Language of document : ECLI:EU:T:2022:349

URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)

8. Juni 2022(*)

„Staatliche Beihilfen – Vom Vereinigten Königreich zugunsten bestimmter multinationaler Konzerne durchgeführte Beihilferegelung – Beschluss, mit dem die Beihilferegelung für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig erklärt und die Rückforderung der gewährten Beihilfen angeordnet wird – Steuervorbescheide (tax rulings) – Steuerregelung für konzerninterne Finanzierungen, die insbesondere beherrschte ausländische Unternehmen betrifft – Selektive steuerliche Vorteile“

In den Rechtssachen T‑363/19 und T‑456/19,

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch F. Shibli und S. McCrory als Bevollmächtigte im Beistand von P. Baker, QC, und T. Johnston, Barrister,

Kläger in der Rechtssache T‑363/19,

ITV plc mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), vertreten durch J. Lesar, Solicitor, und K. Beal, QC,

Klägerin in der Rechtssache T‑456/19,

unterstützt durch

Vereinigtes Königreich, vertreten durch F. Shibli und S. McCrory als Bevollmächtigte im Beistand von P. Baker, QC, und T. Johnston, Barrister,

und durch

LSEGH (Luxembourg) Ltd mit Sitz in London,

London Stock Exchange Group Holdings (Italy) Ltd mit Sitz in London,

vertreten durch die Rechtsanwälte A. von Bonin, O. Brouwer und A. Pliego Selie,

Streithelfer in der Rechtssache T‑456/19,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Flynn, S. Noë und B. Stromsky als Bevollmächtigte, in der Rechtssache T‑456/19 im Beistand der Rechtsanwältinnen M. Clayton und M. Segura Catalán,

Beklagte,

betreffend Klagen nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2019/1352 der Kommission vom 2. April 2019 über die staatliche Beihilfe SA.44896 des Vereinigten Königreichs im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung für konzerninterne Finanzierungen für beherrschte ausländische Unternehmen (CFC) (ABl. 2019, L 216, S. 1)

erlässt

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas, der Richterin V. Tomljenović (Berichterstatterin), des Richters F. Schalin, der Richterin P. Škvařilová-Pelzl und des Richters I. Nõmm,

Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2021

folgendes

Urteil

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

A.      ITV-Gruppe

1        Die im Vereinigten Königreich steuerlich ansässige ITV plc ist die Holdinggesellschaft an der Spitze des ITV-Konzerns, die in der Gestaltung, Herstellung und Verbreitung audiovisueller Inhalte über verschiedene Plattformen weltweit tätig ist. Zu diesem Konzern gehören u. a. beherrschte ausländische Unternehmen (CFC) wie die ITV Entreprises BV und die ITV (Finance) Europe BV, zwei nach niederländischem Recht gegründete Gesellschaften, die anderen Gesellschaften der ITV-Gruppe Darlehen gewährt hatten.

2        Für mehrere Rechnungsperioden und mindestens bis zu der des Jahres 2016 wurde für die von den CFC erzielten Gewinne aus den Zinsen bestimmter Darlehen, die ITV zugerechnet wurden, eine Steuerbefreiung nach Teil 9A Kapitel 9 des Taxation (International and Other Provisions) Act 2010 (Steuergesetz von 2010 [Internationale und sonstige Vorschriften], im Folgenden: TIOPA) beantragt.

B.      CFCRegelung

3        Nach britischem Körperschaftsteuerrecht werden die aus Tätigkeiten und Vermögenswerten im Vereinigten Königreich stammenden Unternehmensgewinne besteuert. Gemäß dem Territorialitätsprinzip werden die Gewinne ausländischer Unternehmen, die im Wege der Rückausschüttung in das Vereinigte Königreich gelangen, nicht besteuert. Auch die Gewinne ausländischer Betriebsstätten unterliegen im Vereinigten Königreich nicht der Körperschaftsteuer.

4        Die CFC‑Vorschriften legen allgemein fest, ob die Gewinne eines CFC als künstlich aus dem Vereinigten Königreich weggeleitet anzusehen sind und daher im Vereinigten Königreich mit einer speziellen Abgabe auf diese Gewinne belegt werden.

5        Teil 9A Kapitel 2 Art. 371BA TIOPA definiert letztere Abgabe allgemein als Steuer, die für eine Rechnungsperiode auf steuerpflichtige Gewinne eines CFC erhoben wird, wobei Letztere in Art. 371BB als Gewinne definiert werden, die gemäß Teil 9A Kapitel 4 bis 8 TIOPA besteuert werden (im Folgenden: CFC‑Abgabe), vorbehaltlich insbesondere der Anwendung von Teil 9A Kapitel 9 TIOPA, das Steuerbefreiungen vorsieht.

6        Art. 371EA in Teil 9A Kapitel 5 TIOPA sieht vor, dass nicht gewerbliche Finanzierungserträge eines CFC im Vereinigten Königreich besteuert werden, soweit sie folgende Situationen betreffen:

–        nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus Tätigkeiten, bei denen die Aufgaben der Entscheidungsträger im Vereinigten Königreich ausgeführt werden, werden in Teil 9A Art. 371EB („Tätigkeiten im Vereinigten Königreich“) TIOPA erfasst;

–        nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus Geldern oder Vermögenswerten aus dem Vereinigten Königreich werden in Teil 9A Art. 371EC („Kapitalinvestitionen aus dem Vereinigten Königreich“) TIOPA erfasst;

–        nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus Konstruktionen eines CFC, die als Alternative zur Ausschüttung von Dividenden oder anderen Geldern an ein im Vereinigten Königreich ansässiges Unternehmen oder eine Betriebsstätte im Vereinigten Königreich eingeführt wurden, werden in Teil 9A Art. 371ED TIOPA erfasst;

–        nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus bestimmten Finanzierungsleasing-Beziehungen, die ein CFC mit Unternehmen mit Sitz oder Betriebsstätte im Vereinigten Königreich eingeht, werden in Teil 9A Art. 371EE TIOPA erfasst.

7        Im vorliegenden Fall sind nur die Situationen betroffen, die unter Teil 9A Art. 371EB und 371EC TIOPA fallen.

8        Teil 9A Kapitel 9 TIOPA sieht vor, dass abgabepflichtige Unternehmen berechtigt sind, für nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus qualifizierten Darlehen eine Befreiung von der CFC‑Abgabe zu beantragen, die nach Teil 9A Kapitel 5 TIOPA geschuldet gewesen wäre, wenn das fragliche CFC in seinem Aufnahmeland über Räumlichkeiten verfügt, die mit einer gewissen Dauerhaftigkeit belegt werden und von denen aus sämtliche oder der überwiegende Teil der Tätigkeiten des CFC ausgeführt werden. Nach Teil 9A Art. 371IG TIOPA sind qualifizierte Darlehen im Wesentlichen konzerninterne Darlehen, die vom CFC anderen Mitgliedern des multinationalen Konzerns gewährt werden, die nicht im Vereinigten Königreich ansässig sind.

9        In Teil 9A Kapitel 9 TIOPA sind drei Arten von Befreiungen vorgesehen, und zwar eine Befreiung, die vollständig sein kann, wenn und soweit die qualifizierten Darlehen aus CFC‑Mitteln finanziert werden, eine Befreiung, die 75 % der steuerpflichtigen nicht gewerblichen Finanzierungserträge aus qualifizierten Darlehen betreffen kann, und eine dritte, die sogenannte „Matched‑Interest“-Befreiung, die unter bestimmten Voraussetzungen auf den Saldo der steuerpflichtigen nicht gewerblichen Finanzierungserträge anwendbar ist.

C.      Verwaltungsverfahren und angefochtener Beschluss

10      Nachdem sie die Behörden des Vereinigten Königreichs und Nordirlands aufgefordert hatte, ihr Informationen über ihre Reform der auf CFC anwendbaren Steuervorschriften vorzulegen, und anschließend mit ihrem Beschluss (EU) 2019/1352 vom 2. April 2019 über die staatliche Beihilfe SA.44896 des Vereinigten Königreichs im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung für konzerninterne Finanzierungen für beherrschte ausländische Unternehmen (CFC) (ABl. 2019, L 216, S. 1; im Folgenden: angefochtener Beschluss) das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV eingeleitet hatte, stellte die Europäische Kommission fest, dass die Regelung über die Steuerbefreiung für konzerninterne Finanzierungen aufgrund der in Teil 9A Kapitel 9 TIOPA vorgesehenen Befreiungen eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, soweit sie für nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus qualifizierten Darlehen gelte, die unter Art. 371EB (Tätigkeiten im Vereinigten Königreich) TIOPA fielen (im Folgenden: streitige Regelung oder in Rede stehende Befreiungen).

11      Die Kommission kam jedoch zu dem Schluss, dass die streitige Regelung keine Beihilfe darstelle, wenn sie auf nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus qualifizierten Darlehen angewandt werde, die unter Teil 9A Art. 371EC (Kapitalinvestitionen aus dem Vereinigten Königreich) TIOPA und nicht unter Teil 9A Art. 371EB (Tätigkeiten im Vereinigten Königreich) TIOPA fielen.

12      Um zu den oben in den Rn. 10 und 11 dargelegten Schlussfolgerungen zu kommen, untersuchte die Kommission die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um die in Rede stehenden Befreiungen als staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einzustufen.

13      Erstens stellte die Kommission fest, dass die Steuerbefreiung für konzerninterne Finanzierungen deshalb, weil sie ihre Grundlage in Teil 9A Kapitel 9 TIOPA, einem Rechtsakt, der notwendigerweise vom Staat ausgehe, finde und zu einer Minderung der Körperschaftsteuerpflicht im Vereinigten Königreich von Unternehmen führe, die sich auf diese Befreiung berufen hätten, eine dem Vereinigten Königreich zuzurechnende und aus Mitteln dieses Staates finanzierte Maßnahme darstelle.

14      Zweitens führte die Kommission aus, dass die in Rede stehenden Befreiungen im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmen zugutekämen, die Teil eines multinationalen Konzerns seien, der in mehreren Mitgliedstaaten operiere, so dass ein Vorteil zugunsten dieser Unternehmen den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen könnte.

15      Drittens seien die in Rede stehenden Befreiungen geeignet, die Wettbewerbssituation des Empfängers gegenüber der anderer Unternehmen, die mit dem Empfänger im Wettbewerb stünden, zu verbessern, und hätten daher den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen gedroht.

16      Viertens stellten die in Rede stehenden Befreiungen eine Beihilferegelung im Sinne von Art. 1 Buchst. d der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 108 AEUV (ABl. 2015, L 248, S. 9) dar.

17      Zum Vorliegen eines Vorteils stellte die Kommission fest, dass ein im Vereinigten Königreich ansässiges Unternehmen, das sonst gemäß Teil 9A Kapitel 5 TIOPA einer CFC‑Abgabe unterlegen hätte, aufgrund der in Rede stehenden Befreiungen nach Kapitel 9 dieser Vorschriften geltend machen könne, dass die CFC‑Abgabe nur auf 25 % der nicht gewerblichen Finanzierungserträge des CFC aus qualifizierten Darlehen berechnet werde, was zu einer teilweisen Befreiung von 75 % der fraglichen Gewinne führe. Unter bestimmten Voraussetzungen könne eine Abgabe auf einen noch niedrigeren Prozentsatz erhoben werden, was zu einer Befreiung von bis zu 100 % der Gewinne des betreffenden CFC führen könne.

18      Zur Selektivität der in Rede stehenden Befreiungen führte die Kommission aus, dass im vorliegenden Fall das Referenzsystem aus den CFC‑Vorschriften bestehe, die den Gegenstand und die steuerpflichtige Grundlage der CFC‑Abgaben bestimmten.

19      In Abschnitt 6.4.2 des angefochtenen Beschlusses vertrat die Kommission die Ansicht, dass die Steuerbefreiung für konzerninterne Finanzierungen eine Abweichung vom Referenzsystem darstelle.

20      So stellte die Kommission fest, dass Teil 9A Kapitel 9 TIOPA eine bestimmte Kategorie von nicht gewerblichen Finanzierungserträgen von der CFC‑Abgabepflicht ausnehme, nämlich jene aus qualifizierten Darlehen, während eine solche CFC‑Abgabe normalerweise nach Teil 9A Kapitel 5 TIOPA zu entrichten gewesen wäre.

21      Hierzu vertrat die Kommission die Auffassung, dass eine Situation, in der ein abgabepflichtiges Unternehmen, das ein CFC beherrsche, das nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus einem qualifizierten Darlehensverhältnis erziele, mit der Situation eines abgabepflichtigen Unternehmens vergleichbar sei, das ein CFC beherrsche, das nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus anderen Quellen erziele, insbesondere aus Darlehen, die die CFC den im Vereinigten Königreich ansässigen verbundenen Unternehmen gewährten, aus sogenannten „Upstream-Darlehen“ und aus Darlehen, die die CFC Dritten gewährten, die vom Vereinigten Königreich als „Moneyboxes“ bezeichnet würden.

22      Die Kommission wies darauf hin, dass eine Maßnahme, die vom Referenzsystem abweiche, aufgrund des Wesens und des Aufbaus dieses Systems gerechtfertigt sein könne und dass es Sache des betreffenden Mitgliedstaats sei, eine solche Rechtfertigung nachzuweisen. Das Vereinigte Königreich macht geltend, die in Rede stehenden Befreiungen sollten zum einen sicherstellen, dass das System handhabbar und verwaltbar sei, und dass sie zum anderen die Ausübung der Niederlassungsfreiheit innerhalb der Union gewährleisteten.

23      Die Kommission räumte ein, dass, soweit die in Teil 9A Kapitel 9 TIOPA vorgesehene Befreiung auf Situationen angewandt werde, die aufgrund des Kriteriums des „mit dem Vereinigten Königreich verbundenen Kapitals“ in den Anwendungsbereich der Maßnahmen nach Teil 9A Kapitel 5 TIOPA fielen, davon auszugehen sei, dass diese Befreiung darauf abziele, die CFC‑Vorschriften auf verwaltbare Weise anzuwenden. Eine solche Befreiung stelle sicher, dass eine CFC‑Abgabe nur auf die Gewinne aus britischen Vermögenswerten erhoben werde, für die vernünftigerweise davon ausgegangen werden könne, dass sie aus dem Vereinigten Königreich künstlich weggeleitet worden seien, und zwar ohne dass Unternehmen und britische Steuerbehörden aufgrund der Fungibilität des Kapitals unverhältnismäßig belastende Rückverfolgungsmaßnahmen hinsichtlich der Herkunft der Gelder durchführen müssten. Aus diesen Gründen gelangte die Kommission zur Ansicht, dass die fragliche Befreiung trotz ihres a priori selektiven Charakters gerechtfertigt und daher nicht selektiv sei.

24      Dagegen war die Kommission der Ansicht, dass die streitige Regelung britischen Körperschaftsteuerpflichtigen, die ein CFC mit nicht gewerblichen Finanzierungserträgen aus qualifizierten Darlehen beherrschten, in Situationen, in denen die relevanten Aufgaben der Entscheidungsträger im Vereinigten Königreich ausgeführt würden, einen a priori selektiven Vorteil verschafft habe. Diese Gewinne unterlägen einer CFC‑Abgabe nach Teil 9A Art. 371EB (Tätigkeiten im Vereinigten Königreich) TIOPA. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass dieser a priori selektive Vorteil weder durch das Bedürfnis, über verwaltbare und kontrollierbare Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken zu verfügen, noch durch die Notwendigkeit der Beachtung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten gerechtfertigt werden könne.

25      Die Kommission führte aus, dass es sich bei den Begünstigten der streitigen Regelung um britische Unternehmen handle, die ein CFC beherrschten, das nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus qualifizierten Darlehen erwirtschafte, die unter Teil 9A Art. 371EB (Tätigkeiten im Vereinigten Königreich) TIOPA fielen, und sich auf die in Rede stehenden Befreiungen berufen hätten.

26      Da die streitige Regelung am 1. Januar 2013 ohne Anmeldung durchgeführt worden sei, sei sie als rechtswidrige Beihilferegelung im Sinne von Art. 1 Buchst. f der Verordnung 2015/1589 anzusehen. Allerdings sei nach den Änderungen der CFC‑Vorschriften ab 1. Januar 2019, wonach es nicht mehr möglich sei, einen Antrag auf Befreiungen zu stellen, die Gegenstand der streitigen Regelung seien, die Regelung mit den Vorschriften über staatliche Beihilfen vereinbar geworden.

27      Zudem könnten die im Rahmen der streitigen Regelung gewährten Beihilfen, die keine Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete darstellten, nicht gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden.

28      Da sie im Übrigen keinen Verstoß gegen fundamentale Grundsätze des Unionsrechts erkennen konnte, ordnete die Kommission die Rückforderung der im Rahmen der Anwendung der streitigen Regelung gewährten Beihilfen von ihren Begünstigten an.

II.    Verfahren und Anträge der Parteien

A.      Schriftliches Verfahren in der Rechtssache T363/19

29      Mit Klageschrift, die am 12. Juni 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Vereinigte Königreich die Klage in der Rechtssache T‑363/19 erhoben.

30      Am 8. Juni 2021 hat die Präsidentin der Zweiten Kammer des Gerichts entschieden, dass die Rechtssache gemäß Art. 67 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts mit Vorrang entschieden wird.

31      Am 16. Juni 2021 hat die Vollversammlung des Gerichts entschieden, die Rechtssache gemäß Art. 28 Abs. 3 der Verfahrensordnung an einen Spruchkörper mit fünf Richtern zu verweisen.

32      Das Vereinigte Königreich beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

33      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Vereinigten Königreich die Kosten aufzuerlegen.

B.      Schriftliches Verfahren in der Rechtssache T456/19

34      Mit Klageschrift, die am 4. Juli 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat ITV die Klage in der Rechtssache T‑456/19 erhoben.

35      Am 8. Juni 2021 hat die Präsidentin der Zweiten Kammer des Gerichts entschieden, dass die Rechtssache gemäß Art. 67 Abs. 2 der Verfahrensordnung mit Vorrang entschieden wird.

36      Am 16. Juni 2021 hat die Vollversammlung des Gerichts entschieden, die Rechtssache gemäß Art. 28 Abs. 3 der Verfahrensordnung an einen Spruchkörper mit fünf Richtern zu verweisen.

1.      Anträge auf Zulassung als Streithelfer

37      Mit Schriftsatz, der am 4. November 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Vereinigte Königreich beantragt, in der Rechtssache T‑456/19 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge von ITV zugelassen zu werden. Mit Entscheidung vom 29. Januar 2020 hat die Präsidentin der Zweiten Kammer des Gerichts dem Streithilfeantrag des Vereinigten Königreichs stattgegeben.

38      Mit Schriftsatz, der am 15. Oktober 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Compass Overseas Holdings Ltd, die Compass Overseas Holdings No.2 Ltd und die Hospitality Holdings Ltd (im Folgenden zusammen: Compass Overseas) beantragt, in der Rechtssache T‑456/19 als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge von ITV zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 24. November 2020, ITV/Kommission (T‑456/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:659), hat das Gericht dem Streithilfeantrag von Compass Overseas stattgegeben. Mit Schriftsatz, der am 24. März 2021 bei der Kanzlei eingegangen ist, hat Compass Overseas ihren Antrag auf Zulassung als Streithelferin zurückgenommen.

39      Mit Schriftsatz, der am 30. Oktober 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die LSEGH (Luxembourg) Ltd und die London Stock Exchange Group Holdings (Italy) Ltd (im Folgenden zusammen: LSEGH) beantragt, in der Rechtssache T‑456/19 als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge von ITV zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 24. November 2020, ITV/Kommission (T‑456/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:640), hat das Gericht dem Streithilfeantrag von LSEGH stattgegeben.

40      Mit Schriftsatz, der am 23. Oktober 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Eland Oil & Gas plc beantragt, in der Rechtssache T‑456/19 als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von ITV zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 24. November 2020, ITV/Kommission (T‑456/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:641), hat das Gericht dem Streithilfeantrag von Eland Oil & Gas stattgegeben. Mit Schriftsatz, der am 1. März 2021 bei der Kanzlei eingegangen ist, hat Eland Oil & Gas ihren Antrag auf Zulassung als Streithelferin zurückgenommen.

41      Mit Schriftsatz, der am 7. November 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die WPP Jubilee Ltd beantragt, in der Rechtssache T‑456/19 als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von ITV zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 24. November 2020, ITV/Kommission (T‑456/19, nicht veröffentlicht), hat das Gericht dem Streithilfeantrag von WPP Jubilee stattgegeben. Mit Schriftsatz, der am 1. März 2021 bei der Kanzlei eingegangen ist, hat WPP Jubilee ihren Antrag auf Zulassung als Streithelferin zurückgenommen.

42      Mit Beschluss vom 8. Juli 2021 hat das Gericht festgestellt, dass die Anträge von Compass Overseas, von Eland Oil & Gas und von WPP Jubilee auf Zulassung als Streithelferinnen zurückgenommen wurden.

43      Im Lauf des Verfahrens hat ITV Anträge auf vertrauliche Behandlung bestimmter Verfahrensunterlagen insbesondere gegenüber LSEGH gestellt.

2.      Anträge der Parteien

44      ITV, unterstützt durch LSEGH, beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

45      Das Vereinigte Königreich beantragt, den angefochtenen Beschluss entsprechend dem Antrag von ITV für nichtig zu erklären.

46      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        ITV die Kosten aufzuerlegen;

–        dem Vereinigten Königreich und LSEGH ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

C.      Mündliches Verfahren

47      Auf Vorschlag der Berichterstatterin hat das Gericht beschlossen, das mündliche Verfahren in den Rechtssachen T‑363/19 und T‑456/19 zu eröffnen und die Parteien zu einer möglichen Verbindung dieser Rechtssachen zu diesem Verfahren und zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung anzuhören.

48      Ferner hat das Gericht die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung aufgefordert, schriftliche Fragen zu beantworten. Die Parteien haben ihre Stellungnahme zur etwaigen Verbindung der Rechtssachen T‑363/19 und T‑456/19 und ihre Antwort auf die prozessleitende Maßnahme fristgerecht eingereicht.

49      Mit Entscheidung der Präsidentin der Zweiten erweiterten Kammer des Gerichts vom 21. Juli 2021 und nach Anhörung der Parteien sind die Rechtssachen T‑363/19 und T‑456/19 nach Art. 68 der Verfahrensordnung zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden worden.

50      Die für den 20. September 2021 anberaumte mündliche Verhandlung musste aufgrund der Verhinderung eines Mitglieds der Zweiten erweiterten Kammer des Gerichts unterbrochen werden.

51      Mit Entscheidung vom 13. Oktober 2021 hat der Präsident des Gerichts nach dieser Verhinderung den Vizepräsidenten des Gerichts dazu bestimmt, die Zweite erweitere Kammer zu ergänzen. Letzterer hat auch gemäß Art. 11 Abs. 4 der Verfahrensordnung den Vorsitz des Spruchkörpers übernommen.

52      Am 18. Oktober 2021 hat eine neue mündliche Verhandlung stattgefunden, in der die Parteien mündlich verhandelt und zu einer prozessleitenden Maßnahme nach Art. 89 der Verfahrensordnung Stellung genommen sowie mündliche Fragen des Gerichts beantwortet haben. In der mündlichen Verhandlung hat das Vereinigte Königreich einige Bemerkungen zum Sitzungsbericht abgegeben, was das Gericht im Sitzungsprotokoll vermerkt hat.

III. Rechtliche Würdigung

A.      Verbindung der Rechtssachen T363/19 und T456/19 zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung

53      Nach Art. 19 Abs. 2 der Verfahrensordnung hat der Präsident der Zweiten erweiterten Kammer des Gerichts die in seine Zuständigkeit fallende Entscheidung über die Verbindung der Rechtssachen T‑363/19 und T‑456/19 zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung auf die Zweite erweiterte Kammer des Gerichts übertragen.

54      Nachdem die Parteien zu einer etwaigen Verbindung gehört worden sind, sind die Rechtssachen T‑363/19 und T‑456/19 wegen Zusammenhangs zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung zu verbinden.

B.      Begründetheit

55      Zur Stützung ihrer Klage machen das Vereinigte Königreich in der Rechtssache T‑363/19 und ITV in der Rechtssache T‑456/19 vier bzw. elf Klagegründe geltend, die sich teilweise überschneiden.

56      Mit ihren Klagegründen werfen das Vereinigte Königreich und ITV der Kommission im Wesentlichen vor, Rechts- und Beurteilungsfehler begangen und gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstoßen zu haben, indem sie die in Rede stehenden Befreiungen als staatliche Beihilferegelung eingestuft und sodann die Rückforderung der fraglichen Beihilfen von ihren Empfängern angeordnet habe.

57      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Qualifizierung als staatliche Beihilfe verlangt, dass alle in Art. 107 AEUV genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Somit kann eine Maßnahme nur dann als staatliche Beihilfe im Sinne dieser Bestimmung qualifiziert werden, wenn es sich erstens um eine staatliche oder aus staatlichen Mitteln bestrittene Maßnahme handelt, zweitens die Maßnahme geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, drittens dem Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil gewährt wird und sie viertens den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck, C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Es sind zunächst die vom Vereinigten Königreich und von ITV geltend gemachten Klagegründe zu prüfen, die auf Beurteilungsfehler gestützt sind, mit denen im vorliegenden Fall die Feststellung eines selektiven Vorteils durch die Kommission behaftet sein soll, sodann sind die Klagegründe zu prüfen, mit denen Beurteilungsfehler gerügt werden, die die fehlende Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung und einen Rechtsfehler aufgrund einer fehlerhaften analogen Anwendung der Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12. Juli 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts (ABl. 2016, L 193, S. 1) betreffen, und schließlich sind die Klagegründe zu prüfen, mit denen Beurteilungsfehler gerügt werden, mit denen die Ermittlung der von der streitigen Regelung Begünstigten und die von der Kommission im angefochtenen Beschluss angeordnete Rückforderung der Beihilfen behaftet sein sollen.

59      Was im Speziellen das Vorliegen eines selektiven Vorteils anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Prüfung der steuerlichen Maßnahmen unter dem Blickwinkel von Art. 107 Abs. 1 AEUV sowohl die Prüfung des Kriteriums des Vorteils als auch des Kriteriums der Selektivität vorab die Bestimmung der normalen Steuervorschriften erfordert, die den einschlägigen Bezugsrahmen für diese Prüfung bilden.

60      Zum einen kann im Fall der steuerlichen Maßnahmen das tatsächliche Vorliegen einer Vergünstigung nämlich nur in Bezug auf eine sogenannte „normale“ Besteuerung festgestellt werden (Urteil vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 56). Eine solche Maßnahme verschafft dem Begünstigten dann einen wirtschaftlichen Vorteil, wenn sie die Belastungen vermindert, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat; sie stellt somit zwar keine Subvention im strengen Sinne des Wortes dar, steht dieser aber nach Art und Wirkung gleich (Urteil vom 9. Oktober 2014, Ministerio de Defensa und Navantia, C‑522/13, EU:C:2014:2262, Rn. 22). Der Bezugsrahmen ist aber gerade die sogenannte „normale“ Besteuerung.

61      Zum anderen verlangt die Rechtsprechung im Bereich der Steuern eine dreistufige Prüfung der Selektivität. Diese Prüfung erfordert in einem ersten Schritt, die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine oder „normale“ Steuerregelung zu ermitteln, die den Bezugsrahmen darstellt, und in einem zweiten Schritt, darzutun, dass die in Rede stehende steuerliche Maßnahme vom Bezugsrahmen insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit diesem Bezugsrahmen verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden (Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 57). In einem dritten Schritt obliegt es dem Mitgliedstaat, nachzuweisen, dass die durch die in Rede stehende Maßnahme eingeführte Unterscheidung, die „a priori selektiv“ ist, gerechtfertigt ist, weil sie sich aus der Natur oder dem System des Rahmens, in den sich diese Maßnahme einfügt, ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 58).

62      Bei der Beurteilung der Klagegründe, mit denen im vorliegenden Fall das Vorliegen eines selektiven Vorteils bestritten wird, sind in einem ersten Schritt die Klagegründe des Vereinigten Königreichs und von ITV zu prüfen, mit denen ein Beurteilungsfehler bei der Ermittlung des von der Kommission herangezogenen Referenzsystems geltend gemacht wird, bevor in einem zweiten Schritt nacheinander die verschiedenen Klagegründe geprüft werden, mit denen ein Beurteilungsfehler bei der Feststellung dieses Vorteils durch die Kommission gerügt wird.

1.      Zu dem Klagegrund, mit dem ein Beurteilungsfehler bei der Bestimmung des Referenzsystems gerügt wird (erster Klagegrund in der Rechtssache T363/19 und erster Klagegrund in der Rechtssache T456/19)

63      Das Vereinigte Königreich und ITV machen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe dadurch einen Beurteilungsfehler begangen, dass sie zu dem Schluss gekommen sei, dass das Referenzsystem nur aus den CFC‑Vorschriften bestehe, und machen geltend, das für die Beurteilung der Selektivität der streitigen Regelung geeignete Referenzsystem sei das Körperschaftsteuersystem des Vereinigten Königreichs.

64      Die Kommission tritt dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs und von ITV entgegen und macht geltend, die CFC‑Vorschriften stellten ein vollständiges Regelwerk dar, das sich vom allgemeinen Körperschaftsteuersystem des Vereinigten Königreichs unterscheide, wenngleich sie eine Erweiterung dieses Systems und keine Ausnahme darstellten.

65      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Bestimmung des Bezugsrahmens im Fall von steuerlichen Maßnahmen eine besondere Bedeutung zukommt, da das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nur in Bezug auf eine sogenannte „normale“ Besteuerung festgestellt werden kann. Außerdem sind aufgrund dessen, dass der betreffende Mitgliedstaat außerhalb der Bereiche, in denen das Steuerrecht der Union harmonisiert worden ist, durch die Ausübung seiner ausschließlichen Befugnisse im Bereich der direkten Steuern die grundlegenden Merkmale der Steuer festlegt, diese Merkmale bei der Bestimmung des Referenzsystems bzw. der „normalen“ Steuerregelung, anhand deren das Tatbestandsmerkmal der Selektivität zu prüfen ist, zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. März 2021, Kommission/Polen, C‑562/19 P, EU:C:2021:201, Rn. 38 und 39).

66      Somit sind die „normalen“ Besteuerungsregeln zu bestimmen, denen der Begünstigte der Maßnahme, die als staatliche Beihilfe angesehen wird, unterliegt. Bei einer steuerlichen Maßnahme mit allgemeiner Geltung kommt es darauf an, dass das in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine Steuersystem oder Referenzsystem bestimmt wird, das den Ausgangspunkt für die vergleichende Prüfung darstellt, die im Zusammenhang mit der Beurteilung der Selektivität einer Beihilferegelung zu erfolgen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, World Duty Free Group und Spanien/Kommission, C‑51/19 P und C‑64/19 P, EU:C:2021:793, Rn. 61).

67      Im Übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass dann, wenn es eine für alle körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmen geltende allgemeine Steuerregel gibt, eine Regel, die eine Ausnahme von der allgemeinen Regel darstellt, nicht als relevantes Referenzsystem für die Zwecke der Analyse der Selektivität herangezogen werden kann, obwohl die Prüfung des gesamten Inhalts dieser Bestimmungen die Feststellung hätte ermöglichen müssen, dass die betreffende steuerliche Maßnahme dazu führte, eine unter die allgemeine Regel fallende Situation zu definieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2018, Deutschland/Kommission, C‑208/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:506, Rn. 99 bis 101).

68      Überdies ist darauf hinzuweisen, dass die Selektivität einer steuerlichen Maßnahme nicht anhand eines Bezugsrahmens beurteilt werden kann, der aus einigen Bestimmungen des nationalen Rechts des betreffenden Mitgliedstaats besteht, die künstlich aus einem breiteren rechtlichen Rahmen herausgelöst wurden. Wenn die fragliche steuerliche Maßnahme untrennbar mit dem allgemeinen Steuersystem des betreffenden Mitgliedstaats verbunden ist, ist auf dieses System Bezug zu nehmen. Erweist sich dagegen, dass sich eine solche Maßnahme eindeutig von diesem allgemeinen System trennen lässt, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass der zu berücksichtigende Bezugsrahmen enger ist als dieses allgemeine System oder sogar mit der Maßnahme selbst identisch ist, wenn sich diese als eine Norm mit eigenständiger rechtlicher Logik darstellt und es nicht möglich ist, eine kohärente Gesamtheit von Vorschriften außerhalb dieser Maßnahme zu bestimmen (vgl. Urteil vom 6. Oktober 2021, World Duty Free Group und Spanien/Kommission, C‑51/19 P und C‑64/19 P, EU:C:2021:793, Rn. 62 und 63 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Im Übrigen ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht nach den Gründen und Zielen der staatlichen Maßnahmen unterscheidet, sondern diese nach ihren Wirkungen und somit unabhängig von den verwendeten Techniken beschreibt (vgl. Urteil vom 28. Juni 2018, Andres [Insolvenz Heitkamp BauHolding]/Kommission, C‑203/16 P, EU:C:2018:505, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70      Aus dieser Rechtsprechung geht hervor, dass dann, wenn nationale Steuervorschriften nicht durch den Rückgriff auf eine bestimmte Regelungstechnik von vornherein der im AEU-Vertrag vorgesehenen Kontrolle im Bereich der staatlichen Beihilfen entzogen werden können, der Rückgriff auf die verwendete Regelungstechnik auch nicht zur Bestimmung des für die Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Selektivität maßgebenden Bezugsrahmens ausreichen kann, da sonst die Form der staatlichen Maßnahmen in entscheidender Weise Vorrang vor ihren Wirkungen genösse. Daher kann die verwendete Regelungstechnik kein für die Bestimmung des Bezugssystems ausschlaggebender Gesichtspunkt sein (Urteil vom 28. Juni 2018, Andres [Insolvenz Heitkamp BauHolding]/Kommission, C‑203/16 P, EU:C:2018:505, Rn. 89 bis 91).

71      Die Kommission selbst hat ihre Auslegung des Begriffs des Referenzsystems in ihrer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV (ABl. 2016, C 262, S. 1; im Folgenden: Bekanntmachung von 2016) dargelegt. Wenngleich diese Bekanntmachung das Gericht insoweit nicht binden kann, kann sie gleichwohl eine nützliche Anregung darstellen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 26. Juli 2017, Tschechische Republik/Kommission, C‑696/15 P, EU:C:2017:595, Rn. 53).

72      Insbesondere heißt es in Rn. 133 der Bekanntmachung von 2016, dass sich das Bezugssystem aus kohärenten Vorschriften zusammensetze, die – auf der Grundlage objektiver Kriterien – generell auf alle Unternehmen Anwendung finden, die definitionsgemäß in seinen Anwendungsbereich fallen. Typischerweise werden in diesen Vorschriften nicht nur der Anwendungsbereich des Systems, sondern auch die Voraussetzungen für seine Anwendung, die Rechte und Pflichten der ihm unterliegenden Unternehmen und die technischen Aspekte seiner Funktionsweise festgelegt.

73      Zudem wird in Rn. 134 der Bekanntmachung von 2016 klargestellt, dass sich im Fall von Steuern das Referenzsystem aus Elementen wie der Steuerbemessungsgrundlage, den Steuerpflichtigen, dem Steuertatbestand und den Steuersätzen zusammensetzt. Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass insbesondere der Steuersatz sowie die Festlegung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und des Steuertatbestands die grundlegenden Merkmale darstellen, die das Referenzsystem bzw. die „normale“ Steuerregelung definieren, anhand deren die Voraussetzung der Selektivität zu prüfen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. März 2021, Kommission/Polen, C‑562/19 P, EU:C:2021:201, Rn. 38 und 39).

74      Im Licht dieser Erwägungen ist zu beurteilen, ob die Kommission das Referenzsystem im vorliegenden Fall zutreffend bestimmt hat.

75      Wie insbesondere aus dem 107. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, hat die Kommission ausgeführt, dass das Referenzsystem aus den CFC‑Vorschriften bestehe, die zusammengefasst den Gegenstand oder die steuerpflichtige Grundlage der CFC‑Abgaben bestimmten.

76      Im vorliegenden Fall sind die in Rede stehenden Maßnahmen die in Teil 9A Kapitel 9 TIOPA vorgesehenen Befreiungen für bestimmte Arten von Gewinnen der CFC, die sonst gemäß Teil 9A Kapitel 5 TIOPA einer CFC‑Abgabe unterlegen hätten. Sie sind daher Teil der CFC‑Vorschriften, die in Teil 9A TIOPA kodifiziert sind.

77      Im Wesentlichen sehen die CFC‑Vorschriften vor, die Gewinne eines CFC, die in Wirklichkeit seinem verbundenen und im Vereinigten Königreich steuerpflichtigen Unternehmen zuzurechnen sind, im Vereinigten Königreich zu versteuern, soweit das verbundene Unternehmen für die Tätigkeiten oder Vermögenswerte, aus denen diese Gewinne erzielt wurden, verantwortlich ist bzw. soweit die Gewinne des CFC auf Konstruktionen zur Umleitung von Geldern beruhen, die andernfalls im Vereinigten Königreich steuerpflichtig gewesen wären.

78      Die CFC‑Vorschriften fügen sich ihrerseits in das allgemeine Körperschaftsteuersystem des Vereinigten Königreichs ein.

79      Es ist zu prüfen, inwieweit sich diese Vorschriften von diesem allgemeinen Steuersystem trennen lassen, da sie eine kohärente Gesamtheit von Vorschriften mit eigenständiger rechtlicher Logik im Sinne der oben in Rn. 68 angeführten Rechtsprechung darstellen, insbesondere in Bezug auf Elemente wie die Steuerbemessungsgrundlage, die Steuerpflichtigen, den Steuertatbestand und die Steuersätze.

80      Was erstens die den CFC‑Vorschriften zugrunde liegende Logik anbelangt, ist, wie das Vereinigte Königreich zu Recht hervorhebt, darauf hinzuweisen, dass das allgemeine Körperschaftsteuersystem dieses Staates auf dem Territorialitätsprinzip beruht, wonach nur die im Vereinigten Königreich erzielten Gewinne besteuert werden, nämlich die Gewinne, die von dort ansässigen Unternehmen erzielt werden, oder die von ausländischen Gesellschaften erzielten Gewinne, die durch ihre Tätigkeiten im Vereinigten Königreich über eine ständige Niederlassung in diesem Staat erwirtschaftet werden.

81      Nach den CFC‑Vorschriften können bestimmte Gewinne von CFC, die nach dem Territorialitätsprinzip normalerweise im Vereinigten Königreich nicht besteuert würden, gleichwohl dort besteuert werden, wenn sie als künstlich aus dem Vereinigten Königreich weggeleitet angesehen werden.

82      Somit beruhen die CFC‑Vorschriften auf einer Logik, die sich von der Logik des allgemeinen britischen Körperschaftsteuersystems unterscheidet. Diese Logik ist zugegebenermaßen eine Ergänzung oder, wie die Kommission im 105. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausführt, eine Folge des allgemeinen Steuersystems, das auf dem Territorialitätsprinzip beruht, doch lässt sie sich von diesem trennen.

83      Diese Vorschriften stellen nämlich keine Ausnahme vom allgemeinen Steuersystem dar, da sie vielmehr als dessen Erweiterung angesehen werden können. Die CFC‑Vorschriften zielen darauf ab, Gewinne zu besteuern, die künstlich aus dem Vereinigten Königreich weggeleitet wurden und deshalb die Gewinne des CFC künstlich erhöht haben, das sodann Dividenden ausschüttet, die im Vereinigten Königreich nicht steuerpflichtig sind. Somit hängt die Logik der CFC‑Vorschriften mit der Umleitung von Gewinnen an die CFC zusammen, so dass sie in der Praxis außerhalb des Vereinigten Königreichs erzielt werden. Sie unterscheidet sich daher von der Logik, die dem allgemeinen britischen Körperschaftsteuersystem zugrunde liegt, das auf den im Vereinigten Königreich erzielten Gewinnen beruht.

84      Zweitens ist zu prüfen, ob die CFC‑Vorschriften in Anbetracht der grundlegenden Merkmale, die die „normale“ Steuerregelung definieren, als vollständiges Regelwerk angesehen werden können, das sich vom allgemeinen britischen Körperschaftsteuersystem unterscheidet.

85      Was die Bemessungsgrundlage betrifft, ist festzustellen, dass die CFC‑Vorschriften auf Gewinne der CFC abzielen, die künstlich weggeleitet und von Tochtergesellschaften außerhalb des Vereinigten Königreichs kumuliert werden. Somit handelt es sich um Buchgewinne, die von den CFC außerhalb des Vereinigten Königreichs erzielt werden, und ihre Besteuerung nach Teil 9A Kapitel 4 bis 8 TIOPA beruht auf der Voraussetzung, dass sie aus dem Vereinigten Königreich künstlich weggeleitet wurden. Dagegen wird die britische Körperschaftsteuer auf Gewinne angewandt, die im Vereinigten Königreich von dort ansässigen Gesellschaften oder von Betriebsstätten von im Ausland ansässigen Unternehmen erzielt werden.

86      Was den Steuerpflichtigen anbelangt, so gelten die CFC‑Vorschriften, wenn im Vereinigten Königreich ansässige Unternehmen bestimmte Beteiligungen an Tochtergesellschaften außerhalb des Vereinigten Königreichs haben. Diese Besonderheit individualisiert diese Steuerpflichtigen gegenüber jenen des allgemeinen britischen Körperschaftsteuersystems, und zwar den Unternehmen, die im Vereinigten Königreich unmittelbar oder, im Fall von ausländischen Gesellschaften, über eine Betriebsstätte Gewinne machen. Wenn im Übrigen ein Unternehmen im Vereinigten Königreich einer CFC‑Abgabe unterworfen wird, geschieht dies gerade für die von seinem CFC erzielten Gewinne, während nach dem allgemeinen britischen Körperschaftsteuersystem eine dort ansässige Gesellschaft hinsichtlich ihrer eigenen Gewinne, die sie selbst oder über eine Betriebsstätte im Vereinigten Königreich erzielt, steuerpflichtig ist.

87      In Bezug auf den Steuertatbestand ist festzustellen, dass die Auferlegung einer CFC‑Abgabe gemäß den SEC‑Vorschriften ausgelöst wird, wenn CFC außerhalb des Vereinigten Königreichs Gewinne machen und davon ausgegangen wird, dass diese aus künstlichen Konstruktionen oder Umleitungen von Mitteln oder Gewinnen stammen, die im Vereinigten Königreich hätten besteuert werden müssen. Dagegen wird die Steuerpflicht bei der britischen Körperschaftsteuer durch die Erzielung von Gewinnen im Vereinigten Königreich ausgelöst. Da die von CFC erzielten Gewinne künstlich umgeleitet wurden, hätten sie ihrer Natur nach nämlich im Vereinigten Königreich versteuert werden müssen. Somit ist der entscheidende Faktor für die Erhebung einer CFC‑Abgabe die künstliche Wegleitung von Gewinnen aus dem Vereinigten Königreich.

88      Was den Steuersatz anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die CFC‑Vorschriften in Teil 9A Art. 371BC TIOPA bestimmen, dass der für die Berechnung der CFC‑Abgabe anzuwendende Steuersatz der Steuersatz ist, der vom Körperschaftsteuersystem für die Gewinne des im Vereinigten Königreich steuerpflichtigen verbundenen Unternehmens vorgesehen ist, und wenn es mehrere anwendbare Steuersätze geben sollte, der sich aus dem Durchschnitt dieser verschiedenen Steuersätze ergebende Steuersatz im maßgeblichen Steuerzeitraum. Zwar enthalten die CFC‑Vorschriften keinen speziellen, auf die Gewinne von CFC anwendbaren Steuersatz und verweisen auf den im allgemeinen Körperschaftsteuersystem vorgesehenen Steuersatz. Die CFC‑Abgabe wird jedoch insgesamt durch einen speziellen Berechnungsmechanismus bestimmt, der gegebenenfalls die Berechnung des Durchschnitts mehrerer Steuersätze erfordert, die auf die Gewinne des verbundenen Unternehmens anwendbar sind, das im Vereinigten Königreich steuerpflichtig ist.

89      Schließlich enthalten die CFC‑Vorschriften u. a. in Teil 9A Kapitel 15 bis 21 TIOPA spezielle Vorschriften zur Berechnung der CFC‑Abgabe, zu ihrer Verwaltung und Erhebung und insbesondere zu ihrer Verknüpfung mit den Steuern, die von dem im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmen zu zahlen sind, sowie mit den Steuern, die vom CFC in seinem Sitzland gezahlt werden. Diese Vorschriften erlauben die Anwendung von Teil 9A TIOPA für die Zwecke der Besteuerung von CFC parallel zur Anwendung des allgemeinen Körperschaftsteuersystems im Vereinigten Königreich. Zwar stützen sich die CFC‑Vorschriften auf das allgemeine Körperschaftsteuersystem, auf das sie verweisen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass sie als eigenständiger Katalog spezieller Regelungen für die Besteuerung der Gewinne von CFC im Vereinigten Königreich angesehen werden können.

90      Zudem ist darauf hinzuweisen, dass bei der Berechnung der Steuer des gebietsansässigen Unternehmens für die von seinem CFC erzielten Gewinne in Bezug auf Steuern, die möglicherweise im Aufnahmeland des CFC gezahlt wurden, ein Abzug als Entlastung vorgesehen ist. Dieser Mechanismus, der bei der Berechnung der Steuer auf der Grundlage des allgemeinen britischen Körperschaftsteuersystems nicht relevant ist, ist im Rahmen der Besteuerung der Gewinne von CFC von entscheidender Bedeutung, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Schon die Existenz dieses Mechanismus zeugt von der Besonderheit der CFC‑Vorschriften.

91      Unter diesen Umständen ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie die Ansicht vertreten hat, dass die CFC‑Vorschriften ein gesondertes steuerrechtliches Regelwerk innerhalb des allgemeinen Körperschaftsteuersystems darstellten, und diese Vorschriften für ihre Analyse als Referenzsystem herangezogen hat.

92      Daher ist der vorliegende Klagegrund, mit dem ein Beurteilungsfehler bei der Ermittlung des Referenzsystems gerügt wird, zurückzuweisen.

2.      Zu den Klagegründen, mit denen ein Beurteilungsfehler bei den Feststellungen der Kommission zum Vorliegen eines Vorteils und zur a priori bestehenden Selektivität der streitigen Regelung aufgrund einer Abweichung vom Referenzsystem gerügt wird (zweiter Klagegrund in der Rechtssache T363/19 sowie zweiter und dritter Klagegrund in der Rechtssache T456/19)

93      Das Vereinigte Königreich und ITV machen im Wesentlichen geltend, dass, selbst wenn man davon ausgehe, dass die CFC‑Regelung das geeignete Referenzsystem sei, die Anwendung von Teil 9A Kapitel 9 TIOPA nicht zur Gewährung eines Vorteils führe und keine Abweichung von diesem System darstelle.

94      Die Kommission tritt dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs und von ITV entgegen.

95      Im vorliegenden Fall sind die Argumente des Vereinigten Königreichs und von ITV, die ihrerseits durch das Vereinigte Königreich und LSEGH unterstützt wird, nacheinander zu prüfen, mit denen erstens die Schlussfolgerung der Kommission zum Vorliegen eines Vorteils, zweitens das Ziel des von der Kommission für den Vergleich im Rahmen der Selektivitätsprüfung herangezogenen Referenzsystems und drittens die Schlussfolgerung der Kommission zur a priori bestehenden Selektivität der streitigen Regelung aufgrund einer Abweichung vom Referenzsystem beanstandet werden.

a)      Vorliegen eines Vorteils

96      Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs und von ITV konnten die Vorschriften von Teil 9A Kapitel 9 TIOPA nicht von den Vorschriften der Kapitel 3 und 5 dieses Teils gesondert betrachtet werden, da sie ein kohärentes Ganzes bildeten, das den Umfang der Besteuerung der von CFC erzielten Gewinne im Vereinigten Königreich festlege. Daher könnten die Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs keinen Vorteil aufgrund der Anwendung von Teil 9A Kapitel 9 TIOPA gewähren.

97      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung als staatliche Beihilfen Maßnahmen gleich welcher Art gelten, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begünstigen oder die als ein wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte (vgl. Urteile vom 2. September 2010, Kommission/Deutsche Post, C‑399/08 P, EU:C:2010:481, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 9. Oktober 2014, Ministerio de Defensa und Navantia, C‑522/13, EU:C:2014:2262, Rn. 21).

98      Eine staatliche Maßnahme verschafft dem durch sie Begünstigten mithin einen wirtschaftlichen Vorteil, wenn sie die Belastungen vermindert, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (Urteil vom 9. Oktober 2014, Ministerio de Defensa und Navantia, C‑522/13, EU:C:2014:2262, Rn. 22). Eine Maßnahme, mit der die staatlichen Stellen bestimmten Unternehmen eine steuerliche Vergünstigung gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die Begünstigten finanziell besserstellt als die übrigen Steuerpflichtigen, ist eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV (Urteil vom 15. März 1994, Banco Exterior de España, C‑387/92, EU:C:1994:100, Rn. 14, vgl. auch Urteil vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a., C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Daher ist, um zu bestimmen, ob ein steuerlicher Vorteil besteht, die Situation des Begünstigten, die sich aus der Anwendung der fraglichen Maßnahme ergibt, mit seiner Situation ohne die fragliche Maßnahme zu vergleichen, wenn die normalen Steuervorschriften angewandt werden (vgl. Urteil vom 24. September 2019, Niederlande u. a./Kommission, T‑760/15 und T‑636/16, EU:T:2019:669, Rn. 147 und die dort angeführte Rechtsprechung).

100    Im vorliegenden Fall ist die Kommission in den Erwägungsgründen 96 bis 101 des angefochtenen Beschlusses davon ausgegangen, dass mit der in Rede stehenden Befreiung ein im Vereinigten Königreich ansässiges Unternehmen, das gemäß Teil 9A Kapitel 5 TIOPA einer CFC‑Abgabe unterliege, geltend machen könne, dass die CFC‑Abgabe auf 25 % der nicht gewerblichen Finanzierungserträge des CFC aus qualifizierten Darlehen oder gar auf bis zu 0 % berechnet werde, wenn diese Gewinne mit „qualifizierten Mitteln“ finanziert würden oder die „Matched‑Interest“-Regel Anwendung finde. Somit gewährten die in Rede stehenden Befreiungen den begünstigten Unternehmen einen Vorteil, soweit die befreiten Gewinne andernfalls einer CFC‑Abgabe gemäß Teil 9A Kapitel 5 TIOPA unterlegen hätten.

101    Insoweit ergibt sich aus Teil 9A TIOPA, wie er oben in den Rn. 3 bis 9 dargestellt ist, dass die dort festgelegten Regeln eine Reihe von Situationen vorsehen, die als künstliche Umleitung von Gewinnen angesehen werden, wie insbesondere die von Kapitel 5 erfassten, das Tätigkeiten im Rahmen der Aufgaben der Entscheidungsträger im Vereinigten Königreich betrifft, die zur Erzielung von nicht gewerblichen Finanzierungserträgen der CFC außerhalb des Vereinigten Königreichs führen.

102    Wenn also eines der in den oben genannten Vorschriften vorgesehenen Kriterien für die Feststellung des Vorliegens einer künstlichen Umleitung von Gewinnen erfüllt ist, sehen diese die Besteuerung der von den fraglichen CFC erzielten Gewinne durch eine CFC‑Abgabe im Vereinigten Königreich vor.

103    Daher ist das System so aufgebaut, dass Situationen besteuert werden, in denen eine künstliche Wegleitung der Gewinne aus dem Vereinigten Königreich stattfindet, sei es, um diese Gewinne in die erodierte Steuerbemessungsgrundlage im Vereinigten Königreich einzubeziehen, sei es, um von der Schaffung von Konstruktionen abzuhalten, die zu einer solchen Wegleitung führen.

104    Unter diesen Umständen verringert der Umstand, dass eine Befreiung von 75 % oder sogar von 100 % dieser Gewinne des CFC vorgesehen ist, die als künstlich aus dem Vereinigten Königreich weggeleitet gegolten hätten und daher dort hätten besteuert werden müssen, die Belastungen, die das steuerpflichtige Unternehmen normalerweise im Vereinigten Königreich aufgrund dieser Gewinne zu tragen hat.

105    Entgegen dem Vorbringen von ITV können die in Rede stehenden Befreiungen nicht als Anpassung der Besteuerung der Gewinne der CFC angesehen werden. Da diese Befreiungen nämlich das wahre Wesen der CFC‑Vorschriften, und zwar die Besteuerung der künstlich aus dem Vereinigten Königreich weggeleiteten Gewinne, verkennen, können sie nicht als eine Anpassung bei der Anwendung dieser Vorschriften angesehen werden.

106    Ebenso wenig kann das Vorbringen durchgreifen, dass Teil 9A Kapitel 3 und 5 TIOPA Teile ein und derselben Rechtsvorschrift seien, die den Umfang der Besteuerung der Gewinne der CFC im Vereinigten Königreich festlegten. Die Tatsache, dass die beiden Kapitel Teil ein und derselben Rechtsvorschrift sind und dass zwangsläufig beide gemäß dem geltenden Text anwendbar sind, ändert nämlich nichts daran, dass die in Teil 9A Kapitel 9 TIOPA vorgesehenen Maßnahmen, soweit sie Gewinne von der Besteuerung befreien, die als künstlich aus dem Vereinigten Königreich weggeleitet angesehen wurden, nicht der Natur und dem Aufbau des Systems entsprechen, in das sie sich einfügen. Anstatt somit den Umfang der Besteuerung der Gewinne der CFC abzugrenzen, entziehen die in Teil 9A Kapitel 9 TIOPA vorgesehenen Befreiungen die Gewinne, die als künstlich aus dem Vereinigten Königreich weggeleitete Gewinne hätten besteuert werden müssen, der Besteuerung.

107    Würde man hinnehmen, dass eine Abweichung von einer Steuerregelung bloß deshalb, weil sie sich in dieselbe Rechtsvorschrift einfügt, keine Abweichung, sondern vielmehr eine Anpassung darstellt, die den Umfang dieser Steuerregelung eingrenzt, wäre es für die Mitgliedstaaten sehr einfach, Abweichungen von der normalen Besteuerung mittels einer solchen Gesetzgebungstechnik zu verschleiern und sich damit der Anwendung der Vorschriften über die Kontrolle staatlicher Beihilfen zu entziehen.

108    Unter diesen Umständen ist das Vorbringen des Vereinigten Königreichs und von ITV zurückzuweisen, mit dem die Feststellung der Kommission bestritten wird, dass aufgrund der in Rede stehenden Befreiungen ein Vorteil vorliege.

b)      Ziel der CFCVorschriften

109    Das Vereinigte Königreich und ITV machen im Wesentlichen geltend, die Kommission sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Ziel der CFC‑Vorschriften auf die Besteuerung künstlich umgeleiteter Gewinne beschränkt sei, während diese Vorschriften darauf abzielten, die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer im Vereinigten Königreich zu schützen, die durch künstliche Umleitungen von Gewinnen, aber auch durch Abzüge im Vereinigten Königreich infolge von zirkulären Vereinbarungen erodiert werden könne.

110    Die Kommission macht geltend, das Ziel der CFC‑Vorschriften bestehe darin, die Gewinne aus den Tätigkeiten und Vermögenswerten der CFC, die aus dem Vereinigten Königreich künstlich an ein CFC umgeleitet worden seien, zu besteuern.

111    Für die Vergleichbarkeitsanalyse im Rahmen der Selektivitätsprüfung im Rahmen des zweiten Schritts der Analyse, die nach der oben in Rn. 61 dargestellten Rechtsprechung durchzuführen ist, kommt der Bestimmung des Ziels des betreffenden Steuersystems eine entscheidende Bedeutung zu, da die rechtliche und tatsächliche Situation der betreffenden Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf dieses Ziel zu vergleichen ist.

112    Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass es bei der Beurteilung des untrennbar mit der Einstufung einer Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verbundenen Merkmals der Selektivität des Vorteils der Feststellung bedarf, ob eine nationale Maßnahme im Rahmen einer konkreten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden und somit eine unterschiedliche Behandlung erfahren, die der Sache nach als diskriminierend eingestuft werden kann (vgl. Urteil vom 16. März 2021, Kommission/Polen, C‑562/19 P, EU:C:2021:201, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

113    Im 105. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt es, dass es „Ziel der … CFC‑Vorschriften [des Vereinigten Königreichs] ist …, die britische Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage zu schützen und damit sicherzustellen, dass das … Körperschaftsteuersystem [des Vereinigten Königreichs] sein Ziel erreicht“, und dass „[d]ieses Ziel … erreicht [wird], indem Gewinne aus Tätigkeiten und Vermögenswerten im Vereinigten Königreich, von denen angenommen wird, dass sie künstlich vom Vereinigten Königreich an gebietsfremde verbundene Unternehmen weggeleitet wurden, besteuert werden“. Dieses Ziel wird im 114. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses mit etwas anderen Worten wiederholt.

114    Im vorliegenden Fall streiten die Parteien im Wesentlichen darüber, ob die CFC‑Vorschriften den Schutz der Bemessungsgrundlage für die britische Körperschaftsteuer zum Ziel haben, wie das Vereinigte Königreich und ITV behaupten, oder die Besteuerung künstlich aus dem Vereinigten Königreich weggeleiteter Gewinne, wie die Kommission geltend macht.

115    Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die beiden oben in Rn. 114 zusammengefassten Positionen in Wirklichkeit keine widerstreitenden Standpunkte darstellen, da der Schutz der Bemessungsgrundlage für die britische Körperschaftsteuer ein weit gefasstes Ziel darstellt, in das sich das spezifischere Ziel einfügt, das in der Besteuerung der künstlich aus dem Vereinigten Königreich weggeleiteten Gewinne besteht.

116    Wie oben in Rn. 3 ausgeführt, beruht das Körperschaftsteuersystem des Vereinigten Königreichs nämlich auf dem Territorialitätsprinzip, wonach nur die Gewinne besteuert werden, die aus Tätigkeiten und Vermögenswerten im Vereinigten Königreich von dort ansässigen Unternehmen oder von Betriebsstätten von im Ausland ansässigen Unternehmen stammen. Folglich werden die von beherrschten ausländischen Unternehmen wie den CFC ausgeschütteten Dividenden im Vereinigten Königreich nicht besteuert. Wie das Vereinigte Königreich im Rahmen des Verwaltungsverfahrens insbesondere als Reaktion auf den Beschluss zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens geltend gemacht hat, wurden mehrere Maßnahmen ergriffen, wie beispielsweise Maßnahmen zur Begrenzung des Zinsabzugs im Vereinigten Königreich, die Beschränkungen für Zinssätze, die in konzerninternen Beziehungen angewandt werden, oder die CFC‑Vorschriften, um zu verhindern, dass im Zusammenhang mit dem territorialen Steuersystem die Bemessungsgrundlage für die britische Körperschaftsteuer insbesondere zugunsten von CFC erodiert werde, für die außerhalb des Vereinigten Königreichs niedrige Steuersätze anwendbar seien.

117    Zwar dienen alle diese Maßnahmen dem allgemeinen Ziel des Schutzes der Bemessungsgrundlage für die britische Körperschaftsteuer.

118    Für die Zwecke der Prüfung der Selektivität der in Rede stehenden steuerlichen Maßnahmen ist jedoch das spezielle Ziel der CFC‑Vorschriften zu bestimmen, das im vorliegenden Fall den einschlägigen Referenzrahmen darstellt.

119    Aus den verschiedenen Dokumenten, die aus der dem Erlass der CFC‑Vorschriften im Vereinigten Königreich vorgelagerten Konsultation hervorgegangen sind, geht hervor, dass mit diesen Vorschriften die Bemessungsgrundlage für die britische Körperschaftsteuer vor der durch die künstliche Wegleitung von Gewinnen aus dem Vereinigten Königreich hervorgerufenen Erosion geschützt werden sollte. Ferner ergibt sich aus den Antworten des Vereinigten Königreichs im Rahmen des Verwaltungsverfahrens sowie seinen Schriftsätzen im Rahmen der vorliegenden Klage, dass die CFC‑Vorschriften im Speziellen darauf abzielen, die künstlich aus dem Vereinigten Königreich weggeleiteten Gewinne der CFC zu besteuern.

120    Unter diesen Umständen ist das Vorbringen des Vereinigten Königreichs und von ITV zurückzuweisen, mit dem das Ziel der CFC‑Vorschriften bestritten wird, das die Kommission für die Zwecke ihrer Prüfung der Selektivität im vorliegenden Fall zugrunde gelegt hat, nämlich der Schutz der Bemessungsgrundlage für die britische Körperschaftsteuer, indem die Gewinne aus Tätigkeiten und Vermögenswerten des Vereinigten Königreichs, die von diesem künstlich an die CFC umgeleitet werden, besteuert werden.

c)      A priori bestehende Selektivität der streitigen Regelung aufgrund einer Abweichung vom Referenzsystem

121    Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs und von ITV, insoweit unterstützt durch LSEGH, hat die Kommission einen Beurteilungsfehler begangen, als sie im angefochtenen Beschluss festgestellt habe, dass die streitige Regelung a priori selektiv sei, da sie nicht hinreichend berücksichtigt habe, dass die CFC‑Vorschriften darauf abzielten, nur in den Fällen eine steuerliche Verpflichtung aufzuerlegen, in denen ein hohes Risiko des Missbrauchs oder der künstlichen Wegleitung von Gewinnen aus dem Vereinigten Königreich bestehe. Dagegen sei die in Teil 9A Kapitel 9 TIOPA vorgesehene Befreiung nur in den Fällen anwendbar, in denen ein geringes Risiko der Erosion der Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer im Vereinigten Königreich bestehe.

122    Somit machen das Vereinigte Königreich, ITV und LSEGH geltend, die tatsächliche und rechtliche Situation von CFC, die Gewinne aus nicht qualifizierten Darlehen erzielt hätten, und zwar aus Darlehen, die an verbundene Unternehmen im Vereinigten Königreich oder an Drittunternehmen vergeben worden seien, unterscheide sich von der Situation von CFC, die Gewinne aus qualifizierten Darlehen erzielt hätten. So stellten die Darlehen, die von CFC an verbundene Unternehmen im Vereinigten Königreich vergeben worden seien, zirkuläre Vereinbarungen dar, die darauf abzielten, die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer im Vereinigten Königreich zu verringern, und bestünden die von CFC Dritten gewährten Darlehen für gewöhnlich aus Vereinbarungen, die kein wirtschaftliches Ziel hätten und daher sogenannten „Moneyboxes“ gleichgestellt werden könnten, was bei qualifizierten Darlehen insbesondere wegen der Voraussetzung der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sitzland des CFC nicht der Fall sei.

123    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen und macht im Wesentlichen geltend, Situationen, in denen es um Upstream-Darlehen und Moneyboxes gehe, und Situationen, in denen es um qualifizierte Darlehen gehe, seien vergleichbar, da aus beiden Arten von Darlehen aufgrund der im Vereinigten Königreich ausgeführten Aufgaben der Entscheidungsträger nicht gewerbliche Finanzierungserträge hätten erzielt werden können. Das mit diesen Aufgaben zusammenhängende Kriterium sei nämlich eines der in Teil 9A Kapitel 5 TIOPA vorgesehenen Kriterien zur Feststellung von Situationen künstlicher Wegleitung von Gewinnen, die einer CFC‑Abgabe unterliegen müssten. Zudem könnten sowohl qualifizierte als auch nicht qualifizierte Darlehen durch anerkannte wirtschaftliche Gründe gerechtfertigt werden.

124    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im Rahmen des zweiten Schritts der Prüfung der Selektivität steuerlicher Maßnahmen, wie er von der oben in Rn. 61 angeführten Rechtsprechung vorgesehen ist, dartun muss, dass die in Rede stehende steuerliche Maßnahme von dem im Rahmen des ersten Schritts ermittelten Referenzsystem abweicht, da sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit diesem Referenzsystem verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.

125    In den Erwägungsgründen 124 bis 151 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission zum Nachweis des Vorliegens eines selektiven Vorteils die Situation von Unternehmen, die sich auf die in Rede stehenden Befreiungen berufen können, nämlich derjenigen, deren CFC aus qualifizierten Darlehen nicht gewerbliche Finanzierungserträge erzielten, mit der Situation von Unternehmen verglichen, auf die diese Befreiung nicht anwendbar war, nämlich Unternehmen, deren CFC Gewinne aus nicht qualifizierten Darlehen erzielten.

126    Insoweit sind zunächst die Voraussetzungen für die Gewährung der in Rede stehenden Befreiungen, insbesondere diejenigen, die mit der Qualifizierung der Darlehen in Zusammenhang stehen, zu prüfen; sodann ist auf die Merkmale der nicht qualifizierten Darlehen einzugehen, um schließlich zu prüfen, ob die Kommission daraus zu Recht den Schluss gezogen hat, dass die streitigen Maßnahmen Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern in vergleichbaren Situationen eingeführt hätten.

1)      Voraussetzungen für die Gewährung der in Rede stehenden Befreiungen

127    Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission von drei in Teil 9A Kapitel 9 TIOPA vorgesehenen Befreiungen, die Gewinne von CFC betrafen, die nach Kapitel 5 einer CFC‑Abgabe unterworfen werden konnten, festgestellt, dass sie ihren Begünstigten einen selektiven Vorteil verschafften.

128    Es handelt sich erstens um die Befreiung gemäß Teil 9A Art. 371IB TIOPA, die bis zu 100 % der nicht gewerblichen Finanzierungserträge eines CFC aus qualifizierten Darlehen betreffen kann, sofern sie aus qualifizierten Mitteln finanziert wurden, d. h. im Wesentlichen aus Mitteln, die aus Gewinnen oder anderen Eigenmitteln des CFC stammen.

129    Zweitens geht es um die Befreiung gemäß Teil 9A Art. 371ID TIOPA in Höhe von 75 % der nicht gewerblichen Finanzierungserträge eines CFC. Gemäß dieser Befreiung können 75 % der Gewinne aus qualifizierten Darlehen von der Steuer befreit werden, ohne dass nachgewiesen werden müsste, dass die Mittel dem CFC zugeordnet waren, und unabhängig von den Aufgaben der Entscheidungsträger, die im Zusammenhang mit den fraglichen Darlehen ausgeführt wurden. Aus diesem Grund wird davon ausgegangen, dass diese Befreiung bei qualifizierten Darlehen automatisch gewährt wird.

130    Drittens geht es um die in Teil 9A Art. 371IE TIOPA vorgesehene, sogenannte Matched‑Interest-Befreiung. Letztere kann für den Saldo der nicht gewerblichen Finanzierungserträge aus qualifizierten Darlehen geltend gemacht werden, die nicht unter die beiden anderen Befreiungen fielen, soweit für die betreffende Unternehmensgruppe insgesamt der Betrag der steuerpflichtigen Einkünfte aufgrund der erhaltenen Zinsen höher ist als der Betrag der gezahlten Zinsen und somit von dieser Gruppe von ihrer Bemessungsgrundlage im Vereinigten Königreich abgezogen wird. Da diese Befreiung für alle nicht gewerblichen Finanzierungserträge des betreffenden CFC aus qualifizierten Darlehen geltend gemacht werden kann, ist sie von der Kommission ebenso wie die in Art. 371IB vorgesehene als vollständige Befreiung behandelt worden.

131    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die in Rede stehenden Befreiungen nicht gewerbliche Finanzierungserträge betreffen, und zwar im Wesentlichen Gewinne aus Darlehen, die von einem nicht im Bankensektor tätigen CFC gewährt wurden; diese Gewinne wurden im Vereinigten Königreich als steuerpflichtig angesehen und können daher Gegenstand einer CFC‑Abgabe gemäß Teil 9A Kapitel 5 TIOPA sein. Somit wurden diese Gewinne als im Vereinigten Königreich steuerpflichtig angesehen, da die Tätigkeiten, die für die Schaffung und Verwaltung der fraglichen Darlehen am wichtigsten sind, nämlich die Aufgaben der Entscheidungsträger, im Vereinigten Königreich ausgeführt wurden (diese Situation entspricht dem, was als „Kriterium der Tätigkeiten im Vereinigten Königreich“ nach Teil 9A Art. 371EB TIOPA bezeichnet wird), oder die Darlehen mit Geldern oder Vermögenswerten finanziert wurden, die aus Kapitalzuführungen aus dem Vereinigten Königreich stammten (diese Situation entspricht dem, was als „Kriterium des mit dem Vereinigten Königreich verbundenen Kapitals“ nach Teil 9A Art. 371EC TIOPA bezeichnet wird).

132    Als Zweites muss die Voraussetzung des Ortes der Niederlassung des CFC erfüllt sein, damit die drei in Rede stehenden Befreiungen gewährt werden. Diese in Teil 9A Art. 371IA TIOPA in Verbindung mit dessen Art. 371DG vorgesehene Voraussetzung verlangt, dass das fragliche CFC seine Tätigkeiten in seinem Sitzland zumindest hauptsächlich in dauerhaft besetzten und genutzten Räumlichkeiten ausübt. Sie wird vom Vereinigten Königreich in seinen Schriftsätzen als Erfordernis der tatsächlichen Existenz des CFC unter Ausschluss von sogenannten „Briefkastenfirmen“ oder „Scheinfirmen“ bezeichnet. Es ist allerdings festzustellen, dass die Tragweite dieser Voraussetzung, so wie sie von den Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs ausgelegt wird, relativ bleibt. Tatsächlich geht aus Punkt INTM200810 des Handbuchs der Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs zum internationalen Steuerrecht betreffend CFC (HMRC International Manual/INTM 190000 Controlled Foreign Companies) hervor, dass es für die Erfüllung dieser Voraussetzung ausreicht, dass die Örtlichkeiten mit einem „angemessenen Grad“ an Dauerhaftigkeit besetzt sind – d. h. über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten, oder dass eine entsprechende „Absicht“ besteht. Im Übrigen sind an dieses Sitzerfordernis anders als bei den Bestimmungen von Teil 9A Art. 371DF Abs. 1 TIOPA betreffend gewerbliche Gewinne keine zusätzlichen Bedingungen geknüpft, die als Nachweis für das tatsächliche Vorhandensein der Tätigkeit im Niederlassungsstaat dienen könnten.

133    Wie das Vereinigte Königreich in Beantwortung von Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, bedeutet zudem die Tatsache, dass ein CFC die Voraussetzung des Ortes der Niederlassung erfüllt, nicht, dass die für die Tätigkeit dieses CFC relevanten Aufgaben der Entscheidungsträger, insbesondere diejenigen, die die von ihm gewährten Darlehen betreffen (aus denen nicht gewerbliche Finanzierungserträge erzielt werden können), im Sitzland des CFC ausgeführt werden. Hierzu hat die Kommission in den Erwägungsgründen 165 und 166 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass die Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs der Ansicht seien, dass bei größeren, mittel- bis langfristigen, durch Eigenkapital finanzierten Krediten erwartet werde, dass in den meisten Fällen die Verwaltung des Kredits bei der Finanzfunktion des Konzerns und nicht bei den CFC selbst liege.

134    Daher ist es möglich, dass ein CFC, das die Voraussetzung des Ortes der Niederlassung erfüllt, nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus Darlehenstätigkeiten erzielen kann, für die die Aufgaben der Entscheidungsträger im Vereinigten Königreich ausgeführt wurden.

135    Im Übrigen bedeutet die Tatsache, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, auch nicht, dass die übrigen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der fraglichen Befreiungen erfüllt wären. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein CFC, das die Voraussetzung des Ortes der Niederlassung erfüllt, nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus nicht qualifizierten Darlehen erzielt, die nicht für die in Rede stehenden Befreiungen in Frage kommen.

136    Unter diesen Umständen ist die Voraussetzung des Ortes der Niederlassung, wie die Kommission zutreffend im 149. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, für die im Rahmen der Prüfung der Selektivität vorzunehmende Beurteilung der Vergleichbarkeit nicht entscheidend, da sie sowohl von Unternehmen erfüllt werden kann, die die in Rede stehenden Befreiungen in Anspruch nehmen können, als auch von Unternehmen, die davon ausgeschlossen sind.

137    Als Drittes müssen die fraglichen nicht gewerblichen Finanzierungserträge aus qualifizierten Darlehen erzielt worden sein, um für die in Rede stehenden Befreiungen in Frage zu kommen. Nach Teil 9A Art. 371IG TIOPA sind qualifizierte Darlehen solche, die von einem CFC anderen, nicht im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmen gewährt werden, die von dem oder denselben Unternehmen kontrolliert werden, das oder die auch das CFC kontrolliert/kontrollieren. Wie aus Punkt INTM216450 des Handbuchs der Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs zum internationalen Steuerrecht betreffend CFC (HMRC International Manual/INTM 190000 Controlled Foreign Companies) hervorgeht, handelt es sich bei qualifizierten Darlehen im Wesentlichen um Darlehen, die von einem CFC Unternehmen derselben Gruppe gewährt werden, die nicht im Vereinigten Königreich ansässig sind.

138    Die Voraussetzung der Qualifiziertheit der Darlehen ist für die drei betreffenden Befreiungen relevant. Was die Befreiung nach Teil 9A Art. 371ID TIOPA anbelangt, ist sie jedoch im Wesentlichen die einzige Voraussetzung, abgesehen von der des Ortes der Niederlassung, die anwendbar ist, damit sich steuerpflichtige Unternehmen auf eine Befreiung von 75 % der nicht gewerblichen Finanzierungserträge ihrer CFC aus qualifizierten Darlehen berufen können, und zwar unabhängig davon, ob insbesondere die mit den fraglichen Darlehen in Zusammenhang stehenden Aufgaben der Entscheidungsträger im Vereinigten Königreich ausgeführt wurden.

139    Als Viertes muss, um die Befreiung nach Teil 9A Art. 371IB TIOPA in Anspruch nehmen zu können, die bis zu 100 % der nicht gewerblichen Finanzierungserträge eines CFC betreffen kann, auch nachgewiesen werden, dass die dem betreffenden qualifizierten Darlehen zugrunde liegenden Mittel „qualifizierte“ Mittel darstellen. Teil 9A Art. 371IB TIOPA sieht nämlich vor, dass steuerpflichtige Unternehmen die Befreiung von der CFC‑Abgabe auf nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus qualifizierten Darlehen beantragen können, wenn und soweit ihnen der Nachweis gelingt, dass diese Gewinne aus qualifizierten Mitteln stammen. Nach Teil 9A Art. 371IB TIOPA entsprechen die qualifizierten Mittel im Wesentlichen jenen, die aus Gewinnen des CFC oder aus Geldern und anderen Vermögenswerten des CFC stammen, die das CFC im Zusammenhang mit Aktien lukriert, die es an Mitgliedern der Gruppe erhält, zu der es gehört, oder die es an diese Mitglieder ausgegeben hat. Diese Befreiung kann daher bis zu 100 % der steuerpflichtigen nicht gewerblichen Finanzierungserträge umfassen, wenn alle betroffenen qualifizierten Darlehen aus qualifizierten Mitteln finanziert wurden.

140    Wie das Vereinigte Königreich und ITV in ihren Antworten auf Fragen des Gerichts erklärt haben, ist es insoweit nicht ausgeschlossen, dass Darlehen aus qualifizierten und damit eigenen Mitteln des CFC finanziert wurden, während die mit diesem Darlehen in Zusammenhang stehenden Aufgaben der Entscheidungsträger zentral im Vereinigten Königreich ausgeführt worden waren. Daher wird die Befreiung gemäß Teil 9A Art. 371IB TIOPA ebenso wie die gemäß Teil 9A Art. 371ID TIOPA unabhängig davon gewährt, ob mit den fraglichen Darlehen in Zusammenhang stehende Aufgaben der Entscheidungsträger im Vereinigten Königreich ausgeführt wurden.

141    Als Fünftes kann die in Teil 9A Art. 371IE TIOPA vorgesehene „Matched‑Interest“-Befreiung für den Saldo der nicht gewerblichen Finanzierungserträge aus qualifizierten Darlehen geltend gemacht werden, die nicht unter die beiden anderen Befreiungen fielen, soweit für die betreffende Unternehmensgruppe insgesamt der Betrag der steuerpflichtigen Einkünfte aufgrund der erhaltenen Zinsen höher ist als der Betrag der gezahlten Zinsen und somit von dieser Gruppe von ihrer Bemessungsgrundlage im Vereinigten Königreich abgezogen wird.

142    Es handelt sich daher um eine zusätzliche Befreiung zu den beiden anderen Befreiungen, die jedoch ebenfalls unabhängig davon gewährt wird, ob die mit den Darlehen, aus denen die fraglichen nicht gewerblichen Finanzierungserträge stammen, in Zusammenhang stehenden Aufgaben der Entscheidungsträger im Vereinigten Königreich ausgeführt wurden.

143    Nach alledem ist festzustellen, dass die Befreiungen, abgesehen von den verschiedenen Voraussetzungen, die für jede der in Rede stehenden Befreiungen relevant sind, unabhängig davon gewährt werden, ob die Aufgaben der Entscheidungsträger in Bezug auf die Darlehen, aus denen die fraglichen nicht gewerblichen Finanzierungserträge erzielt werden, im Vereinigten Königreich ausgeführt wurden.

2)      Ausschlüsse von der Gewährung der in Rede stehenden Befreiungen

144    Wie oben in den Rn. 127 bis 143 ausgeführt, ist die den drei Befreiungen gemeinsame Voraussetzung die der Qualifiziertheit der Darlehen. Mithin sind von diesen Befreiungen nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus nicht qualifizierten Darlehen ausgeschlossen.

145    Nach Teil 9A Art. 371IH TIOPA sind Darlehen, die einem im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmen oder einer dort ansässigen Betriebsstätte eines gebietsfremden Unternehmens gewährt werden, von der Definition der qualifizierten Darlehen ausgeschlossen. Ebenfalls ausgeschlossen sind einem anderen CFC gewährte Darlehen, die es einem Unternehmen im Vereinigten Königreich ermöglichen, die im Zusammenhang mit diesem Darlehen gezahlten Zinsen bei der Berechnung einer CFC‑Abgabe abzuziehen. Ferner sind Darlehen ausgeschlossen, die einem Begünstigten gewährt werden, der diese Gelder dazu verwendet, andere Darlehen zu gewähren.

146    Da die qualifizierten Darlehen nach Teil 9A Art. 371IG Abs. 8 TIOPA qualifizierten Unternehmen gewährt werden müssen, also solchen, die mit dem CFC verbunden sind und von dem oder denselben Unternehmen kontrolliert werden, das/die auch das CFC kontrolliert/kontrollieren, sind Darlehen, die Unternehmen außerhalb der Gruppe gewährt werden, von der Definition der qualifizierten Darlehen ausgeschlossen.

147    Somit werden im Wesentlichen Darlehen, die die CFC den im Vereinigten Königreich ansässigen verbundenen Unternehmen gewähren, sogenannte „Upstream-Darlehen“, und Darlehen, die die CFC Dritten gewähren, sogenannte „Moneyboxes“, sowie die, deren Zinsen als Abzüge von einer anderen CFC‑Abgabe verwendet werden oder zur Finanzierung anderer Darlehen dienen, als nicht qualifiziert angesehen.

148    Was zunächst die Upstream-Darlehen anbelangt, so ist die Besonderheit, die vom Vereinigten Königreich hervorgehoben worden ist, um ihren Ausschluss von den in Rede stehenden Befreiungen zu erklären, das zusätzliche Risiko, das diese Art von Darlehen für die Bemessungsgrundlage darstellt, weil das britische Unternehmen, das das Darlehen erhalten hat, die für das fragliche Darlehen gezahlten Zinsen abziehen kann.

149    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass zwar für Upstream-Darlehen die Möglichkeit, die im Rahmen der fraglichen Darlehen gezahlten Zinsen im Vereinigten Königreich abzusetzen, kennzeichnend ist, dass jedoch der Umstand, dass auf nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus den fraglichen Darlehen nach Teil 9A Kapitel 5 Art. 371EB TIOPA eine CFC‑Abgabe erhoben wird, bedeutet, dass die mit diesen Darlehen in Zusammenhang stehenden Aufgaben der Entscheidungsträger im Vereinigten Königreich ausgeführt wurden.

150    Sodann ist in Bezug auf Darlehen an Dritte darauf hinzuweisen, dass sie nicht von den in Rede stehenden Befreiungen profitieren können, da sie nicht qualifiziert sind. Damit ein Darlehen qualifiziert ist, muss nämlich der Empfänger des fraglichen Darlehens auch ein qualifiziertes Unternehmen, also im Wesentlichen ein Unternehmen derselben Gruppe wie das fragliche CFC, sein.

151    Zwar hat das Vereinigte Königreich während des gesamten Verfahrens Darlehen, die Drittunternehmen von CFC gewährt wurden, als „Moneyboxes“ oder als „Sparschweine“ in Unternehmensform bezeichnet. Gewährt ein CFC einem Dritten ein Darlehen, besteht dieses Darlehen nach Ansicht des Vereinigten Königreichs und von ITV nämlich aus überschüssigen monetären Vermögenswerten, die bei dem Dritten in Form einer Bankeinlage oder einer anderen sicheren Anlage hinterlegt sind.

152    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Erwägungen für sich genommen nicht diejenigen sind, die dazu führen, dass das Darlehen nicht qualifiziert ist. Denn nach Teil 9A Art. 371IG Abs. 8 TIOPA ist ein Darlehen nicht qualifiziert, wenn der Empfänger des fraglichen Darlehens nicht zu der Gruppe gehört, zu der das CFC gehört, das es gewährt.

153    Jedenfalls ist festzustellen, dass sich der fragliche Ausschluss nicht auf eine Situation der künstlichen Umleitung von Gewinnen bezieht, die damit zusammenhängt, dass der Empfänger des Darlehens, aus dem die fraglichen Gewinne stammen, nicht zu derselben Gruppe gehört wie das CFC, während eine solche Situation der künstlichen Umleitung in Fällen, in denen der Empfänger des Darlehens zur selben Gruppe wie das CFC gehört, wahrscheinlich nicht eintritt.

154    Unabhängig davon, ob der Empfänger des Darlehens zur Gruppe des CFC gehört, das das Darlehen gewährt, können die Aufgaben der Entscheidungsträger in Bezug auf dieses Darlehen nämlich im Vereinigten Königreich ausgeführt worden sein, während die nicht gewerblichen Finanzierungserträge aus diesem Darlehen vom CFC erzielt wurden. Die Zugehörigkeit des Empfängers des fraglichen Darlehens zu derselben Gruppe wie das CFC hat daher keinen Einfluss auf die Erzielung solcher Gewinne durch das CFC.

155    Schließlich verweisen das Vereinigte Königreich und ITV auf andere Ausschlüsse aus der Definition der qualifizierten Darlehen, die in Teil 9A Art. 371IH TIOPA vorgesehen seien.

156    So fallen nach Teil 9A Art. 371IH Abs. 3 TIOPA insbesondere Situationen, in denen die im Rahmen des fraglichen Darlehens gezahlten Zinsen dazu dienen, die Gewinne zu verringern, die einer CFC‑Abgabe zugrunde liegen, nicht unter die Definition der qualifizierten Darlehen. Dieser Ausschluss ergänzt den Ausschluss der Upstream-Darlehen, indem er im Wesentlichen darauf abzielt, dass die in Rede stehenden Befreiungen nicht mit Abzügen oder anderen im Vereinigten Königreich angewandten Befreiungen kombiniert werden.

157    Zudem sind nach Teil 9A Art. 371IH Abs. 5 TIOPA auch Situationen ausgeschlossen, in denen das vom CFC gewährte Darlehen in der Folge dem Unternehmen, das das Darlehen erhält, die Gewährung weiterer Darlehen ermöglicht. Wie das Vereinigte Königreich und ITV ausgeführt haben, soll mit diesem Ausschluss im Wesentlichen gewährleistet werden, dass die vom CFC gewährten Darlehen zur Finanzierung von Geschäftstätigkeiten außerhalb des Vereinigten Königreichs verwendet werden.

158    Wie die Kommission zu Recht geltend macht, ist insoweit darauf hinzuweisen, dass es zwar legitim ist, eine Befreiung nicht gewerblicher Finanzierungserträge aus Darlehen zu gewähren, die dazu gedient haben, die Tätigkeiten der Gruppe im Ausland zu finanzieren, dass allerdings die Tatsache bestehen bleibt, dass die aus Mitteln aus dem Vereinigten Königreich oder aus im Vereinigten Königreich ausgeführten Aufgaben der Entscheidungsträger erzielte Rendite vom CFC erzielt wird und daher nach Kapitel 5 TIOPA als künstlich aus dem Vereinigten Königreich weggeleitet angesehen werden könnte.

159    Zu den verschiedenen oben in den Rn. 147 bis 157 beschriebenen Ausschlüssen ist festzustellen, dass sie Situationen betreffen, in denen zwar zusätzliche Abzüge innerhalb des Vereinigten Königreichs vorgenommen werden könnten oder in denen die vom CFC angebotene Finanzierung Unternehmen außerhalb der Gruppe zugutegekommen wäre, deren aus dem Vereinigten Königreich stammende Mittel oder Aufgaben der Entscheidungsträger für die Zwecke der Schaffung und Verwaltung der fraglichen Darlehen verfügbar gemacht worden wären. Unter all diesen Umständen waren jedoch die Ausschlüsse der Befreiungen nicht an das Vorliegen einer künstlichen Umleitung von Gewinnen aufgrund der im Vereinigten Königreich ausgeführten Aufgaben der Entscheidungsträger geknüpft.

160    Unter diesen Umständen ist das Vorbringen des Vereinigten Königreichs, von ITV und von LSEGH zurückzuweisen, wonach diese Ausschlüsse darauf abzielten, zu verhindern, dass die in Rede stehenden Befreiungen in besonderen Situationen der künstlichen Umleitung von Gewinnen gewährt würden.

3)      Vorliegen einer Abweichung vom Referenzsystem und Vergleichbarkeit der betreffenden Wirtschaftsteilnehmer im Licht des Ziels dieses Systems

161    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall das Referenzsystem, anhand dessen die in Rede stehenden Befreiungen geprüft werden müssen, aus den CFC‑Vorschriften besteht, mit denen die Bemessungsgrundlage für die britische Körperschaftsteuer geschützt werden soll, indem im Vereinigten Königreich erzielte Gewinne aus Tätigkeiten und Vermögenswerten, die künstlich aus dem Vereinigten Königreich an CFC weggeleitet werden, besteuert werden.

162    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach den CFC‑Vorschriften nicht gewerbliche Finanzierungserträge von CFC, die mit im Vereinigten Königreich ausgeführten Aufgaben der Entscheidungsträger in Zusammenhang stehen, als künstlich aus dem Vereinigten Königreich weggeleitet und daher nach Teil 9A Kapitel 5 TIOPA steuerpflichtig erachtet wurden.

163    Das Vorliegen von im Vereinigten Königreich ausgeführten Aufgaben der Entscheidungsträger ist nämlich eine der vier in Teil 9A Kapitel 5 TIOPA vorgesehenen und oben in Rn. 6 zusammengefassten Situationen, die als künstliche Umleitung von Gewinnen und daher als im Vereinigten Königreich steuerpflichtig angesehen werden.

164    Mit anderen Worten war der Gesetzgeber des Vereinigten Königreichs der Ansicht, dass die Gewinne der CFC, sofern sie durch im Vereinigten Königreich ausgeführte Aufgaben der Entscheidungsträger erzielt wurden, dort besteuert werden müssen. Aus diesem Grund können sowohl im Zusammenhang mit nicht qualifizierten Darlehen als auch im Zusammenhang mit qualifizierten Darlehen erzielte nicht gewerbliche Finanzierungserträge Gegenstand einer CFC‑Abgabe nach Teil 9A Kapitel 5 Art. 371EB TIOPA sein.

165    Wie oben in Rn. 143 festgestellt, ist es durch die Anwendung der betreffenden Befreiungen nicht ausgeschlossen, dass Situationen, in denen im Vereinigten Königreich Aufgaben der Entscheidungsträger ausgeführt wurden und die daher als künstliche Umleitung von Gewinnen angesehen werden, im Vereinigten Königreich ganz oder teilweise von der Steuer befreit sind.

166    Unter diesen Umständen könnte die Tatsache, dass nur nicht gewerbliche Finanzierungserträge der CFC aus qualifizierten Darlehen befreit sind, zu einer unterschiedlichen Behandlung gegenüber nicht gewerblichen Finanzierungserträgen der CFC im Rahmen nicht qualifizierter Darlehen führen, die dadurch, dass sie nicht von den betreffenden Befreiungen profitieren, nach den CFC‑Vorschriften besteuert würden, falls diese beiden Situationen im Hinblick auf den Zweck der CFC‑Vorschriften vergleichbar wären.

167    Somit ist zu prüfen, ob sich die im Vereinigten Königreich steuerpflichtigen Unternehmen, die in Bezug auf die nicht gewerblichen Finanzierungserträge ihrer CFC aus qualifizierten Darlehen die in Rede stehenden Befreiungen in Anspruch nehmen können, in der gleichen Situation befinden wie die Unternehmen, deren CFC nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus nicht qualifizierten Darlehen erzielt haben, und zwar im Hinblick auf das Ziel des Referenzsystems, nämlich den Schutz der Bemessungsgrundlage der britischen Körperschaftsteuer durch die Besteuerung künstlich umgeleiteter Gewinne.

168    Erstens können sowohl Upstream-Darlehen als auch qualifizierte Darlehen aufgrund von im Vereinigten Königreich im Rahmen dieser Darlehen ausgeführten Aufgaben der Entscheidungsträger einer CFC‑Abgabe nach Teil 9A Art. 371EB TIOPA unterliegen. Eine künstliche Umleitung von Gewinnen aufgrund von Tätigkeiten im Vereinigten Königreich wird nämlich in diesen beiden Fällen als gegeben angesehen, während nur die Gewinne aus qualifizierten Darlehen befreit sind.

169    Wie das Vereinigte Königreich vorträgt, sind die CFC‑Vorschriften die Antwort auf die künstliche Umleitung, die sich aus dem Transfer von Geldern in das CFC ergibt, die in einem ersten Schritt durch das im Vereinigten Königreich steuerpflichtige Unternehmen erfolgt, wobei diese Gelder gegebenenfalls nur in Form von nicht besteuerten Dividenden in das Vereinigte Königreich zurückgeführt werden. Diese Erwägung gilt insbesondere auch für Situationen, in denen die Aufgaben der Entscheidungsträger im Vereinigten Königreich für vom CFC gewährte Darlehen ausgeführt werden, das sodann aus diesen Darlehen nicht gewerbliche Finanzierungserträge erzielt. Die mit diesen Darlehen aus im Vereinigten Königreich ausgeführten Tätigkeiten erzielten Gewinne fließen dem Vereinigten Königreich nur in Form von nicht steuerpflichtigen Dividenden zu, und dies unabhängig davon, ob die Empfänger der fraglichen Darlehen im Vereinigten Königreich oder in einem anderen Staat ansässig sind.

170    Somit befinden sich in Bezug auf künstlich umgeleitete Gewinne aufgrund von im Vereinigten Königreich ausgeführten Tätigkeiten, deren Besteuerung von den CFC‑Vorschriften vorgesehen ist, die qualifizierten Darlehen und die Upstream-Darlehen in gleichwertigen Situationen, unabhängig davon, dass im Fall von Upstream-Darlehen die Möglichkeit eines Abzugs der im Rahmen dieser Darlehen gezahlten Zinsen im Vereinigten Königreich die Erosion der Bemessungsgrundlage für die britische Körperschaftsteuer verschärft.

171    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Erosion der Bemessungsgrundlage des Unternehmens, das im Vereinigten Königreich Empfänger des Darlehens ist, aufgrund der von ihm vorgenommenen Abzüge der an das CFC gezahlten Zinsen eine andere Problematik darstellt als die Erosion aufgrund der künstlichen Umleitung von Gewinnen des Unternehmens aus dem Vereinigten Königreich, das die Quelle der gezahlten Gelder und der in Bezug auf das fragliche Darlehen ausgeführten Aufgaben der Entscheidungsträger ist.

172    Zudem kann, wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, das Risiko einer Erosion der Bemessungsgrundlage für die britische Körperschaftsteuer im Zusammenhang mit dem Abzug der Darlehenszinsen auf Ebene des Unternehmens verwaltet werden, das sich missbräuchlich darauf beruft, beispielsweise durch eine Begrenzung der möglichen Abzüge. Eine solche Begrenzung kann gegebenenfalls auf Ebene der Gruppe vorgesehen werden. Wie das Vereinigte Königreich selbst einräumt, enthält das Steuerrecht dieses Staates eine ganze Reihe ergänzender Maßnahmen, die die Bemessungsgrundlage für die britische Körperschaftsteuer schützen sollen. Zu diesen vom Vereinigten Königreich genannten Maßnahmen gehören Maßnahmen, die den Abzug der Darlehenszinsen begrenzen, die verhindern, dass bestimmte Abzüge aus rein steuerlichen Gründen vorgenommen werden können. Daher kann diese Art von Maßnahmen angewandt werden, um mit Abzügen im Rahmen von Upstream-Darlehen umzugehen, soweit diese von den britischen Steuerbehörden als zirkuläre Vereinbarungen angesehen werden, die nur zu dem Zweck eingerichtet wurden, Steuerabzüge vornehmen zu können.

173    Was zweitens Darlehen an Dritte anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass nach Teil 9A Art. 371IG Abs. 8 TIOPA der Schlüsselfaktor, der diese Art von Darlehen nicht qualifiziert macht, die Tatsache ist, dass die Empfänger der vom CFC gewährten Darlehen, aus denen die fraglichen nicht gewerblichen Finanzierungserträge stammen, Dritte sind, die nicht mit dem CFC verbunden sind.

174    Das Vereinigte Königreich und ITV haben die Tatsache hervorgehoben, dass die Gelder, die zur Finanzierung des fraglichen Darlehens gedient hätten, zwar im Vereinigten Königreich verblieben und von im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmen derselben Gruppe investiert worden sein könnten, um sicherzustellen, dass die Rendite der überschüssigen Gelder den Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich zufließe, dass jedoch die Darlehen an Dritte Scheinkonstruktionen ohne wirtschaftlichen Zweck seien, um auf Ebene des fraglichen CFC und daher außerhalb des Vereinigten Königreichs nicht gewerbliche Finanzierungserträge zu erzielen.

175    Wie jedoch oben in Rn. 152 ausgeführt, ergeben sich der angeblich fiktive Charakter der Darlehen an Dritte und ihr angeblich fehlender wirtschaftlicher Zweck nicht als Ausschlüsse aus den Vorschriften über die in Rede stehenden Befreiungen. Wie die Kommission zudem zu Recht ausgeführt hat, haben das Vereinigte Königreich und ITV keinen Nachweis dafür erbracht, dass die von den CFC an Drittunternehmen vergebenen Darlehen zwangsläufig Scheinkonstruktionen sind, die nicht auf berechtigten wirtschaftlichen Gründen beruhen können.

176    Ob es sich beim Begünstigten um ein Unternehmen außerhalb der Gruppe oder ein Unternehmen innerhalb der Gruppe, zu der das CFC gehört, handelt, ändert im Übrigen nichts daran, dass die Übertragung von Geldern des Unternehmens mit Sitz im Vereinigten Königreich an dieses CFC keine im Vereinigten Königreich steuerpflichtigen Gewinne erzeugt, da die Rendite dieser Gelder in den beiden Fällen nur in Form von nicht steuerpflichtigen Dividenden in das Vereinigte Königreich zurückfließt. Letzteres trifft auf beide Situationen zu. Somit müsste die CFC‑Abgabe als Reaktion auf eine solche Umleitung erfolgen.

177    Die gleiche Überlegung gilt, wenn nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus einem Darlehen von einem CFC unter Rückgriff auf im Vereinigten Königreich ausgeführte Aufgaben der Entscheidungsträger erzielt wurden. Nicht gewerbliche Finanzierungserträge aus einem vom CFC gewährten Darlehen, für das die Aufgaben der Entscheidungsträger im Vereinigten Königreich ausgeführt wurden, werden nämlich unabhängig davon, ob das Darlehen einem Dritten oder einem Unternehmen derselben Gruppe gewährt wurde, als künstlich weggeleitet erachtet und können daher Gegenstand einer CFC‑Abgabe nach Teil 9A Kapitel 5 Art. 371EB TIOPA sein.

178    Was die künstlich weggeleiteten Gewinne aufgrund von im Vereinigten Königreich ausgeführten Aufgaben der Entscheidungsträger anbelangt, deren Besteuerung von den CFC‑Vorschriften vorgesehen ist, befinden sich daher die qualifizierten Darlehen und die Darlehen an Dritte in gleichwertigen Situationen, ungeachtet dessen, dass im Fall von Darlehen an Dritte die vom CFC erzielten Gewinne durch Zinszahlungen eines Dritten und nicht durch ein Unternehmen derselben Gruppe erzielt wurden.

179    Was drittens die Ausschlüsse aus der Definition der qualifizierten Darlehen betrifft, die nach Aussage des Vereinigten Königreichs einen Anreiz dafür schaffen sollen, dass qualifizierte Darlehen für die Finanzierung von Tätigkeiten des CFC‑Konzerns außerhalb des Vereinigten Königreichs verwendet werden, ist, wie oben in Rn. 158 festgestellt, darauf hinzuweisen, dass ein solcher Ausschluss nichts damit zu tun hat, dass für die fraglichen Darlehen im Vereinigten Königreich Aufgaben der Entscheidungsträger ausgeführt wurden.

180    Ob die von einem CFC gewährten Darlehen zur Finanzierung von Tätigkeiten der Gruppe außerhalb des Vereinigten Königreichs dienten oder nicht, ändert somit nichts daran, dass deshalb, weil für diese Darlehen im Vereinigten Königreich Aufgaben der Entscheidungsträger ausgeführt wurden, die daraus resultierenden Gewinne nach den CFC‑Vorschriften als künstlich aus dem Vereinigten Königreich weggeleitet angesehen werden. Daher sind die beiden Situationen im Licht des Ziels dieser Vorschriften, nämlich des Schutzes der Bemessungsgrundlage für die britische Körperschaftsteuer durch die Besteuerung künstlich umgeleiteter Gewinne, vergleichbar.

181    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die in Rede stehenden Befreiungen, da sie nur nicht gewerbliche Finanzierungserträge von CFC aus qualifizierten Darlehen unter Ausschluss jener aus nicht qualifizierten Darlehen befreien, zu einer unterschiedlichen Behandlung der beiden Situationen führen, obwohl sie im Hinblick auf das Ziel dieser Regelungen, nämlich dem Schutz der Bemessungsgrundlage für die britische Körperschaftsteuer durch die Besteuerung künstlich weggeleiteter Gewinne, vergleichbar sind.

d)      Schlussfolgerung zum Vorliegen eines Vorteils und einer Abweichung vom Referenzsystem

182    In Anbetracht der Erwägungen oben in den Rn. 108, 120, 143, 160 und 181 ist festzustellen, dass die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im vorliegenden Fall ein Vorteil vorliege und dass er a priori selektiv sei, da die in Rede stehenden Befreiungen von den britischen CFC‑Vorschriften abwichen, indem sie eine unterschiedliche Behandlung steuerpflichtiger Unternehmen, die sich im Licht der oben genannten Regelungen in einer vergleichbaren Situation befänden, eingeführt hätten. Daher sind die vorliegenden Klagegründe, die auf solche Fehler gestützt sind, zurückzuweisen.

3.      Zu den Klagegründen, die auf Beurteilungsfehler hinsichtlich des Vorliegens von Rechtfertigungen für die in Rede stehenden Befreiungen gestützt sind (dritter Klagegrund in der Rechtssache T363/19 und Klagegründe 4 bis 6 in der Rechtssache T456/19)

183    Im Rahmen der vorliegenden Klagegründe, die auf Argumenten beruhen, die sich in zwei Teile gliedern lassen, machen das Vereinigte Königreich und ITV geltend, die Kommission habe im angefochtenen Beschluss Beurteilungsfehler begangen, indem sie die Rechtfertigungen außer Acht gelassen habe, die vom Vereinigten Königreich für die Befreiungen vorgebracht worden seien, nämlich zum einen die, die auf Gründe der verwaltungstechnischen Durchführbarkeit gestützt seien (erster Teil), und zum anderen jene, die die Wahrung der Niederlassungsfreiheit beträfen (zweiter Teil).

a)      Erster Teil: Fehlerhafte Beurteilung der Rechtfertigung der in Rede stehenden Maßnahmen aus Gründen der verwaltungstechnischen Durchführbarkeit

184    Das Vereinigte Königreich und ITV machen im Wesentlichen geltend, dass die Kommission, selbst wenn man davon ausgehe, dass die in Rede stehenden Befreiungen den Unternehmen, die sie in Anspruch genommen hätten, einen a priori selektiven Vorteil verschafft hätten, im angefochtenen Beschluss dadurch einen Beurteilungsfehler begangen habe, dass sie es abgelehnt habe, diese Befreiungen als gerechtfertigt anzusehen, weil es dafür Gründe gebe, die mit dem Bedürfnis zusammenhingen, das System der Besteuerung der Gewinne von CFC angesichts der Komplexität der Aufgabe, die im Zusammenhang mit konzerninternen Darlehen ausgeführten Aufgaben der Entscheidungsträger zu bestimmen und zu verorten, verwaltbar zu machen.

185    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen und macht insbesondere geltend, die Rechtfertigung in Bezug auf die Schwierigkeit der Bestimmung der im Zusammenhang mit konzerninternen Darlehen ausgeführten Aufgaben der Entscheidungsträger sei im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht worden, und das Vereinigte Königreich habe mit seinem Vorbringen jedenfalls keinen überzeugenden Grund vorgetragen, um nachzuweisen, dass eine solche Schwierigkeit bei der Bestimmung der Aufgaben der Entscheidungsträger im Rahmen qualifizierter Darlehen bestanden habe, obwohl eine solche Bestimmung im Fall von nicht qualifizierten Darlehen normalerweise möglich sei und erfolge. Im Übrigen werde in den Leitlinien der britischen Steuerbehörden sogar anerkannt, dass die Aufgaben der Entscheidungsträger im Rahmen von konzerninternen Darlehen allgemein auf Ebene der zentralen Strukturen der Gruppe ausgeführt würden.

186    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Maßnahme, die eine Ausnahme von der Anwendung des allgemeinen Steuersystems darstellt, nach der Rechtsprechung durch das Wesen und die Struktur des Steuersystems gerechtfertigt sein kann, wenn der betreffende Mitgliedstaat nachweisen kann, dass sie unmittelbar auf den Grund‑ oder Leitprinzipien seines Steuersystems und insbesondere den dem Steuersystem selbst inhärenten Mechanismen, die zur Erreichung seiner Ziele erforderlich sind, beruht (Urteile vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 81, vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a., C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 69, und vom 19. Dezember 2018, A-Brauerei, C‑374/17, EU:C:2018:1024, Rn. 48).

187    So ist anerkannt worden, dass dem betreffenden allgemeinen Steuersystem inhärente Zwecke ein a priori selektives Steuersystem rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. April 2004, GIL Insurance u. a., C‑308/01, EU:C:2004:252‚ Rn. 74 bis 76, sowie vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a., C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 64 bis 76), insbesondere die mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren des fraglichen Steuersystems zusammenhängenden Ziele (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2018, A-Brauerei, C‑374/17, EU:C:2018:1024, Rn. 50 bis 53).

188    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass das Vereinigte Königreich in seiner Stellungnahme vom 15. Januar 2018 im Anschluss an den Beschluss der Kommission, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, geltend gemacht hat, dass selbst dann, wenn man davon ausgehe, dass die CFC‑Vorschriften vom Referenzsystem abweichende Bestimmungen enthielten, diese Bestimmungen insbesondere durch das Erfordernis gerechtfertigt seien, Regeln zu schaffen, die leicht angewandt werden könnten, ohne dass ein komplexes Unterfangen zur Ermittlung der im Rahmen der fraglichen Darlehen ausgeführten Aufgaben der Entscheidungsträger nötig sei.

189    Zweitens geht zwar aus den Antworten im Rahmen der Konsultation der britischen Behörden vor dem Erlass der CFC‑Vorschriften hervor, dass insbesondere der Vorschlag für eine teilweise Befreiung von 75 % aufgrund seiner Einfachheit und leichten Umsetzbarkeit mehrheitlich unterstützt wurde, doch hat das Vereinigte Königreich keine Beweise vorgelegt, anhand deren sich die Verwaltungskosten für die Ermittlung und Verortung der Aufgaben der Entscheidungsträger im Zusammenhang mit konzerninternen Darlehen bemessen ließen.

190    Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens hat das Vereinigte Königreich nämlich lediglich behauptet, dass die Festlegung automatischer Mechanismen wie des Prozentsatzes der Befreiung von 75 % die Anwendung der CFC‑Vorschriften einfacher mache. Was im Speziellen die Ermittlung und Verortung der im Rahmen von konzerninternen Darlehen ausgeführten Aufgaben der Entscheidungsträger betrifft, hat sich das Vereinigte Königreich auf den Hinweis beschränkt, dass es sich um ein schwieriges Unterfangen handle, ohne seine Behauptung zum Beleg auf weitere konkrete Anhaltspunkte zu stützen.

191    Zudem enthalten die Unterlagen der Konsultation vor dem Erlass der CFC‑Vorschriften, die zu den Akten der vorliegenden Rechtssachen genommen wurden, zwar Antworten zugunsten der vorgeschlagenen automatischen Befreiung, doch beruhen diese Antworten auf allgemeinen Behauptungen. Im Übrigen ist ihre Aussagekraft begrenzt, da es offensichtlich ist, dass eine automatische Befreiung sowohl für die Steuerverwaltung als auch für die Steuerpflichtigen einfacher zu handhaben ist als eine Situation, in der die Voraussetzungen für eine solche Befreiung nachgewiesen und geprüft werden müssen. Solche Behauptungen reichen nicht aus, um zu belegen, dass die Einzelfallprüfung, um festzustellen, ob Gewinne der CFC aufgrund von im Vereinigten Königreich ausgeführten Aufgaben der Entscheidungsträger künstlich aus diesem Staat weggeleitet wurden, so komplexe, kostspielige und zwingende Formalitäten mit sich bringen würde, dass das System verwaltungstechnisch nicht mehr handhabbar wäre.

192    Wie oben in Rn. 186 angeführt, ist es aber Sache des Mitgliedstaats, der geltend macht, dass die a priori selektiven Maßnahmen gerechtfertigt seien, darzutun, dass diese Maßnahmen unmittelbar auf den Grund‑ oder Leitprinzipien seines Steuersystems beruhen.

193    Ferner haben die Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs, wie oben in Rn. 133 ausgeführt, selbst eingeräumt, dass bei größeren, mittel- bis langfristigen, durch Eigenkapital finanzierten Krediten davon ausgegangen werde, dass in den meisten Fällen die Verwaltung des Kredits bei der Finanzfunktion des Konzerns liege und dass die Erfahrung gezeigt habe, dass diese Art von Darlehen auf Ebene der zentralen Strukturen der Gruppe geplant und verwaltet werde. Diese Erwägung lässt erkennen, dass sich bei einem großen Teil der konzerninternen Darlehen die Frage nach der Ermittlung und Verortung der Aufgaben der Entscheidungsträger gar nicht erst stellt, da davon ausgegangen werden kann, dass diese im Vereinigten Königreich zentral ausgeführt wurden.

194    Was drittens insbesondere die teilweise Befreiung von 75 % der nicht gewerblichen Finanzierungserträge betrifft, so ist, wie die Kommission zu Recht geltend macht, nicht durch Beweise belegt worden, inwiefern der Prozentsatz von 75 % der Befreiung in den Fällen erforderlich oder angemessen war, in denen eine CFC‑Abgabe auf der Grundlage des allgemeinen Kriteriums der im Vereinigten Königreich ausgeführten Aufgaben der Entscheidungsträger zahlbar gewesen wäre. Darüber hinaus ist kein Beweis für die Relevanz des Verhältnisses zwischen Fremdkapital und Eigenkapital erbracht worden, das für diesen Prozentsatz ursächlich gewesen sein soll, um die Frage nach der Schwierigkeit der Ermittlung und Verortung der Aufgaben der Entscheidungsträger, die im Zusammenhang mit konzerninternen Darlehen, aus denen nicht gewerbliche Finanzierungserträge erzielt wurden, ausgeführt wurden, zu beantworten.

195    Selbst wenn anzuerkennen wäre, dass die Gefahr einer Überkapitalisierung im Rahmen der CFC besteht und dass die Besteuerung von 25 % der nicht gewerblichen Finanzierungserträge der CFC im Vereinigten Königreich wirksam wäre, um dieser Gefahr zu begegnen, haben das Vereinigte Königreich und ITV in ihren Antworten auf Fragen des Gerichts eingeräumt, dass die Gefahr der Überkapitalisierung unabhängig vom Vorliegen konzerninterner Darlehen bestehe, aus denen die nicht gewerblichen Finanzierungserträge der CFC erzielt würden.

196    Unter diesen Umständen ist der erste Teil der vorliegenden Klagegründe zurückzuweisen, der auf Beurteilungsfehler in Bezug auf die Rechtfertigung der in Rede stehenden Befreiungen aus Gründen der verwaltungstechnischen Durchführbarkeit gestützt ist.

b)      Zweiter Teil: Beurteilungsfehler hinsichtlich der Rechtfertigung in Bezug auf die Erforderlichkeit, die Niederlassungsfreiheit zu wahren

197    Das Vereinigte Königreich und ITV machen geltend, die Kommission habe im angefochtenen Beschluss dadurch einen Beurteilungsfehler begangen, dass sie es abgelehnt habe festzustellen, dass die in Rede stehenden Befreiungen auch insoweit gerechtfertigt seien, als sie auf die Wahrung der Niederlassungsfreiheit abzielten. Das Vereinigte Königreich ist der Ansicht, es habe einen vernünftigen Ansatz gewählt, um dem Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544), nachzukommen, da die Unterscheidung zwischen qualifizierten und nicht qualifizierten Darlehen gerade auf der Künstlichkeit Letzterer beruhe, insbesondere was sogenannte „Sparschweingeschäfte“ und Upstream-Darlehen betreffe.

198    Die Kommission tritt dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs und von ITV entgegen.

199    Es ist darauf hinzuweisen, dass das Steuersystem des Vereinigten Königreichs auf dem Territorialitätsprinzip beruht und dass gemäß diesem Prinzip die von den CFC erzielten Gewinne in diesem Staat nicht besteuert werden. Allerdings werden diese Gewinne in den Fällen, in denen sie in Wirklichkeit Gewinne sind, die einem im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmen zuzurechnen sind, von dem die Mittel oder die Aufgaben der Entscheidungsträger stammen, die im Zusammenhang mit den Darlehen, aus denen diese Gewinne erzielt wurden, ausgeführt wurden, als künstlich umgeleitet und daher im Vereinigten Königreich über eine CFC‑Abgabe steuerpflichtig angesehen. Dieses so beschriebene System kann nicht als Behinderung der Niederlassungsfreiheit angesehen werden.

200    In den Rn. 72 und 73 des Urteils vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544), hat der Gerichtshof nämlich entschieden, dass die Rechtsvorschriften über CFC, sofern sie die Anwendung der Besteuerung auf rein künstliche Gestaltungen beschränken, mit den Art. 49 und 54 AEUV vereinbar seien, die die Niederlassungsfreiheit gewährleisten.

201    Obwohl nach Teil 9A Art. 371EB TIOPA eine CFC‑Abgabe auf Gewinne aus Darlehen vorgesehen ist, bei denen festgestellt wurde, dass die Aufgaben der Entscheidungsträger im Vereinigten Königreich ausgeführt worden waren und dass diese Gewinne daher als künstlich umgeleitet anzusehen sind, kann unter diesen Umständen nach der oben in Rn. 200 angeführten Rechtsprechung die Auferlegung einer solchen Abgabe nicht als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit angesehen werden. Daher kann eine Befreiung von dieser Besteuerung nicht gerechtfertigt sein, um die Niederlassungsfreiheit zu gewährleisten.

202    Unter diesen Umständen ist der zweite Teil der vorliegenden Klagegründe, mit dem ein Beurteilungsfehler in Bezug auf die Erforderlichkeit der Wahrung der Niederlassungsfreiheit gerügt wird, zurückzuweisen, so dass diese Klagegründe insgesamt zurückzuweisen sind.

203    Daher ist festzustellen, dass die Kommission beurteilungsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die in Rede stehenden Befreiungen ihren Begünstigten einen selektiven Vorteil verschafften, weshalb alle diesbezüglichen Klagegründe zurückzuweisen sind.

4.      Zu dem Klagegrund, mit dem ein Beurteilungsfehler in Bezug auf die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten gerügt wird (vierter Klagegrund in der Rechtssache T363/19)

204    Das Vereinigte Königreich macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe dadurch einen Beurteilungsfehler begangen, dass sie nicht nachgewiesen habe, dass im vorliegenden Fall multinationale Konzerne aufgrund der in Rede stehenden Befreiungen einen Anreiz gehabt hätten, Funktionen der Konzernfinanzierung umzuverteilen, und dass daher der Handel zwischen den Mitgliedstaaten durch die in Rede stehenden Maßnahmen beeinträchtigt worden sei.

205    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung in Bezug auf die in Art. 107 Abs. 1 AEUV genannte Voraussetzung der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten weder nachweisen muss, dass sich eine staatliche Maßnahme tatsächlich auf diesen Handel auswirkt, noch, dass sie den Wettbewerb tatsächlich verzerrt. Sie muss lediglich darlegen, dass diese Maßnahme sich so auswirken kann (vgl. Urteil vom 5. März 2015, Banco Privado Português und Massa Insolvente do Banco Privado Português, C‑667/13, EU:C:2015:151, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

206    So wird der Handel zwischen Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung insbesondere dann durch eine von einem Mitgliedstaat gewährte Beihilfe beeinflusst, wenn diese die Stellung bestimmter Unternehmen gegenüber anderen, konkurrierenden Unternehmen in diesem Handel stärkt (Urteil vom 14. Januar 2015, Eventech, C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 66).

207    Insoweit ergibt sich oben aus Rn. 182, dass die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die in Rede stehenden Befreiungen einen selektiven Vorteil für die Unternehmen darstellten, die sich darauf berufen haben. Unter diesen Umständen ist auch die Beurteilung der Kommission zu bestätigen, wonach sich dieser Vorteil auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auswirken könne, da er die Position der begünstigten Unternehmen stärke. Zudem kann dieser selektive Vorteil Entscheidungen über die Umschichtung von Kapital und Tätigkeiten innerhalb multinationaler Konzerne mit Sitz in der Union und insbesondere die Funktionen der Kassenmittelverwaltung beeinflussen.

208    Im Übrigen ist die Kommission entgegen dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs weder verpflichtet, konkrete Ströme des internationalen Kapitalverkehrs nachzuweisen, noch, die verschiedenen Steuersysteme in der Union zu vergleichen, wenn sie im Sinne der oben in Rn. 205 angeführten Rechtsprechung das Vorliegen eines Vorteils nachweist, der geeignet ist, die Wettbewerbsposition seiner Empfänger zu stärken.

209    Unter diesen Umständen ist der vorliegende Klagegrund, mit dem ein Beurteilungsfehler in Bezug auf die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten gerügt wird, zurückzuweisen.

5.      Zu dem Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung gerügt wird (siebter Klagegrund in der Rechtssache T456/19)

210    ITV wirft der Kommission vor, dadurch gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstoßen zu haben, dass sie andere konzerninterne Finanzierungsvorgänge, insbesondere im Rahmen von zwei früheren Entscheidungen, im Hinblick auf staatliche Beihilfen günstiger behandelt habe als dies aus ihrem Standpunkt im vorliegenden Fall hervorgehe.

211    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen und macht geltend, sie habe im vorliegenden Fall das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über staatliche Beihilfen angemessen nachgewiesen, und die Entscheidungen, auf die sich ITV berufe, beträfen jedenfalls andere Situationen als die vorliegende.

212    Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 14. April 2005, Belgien/Kommission, C‑110/03, EU:C:2005:223, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

213    Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses der Kommission, mit dem festgestellt wird, dass eine staatliche Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellt, nur im Rahmen von Art. 107 AEUV zu beurteilen ist, und nicht im Hinblick auf die frühere Entscheidungspraxis der Kommission. Denn der Begriff der staatlichen Beihilfe entspricht einem objektiven Sachverhalt, der zu dem Zeitpunkt zu beurteilen ist, zu dem die Kommission ihre Entscheidung trifft. Die Gründe, aus denen die Kommission die Situation in einer früheren Entscheidung anders beurteilt hat, müssen daher bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses außer Acht bleiben (Urteile vom 17. Juli 2014, Westfälisch-Lippischer Sparkassen- und Giroverband/Kommission, T‑457/09, EU:T:2014:683, Rn. 368, und vom 11. Dezember 2014, Österreich/Kommission, T‑251/11, EU:T:2014:1060, Rn. 125).

214    Daher bedeutet die Tatsache, dass die Kommission im Rahmen anderer Entscheidungen das Vorliegen von Unterschieden zwischen konzerninternen Darlehen und Darlehen zwischen dritten Unternehmen anerkannt hat, für sich genommen nicht, dass im vorliegenden Fall das Vorliegen eines selektiven Vorteils nicht festgestellt werden kann.

215    Eine solche Schlussfolgerung muss sich auf eine eingehende Prüfung der in dem betreffenden Staat als normal angesehenen Besteuerung und auf die Frage stützen, ob aufgrund der fraglichen staatlichen Maßnahme eine Abweichung von dieser Besteuerung vorliegt, die zu Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern geführt hat, die sich im Hinblick auf das mit dem betreffenden Steuersystem verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.

216    Wie die Kommission zu Recht geltend macht, muss im Übrigen die Vergleichbarkeit zwischen Wirtschaftsteilnehmern gerade im Hinblick auf das Ziel des in Rede stehenden Systems gegeben sein. Daher können insbesondere angesichts der Tatsache, dass das Ziel der in Rede stehenden Systeme in den Entscheidungen der Kommission jeweils ein anderes war, keine Schlüsse aus einer möglicherweise unterschiedlichen Beurteilung der Kommission im Rahmen der von ITV geltend gemachten Entscheidungen und der des vorliegenden Falles gezogen werden.

217    Daraus folgt, dass sich ITV nicht mit Erfolg auf die Lösung berufen kann, zu der die Kommission in anderen Entscheidungen gelangt ist, um daraus abzuleiten, dass im vorliegenden Fall gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstoßen worden sei.

218    Daher ist der Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

6.      Zu dem Klagegrund, mit dem ein Rechtsfehler infolge der analogen Anwendung der Vorschriften der Richtlinie 2016/1164 gerügt wird (achter Klagegrund in der Rechtssache T456/19)

219    ITV macht geltend, die Kommission habe sich, wenn auch nur analog, zu Unrecht auf die Richtlinie 2016/1164 gestützt. Diese Richtlinie sei erst am 1. Januar 2019 in Kraft getreten und daher im vorliegenden Fall ratione temporis nicht anwendbar. Zudem behandle diese Richtlinie nicht speziell die Frage der Bestimmung der Aufgaben der Entscheidungsträger im Rahmen von konzerninternen Finanzierungen.

220    Tatsächlich hat die Kommission im angefochtenen Beschluss, insbesondere im 38. Erwägungsgrund, auf die Richtlinie 2016/1164 Bezug genommen, als sie darauf hingewiesen hat, dass ihr mitgeteilt worden sei, dass die Änderung der CFC‑Vorschriften im Jahr 2019 zur Umsetzung der Richtlinie 2016/1164 erfolgt sei. Zudem hat die Kommission den Anwendungsbereich der Richtlinie 2016/1164 im Rahmen ihrer Beschreibung des internationalen und unionsrechtlichen Regelungskontexts in Abschnitt 2.4 des angefochtenen Beschlusses in allgemeiner Form beschrieben, um zu veranschaulichen, dass zahlreiche Staaten, auch innerhalb der Union, CFC‑Vorschriften erlassen hatten, um die Übertragung von Gewinnen an niedrig besteuerte ausländische Tochtergesellschaften zu verhindern. Im Übrigen hat die Kommission einen ausdrücklichen Verweis auf Art. 7 dieser Richtlinie, die Bestimmung, auf die in der Folge in Fn. 86 des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen wurde, eingefügt.

221    Diese Bezugnahmen auf die Richtlinie 2016/1164 sind jedoch kontextbezogen und zielen lediglich darauf ab, das Kriterium für die Zuordnung der Einkünfte im Zusammenhang mit Aufgaben der Entscheidungsträger allgemein zu beschreiben. Dagegen hat sich die Kommission bei ihren Schlussfolgerungen im angefochtenen Beschluss auf die CFC‑Vorschriften des Vereinigten Königreichs gestützt, die insbesondere in Teil 9A Art. 371EB TIOPA selbst ein solches Kriterium vorsehen, das auf Aufgaben der Entscheidungsträger beruht.

222    Da die Kommission den angefochtenen Beschluss nicht auf die Richtlinie 2016/1164 gestützt hat, kann daher entgegen dem Vorbringen von ITV die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses nicht auf der Grundlage dieser Richtlinie in Frage gestellt werden.

223    Unter diesen Umständen ist der Klagegrund zurückzuweisen, mit dem ein Rechtsfehler aufgrund der analogen Anwendung der Vorschriften der Richtlinie 2016/1164 gerügt wird.

7.      Zu dem Klagegrund, mit dem im Wesentlichen Beurteilungsfehler bei der Ermittlung von ITV als Begünstigte der streitigen Regelung und die Verpflichtung zur Rückforderung der im Rahmen dieser Regelung gewährten Beihilfen, die von der Kommission im angefochtenen Beschluss angeordnet wurde, gerügt werden (neunter Klagegrund in der Rechtssache T456/19)

224    Im Wesentlichen wirft ITV der Kommission vor, eine Kategorie von Begünstigten, zu der sie gehöre, allein aufgrund der Tatsache, dass diese die in Rede stehenden Befreiungen in Anspruch genommen hätten, falsch identifiziert und die Rückforderung der Beihilfen von dieser Kategorie von Begünstigten angeordnet zu haben, ohne eine Ausnahme von dieser Rückforderung für Fälle wie den ihrigen vorzusehen, bei denen kein selektiver Vorteil erlangt worden sei. Die Gruppe, zu der ITV gehöre, habe nämlich ihre Finanzierungsstruktur angepasst, um die fraglichen Befreiungen in Anspruch nehmen zu können, und zwar nur aus Gründen der Vereinfachung der Verwaltung. Der Betrag der von ITV geschuldeten Steuer wäre jedoch nicht niedriger gewesen als der, mit dem sie besteuert worden wäre, wenn sie keine solche strukturelle Anpassung vorgenommen und die in Rede stehenden Befreiungen nicht in Anspruch genommen hätte.

225    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission nach gefestigter Rechtsprechung bei einer Beihilferegelung darauf beschränken kann, die Merkmale der betreffenden Regelung zu untersuchen, um in den Gründen der Entscheidung zu würdigen, ob diese Regelung den Beihilfeempfängern wegen der in ihr vorgesehenen Modalitäten einen spürbaren Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern sichert und so beschaffen ist, dass sie ihrem Wesen nach vor allem Unternehmen zugutekommt, die sich am Handel zwischen Mitgliedstaaten beteiligen. So braucht die Kommission in einer Entscheidung über eine solche Regelung keine Analyse der im Einzelfall aufgrund einer solchen Regelung gewährten Beihilfe durchzuführen. Erst im Stadium der Rückforderung der Beihilfen ist es erforderlich, die konkrete Situation jedes einzelnen betroffenen Unternehmens zu untersuchen (vgl. Urteil vom 9. Juni 2011, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

226    Im vorliegenden Fall war die Kommission, da sie eine Beihilferegelung ermittelt hat, nicht verpflichtet, für jeden Empfänger den Umfang des erhaltenen Vorteils zu ermitteln.

227    Daher kann ITV mit der Geltendmachung der Besonderheiten ihrer eigenen Situation nicht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses in Frage stellen, soweit darin eine Rückforderung von den Begünstigten der in Rede stehenden Beihilferegelung angeordnet wurde. Erst im Rahmen des Rückforderungsverfahrens im Anschluss an den angefochtenen Beschluss musste das Vereinigte Königreich mit der Prüfung jedes Einzelfalls und gegebenenfalls der Berechnung des Vorteils, den jedes Unternehmen tatsächlich hätte erlangen können, beginnen, und zwar auf der Grundlage der von der Kommission im angefochtenen Beschluss gegebenen Hinweise.

228    Jedenfalls kann sich ITV nicht darauf berufen, dass sie die Anträge auf Befreiung nur aus Gründen der Vereinfachung der Verwaltung gestellt habe. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff der staatlichen Beihilfe ein objektiver Begriff ist und dass die fragliche Beihilfe zurückzufordern ist, sofern die Kommission nachweisen kann, dass Begünstigten, die sich in einer Situation befinden, die mit der tatsächlichen und rechtlichen Lage anderer Unternehmen vergleichbar ist, ein selektiver Vorteil gewährt wurde. Daher sind die Gründe, die ein Unternehmen dazu veranlasst haben, die fragliche Beihilfe in Anspruch zu nehmen, ebenso wie die Tatsache, dass sich dieses Unternehmen auf andere Vorschriften des geltenden Steuersystems hätte berufen können, für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses, mit dem die Rückforderung der fraglichen Beihilfe angeordnet wird, irrelevant.

229    Unter diesen Umständen ist der Klagegrund zurückzuweisen, mit dem ITV einen Beurteilungsfehler in Bezug auf ihre Identifizierung als Begünstigte der streitigen Beihilferegelung und die von der Kommission im angefochtenen Beschluss angeordnete Verpflichtung zur Rückforderung rügt.

8.      Gesamtergebnis

230    Da alle von den Parteien geltend gemachten Klagegründe zurückgewiesen worden sind, ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

231    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Vereinigte Königreich in der Rechtssache T‑363/19 und ITV in der Rechtssache T‑456/19 unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission neben ihren eigenen in diesen Rechtssachen entstandenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

232    Zudem kann das Gericht nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in den Abs. 1 und 2 dieses Artikels genannten seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall ist zu entscheiden, dass LSEGH ihre eigenen Kosten trägt.

233    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung trägt das Vereinigte Königreich seine in der Rechtssache T‑456/19 entstandenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Rechtssachen T363/19 und T456/19 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

2.      Die Klagen werden abgewiesen.

3.      Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt in der Rechtssache T363/19 neben seinen eigenen Kosten die der Europäischen Kommission entstandenen Kosten.

4.      Die ITV plc trägt in der Rechtssache T456/19 neben ihren eigenen Kosten die der Europäischen Kommission entstandenen Kosten.

5.      Die LSEGH (Luxembourg) Ltd und die London Stock Exchange Group Holdings (Italy) Ltd tragen ihre eigenen Kosten.

6.      Das Vereinigte Königreich trägt in der Rechtssache T456/19 seine eigenen Kosten.

Papasavvas

Tomljenović

Schalin

Škvařilová-Pelzl

 

      Nõmm

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Juni 2022.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Englisch.