Language of document : ECLI:EU:T:2019:244

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

11. April 2019(*)

„Pflanzensorten – Nichtigkeitsverfahren – Apfelsorte Pinova – Zurückweisung des Nichtigkeitsantrags – Neuheit der Sorte – Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 – Beweislast – Art. 76 der Verordnung Nr. 2100/94 – Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen durch das CPVO“

In der Rechtssache T‑765/17

Kiku GmbH mit Sitz in Girlan (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. Würtenberger und R. Kunze,

Klägerin,

gegen

Gemeinschaftliches Sortenamt (CPVO), vertreten durch M. Ekvad, F. Mattina und O. Lamberti als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte A. von Mühlendahl und H. Hartwig,

Beklagter,

anderer Beteiligter im Verfahren vor der Beschwerdekammer des CPVO und Streithelfer vor dem Gericht:

Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie mit Sitz in Dresden (Deutschland), zunächst vertreten durch Rechtsanwalt T. Leidereiter, dann durch Rechtsanwältin B. Lorenzen,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer des CPVO vom 16. August 2017 (Sache A 005/2016) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Kiku und dem Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis sowie der Richter D. Spielmann (Berichterstatter) und Z. Csehi,

Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 23. November 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 27. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des CPVO,

aufgrund der am 17. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des Streithelfers,

auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2018,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Apfelsorte Pinova der Art Malus domestica Borkh. wurde in den Jahren 1965 bis 1980 am Institut für Obstforschung der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der Deutschen Demokratischen Republik gezüchtet. Am 19. Dezember 1980 wurde für diese Sorte ein Antrag auf Wirtschaftssortenschutz ohne Ausschlussrecht gestellt. Dieser Schutz wurde am 5. Juni 1986 von der Zentralstelle für Sortenwesen erteilt. Mit Wirkung vom 3. Oktober 1990, dem Tag der Wiedervereinigung Deutschlands, wurde die Gültigkeit der durch die zuständigen Stellen der vormaligen Deutschen Demokratischen Republik (im Folgenden: vormalige DDR) erteilten Sortenschutzrechte auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstreckt. Diese Rechte wurden in die Sortenschutzrolle beim Bundessortenamt eingetragen. Die Sorte Pinova ist daher durch ein für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geltendes Sortenschutzrecht geschützt („Ausschließungssortenschutz“).

2        Am 29. August 1995 stellte die GEVO GmbH, der die Rechte an der Sorte übertragen worden waren, beim Gemeinschaftlichen Sortenamt (CPVO) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. 1994, L 227, S. 1) einen Antrag auf gemeinschaftlichen Sortenschutz. In dem Antrag hieß es, dass die Sorte Pinova erstmals im September 1992 in Deutschland in den Verkehr gebracht oder zur Nutzung an andere abgegeben worden sei. Der beantragte Schutz wurde der GEVO am 15. Oktober 1996 erteilt. Am 9. November 2010 fusionierten die GEVO und die Artus Group zur Artevos GmbH, und am 10. November 2011 wurde das Recht auf den genannten Schutz auf den Streithelfer, das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, übertragen.

3        Am 4. Dezember 2014 beantragte die Klägerin, die Kiku GmbH, beim CPVO die Nichtigerklärung der Sorte Pinova wegen mangelnder Neuheit. Zur Stützung ihres Antrags machte sie geltend, diese Sorte sei bereits vor dem 1. September 1988 im Sinne von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 in Verbindung mit deren Art. 116 Abs. 1 neuheitsschädlich in Verkehr gebracht worden. Zur Untermauerung ihres Vorbringens legte sie eine Reihe von Unterlagen vor.

4        Mit Entscheidung vom 20. Juni 2016 wies das CPVO den Antrag auf Nichtigerklärung zurück.

5        Am 26. Juli 2016 legte die Klägerin gegen diese Entscheidung beim CPVO Beschwerde ein. Mit Entscheidung vom 16. August 2017 (Sache A 005/2016) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Beschwerdekammer des CPVO die Beschwerde der Klägerin zurück. Sie führte aus, es obliege der Klägerin, stichhaltige Beweise beizubringen, die ernste Zweifel an der Rechtmäßigkeit des erteilten Sortenschutzes wecken könnten. Nach Prüfung der verschiedenen von der Klägerin vorgelegten Beweise kam sie zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass die Sorte Pinova im maßgeblichen Zeitraum, d. h. vor dem 1. September 1988, im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 2100/94 vom Züchter oder mit dessen Zustimmung verkauft oder auf andere Weise an andere abgegeben worden sei.

 Anträge der Parteien

6        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem CPVO die Kosten aufzuerlegen.

7        Das CPVO und der Streithelfer beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

8        Erstens macht der Streithelfer geltend, die Klageschrift genüge nicht den in Art. 177 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts aufgestellten Anforderungen an Klarheit und Genauigkeit, so dass die Klage für unzulässig erklärt werden müsse.

9        Nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß Art. 53 dieser Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht entsprechend anzuwenden ist, und Art. 177 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung muss die Klageschrift eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Darstellung muss hinreichend klar und deutlich sein, um dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht gegebenenfalls ohne weitere Informationen die Entscheidung über die Klage zu ermöglichen (vgl. Urteil vom 2. Februar 2017, Mengozzi/EUIPO – Consorzio per la tutela dell’olio extravergine di oliva toscano [TOSCORO], T‑510/15, EU:T:2017:54, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

10      Im vorliegenden Fall macht die Klägerin allgemein einen Verstoß gegen Art. 10, Art. 20 Abs. 1 Buchst. a, die Art. 72, 75 und 76 sowie Art. 78 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 2100/94 geltend und hat ihr gesamtes Vorbringen nicht strukturiert. Wie aus der Klageschrift als Ganzes jedoch mit hinreichender Klarheit hervorgeht, soll mit ihr im Wesentlichen gerügt werden, dass das CPVO den Sachverhalt nicht von Amts wegen ermittelt habe und dass die Sorte Pinova nicht neu im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 2100/94 sei.

11      Daraus folgt, dass die vom Streithelfer erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen ist.

12      Zweitens trägt das CPVO vor, die Anlagen K IX bis K XIV zur Klageschrift seien im Rahmen des Verfahrens vor dem CPVO nicht vorgelegt worden und daher unzulässig. Der Streithelfer macht eine entsprechende Einrede der Unzulässigkeit in Bezug auf die Anlagen K X bis K XIV geltend.

13      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es dem Gericht obliegt, die Rechtmäßigkeit der von der Beschwerdekammer erlassenen Entscheidung dadurch zu überprüfen, dass es die von ihr vorgenommene Anwendung des Rechts der Europäischen Union unter Berücksichtigung insbesondere des ihr vorliegenden Sachverhalts einer Kontrolle unterzieht; bei der Ausübung dieser Kontrolle kann es aber keine Tatsachen berücksichtigen, die ihm neu vorgetragen worden sind. Ebenso ist es im Rahmen dieser Rechtmäßigkeitskontrolle nicht Aufgabe des Gerichts, im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt zu überprüfen (vgl. Urteil vom 13. Juli 2017, Boomkwekerij van Rijn-de Bruyn/CPVO – Artevos [Oksana], T‑767/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:494, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

14      Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die in Rede stehenden Unterlagen, die Anlagen K IX bis K XIV zur Klageschrift, im Rahmen des Verfahrens vor dem CPVO nicht vorgelegt wurden.

15      In Anwendung der oben genannten Rechtsprechung sind diese erstmals dem Gericht vorgelegten Unterlagen daher als unzulässig zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

16      Die Klage lässt sich im Wesentlichen in drei Klagegründe untergliedern, mit denen die Klägerin, wie sie auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, eine Verletzung der Begründungspflicht, eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des CPVO und die fehlerhafte Beurteilung der Neuheit der in Rede stehenden Sorte rügt.

 Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

17      Die Klägerin rügt in ihrer Klageschrift einen Verstoß gegen Art. 75 der Verordnung Nr. 2100/94 und hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass sie eine Verletzung der Begründungspflicht geltend macht.

18      Das CPVO und der Streithelfer treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

19      Nach Art. 75 Satz 1 der Verordnung Nr. 2100/94 sind die Entscheidungen des CPVO mit Gründen zu versehen. Diese Begründungspflicht hat den gleichen Umfang wie die in Art. 296 AEUV verankerte Pflicht und dient dem doppelten Ziel, zum einen die Beteiligten über die Gründe für die erlassene Maßnahme zu unterrichten, damit sie ihre Rechte verteidigen können, und es zum anderen dem Unionsrichter zu ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu überprüfen (vgl. Urteil vom 23. Februar 2018, Schniga/CPVO [Gala Schnico], T‑445/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:95, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Der Begründungspflicht kann genügt werden, ohne dass es erforderlich wäre, ausdrücklich und erschöpfend auf jedes einzelne Argument eines Beschwerdeführers einzugehen, sofern das CPVO die Tatsachen und die rechtlichen Erwägungen anführt, denen in der Systematik der Entscheidung wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. Urteil vom 23. Februar 2018, Gala Schnico, T‑445/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:95, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Darüber hinaus handelt es sich bei der Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Frage der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Die Begründung einer Entscheidung soll nämlich förmlich die Gründe zum Ausdruck bringen, auf denen sie beruht. Weisen diese Gründe Fehler auf, so beeinträchtigen sie die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung, nicht aber deren Begründung, die, obwohl sie fehlerhafte Gründe enthält, hinreichend sein kann (vgl. Urteil vom 23. Februar 2018, Gala Schnico, T‑445/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:95, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Klägerin ihre Rüge, die Begründungspflicht als wesentliches Formerfordernis sei verletzt worden, in keiner Weise untermauert hat.

23      Zudem hat die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall jedenfalls alle ihr unterbreiteten Argumente und Unterlagen geprüft, bevor sie zu dem Schluss kam, dass es an einem hinreichenden Nachweis fehle, der ernste Zweifel an der Rechtmäßigkeit des erteilten Sortenschutzes begründen könne. Somit ermöglicht es die Begründung der angefochtenen Entscheidung zum einen der Klägerin, die Gründe für die angefochtene Entscheidung zu erfahren, damit sie ihre Rechte verteidigen kann, und zum anderen dem mit der vorliegenden Rechtssache befassten Gericht, die Rechtmäßigkeit dieses Aspekts der Entscheidung zu überprüfen.

24      Der auf die Verletzung der Begründungspflicht als wesentliches Formerfordernis gestützte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

25      Soweit die Klägerin mit diesem Klagegrund die Begründetheit der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilungen in Frage stellt, genügt die Feststellung, dass dieses Vorbringen im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes unerheblich ist und im Rahmen des zweiten und des dritten Klagegrundes geprüft wird, mit denen gerügt wird, dass keine Ermittlung von Amts wegen stattgefunden habe und dass das Kriterium der Neuheit falsch ausgelegt worden sei.

26      Dieser Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das CPVO

27      Die Klägerin macht geltend, das CPVO habe sowohl im Verwaltungsverfahren als auch vor der Beschwerdekammer gegen seine Amtsermittlungspflicht gemäß Art. 76 der Verordnung Nr. 2100/94 verstoßen. Darüber hinaus habe das CPVO die vom Streithelfer zur Stützung seines Antrags auf Schutz der Sorte Pinova beigebrachten Beweise falsch gewürdigt; entgegen der Feststellung des CPVO erfülle diese Sorte nicht die Voraussetzungen der Neuheit im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 2100/94.

28      Das CPVO und der Streithelfer treten diesem Vorbringen entgegen.

29      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 6 der Verordnung Nr. 2100/94 der gemeinschaftliche Sortenschutz für Sorten erteilt wird, die unterscheidbar, homogen, beständig und neu sind. Art. 10 („Neuheit“) der Verordnung bestimmt in Abs. 1:

„(1)      Eine Sorte gilt als neu, wenn an dem nach Artikel 51 [der Verordnung Nr. 2100/94] festgelegten Antragstag Sortenbestandteile bzw. Erntegut dieser Sorte

b)      außerhalb des Gebiets der [Union] seit höchstens vier Jahren oder bei Bäumen oder Reben seit höchstens sechs Jahren

vom Züchter oder mit Zustimmung des Züchters im Sinne des Artikels 11 [der Verordnung] verkauft oder auf andere Weise zur Nutzung der Sorte an andere abgegeben worden waren bzw. war.“

30      Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 2100/94 erklärt das CPVO den gemeinschaftlichen Sortenschutz u. a. dann für nichtig, wenn festgestellt wird, dass die in Art. 10 der Verordnung genannten Voraussetzungen bei der Erteilung des gemeinschaftlichen Sortenschutzes nicht erfüllt waren.

31      Wird das CPVO mit einem Antrag auf gemeinschaftlichen Sortenschutz befasst, führt es zum einen die in Art. 54 der Verordnung Nr. 2100/94 vorgesehene sachliche Prüfung durch, die sich u. a. darauf erstreckt, ob die Sorte neu im Sinne von Art. 10 der Verordnung ist, und veranlasst zum anderen die in Art. 55 der Verordnung vorgesehene technische Prüfung hinsichtlich der Erfüllung der Voraussetzungen ihrer Art. 7 bis 9 (Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit) durch das zuständige Amt oder die zuständigen Ämter in mindestens einem der Mitgliedstaaten (Prüfungsämter).

32      Art. 76 der Verordnung Nr. 2100/94 sieht vor, dass das CPVO in den Verfahren vor ihm den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt, soweit er nach den Art. 54 und 55 der Verordnung zu prüfen ist, und dass Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht innerhalb der vom CPVO gesetzten Frist vorgebracht worden sind, von ihm nicht berücksichtigt werden. Diese Bestimmung ist Ausdruck der Pflicht zu ordnungsgemäßer Verwaltung, wonach es der Beschwerdekammer obliegt, alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls sorgfältig und unparteiisch zu untersuchen (Urteil vom 23. November 2017, Aurora/CPVO – SESVanderhave [M 02205], T‑140/15, EU:T:2017:830, Rn. 74).

33      Überdies verfügt das CPVO über ein weites Ermessen hinsichtlich der Nichtigerklärung des Sortenschutzes im Sinne von Art. 20 der Verordnung Nr. 2100/94, da die geschützte Sorte der in der vorstehenden Randnummer genannten Prüfung unterzogen wurde. Nur ernste Zweifel daran, ob die u. a. in Art. 10 der Verordnung genannten Voraussetzungen zum Zeitpunkt der in ihren Art. 54 und 55 vorgesehenen Prüfung erfüllt waren, können daher eine Überprüfung der geschützten Sorte im Wege des Nichtigkeitsverfahrens auf der Grundlage von Art. 20 der Verordnung rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Mai 2015, Schräder/CPVO, C‑546/12 P, EU:C:2015:332, Rn. 55 und 56).

34      In diesem Kontext muss die Klägerin, die die Nichtigerklärung des Sortenschutzes beantragt, erhebliche Tatsachen und stichhaltige Beweise vorbringen, die ernste Zweifel an der Rechtmäßigkeit des im Anschluss an die in den Art. 54 und 55 der Verordnung Nr. 2100/94 vorgesehene Prüfung erteilten Sortenschutzes begründen können (Urteile vom 21. Mai 2015, Schräder/CPVO, C‑546/12 P, EU:C:2015:332, Rn. 57, und vom 23. November 2017, M 02205, T‑140/15, EU:T:2017:830‚ Rn. 58).

35      Infolgedessen obliegt der Klägerin im Rahmen der gegen die angefochtene Entscheidung erhobenen Klage der Nachweis, dass das CPVO in Anbetracht der Tatsachen und Beweise, die sie ihm in Bezug auf die technische und die sachliche Prüfung vorgelegt hatte, verpflichtet war, die in Art. 20 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 2100/94 vorgesehene Kontrolle durchzuführen (Urteil vom 21. Mai 2015, Schräder/CPVO, C‑546/12 P, EU:C:2015:332, Rn. 58).

36      Schließlich ist festzustellen, dass es nach Art. 73 der Verordnung Nr. 2100/94 dem Gericht obliegt, die Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des CPVO erlassenen Entscheidungen dadurch zu überprüfen, dass es die von ihnen vorgenommene Anwendung des Unionsrechts insbesondere auf den ihnen unterbreiteten Sachverhalt einer Kontrolle unterzieht. Daher darf das Gericht die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern des CPVO einer umfassenden Kontrolle unterwerfen, wobei es erforderlichenfalls der Frage nachgeht, ob die Beschwerdekammern den Sachverhalt des Rechtsstreits rechtlich richtig eingeordnet haben oder ob die Beurteilung des ihnen unterbreiteten Sachverhalts nicht Fehler aufweist (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2012, Brookfield New Zealand und Elaris/CPVO und Schniga, C‑534/10 P, EU:C:2012:813, Rn. 39 und 40 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Wenn Tatsachenfeststellungen und ‑würdigungen der Beschwerdekammer das Ergebnis komplexer Bewertungen im Bereich der Botanik oder der Genetik sind, die besondere Sachkenntnis oder besonderes wissenschaftliches oder technisches Wissen erfordern, prüft das Gericht nach der Rechtsprechung, ob ein offensichtlicher Fehler vorliegt (Urteile vom 15. April 2010, Schräder/CPVO, C‑38/09 P, EU:C:2010:196, Rn. 77, und vom 19. November 2008, Schräder/CPVO [SUMCOL 01], T‑187/06, EU:T:2008:511, Rn. 59 bis 63). Dies ist z. B. bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Sorte anhand der Kriterien des Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 der Fall.

38      Handelt es sich jedoch um Tatsachenwürdigungen, die keine besondere wissenschaftliche oder technische Komplexität aufweisen, nimmt das Gericht nach der oben in Rn. 37 angeführten Rechtsprechung eine vollständige oder umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle vor (Urteile vom 15. April 2010, Schräder/CPVO, C‑38/09 P, EU:C:2010:196, Rn. 77, und vom 19. November 2008, SUMCOL 01, T‑187/06, EU:T:2008:511, Rn. 65).

39      Da die im vorliegenden Fall in Rede stehende Prüfung der Frage der Neuheit weder besondere Sachkenntnis noch besonderes technisches Wissen erfordert, ist das Vorbringen der Klägerin einer umfassenden richterlichen Kontrolle zu unterziehen.

40      Im Licht dieser Gesichtspunkte ist das Vorbringen der Parteien zu prüfen.

41      Zunächst ist das Vorbringen des Streithelfers zurückzuweisen, wonach der Amtsermittlungsgrundsatz im Nichtigkeitsverfahren und im Verfahren vor der Beschwerdekammer nicht gelte. Zum einen ist der in Art. 76 der Verordnung Nr. 2100/94 vorgesehene Grundsatz der Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen nämlich auf die im vorliegenden Fall aufgeworfenen Fragen anwendbar, die sich auf die in Art. 54 der Verordnung Nr. 2100/94 vorgesehene Prüfung beziehen, ob es sich um eine neue Sorte im Sinne von Art. 10 der Verordnung handelt, und zwar auch im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens. Zum anderen hat der Gerichtshof festgestellt, dass gemäß Art. 51 der Verordnung (EG) Nr. 874/2009 der Kommission vom 17. September 2009 zur Durchführung der Verordnung Nr. 2100/94 im Hinblick auf das Verfahren vor dem CPVO (ABl. 2009, L 251, S. 3) für Beschwerdeverfahren die Vorschriften für Verfahren vor dem CPVO entsprechend gelten. Somit gilt der Grundsatz der Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen auch in einem solchen Verfahren vor der Beschwerdekammer (Urteile vom 21. Mai 2015, Schräder/CPVO, C‑546/12 P, EU:C:2015:332, Rn. 46, und vom 23. November 2017, M 02205, T‑140/15, EU:T:2017:830‚ Rn. 73).

42      Sodann ist festzustellen, dass der Antrag auf gemeinschaftlichen Sortenschutz am 29. August 1995 gestellt wurde und am 30. August 1995 einging, d. h. innerhalb der in Art. 116 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 vorgesehenen Jahresfrist. Daher wäre nach dieser Bestimmung in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 der Verordnung, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, die Sorte Pinova als neu zu betrachten, wenn Sortenbestandteile bzw. Erntegut dieser Sorte seit höchstens sechs Jahren ab dem Tag des Inkrafttretens der Verordnung, d. h. seit höchstens sechs Jahren ab dem 1. September 1994, vom Züchter oder mit dessen Zustimmung verkauft oder auf andere Weise zur Nutzung der Sorte an andere abgegeben worden waren bzw. war.

43      Aus Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 in Verbindung mit ihrem Art. 116 Abs. 1 ergibt sich somit, dass im vorliegenden Fall eine vom 1. September 1988 bis zum Tag der Antragstellung, dem 29. August 1995, laufende Frist gilt, während der neuheitsschädliche Handlungen im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 2100/94 in Bezug auf die geschützte Sorte außer Betracht bleiben.

44      In diesem Zusammenhang hat die Klägerin verschiedene Nachweise dafür vorgelegt, dass die Sorte Pinova vor dem 1. September 1988 verkauft oder abgegeben worden sei. Dabei handelt es sich um einen Auszug aus der Sortenliste 1988 der vormaligen DDR, Auszüge aus Internetseiten, eine Broschüre mit dem Titel „Pillnitzer Obstsorten“ von 1999, eine Publikation von 1988 in Acta Horticulturae mit dem Titel „Results in Fruit Breeding in the GDR“ sowie verschiedene Zeitungsartikel aus den Jahren 1986, 1987 und 2007; diese sind zu prüfen.

45      Erstens ist festzustellen, dass im Auszug aus der Sortenliste 1988 der vormaligen DDR die Sorte Pinova erwähnt wird.

46      Wie die Beschwerdekammer festgestellt hat und der Streithelfer hervorhebt, beweist jedoch der Umstand, dass die Sorte Pinova in der Sortenliste 1988 der vormaligen DDR veröffentlicht wurde, zwar, dass Material dieser Sorte zu dieser Zeit gehandelt werden durfte, nicht aber, dass Erntegut oder Sortenbestandteile vom Züchter oder mit Zustimmung des Züchters zur Nutzung der Sorte an andere abgegeben worden war bzw. waren, was im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 2100/94 neuheitsschädlich wäre.

47      Zweitens geht in Bezug auf die Broschüre mit dem Titel „Pillnitzer Obstsorten“, in der angegeben wird, die Sorte Pinova sei „im Handel seit 1986“, und die Auszüge aus Internetseiten, die diese Angabe aufgreifen, aus der angefochtenen Entscheidung sowie den Stellungnahmen des CPVO und des Streithelfers hervor, dass diese Angabe falsch war. So hat der Streithelfer im Verfahren vor dem CPVO mit Schreiben vom 22. April 2015 ausgeführt, stattdessen hätte angegeben werden müssen, dass seit 1986 das Inverkehrbringen gestattet gewesen sei; diese Fehler seien später in der Neuauflage der Broschüre von 2009 berichtigt worden. In der angefochtenen Entscheidung wird darauf hingewiesen, dass diese Berichtigung vor dem CPVO durch die Erklärungen von drei Personen untermauert worden sei.

48      Dazu macht die Klägerin geltend, die Neuheit der Sorte Pinova sei ausschließlich anhand von Erklärungen mit dem Streithelfer eng verbundener Personen beurteilt worden, die somit nicht der nötigen Form solcher Erklärungen genügten. Außerdem seien diese Personen mit dem Streithelfer sehr eng verbunden, so dass ihre Erklärungen keinen Beweiswert hätten.

49      Zum einen ist festzustellen, dass nach den Angaben in der angefochtenen Entscheidung die von der Klägerin zum Nachweis der fehlenden Neuheit der Sorte Pinova vorgelegten Beweise im Verwaltungsverfahren und vor der Beschwerdekammer geprüft wurden. Daher ist die Behauptung, die Neuheit der Sorte Pinova sei allein anhand von Erklärungen mit dem Streithelfer eng verbundener Personen beurteilt worden, als sachlich unzutreffend zurückzuweisen.

50      Zum anderen trifft es zwar zu, dass die fraglichen Erklärungen nicht in der in Art. 78 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 2100/94 vorgeschriebenen Form, nämlich unter Eid, abgegeben wurden, doch ist die Aufzählung der Beweismittel in Art. 78 der Verordnung nicht abschließend. Außerdem wird in Art. 78 Abs. 1 Buchst. c die „Vorlegung von Urkunden und sonstigen Beweisstücken“ erwähnt. Die Beschwerdekammer hat die Erklärungen daher zu Recht berücksichtigt.

51      Zum Beweiswert dieser Erklärungen ist darauf hinzuweisen, dass zur Beurteilung des Beweiswerts eines Dokuments zunächst die Wahrscheinlichkeit der darin enthaltenen Informationen zu prüfen ist. Zu berücksichtigen ist dabei, woher das Dokument stammt, unter welchen Umständen es erstellt wurde, an wen es gerichtet ist und ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubwürdig erscheint. Auch wenn eine Erklärung im Sinne von Art. 78 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 2100/94 abgegeben wurde, kann ihr zudem im Fall der Abgabe durch Personen, die mit der Klägerin verbunden sind, nur dann Beweiswert zukommen, wenn sie durch weitere Beweise bestätigt wird (vgl. Beschluss vom 21. Oktober 2013, Lyder Enterprises/CPVO – Liner Plants [1993] [SOUTHERN SPLENDOUR], T‑367/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:585, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Im vorliegenden Fall stammt eine der Erklärungen von einem der Züchter der Sorte Pinova, der in seinem Schreiben vom 15. Februar 2015 ausführt, in der Broschüre hätte es heißen müssen „zum Handel freigegeben 1986“, da der Sortenschutz der vormaligen DDR im Jahr 1986 gewährt worden sei. Ein weiteres, vom Streithelfer vorgelegtes Schreiben vom 14. April 2015 stammt vom Leiter der Abteilung Gartenbau des Streithelfers, der von 1981 bis 1991 Leiter der Abteilung Produktionsverfahren des Instituts für Obstforschung der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften war. In diesem Schreiben wird ausgeführt, dass der wirtschaftliche Wert der Sorte erst Anfang der 1990er Jahre erkannt worden sei. Ein weiteres Schreiben vom selben Tag stammt vom Geschäftsführer der Deutschen Saatgutgesellschaft mbH, aus dem sich ergibt, dass er den Streithelfer in Bezug auf die in Rede stehende Sorte vertritt. Er erläutert in seiner Erklärung, welche Missverständnisse sich aus dem Ausdruck „im Handel seit 1986“ ergeben hätten und wie sie behoben worden seien.

53      Folglich kann von einer gewissen Verbindung zwischen den Personen, die die in Rede stehenden Erklärungen abgegeben haben, und dem Streithelfer ausgegangen werden, so dass ihr Beweiswert zu relativieren ist.

54      Jedenfalls reicht der bloße Umstand, dass in der Broschüre „Pillnitzer Obstsorten“ und in Auszügen aus Internetseiten das Jahr 1986 als das Jahr des Inverkehrbringens der Sorte Pinova bezeichnet wird, für sich genommen nicht zum Nachweis eines solchen Inverkehrbringens aus. Eine solche Behauptung in Veröffentlichungen ist daher kein hinreichender Beleg für das Vorliegen von Abgaben oder Verkäufen der Sorte Pinova an andere zur Nutzung im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 2100/94. Sie kann allenfalls belegen, dass das Inverkehrbringen möglich war. Wie die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, wurden keine Rechnungen oder Lieferscheine vorgelegt, die den Verkauf oder die Abgabe der in Rede stehenden Sorte an andere dokumentieren.

55      Folglich sind, selbst wenn dem Vorbringen der Klägerin zum fehlenden Beweiswert der Erklärungen zu folgen wäre, weder die Broschüre „Pillnitzer Obstsorten“ noch die Auszüge aus Internetseiten geeignet, ernste Zweifel an der fehlenden Neuheit der in Rede stehenden Sorte zu begründen.

56      Drittens heißt es in dem von der Klägerin vorgelegten Auszug aus der Publikation „Results in Fruit Breeding in the GDR“, dass u. a. bestimmte Apfelzüchtungen an die mit ihrer Prüfung betrauten staatlichen Institute abgegeben worden seien; u. a. wird die Sorte Pinova als zur Vermehrung freigegeben erwähnt. In dieser Publikation wird sodann darauf hingewiesen, dass die staatlichen Institute die letzte Phase von Tests der Sorte Pinova durchführten.

57      Hierzu ist festzustellen, dass der bloße Umstand, dass in einer Publikation die Freigabe der Sorte Pinova zur Vermehrung erwähnt wird, nicht belegt, dass die Sorte zu diesem Zeitpunkt im Handel war, zumal in der gleichen Publikation sodann klargestellt wird, dass die staatlichen Institute die letzte Phase von Tests dieser Sorte durchführten. Die Beschwerdekammer hat daraus somit zu Recht geschlossen, dass die Sorte 1988 noch nicht im Handel war.

58      Viertens hat die Beschwerdekammer andere von der Klägerin vorgelegte Publikationen, nämlich Artikel in der Tageszeitung Neues Deutschland vom 11. und 12. Oktober 1986 und vom 23. Mai 1986 sowie einen Zeitungsartikel vom 17. April 2007 in den Potsdamer Neuesten Nachrichten, angesprochen. Nach deren Prüfung kam sie zu dem Schluss, dass sie die fehlende Neuheit der in Rede stehenden Sorte nicht bewiesen.

59      Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass die Tageszeitung Neues Deutschland vom 11. und 12. Oktober 1986 einen Artikel enthält, in dem u. a. ausgeführt wird, dass drei Neuzüchtungen, darunter die Sorte Pinova, für den Anbau freigegeben worden seien. In dem Artikel wird auch erwähnt, dass der Verkauf im Herbst 1986 begonnen habe, die Vermehrung so laufe, dass in den Folgejahren der Bedarf gedeckt werden könne, und die Sorte für die industriemäßige Produktion zu empfehlen sei.

60      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der in Rede stehenden Sorte der ostdeutsche Wirtschaftssortenschutz ohne Ausschließlichkeitsrecht gewährt worden war. Der Umstand, dass in dem genannten Artikel das Inverkehrbringen im Jahr 1986 angesprochen wird, nimmt daher auf die Rechtslage nach der Gewährung des Schutzes Bezug, ohne aber zu belegen, dass diese Sorte tatsächlich vor dem 1. September 1988 im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 2100/94 an andere verkauft oder abgegeben wurde. Wie das CPVO und der Streithelfer ausführen, handelt es sich bei den Artikeln somit um Anhaltspunkte dafür, dass der Verkauf rechtlich möglich war und dass der Anbau der Sorte Pinova im Jahr 1986 mit dem Ziel, die Nutzung dieser Sorte zu fördern, freigegeben worden war, ohne dass jedoch eine bereits erfolgte Nutzung erwähnt wird.

61      Desgleichen wird in der Tageszeitung Neues Deutschland vom 23. Mai 1986 über einen Besuch des früheren Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker, im Bezirk Erfurt berichtet sowie darüber, dass ein Baum der Sorte Pinova gepflanzt worden sei; dies kann kein Indiz für den Verkauf von Erntegut oder die Nutzung von Sortenbestandteilen im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 2100/94 darstellen.

62      Auch der Bericht in der Tageszeitung Neues Deutschland vom 23. und 24. Mai 1987, dass der Apfelbaum Pinova geblüht habe, stellt keinen Beweis für das Inverkehrbringen der in Rede stehenden Sorte zum damaligen Zeitpunkt dar.

63      Schließlich kann darin, dass im Bericht der Tageszeitung Potsdamer Neueste Nachrichten vom 17. April 2007 ebenfalls darauf hingewiesen wird, dass die Sorte Pinova im Jahr 1986 an den Handel gegeben worden sei, eine weitere Bezugnahme auf den ostdeutschen Rechtsschutz für die Sorte Pinova gesehen werden, doch stellt auch er keine konkrete Handlung oder Unterlage dar, die im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 2100/94 neuheitsschädlich wäre.

64      Die vorgelegten Unterlagen werden durch keinen konkreten Beleg für eine neuheitsschädliche Abgabe – wie z. B. Rechnungen, Lieferscheine, Umsatzzahlen, Aussagen von Käufern, Verkaufsprospekte, Werbung, Kaufangebote oder anderes – bestätigt. Der Klägerin, die geltend macht, dass solche Abgaben stattgefunden hätten, oblag es aber, stichhaltige Beweise und erhebliche Tatsachen vorzubringen, die ernste Zweifel an der Rechtmäßigkeit des erteilten Sortenschutzes begründen können. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen.

65      Daher ist das Vorbringen der Klägerin, das CPVO hätte im Licht der von ihr vorgelegten Indizien eigene Ermittlungen anstellen müssen, zurückzuweisen.

66      Fünftens macht die Klägerin unter Berufung auf die Grundsätze der Beständigkeit und der Homogenität der Apfelfärbung geltend, dass die Beschwerdekammer den Antrag auf Sortenschutz für die in Rede stehende Sorte nicht ordnungsgemäß geprüft habe.

67      Damit rügt die Klägerin jedoch auf einer anderen Grundlage als der fehlender Neuheit eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des CPVO. Der angefochtenen Entscheidung ist nicht zu entnehmen, dass vor der Beschwerdekammer Argumente in Bezug auf die Kriterien der Beständigkeit und der Homogenität vorgebracht worden wären. Es ist aber Sache der zuständigen Stellen des CPVO, die Aussagekraft und Tragweite der vom Antragsteller insoweit vorgelegten Anhaltspunkte zu beurteilen, während das Gericht im Fall einer Klage für eine umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit der vom CPVO vorgenommenen Beurteilung der fraglichen Anhaltspunkte zuständig ist (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM, C‑263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 50 bis 52, und Beschluss vom 21. Oktober 2013, SOUTHERN SPLENDOUR, T‑367/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:585, Rn. 37). Das Gericht ist nicht befugt, einen Aspekt zu beurteilen, zu dem die Beschwerdekammer noch nicht Stellung genommen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2012, Schräder/CPVO – Hansson [LEMON SYMPHONY], T‑133/08, T‑134/08, T‑177/08 und T‑242/09, EU:T:2012:430, Rn. 250).

68      Überdies gibt es für das Vorbringen der Klägerin keine Belege.

69      Der zweite Klagegrund, mit dem eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht gerügt wird, ist daher zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Neuheit der in Rede stehenden Sorte

70      Die Klägerin macht geltend, die Neuheit der Sorte sei vom CPVO falsch beurteilt worden. Wenn die Schutzrechtsinhaberin, wie der Streithelfer vorbringe, vor 1988 Pflanzenmaterial der Sorte Pinova zu Testzwecken abgegeben habe, sei diese Abgabe neuheitsschädlich gewesen, weil solche Tests der wirtschaftlichen Verwertung dienten und weil nicht angegeben worden sei, dass das abgegebene Pflanzenmaterial nur zu Testzwecken habe verwendet werden dürfen. Außerdem werde der gewerbsmäßige Anbau in der Regel bereits mit der Sortenschutzanmeldung in Angriff genommen.

71      Das CPVO und der Streithelfer treten diesem Vorbringen entgegen.

72      Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 sieht im Wesentlichen vor, dass eine Sorte als neu gilt, wenn vor einem bestimmten Zeitpunkt keine Sortenbestandteile bzw. Erntegut dieser Sorte vom Züchter oder mit dessen Zustimmung verkauft oder auf andere Weise zur Nutzung der Sorte an andere abgegeben worden waren bzw. war.

73      Im vorliegenden Fall wurden, wie die Prüfung des zweiten Klagegrundes ergeben hat, keine hinreichend beweiskräftigen Anhaltspunkte für ernste Zweifel an der fehlenden Neuheit der in Rede stehenden Sorte beigebracht. Insbesondere geht aus den vorgelegten Unterlagen nicht hervor, dass der Züchter oder der Schutzrechtsinhaber vor dem 1. September 1988 Sortenbestandteile oder Erntegut dieser Sorte zu ihrer Nutzung an andere abgegeben hat.

74      Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Abgabe einer Sorte zu Testzwecken, die nicht den Verkauf oder die Übergabe an andere zur Nutzung der Sorte beinhaltet, nicht neuheitsschädlich im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 2100/94 ist. Insoweit geht nämlich aus Art. 10 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 in Verbindung mit ihrem Art. 15 Buchst. b hervor, dass die Abgabe von Sortenbestandteilen bzw. Erntegut der Sorte, die bzw. das aus zu Versuchszwecken angebauten Pflanzen gewonnen und nicht zur weiteren Fortpflanzung oder Vermehrung verwendet werden bzw. wird, nicht als Nutzung der Sorte gilt, sofern nicht für die Zwecke dieser Abgabe auf diese Sorte Bezug genommen wird. Überdies führen gemäß den am 22. Oktober 2009 angenommenen Erläuterungen zur Neuheit nach dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen von 1991 (UPOV/EXN/NOV/1, Nr. 6 Ziff. i) mit der Sorte vorgenommene Versuche, die weder einen Verkauf noch eine Abgabe an andere zum Zweck der Verwertung der Sorte beinhalten, nicht zum Verlust der Neuheit.

75      Im vorliegenden Fall beruht das Vorbringen der Klägerin, es habe eine zur wirtschaftlichen Verwertung dienende Abgabe zu Versuchszwecken stattgefunden, auf keinen konkreten Anhaltspunkten. Auch für ihre Behauptung, der gewerbsmäßige Anbau werde in der Regel bereits mit der Sortenschutzanmeldung in Angriff genommen, gibt es keinen Beleg. Diese Angaben können daher nicht ausreichen, um ernste Zweifel an der Neuheit der in Rede stehenden Sorte zu begründen.

76      Daher ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.

 Kosten

77      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

78      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des CPVO und des Streithelfers die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Kiku GmbH trägt die Kosten.

Berardis

Spielmann

Csehi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. April 2019.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

G. Berardis


*      Verfahrenssprache: Deutsch.