt bezuschusst werden müsse. Auch wenn die Kosten der Abwasserbewirtschaftung zum Teil durch die Einnahmen aus der Abgabe gedeckt seien, bedeute dies, dass die Netzinfrastrukturen für das Sammeln und Aufbereiten von Regenwasser mit öffentlichen Mitteln finanziert werden müssten. Zwischen der Abgabe für die Abwasserbehandlung und der Bezahlung eines durch die Regenwasserüberläufe erbrachten öffentlichen Dienstes bestehe ein wesentlicher Unterschied, was zeige, dass es in wirtschaftlicher Hinsicht keinerlei Übereinstimmung gebe. Die Abgabe für die Abwasserbehandlung werde nämlich entsprechend den tatsächlichen Einleitungen jedes einzelnen Haushalts festgelegt, d. h., es handele sich um eine individuell bestimmte Abgabe in Abhängigkeit vom Verbrauch jedes einzelnen Abgabenpflichtigen, während die Bezahlung des durch die Regenwasserüberläufe erbrachten öffentlichen Dienstes eventuell auf die Bevölkerung abgewälzt, die erhobenen Beträge aber nicht an den von den Betroffenen gezogenen Nutzen angepasst werden könnten.

73     Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass in wirtschaftlicher Hinsicht „die Endnutzer den Dienstleister für das bezahlen [sollten], was sie nutzen“ (24. Erwägungsgrund).

[nicht wiedergegeben]

75      Erstens hat das Königreich Spanien in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts hin bestätigt, dass die von der Stadt Saragossa erhobene spezifische Abgabe für Abwasserbeseitigungsleistungen, auf die es sich in seiner Klageschrift bezieht, in Art. 2 des Kapitels 2 („Abwasserentsorgung“) der Abgabensatzung Nr. 24.25 der Stadt Saragossa über die Abgabe für die Trinkwasserversorgung und die Abwasserbeseitigung vorgesehen ist, den die Kommission in ihren Schriftsätzen angeführt hat. In dieser Vorschrift heißt es: „Die Leistung, für die diese Abgabe zu entrichten ist, ist die Abwasserbeseitigung, soweit es sich um Regenwasser und/oder Abwasser handelt, das in Abwassersammlern und ‑kanälen aufgefangen wird, die im Eigentum der Stadt stehen oder von ihr unterhalten werden, weil die Stadt Saragossa die Beseitigung dieses Wassers, einschließlich der Kosten für seine Beförderung, Aufbereitung und Ableitung in natürliche Wasserläufe gemäß den Bedingungen übernimmt, die von der Confederación Hidrográfica del Ebro [Wasserbehörde für den Ebro] in den von ihr erteilten Ableitungsgenehmigungen festgelegt wurden.“ Es zeigt sich, dass diese Vorschrift nicht zwischen Abwasser und Regenwasser unterscheidet.

76     Zweitens ist festzustellen, dass das Vorbringen des Königreichs Spanien hinsichtlich der Finanzierung der für das Sammeln und Aufbereiten von Regenwasser vorgesehenen Infrastrukturen des Netzes unsubstantiiert ist, denn es weist lediglich darauf hin, dass die genannten Infrastrukturen mit öffentlichen Mitteln finanziert werden müssen. Im Übrigen hat es nichts zum Nachweis dafür vorgetragen, dass diese Infrastrukturen nicht – nicht einmal teilweise – durch die spezifische Abgabe für Abwasserbeseitigungsleistungen finanziert werden.

77     Folglich handelt es sich bei den in Rede stehenden Arbeiten der Phase SPWS um Teile eines Ganzen, dessen Ergebnis an sich eine wirtschaftliche Funktion erfüllen soll.

78     Nach alledem ist festzustellen, dass das Königreich Spanien nicht nachgewiesen hat, dass der Kommission mit ihrer Feststellung im 26. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass die in Rede stehenden Arbeiten der Phase SPWS die gleiche technische und wirtschaftliche Funktion im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 erfüllen sollten, ein Fehler unterlaufen ist.

 − Zu den vier streitigen Aufträgen der Phase FIMMA 97

79     Das Königreich Spanien rügt die fehlende Genauigkeit der technisch-wirtschaftlichen Prüfung der Kommission und hat in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht die oben in Randnr. 15 dieses Urteils erwähnten vier streitigen Aufträge der Phase FIMMA 97 über eine Klärschlammanlage, einen Anschlusssammler und zwei Sammler, darunter die für den Fluss Gállego, untersucht. Danach hat es die Aufträge der genannten Phase geprüft und ist zu der Schlussfolgerung gelangt, dass jedes Vorhaben von den anderen Vorhaben unabhängig und die Veröffentlichung von Ausschreibungen im Amtsblatt daher nicht erforderlich gewesen sei.

80     Was zunächst die technische Funktion der Vorhaben der Phase FIMMA 97 angeht, hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass es sich bei den vier Vorhaben lediglich um ein einziges Bauwerk handele, was das Königreich Spanien bestreitet.

81     Gemäß dem 1997 im Rahmen des Antrags auf Beteiligung vorgelegten Fragebogen dienten die Vorhaben der Phase FIMMA 97 drei verschiedenen Zwecken. Die Kommission weist allerdings zutreffend darauf hin, dass die vier streitigen Vorhaben der genannten Phase zu ein und derselben Gruppe gehörten, weil sie denselben Zweck verfolgten, nämlich „Einleitungen von ungeklärtem Abwasser zu verhindern“.

82     Was den Anschlusssammler angeht, vertritt das Königreich Spanien die Auffassung, dass „seine Funktion nicht wie bei den anderen Sammlern darin besteh[e], Abwasser oder Regenwasser aufzunehmen und zu den Kläranlagen oder den Überläufen zu transportieren“, sondern dass damit „durch das asymmetrische Wachstum der Stadt Saragossa bedingte Ungleichgewichte bei der Abwasserentsorgung ausgeglichen werden sollen“. Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Spanien trifft es somit nicht zu, dass es sich bei dem Anschlusssammler zwischen den beiden Kläranlagen um eine „von den anderen Sammlern völlig unabhängige Infrastruktur“ handelt, denn der fragliche Sammler ist in das Abwassernetz der Stadt Saragossa integriert. Das Königreich Spanien unterscheidet zwischen der technischen Funktion jedes einzelnen Vorhabens, ohne zu berücksichtigen, dass es sich um eine Gesamtheit von Arbeiten handelt, deren Ergebnis eine allgemeine Verbesserung des Abwassernetzes für die Endnutzer ist (24. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und an sich eine technische Funktion, die Abwasserentsorgung, erfüllen soll.

83     Hinsichtlich der Klärschlammanlage trägt das Königreich Spanien vor, diese diene im Gegensatz zu den Sammlern nicht dazu, Regen‑ oder Abwasser zu befördern, sondern sie solle verhindern, dass Schlamm, der bei der Trinkwassergewinnung für den privaten, gewerblichen oder industriellen Verbrauch der gesamten Stadt anfalle, in den Fluss Huerva eingeleitet werde. Es geht jedoch nicht darum, festzustellen, ob die Klärschlammanlage an sich eine andere technische Funktion als ein Sammler hat, sondern ob die Sammler und die Klärschlammanlage im Hinblick auf Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 zu einer Reihe von Arbeiten gehören, deren Ergebnis eine gemeinsame technische Funktion, die Abwasserentsorgung, erfüllt. Das Königreich Spanien bestreitet nicht, dass die Klärschlammanlagen zur Abwasserentsorgung der Stadt Saragossa beitragen.

84     Außerdem ist das Vorbringen des Königreichs Spanien zurückzuweisen, wonach das Profil des Bieters für den Auftrag für einen Sammler völlig anders sei als bei einem Auftrag für eine Klärschlammanlage, da es sich nicht um eines der Kriterien für die Beurteilung handelt, ob es sich um ein Bauwerk im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 handelt.

85     Schließlich wendet sich das Königreich Spanien gegen das Vorbringen der Kommission, dass zwischen Sammlern und Klärschlammanlagen, die im Hinblick auf die Abwasseraufbereitung eine ergänzende Funktion hätten, eine technische Äquivalenz bestehe. Es trägt hierzu vor, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Klärschlammanlage im Rahmen einer Trinkwasseraufbereitungseinheit und nicht um eine Kläranlage handele. Das Königreich Spanien nennt jedoch keinen Grund, weshalb die Tatsache, dass es sich um eine solche Klärschlammanlage handelt, ausschließen soll, dass sie nebenbei nicht auch zur Abwasseraufbereitung beiträgt, da diese Anlage dazu dient, gemäß dem 1997 im Rahmen des Antrags auf Beteiligung vorgelegten Fragebogen Einleitungen von ungeklärtem Abwasser zu verhindern.

[nicht wiedergegeben]

87     Es ist festzustellen, dass die vier Vorhaben entgegen dem Vorbringen des Königreichs Spanien nicht voneinander unabhängig sind, sondern allesamt zum selben, das Abwassernetz betreffenden Vorhaben gehören. Die Arbeiten im Rahmen der Phase FIMMA 97 dienten, wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, einem ähnlichen Ziel, nämlich entlang den Flüssen Huerva und Gállego Sammler einzurichten, um die Gebiete zu versorgen, in denen das Abwasser noch unmittelbar in die Flüsse geleitet wird, und um die beiden Abwasseraufbereitungsanlagen, in die das Abwasser geleitet wurde, wieder in Stand zu setzen (24. Erwägungsgrund Buchst. b der angefochtenen Entscheidung). Es handelte sich somit um eine Reihe von Arbeiten, deren Ergebnis eine allgemeine Verbesserung des Abwassernetzes für die Endnutzer war (24. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Das Ergebnis dieser Reihe von Arbeiten soll gemäß Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 und dem Urteil Kommission/Frankreich an sich eine technische Funktion erfüllen, nämlich die Abwasserentsorgung.

[nicht wiedergegeben]

89     Nach alledem ist festzustellen, dass das Königreich Spanien nicht nachgewiesen hat, dass der Kommission mit ihrer Feststellung im 26. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass die in Rede stehenden Arbeiten der Phase FIMMA 97 die gleiche technische und wirtschaftliche Funktion im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 erfüllen sollten, ein Fehler unterlaufen ist.

 − Schlussfolgerung

90     Demnach hat das Königreich Spanien in Bezug auf die fraglichen Vorhaben der Phasen SPWS und FIMMA 97 nicht nachgewiesen, dass die Kommission im 26. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fehlerhaft festgestellt hat, dass die genannten Vorhaben in beiden Phasen ein Bauwerk waren, das im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 und Art. 14 Abs. 13 der Richtlinie 93/38 künstlich aufgeteilt worden war. Die in Rede stehenden Vorhaben bestehen nämlich – vergleichbar dem Fall, in dem das Urteil Kommission/Frankreich ergangen ist −, aus zwei Reihen einzelner Arbeiten am bestehenden Abwassernetz, deren Ergebnis nach ihrem Abschluss Bestandteil der Funktion dieses Netzes ist.

91     Diese Schlussfolgerung wird durch die Ausführungen des Königreichs Spanien zu den anderen von ihm geltend gemachten Kriterien nicht in Frage gestellt, d. h. zum geografischen und zeitlichen Gesichtspunkt oder denjenigen Gesichtspunkten, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung fehlerhaft berücksichtigt haben soll.

92     Nach Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 und seiner Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Kommission/Frankreich sind der geografische und der zeitliche Gesichtspunkt an sich kein Kriterium, das sich aus dem Wortlaut dieser Vorschrift oder aus der Rechtsprechung ergibt (siehe oben, Randnr. 53).

93     Zum geografischen Aspekt hat die Kommission im 24. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass „bei den acht Vorhaben der Phase SPWS … [d]er einzige Unterschied darin besteht, dass [die Arbeiten] in geografisch abgegrenzten Bereichen durchgeführt wurden“ und dass „bei den vier Vorhaben der Phase FIMMA 97 [d]er einzige Unterschied darin besteht, dass die Arbeiten in geografisch abgegrenzten Bereichen durchgeführt wurden“. Darüber hinaus hat die Kommission im 26. Erwägungsgrund festgestellt, dass „die Arbeiten allein in einem geografischen Gebiet durchgeführt wurden“.

94     Nach Ansicht des Königreichs Spanien weist die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt einen Widerspruch auf, denn auf der einen Seite behaupte die Kommission, dass die Projekte geografisch verstreut gewesen seien, und auf der anderen Seite, dass es sich allein um ein Gebiet handele. Das Königreich Spanien hat jedoch mit dem Vorbringen „obwohl [die fraglichen Bauwerke] ein einziges Gebiet betrafen, waren sie ziemlich weit voneinander entfernt und geografisch getrennt“ die gleiche Feststellung getroffen.

95     Das Königreich Spanien vertritt die Auffassung, dass zwischen den im Rahmen der fraglichen Vorhaben vorgesehenen Arbeiten kein physischer Zusammenhang bestanden habe, so dass die Kommission nicht auf das Vorliegen von zwei Bauwerken hätte schließen können. Selbst wenn es jedoch erwiesen wäre, dass ein solcher physischer Zusammenhang nicht bestand, waren die verschiedenen Arbeiten gleichwohl Bestandteil der Funktion, die das Abwassernetz der Stadt Saragossa erfüllte, was den Schluss erlaubt, dass die Arbeiten dasselbe Bauwerk betrafen. Es spielt daher keine Rolle, dass die fraglichen Arbeiten über das Netz verteilt waren und in keinem unmittelbaren physischen Zusammenhang standen, denn sie erfolgten, wie die Kommission vom Königreich Spanien unwidersprochen geltend gemacht hat, innerhalb des Gebiets, das von dem von der Stadt Saragossa verwalteten Netz von Abwasserleitungen und Sammlern erfasst wird. Die Arbeiten wurden demnach, wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung erwähnt, zwar „in geografisch abgegrenzten Bereichen durchgeführt“, jedoch „im selben geografischen Gebiet“. Deshalb greift die Argumentation des Königreichs Spanien, dass insoweit ein Widerspruch vorliege, nicht durch.

96     Das Vorbringen des Königreichs Spanien, mit dem es eine Parallele zu dem im Urteil Kommission/Frankreich untersuchten Fall nachweisen will, ist deshalb zurückzuweisen. Das Königreich Spanien hat nichts vorgetragen, was hätte beweisen können, dass die fraglichen Aufträge verschiedene Abwassernetze betrafen, bei denen zu prüfen wäre, ob sie hätten zusammengefasst werden können.

97     Dem Vorbringen der Kommission, die Richtlinie 91/271 verwende die Gemeinde als geografischen Bezugsrahmen, hält das Königreich Spanien entgegen, diese Bezugnahme sei für die Definition eines Bauwerks im Sinne der Regelung für öffentliche Aufträge völlig unerheblich. Die Tatsache, dass die Gemeinde in dieser Richtlinie als geografischer Bezugsrahmen verwendet werde, sei für die Abwasserbehandlung und den allgemeinen Gesundheitsschutz von Bedeutung. Dazu ist, da das Ergebnis der verschiedenen Arbeiten ein Bestandteil der Funktion des Abwassernetzes der Stadt Saragossa war, festzustellen, dass der Umfang dieses Netzes das maßgebliche geografische Gebiet darstellt, unabhängig davon, ob es mit der Stadtregion oder dem Gemeindegebiet zusammenhängt.

98     Das Vorbringen des Königreichs Spanien zur Anwendung eines geografischen Kriteriums, das die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu der Schlussfolgerung hätte führen müssen, dass die fraglichen Vorhaben nicht zwei Bauwerke im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 bildeten, greift daher nicht durch.

99     Zweitens ist, was den zeitlichen Aspekt angeht, die Kommission in der angefochtenen Entscheidung von zwei Gruppen von Vorhaben ausgegangen, einer in der Phase SPWS und der anderen in der Phase FIMMA 97.

100   Selbst wenn das Königreich Spanien ein Interesse hätte, diese Aufteilung in zwei Entscheidungen anzufechten, greift sein Vorbringen, wonach es nicht möglich gewesen sei, lediglich aufgrund der Tatsache, dass die Vorhaben durch zwei verschiedene Entscheidungen genehmigt worden seien, zwei Gruppen festzulegen, nicht durch. Wie die Kommission ausgeführt hat, ergibt sich nämlich die Festlegung von zwei Gruppen von Vorhaben aus der Anwendung des zeitlichen Gesichtspunkts, da die Zusammenfassung der Arbeiten damit zusammenhing, dass die Vorhaben zu zwei zeitlich verschiedenen Phasen des Plans zur Abwasserentsorgung von Saragossa gehörten.

101   Im Übrigen bezweifelt das Königreich Spanien, dass die streitigen Vorhaben im Rahmen der beiden jeweiligen Phasen in denselben Zeitabschnitt fielen. Es kritisiert die nachträgliche Untersuchung der Kommission, die im Verwaltungsverfahren das Vorbringen des Königreichs Spanien nicht zurückgewiesen habe, wonach die Verträge für die Phase SPWS während eines Zeitraums von 14 Monaten und die für die Phase FIMMA 97 während eines Zeitraums von 20 Monaten geschlossen worden seien.

102   Wie bereits erwähnt (siehe oben, Randnrn. 50, 52 und 53), hat der Gerichtshof im Urteil Kommission/Frankreich kein zeitliches Kriterium festgelegt, den zeitlichen Aspekt jedoch als einen Gesichtspunkt bei der Beurteilung berücksichtigt. Er hat nicht das Bestehen eines Zeitabschnitts, sondern „die Gleichzeitigkeit der Einleitung der streitigen Vergabeverfahren“ angeführt, während Generalanwalt Jacobs, wie die Kommission geltend macht, in seinen Schlussanträgen zum Urteil Kommission/Frankreich (Slg. 2000, I‑8318, Nr. 72) von einer „bestimmten Zeit“ ausgegangen ist.

103   Im vorliegenden Fall hat die Kommission zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ausschreibungen für jede der in Rede stehenden Gruppen von Vorhaben innerhalb desselben Zeitraums veröffentlicht wurden. So wurden von den acht Aufträgen der Phase SPWS sieben innerhalb von weniger als fünf Monaten, zwischen dem 29. Juli 1997 und dem 17. Dezember 1997, fünf davon an zwei Tagen, veröffentlicht, und eine Ausschreibung wurde am 24. Juli 1998 veröffentlicht, allerdings mit einer Durchführungsfrist von vier Monaten. Für die vier Aufträge der Phase FIMMA 97 wurden die Ausschreibungen innerhalb von weniger als sechs Monaten zwischen dem 13. November 1998 und dem 9. Juni 1999 veröffentlicht.

[nicht wiedergegeben]

107   Im Ergebnis greift das Vorbringen des Königreichs Spanien nicht durch, dass es ein zeitliches Kriterium gebe, dessen Anwendung im vorliegenden Fall den Schluss erlaube, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung fehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt sei, dass zwei Bauwerke vorlägen.

108   Des Weiteren macht das Königreich Spanien geltend, die Kommission habe sich in der angefochtenen Entscheidung für die Prüfung der Zuwiderhandlung durch die spanischen Behörden auf ziemlich spezielle Kriterien gestützt, z. B. die Leistungsfähigkeit der potenziellen Bieter und die Zweckmäßigkeit für diese, einige oder sämtliche Aufträge gleichzeitig durchzuführen (neunter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

109   Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung in dem Teil über die anfängliche Beurteilung tatsächlich einige Gesichtspunkte in Bezug auf potenzielle Bieter erwähnt (neunter Erwägungsgrund) und desgleichen in anderer Formulierung auch in der abschließenden Beurteilung (25. Erwägungsgrund).

110   Aus den Erwägungsgründen 24 und 26 der angefochtenen Entscheidung ergibt sich jedoch, dass die Kommission auf das Vorliegen von zwei Bauwerken im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 geschlossen hat, weil die funktionalen Kriterien technischer und wirtschaftlicher Art erfüllt waren. Die im 25. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erwähnten Gesichtspunkte dienen daher nur zur Erhärtung einer Schlussfolgerung, die auf diesen funktionalen Kriterien beruht. Deshalb kann die Erwähnung derartiger Gesichtspunkte die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage stellen.

111   Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof, was die Bezugnahme im 25. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auf potenzielle Bieter angeht, in Randnr. 42 des Urteils Kommission/Frankreich festgestellt hat, dass es ein Indiz für das Bestehen eines Bauwerks im Sinne der Richtlinie 93/38 sein kann, dass „ein Unternehmen der Gemeinschaft alle in den betreffenden Aufträgen bezeichneten Arbeiten zusammen ausführen könnte“.

112   Im Übrigen hat die Kommission im 25. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/38 erwähnt. Diese Vorschrift untersagt jegliche Diskriminierung von Bietern, indem sie zugleich diejenigen schützt, die von der Angebotsabgabe abgeschreckt wurden, weil sie durch die Ausgestaltung des vom Auftraggeber angewandten Verfahrens benachteiligt wurden (Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 109). Die im 25. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Gesichtspunkte betreffend potenzielle Bieter wurden daher auch in Bezug auf Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/38 erwähnt.

113   Nach alledem ist festzustellen, dass das Königreich Spanien nicht den Nachweis erbracht hat, dass der Kommission in der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Definition der Kriterien für die Qualifizierung eines Bauwerks im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 oder in Bezug auf die Anwendung dieser Kriterien auf den vorliegenden Fall ein Fehler unterlaufen ist. Die in Rede stehenden Arbeiten bestehen nämlich aus zwei Reihen einzelner Arbeiten am Abwassernetz von Saragossa, deren Ergebnis nach ihrem Abschluss Bestandteil der Funktion dieses Netzes ist. Folglich hat das Königreich Spanien nicht bewiesen, dass die Kommission zu Unrecht von zwei Bauwerken – einem für die Phase SPWS, dem anderen für die Phase FIMMA 97 – ausgegangen ist.

114   Deshalb ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zweiter Teil: offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission in Bezug auf das Bestehen eines Vorsatzes

115   Das Königreich Spanien macht geltend, eine Verletzung von Art. 14 Abs. 13 der Richtlinie 93/38 setze einen Vorsatz voraus, den die Kommission beweisen müsse. Hierzu seien ausschließlich die Vorschriften über öffentliche Aufträge und nicht die Verordnung Nr. 1164/94 zu berücksichtigen. Die Kommission habe einen derartigen Vorsatz jedoch nicht nachgewiesen. Das Königreich Spanien habe jedenfalls während des gesamten Verfahrens in transparenter Art und Weise, gutgläubig und in voller Zusammenarbeit mit der Kommission gehandelt.

116   Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, die spanischen Behörden hätten gegen Art. 14 Abs. 13 der Richtlinie 93/38 verstoßen, und gegenüber dem Königreich Spanien eine finanzielle Berichtigung nach Art. H des Anhangs II der Verordnung Nr. 1164/94 angeordnet.

117   Das Königreich Spanien weist zutreffend darauf hin, dass Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen zum Urteil Kommission/Frankreich ausgeführt hat, dass die Formulierung des Art. 14 Abs. 13 der Richtlinie 93/38 auf eine bestimmte Absicht hinweist, die mit der gewählten Vorgehensweise verfolgt wird (Nrn. 37 bis 39).

118   Der Gerichtshof hat allerdings in seinem Urteil Kommission/Frankreich (Randnr. 31) festgestellt, dass Art. 14 Abs. 13 der Richtlinie 93/38 konkret die Verpflichtungen zum Ausdruck bringt, die sich für die Auftraggeber aus Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 ergeben, und deshalb zusammen mit der letztgenannten Vorschrift berücksichtigt werden muss, um zu beurteilen, ob eine Bauwerkaufteilung vorliegt. Der Gerichtshof hat nicht geprüft, ob die Auftraggeber ein einziges Bauwerk im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 absichtlich aufgeteilt hatten.

119   Daher war die Kommission im vorliegenden Fall nicht verpflichtet, im Licht des Art. 14 Abs. 13 der Richtlinie 93/38 das Bestehen eines Vorsatzes der spanischen Behörden, ein einziges Bauwerk im Sinne von Art. 14 Abs. 10 Unterabs. 1 der Richtlinie 93/38 in mehrere Aufträge aufzuteilen, zu beweisen. Folglich war sie in dieser Hinsicht nicht beweispflichtig, und es kann ihr gegebenenfalls nicht vorgeworfen werden, einen derartigen Vorsatz nicht bewiesen zu haben.

120   Dem steht das Vorbringen des Königreichs Spanien nicht entgegen, die spanischen Behörden hätten mit der Kommission loyal zusammengearbeitet und in transparenter Art und Weise sowie guten Glaubens gehandelt. Da nämlich für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 13 der Richtlinie 93/38 keinerlei Vorsatz der betroffenen Behörde erforderlich ist, sind die Ausführungen zum Verhalten der spanischen Behörden im vorliegenden Fall zum Nachweis, dass die Kommission zu Unrecht auf einen Verstoß gegen diese Vorschrift geschlossen hat, unerheblich.

[nicht wiedergegeben]

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Das Königreich Spanien trägt die Kosten.

Truchot

Martins Ribeiro

Popescu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Juli 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Spanisch.


1 – Es werden nur die Randnummern wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.