Language of document : ECLI:EU:T:2011:28

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

3. Februar 2011(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke, die aus einer Kombination der Farben Ginstergelb und Silbergrau besteht – Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke, die aus einer Kombination der Farben Ockergelb und Silbergrau besteht – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen – Art. 76 Abs. 1 der Verordnung (EG) (EG) Nr. 207/2009 – Begründungspflicht – Art. 75 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In den Rechtssachen T‑299/09 und T‑300/09

Gühring OHG, mit Sitz in Albstadt (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. von Mühlendahl und H. Hartwig,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), zunächst vertreten durch G. Schneider, dann durch G. Schneider und B. Schmidt als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend zwei Klagen gegen die Entscheidungen der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 30. April 2009 (Sache R 1330/2008-1 und R 1329/2008-1) über die Anmeldung der Kombination der Farben Ginstergelb und Silbergrau sowie der Kombination der Farben Ockergelb und Silbergrau als Gemeinschaftsmarken

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter S. Papasavvas (Berichterstatter) und A. Dittrich,

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 29. Juli 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschriften,

aufgrund der am 27. Oktober 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortungen,

aufgrund des Beschlusses vom 19. Mai 2010 über die Verbindung der Rechtssachen T‑299/09 und T‑300/09 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren,

auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2010

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 27. Februar 2008 meldete die Klägerin, die Gühring OHG, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) zwei Gemeinschaftsmarken an.

2        In der Rechtssache T‑299/09 (Gemeinschaftsmarkenanmeldung Nr. 6703581) beschrieb die Klägerin die angemeldete Marke wie folgt: „Die Farbmarke besteht aus einer Kombination der Farben RAL 1032 (ginstergelb) und RAL 7001 (silbergrau) zur Kennzeichnung von Zerspanungswerkzeugen; das Schneidteil des Zerspanungswerkzeugs ist von seiner Spitze bis zu maximal 2/3 seiner Gesamtlänge in der Farbe RAL 1032 und der übrige Bereich des Schneidteils in der Farbe RAL 7001 ausgebildet.“ Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Farbzeichen:

Image not found

3        In der Rechtssache T‑300/09 (Gemeinschaftsmarkenanmeldung Nr. 6703565) beschrieb die Klägerin die angemeldete Marke wie folgt: „Die Farbmarke besteht aus einer Kombination der Farben RAL 1024 (ockergelb) und RAL 7001 (silbergrau) zur Kennzeichnung von Zerspanungswerkzeugen; das Schneidteil des Zerspanungswerkzeugs ist von seiner Spitze bis zu maximal 2/3 seiner Gesamtlänge in der Farbe RAL 1024 und der übrige Bereich des Schneidteils in der Farbe RAL 7001 ausgebildet.“ Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Farbzeichen:

Image not found

4        Die Farbzeichen wurden – nach der im Verfahren vor dem HABM erfolgten Einschränkung – für folgende Waren in der Klasse 7 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 angemeldet: „Bohrwerkzeuge (Maschinenteile).“

5        Mit Entscheidungen vom 21. und 22. Juli 2008 wies der Prüfer die Anmeldungen wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) zurück.

6        Am 16. September 2008 legte die Klägerin gegen jede der beiden Entscheidungen des Prüfers eine Beschwerde ein.

7        Mit zwei Entscheidungen vom 30. April 2009 (im Folgenden: angefochtene Entscheidungen) wies die Erste Beschwerdekammer des HABM die Beschwerden mit der Begründung zurück, den angemeldeten Zeichen fehle es an Unterscheidungskraft im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009. Im Wesentlichen stellte die Beschwerdekammer fest, dass das Verhältnis der Farben zueinander veränderlich sei und dass, selbst man dieses Verhältnis als feststehend ansähe, der Verbraucher die fraglichen Farben als diejenige des Grundmaterials – soweit es sich um die Farbe Silbergrau handle – oder als einen Hinweis auf die Härtung, die Qualität oder den Verwendungszweck der Bohrer und nicht als einen Hinweis auf deren betriebliche Herkunft auffasste. Außerdem laufe die Eintragung der angemeldeten Farbmarken dem Allgemeininteresse zuwider, dass daran bestehe, dass für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Bohrer anböten, die Auswahl der Grundfarben, die für von Haus aus nicht unterscheidungskräftige Formen verwendbar seien, nicht ungerechtfertigt eingeschränkt werde.

Anträge der Parteien

8        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben;

–        die Entscheidungen des Prüfers des HABM vom 21. und 22. Juli 2008, mit denen die Anmeldungen der Marken zurückgewiesen wurden, aufzuheben;

–        festzustellen, dass die angemeldeten Marken den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 entsprechen.

9        Hilfsweise beantragt die Klägerin,

–        die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer Kosten in den Verfahren vor der Beschwerdekammer aufzuerlegen.

10      Das HABM beantragt,

–        die Klagen abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

11      Nach Anhörung der Parteien in der mündlichen Verhandlung hat das Gericht beschlossen, die vorliegenden Rechtssachen gemäß Art. 50 seiner Verfahrensordnung zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden.

12      Die Klägerin stützt ihre Klagen auf drei Gründe, mit denen sie einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, einen Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 und eine Verletzung der Begründungspflicht nach Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend macht.

13      Diese drei Klagegründe sind in umgekehrter Reihenfolge nacheinander zu prüfen.

 Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

 Vorbringen der Parteien

14      Die Klägerin bringt vor, die Beschwerdekammer hätte die vorliegenden Markenanmeldungen im Vergleich zu ihrer früheren Verwaltungspraxis, nach der mehrere Farbmarken zur Anmeldung in vergleichbare Warenklassen zugelassen worden seien, prüfen müssen. Das völlige Versäumnis der Beschwerdekammer, eine solche Prüfung vorzunehmen, obwohl sich die Klägerin auf Voreintragungen von Farbmarken berufen habe, stelle einen Begründungsmangel und somit einen Verstoß gegen Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 dar.

15      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

16      Gemäß Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 sind die Entscheidungen des HABM mit Gründen zu versehen. Diese Verpflichtung hat den gleichen Umfang wie die aus Artikel 253 EG. Die Verpflichtung zur Begründung von Einzelfallentscheidungen soll dabei dem doppelten Ziel dienen, die Beteiligten über die Gründe für die erlassene Maßnahme zu unterrichten, damit sie ihre Rechte verteidigen können, und es außerdem dem Unionsrichter zu ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu überprüfen. Die Frage, ob die Begründung einer Entscheidung diesen Anforderungen genügt, ist nicht nur im Hinblick auf ihren Wortlaut zu entscheiden, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften, die das betreffende Gebiet regeln (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 28. April 2004, Sunrider/HABM – Vitakraft-Werke Wührmann und Friesland Brands [VITATASTE und METABALANCE 44], verbundene Rechtssachen T‑124/02 und T‑156/02, Slg. 2004, I‑1149, Randnrn. 72 und 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Wenn das HABM die Eintragung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke ablehnt, muss es zur Begründung seiner Entscheidung den dieser Eintragung entgegenstehenden absoluten oder relativen Hinderungsgrund sowie die Bestimmung, aus der er abgeleitet wird, angeben und darlegen, welchen Sachverhalt es als erwiesen zugrunde gelegt hat, der seiner Auffassung nach die Anwendung der herangezogenen Bestimmung rechtfertigt. Eine solche Begründung ist grundsätzlich ausreichend, um den oben in Randnr. 16 genannten Anforderungen gerecht zu werden (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2008, Reber/HABM – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli [Mozart], T‑304/06, Slg. 2008, II‑1927, Randnr. 46).

18      Der Kontext, in dem eine Entscheidung erlassen wird und der u. a. durch den Meinungsaustausch zwischen der die Entscheidung erlassenden Stelle und dem Betroffenen gekennzeichnet wird, kann unter Umständen die an die Begründung zu stellenden Anforderungen erhöhen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass in bestimmten Fällen das Vorbringen eines der Beteiligten am Verfahren vor dem HABM, einschließlich des Hinweises auf das Vorliegen einer – innerstaatlichen oder vom HABM erlassenen – Entscheidung in einer ähnlich gelagerten Sache, eine spezifische Antwort erforderlich machen, die über die oben in Randnr. 17 genannten Anforderungen hinausgeht (Urteil Mozart, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 54).

19      Jedoch kann von den Beschwerdekammern nicht verlangt werden, bei ihren Ausführungen alle von den Beteiligten am Verfahren vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend zu behandeln. Die Begründung kann daher auch implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe für die Entscheidung der Beschwerdekammer zu erkennen, und dem zuständigen Gericht ausreichende Angaben für die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe an die Hand gibt. Folglich braucht das HABM in seiner Entscheidung im Allgemeinen nicht auf jeden Hinweis auf das Vorliegen von in eine bestimmte Richtung gehenden Entscheidungen seiner eigenen Dienststellen in anderen, ähnlich gelagerten Fällen speziell einzugehen, wenn die Begründung der Entscheidung, die das HABM in einer konkreten und bei seinen Dienststellen anhängigen Sache erlassen hat, zumindest implizit, jedoch klar und eindeutig erkennen lässt, aus welchen Gründen diese anderen Entscheidungen nicht einschlägig sind oder bei der Würdigung durch das HABM keine Berücksichtigung gefunden haben (vgl. Urteil Mozart, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnrn. 55 und 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Die Begründung der angefochtenen Entscheidungen ist im Licht der vorstehenden Erwägungen zu prüfen.

21      In den vorliegenden Fällen führte die Beschwerdekammer in einem ersten Schritt jeweils in Randnr. 23 der angefochtenen Entscheidungen aus, dass die Beschreibungen der in Rede stehenden Marken den Anforderungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zu genügen schienen, wonach eine grafische Darstellung von zwei oder mehr abstrakt und konturlos beanspruchten Farben systematisch so angeordnet sein muss, dass die betreffenden Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind. Die Beschwerdekammer stellte nämlich fest, dass zwar die Reihenfolge der Farben in der Aufmachung der Bohrer bekannt sei, das Verhältnis der Farben untereinander jedoch nicht genau angegeben und veränderlich sei.

22      In einem zweiten Schritt führte die Beschwerdekammer aus, selbst wenn man das Verhältnis der Farben als feststehend ansähe, hätten die angemeldeten Marken keine Unterscheidungskraft, da die vorliegenden Farben nicht unüblich seien (Randnr. 32 der angefochtenen Entscheidungen), denn die Farbe Silbergrau werde als die Farbe des Grundmaterials (Randnr. 31 der angefochtenen Entscheidungen) und die jeweils zweite Farbe werde als ein Hinweis auf den Verwendungszweck der Bohrer (Randnr. 34 der angefochtenen Entscheidungen), auf ihre Härtung oder auf ihre Qualität (Randnrn. 33 und 35 der angefochtenen Entscheidungen) aufgefasst werden.

23      Schließlich stellte die Beschwerdekammer in einem dritten Schritt in Randnr. 39 der angefochtenen Entscheidungen fest, dass die Eintragung der angemeldeten Farbmarken dem Allgemeininteresse zuwiderlaufe, das daran bestehe, dass für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Bohrer anböten, die Auswahl der Grundfarben, die für von Haus aus nicht unterscheidungskräftige Formen verwendbar seien, nicht ungerechtfertigt eingeschränkt werde.

24      Diese Begründung ist ausreichend, um das oben in Randnr. 17 erwähnte doppelte Ziel der Begründungspflicht zu erreichen.

25      Außerdem ist hier festzustellen, dass die Klägerin sich zwar vor der Beschwerdekammer auf einige Dutzend Entscheidungen des HABM gestützt hat, in denen Farbmarken – namentlich für Waren der Klasse 7 – eingetragen worden waren, aber nicht klargestellt hat, weshalb diese eine spezifische Stellungnahme der Beschwerdekammer erfordert hätten. Da die Klasse 7 sehr unterschiedliche Waren umfasst, ist insbesondere der Umstand, dass für diese Warenklasse bereits Farbkombinationen eingetragen worden sind, für die Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marken nicht zwangsläufig relevant.

26      Unter den vorliegenden Umständen konnte daher die Berufung der Klägerin auf frühere Entscheidungen, mit denen Farbkombinationen eingetragen wurden, die an die Begründung zu stellenden Anforderungen nicht erhöhen und bedurfte daher keiner spezifischen Begründung durch die Beschwerdekammer, die über die oben in Randnr. 17 genannten Anforderungen hinausgeht.

27      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist somit der erste Klagegrund, mit dem eine Verletzung der Begründungspflicht gerügt wird, zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009

 Vorbringen der Parteien

28      Nach Ansicht der Klägerin hat die Beschwerdekammer gegen ihre Verpflichtung aus Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln.

29      Die Klägerin bringt erstens vor, dass die Sachverhaltsfeststellungen in den angefochtenen Entscheidungen ohne ihre Beteiligung getroffen worden seien und nicht belegt seien. Dieser Mangel der Sachverhaltsaufklärung hätte vermieden werden können, wenn einerseits die Beschwerdekammer von der in Art. 63 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, bei der Prüfung der Beschwerde die Beteiligten zur Einreichung von Stellungnahmen zu ihren Bescheiden aufzufordern, und wenn sie andererseits gemäß Art. 77 der Verordnung Nr. 207/2009 eine mündliche Verhandlung anberaumt hätte. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Praxis der Beschwerdekammern des HABM, die bei einer Gesamtzahl von mehr als 9 000 Entscheidungen bislang nur ein einziges Mal eine mündliche Verhandlung anberaumt hätten, nicht mit Art. 77 der Verordnung Nr. 207/2009 im Einklang stehe.

30      Zweitens hält die Klägerin die Sachverhaltsaufklärung für mangelhaft, da die Beschwerdekammer ihre frühere Verwaltungspraxis nicht berücksichtigt habe. Sie räumt ein, dass die früheren Entscheidungen des HABM keine Bindungswirkung entfalteten. Sie stellt ebenfalls klar, dass sie sich nicht auf den Gleichheitsgrundsatz berufe. Die vorliegende Verwaltungspraxis hätte jedoch aus Gründen der geordneten Verwaltungspraxis und nach dem Grundsatz der Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen berücksichtig werden müssen.

31      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

32      Zur ersten Rüge der Klägerin ist festzustellen, dass nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 207/2009 das HABM in dem Verfahren vor ihm den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt. Dabei kann die Beschwerdekammer auf verschiedene Maßnahmen zurückgreifen, um die bei ihr eingelegten Beschwerden zu prüfen.

33      Insbesondere fordert die Beschwerdekammer gemäß Art. 63 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 bei der Prüfung der Beschwerde die Beteiligten so oft wie erforderlich auf, innerhalb einer von ihr zu bestimmenden Frist eine Stellungnahme zu ihren Bescheiden oder zu den Schriftsätzen der anderen Beteiligten einzureichen. Außerdem ordnet das HABM nach Art. 77 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten am Verfahren eine mündliche Verhandlung an, sofern es dies für sachdienlich erachtet.

34      Nach der Rechtsprechung ist die Beschwerdekammer jedoch nicht verpflichtet, von den in Art. 63 Abs. 2 und Art. 77 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Der Beschwerdekammer wird nämlich mit Art. 63 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht die Verpflichtung auferlegt, die Beteiligten aufzufordern, ihre eigenen bei der Beschwerdekammer eingereichten Schriftsätze und Unterlagen zu vervollständigen (vgl. Urteil des Gerichts vom 15. November 2007, Enercon/HABM [Windenergiekonverter], T‑71/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Beschwerdekammer verfügt ebenfalls über einen Ermessensspielraum in Bezug auf die Frage, ob eine mündliche Verhandlung wirklich notwendig ist (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Juli 2004, AVEX/HABM – Ahlers (a), T‑115/02, Slg. 2004, II‑2907, Randnr. 30).

35      Die hier angefochtenen Entscheidungen stützen sich auf allgemein bekannte Tatsachen, bereits vom Prüfer aufgeworfene Punkte und Rechtsprechungsverweise, so dass der Umstand, dass die Beschwerdekammer nicht von den in Art. 63 Abs. 2 und Art. 77 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat, für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen unerheblich ist.

36      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt, dass es der angemeldeten Marke von Haus aus an Unterscheidungskraft fehle, ihre Beurteilung auf Tatsachen stützen darf, die auf der allgemeinen praktischen Erfahrung mit der Vermarktung von Massenkonsumgütern beruhen und die jedermann und insbesondere den Verbrauchern dieser Waren bekannt sein können. In einem solchen Fall ist die Beschwerdekammer nicht verpflichtet, eine derartige praktische Erfahrung mit Beispielen zu belegen (vgl. Urteil des Gerichts vom 15. März 2006, Develey/HABM [Form einer Kunststoffflasche], T‑129/04, Slg. 2006, II‑811, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Da die Klägerin darüber hinaus nichts vorgetragen hat, was die Beurteilung des Prüfers hätte widerlegen können, obwohl ihr die Beweislast für die Unterscheidungskraft oblag (Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2007, Develey/HABM, C‑238/06 P, Slg. 2007, I‑9375, Randnr. 50), durfte die Beschwerdekammer zu Recht den Feststellungen des Prüfers folgen.

38      Die Beschwerdekammer konnte daher durchaus anhand der Unterlagen und ohne zusätzliche Nachforschungen oder mündliches Verfahren über die Frage befinden, ob die angemeldeten Marken für die vorliegenden Waren keine Unterscheidungskraft besaßen.

39      Daher ist die erste Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

40      Zur zweiten Rüge, die die Klägerin vorgebracht hat, ist festzustellen, dass die Entscheidungen, die die Beschwerdekammern über die Eintragung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke nach der Verordnung Nr. 207/2009 zu erlassen haben, gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen sind (vgl. Urteil Mozart, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ob ein Zeichen als Gemeinschaftsmarke eingetragen werden kann, ist daher nur auf der Grundlage dieser Verordnung in ihrer Auslegung durch den Unionsrichter zu überprüfen und nicht auf der Grundlage einer bestehenden Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern. Somit kann ein Verstoß gegen die Entscheidungspraxis der Dienststellen des HABM durch eine Entscheidung einer Beschwerdekammer des HABM für sich genommen keine Rüge darstellen, die die Aufhebung dieser Entscheidung rechtfertigt (vgl. Urteil des Gerichts vom 22. März 2007, Sigla/HABM – Elleni Holding [VIPS], T‑215/03, Slg. 2007, II‑711, Randnr. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Desgleichen ist die Beschwerdekammer, auch wenn sie alle vom Antragsteller vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel berücksichtigen oder sich sogar veranlasst sehen muss, Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen, die nicht vorgebracht wurden, aber entscheidungserheblich sind, hingegen nicht verpflichtet, eine Beurteilung anderer früher eingetragener Marken vorzunehmen, da diese nicht Gegenstand der Klage sind (Urteil des Gerichts vom 19. Mai 2010, Zeta Europe/HABM [Superleggera], T‑464/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 41).

42      Selbst wenn die Beschwerdekammer nicht der früheren Entscheidungspraxis des HABM gefolgt sein sollte, hätte dies im vorliegenden Fall keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen.

43      Außerdem ist festzustellen, dass die Klägerin, wie oben in Randnr. 25 ausgeführt, nicht dargetan hat, inwiefern die frühere Praxis des HABM, auf die sich beruft, Fälle betrifft, die solche Ähnlichkeiten mit den vorliegenden Fällen aufweisen, dass sie bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marken zu berücksichtigen ist. Dem Vorbringen, das auf eine Verletzung der Grundsätze der ordnungsmäßigen Verwaltung und der Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen gestützt wird, kann daher nicht gefolgt werden.

44      Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

 Vorbringen der Parteien

45      Die Klägerin bringt vor, die Beschwerdekammer habe zu Unrecht befunden, dass die vorliegenden Farbkombinationen für die angemeldeten Waren keine Unterscheidungskraft besäßen.

46      Erstens seien die im Urteil des Gerichtshofs vom 6. Mai 2003, Libertel (C‑104/01, Slg. 2003, I‑3793), entwickelten Grundsätze entgegen den Feststellungen, die die Beschwerdekammer in den angefochtenen Entscheidungen getroffen habe, auf Farbkombinationen nicht anwendbar. Nach diesem Urteil sei nur unter außergewöhnlichen Umständen vorstellbar, dass einer Farbe als solcher eine ursprüngliche Unterscheidungskraft zukomme, etwa wenn die Zahl der Waren, für die die Marke angemeldet werde, sehr beschränkt und der maßgebliche Markt sehr spezifisch seien. Mit diesem Grundsatz solle verhindert werden, dass ein Wirtschaftsteilnehmer die Verfügbarkeit der Farben zum Nachteil der anderen Wirtschaftsteilnehmer einschränke. Da die Farbkombinationen jedoch in fast unbegrenzter Zahl zur Verfügung stünden, gebe es keinen Grund, deren Eintragung auf die im Urteil Libertel genannten spezifischen Fälle zu beschränken.

47      Die Klägerin ist jedenfalls der Ansicht, dass die vorliegenden Farbkombinationen die notwendigen Voraussetzungen für die Eintragung erfüllten, da sie einen spezifischen Markt und eine beschränkte Anzahl von Waren beträfen. Der Bohrermarkt bilde nämlich einen Teilmarkt des sehr spezifischen Marktes der Zerspanungswerkzeuge.

48      Zweitens macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe die angemeldeten Farbkombinationen fehlerhaft beurteilt. Entgegen den Behauptungen der Beschwerdekammer sollten die Farben der Waren der Klägerin ausschließlich auf deren betriebliche Herkunft hinweisen.

49      Die Beschwerdekammer habe daher ihre Behauptungen, die Farbe Silbergrau entspreche dem Grundmaterial der Bohrer, die Farbe der Bohrer sei nicht unüblich und diese Farbe werde von den Verbrauchern grundsätzlich als Hinweis auf eine besondere Härtung oder auf das Material, für das der Bohrer bestimmt sei, verstanden, nicht hinreichend belegt.

50      Die Beschwerdekammer habe auch nicht dargelegt, weshalb die Farben Ginstergelb und Ockergelb für Bohrer nicht ungewöhnlich seien und – da sie einem Goldton nahe kämen – auf Waren besonderer Qualität hinweisen könnten.

51      Schließlich bringt die Klägerin vor, dass die von ihr willkürlich festgelegten Farbkombinationen aufgrund ihrer Ungewöhnlichkeit und ihrer räumlichen Anordnung eine ursprüngliche Unterscheidungskraft besäßen. Außerdem schließe die Tatsache, dass die Farben ein Hinweis auf die Eigenschaften der Waren sein könnten, nicht zwingend aus, dass sie auch auf deren betriebliche Herkunft hinweisen könnten. Darüber hinaus komme der gewählten Einfärbung keinerlei funktionelle Bedeutung zu, da sie nur eine dünne äußerste Schicht der Bohreroberfläche betreffe, die beim Gebrauch abgerieben werde.

52      Drittens ist die Klägerin der Ansicht, die Beschwerdekammer habe in den angefochtenen Entscheidungen zu Unrecht die Urteile des Gerichts vom 25. September 2002, Viking-Umwelttechnik/HABM (Zusammenstellung von Grün und Grau) (T‑316/00, Slg. 2002, II‑3715), und vom 9. Juli 2003, Stihl/HABM (Kombination von Orange und Grau) (T‑234/01, Slg. 2003, II‑2867) angeführt, da der vorliegende Sachverhalt nicht mit den diesen beiden Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalten vergleichbar sei.

53      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

54      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sind „Marken, die keine Unterscheidungskraft haben“, von der Eintragung ausgeschlossen.

55      Unterscheidungskraft einer Marke bedeutet im Sinne dieser Bestimmung, dass diese Marke geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, Slg. 2004, I‑5089, Randnr. 34).

56      Ferner ist zu beachten, dass Farben oder Farbzusammenstellungen, um eine Marke sein zu können, drei Voraussetzungen erfüllen müssen. Erstens müssen sie ein Zeichen sein. Zweitens muss sich dieses Zeichen grafisch darstellen lassen. Drittens muss dieses Zeichen geeignet sein, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteil Libertel, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 23; in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, Slg. 2004, I‑6129, Randnr. 22).

57      Für die Frage, ob Farben oder Farbzusammenstellungen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, ist zu prüfen, ob sie für die Übermittlung von eindeutigen Informationen, insbesondere über die Herkunft einer Ware oder einer Dienstleistung, geeignet sind oder nicht (Urteil des Gerichtshofs, Heidelberger Bauchemie, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 37, sowie Urteile des Gerichts, Zusammenstellung von Grün und Grau, oben in Randnr. 52 angeführt, Randnr. 23, und Kombination von Orange und Grau, oben in Randnr. 52 angeführt, Randnr. 26).

58      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Farben zwar bestimmte gedankliche Verbindungen vermitteln und Gefühle hervorrufen können, dass sie aber ihrer Natur nach kaum geeignet sind, eindeutige Informationen zu übermitteln. Sie sind dies umso weniger, als sie in der Werbung und bei der Vermarktung von Waren und Dienstleistungen wegen ihrer Anziehungskraft gewöhnlich in großem Umfang ohne eindeutigen Inhalt verwendet werden (Urteil Heidelberger Bauchemie, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 38).

59      Von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, kommt Farben nicht von vornherein Unterscheidungskraft zu, doch können sie diese in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie als Gemeinschaftsmarke angemeldet werden, eventuell infolge einer Benutzung erwerben (Urteil Heidelberger Bauchemie, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 39). So kann eine Farbe als solche für die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangen. Dagegen lässt sich im Fall einer Farbe als solcher eine Unterscheidungskraft vor jeder Benutzung nur unter außergewöhnlichen Umständen vorstellen, insbesondere wenn die Zahl der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet wird, sehr gering und der maßgebliche Markt sehr spezifisch ist (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. November 2008, Gretag Macbeth/HABM [Kombination von 24 Farbkästchen], T‑400/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Zudem ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft, die eine bestimmte Farbe oder Farbzusammenstellung als Marke haben kann, dem Allgemeininteresse daran Rechnung zu tragen, dass die Verfügbarkeit der Farben für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt eingeschränkt wird (Urteile Libertel, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 60 und Heidelberger Bauchemie, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 41).

61      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Unterscheidungskraft eines Zeichens nur im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die es angemeldet worden ist, und im Hinblick auf seine Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise beurteilt werden kann (vgl. Urteil Kombination von 24 Farbkästchen, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist der Klagegrund des Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 zu prüfen.

63      Zunächst ist mit der Beschwerdekammer festzustellen, dass sich die fraglichen Waren sowohl an Fachkreise als auch an das allgemeine Publikum richten, was im Übrigen von den Parteien nicht bestritten worden ist. Daher werden die maßgeblichen Verkehrskreise, auf deren Sichtweise bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft der fraglichen Zeichen abzustellen ist, vom normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher gebildet (vgl. in diesem Sinne Urteil Kombination von 24 Farbkästchen, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Die angemeldeten Zeichen sind, da es sich um zusammengesetzte Zeichen handelt, für die Beurteilung ihrer Unterscheidungskraft in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Dies steht jedoch einer vorherigen Prüfung der einzelnen Bestandteile, aus denen sie sich zusammensetzen, nicht entgegen (vgl. Urteil Kombination von 24 Farbkästchen, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65      Die angemeldeten Zeichen stellen sich vorliegend als eine Kombination der Farben Ginstergelb und Silbergrau und der Farben Ockergelb und Silbergrau dar, deren Verhältnis zueinander, wie von der Beschwerdekammer in den angefochtenen Entscheidungen festgestellt, veränderlich ist. Gemäß der Beschreibung der Klägerin bedeckt der gelbe Farbton nämlich maximal zwei Drittel des Schneidteils des Bohrers, d. h., diese Farbe kann eine mehr oder weniger große Oberfläche bis zur Obergrenze von zwei Dritteln des Schneidteils des Bohrers bedecken (beispielsweise ein Drittel, ein Viertel oder sogar ein Fünftel). Daher sind die angemeldeten Zeichen systematisch nicht so angeordnet, dass die betreffenden Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind, und sie können somit nicht als Marken eingetragen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Heidelberger Bauchemie, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnrn. 32 und 33).

66      Selbst wenn man mit der Klägerin von einer feststehenden Farbverteilung ausgeht, steht doch fest, dass die angemeldeten Zeichen keine Unterscheidungskraft aufweisen.

67      Zunächst werden Bohrer, wie die Beschwerdekammer zutreffend ausgeführt hat, normalerweise in Grau- und Schwarztönen hergestellt. Daher hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass die Farbe Silbergrau der Farbe des Grundmaterials der Bohrer entspricht.

68      Diese Feststellung kann durch den Hinweis des Klägers, dass bestimmte Bohrer schwarz seien oder einen anderen Grauton als den von ihr gewählten aufwiesen, nicht in Frage gestellt werden, da die angemeldete Farbe (Silbergrau) für die maßgeblichen Verkehrskreise keine hinreichend wahrnehmbare Abweichung von den Farben, in denen die Bohrer hergestellt werden, aufweist. Als solcher kommt der Farbe Silbergrau somit keine Unterscheidungskraft für Bohrer zu.

69      Außerdem werden Werkzeuge für gewöhnlich gefärbt, um auf ihren Verwendungszweck oder ihre besonderen Eigenschaften, etwa das Vorhandensein eines Rostschutzanstrichs, hinzuweisen (Beschluss des Gerichts vom 5. Dezember 2007, Kapman/HABM [Darstellung eines blauen Sägeblatts], T‑127/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 27).

70      Die Benutzung von Farben, um auf den Verwendungszweck oder die besonderen Eigenschaften der Waren hinzuweisen, wird auch durch die Unterlagen bestätigt, die die Klägerin während des Verfahrens vor dem HABM eingereicht hat. Wie insbesondere aus Randnr. 4 der angefochtenen Entscheidungen hervorgeht, wird in diesen Unterlagen nämlich festgestellt, dass die Farben der Bohrer auf ihre besonderen Eigenschaften und die Materialien, für die sie eingesetzt werden können, hinweisen.

71      Darüber hinaus sehen, wie die Beschwerdekammer festgestellt hat, Ginstergelb und Ockergelb auf Metall wie Goldtöne aus. Da die Farbe Gold normalerweise auf Waren aufgebracht wird, um auf ihre hohe Qualität hinzuweisen, wird sie von den Verbrauchern nicht als ungewöhnlich angesehen werden.

72      Die Beschwerdekammer hat daher in den angefochtenen Entscheidungen zu Recht festgestellt, dass die ockergelbe und die ginstergelbe Farbe der Bohrerspitzen nicht als ungewöhnlich aufgefasst werden und von den maßgeblichen Verkehrskreisen als ein Hinweis auf die Qualität oder den Verwendungszweck der Bohrer verstanden werden würden.

73      In Bezug auf den durch diese Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck ist also davon auszugehen, dass die Kombinationen von Ginstergelb und Silbergrau sowie von Ockergelb und Silbergrau mit dem üblichen äußeren Erscheinungsbild der Bohrer verschmelzen und daher keine Elemente enthalten, die die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf sich ziehen könnten. Die maßgeblichen Verkehrskreise werden daher die fraglichen Zeichen nicht als Zeichen auffassen, die auf eine betriebliche Herkunft der Waren hinweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kombination von 24 Farbkästchen, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnrn. 44 und 45).

74      Die Beschwerdekammer hat daher zu Recht entschieden, dass die angemeldeten Zeichen keine Unterscheidungskraft haben.

75      Das Vorbringen, die Farben der Bohrer hätten keinerlei funktionelle Bedeutung, spricht nicht gegen diese Beurteilung, da insoweit die Feststellung genügt, dass die Farben von den Herstellern als ein Hinweis auf den Verwendungszweck und die Eigenschaften der Bohrer benutzt und von den maßgeblichen Verkehrskreisen auch so aufgefasst werden.

76      Zweitens ist, was die Rüge der ungerechtfertigten Bezugnahme auf die Urteile Zusammenstellung von Grün und Grau sowie Kombination von Orange und Grau (oben in Randnr. 52 angeführt) angeht, darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer diese beiden Urteile in Randnr. 31 der angefochtenen Entscheidungen nur angeführt hat, um ihr Vorbringen, dass die Farbe Grau als die Farbe des Grundmaterials der Bohrer aufgefasst werden könne, zu stützen. Daher kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die diesen beiden Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalte nicht mit denen der vorliegenden Fälle vergleichbar seien.

77      Drittens ist nach der oben in Randnr. 60 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die Notwendigkeit, dass die Verfügbarkeit der Farben für die Wettbewerber nicht ungerechtfertigt eingeschränkt wird, sowohl bei einfarbigen Marken als auch bei Marken, die aus einer Farbkombination bestehen, zu berücksichtigen.

78      Daher ist die Rüge zurückzuweisen, das Ziel, die Verfügbarkeit der Farben für die Wettbewerber nicht ungerechtfertigt einzuschränken, sei auf Farbkombinationen nicht anwendbar.

79      Nach alledem ist der Klagegrund zurückzuweisen.

80      Da keiner der von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe durchgreift, sind die Klagen in vollem Umfang abzuweisen, ohne dass über die Zulässigkeit des zweiten und des dritten Antrags der Klägerin zu entscheiden ist, die auf die Aufhebung der Entscheidungen des Prüfers bzw. die Feststellung der Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Marken gerichtet sind.

 Kosten

81      Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Rechtssachen T‑299/09 und T‑300/09 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

2.      Die Klagen werden abgewiesen.

3.      Die Gühring OHG trägt die Kosten.

Martins Ribeiro

Papasavvas

Dittrich

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 3. Februar 2011.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.