Language of document : ECLI:EU:T:2012:301

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

14. Juni 2012(*)

„Umwelt – Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 – Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Schutz der Luft und zur Verbesserung der Luftqualität – Einem Mitgliedstaat bewilligte zeitlich begrenzte Ausnahme – Antrag auf interne Überprüfung – Ablehnung – Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls – Gültigkeit – Übereinkommen von Århus“

In der Rechtssache T‑396/09

Vereniging Milieudefensie mit Sitz in Amsterdam (Niederlande),

Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht mit Sitz in Utrecht (Niederlande),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. van den Biesen,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten zunächst durch P. Oliver, W. Roels und A. Alcover San Pedro, dann durch P. Oliver, A. Alcover San Pedro und E. Manhaeve und schließlich durch P. Oliver, A. Alcover San Pedro und B. Burggraaf als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich der Niederlande, vertreten durch C. Wissels, Y. de Vries, J. Langer und M. de Ree als Bevollmächtigte,

durch

Europäisches Parlament, vertreten zunächst durch L. Visaggio und A. Baas, dann durch L. Visaggio und G. Corstens als Bevollmächtigte,

und durch

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Moore und F. Naert als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C(2009) 6121 der Kommission vom 28. Juli 2009, den Antrag der Klägerinnen auf Überprüfung der Entscheidung C(2009) 2560 def. vom 7. April 2009 als unzulässig abzulehnen, mit der dem Königreich der Niederlande eine zeitlich begrenzte Ausnahme von den Verpflichtungen aus der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152, S. 1) bewilligt wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich, der Richterin I. Wiszniewska‑Białecka (Berichterstatterin) und des Richters M. Prek,

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2011

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Klägerinnen sind die Vereniging Milieudefensie, eine Vereinigung niederländischen Rechts mit Sitz in Amsterdam (Niederlande), deren Zweck der Schutz der Umwelt und die Verbesserung der Luftqualität in den Niederlanden ist, und die Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, eine Stiftung niederländischen Rechts mit Sitz in Utrecht, die sich der Bekämpfung der Luftverschmutzung in der Region von Utrecht verschrieben hat.

2        Am 15. Juli 2008 teilte das Königreich der Niederlande der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 22 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152, S. 1) mit, dass es eine Verlängerung der Frist für die Erreichung des für Stickstoffdioxid festgesetzten Jahresgrenzwerts in neun Gebieten sowie eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Anwendung der Tages- und Jahresgrenzwerte in Anspruch nehme, die für Partikel festgesetzt worden waren, die einen Lufteinlass passieren, der für einen aerodynamischen Durchmesser von 10 μm eine Abscheidewirksamkeit von 50 % aufweist (im Folgenden: PM10).

3        Am 7. April 2009 erließ die Kommission die Entscheidung C(2009) 2560 def. (im Folgenden: Entscheidung vom 7. April 2009).

4        Art. 1 der Entscheidung vom 7. April 2009 bestimmt:

„(1)      Gegen die Verlängerung der Frist für das Erreichen des in Anhang XI der Richtlinie 2008/50/EG festgesetzten [Stickstoffdioxid]‑Jahresgrenzwerts in den im Anhang dieser Entscheidung bezeichneten Gebieten 1 bis 8 werden keine Einwände erhoben. Die Verlängerung gilt bis zum 31. Dezember 2014.

(2)      Gegen die Verlängerung der Frist für das Erreichen des [Stickstoffdioxid]‑Jahresgrenzwerts in dem im Anhang dieser Entscheidung bezeichneten Gebiet 9 werden unter der Voraussetzung keine Einwände erhoben, dass der nationale Luftqualitätsplan, das NSL [Nationale Samenwerkingsprogramma Luchtkwaliteit; Nationales Kooperationsprogramm Luftqualität] und der betreffende regionale Plan so angepasst werden, dass die Erreichung des [Stickstoffdioxid]‑Jahresgrenzwerts bis zum 31. Dezember 2012 gewährleistet ist. …“

5        Art. 2 der Entscheidung vom 7. April 2009 bestimmt:

„Gegen die … Ausnahmen von der in Anhang XI der Richtlinie 2008/50/EG festgelegten Verpflichtung zur Einhaltung der PM10‑Grenzwerte werden keine Einwände erhoben …

Diese Ausnahme gilt bis zum 10. Juni 2011.“

6        Art. 3 der Entscheidung vom 7. April 2009 sieht vor, dass das Königreich der Niederlande der Kommission bestimmte Daten über die in der Richtlinie 2008/50 festgelegten Grenzwerte übermittelt.

7        Mit Schreiben vom 18. Mai 2009 stellten die Klägerinnen nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. L 264, S. 13) einen Antrag bei der Kommission auf interne Überprüfung der Entscheidung vom 7. April 2009.

8        Mit Entscheidung C(2009) 6121 vom 28. Juli 2009 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) lehnte die Kommission den Antrag der Klägerinnen auf interne Überprüfung ab. Sie führte aus:

„Sie beantragen die Überprüfung der … Entscheidung vom 7. April 2009 mit der Begründung, dass die Niederlande die Voraussetzungen des Art. 22 der Richtlinie 2008/50/EG nicht erfüllen würden und deshalb die Kommission gegen den Antrag auf Verlängerung der Frist für die Einhaltung der [Stickstoffdioxid]-Grenzwerte und auf Ausnahme von der Anwendung der PM10-Grenzwerte Einwände hätte erheben müssen.

Aus Art. 10 in Verbindung mit der Definition eines ‚Verwaltungsakts‘ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung [Nr. 1367/2006] folgt, dass ein Antrag auf interne Überprüfung nur gegen eine Maßnahme des Umweltrechts zur Regelung eines Einzelfalls gestellt werden kann, die von einem Organ oder einer Einrichtung der Gemeinschaft getroffen wird, rechtsverbindlich ist und Außenwirkung hat.

Ohne darüber zu befinden, ob die anderen in Titel IV der Verordnung … Nr. 1367/2006 niedergelegten Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind, sieht die Kommission die Entscheidung vom 7. April 2009 nicht als Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls an.

Die Kommission versteht Ihren Antrag so, dass die Entscheidung Ihrer Ansicht nach u. a. deshalb ein Verwaltungsakt zur Regelung eines Einzelfalls (eine Entscheidung) ist, weil sie gegen einen einzigen, namentlich genannten Mitgliedstaat gerichtet ist …

Eine an einen spezifischen Mitgliedstaat gerichtete Entscheidung kann jedoch eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung sein, wenn sie sich auf die Genehmigung von Maßnahmen bezieht, die gegenüber einer oder mehreren allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen Anwendung finden.

Nach der Rechtsprechung haben Ausnahmen von einer bestimmten allgemeinen Regelung, die von der Kommission durch bestätigende Entscheidungen aufgrund einer bestimmten Richtlinie genehmigt werden, denselben rechtlichen Charakter wie die Richtlinie, sofern die Entscheidungen der Kommission abstrakt an nicht näher umschriebene Personen gerichtet sind und für objektiv umschriebene Situationen gelten. In diesen Fällen sind die Entscheidungen (auch wenn sie als solche bezeichnet worden sind) als Maßnahmen mit allgemeiner Geltung anzusehen. Insoweit wird verwiesen auf den Beschluss des Gerichts vom 16. Februar 2005, Fost Plus VZW/Kommission (T‑142/03, Slg. 2005, II‑589, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Im Licht des Geltungsbereichs und der Voraussetzungen der Ausnahme des Art. 22 der Richtlinie 2008/50/EG vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Entscheidung die Anwendung auf eine objektiv beschriebene Situation betrifft und gegenüber nicht näher umschriebenen Personengruppen allgemein und abstrakt Rechtswirkungen entfaltet. Auf Art. 22 der Richtlinie 2008/50/EG gestützte Entscheidungen sind daher als ‚Ausnahmen von einer allgemeinen Regelung‘ im Sinne der vorstehend angeführten Rechtsprechung anzusehen, so dass diese Entscheidungen von derselben allgemeinen Geltung sind wie die Richtlinie 2008/50/EG.

Außerdem ist darauf zu verweisen, dass die Anwendung von Art. 22 der Richtlinie 2008/50/EG nur möglich ist, wenn der Mitgliedstaat für die Gebiete und Ballungsräume, für die die Fristverlängerung und die Ausnahme gelten sollen, einen Luftqualitätsplan erstellt. Ein solcher Plan sieht den Erlass und die Durchführung von Maßnahmen vor, die auf einen nicht näher umschriebenen Personenkreis in objektiv umschriebenen Situationen anwendbar sind. Die Entscheidung nach Art. 22 der Richtlinie 2008/50/EG, in der die Kommission gegen die Mitteilung der Niederlande keine Einwände erhoben hat, beruht auf dem von diesem Mitgliedstaat vorgelegten Luftqualitätsplan.

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist die Kommission der Ansicht, dass sich Ihr Antrag auf interne Überprüfung nicht auf einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie Nr. 1367/2006 bezieht. Die Kommission erklärt Ihren Antrag daher für unzulässig.“

 Verfahren und Anträge der Parteien

9        Mit Klageschrift, die am 6. Oktober 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

10      Mit am 19. Oktober 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem besonderem Schriftsatz haben die Klägerinnen einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz eingereicht, mit dem sie den Präsidenten des Gerichts sinngemäß ersucht haben, den Vollzug der angefochtenen Entscheidung bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache oder bis zum Erlass einer neuen Entscheidung der Kommission über den Antrag auf interne Überprüfung auszusetzen.

11      Mit Beschluss vom 17. Dezember 2009 hat der Präsident des Gerichts den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz als offensichtlich unzulässig zurückgewiesen. Die Kostenentscheidung ist vorbehalten worden.

12      Mit Schriftsätzen, die am 14., 15. und 26. Januar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden sind, haben das Europäische Parlament, das Königreich der Niederlande und der Rat der Europäischen Union beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission im vorliegenden Verfahren zugelassen zu werden. Diesem Antrag ist durch Beschluss des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichts vom 11. März 2010 stattgegeben worden. Das Parlament, das Königreich der Niederlande und der Rat haben ihre Streithilfeschriftsätze am 28. Mai 2010 eingereicht. Die Kommission und die Klägerinnen haben ihre Stellungnahmen zu diesen Schriftsätzen am 15. bzw. 19. Juli 2010 eingereicht.

13      Infolge einer Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ist die Berichterstatterin der Siebten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

14      Auf Bericht der Berichterstatterin hat das Gericht (Siebte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

15      Die Parteien haben in der Sitzung vom 13. September 2011 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

16      Die Klägerinnen beantragen,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission aufzugeben, über die Begründetheit des Antrags auf interne Überprüfung zu entscheiden, und ihr dazu eine Frist zu setzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

17      Die Kommission, unterstützt durch das Königreich der Niederlande, das Parlament und den Rat, beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Verpflichtungsantrag

18      Zu dem mit dem zweiten Klageantrag gestellten Verpflichtungsantrag, der Kommission aufzugeben, über die Begründetheit des Antrags auf interne Überprüfung zu entscheiden, und der Kommission dazu eine Frist zu setzen, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Unionsrichter im Rahmen einer Nichtigkeitsklage lediglich befugt ist, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung zu prüfen, und das Gericht bei der Wahrnehmung seiner Befugnisse den Gemeinschaftsorganen keine Anordnungen erteilen kann (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, DSM/Kommission, C‑5/93 P, Slg. 1999, I‑4695, Randnr. 36, und Urteil des Gerichts vom 24. Februar 2000, ADT Projekt/Kommission, T‑145/98, Slg. 2000, II‑387, Randnr. 83). Das betreffende Organ hat nämlich nach Art. 266 AEUV die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen (Urteile des Gerichts vom 27. Januar 1998, Ladbroke Racing/Kommission, T‑67/94, Slg. 1998, II‑1, Randnr. 200, und vom 29. September 2009, Thomson Sales Europe/Kommission, T‑225/07 und T‑364/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 221).

19      Folglich ist der zweite Klageantrag unzulässig.

 Zum Antrag auf Nichtigerklärung

20      Die Klägerinnen machen zur Stützung ihres Nichtigkeitsantrags zwei Klagegründe geltend. In erster Linie tragen sie vor, die Kommission habe ihren Antrag auf interne Überprüfung der Entscheidung vom 7. April 2009 zu Unrecht als unzulässig angesehen, da es sich um eine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls handele. Dieser Klagegrund ist dahin auszulegen, dass er im Wesentlichen auf einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 gestützt wird.

21      Hilfsweise machen die Klägerinnen geltend, sollte der erste Klagegrund zurückgewiesen werden, sei davon auszugehen, dass Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 dadurch, dass er den Begriff „Handlungen“ in Art. 9 Abs. 3 des am 25. Juni 1998 in Århus unterzeichneten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Übereinkommen von Århus) auf „Verwaltungsakte“ beschränke, die zudem in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 als „Maßnahme[n] … zur Regelung eines Einzelfalls“ definiert würden, gegen diese Bestimmung des Übereinkommens von Århus verstoße.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006

22      Mit diesem in erster Linie vorgetragenen Klagegrund machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, indem die Kommission ihren Antrag auf interne Überprüfung der Entscheidung vom 7. April 2009 abgelehnt habe, habe sie gegen Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 verstoßen.

23      Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 kann jede Nichtregierungsorganisation, die die in Art. 11 dieser Verordnung festgelegten Kriterien erfüllt, bei dem Unionsorgan, das einen Verwaltungsakt nach dem Umweltrecht angenommen hat, eine interne Überprüfung beantragen. Der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff „Verwaltungsakt“ wird in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g dieser Verordnung definiert als jede Maßnahme des Umweltrechts zur Regelung eines Einzelfalls, die von einem Unionsorgan getroffen wird, rechtsverbindlich ist und Außenwirkung hat.

24      Im vorliegenden Fall hat die Kommission den Antrag der Klägerinnen auf interne Überprüfung der Entscheidung vom 7. April 2009 mit der Begründung abgelehnt, dass sich der Antrag auf interne Überprüfung, da diese Entscheidung keine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls sei, nicht auf einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 beziehe. Die Klägerinnen treten dieser Beurteilung mit dem Argument entgegen, dass die Entscheidung vom 7. April 2009 eine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls darstelle.

25      Um festzustellen, ob die Kommission zu Recht der Ansicht war, dass der Antrag der Klägerinnen auf interne Überprüfung nicht den Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 entsprach, ist somit zu prüfen, ob die Entscheidung vom 7. April 2009 eine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 darstellt.

26      Nach der Rechtsprechung kann sich der Unionsrichter bei der Bestimmung der Tragweite einer Maßnahme nicht mit deren amtlicher Bezeichnung zufriedengeben, sondern muss in erster Linie auf ihren Gegenstand und Inhalt abstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1962, Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes u. a./Rat, 16/62 und 17/62, Slg. 1962, 963, 978). So hat eine an einen Mitgliedstaat gerichtete Maßnahme allgemeine Geltung, wenn sie für objektiv bestimmte Situationen gilt und gegenüber allgemein und abstrakt bezeichneten Personengruppen Rechtswirkungen entfaltet (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofs vom 8. April 2008, Saint-Gobain Glass Deutschland/Kommission, C‑503/07 P, Slg. 2008, I‑2217, Randnr. 71).

27      Außerdem sind in einem Rechtsakt enthaltene Beschränkungen oder Ausnahmen vorübergehender Art Bestandteil der Gesamtregelung, zu der sie gehören, und teilen außer im Fall eines Ermessensmissbrauchs deren allgemeine Rechtsnatur (Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 1993, Gibraltar/Rat, C‑298/89, Slg. 1993, I‑3605, Randnr. 18; Beschluss des Gerichts vom 12. März 2007, Regione Autonoma Friuli-Venezia Giulia/Kommission, T‑417/04, Slg. 2007, II‑641, Randnr. 49, und Urteil des Gerichts vom 1. Juli 2008, Região autónoma dos Açores/Rat, T‑37/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 33).

28      Schließlich hat der Unionsrichter festgestellt, dass Ausnahmen von der allgemeinen Regelung, die die von der Kommission nach einer Richtlinienbestimmung erlassenen Bestätigungsentscheidungen darstellen, am allgemeinen Charakter der betreffenden Richtlinie partizipieren, da sie sich abstrakt an unbestimmte Personengruppen wenden und für objektiv bestimmte Sachverhalte gelten (vgl. Beschluss des Gerichts vom 16. Februar 2005, Fost Plus/Kommission, T‑142/03, Slg. 2005, II‑589, im Folgenden: „Beschluss Fost Plus“, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass die Richtlinie 2008/50 eine Handlung mit allgemeiner Geltung ist, da sie abstrakt und objektiv eine allgemeine Regelung auf dem Gebiet der Bewertung und Begrenzung des Ausstoßes von Schadstoffen aufstellt.

30      Zweitens sieht Art. 22 der Richtlinie 2008/50 für die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen und unter der Kontrolle der Kommission die Möglichkeit zeitlich begrenzter Ausnahmen von der Verpflichtung vor, die mit dieser Richtlinie festgelegten Grenzwerte einzuhalten. Dieser Artikel hat folgenden Wortlaut:

„(1)      Können in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum die Grenzwerte für Stickstoffdioxid … nicht innerhalb der in Anhang XI festgelegten Fristen eingehalten werden, so kann ein Mitgliedstaat diese Fristen für dieses bestimmte Gebiet oder diesen bestimmten Ballungsraum um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn folgende Voraussetzung erfüllt ist: für das Gebiet oder den Ballungsraum, für das/den die Verlängerung gelten soll, wird ein Luftqualitätsplan gemäß Artikel 23 erstellt; dieser Luftqualitätsplan wird durch … Informationen in Bezug auf die betreffenden Schadstoffe ergänzt und zeigt auf, wie die Einhaltung der Grenzwerte vor Ablauf der neuen Frist erreicht werden soll.

(2)      Können in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum die Grenzwerte für PM10 nach Maßgabe des Anhangs XI aufgrund standortspezifischer Ausbreitungsbedingungen, ungünstiger klimatischer Bedingungen oder grenzüberschreitender Einträge nicht eingehalten werden, so werden die Mitgliedstaaten bis zum 11. Juni 2011 von der Verpflichtung zur Einhaltung dieser Grenzwerte ausgenommen, sofern die in Absatz 1 festgelegten Bedingungen erfüllt sind und der Mitgliedstaat nachweist, dass alle geeigneten Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene getroffen wurden, um die Fristen einzuhalten.

(3)      Bei der Anwendung des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Grenzwert für jeden Schadstoff nicht um mehr als die für jeden der betroffenen Schadstoffe in Anhang XI festgelegte maximale Toleranzmarge überschritten wird.

(4)      Ein Mitgliedstaat, der der Ansicht ist, dass Absatz 1 oder Absatz 2 anwendbar ist, teilt dies der Kommission mit und übermittelt ihr den Luftqualitätsplan gemäß Absatz 1 einschließlich aller relevanten Informationen, die die Kommission benötigt, um festzustellen, ob die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei berücksichtigt die Kommission die voraussichtlichen Auswirkungen der von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen auf die gegenwärtige und die zukünftige Luftqualität in den Mitgliedstaaten sowie die voraussichtlichen Auswirkungen der gegenwärtigen Gemeinschaftsmaßnahmen und der von der Kommission vorzuschlagenden geplanten Gemeinschaftsmaßnahmen auf die Luftqualität.

Hat die Kommission neun Monate nach Eingang dieser Mitteilung keine Einwände erhoben, gelten die Bedingungen für die Anwendung von Absatz 1 bzw. Absatz 2 als erfüllt.

Werden Einwände erhoben, kann die Kommission die Mitgliedstaaten auffordern, Anpassungen vorzunehmen oder neue Luftqualitätspläne vorzulegen.“

31      Drittens hat die Kommission in der nach Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2008/50 aufgrund der Mitteilung des Königreichs der Niederlande erlassenen Entscheidung vom 7. April 2009 keine Einwände gegen die Verlängerung der Frist für das Erreichen der festgelegten Stickstoffdioxid-Grenzwerte in den Gebieten 1 bis 8 und gegen die Ausnahme von der Verpflichtung zur Anwendung der festgelegten PM10-Grenzwerte erhoben. Gegen die Verlängerung der Frist für das Erreichen der Stickstoffdioxid‑Grenzwerte im Gebiet 9 hat sie unter der Voraussetzung keine Einwände erhoben, dass das NSL und der betreffende regionale Plan angepasst würden. Diese Entscheidung zeitigt Wirkungen für die Luftqualität in bestimmten Gebieten der Niederlande und für alle sich in diesen Gebieten aufhaltenden Personen.

32      Damit stellt die nach Art. 22 Abs. 4 der Richtlinie 2008/50 ergangene Entscheidung der Kommission vom 7. April 2009 eine Ausnahme von der mit der Richtlinie 2008/50 geschaffenen allgemeinen Regelung dar, die den allgemeinen Charakter der Richtlinie teilt, indem sie sich abstrakt an unbestimmte Gruppen von Personen richtet und auf objektiv bestimmte Situationen anwendbar ist.

33      Die in dem in Randnr. 28 des vorliegenden Urteils angeführten Beschluss Fost Plus berücksichtigte Lösung ist somit auf den vorliegenden Fall übertragbar. Zunächst werden sowohl mit der Richtlinie 2008/50 als auch mit der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle (ABl. L 365, S. 10), um die es im Beschluss Fost Plus geht, abstrakt und objektiv allgemeine Regelungen aufgestellt, die die Bekämpfung der Luftverschmutzung bzw. die Verwertung von Verpackungen und Verpackungsabfällen betreffen. Sodann lässt Art. 22 der Richtlinie 2008/50 – entsprechend Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie 94/62 – unter bestimmten Voraussetzungen und der Kontrolle der Kommission zu, dass Mitgliedstaaten von der mit dieser Richtlinie festgelegten allgemeinen Regelung Ausnahmen in Anspruch nehmen. Schließlich teilen die von der Kommission nach Art. 22 der Richtlinie 2008/50 erlassenen Entscheidungen – wie die bestätigenden Entscheidungen der Kommission nach Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie 94/62 – den allgemeinen Charakter der Richtlinie, da sie sich abstrakt an unbestimmte Gruppen von Personen richten und auf objektiv bestimmte Situationen anwendbar sind.

34      Infolgedessen ist festzustellen, dass die Entscheidung vom 7. April 2009, da sie eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung darstellt, nicht als Verwaltungsakt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 angesehen werden kann.

35      Diese Schlussfolgerung wird durch das Vorbringen der Klägerinnen nicht erschüttert.

36      Erstens ist zum Vorbringen der Klägerinnen, mit dem sie nachweisen wollen, dass die Entscheidung vom 7. April 2009 eine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls sei, zunächst festzustellen, dass es nach der in den Randnrn. 26 bis 28 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung für die Feststellung der Tragweite dieser Entscheidung nicht ausschlaggebend ist, dass diese an das Königreich der Niederlande gerichtet ist. Es ist nämlich festgestellt worden, dass eine Entscheidung, deren Adressat ein einziger Mitgliedstaat war, von allgemeiner Geltung war (Beschluss Saint-Gobain Glass Deutschland/Kommission, oben in Randnr. 26 angeführt, Randnr. 71). Außerdem ist das von den Klägerinnen angeführte Urteil des Gerichtshofs vom 20. März 2003, Dänemark/Kommission (C‑3/00, Slg. 2003, I‑2643, Randnrn. 39 und 40), im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da die Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, eine andere Frage als die in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfene betrifft. In diesem Urteil hat der Gerichtshof ausgeführt, dass das Verfahren, das zu einer Entscheidung der Kommission nach Art. 95 Abs. 4 und 6 EG führte, mit der der Beibehaltung einer nationalen Bestimmung zugestimmt wurde, die von einer Handlung mit allgemeiner Geltung abwich, nicht als Teil des Rechtsetzungsverfahrens zum Erlass der Handlung mit allgemeiner Geltung angesehen werden konnte. Es ging dort also nicht darum, ob die betreffende Entscheidung eine Maßnahme mit individueller oder mit allgemeiner Geltung war, sondern darum, ob diese Entscheidung im Rahmen eines Rechtsetzungsverfahrens erlassen wurde. Folglich kann das Vorbringen der Klägerinnen, dass die Entscheidung vom 7. April 2009 nur an das Königreich der Niederlande gerichtet sei, nicht greifen.

37      Sodann ist festzustellen, dass nach der in den Randnrn. 26 bis 28 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung der Umstand, dass die Kommission befugt ist, den Antrag eines Mitgliedstaats auf Inanspruchnahme einer Ausnahme individuell zu beurteilen, und die Möglichkeit hat, ihm stattzugeben, ihn abzulehnen oder ihn unter bestimmten Voraussetzungen anzunehmen, entgegen dem Vortrag der Klägerinnen für die Bestimmung der Tragweite der Entscheidung vom 7. April 2009 nicht ausschlaggebend ist.

38      Schließlich vermag auch das Vorbringen der Klägerinnen, die Entscheidung vom 7. April 2009 sei eine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls, da sie nur gegenüber dem Königreich der Niederlande Rechtswirkungen entfalte, nicht zu überzeugen. Mit dieser Entscheidung wird nämlich dem Königreich der Niederlande gestattet, Handlungen mit allgemeiner Geltung vorzunehmen, die für alle natürlichen oder juristischen Personen gelten, die in den von dieser Entscheidung erfassten niederländischen Gebieten und Ballungsräumen wohnen bzw. ansässig sind oder dort einer Tätigkeit nachgehen. Diese Entscheidung entfaltet daher Rechtswirkungen nicht nur gegenüber dem Königreich der Niederlande, sondern auch gegenüber allen diesen Personen.

39      Was zweitens das Argument der Klägerinnen angeht, die Richtlinie 2008/50 enthalte, da sie an die Mitgliedstaaten, die einen Gestaltungsspielraum bei der Durchführung der Richtlinie behielten, und nicht an Bürger oder Unternehmen gerichtet sei, keine „Maßnahmen, die für eine oder mehrere allgemein und abstrakt bezeichnete Personengruppen gelten“, so ist darauf hinzuweisen, dass eine Richtlinie eine normative, allgemeine und abstrakte Handlung ist (Beschluss des Gerichtshofs vom 23. November 1995, Asocarne/Rat, C‑10/95 P, Slg. 1995, I‑4149, Randnr. 37). Dass das Königreich der Niederlande bei der Wahl der zur Umsetzung der Richtlinie 2008/50 geeigneten Form und Mittel einen Gestaltungsspielraum behält, kann daher nicht die allgemeine Geltung der Richtlinie in Frage stellen. Damit kann das Argument der Klägerinnen nicht durchgreifen.

40      Drittens ist das Vorbringen der Klägerinnen unerheblich, dass die Kommission zur Überprüfung der Entscheidung vom 7. April 2009 verpflichtet gewesen sei, da sie vorgetragen hätten, dass das Königreich der Niederlande die Voraussetzungen der Richtlinie 2008/50 für die Gewährung einer Ausnahme nicht erfülle. Die Prüfung der Begründetheit des Antrags auf interne Überprüfung wirkt sich nämlich nicht auf dessen Zulässigkeit aus.

41      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Entscheidung vom 7. April 2009, da sie keine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls darstellt, nicht als Verwaltungsakt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 angesehen werden kann. Damit war diese Entscheidung einem Antrag auf interne Überprüfung nach Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung nicht zugänglich. Folglich hat die Kommission nach diesen Bestimmungen nicht fehlerhaft gehandelt, indem sie den Antrag der Klägerinnen auf interne Überprüfung der Entscheidung vom 7. April 2009 für unzulässig erklärte.

42      Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Ungültigkeit des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006, da er den Begriff „Handlungen“ in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus auf „Verwaltungsakte“ beschränke, die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g dieser Verordnung als „Maßnahme[n] … zur Regelung eines Einzelfalls“ definiert würden

43      Hilfsweise tragen die Klägerinnen im Kern vor, sollte die angefochtene Entscheidung nicht auf den ersten Klagegrund hin für nichtig erklärt werden, sei jedenfalls davon auszugehen, dass Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 dadurch, dass er den Begriff „Handlungen“ in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus auf „Verwaltungsakte“ beschränke, die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g dieser Verordnung als „Maßnahme[n] … zur Regelung eines Einzelfalls“ definiert würden, gegen diese Bestimmung des Übereinkommens von Århus verstoße. Angesichts des Vorrangs des Übereinkommens von Århus vor der Verordnung Nr. 1367/2006 dürfe diese Bestimmung der Verordnung Nr. 1367/2006, da sie diesem Übereinkommen zuwiderlaufe, nicht angewandt werden.

44      Es ist davon auszugehen, dass die Klägerinnen mit diesem Klagegrund im Sinne von Art. 241 EG eine Einrede der Rechtswidrigkeit des Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 erheben.

45      Nach Ansicht der Kommission und der Streithelfer ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

46      Das Parlament und der Rat bezweifeln die Zulässigkeit dieses Klagegrundes, insbesondere weil die Klage keine Anträge enthalte, die Verordnung Nr. 1367/2006 für rechtswidrig zu erklären.

47      Insoweit ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung die in Art. 241 EG vorgesehene Einrede der Rechtswidrigkeit Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes ist, der jeder Partei das Recht gewährleistet, zum Zweck der Nichtigerklärung einer sie beschwerenden Entscheidung inzidenter die Gültigkeit derjenigen früheren Rechtsakte zu bestreiten, die die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung bilden (Urteil des Gerichts vom 19. Juli 1999, Q/Rat, T‑20/98, Slg. ÖD 1999, I‑A‑147 und II‑779, Randnr. 47). Demgemäß ist im vorliegenden Fall die Einrede der Rechtswidrigkeit der Verordnung Nr. 1367/2006 von den Klägerinnen inzidenter erhoben worden, um die Nichtigerklärung der auf der Grundlage dieser Verordnung erlassenen angefochtenen Entscheidung zu erwirken. Die Zulässigkeit der Einrede der Rechtswidrigkeit ist somit nicht von der Stellung eines Antrags in Bezug auf die Rechtswidrigkeit der Verordnung Nr. 1367/2006 abhängig.

48      Der Rat macht daneben geltend, es werde nicht deutlich, ob die Klägerinnen die Rechtmäßigkeit der Verordnung Nr. 1367/2006 im Hinblick auf das Übereinkommen von Århus in Frage stellten, da sie sich unschlüssig zeigten, inwieweit die Verordnung Nr. 1367/2006 gegen das Übereinkommen von Århus verstoße und inwieweit sie übereinkommenskonform ausgelegt werden könne. Der Rat bezweifelt daher, dass der von den Klägerinnen hilfsweise geltend gemachte Klagegrund den nach Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts erforderlichen Grad an Klarheit und Genauigkeit aufweist.

49      Insoweit genügt der Hinweis darauf, dass die Klägerinnen in Randnr. 39 der Klageschrift klar ausführen, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 wegen Verstoßes gegen das Übereinkommen von Århus nicht anzuwenden sei, da eine übereinkommenskonforme Auslegung dieser Bestimmung nicht möglich sei.

50      Daraus folgt, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006, soweit er den Begriff „Handlungen“ in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus auf „Verwaltungsakte“ beschränkt, wie sie in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g dieser Verordnung definiert sind, zulässig ist.

51      Zur Begründetheit dieses Klagegrundes ist festzustellen, dass nach Art. 300 Abs. 7 EG die von der Gemeinschaft geschlossenen Abkommen für ihre Organe verbindlich sind und daher Vorrang vor den Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts haben (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 10. September 1996, Kommission/Deutschland, C‑61/94, Slg. 1996, I‑3989, Randnr. 52, und vom 12. Januar 2006, Algemene Scheeps Agentuur Dordrecht, C‑311/04, Slg. 2006, I‑609, Randnr. 25).

52      Das Übereinkommen von Århus ist von der Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet und sodann durch den Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. L 124, S. 1) genehmigt worden. Dieses Abkommen ist damit für die Organe verbindlich und hat Vorrang vor Rechtsakten des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts. Daraus folgt, dass die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1367/2006 wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem Übereinkommen von Århus beeinträchtigt sein kann.

53      Nach der Rechtsprechung kann der Unionsrichter die Gültigkeit einer Verordnungsbestimmung nur dann an einem völkerrechtlichen Vertrag messen, wenn dessen Art und Struktur dem nicht entgegenstehen und seine Bestimmungen außerdem inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen (Urteile des Gerichtshofs vom 3. Juni 2008, Intertanko u. a., C‑308/06, Slg. 2008, I‑4057, Randnr. 45, und vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission, C‑120/06 P und C‑121/06 P, Slg. 2008, I‑6513, Randnr. 110).

54      Wollte die Gemeinschaft jedoch eine bestimmte im Rahmen eines internationalen Übereinkommens übernommene Verpflichtung erfüllen oder verweist der Rechtsakt ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen dieses Übereinkommens, hat der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit des betreffenden Rechtsakts an den Bestimmungen dieses Übereinkommens zu messen (vgl. in diesem Sinne zum Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation Urteile des Gerichtshofs vom 23. November 1999, Portugal/Rat, C‑149/96, Slg. 1999, I‑8395, Randnr. 49, vom 30. September 2003, Biret International/Rat, C‑93/02 P, Slg. 2003, I‑10497, Randnr. 53, und vom 1. März 2005, Van Parys, C‑377/02, Slg. 2005, I‑1465, Randnr. 40; vgl. in diesem Sinne ferner zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen [im Folgenden: GATT] Urteile des Gerichtshofs vom 22. Juni 1989, Fediol/Kommission, 70/87, Slg. 1989, 1781, Randnrn. 19 bis 22, und vom 7. Mai 1991, Nakajima/Rat, C‑69/89, Slg. 1991, I‑2069, Randnr. 31). Somit muss der Unionsrichter die Rechtmäßigkeit einer Verordnung, mit der eine den Unionsorganen durch diesen völkerrechtlichen Vertrag auferlegte Verpflichtung erfüllt werden soll, an diesem Vertrag messen können, ohne zuvor zu prüfen, ob die in der vorstehenden Randnr. 53 genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

55      Im Urteil Nakajima/Rat (oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 28) hat der Gerichtshof nämlich festgestellt, dass sich die dortige Klägerin nicht auf die unmittelbare Wirkung des Antidumping-Kodex des GATT berief, sondern – inzidenter – gemäß Art. 241 EG die Gültigkeit einer Verordnung in Frage stellte, indem sie das Vorliegen eines der Gründe für die in Art. 230 EG genannte Rechtmäßigkeitskontrolle geltend machte, nämlich die Verletzung des Vertrags oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm. Nach den Feststellungen des Gerichtshofs war die in dieser Rechtssache von der Klägerin beanstandete Verordnung zur Erfüllung der internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft erlassen worden, die daher nach ständiger Rechtsprechung zu gewährleisten hat, dass die Bestimmungen des GATT und seiner Durchführungsvorschriften eingehalten werden (vgl. Urteil Nakajima/Rat, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofs vom 12. November 1998, Italien/Rat, C‑352/96, Slg. 1998, I‑6937, Randnrn. 20 und 21).

56      Die in den Rechtssachen betreffend die Übereinkommen des GATT und der Welthandelsorganisation entwickelte Rechtsprechung ist auch im Urteil vom 16. Juni 1998, Racke (C‑162/96, Slg. 1998, I‑3655), angewandt worden, in dem der Gerichtshof die Gültigkeit einer Verordnung am Völkergewohnheitsrecht gemessen hat, soweit er festgestellt hat, dass „[sich die] Betroffene … gegenüber der in Anwendung dieser Regeln erlassenen streitigen Verordnung, durch die ihr Ansprüche auf Zollbegünstigung genommen [wurden], die ihr nach dem Kooperationsabkommen [zustanden], auf Regeln des Völkergewohnheitsrechts von grundlegendem Charakter [berufe]“ (Urteil Racke, Randnr. 48).

57      Im vorliegenden Fall ist zum einen zu beachten, dass die Klägerinnen, wie in der Rechtssache, in der das Urteil Nakajima/Rat (oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 28) ergangen ist, inzidenter gemäß Art. 241 EG die Gültigkeit einer Bestimmung der Verordnung Nr. 1367/2006 im Hinblick auf das Übereinkommen von Århus in Frage stellen.

58      Zum anderen ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 1367/2006 zur Erfüllung der sich aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus ergebenden internationalen Verpflichtungen der Union erlassen worden ist. Aus Art. 1 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1367/2006 geht nämlich hervor, dass es Ziel dieser Verordnung ist, zur Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Århus insbesondere dadurch beizutragen, dass „in Umweltangelegenheiten der Zugang zu Gerichten auf [Unions]ebene zu den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen gewährt wird“. Zudem nimmt der 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1367/2006 ausdrücklich auf Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus Bezug. Darüber hinaus ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus Verpflichtungen erwachsen und dass mit der Verordnung Nr. 1367/2006 die die Unionsorgane betreffenden Bestimmungen des Art. 9 Abs. 3 dieses Abkommens umgesetzt werden sollen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 8. März 2011, Lesoochranárske zoskupenie, C‑240/09, Slg. 2011, I‑1255, Randnrn. 39 und 41).

59      Folglich ist die Gültigkeit der Bestimmung, deren Rechtswidrigkeit von den Klägerinnen geltend gemacht worden ist, an Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus zu messen, so dass zu prüfen ist, ob der Begriff „Handlungen“ in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus dahin auszulegen ist, dass er sich auf „Maßnahme[n] … zur Regelung eines Einzelfalls“ beschränkt.

60      Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus bestimmt:

„Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.“

61      Der Begriff „Handlungen“ in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus wird in diesem Übereinkommen nicht definiert. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein völkerrechtlicher Vertrag nach seinem Wortlaut und im Licht seiner Ziele auszulegen. Die Art. 31 der Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge und vom 21. März 1986 über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen, die Ausdruck des Völkergewohnheitsrechts sind, bestimmen insoweit, dass ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Licht seines Ziels und Zwecks auszulegen ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA, C‑344/04, Slg. 2006, I‑403, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Zunächst ist auf die Ziele des Übereinkommens von Århus hinzuweisen.

63      Insoweit geht aus dem sechsten und dem achten Absatz der Präambel des Übereinkommens von Århus hervor, dass dessen Verfasser „in der Erkenntnis, dass ein angemessener Schutz der Umwelt für das menschliche Wohlbefinden und die Ausübung grundlegender Menschenrechte, einschließlich des Rechts auf Leben, unabdingbar ist“, der Auffassung sind, dass „Bürger zur Wahrnehmung dieses Rechts und zur Erfüllung dieser Pflicht Zugang zu Informationen, ein Recht auf Beteiligung an Entscheidungsverfahren und Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten haben müssen, [wobei] sie in dieser Hinsicht gegebenenfalls Unterstützung benötigen, um ihre Rechte wahrnehmen zu können“. Weiter heißt es im neunten Absatz der Präambel des Übereinkommens von Århus, dass „im Umweltbereich ein verbesserter Zugang zu Informationen und eine verbesserte Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren die Qualität und die Umsetzung von Entscheidungen verbessern, zum Bewusstsein der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten beitragen, der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, ihre Anliegen zum Ausdruck zu bringen, und es den Behörden ermöglichen, diese Anliegen angemessen zu berücksichtigen“.

64      Zudem bestimmt Art. 1 („Ziel“) des Übereinkommens von Århus: „Um zum Schutz des Rechts jeder männlichen/weiblichen Person gegenwärtiger und künftiger Generationen auf ein Leben in einer seiner/ihrer Gesundheit und seinem/ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt beizutragen, gewährleistet jede Vertragspartei das Recht auf Zugang zu Informationen, auf Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und auf Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen.“

65      Ein Verfahren der internen Überprüfung, das nur Maßnahmen zur Regelung von Einzelfällen beträfe, hätte eine sehr beschränkte Tragweite, da die im Umweltbereich vorgenommenen Handlungen in den meisten Fällen Handlungen mit allgemeiner Geltung sind. Angesichts der Ziele und des Gegenstands des Übereinkommens von Århus ist eine solche Beschränkung jedoch nicht gerechtfertigt.

66      Sodann ist festzustellen, dass Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus seinem Wortlaut nach den Vertragsparteien dieses Übereinkommens einen gewissen Spielraum hinsichtlich der Bestimmung der Personen, die Verwaltungs- oder gerichtliche Verfahren anstrengen können, und der Art des Verfahrens (Verwaltungs- oder gerichtliches Verfahren) belässt. Nach dieser Bestimmung können nämlich nur „Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben“. Der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus belässt jedoch nicht den gleichen Spielraum bei der Definition der anfechtbaren „Handlungen“. Daher besteht kein Grund für eine Auslegung des Begriffs „Handlungen“ in Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens dahin, dass er sich nur auf Handlungen zur Regelung von Einzelfällen bezieht.

67      Zu den übrigen Bestimmungen des Übereinkommens von Århus ist schließlich festzustellen, dass nach dessen Art. 2 Abs. 2 der Begriff Behörde „keine Gremien oder Einrichtungen [umfasst], die in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft handeln“. Somit sind Handlungen, die von einer Einrichtung oder einem Gremium der Union in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft vorgenommen werden, vom Begriff „Handlungen“ in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus auszunehmen. Dieser Ausschluss lässt es jedoch nicht zu, den Begriff „Handlungen“ in Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens auf Maßnahmen zur Regelung von Einzelfällen zu beschränken. Es besteht nämlich keine Korrelation zwischen Handlungen mit allgemeiner Geltung und von einer Behörde in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft vorgenommenen Handlungen. Handlungen mit allgemeiner Geltung sind nicht notwendig Handlungen, die von einer Behörde in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft vorgenommen werden.

68      Daher kann Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus nicht dahin ausgelegt werden, dass er sich nur auf Maßnahmen zur Regelung von Einzelfällen bezieht.

69      Infolgedessen ist Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006, da er den Begriff „Handlungen“ in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus auf „Verwaltungsakte“ beschränkt, die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g dieser Verordnung als „Maßnahme[n] … zur Regelung eines Einzelfalls“ definiert werden, mit Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus unvereinbar.

70      Diese Schlussfolgerung wird durch das Vorbringen der Streithelfer nicht widerlegt.

71      Hinsichtlich des Vorbringens des Parlaments und des Rates, dass der Begriff „Handlungen“ in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus im Unionsrecht auf Maßnahmen zur Regelung von Einzelfällen zu beschränken sei, weil das Verfahren der internen Überprüfung, da es gegenüber dem gerichtlichen Verfahren nach Art. 12 der Verordnung Nr. 1367/2006 nicht autonom sei, mit Art. 230 EG und insbesondere der Voraussetzung in Einklang stehen müsse, dass der Kläger von der angefochtenen Handlung individuell und unmittelbar betroffen sei, genügt es, auf den Inhalt von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 zu verweisen.

72      Nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 kann eine Nichtregierungsorganisation, die einen Antrag auf interne Überprüfung nach Art. 10 dieser Verordnung gestellt hat, gemäß den einschlägigen Vertragsbestimmungen und damit gemäß Art. 230 EG Klage beim Gerichtshof erheben. Unabhängig von der Tragweite der Maßnahme, die Gegenstand der internen Überprüfung nach Art. 10 dieser Verordnung ist, müssen jedoch Klagen bei Unionsgerichten in jedem Fall die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 230 EG erfüllen.

73      Außerdem gelten die Voraussetzungen des Art. 230 EG, insbesondere diejenige, dass der Kläger von der angefochtenen Handlung individuell und unmittelbar betroffen sein muss, auch für nicht an den Kläger gerichtete Maßnahmen zur Regelung von Einzelfällen. Eine Nichtregierungsorganisation, die die in Art. 11 der Verordnung Nr. 1367/2006 aufgeführten Voraussetzungen erfüllt, wird daher nicht notwendig von einer Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls unmittelbar und individuell betroffen sein. Die Beschränkung des Begriffs „Handlungen“ auf Handlungen zur Regelung von Einzelfällen vermag im Gegensatz zur Auffassung des Parlaments und des Rates nicht zu gewährleisten, dass die in Art. 230 EG vorgesehene Voraussetzung, dass der Kläger von der angefochtenen Handlung unmittelbar und individuell betroffen sein muss, erfüllt sein wird.

74      Der Rat trägt weiter vor, Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Århus impliziere ein Ermessen, in dessen Rahmen ein ausreichender Gestaltungsspielraum dafür belassen werde, die sich aus dieser Bestimmung ergebende Verpflichtung durch die nationalen Verfahren in Verbindung mit dem Gerichtshof vorgelegten Vorabentscheidungsfragen umzusetzen.

75      In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Möglichkeit für eine Nichtregierungsorganisation, die die Voraussetzungen des Art. 11 der Verordnung Nr. 1367/2006 für die Stellung eines Antrags auf Überprüfung erfüllt, eine von einem Unionsorgan getroffene Maßnahme mit allgemeiner Geltung vor einem nationalen Gericht mittelbar in Frage zu stellen, voraussetzt, dass diese Maßnahme in nationales Recht umgesetzt wurde. Nicht alle Maßnahmen mit allgemeiner Geltung, die von den Unionsorganen im Umweltbereich getroffen werden, sind jedoch Gegenstand einer nationalen Umsetzungsmaßnahme, die vor einem nationalen Gericht angefochten werden könnte.

76      Überdies wird das Argument des Rates nicht durch Beweismittel dafür untermauert, wie die Klägerinnen im vorliegenden Fall die Maßnahme mit allgemeiner Geltung, um deren Überprüfung sie die Kommission ersucht haben, vor einem nationalen Gericht in Frage stellen könnten.

77      Daraus folgt, dass der gegen Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 gerichteten Einrede der Rechtswidrigkeit und damit dem zweiten Klagegrund stattzugeben ist. Die angefochtene Entscheidung ist daher für nichtig zu erklären.

 Kosten

78      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag der Klägerinnen die Kosten einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten aufzuerlegen.

79      Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Demgemäß sind dem Königreich der Niederlande, dem Parlament und dem Rat ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung C(2009) 6121 der Kommission vom 28. Juli 2009 wird für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die der Vereniging Milieudefensie und der Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, einschließlich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, entstanden sind.

3.      Das Königreich der Niederlande, das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union tragen ihre eigenen Kosten.

Dittrich

Wiszniewska-Białecka

Prek

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Juni 2012.

Unterschriften


*Verfahrenssprache: Niederländisch.