Language of document : ECLI:EU:C:2019:1055

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 5. Dezember 2019(1)

Rechtssache C406/18

PG

gegen

Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal

(Vorabentscheidungsersuchen des Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság [Hauptstädtisches Verwaltungs- und Arbeitsgericht, Ungarn])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Politik im Bereich Asyl und subsidiärer Schutz – Gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung des internationalen Schutzes – Richtlinie 2013/32/EU – Art. 46 Abs. 3 – Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf – Umfang der Befugnisse des erstinstanzlichen Gerichts – Fehlende Abänderungsbefugnis – Frist von 60 Tagen für die Entscheidung des Gerichts“






I.      Einleitung

1.        Welche Dauer ist für ein Gerichtsverfahren angemessen? Diese Frage, die jedem modernen Justizsystem vertraut ist, stellt sich typischerweise dann, wenn ein Urteil darüber zu fällen ist, ob die zur Entscheidung eines Falles benötigte Zeit zu lang war und somit gegen das Recht einer Partei auf ein faires Verfahren verstoßen wurde.

2.        Es kommt nicht oft vor, dass sich ein Gericht, einschließlich des Gerichtshofs, der gegenteiligen Frage gegenübersieht, nämlich der Frage, ob eine Frist – hier eine Höchstdauer von 60 Tagen – zu kurz ist und somit das fragliche Gericht daran hindert, den für die Prüfung des Falles geforderten Standard (hier: eine umfassende Exnunc-Prüfung einer Verwaltungsentscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wurde, wie in Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU(2) vorgesehen) zu erfüllen, und dadurch möglicherweise gegen das Recht einer Partei auf ein faires Verfahren verstößt.

3.        Das vorlegende Gericht möchte zudem wissen, ob das in Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 niedergelegte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf als erfüllt angesehen werden kann, wenn das nationale Gericht keine Befugnis hat, die Verwaltungsentscheidung abzuändern, eine Frage, mit der sich der Gerichtshof kürzlich in den Rechtssachen Alheto und Torubarov(3) befasst hat.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

4.        Dem 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/32 zufolge „[liegt] es … im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Personen, die internationalen Schutz beantragen, dass über die Anträge auf internationalen Schutz so rasch wie möglich, unbeschadet der Durchführung einer angemessenen und vollständigen Prüfung der Anträge, entschieden wird“.

5.        Nach dem 34. Erwägungsgrund dieser Richtlinie „[sollten] die Verfahren zur Prüfung des Bedürfnisses nach internationalem Schutz … so gestaltet sein, dass die zuständigen Behörden in die Lage versetzt werden, Anträge auf internationalen Schutz gründlich zu prüfen“.

6.        Art. 31 der Richtlinie 2013/32 betrifft das „Prüfungsverfahren“. Er sieht Folgendes vor:

„…

(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Prüfungsverfahren unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird.

(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Prüfungsverfahren innerhalb von sechs Monaten nach förmlicher Antragstellung zum Abschluss gebracht wird.

(5) Die Mitgliedstaaten schließen das Prüfungsverfahren in jedem Fall innerhalb einer maximalen Frist von 21 Monaten nach der förmlichen Antragstellung ab.

…“

7.        Art. 46 der Richtlinie 2013/32 betrifft das „Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf“. Er lautet wie folgt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Antragsteller das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht haben gegen

a)      eine Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz, einschließlich einer Entscheidung,

i)      einen Antrag als unbegründet in Bezug auf die Flüchtlingseigenschaft und/oder den subsidiären Schutzstatus zu betrachten;

ii)      einen Antrag nach Artikel 33 Absatz 2 als unzulässig zu betrachten;

iii)      die an der Grenze oder in den Transitzonen eines Mitgliedstaats nach Artikel 43 Absatz 1 ergangen ist;

iv)      keine Prüfung nach Artikel 39 vorzunehmen;

(3)      Zur Einhaltung des Absatzes 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der wirksame Rechtsbehelf eine umfassende Ex-nunc-Prüfung vorsieht, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht beurteilt wird.

(4)      Die Mitgliedstaaten legen angemessene Fristen und sonstige Vorschriften fest, die erforderlich sind, damit der Antragsteller sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Absatz 1 wahrnehmen kann. Die Fristen dürfen die Wahrnehmung dieses Rechts weder unmöglich machen noch übermäßig erschweren.

(10)      Die Mitgliedstaaten können für das Gericht nach Absatz 1 Fristen für die Prüfung der Entscheidung der Asylbehörde vorsehen.

…“

B.      Ungarisches Recht

8.        Nach Art. 68 Abs. 2 des menedékjogról szóló 2007. évi LXXX. törvény (Gesetz Nr. LXXX von 2007 über das Asylrecht) (im Folgenden: Asylgesetz), muss das Gericht innerhalb einer Frist von 60 Tagen ab Eingang eines Antrags auf gerichtliche Prüfung einer Verwaltungsentscheidung entscheiden. Nach Art. 68 Abs. 5 des gleichen Gesetzes kann das Gericht Entscheidungen der zuständigen Asylbehörde nicht abändern.

III. Sachverhalt, nationales Verfahren und Vorlagefragen

9.        Der Kläger des Ausgangsverfahrens, der irakischer Staatsangehöriger und Kurde ist, reiste in die ungarische Transitzone Tompa ein, die an der Grenze zwischen Ungarn und Serbien liegt.

10.      Am 22. August 2017 stellte er einen Antrag auf Anerkennung seines Flüchtlingsstatus.

11.      Am 18. Januar 2018 lehnte das Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal (Amt für Einwanderung und Asyl, Ungarn) den Antrag des Klägers auf internationalen Schutz ab. Es verfügte die Rückführung des Klägers aus dem Gebiet der Europäischen Union in das Gebiet der Regionalregierung Kurdistan‑Irak (KRG) und ordnete die Vollstreckung dieser Verwaltungsentscheidung im Wege der Abschiebung des Klägers an. Gleichzeitig verhängte sie gegen den Kläger ein Einreiseverbot für eine Dauer von zwei Jahren.

12.      Der Kläger focht diese Verwaltungsentscheidung beim Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Hauptstädtisches Verwaltungs- und Arbeitsgericht, Ungarn), dem vorlegenden Gericht, an.

13.      In der Sitzung ist bestätigt worden, dass zuvor zwei weitere Verwaltungsentscheidungen ergangen waren, mit denen der gleiche Antrag zurückgewiesen wurde. Diese Entscheidungen wurden durch zwei Urteile eines anderen nationalen Gerichts aufgehoben. Nach Gesetzesänderungen auf nationaler Ebene, die die Zuständigkeit der Gerichte in Asylangelegenheiten betrafen, fällt die vorliegende Rechtssache jedoch in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts.

14.      Unter diesen Umständen hat das Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Hauptstädtisches Verwaltungs- und Arbeitsgericht) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen vorgelegt:

1.      Sind Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 31 der Richtlinie 2013/32 im Licht der Art. 6 und 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention dahin auszulegen, dass in einem Mitgliedstaat das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf möglicherweise auch gewährleistet ist, wenn seine Gerichte die in Asylverfahren ergangenen Entscheidungen nicht abändern, sondern lediglich aufheben und die Durchführung eines neuen Verfahrens anordnen dürfen?

2.      Sind Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 31 der Richtlinie 2013/32, wiederum im Licht der Art. 6 und 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention, dahin auszulegen, dass es mit diesen Vorschriften vereinbar ist, wenn die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats für gerichtliche Asylverfahren eine einzige, nicht verlängerbare Gesamtdauer von 60 Tagen festlegen, die unabhängig von allen Umständen des Einzelfalls gilt und weder die Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache noch mögliche Beweisschwierigkeiten berücksichtigt?

15.      Das vorlegende Gericht hat beantragt, das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen dem Eilverfahren nach Art. 107 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen. Mit Beschluss vom 31. Juli 2018 hat die für Eilverfahren bestimmte Kammer entschieden, dem Antrag nicht stattzugeben.

16.      Der Kläger, die ungarische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben. Sie haben auch an der Sitzung vom 11. September 2019 teilgenommen.

IV.    Würdigung

17.      Diese Schlussanträge sind wie folgt gegliedert. Zunächst werde ich erläutern, warum ich der Auffassung bin, dass sämtliche Fragen, die das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage aufgeworfen hat, durch die kürzlich in den Rechtssachen Alheto und Torubarov ergangenen Urteile des Gerichtshofs beantwortet wurden (A). Zur zweiten Frage werde ich vorschlagen, dass die Angemessenheit der vorgeschriebenen 60‑Tages‑Frist davon abhängt, ob diese es erlaubt die Verfahrensrechte des Klägers zu gewährleisten. Dies ist vom nationalen Gericht im Licht der spezifischen Umstände des Falles unter Berücksichtigung seiner Pflicht, eine umfassende Exnunc-Prüfung vorzunehmen, jedoch auch im Kontext der gesamten Umstände und Bedingungen, unter denen dieses Gericht aufgerufen ist, seine Rechtsprechungsaufgaben wahrzunehmen, zu beurteilen. Sollte das nationale Gericht angesichts dieser Aspekte zu dem Ergebnis gelangen, dass die streitige Frist nicht eingehalten werden kann, muss es die anwendbare Frist unangewendet lassen und die Prüfung so schnell wie möglich nach Ablauf der First abschließen (B).

A.      Erste Frage: Rechtssachen Alheto und Torubarov

18.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob seine mangelnde Befugnis, eine von einer Verwaltungsbehörde in einem Verfahren zur Beantragung internationalen Schutzes getroffene Entscheidung abzuändern, mit dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht nach Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32(4) im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta)(5) vereinbar ist.

19.      Gemäß Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 „stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der wirksame Rechtsbehelf eine umfassende Exnunc-Prüfung vorsieht, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht beurteilt wird“.

20.      Diese Vorschrift legt auf der Ebene des sekundären Unionsrechts die Art der Prüfung fest, die durchzuführen ist, wenn eine Entscheidung, die in den Geltungsbereich der Richtlinie 2013/32 fällt, vor einem Gericht angefochten wird. Natürlich müssen die Auslegung und die Anwendung dieser Vorschrift mit dem Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf nach Art. 47 der Charta(6) im Einklang stehen.

21.      Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 ist vom Gerichtshof kürzlich in zwei Urteilen ausgelegt worden.

22.      In der Rechtssache Alheto hat der Gerichtshof erstens betont, dass die Richtlinie 2013/32 keine spezielle Art und Weise festlegt, in der Art. 46 Abs. 3 umzusetzen ist. Somit ist es Sache der Mitgliedstaaten, das spezifische Prüfungsmodell zu entwickeln. Zweitens muss die gerichtliche Prüfung eine umfassende Exnunc-Prüfung sein, die sich sowohl auf Rechts- als auch auf Tatsachenfragen erstreckt. Wenn drittens das Gericht die Verwaltungsentscheidung, die es für rechtswidrig hält, lediglich aufheben kann, muss der Mitgliedstaat gewährleisten, dass dem Ergebnis der gerichtlichen Prüfung durch die zuständige Verwaltungsbehörde in der nachfolgenden Entscheidung zügig entsprochen wird(7).

23.      In der Rechtssache Torubarov(8) hatte der Gerichtshof die Gelegenheit, diese Bedingungen im Hinblick auf das Funktionieren des von Ungarn im Bereich des internationalen Schutzes eingeführten Prüfungsmodells in einem spezifischen Fall weiterzuentwickeln. Dieses Modell hat sich ab dem 15. September 2015 dahin gewandelt, dass das Gericht nicht mehr die Befugnis hat, eine Verwaltungsentscheidung aufzuheben und abzuändern, sondern die Entscheidung nur aufheben und den Fall zur erneuten Entscheidung an die Verwaltungsbehörde zurückverweisen kann.

24.      In diesem Kontext hat der Gerichtshof festgestellt, dass die zuständigen Behörden, wenn es darum geht, den Flüchtlingsstatus oder subsidiären Schutz zuzuerkennen, über kein Ermessen verfügen, sobald die Voraussetzungen der Richtlinie 2011/95/EU(9) erfüllt sind. Indem Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 eine Pflicht des betreffenden Gerichts vorsieht, gegebenenfalls das Bedürfnis des Antragstellers nach internationalem Schutz zu prüfen, verleiht er diesem Gericht die Befugnis, zu entscheiden, ob der Antragsteller diese Voraussetzungen erfüllt(10).

25.      Wenn das Gericht auf der Grundlage einer umfassenden und nach aktuellem Stand durchgeführten Prüfung aller einschlägigen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde für nichtig erklärt und den Fall zur erneuten Entscheidung an die Verwaltungsbehörde zurückverweist, steht daher dieser Behörde kein Ermessen bei der Entscheidung mehr zu, den angestrebten Schutz zuzuerkennen oder abzulehnen. Wie der Gerichtshof geurteilt hat, würde andernfalls Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 im Licht von Art. 47 der Charta sowie den Art. 13 und 18 der Richtlinie 2011/95 jede praktische Wirksamkeit genommen(11).

26.      Außerdem war der Gerichtshof angesichts der Tatsache, dass nach ungarischem Recht andere Mittel fehlen, die dem nationalen Gericht ermöglichen würden, seinem Urteil Geltung zu verschaffen, der Auffassung, dass dem betreffenden Kläger ein wirksamer Rechtsbehelf vorenthalten wurde(12). Hinsichtlich der erforderlichen Vorgehensweise kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass das Gericht die Verwaltungsentscheidung, die seine früheren richterlichen Hinweise unbeachtet lässt, abändern und das nationale Gesetz unangewendet lassen muss, das ihm ein derartiges Vorgehen untersagt(13).

27.      Was die vorliegende Rechtssache betrifft, seien drei Aspekte hervorgehoben.

28.      Erstens folgt aus den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts, dass es sich bei der in der vorliegenden Rechtssache streitigen nationalen Regelung um die gleiche handelt, mit der der Gerichtshof in der Rechtssache Torubarov befasst war, nämlich Art. 68 Abs. 5 Asylgesetz, der vorsieht, dass nationale Gerichte Verwaltungsentscheidungen, die in Angelegenheiten des internationalen Schutzes ergehen, nicht abändern dürfen.

29.      Zweitens erläutert das vorlegende Gericht in seinem Vorlagebeschluss nicht, ob und in welchem Ausmaß ein früheres Urteil, das im Fall desselben Klägers, jedoch von einem anderen Gericht erlassen wurde, von der zuständigen Verwaltungsbehörde nicht beachtet worden ist(14).

30.      Drittens sind die erste Vorlagefrage und ihre Begründung im Vorlagebeschluss relativ kurz und abstrakt gefasst. Über die allgemeine Frage hinaus, ob das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 im Licht von Art. 47 der Charta das in Art. 68 Abs. 5 Asylgesetz festgelegte Rechtsschutzmodell zulässt, werden keine weiteren Erwägungen dargelegt.

31.      In Ermangelung weiterer Unterscheidungsmerkmale meine ich daher, dass die erste Frage des vorlegenden Gerichts in der Zwischenzeit in den Urteilen des Gerichtshofs in den Rechtssachen Alheto und Torubarov umfassend beantwortet wurde. Im Licht dieser Entscheidungen ergibt sich eine zweifache Antwort.

32.      Zum einen ergibt sich aus dem Urteil in der Rechtssache Alheto, dass ein Modell des gerichtlichen Rechtsschutzes, das auf die Befugnis gegründet ist, Verwaltungsentscheidungen aufzuheben, als solches nicht gegen das Erfordernis des wirksamen Rechtsschutzes verstößt. Den Mitgliedstaaten steht es frei, jedes Modell der gerichtlichen Prüfung einzuführen, das sie für geeignet halten. Sie müssen jedoch ebenso gewährleisten, dass, falls die Akte im Anschluss an die Aufhebung einer ursprünglichen Entscheidung an die zuständige Verwaltungsbehörde zurückverwiesen wird, zügig eine neue Entscheidung ergeht, die der in dem Urteil enthaltenen Würdigung Rechnung trägt.

33.      Zum anderen ergibt sich aus dem Urteil in der Rechtssache Torubarov, dass das Gericht, wenn eine Gerichtsentscheidung, in der das Gericht eine umfassende Exnunc-Überprüfung vorgenommen hat, bei der nachfolgenden Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde außer Acht gelassen worden ist, sowie diese Entscheidung abändern und die Entscheidung der Verwaltungsbehörde durch seine eigene ersetzen muss, wobei es das nationale Recht, das das Gericht an diesem Vorgehen hindert, unangewendet lassen muss.

34.      Diese Feststellungen geben meines Erachtens eine ausreichende Antwort auf die erste Vorlagefrage.

35.      Mein erstes Zwischenergebnis lautet daher, dass Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 im Licht von Art. 47 der Charta und des darin verankerten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die den Gerichten nicht die Befugnis verleihen, Verwaltungsentscheidungen in Angelegenheiten des internationalen Schutzes abzuändern. Um jedoch Art. 46 Abs. 3 dieser Richtlinie praktische Wirkung zu verleihen und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf im Einklang mit Art. 47 der Charta zu gewährleisten, muss, falls die Akte an die zuständige Verwaltungsbehörde zurückverwiesen wird, binnen kurzer Zeit eine neue Entscheidung ergehen, die der in dem Urteil, durch das die ursprüngliche Entscheidung aufgehoben wurde, enthaltenen Würdigung Rechnung trägt. Wenn darüber hinaus ein nationales Gericht – nach einer umfassenden Exnunc-Prüfung aller von einem Antragsteller auf internationalen Schutz vorgebrachten maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände – entschieden hat, dass dem betreffenden Antragsteller nach den in der Richtlinie 2011/95 festgelegten Kriterien ein solcher Schutz aus den Gründen zuzuerkennen ist, auf die er oder sie seinen oder ihren Antrag gestützt hat, die Verwaltungsbehörde jedoch anschließend ohne festzustellen, dass neue Umstände vorliegen, die eine neue Beurteilung des Bedürfnisses des Antragstellers nach internationalem Schutz rechtfertigen, eine gegenteilige Entscheidung trifft, muss dieses Gericht diese Entscheidung, die dem früheren Urteil nicht entspricht, abändern und sie im Hinblick auf den Antrag auf internationalen Schutz durch seine eigene Entscheidung ersetzen, wobei es das nationale Recht, das es an diesem Vorgehen hindern würde, gegebenenfalls unangewendet lassen muss.

B.      Zweite Frage: Angemessenheit der 60-Tages-Frist

36.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32, ausgelegt im Licht von Art. 47 der Charta(15) Rechtsvorschriften entgegensteht, die für den Abschluss der gerichtlichen Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen im Bereich des internationalen Schutzes unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und ohne Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache eine einzige zwingende Frist von 60 Tagen vorsehen.

37.      Zunächst möchte ich auf die Probleme eingehen, die sich aus der Festlegung allgemeiner Fristen ergeben, die keine Differenzierung im Einzelfall erlauben (1). Sodann werde ich mich der fraglichen Frist aus zwei sich ergänzenden Blickwinkeln zuwenden. Einerseits ist aus der Perspektive der Rechte zu betrachten, die den Antragstellern auf internationalen Schutz in der Phase der gerichtlichen Überprüfung in jedem Einzelfall zu gewährleisten sind (2). Andererseits müssen – obwohl im Kontext der vorliegenden Rechtssache nicht entscheidend – auch die strukturellen Auswirkungen der Fristen Erwähnung finden, die möglicherweise für das ordnungsgemäße Funktionieren des nationalen Gerichts zu kurz sind (3).

1.      Die Probleme mit gerichtlichen Fristen (oder warum eine Größe selten allen passt)

38.      Das vorlegende Gericht stellt fest, dass die Frist von 60 Tagen, insbesondere wenn die Sachverhaltsaufklärung mehrere Sitzungen erfordere oder weitere Beweismittel zusammenzutragen seien, in zahlreichen Fällen nicht – oder nur unter großen Schwierigkeiten – eingehalten werden könne. Die Frist könne dazu führen, dass dem Gericht Rechtsfehler unterliefen, wenn es im Bestreben, sie einzuhalten, versäume, den Sachverhalt aufzuklären. Oft müssten die Antragsteller persönlich mit einem Dolmetscher vor Gericht erscheinen, was insbesondere im Fall von in Ungarn kaum gesprochenen Sprachen zeitaufwändig sein könne. Der Abschluss des Verfahrens innerhalb der streitigen Frist könne sogar weiter erschwert werden, wenn sich der Antragsteller nicht am Gerichtssitz aufhalte und das Gericht ein persönliches Erscheinen des Antragstellers für erforderlich erachte.

39.      Die Ansichten der Beteiligten darüber, ob die streitige Frist angemessen ist, gehen auseinander.

40.      Der Kläger hat in der Sitzung vorgetragen, die streitige Frist halte die Gerichte in der Praxis davon ab, eine eingehende und umfassende Analyse vorzunehmen. Der Kläger nannte in wesentlicher Übereinstimmung mit dem vorlegenden Gericht eine Reihe von Verfahrensschritten, die von einem Gericht, das in Angelegenheiten des internationalen Schutzes urteile, zu unternehmen seien. Bemühe sich ein nationales Gericht um die Durchführung einer umfassenden Überprüfung nach dem erforderlichen Standard, werde es in der Praxis die Frist von 60 Tagen nicht einhalten können.

41.      Die ungarische Regierung ist der Auffassung, die streitige Frist sei mit dem Erfordernis des wirksamen Rechtsbehelfs insbesondere deshalb vereinbar, weil es dem Gericht möglich sei, elektronische Kommunikationsmittel und neue Technologien zur Beschleunigung des Verfahrens in Fällen zu benutzen, die eine komplexere Prüfung erforderten.

42.      Die Kommission  stellt fest, da die Richtlinie 2013/32 keine gemeinsamen Regeln für Fristen enthalte, falle die Frage unter die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. In diesem Kontext ist sie der Auffassung, das Erfordernis der Wirksamkeit sei nicht erfüllt, da die streitige Frist einheitlich und zwingend sei und keine Berücksichtigung der individuellen Umstände erlaube. Die Kommission verweist im Einzelnen auf den Entwurf des Art. 55 in ihrem Vorschlag für eine Verordnung zur Ersetzung der aktuellen Richtlinie 2013/32(16). Die Kommission schlägt dort die Einführung gemeinsamer Regeln für Fristen sowie Fristen von sechs Monaten, zwei Monaten und einem Monat vor, die jeweils um weitere drei Monate verlängert werden können. Im Licht dieser allgemeinen Sechs-Monats-Frist ist die Kommission der Auffassung, 60 Tage seien nicht angemessen.

43.      Im Lauf der mündlichen Verhandlung wurden verschiedene wichtige Klarstellungen bezüglich der Art der streitigen Frist vorgenommen.

44.      Erstens handelt es sich um eine indikative, verfahrensrechtliche Frist. Sie schafft für die Richter eine „moralische Verpflichtung“, innerhalb dieser Frist zu entscheiden. Die ungarische Regierung gab an, die Nichtbeachtung der Frist von 60 Tagen habe keine unmittelbaren oder sofortigen Folgen, weder im Hinblick auf den Fall selbst und die Befugnis, eine Entscheidung zu erlassen – wie etwa den Verlust der Befugnis des Richters, den Fall zu entscheiden – noch im Hinblick auf den fraglichen Richter – wie etwa automatische Sanktionen gegen den Richter(17).

45.      Zweitens ist die streitige Frist – insofern, als sie für alle Fälle in Angelegenheiten des internationalen Schutzes gilt – allgemein und kann – da es keinen Mechanismus für eine Fristverlängerung oder ‑anpassung im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls gibt – nicht verlängert werden.

46.      Drittens betrifft die Frist das Datum, bis zu dem das Urteil in öffentlicher Sitzung verkündet, und nicht das Datum, an dem das schriftliche Urteil dem Antragsteller zugestellt werden muss.

47.      Schließlich hat die ungarische Regierung darauf hingewiesen, dass sich die streitige Regelung bereits zehn Jahre in Kraft befinde. Sie sei somit älter als die Gesetzesänderung vom September 2015 zur Befugnis der Gerichte zur Abänderung von Verwaltungsentscheidungen.

48.      Eingangs sei betont, dass das Bestehen von Fristen für die Prüfung als solches im Allgemeinen unproblematisch ist. Derartige Fristen existieren in vielen Mitgliedstaaten(18). Darüber hinaus sieht Art. 46 Abs. 10 der Richtlinie 2013/32 ausdrücklich eine solche Möglichkeit vor. In der Tat trägt das Bestehen einer Frist für den Abschluss der gerichtlichen Überprüfung zu dem im 18. Erwägungsgrund und in Art. 31 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 allgemein zum Ausdruck gebrachten Ziel bei, Anträge auf internationalen Schutz so schnell wie möglich zu bearbeiten.

49.      Jedoch enthält die Richtlinie über diese weitgefassten grundsätzlichen Feststellungen hinaus, nämlich, dass Fristen vorgesehen werden und zur Beschleunigung der Überprüfungsverfahren beitragen können, keine weiteren gemeinsamen Regelungen.

50.      Der Kommissionsvorschlag(19) strebt die Festlegung ausführlicher Regeln zu Fristen an. Abgesehen von dem Umstand, dass er sich noch in der Phase eines nicht abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahrens befindet, kann jedoch nicht bestritten werden, dass dieser konkrete Vorschlag – wie Ungarn in seinen schriftlichen Erklärungen betont und die Kommission in der Sitzung eingeräumt hat – gelinde gesagt keine allgemeine Unterstützung gefunden hat.

51.      Diese Sachlage ist vielleicht symptomatisch für die weitere, in zweifacher Hinsicht bestehende Schwierigkeit bei der Festlegung allgemeiner und universell anwendbarer Fristen für die angemessene Dauer einer gerichtlichen Überprüfung.

52.      Erstens ist Zeit relativ. Es ist wohl kein Geheimnis, dass die verschiedenen Justizsysteme in der Europäischen Union mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten arbeiten(20). Somit mag eine spezifische Verfahrensdauer für eine bestimmte Verfahrensart, die für einen Mitgliedstaat annehmbar ist, einem anderen Mitgliedstaat unmöglich kurz oder einem weiteren zu großzügig erscheinen.

53.      Zweitens ist es schwierig, allgemeine, in Tagen oder Monaten ausgedrückte Grenzen zu ziehen, innerhalb derer ein Gerichtsverfahren abzuschließen ist. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) bestätigt entsprechende Schwierigkeiten, wenn es um die Beurteilung geht, ob ein Gerichtsverfahren übermäßig lang gedauert und somit gegen das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoßen hat. In diesem Kontext hat der EGMR einen auf mehrere Kriterien gestützten Test entwickelt, anhand dessen er beurteilt, ob die Dauer eines bestimmten Gerichtsverfahrens angemessen war oder nicht(21). Diese Festlegung hängt immer stark vom jeweiligen Fall ab. Unter gewissen Umständen steht eine Dauer von acht Jahren im Einklang mit Art. 6 EMRK, während in anderen Fällen eine Dauer von drei Jahren mit dieser Vorschrift nicht im Einklang steht. Es ist jedoch faktisch unmöglich, eine allgemeine und universell anwendbare Grenze zu ziehen, die genau ausdrückt, wie viele Jahre oder Monate als angemessen angesehen werden(22). Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu dieser Thematik folgt demselben Ansatz, der auf die spezifischen Umstände jedes Falles abstellt(23).

54.      Im Licht dieser Erwägungen ist es sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, allgemeine und universell anwendbare Fristen für die gerichtliche Überprüfung abstrakt festzulegen, gleich ob sie eine Höchstdauer – jenseits derer das Verfahren automatisch als zu lang angesehen wird – oder eine Mindestdauer – unterhalb derer jedes Verfahren als zu kurz angesehen wird – betreffen.

55.      Der Standpunkt, den die Kommission in diesem Verfahren vertritt, bestätigt diese Schwierigkeiten ebenfalls. Wie ihr Gesetzgebungsvorschlag zeigt(24), scheint die Kommission einerseits in dem verständlichen und lobenswerten Interesse, in Angelegenheiten des internationalen Schutzes eine schnelle gerichtliche Überprüfung sicherzustellen, Höchstdauern im Allgemeinen zu befürworten. Andererseits kann sie im konkreten Fall einer – in der Tat sehr kurzen – Frist ein gewisses Unbehagen nicht verbergen. Dieses Unbehagen bezieht sich aber nicht auf Entscheidungen, die nach Ablauf der Frist, sondern vielmehr auf solche, die innerhalb der Frist ergingen. Somit wird offenbar die Fähigkeit, sich an eine solche Frist zu halten, mit Argwohn als ein möglicher Hinweis auf hastige und unprofessionelle Arbeit seitens des Richters betrachtet. Jedoch gibt es gleichwohl Fälle, die sehr schnell entschieden werden können, und eindeutig dürfte es Richter geben, die ihre Arbeit effizienter erledigen können als andere.

56.      Hierin liegt das Problem, das Fristen innewohnt. Sie können in der Tat helfen, Verfahren zu beschleunigen. Sie haben jedoch auch das Potenzial, das Feld in zwei – gleichermaßen suspekte – Kategorien zu teilen, nämlich solche, die suspekt sind, weil sie zu langsam sind, und solche, die suspekt sind, weil sie zu schnell sind. Mit anderen Worten, wie man es macht, macht man es verkehrt.

57.      Solche Zweifel könnten natürlich verworfen werden, wenn es möglich wäre, sicherzustellen, dass die richtigen Fristen vom Gesetzgeber gewählt und von den Gerichten beachtet würden. Aber dies führt die Diskussion direkt zurück zu ihrem Ausgangspunkt und der (Un‑)Möglichkeit, solche allgemein angemessene Fristen zu bestimmen. Anstatt diese Debatte an dieser Stelle neu anzufachen, möchte ich lediglich zur Vorsicht vor dem – nicht notwendigerweise hilfreichen(25) – Maß an gesetzgeberischem Optimismus mahnen, das solchen Bemühungen zugrunde liegt.

58.      Diese Erwägungen ändern nichts daran, dass Art. 46 Abs. 10 der Richtlinie 2013/32 den Mitgliedstaaten derzeit die Möglichkeit einräumt, Fristen für die Überprüfung der Entscheidungen über internationalen Schutz festzulegen. Ungarn hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und eine Frist von 60 Tagen festgelegt. Ist eine solche Frist angemessen?

2.      Fallspezifische, an Rechten orientierte Beurteilung

59.      Geht es um die Beurteilung der Angemessenheit einer Frist, ist vom konkreten Einzelfall auszugehen. Die Frist muss unter Wahrung der Verfahrensrechte des Antragstellers eine umfassende und wirksame, dem erforderlichen Standard entsprechende Überprüfung der streitigen Verwaltungsentscheidung ermöglichen. Jedoch sind auch bei dieser fallspezifischen Beurteilung der weitere Kontext und die Bedingungen, unter denen die richterliche Aufgabe auf nationaler Ebene wahrgenommen wird, ebenfalls relevant.

60.      Zusätzlich zu den konkreten Garantien, die insoweit in der Charta enthalten sind – wo in Abhängigkeit von der konkreten Sachlage verschiedene Rechte in Betracht kommen können –, werden der erforderliche Überprüfungsstandard und die spezifischen Verfahrensrechte auch im Sekundärrecht und insbesondere in der Richtlinie 2013/32 festgelegt.

61.      Antragsteller haben das Recht auf eine umfassende Ex-nunc-Prüfung, die gegebenenfalls eine Prüfung des Bedürfnisses nach internationalem Schutz(26) ebenso einschließt, wie das Recht, dass ihre Anträge – sowohl in der Verwaltungs- als auch in der gerichtlichen Phase – im Licht ihrer individuellen Lage und spezifischen Umstände beurteilt werden(27). Der Gerichtshof hat ebenso klargestellt, dass die nationalen Behörden in allen Phasen verpflichtet sind, bei der Zusammenstellung der für die Entscheidung maßgeblichen Informationen mit den Antragstellern zusammenzuarbeiten(28). Das Prüfungsverfahren muss angemessene Zeit zur Erfüllung dieser Pflichten vorsehen.

62.      Was spezifische Verfahrensrechte angeht, ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 im Licht von Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32, dass in der Prüfungsphase die folgenden – oder gleichwertigen – Rechte der Antragsteller zu gewährleisten sind.

63.      Erstens ist nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 ein Dolmetscher beizuziehen. Ich weise insoweit auf die vom vorlegenden Gericht und dem Kläger erwähnten möglichen Schwierigkeiten bei der Auffindung eines Dolmetschers – und der Gewährleistung seiner Verfügbarkeit – für einige kaum gesprochene Sprachen hin. Zweitens darf den Antragstellern nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 nicht die Möglichkeit verwehrt werden, mit dem UNHCR oder einer anderen Organisation Verbindung aufzunehmen, die Rechtsberatung oder sonstige Beratungsleistungen erbringt. Drittens ist nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. d in Verbindung mit Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 den Antragstellern und ihren Rechtsberatern Zugang zu den in Art. 10 Abs. 3 Buchst. b genannten Informationen(29) und zu den von Sachverständigen gemäß Art. 10 Abs. 3 Buchst. d(30) bereitgestellten Informationen zu geben, sofern diese Informationen zum Zweck der Entscheidung über den Antrag berücksichtigt wurden. Viertens ist den Antragstellern nach Art. 20 der Richtlinie 2013/32 unentgeltliche Rechtsberatung und ‑vertretung zu gewähren. Nach Art. 22 ist den Antragstellern Gelegenheit zu geben, in allen Phasen des Verfahrens einen Rechtsberater zu konsultieren. Fünftens sind nach den Art. 24 und 25 Antragstellern mit besonderen Bedürfnissen und unbegleiteten Minderjährigen spezifische Garantien zu gewähren. Sechstens mag es notwendig – obwohl nicht in allen Fällen streng verpflichtend – sein, den Antragsteller persönlich anzuhören(31) oder eine medizinische Untersuchung durchzuführen.

64.      Das vorlegende Gericht erwähnt nicht, ob eines dieser Verfahrensrechte oder andere nach dem Unionsrecht – insbesondere durch die Charta – garantierte Rechte durch die Frist, die die Rechtsvorschriften für die Prüfung vorschreiben, verletzt worden sind.

65.      Mangels weiterer Informationen hierzu sind die Hinweise, die der Gerichtshof geben kann, notwendigerweise begrenzt. Im Allgemeinen muss das nationale Gericht jedoch sicherstellen, dass es in der Lage ist, (1) alle oben genannten Prüfungsstandards und die individuellen Rechte in Anbetracht der Umstände des konkreten Einzelfalls (2) im Kontext der gesamten Umstände und Bedingungen, unter denen es aufgerufen ist, seine gerichtlichen Aufgaben wahrzunehmen, zu gewährleisten.

66.      Beide Aspekte gehen Hand in Hand. Die Festlegung und tatsächliche Einhaltung von Fristen steht im Zusammenhang mit der Notwendigkeit, die Gestaltung und Komplexität des individuellen Falles zu berücksichtigen, und mit der Gesamtarbeitsbelastung und den Gesamtbedingungen, unter denen der betreffende Richter seine richterlichen Aufgaben wahrnehmen muss.

67.      Unter bestimmten Umständen könnte selbst eine knappe Frist angemessen sein, wenn ein Richter nur einen oder wenige Fälle bearbeiten würde und alle notwendigen technischen und materiellen Mittel zu seiner Verfügung hätte. Da jedoch die normale Funktionsweise der Gerichte in den Mitgliedstaaten eher weit von dieser Utopie entfernt ist, sind über den individuellen Fall hinaus die Arbeitsbelastung und die Arbeitsbedingungen eines Gerichts ebenso maßgeblich.

68.      Ein Mitgliedstaat kann von den Gerichten in Angelegenheiten des Unionsrechts sicherlich Schnelligkeit verlangen, wenn er die organisatorischen und materiellen Voraussetzungen für das Erreichen einer solchen Schnelligkeit schafft, ohne dass die Qualität der richterlichen Entscheidungsfindung beeinträchtigt werden muss. Besteht im Gegensatz dazu der einzige Beitrag eines Mitgliedstaats in einer strengen Frist, ohne dass die materiellen Voraussetzungen geschaffen werden, die vernünftigerweise zur ihrer Einhaltung notwendig sind – z. B. wenn nationalen Richtern Dutzende oder sogar Hunderte parallele Anträge zugeteilt werden, während die Arbeitsbedingungen unverändert bleiben –, wird das Bestehen auf strengen Fristen zu allem anderen als einer Garantie eines fairen Verfahrens führen.

69.      Stellt das nationale Gericht im Licht dieser Elemente fest, dass es unmöglich ist, innerhalb der vorgegebenen gesetzlichen Frist unter Wahrung der nach dem Unionsrecht garantierten Rechte des Antragstellers eine umfassende Exnunc-Überprüfung einschließlich der Prüfung der Bedürfnisse des Antragstellers nach internationalem Schutz durchzuführen, muss dieses Gericht die maßgebliche Vorschrift des nationalen Rechts unangewendet lassen und die Überprüfung so schnell wie möglich nach Ablauf der Frist abschließen.(32)

70.      Mein zweites Zwischenergebnis lautet daher, dass Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 im Licht von Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, die Angemessenheit der durch die nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Prüfungsfrist in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Fall unter Berücksichtigung seiner Verpflichtung, eine umfassende Exnunc-Überprüfung, gegebenenfalls einschließlich der Prüfung des Bedürfnisses nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95 unter Wahrung der insbesondere in der Richtlinie 2013/32 definierten Rechte des Antragstellers durchzuführen, zu beurteilen. Ist das nationale Gericht der Auffassung, dass diese Rechte im Licht der besonderen Umstände des Einzelfalls oder im Licht der Gesamtbedingungen, unter denen dieses Gericht seine Aufgaben wahrnehmen muss, wie etwa einer besonders hohen Anzahl gleichzeitig gestellter Anträge, nicht gewährleistet werden können, muss dieses Gericht die anwendbare Frist unangewendet lassen und die Prüfung so zügig wie möglich nach Ablauf der Frist abschließen.

71.      Es sei hinzugefügt, dass sich, wenn es notwendig wird, eine nationale Regelung, die eine Frist für eine gerichtliche Prüfung festlegt, als ultima ratio unangewendet zu lassen, keine unmittelbaren oder mittelbaren negativen Folgen für einen Richter ergeben können, der diese Entscheidung trifft. Es ist diese Art möglicher mittelbarer Folgen, der ich mich nun zuwende.

3.      Strukturelle Ebene (und Schlussbemerkungen)

72.      In der Sitzung hat die ungarische Regierung darauf bestanden, dass die Nichtbeachtung der streitigen Frist keine unmittelbaren oder sofortigen Folgen für den betreffenden Richter habe.

73.      Jedoch hat der Kläger ebenfalls in der Sitzung auf eine Reihe mittelbarer und späterer Folgen aufmerksam gemacht, die sich ergeben könnten. Der Kläger legt nahe, dass ein Richter, der die fraglichen Fristen nicht einhalte, Folgen in Bezug auf seine Arbeitsbedingungen und periodischen Beurteilungen zu tragen haben dürfte. Seine Vergütung und Beförderungen könnten beeinträchtigt werden. Im Falle wiederholter Nichtbeachtung der Fristen könnte der betreffende Richter einer eingehenderen – außerordentlichen – Beurteilung unterworfen werden und das Risiko laufen, gerügt oder letztendlich abberufen zu werden(33).

74.      Im Kontext der vorliegenden Rechtssache muss die Antwort auf die zweite Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts auf die im vorangegangenen Abschnitt dargelegte, an Rechten orientierte und fallspezifische Beurteilung der fraglichen Frist gegründet sein. Ist es in angemessener Weise möglich, die nach dem Unionsrecht erforderliche Beurteilung unter Berücksichtigung des Einzelfalls und der Prozessliste des fraglichen Gerichts durchzuführen?

75.      Natürlich steht jenseits des individuellen, auf Rechte fokussierten Ansatzes in Bezug auf Fristen auch die weiter gefasste, strukturelle Frage der Wirkung solcher Fristen auf die Qualität der Prüfung und das Funktionieren des nationalen Gerichtswesens im Raum. Der Fokus rückt bei dieser Beurteilung vom Rechtsschutz im Einzelfall auf strukturelle Fragen und das Funktionieren des Systems(34).

76.      So berechtigt und wichtig solche Erwägungen sind, ist es nicht Sache des Gerichtshofs, sich in der vorliegenden Rechtssache Spekulationen hinzugeben. Abgesehen von den Erklärungen des Klägers haben weder der Vorlagebeschluss noch andere Angaben vor diesem Gerichtshof das Bestehen solcher struktureller Bedenken bestätigt. Daher denke ich, dass eine nützliche und ausreichende Antwort gegeben werden kann, wenn man, wie im vorangegangenen Abschnitt vorgeschlagen, die einzelne Rechtssache in den Blick nimmt, wobei betont sei, dass eine gerechtfertigte Nichtbeachtung einer unangemessenen Frist in einem individuellen Fall nicht einmal mittelbare und spätere Folgen für den betroffenen Richter haben darf.

77.      Es kann nicht oft genug wiederholt werden, dass das Bestehen indikativer Prüfungsfristen als solches recht häufig ist und ein unproblematisches Phänomen darstellt. Es bedarf ebenso keiner Erwähnung, dass Richter, die ihre Aufgaben nicht nach dem erforderlichen Standard – einschließlich der Beachtung angemessener Fristen – wahrnehmen, notwendigerweise berufliche Folgen zu tragen haben. Sie mögen in gewissem Maß innerhalb des internen Beurteilungssystems des betreffenden Gerichts gerügt werden. Sie mögen nicht zu Kammerpräsidenten ernannt – oder an ein höheres Gericht befördert – werden oder keine andere leistungsabhängige Verantwortung innerhalb des Gerichts übernehmen. In diesem Sinne unterscheidet sich der Beruf des Richters nicht von vielen anderen Berufen.

78.      Somit betrifft die vorliegende Rechtssache nicht die Frage, ob in Angelegenheiten des internationalen Schutzes gerichtliche Fristen bestehen dürfen – ja, sie dürfen –, sondern eher die Frage, wie lang diese Fristen vernünftigerweise Weise sein und – implizit – für welche Zwecke sie benutzt werden dürfen. Letztere Fragen rechtfertigen zwei Schlussbemerkungen.

79.      Erstens habe ich zu Vorsicht vor übertriebenem gesetzgeberischem Optimismus bei der Festlegung allgemeiner Fristen gemahnt. Sollte es jedoch nicht als ausreichend betrachtet werden, bestimmten Arten von Fällen eine vorrangige Behandlung einzuräumen, und sollten stattdessen feste gerichtliche Fristen gewählt werden, besteht die Schlüsselfrage nicht notwendigerweise in der Länge der Fristen sondern eher in ihrer Ausgestaltung und ihrem Funktionieren. Der Ansatz „eine Größe passt allen“ ist problematisch. Somit muss eine solche Frist, unabhängig davon, dass ihre Länge unter Berücksichtigung der gesamten Prozessliste des Gerichts oder des einzelnen Richters angemessen sein muss, auch flexibel in dem Sinne sein, dass sie die Berücksichtigung der Besonderheiten und der Komplexität eines Einzelfalls und, falls nötig, eine Fristverlängerung erlaubt. Vereinfacht ausgedrückt ist der Gerichtssaal keine Fließbandfabrik.

80.      Zweitens hat der Gerichtshof wiederholt an die sich aus Art. 19 Abs. 1 EUV ergebende Pflicht der Mitgliedstaaten erinnert, angemessene Bedingungen zu schaffen und aufrechtzuerhalten, unter denen die Unabhängigkeit der Richter gewährleistet ist und Richter ihre Aufgaben auf eine Weise wahrnehmen können, die einen wirksamen Schutz der Rechte gewährleistet, die die Einzelnen nach Unionsrecht genießen(35).

81.      Rein hypothetisch gesprochen würde ein System, in dem die Hüter der Rechtmäßigkeit selbst gezwungen wären, sich rechtswidrig zu verhalten, kaum den Standards von Art. 19 Abs. 1 EUV entsprechen. Würde darüber hinaus die Beachtung relativ kurzer Fristen jemals unmittelbar oder mittelbar durchgesetzt werden(36), müssten robuste Garantien eingeführt werden, um strikte Gleichheit bei der Durchsetzung zu gewährleisten und jede Möglichkeit des Missbrauchs durch selektive (Nicht‑)Durchsetzung unmöglicher Pflichten lediglich gegenüber bestimmten Richtern auszuschließen.

V.      Ergebnis

82.      Im Licht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Hauptstädtisches Verwaltungs- und Arbeitsgericht, Ungarn) wie folgt zu antworten:

1.      Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ist im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und des darin verankerten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die den Gerichten nicht die Befugnis verleihen, Verwaltungsentscheidungen in Angelegenheiten des internationalen Schutzes abzuändern. Jedoch erfordert die Notwendigkeit, die praktische Wirkung von Art. 46 Abs. 3 dieser Richtlinie und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf im Einklang mit Art. 47 der Charta zu gewährleisten, dass, falls die Akte an die zuständige Verwaltungsbehörde zurückverwiesen wird, binnen kurzer Zeit eine neue Entscheidung ergeht, die der in dem Urteil, durch das die ursprüngliche Entscheidung aufgehoben wurde, enthaltenen Würdigung Rechnung tragen muss. Wenn darüber hinaus ein nationales Gericht – nach einer umfassenden Ex-nunc-Prüfung aller von einem Antragsteller auf internationalen Schutz vorgebrachten maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Angaben – entschieden hat, dass dem betreffenden Antragsteller nach den in der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes festgelegten Kriterien ein solcher Schutz aus den Gründen zuzuerkennen ist, auf die er seinen Antrag gestützt hat, die Verwaltungsbehörde jedoch anschließend ohne festzustellen, dass neue Umstände vorliegen, die eine neue Beurteilung des Bedürfnisses des Antragstellers nach internationalem Schutz rechtfertigen, eine gegenteilige Entscheidung trifft, muss dieses Gericht diese Entscheidung, die mit seinem früheren Urteil nicht im Einklang steht, abändern und im Hinblick auf den Antrag auf internationalen Schutz durch seine eigene Entscheidung ersetzen, wobei es gegebenenfalls das nationale Recht, das es an diesem Vorgehen hindern würde, unangewendet lassen muss.

2.      Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 ist im Licht von Art. 47 der Charta dahin auszulegen, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, die Angemessenheit der in den nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Prüfungsfrist in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Fall unter Berücksichtigung seiner Pflicht, eine umfassende Exnunc-Überprüfung gegebenenfalls einschließlich einer Prüfung des Bedürfnisses nach internationalem Schutz nach der Richtlinie 2011/95 unter Wahrung der insbesondere in der Richtlinie 2013/32 definierten Rechte des Antragstellers durchzuführen, zu beurteilen. Ist das nationale Gericht der Auffassung, dass diese Rechte im Licht der spezifischen Umstände des Falles oder der Gesamtumstände – wie etwa einer besonders hohen Anzahl gleichzeitig gestellter Anträge –, unter denen dieses Gericht seine Aufgaben wahrnehmen muss, nicht gewährleistet werden können, muss dieses Gericht die anwendbare Frist unangewendet lassen und die Prüfung so zügig wie möglich nach Ablauf der Frist abschließen.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60).


3      Vgl. Urteile vom 25. Juli 2018, Alheto (C‑585/16, EU:C:2018:584), und vom 29. Juli 2019, Torubarov (C‑556/17, EU:C:2019:626).


4      Wie das vorlegende Gericht richtig erkannt hat, fällt die vorliegende Rechtssache in den Geltungsbereich der Richtlinie 2013/32. Allerdings werfen beide Vorlagefragen Fragen zu besonderen Merkmalen des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf in Angelegenheiten des internationalen Schutzes vor einem Gericht auf. Wie alle Beteiligten betont haben, ist somit grundsätzlich Art. 46 dieser Richtlinie, insbesondere Art. 46 Abs. 3, der ausdrücklich das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht behandelt, und nicht Art. 31, der das Prüfungsverfahren der Verwaltung betrifft, in der vorliegenden Rechtssache maßgeblich.


5      Das vorlegende Gericht verweist auf die Art. 6 und 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention; im Folgenden: EMRK). Da die Europäische Union keine Vertragspartei dieser Konvention ist, verstehe ich diesen Verweis angesichts des Art. 52 Abs. 3 der Charta als Verweis auf Art. 47 der Charta.


6      Vgl. Urteil vom 25. Juli 2018, Alheto (C‑585/16, EU:C:2018:584, Rn. 114).


7      Ebd., Rn. 110 bis 113 und 145 bis 148.


8      Vgl. Urteil vom 29. Juli 2019, Torubarov (C‑556/17, EU:C:2019:626).


9      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9).


10      Vgl. Urteil vom 29. Juli 2019, Torubarov (C‑556/17, EU:C:2019:626, Rn. 65).


11      Ebd., Rn. 66.


12      Ebd., Rn. 72.


13      Ebd., Rn. 77.


14      Es ist lediglich bekannt, dass in der Tat zwei frühere Entscheidungen in Bezug auf denselben Kläger vorlagen (vgl. oben, Nr. 13).


15      Wie oben in Fn. 4 und 5 klargestellt.


16      Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 2013/32/EU (COM[2016] 467). Derzeit im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens 2016/0224/COD erörtert.


17      Allerdings wird aus der vorsichtig formulierten Antwort der Regierung Ungarns ersichtlich, dass diese Bestätigungen mittelbare oder spätere Folgen für den fraglichen Richter nicht ausschließen – vgl. unten, Nrn. 72 und 73.


18      Die Rechtsvorschriften in den verschiedenen Mitgliedstaaten scheinen recht unterschiedlich zu sein. In einigen gibt es keine Fristen, und dort, wo sie vorgesehen sind, unterscheidet sich die Dauer der Fristen. Vgl. die Studien des Europäischen Migrationsnetzwerks, EMN Ad-Hoc Query on Judicial review of appeals against international protection decisions: Requested by BG EMN NCP on 11th April 2018 (betreffend 22 Mitgliedstaaten und Norwegen) sowie EMN Ad‑Hoc Query on accelerated asylum procedures and asylum procedures at the border (part 2): Requested by EE EMN NCP on 13th February 2017 (betreffend 20 Mitgliedstaaten und Norwegen).


19      Vgl. oben, Fn. 16.


20      Vgl. Europarat, European Commission for the Efficiency of Justice (CEPEJ), Report evaluating European judicial systems – 2014 edition (2012 data), CEPEJ Studies No. 20 (online unter https://www.coe.int/en/web/cepej/documentation/cepej-studies), insbesondere den Vergleich der durchschnittlichen Verfahrensdauer in ausgewählten Arten erstinstanzlicher Fälle in Punkt 9.3 (S. 230 bis 257).


21      Nach einem jüngeren Beispiel ist „die Angemessenheit der Verfahrensdauer … im Licht der Umstände des Falles zu beurteilen, die eine Gesamtbeurteilung erfordern, sowie unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs festgelegten Kriterien, insbesondere der Komplexität des Falles, dem Verhalten des Klägers und der massgeblichen Behörden und dem, was für den Kläger in dem Rechtsstreit auf dem Spiel stand“. EGMR, Urteil vom 7. Juni 2018, O’Sullivan McCarthy Mussel Development Ltd/Irland (CE:ECHR:2018:0607JUD004446016, § 144 und die dort angeführte Rechtsprechung). Für einen umfassenden Rechtsprechungsüberblick vgl. z. B. CEPEJ, Length of court proceedings in the member states of the Council of Europe based on the case law of the European Court of Human Rights, 3. Aufl., CEPEJ Studies, Nr. 27 (online unter https://www.coe.int/en/web/cepej/documentation/cepej-studies).


22      Vgl. z. B. EGMR Urteile vom 23. Mai 2000, Van Pelt/Frankreich, (CE:ECHR:2000:0523JUD003107096, § 48), und vom 26. Mai 1993, Bunkate/Niederlande (CE:ECHR:1993:0526JUD001364588, §§ 21 bis 23).


23      Vgl. z. B. Urteile vom 26. November 2013, Gascogne Sack Deutschland GmbH/Kommission (C‑40/12 P, EU:C:2013:768, Rn. 91 bis 92 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 12. Januar 2017, Timab Industries und CFPR/Kommission (C‑411/15 P, EU:C:2017:11, Rn. 168, 169 und die dort angeführte Rechtsprechung), oder Urteil vom 7. Juni 2017, Guardian Europe/Europäische Union (T‑673/15, EU:T:2017:377, Rn. 134).


24      Vgl. oben, Nr. 42.


25      Die Realität an einer Reihe nationaler erstinstanzlicher Gerichte dürfte bestätigen, dass – bildlich gesprochen – zur Gewährleistung richterlicher Schnelligkeit und Qualität ein einziges Zuckerbrot immer hilfreicher ist als noch eine weitere Peitsche.


26      Gemäß Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32. Vgl. Urteile vom 25. Juli 2018, Alheto (C‑585/16, EU:C:2018:584, Rn. 105 und 106), und vom 29. Juli 2019, Torubarov (C‑556/17, EU:C:2019:626, Rn. 51).


27      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. September 2012, Y und Z (C‑71/11, EU:C:2012:518, Rn. 77), vom 2. Dezember 2014, A u. a. (C‑148/13 bis C‑150/13, EU:C:2014:2406, Rn. 57), vom 25. Januar 2018, F (C‑473/16, EU:C:2018:36, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 4. Oktober 2018, Ahmedbekova (C‑652/16, EU:C:2018:801, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).


28      Vgl. Urteil vom 22. November 2012, M. (C‑277/11, EU:C:2012:744, Rn. 66).


29      Und zwar „Genaue und aktuelle Informationen“, die von den Behörden „aus verschiedenen Quellen, wie etwa EASO und UNHCR sowie einschlägigen internationalen Menschenrechtsorganisationen, eingeholt werden, die Aufschluss geben über die allgemeine Lage in den Herkunftsstaaten der Antragsteller und gegebenenfalls in den Staaten, durch die sie gereist sind“.


30      Das heißt die Informationen, die „die für die Prüfung und Entscheidung der Anträge zuständigen Bediensteten … in bestimmten, unter anderem medizinischen, kulturellen, religiösen, kinder- oder geschlechtsspezifischen Fragen … von Sachverständigen“ eingeholt haben.


31      Zu der möglichen Pflicht, in der gerichtlichen Phase eine persönliche Anhörung des Antragstellers zu organisieren, vgl. Urteil vom 26. Juli 2017, Sacko (C‑348/16, EU:C:2017:591, Rn. 37 und 44 bis 48). Vgl. entsprechend auch Urteil vom 10. September 2013, G. und R. (C‑383/13 PPU, EU:C:2013:533, Rn. 32 bis 34).


32      Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass sowohl Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 – vgl. Urteil vom 29. Juli 2019, Torubarov (C-556/17, EU:C:2019:626, Rn. 56 und 73) – als auch Art. 47 der Charta – vgl. Urteile vom 17. April 2018, Egenberger (C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 78), und vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C-585/18, C-624/18 und C-625/18, EU:C:2019:982, Rn. 162) – unmittelbare Wirkung entfalten.


33      Nach meinem Verständnis könnte eine solche Abberufung auf ein Disziplinarverfahren gegen den fraglichen Richter folgen, wie es in einer Reihe von Mitgliedstaaten der Fall ist. In der Tat ist die Nichtbeachtung geltender Fristen in einer Reihe von Rechtssystemen ein Disziplinarvergehen.


34      Wobei beide Perspektiven komplementär sind, jedoch verschiedene Arten von Beweismitteln und rechtlichen Argumenten erfordern. Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Torubarov (C‑556/17, EU:C:2019:339, Nrn. 57 bis 61).


35      Vgl. insbesondere die Urteile vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2018:117, insbesondere Rn. 32 bis 37), vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality (Mängel des Justizsystems) (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, insbesondere Rn. 50 bis 53), und vom 24. Juni 2019, Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (C‑619/18, EU:C:2019:531, insbesondere Rn. 47 bis 50, 54, 55 und 71 ff.).


36      Durch eines der Mittel, die oben in Nr. 73 dieser Schlussanträge aufgeführt sind.