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Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Rejonowy we Włocławku (Polen), eingereicht am 17. August 2023 – Strafverfahren gegen K.P

(Rechtssache C-530/23, Baralo1 )

Verfahrenssprache: Polnisch

Vorlegendes Gericht

Sąd Rejonowy we Włocławku

Parteien des Ausgangsverfahrens

K.P

Vorlagefragen

Sind Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 5 sowie Art. 9 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 18, 19, 24 und 27 der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und c und Art. 3 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs2 in der Auslegung anhand der Nrn. 6, 7, 11 und 13 der Empfehlung der Kommission vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen3 dahin auszulegen, dass sie eine unmittelbar wirksame und zwingende Regelung einführen, aufgrund deren es unzulässig ist, die Vernehmung einer schutzbedürftigen Person ohne die Anwesenheit eines Verteidigers durchzuführen, wenn die sachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen, die Ermittlungsbehörde aber nicht unverzüglich von Amts wegen Prozesskostenhilfe (auch keine Dringlichkeits- oder vorläufige Prozesskostenhilfe) bewilligt, bevor die betreffende Person (in concreto eine schutzbedürftige Person) von der Polizei, einer anderen Strafverfolgungsbehörde oder einer Justizbehörde vernommen wird oder bevor bestimmte Ermittlungs- oder Beweishandlungen vorgenommen werden?

Sind Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 5 sowie Art. 9 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 18, 19, 24 und 27 und Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls in der Auslegung anhand der Nrn. 6, 7, 11 und 13 der Empfehlung der Kommission vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen dahin auszulegen, dass es bei Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe bedroht sind, in jedem Fall unzulässig ist, wenn im Rahmen des Verfahrens keine Feststellungen dazu getroffen werden, ob eine Person potenziell schutzbedürftig und als solche anzuerkennen ist, obwohl die tatsächlichen Umstände gebieten, dies unverzüglich zu tun, und es unmöglich ist, die Beurteilung ihrer potenziellen Schutzbedürftigkeit anzufechten und einer solchen Person unverzüglich einen Pflichtverteidiger zu bestellen, und dass die Gründe, aus denen von diesen Feststellungen abgesehen und kein Pflichtverteidiger bestellt wurde, in der – grundsätzlich anfechtbaren – Entscheidung, die Vernehmung in Abwesenheit eines Rechtsbeistandes durchzuführen, ausdrücklich genannt werden müssen?

3.    Sind Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 5 sowie Art. 9 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 18, 19, 24 und 27 und Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls in der Auslegung anhand des Abschnitts 3 Nr. 7 der Empfehlung der Kommission vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen dahin auszulegen, dass in dem Versäumnis eines Mitgliedstaats, in Strafverfahren eine Vermutung der Schutzbedürftigkeit einzuführen, ein Umstand zu sehen ist, der den Verdächtigen daran hindert, die Garantie in Anspruch zu nehmen, die Art. 9 der Richtlinie EU 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls in der Auslegung gemäß Nr. 11 der Empfehlung der Kommission vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen vorsieht, und dass die Organe der Rechtspflege infolgedessen verpflichtet sind, in einer solchen Situation die Bestimmungen der Richtlinie unmittelbar anzuwenden?

4.    Für den Fall, dass eine oder mehrere der Fragen 1, 2 und 3 bejaht werden: Sind die Bestimmungen der beiden in diesen Fragen genannten Richtlinien dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wie

a)    Art. 301 Satz 2 der Strafprozessordnung, nach dem die Vernehmung eines Verdächtigen nur auf dessen Antrag unter Beteiligung eines bestellten Verteidigers erfolgt und das Nichterscheinen des Verteidigers kein Hindernis für die Vernehmung bildet;

b)    Art. 79 § 1 Nrn. 3 und 4 der Strafprozessordnung, wonach in einem Strafverfahren ein Beschuldigter (Verdächtiger) einen Verteidiger haben muss, wenn ein begründeter Zweifel daran besteht, dass seine Fähigkeit, die Bedeutung der Tat zu erkennen oder sein Verhalten zu steuern, zum Zeitpunkt der Begehung der Tat weder ausgeschlossen noch erheblich beeinträchtigt war, oder daran, dass sein psychischer Zustand es ihm erlaubt, am Verfahren teilzunehmen oder seine Verteidigung selbst sachgerecht wahrzunehmen?

5.    Verpflichten Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs in Verbindung mit dem Grundsatz des Vorrangs und der unmittelbaren Wirkung der Richtlinien die Ermittlungsbehörden, die Gerichte und alle staatlichen Stellen, mit der Richtlinie unvereinbare Bestimmungen des nationalen Rechts wie die in Frage 4 genannten unangewendet zu lassen und folglich nach Ablauf der Umsetzungsfrist die genannte nationale Norm durch die oben genannten Vorschriften mit unmittelbarer Wirkung zu ersetzen?

6.    Sind Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 5 sowie Art. 9 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 19, 24 und 27 der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls dahin auszulegen, dass, wenn keine Entscheidung darüber getroffen wird, ob einer schutzbedürftigen Person oder einer Person, auf die die Vermutung der Schutzbedürftigkeit gemäß Abschnitt 3 Nr. 7 der Empfehlung der Kommission vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen zutrifft, von Amts wegen Prozesskostenhilfe gewährt wird, oder wenn ihr Prozesskostenhilfe versagt wird, das nationale Gericht, das in einem Strafverfahren über die Sache entscheidet, wie auch alle anderen staatlichen Organe der Strafrechtspflege (also auch die Ermittlungsbehörden) anschließend im Hinblick auf die Durchführung von Ermittlungshandlungen unter Beteiligung einer solchen Person durch die Polizeibehörde oder andere Verfolgungsbehörden, darunter auch Handlungen, die vor Gericht nicht wiederholt werden können, verpflichtet sind, die mit der Richtlinie unvereinbaren Bestimmungen des nationalen Rechts wie die in Frage 4 genannten unangewendet zu lassen und folglich nach Ablauf der Umsetzungsfrist die genannte nationale Norm durch die oben genannten Vorschriften mit unmittelbarer Wirkung zu ersetzen, auch wenn die Person nach Abschluss der Ermittlungs- (oder Verfolgungshandlungen) und Erhebung der Anklage bei Gericht einen Wahlverteidiger benannt hat?

7.    Sind Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 5 sowie Art. 9 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 19, 24 und 27 und Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls in der Auslegung anhand der Nrn. 6, 7, 11 und 13 der Empfehlung der Kommission vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, sicherzustellen, dass schutzbedürftige Verdächtige unverzüglich identifiziert und als solche anerkannt werden und Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren, auf die die Vermutung der Schutzbedürftigkeit zutrifft oder die schutzbedürftig sind, von Amts wegen Prozesskostenhilfe gewährt wird, und dass diese Hilfe auch dann verpflichtend ist, wenn die zuständige Behörde keinen unabhängigen Sachverständigen darum ersucht hat, den Grad der Schutzbedürftigkeit, die Bedürfnisse der schutzbedürftigen Person und die Angemessenheit sämtlicher in Bezug auf die schutzbedürftige Person getroffenen oder geplanten Maßnahmen zu beurteilen, bis ein unabhängiger Sachverständiger eine ordnungsgemäße Beurteilung vorgenommen hat?

8.    Falls Frage 7 bejaht wird: Sind die genannten Bestimmungen der Richtlinie und die Empfehlung der Kommission dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie Art. 79 § 1 Nrn. 3 und 4 der Strafprozessordnung entgegenstehen, wonach der Beschuldigte in einem Strafverfahren nur dann einen Rechtsbeistand haben muss, wenn ein begründeter Zweifel daran besteht, dass zum Zeitpunkt der Begehung der Tat seine Fähigkeit, die Bedeutung der Tat zu erkennen oder sein Verhalten zu steuern, weder ausgeschlossen noch erheblich beeinträchtigt war, oder daran, dass sein psychischer Zustand es ihm erlaubt, am Verfahren teilzunehmen oder seine Verteidigung selbst sachgerecht wahrzunehmen?

9.    Sind Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 5 sowie Art. 9 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 19, 24 und 27 und Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls in der Auslegung anhand der Nrn. 6, 7, 11 und 13 der Empfehlung der Kommission vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen, sowie der Grundsatz der Vermutung der Schutzbedürftigkeit dahin auszulegen, dass die zuständigen Behörden (Staatsanwaltschaft, Polizei) spätestens vor der ersten Vernehmung eines Verdächtigen durch die Polizei oder eine andere zuständige Behörde dafür zu sorgen haben, dass schutzbedürftige Verdächtige in Strafverfahren umgehend als solche identifiziert und anerkannt werden und dass ihnen Prozesskostenhilfe oder Dringlichkeits- bzw. vorläufige Prozesskostenhilfe gewährt wird, und von der Vernehmung des Verdächtigen Abstand nehmen müssen, bis der Person von Amts wegen Prozesskostenhilfe, Dringlichkeits- bzw. vorläufige Prozesskostenhilfe gewährt wird?

10.    Falls Frage 9 bejaht wird: Sind Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 5 sowie Art. 9 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 19, 24 und 27 und Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls in der Auslegung anhand der Nrn. 6, 7, 11 und 13 der Empfehlung der Kommission vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen dahin auszulegen, dass sie die Mitgliedstaaten verpflichten, in ihrem nationalen Recht ausdrücklich die Gründe und Kriterien für Ausnahmen von der umgehenden Feststellung und Anerkennung der Schutzbedürftigkeit einer verdächtigen Person in einem Strafverfahren zu bestimmen und sicherzustellen, dass ihr Prozesskostenhilfe oder Dringlichkeits- (bzw. vorläufige) Prozesskostenhilfe gewährt wird, und dass etwaige Ausnahmen verhältnismäßig und zeitlich begrenzt sein und den Grundsatz des fairen Verfahrens wahren müssen und zudem verfahrensrechtlich in Form eines Beschlusses erfolgen müssen, der eine vorübergehende Abweichung zulässt und der die betroffene Partei grundsätzlich dazu berechtigen muss, die Entscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen?

11.    Sind Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta der Grundrechte in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 3 Buchst. a und b der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 und dem 27. Erwägungsgrund sowie mit Art. 8 der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls dahin auszulegen, dass dann, wenn die für das Verfahren zuständige Behörde einer Person, für die die Vermutung der Schutzbedürftigkeit gilt und/oder die schutzbedürftig ist (Nrn. 7 und 11 der Empfehlung der Kommission vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen), keine Prozesskostenhilfe von Amts wegen gewährt und keine Gründe für ihre Entscheidung angibt, keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen, eine solche Person das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf hat und dass als ein solcher das Institut des nationalen Verfahrensrechts in Art. 344a der Strafprozessordnung anzusehen ist, der bestimmt, dass die Sache an den Staatsanwalt zurückverwiesen wird, damit:

a)    die Ermittlungsbehörde den Verdächtigen im Strafverfahren als schutzbedürftig identifiziert und anerkennt,

b)    dem Verdächtigen ermöglicht wird, vor der Vernehmung einen Verteidiger zu konsultieren,

c)    die Vernehmung des Verdächtigen in Anwesenheit eines Verteidigers durchgeführt und audiovisuell aufgezeichnet wird,

d)    dem Verteidiger ermöglicht wird, sich mit den Verfahrensakten vertraut zu machen, und etwaige Beweisanträge der schutzbedürftigen Person und des von Amts wegen bestellten Verteidigers oder eines von der beschuldigten Person benannten Verteidigers gestellt werden können.

12.    Ist Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 und 3 sowie Art. 2 des Vertrags über die Europäische Union und mit Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, unterzeichnet in Rom am 4. November 1950, in der später durch die Protokolle Nrn. 3, 5 und 8 geänderten und durch das Protokoll Nr. 2 ergänzten Fassung, in Bezug auf die Vermutung der Schutzbedürftigkeit gemäß Nr. 7 der Empfehlung der Kommission vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen dahin auszulegen, dass die Vernehmung eines Verdächtigen durch einen Polizeibeamten oder eine andere zur Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme befugte Person in einem psychiatrischen Krankenhaus ohne Rücksicht auf den Zustand der Ungewissheit und unter Bedingungen, unter denen sich der Betroffene nur sehr eingeschränkt äußern kann und psychisch besonders wehrlos ist, sowie in Abwesenheit eines Rechtsbeistands eine unmenschliche Behandlung darstellt und eine solche Vernehmung deshalb als mit den Grundrechten der Union unvereinbare Verfahrenshandlung unverwertbar ist?

13.    Falls Frage 12 bejaht wird: Sind die in Frage 12 angeführten Bestimmungen dahin auszulegen, dass sie ein nationales Gericht, das in einer Strafsache entscheidet, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls in Verbindung mit Nr. 7 der Empfehlung der Kommission vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen sowie in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs fällt, wie auch alle anderen Stellen des Strafverfahrens, die Verfahrenshandlungen in der Sache setzen, dazu berechtigen (bzw. verpflichten), Bestimmungen des nationalen Rechts, die der Richtlinie widersprechen, darunter insbesondere Art. 168a der Strafprozessordnung, unangewendet zu lassen und folglich nach Ablauf der Umsetzungsfrist die nationale Norm durch die oben genannten Vorschriften der Richtlinie mit unmittelbarer Wirkung zu ersetzen, auch wenn eine solche Person nach Abschluss der Ermittlungs- (oder Verfolgungshandlungen) und Erhebung der Anklage bei Gericht einen Wahlverteidiger benannt hat?

14.    Sind Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 5 sowie Art. 9 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 19, 24 und 27 der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 Buchst. a, b und c sowie Art. 3 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und der Effektivitätsgrundsatz im Unionsrecht dahin auszulegen, dass ein Staatsanwalt, der in einem Strafverfahren im Stadium des Ermittlungsverfahrens tätig ist, verpflichtet ist, alle Anforderungen der Richtlinie 2016/1919, die unmittelbare Wirkung entfalten, einzuhalten und dementsprechend dafür zu sorgen, dass für die verdächtige oder beschuldigte Person, die unter dem Schutz der oben genannten Richtlinie steht, im Verfahren ein wirksamer Rechtsschutz beginnend ab dem frühesten der folgenden Zeitpunkte sichergestellt wird:

a)    vor ihrer Befragung durch die Polizei oder andere Strafverfolgungs- oder Justizbehörden,

b)    ab der Durchführung von Ermittlungs- oder anderen Beweiserhebungshandlungen durch Ermittlungs- oder andere zuständige Behörden gemäß Art. 3 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013,

c)    unverzüglich nach dem Freiheitsentzug (worunter auch der Aufenthalt in einem psychiatrischen Krankenhaus zu verstehen ist), wobei er erforderlichenfalls verpflichtet ist, etwaige Anordnungen der übergeordneten Staatsanwälte aufzuheben, wenn er davon überzeugt ist, dass die Befolgung dieser Anordnungen den wirksamen Schutz des Verdächtigen, für den die Vermutung der Schutzbedürftigkeit gilt bzw. der schutzbedürftig ist, beeinträchtigen würde, einschließlich seines Rechts auf ein faires Verfahren oder eines anderen Rechts, das ihm gemäß der Richtlinie 2016/1919 in Verbindung mit der Richtlinie 2013/48 zusteht?

15.    Für den Fall, dass Frage 14 bejaht wird: Sind Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, der den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes in Verbindung mit Art. 2 EUV festschreibt, in Verbindung mit dem Grundsatz der Achtung der Rechtsstaatlichkeit, wie er in der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgelegt wird (vgl. Urteil vom 27. Mai 2019, OG [Staatsanwaltschaft Lübeck], C-508/18), und der in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta der Grundrechte verankerte Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses, C-64/16, EU:C:2018:117) dahin auszulegen, dass diese Grundsätze wegen der Befugnis des Generalstaatsanwalts oder übergeordneter Staatsanwaltschaften, den Staatsanwälten der untergeordneten Ebenen verbindliche Weisungen zu erteilen, die die Staatsanwälte der untergeordneten Ebenen verpflichten, unmittelbar wirksame Unionsvorschriften unangewendet zu lassen, oder die Anwendung dieser Vorschriften erschweren, sowohl einer nationalen Regelung entgegenstehen, die auf eine unmittelbare Abhängigkeit der Staatsanwaltschaft vom Exekutivorgan, d. h. vom Justizminister, hindeutet, als auch nationalen Rechtsvorschriften, die die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft bei der Anwendung des Unionsrechts einschränken, insbesondere:

a)    Art. 1 § 2, Art. 3 § 1 Nrn. 1 und 3 und Art. 7 §§ 1 bis 6 und § 8 sowie Art. 13 §§ 1 und 2 des Gesetzes vom 28. Januar 2016 über die Staatsanwaltschaft, wonach der Justizminister, der gleichzeitig Generalstaatsanwalt und die höchste Anklagebehörde ist, berechtigt ist, Staatsanwälten der untergeordneten Ebenen verbindliche Weisungen zu erteilen, auch soweit dadurch die unmittelbare Anwendung des Unionsrechts eingeschränkt oder erschwert wird?

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1 Die vorliegende Rechtssache ist mit einem fiktiven Namen bezeichnet, der nicht dem echten Namen eines Verfahrensbeteiligten entspricht.

1 ABl. 2017, L 91, S. 40.

1 ABl. 2013, L 294, S. 1.

1 ABl. 2013, C 378, S. 8.