Language of document : ECLI:EU:C:2009:350

Rechtssache C‑243/08

Pannon GSM Zrt.

gegen

Erzsébet Sustikné Győrfi

(Vorabentscheidungsersuchen des Budaörsi Városi Bíróság)

„Richtlinie 93/13/EWG – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Rechtswirkungen einer missbräuchlichen Klausel − Befugnis und Verpflichtung des nationalen Gerichts, die Missbräuchlichkeit einer Gerichtsstandsklausel von Amts wegen zu prüfen – Beurteilungskriterien“

Leitsätze des Urteils

1.        Rechtsangleichung – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Richtlinie 93/13

(Richtlinie 93/13 des Rates, Art. 6)

2.        Rechtsangleichung – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Richtlinie 93/13

(Richtlinie 93/13 des Rates)

3.        Rechtsangleichung – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Richtlinie 93/13

(Richtlinie 93/13 des Rates, Art. 3)

1.        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass eine missbräuchliche Vertragsklausel für den Verbraucher nicht verbindlich ist und dass es hierzu nicht erforderlich ist, dass der Verbraucher sie vorher erfolgreich angefochten hat.

Das Ziel des Art. 6 der Richtlinie 93/13, den Verbraucherschutz zu verbessern, könnte nämlich nicht erreicht werden, wenn die Verbraucher die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel selbst geltend machen müssten. Zudem kann ein wirksamer Schutz des Verbrauchers nur gewährleistet werden, wenn dem nationalen Gericht die Möglichkeit eingeräumt wird, eine solche Klausel von Amts wegen zu prüfen.

(vgl. Randnrn. 23, 28, Tenor 1)

2.        Das nationale Gericht ist verpflichtet, die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel von Amts wegen zu prüfen, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt. Ist es der Auffassung, dass eine solche Klausel missbräuchlich ist, so lässt es sie unangewendet, sofern der Verbraucher dem nicht widerspricht. Diese Verpflichtung obliegt dem nationalen Gericht auch bei der Prüfung seiner eigenen örtlichen Zuständigkeit.

Das angerufene Gericht hat nämlich die praktische Wirksamkeit des mit den Bestimmungen der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen angestrebten Schutzes zu gewährleisten. Folglich ist die Aufgabe, die dem nationalen Gericht damit in dem fraglichen Bereich vom Gemeinschaftsrecht zugewiesen wird, nicht auf die bloße Befugnis beschränkt, über die etwaige Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel zu entscheiden, sondern umfasst außerdem die Verpflichtung, diese Frage von Amts wegen zu prüfen, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt, und zwar auch dann, wenn es seine eigene örtliche Zuständigkeit prüft. Wenn es dieser Verpflichtung nachkommt, muss das nationale Gericht nach der Richtlinie die fragliche Klausel jedoch dann nicht unangewendet lassen, wenn der Verbraucher nach einem Hinweis dieses Gerichts die Missbräuchlichkeit und Unverbindlichkeit nicht geltend machen möchte.

(vgl. Randnrn. 32-33, 35, Tenor 2)

3.        Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob eine Vertragsklausel wie eine Gerichtsstandsklausel die Kriterien erfüllt, um als missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen qualifiziert zu werden. Dabei hat das nationale Gericht zu beachten, dass eine Klausel, die in einen Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden aufgenommen worden ist, ohne im Einzelnen ausgehandelt worden zu sein, und die ausschließliche Zuständigkeit dem Gericht zuweist, in dessen Bezirk der Gewerbetreibende seinen Sitz hat, als missbräuchlich angesehen werden kann.

(vgl. Randnr. 44, Tenor 3)