Language of document : ECLI:EU:T:2020:199

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

13. Mai 2020(*)

„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Unionswortmarke BIO‑INSECT Shocker – Absolutes Eintragungshindernis – Marke, die geeignet ist, das Publikum zu täuschen – Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T-86/19

SolNova AG mit Sitz in Zollikon (Schweiz), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt P. Lee,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Söder als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Canina Pharma GmbH mit Sitz in Hamm (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt O. Bischof,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 11. Dezember 2018 (Sache R 276/2018‑2) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen SolNova und Canina Pharma

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. J. Costeira sowie des Richters B. Berke (Berichterstatter) und der Richterin T. Perišin,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 15. Februar 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 30. April 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 24. April 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Am 26. November 2015 meldete die Streithelferin, die Canina Pharma GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen BIO‑INSECT Shocker.

3        Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 5 und 31 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 1: „Biozide Mittel für den Einsatz im Fertigungsbereich; Chemische Erzeugnisse für die Herstellung von Bioziden; Chemische Zusatzmittel für Insektizide; Zusatzmittel, chemische, für Insektizide.“

–        Klasse 5: „Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; antiparasitäre Mittel; bakteriologische Präparate für medizinische oder tierärztliche Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Medizinische Sprays; Antibakterielle Sprays; Entzündungshemmende Sprays; Insektizide; Insektenlockmittel; Insektenabwehrsprays; Insektenvertilgungsmittel; Insektenvertreibungsmittel; Insektenvernichtungsmittel; Insektenwachstumsregulatoren; Tücher mit Insektenschutzmitteln; Flohpuder; Flohsprays; Flohhalsbänder; Flohvertilgungsmittel; Flohhalsbänder für Tiere; Puder zur Abtötung von Flöhen; Puder zum Abtöten von Flöhen bei Tieren; Biozide; Tierabwehrmittel; Veterinärmedizinische Erzeugnisse; Veterinärmedizinische Präparate; Veterinärmedizinische Diagnosereagenzien; Veterinärmedizinische Impfstoffe; Veterinärmedizinische Nahrungsergänzungsmittel; Veterinärmedizinische Hygienepräparate.“

–        Klasse 31: „Lebende Tiere; frisches Obst und Gemüse; Malz; Tiergetränke; Futtermittel.“

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 2015/229 vom 2. Dezember 2015 veröffentlicht, und die angegriffene Marke wurde am 10. März 2016 unter der Nr. 014837553 eingetragen.

5        Am 12. Mai 2016 reichte die Klägerin, die SolNova AG, Bemerkungen Dritter gegen die Eintragung der angegriffenen Marke ein, da Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, c und f der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, c und f der Verordnung 2017/1001) deren Eintragung entgegenstehe. Die Bemerkungen wurden vom EUIPO nicht berücksichtigt, da sie erst nach Eintragung der angegriffenen Marke eingereicht wurden.

6        Am 25. Juli 2016 stellte die Klägerin für alle von der Marke erfassten Waren einen Antrag auf Nichtigerklärung der angegriffenen Marke gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 59 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001) in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, c, f und g der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, c, f und g der Verordnung 2017/1001).

7        Am 20. Dezember 2017 wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag auf Nichtigerklärung zurück. Zunächst sei die angegriffene Marke für die eingetragenen Waren nicht beschreibend gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001. Insbesondere sei die Verwendung des Begriffs „shocker“ in Bezug auf diese Waren nicht gebräuchlich.

8        Zudem verfüge die angegriffene Marke über eine ausreichende Unterscheidungskraft gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001.

9        Schließlich entschied die Nichtigkeitsabteilung, dass die angegriffene Marke nicht gegen die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2017/1001 verstoße und nicht täuschend gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung sei.

10      Am 7. Februar 2018 legte die Klägerin beim EUIPO eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung gemäß den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 ein.

11      Mit Entscheidung vom 11. Dezember 2018 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Zweite Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück.

12      Als Erstes wies die Beschwerdekammer den auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 gestützten Beschwerdegrund zurück, wonach die streitige Marke für die beanspruchten Waren beschreibend sei. Erstens bestünden die maßgeblichen Verkehrskreise teils aus der breiten Öffentlichkeit sowie Fachleuten und teils ausschließlich aus Fachleuten. Auch sei der Aufmerksamkeitsgrad der Verbraucher je nach Art der Waren durchschnittlich bis erhöht. Da sich die streitige Marke aus englischen Wörtern zusammensetze, sei auf englischsprachige Verbraucher abzustellen.

13      Zweitens stünden bestimmte der von der angegriffenen Marke erfassten Waren im Zusammenhang mit Insektenvertilgungs‑ bzw. Insektenbekämpfungsmitteln (im Folgenden: Waren, die mit Insektenvertilgungsmitteln im Zusammenhang stehen), bei anderen Waren hingegen fehle dieser Zusammenhang. Die Klägerin habe keine Gründe und Argumente dafür vorgetragen, dass die Marke für diese anderen Waren beschreibend sei.

14      Drittens stellten die englischen Begriffe „bio insect shocker“ keine unmittelbare Beschreibung der Merkmale von Waren dar, die mit Insektenvertilgungsmitteln im Zusammenhang stünden. Die Begriffe seien nur anspielend und evokativ. Um zu der von der Klägerin angenommenen Bedeutung der angegriffenen Marke zu kommen, nämlich ein umweltschonendes Mittel zur Bekämpfung von Insekten durch deren Versetzung in einen Schockzustand, müssten die relevanten Verbraucher mehrere Gedankenschritte sowie eine intellektuelle Anstrengung vornehmen. Das englische Wort „shocker“ bedeute „etwas, das schockiert“ und sei nicht gleichbedeutend mit „töten“ bzw. „abschrecken“.

15      Viertens stellte die Beschwerdekammer fest, dass die Klägerin keine weit verbreitete Verwendung des Ausdrucks „insect shocker“ im geschäftlichen Verkehr nachgewiesen habe. Einem Teil der von der Klägerin vorgelegten Beweise komme keine Aussagekraft zu, da er entweder eine Benutzung nach der Markenanmeldung betreffe oder Unternehmen betreffe, die die angegriffene Marke mit Zustimmung der Streithelferin benutzten. Die übrigen Beweismittel seien zu wenig, um eine übliche Verwendung nachzuweisen.

16      Als Zweites wies die Beschwerdekammer den Beschwerdegrund zurück, der auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 gestützt war, wonach der angegriffenen Marke die Unterscheidungskraft allein wegen ihres angeblich beschreibenden Charakters fehle.

17      Als Drittes wies die Beschwerdekammer den auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2017/1001 gestützten Beschwerdegrund zurück, wonach die angegriffene Marke gegen die öffentliche Ordnung verstoße. Die Klägerin habe nämlich nicht nachgewiesen, dass die Verwendung der Marke zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung gegen die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. 2012, L 167, S. 1) verstoßen habe.

18      Als Viertes wies die Beschwerdekammer den Beschwerdegrund nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung 2017/1001 zurück, wonach die angegriffene Marke geeignet sei, das Publikum zu täuschen. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass die Marke als täuschend eingestuft werden könne, was sie aus einem vermeintlichen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 528/2012 abgeleitet habe. Eine nicht täuschende Verwendung der streitigen Marke sei möglich.

 Anträge der Parteien

19      Mit Klageschrift, die am 15. Februar 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

20      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        der Streithelferin die Kosten einschließlich der im Verfahren vor der Beschwerdekammer entstandenen Kosten aufzuerlegen.

21      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

22      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Anwendbare Rechtsvorschriften

23      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Dienststellen des EUIPO für die Prüfung, ob die absoluten Eintragungshindernisse gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 der Eintragung einer Marke entgegenstehen oder die Nichtigerklärung einer zuvor eingetragenen Marke zur Folge haben müssen, auf den Anmeldetag abstellen müssen (vgl. Urteile vom 21. November 2013, Heede/HABM [Matrix‑Energetics]), T‑313/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:603, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 8. Mai 2019, VI.TO./EUIPO – Bottega [Form einer vergoldeten Flasche], T‑324/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:297, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Die Verordnung 2017/1001 gilt gemäß ihrem Art. 212 ab dem 1. Oktober 2017. Aus ihrem Wortlaut, ihrem Zweck und ihrer Systematik ergibt sich nicht, dass ihr Art. 7 für Sachverhalte gelten soll, die vor ihrem Inkrafttreten entstanden sind.

25      Vorliegend ist Art. 7 der Verordnung Nr. 207/2009 anwendbar, da die angegriffene Marke am 26. November 2015 angemeldet wurde.

26      Wie jedoch aus Rn. 12 der angefochtenen Entscheidung ersichtlich ist, ha sich die Beschwerdekammer auf die Bestimmungen der Verordnung 2017/1001 gestützt, wie auch die Klägerin, die diese Verordnung in der Klageschrift angeführt hat.

27      Da jedoch Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, c, f und g der Verordnung Nr. 207/2009 durch die Verordnung 2017/1001 nicht geändert wurde, wirkt es sich auf die vorliegende Rechtssache nicht aus, dass die Beschwerdekammer und die Klägerin Art. 7 der Verordnung 2017/1001 herangezogen haben. Somit sind die angefochtene Entscheidung und die Klage so zu lesen, dass sie sich auf die Verordnung Nr. 207/2009 beziehen.

 Zur Begründetheit

28      Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Verstöße gegen die Verordnung Nr. 207/2009: erstens gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c, zweitens gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. f und drittens gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. g.

29      Das Gericht hält es für angemessen, den ersten und sodann den dritten Klagegrund zu behandeln.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009

30      Mit ihrem ersten Klagegrund beanstandet die Klägerin die Beurteilung der Beschwerdekammer in Bezug auf die fehlende Unterscheidungskraft und den beschreibenden Charakter der streitigen Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 für die Waren, die mit Insektenvertilgungsmitteln im Zusammenhang stehen.

31      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

32      Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können. Nach Abs. 2 des Artikels finden die Vorschriften von Abs. 1 auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen.

33      Somit steht Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 dem entgegen, dass ihm unterfallende Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden. Diese Vorschrift verfolgt somit das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass solche Zeichen oder Angaben von allen frei verwendet werden können (Urteile vom 23. Oktober 2003, HABM/Wrigley, C‑191/01 P, EU:C:2003:579, Rn. 31, und vom 27. Februar 2015, Universal Utility International/HABM [Greenworld], T‑106/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:123, Rn. 14).

34      Des Weiteren lässt sich der beschreibende Charakter eines Zeichens nur nach dessen Verständnis aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise und im Hinblick auf die betreffenden Waren oder Dienstleistungen beurteilen (vgl. Urteil vom 14. Juli 2017, Klassisk investment/EUIPO [CLASSIC FINE FOODS], T‑194/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:498, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Ein Zeichen fällt somit unter das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 aufgestellte Verbot, wenn es zu den fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen hinreichend direkten und konkreten Bezug aufweist, der es dem angesprochenen Publikum ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung dieser Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (vgl. Urteil vom 14. Juli 2017, CLASSIC FINE FOODS, T‑194/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:498, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Insoweit hat die Beschwerdekammer zunächst festgestellt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise teils aus der breiten Öffentlichkeit sowie Fachleuten und teils ausschließlich aus Fachleuten bestünden, dass der Aufmerksamkeitsgrad je nach Art der Waren durchschnittlich bis erhöht sei und dass auf englischsprachige Verbraucher abzustellen sei, da sich die angegriffene Marke aus englischen Wörtern zusammensetze.

37      Diese Beurteilung der Beschwerdekammer wird von der Klägerin nicht beanstandet.

38      Weiter hat die Beschwerdekammer ausgeführt, der englische Begriff „shocker“ bedeute laut dem Oxford English Dictionary im Wesentlichen etwas, das schockiere, insbesondere weil es inakzeptabel oder aufsehenerregend sei. Das eng verwandte englische Verb „to shock“ bedeute „jemanden dazu veranlassen, sich überrascht oder verärgert zu fühlen“ oder „einen physiologischen Schock oder elektrischen Schock zufügen“.

39      Die Waren, für die die streitige Marke eingetragen worden sei und die im Zusammenhang mit Insektenvertilgungsmitteln stünden, hätten im Wesentlichen die Funktion, Insekten zu töten oder abzuwehren, und nicht, ihnen einen elektrischen Schock zu versetzen oder sie in einen Schockzustand zu versetzen. Es bedürfe mehrerer Gedankenschritte, um einen Zusammenhang zwischen den Begriffen „bio insect shocker“ und der von der Klägerin angenommenen Bedeutung herzustellen, so dass es sich bei der Marke nicht um ein beschreibendes, sondern um ein sprechendes bzw. anspielendes Zeichen handele.

40      Außerdem habe die Klägerin keine weit verbreitete Verwendung des Ausdrucks „insect shocker“ im geschäftlichen Verkehr nachgewiesen: Einem Teil der von der Klägerin vorgelegten Beweise komme keine Aussagekraft zu, da er entweder eine Benutzung nach der Markenanmeldung betreffe oder Unternehmen betreffe, die die angegriffene Marke mit Zustimmung der Streithelferin benutzten. Die beiden übrigen Beweismittel seien zu wenig, um eine übliche Verwendung nachzuweisen.

41      Die Klägerin macht als Erstes geltend, der Begriff „shocker“ beschreibe eine naheliegende, mögliche bzw. intendierte Wirkungsweise der Insektenabwehr. Bei chemischen Mitteln der Insektenabwehr liege es nahe, dass Insekten durch die Verwendung des Mittels in einen Schockzustand versetzt bzw. abgeschreckt werden sollen. Somit stelle der Verbraucher ohne weiteres Nachdenken einen direkten und konkreten Bezug zwischen der angegriffenen Marke und den von ihr erfassten Waren her.

42      Die Klägerin bestreitet nicht die von der Beschwerdekammer festgestellte Bedeutung des Begriffs „shocker“, wonach dieser Begriff beinhalte, dass etwas schockiere, fügt aber hinzu, dass der Begriff auch naheliegend im Sinne eines Insektenabwehrmittels oder Insektizids verstanden werden könne.

43      Insoweit ist mit Blick auf die Definition des Oxford English Dictionary jedoch festzustellen, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise eine Verbindung zwischen dem Begriff „shocker“ und Insektenabwehrmitteln oder Insektiziden herstellen werden.

44      Da die Bedeutung des Begriffs beinhaltet, dass etwas schockiert, und nicht, dass es tötet bzw. abschreckt, bedarf es für die maßgeblichen Verkehrskreise nämlich mehrerer gedanklicher Schritte, um die angegriffene Marke als Beschreibung der fraglichen Waren oder eines ihrer Merkmale zu erkennen.

45      Somit besteht zwischen ihnen kein hinreichend direkter und konkreter Bezug im Sinne der oben in Rn. 35 angeführten Rechtsprechung, der es dem angesprochenen Publikum ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung der in Rede stehenden Waren oder eines ihrer Merkmale zu erkennen.

46      Als Zweites trägt die Klägerin vor, die Begriffe „shocker“ und „insect shocker“ seien vor dem Anmeldetag der angegriffenen Marke benutzt worden, um verschiedene Produkte aus der übergeordneten Kategorie von Insektenabwehrmitteln zu beschreiben. Folglich assoziierten die angesprochenen Verbraucher mit dem Begriff keine bestimmte Herkunft des jeweiligen Produkts, sondern nur einen Oberbegriff für Insektenabwehrmittel.

47      Des Weiteren würden Insektenabwehrmittel unterschiedlicher Hersteller unter der Bezeichnung „Bio Insect Shocker“ vermarktet, und die Beschwerdekammer habe zu Unrecht festgestellt, dass zwei der vorgelegten Beweismittel Unternehmen beträfen, die die angegriffene Marke mit Zustimmung der Streithelferin genutzt hätten.

48      Die Klägerin legt zum Nachweis ihres Vorbringens, dass der Begriff „shocker“ für Insektenabwehrmittel üblich sei, erstens drei Beweismittel in den Anlagen L5, L6 und L7 zur Klageschrift vor.

49      Wie das EUIPO vorträgt, wurden diese Dokumente zum ersten Mal vor dem Gericht vorgelegt.

50      Die Klage beim Gericht ist jedoch auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des EUIPO erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 72 der Verordnung 2017/1001 gerichtet, so dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt zu überprüfen. Daher sind die oben genannten Schriftstücke außer Betracht zu lassen, ohne dass ihre Beweiskraft geprüft zu werden bräuchte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. November 2005, Sadas/HABM– LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, EU:T:2005:420, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Zweitens legte die Klägerin der Nichtigkeitsabteilung einen Ausdruck der Website „amazon.co.uk“ vom 11. März 2017 vor, der eine unter der Bezeichnung „Mosquito‑Shocker“ angebotene Geranie zur Abwehr von Mücken zeigt. Aus diesem Dokument ergibt sich, dass dieses Produkt ab dem 31. März 2014 auf der Website erhältlich war.

52      Ferner legte die Klägerin der Nichtigkeitsabteilung einen auf den 11. März 2017 datierten Ausdruck einer Werbeanzeige für das Produkt „Dr. Obermann’s Insect shocker spray for dogs and cats“ vor.

53      Die Klägerin legte der Nichtigkeitsabteilung auch einen auf den 11. März 2017 datierten Ausdruck der Website „sk‑snakes.de“ vor, der das Produkt „Bio Insect Shocker 150 ml – Milbenspray“ des Herstellers Dragon zeigt.

54      Darüber hinaus legte die Klägerin der Nichtigkeitsabteilung einen auf den 11. März 2017 datierten Ausdruck der Website „www.aponeo.de“ vor, der das Produkt „Bio Insect Shocker flüssig“ des Herstellers organicVet GmbH mit Sitz in Gutenbergstr. 11, 26632 Ihlow, zeigt.

55      Schließlich legte die Klägerin der Nichtigkeitsabteilung einen auf den 14. März 2017 datierten Ausdruck der Website „www.canina.de“ zu dem Produkt „Petvital Bio‑Insect‑Shocker“ vor, einem biologischen Ungeziefer‑Umgebungsspray gegen Flöhe, Läuse, Harrlinge, Milben und Zecken.

56      Drittens legte die Klägerin der Beschwerdekammer einen undatierten Screenshot der Website „Dr. Obermann’s“, einen undatierten Screenshot der Website „Dr. Obermann’s“, der „Dr. Obermann’s Insect shocker spray for dogs and cats“ zeigt, einen undatierten Screenshot der Website „Amazon“, auf der Produkte der Marke „Dr. Obermann’s“ angeboten werden, und einen undatierten Screenshot einer Google‑Recherche zum Schlagwort „Fahrrad“ vor.

57      Die vorgebrachten Beweismittel wurden von der Beschwerdekammer als nicht ausreichend erachtet, da mit Ausnahme des Ausdrucks der Website „amazon.co.uk“, vorgelegt als Anlage L2 zur Akte des EUIPO, die angebotenen Beweismittel auf einen Zeitpunkt nach der Markenanmeldung oder gar nicht datiert gewesen seien, da zwei der vier Beispiele von Unternehmen stammten, die das Zeichen „Bio Insect Shocker“ mit der Zustimmung der Streithelferin genutzt hätten, und da das dritte Beispiel von einem Unternehmen stamme, gegen das die Streithelferin wegen Verletzung der angegriffenen Marke rechtlich vorgegangen sei.

58      Hierzu ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung die Dienststellen des EUIPO für die Prüfung, ob die absoluten Eintragungshindernisse gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 der Eintragung einer Marke entgegenstehen oder die Nichtigerklärung einer zuvor eingetragenen Marke zur Folge haben müssen, auf den Anmeldetag abstellen müssen (vgl. Urteile vom 21. November 2013, Matrix‑Energetics, T‑313/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:603, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 8. Mai 2019, VI.TO./EUIPO – Bottega (Form einer vergoldeten Flasche), T‑324/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:297, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Diese Verpflichtung schließt jedoch nicht aus, dass die Dienststellen des EUIPO gegebenenfalls Beweise späteren Datums als der Anmeldung berücksichtigen können, soweit diese Rückschlüsse auf die Situation zu diesem Zeitpunkt zulassen (vgl. Urteil vom 6. März 2014, Pi‑Design u. a./Yoshida Metal Industry, C‑337/12 P bis C‑340/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:129, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Die Beweise für den beschreibenden Charakter der angegriffenen Marke müssen sich somit auf den Anmeldetag, d. h. den 26. November 2015, beziehen oder es gestatten, Schlussfolgerungen zur Situation am Anmeldetag zu ziehen.

61      Nur die vor der Nichtigkeitsabteilung vorgelegte Anlage L2, die die Verwendung des Bestandteils „shocker“ für ein Insektenabwehrmittel ab 2014 zeigt, lässt Rückschlüsse auf die Situation am Anmeldetag zu.

62      Daher konnte die Beschwerdekammer ohne Beurteilungsfehler davon ausgehen, dass die vorgelegten Beweismittel nicht dazu ausreichten, eine weit verbreitete Verwendung des Begriffs „shocker“ zur Kennzeichnung von Insektenabwehrmitteln zu belegen.

63      Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Beschwerdekammer mit ihrer Feststellung, dass die angegriffene Marke im Einklang mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 eingetragen worden sei, keinen Beurteilungsfehler begangen hat.

64      Als Drittes macht die Klägerin im Rahmen ihres ersten Klagegrundes geltend, dass der angegriffenen Marke die Unterscheidungskraft fehle, da die maßgeblichen Verkehrskreise nicht mehrere Gedankenschritte vornehmen müssten, um zu der Verbildlichung der beabsichtigten Wirkungsweise zu gelangen.

65      Ihre Argumentation zur behaupteten fehlenden Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 greift nicht durch, da diese sich ausschließlich darauf stützt, dass die streitige Marke beschreibend sei, was für die betroffenen Waren nicht zutrifft.

66      Der erste Klagegrund ist somit als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009

67      Mit ihrem dritten Klagegrund macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die angegriffene Marke geeignet sei, den Verbraucher über die Art oder die Beschaffenheit der Waren im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 zu täuschen, da sie von den maßgeblichen Verkehrskreisen dahin gehend verstanden werde, dass sie sich auf biologische oder umweltfreundliche Produkte bezieht.

68      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im Rahmen ihres dritten Klagegrundes die Beurteilung des täuschenden Charakters der Marke nur in Bezug auf die Waren rügt, die die Beschwerdekammer in den Rn. 48 und 49 der angefochtenen Entscheidung als Biozide identifiziert hat.

69      Das EUIPO und die Streithelferin bringen im Wesentlichen vor, dass keine hinreichende Täuschungsgefahr bestehe, da zum einen die maßgeblichen Verkehrskreise den Begriff „bio“ nicht mit der Umweltfreundlichkeit oder der Gesundheitsverträglichkeit der Waren verbänden und da zum anderen eine nicht täuschende Verwendung des Zeichens möglich sei.

70      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die geeignet sind, das Publikum zum Beispiel über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft der Ware oder Dienstleistung zu täuschen.

71      Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Ablehnung der Eintragung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 eine tatsächliche Täuschung des Verbrauchers oder eine hinreichend schwerwiegende Gefahr einer solchen Täuschung voraus (vgl. Urteil vom 29. November 2018, Khadi and Village Industries Commission/EUIPO – BNP Best Natural Products [Khadi Ayurveda]), T‑683/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:860, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Hierzu ist festzustellen, dass die Hauptfunktion der Marke darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden. Damit die Marke ihre Aufgabe als wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs, das der Vertrag errichten und erhalten will, erfüllen kann, muss sie nämlich die Gewähr bieten, dass alle Waren oder Dienstleistungen, die sie kennzeichnet, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann, hergestellt oder erbracht worden sind. Eine Marke verliert jedoch diese Gewährleistungsfunktion, wenn die Verkehrskreise durch die Information, die sie enthält, getäuscht werden können (vgl. Urteil vom 29. November 2018, Khadi Ayurveda, T‑683/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:860, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      In Rn. 58 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer in Bezug auf die von ihr als Biozide identifizierten Waren festgestellt, dass kein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 vorliegen könne, da die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass die angegriffene Marke gegen Art. 69 Abs. 2 und Art. 72 Abs. 3 der Verordnung Nr. 528/2012 verstoße.

74      Ferner scheide ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 aus, da eine nicht täuschende Verwendung des Zeichens möglich sei.

75      Gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 528/2012 bezeichnet der Ausdruck „Biozidprodukt“ jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken oder unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen.

76      In Art. 69 Abs. 2 der Verordnung Nr. 528/2012 heißt es:

„[Die Zulassungsinhaber stellen] sicher, dass das Etikett hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit nicht irreführend ist und keinesfalls Angaben wie ‚Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial‘, ‚ungiftig‘, ‚unschädlich‘, ‚natürlich‘, ‚umweltfreundlich‘, ‚tierfreundlich‘ oder ähnliche Hinweise enthält ...“

77      Des Weiteren bestimmt Art. 72 Abs. 3 der Verordnung Nr. 528/2012:

„In der Werbung für Biozidprodukte darf das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben ‚Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial‘, ‚ungiftig‘, ‚unschädlich‘, ‚natürlich‘, ‚umweltfreundlich‘, ‚tierfreundlich‘ oder ähnliche Hinweise enthalten.“

78      Zunächst geht aus diesen Bestimmungen hervor, dass Angaben auf Biozidprodukten wie die, für die die angegriffene Marke eingetragen wurde, die den Eindruck entstehen lassen, dass das Produkt natürlich, nicht gesundheitsschädlich oder umweltfreundlich sei, dazu geeignet sind, den Verbraucher irrezuführen und ihn zu täuschen.

79      Demnach reicht eine solche Angabe auf einem Biozidprodukt aus, um eine hinreichend schwerwiegende Gefahr einer Täuschung des Verbrauchers im Sinne der oben in Rn. 71 genannten Rechtsprechung festzustellen.

80      Insoweit hat das Gericht bereits entschieden, dass der Wortbestandteil „bio“ heute eine in hohem Maße evozierende Wirkung erlangt hat, die unter Umständen je nach der zum Verkauf angebotenen Ware, auf die er sich bezieht, unterschiedlich wahrgenommen werden kann, aber allgemein auf den Gedanken der Achtung der Umwelt sowie der Verwendung natürlicher Stoffe und ökologischer Herstellungsverfahren verweist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. April 2010, Kerma/HABM [BIOPIETRA], T‑586/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:171, Rn. 25, vom 21. Februar 2013, Laboratoire Bioderma/HABM – Cabinet Continental [BIODERMA], T‑427/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:92, Rn. 45 und 46, sowie vom 10. September 2015, Laverana/HABM [BIO FLUIDE DE PLANTE PROPRE FABRICATION], T‑568/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:625, Rn. 17).

81      Des Weiteren ergibt sich aus Art. 2 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (ABl. 2007, L 189, S. 1), dass der Begriff „ökologisch/biologisch“ Produkte bezeichnet, die aus ökologischer/biologischer Produktion stammen oder sich darauf beziehen. Aus dem ersten Erwägungsgrund der Verordnung folgt, dass sich die Bezeichnung auf Begriffe wie Umweltfreundlichkeit, Biodiversität und auf Produkte bezieht, die unter Verwendung natürlicher Substanzen und nach natürlichen Verfahren erzeugt wurden. Nach Art. 23 Abs. 1 der Verordnung gilt diese Definition auch für Verkleinerungsformen wie „bio“ (Urteil vom 5. Juni 2019, Biolatte/EUIPO [Biolatte], T‑229/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:375, Rn. 49).

82      Diese Feststellungen treffen im vorliegenden Fall auch bezüglich der Wahrnehmung des Wortelements „bio“ durch die maßgeblichen englischsprachigen Verkehrskreise zu.

83      Die Kennzeichnung von Biozidprodukten, für die die angegriffene Marke eingetragen ist, mit dem Begriff „bio“ reicht folglich aus, um eine hinreichend schwerwiegende Gefahr der Verbrauchertäuschung zu begründen.

84      Ferner hat das Gericht bereits entschieden, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 auch dann galt, wenn die Marke in nicht täuschender Weise benutzt werden konnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Oktober 2016, Caffè Nero Group/EUIPO [CAFFÈ NERO], T‑29/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:635, Rn. 48 und 49).

85      Die – als erwiesen unterstellte – Möglichkeit, dass die Marke in nicht täuschender Weise benutzt werden kann, kann somit nicht ausschließen, dass ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 vorliegt.

86      Schließlich ist die Tatsache, dass die Streithelferin keine Zulassung im Sinne der Verordnung Nr. 528/2012 besitzt, unerheblich, da sie dem auf Biozidprodukten angebrachten Begriff „bio“ nicht seinen täuschenden Charakter nehmen kann, den er aufgrund dieser Verordnung hat.

87      Daraus folgt, dass die Beschwerdekammer mit ihrer Feststellung, dass die angegriffene Marke für die von ihr als Biozidprodukte identifizierten Waren nicht täuschend sei, einen Beurteilungsfehler begangen hat.

88      Daher ist dem dritten Klagegrund stattzugeben und die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit sie „biozide Mittel für den Einsatz im Fertigungsbereich; Chemische Erzeugnisse für die Herstellung von Bioziden; Chemische Zusatzmittel für Insektizide; Zusatzmittel, chemische, für Insektizide“, in Klasse 1 sowie „Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; antiparasitäre Mittel; bakteriologische Präparate für medizinische oder tierärztliche Zwecke; Medizinische Sprays; Antibakterielle Sprays; Insektizide; Insektenlockmittel; Insektenabwehrsprays; Insektenvertilgungsmittel; Insektenvertreibungsmittel; Insektenvernichtungsmittel; Insektenwachstumsregulatoren; Tücher mit Insektenschutzmitteln; Flohpuder; Flohsprays; Flohhalsbänder; Flohvertilgungsmittel; Flohhalsbänder für Tiere; Puder zur Abtötung von Flöhen; Puder zum Abtöten von Flöhen bei Tieren; Biozide; Tierabwehrmittel; Veterinärmedizinische Erzeugnisse; Veterinärmedizinische Impfstoffe; Veterinärmedizinische Hygienepräparate“ in Klasse 5 betrifft.

89      Mit Blick auf das vorstehende Ergebnis und angesichts dessen, dass der zweite Klagegrund die gleichen Waren umfasst wie der dritte Klagegrund, ist es nicht erforderlich, den zweiten Klagegrund zu prüfen.

 Kosten

90      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Wenn mehrere Parteien unterliegen, entscheidet im Übrigen nach Art. 134 Abs. 2 der Verfahrensordnung das Gericht über die Verteilung der Kosten.

91      Im vorliegenden Fall sind das EUIPO und die Streithelferin mit ihren Anträgen im Wesentlichen unterlegen, die Klägerin hat jedoch nur beantragt, dass die Streithelferin die Kosten trägt.

92      Nach Art. 135 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit entscheiden, dass eine unterliegende Partei neben ihren eigenen Kosten nur einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt oder gar nicht zur Tragung dieser Kosten zu verurteilen ist. Somit trägt die Streithelferin im vorliegenden Fall neben ihren eigenen Kosten die Hälfte der Kosten der Klägerin vor dem Gericht. Die Klägerin trägt die Hälfte ihrer Kosten. Das EUIPO trägt seine eigenen Kosten.

93      Die Klägerin hat auch beantragt, der Streithelferin die im Verfahren vor der Beschwerdekammer entstandenen Kosten aufzuerlegen. Nach Art. 190 Abs. 2 der Verfahrensordnung gelten Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren, als erstattungsfähige Kosten. Dies gilt jedoch nicht für die Aufwendungen im Verfahren vor der Nichtigkeitsabteilung. Daher ist die Streithelferin dazu zu verurteilen, die Kosten zu tragen, die der Klägerin vor der Beschwerdekammer entstanden sind.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 11. Dezember 2018 (Sache R 276/20182) wird aufgehoben, soweit sie „biozide Mittel für den Einsatz im Fertigungsbereich; Chemische Erzeugnisse für die Herstellung von Bioziden; Chemische Zusatzmittel für Insektizide; Zusatzmittel, chemische, für Insektizide“, in Klasse 1 sowie „Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; antiparasitäre Mittel; bakteriologische Präparate für medizinische oder tierärztliche Zwecke; Medizinische Sprays; Antibakterielle Sprays; Insektizide; Insektenlockmittel; Insektenabwehrsprays; Insektenvertilgungsmittel; Insektenvertreibungsmittel; Insektenvernichtungsmittel; Insektenwachstumsregulatoren; Tücher mit Insektenschutzmitteln; Flohpuder; Flohsprays; Flohhalsbänder; Flohvertilgungsmittel; Flohhalsbänder für Tiere; Puder zur Abtötung von Flöhen; Puder zum Abtöten von Flöhen bei Tieren; Biozide; Tierabwehrmittel; Veterinärmedizinische Erzeugnisse; Veterinärmedizinische Impfstoffe; Veterinärmedizinische Hygienepräparate“ in Klasse 5 betrifft.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Canina Pharma GmbH trägt neben ihren eigenen Kosten die Hälfte der Kosten der SolNova AG vor dem Gericht sowie deren notwendigen Kosten im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO.

4.      SolNova trägt die Hälfte ihrer Kosten vor dem Gericht.

5.      Das EUIPO trägt seine eigenen Kosten.

Costeira

Berke

Perišin

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Mai 2020.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      S. Papasavvas


*Verfahrenssprache: Deutsch.