Language of document : ECLI:EU:C:2019:441

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

EVGENI TANCHEV

vom 22. Mai 2019(1)

Rechtssache C236/18

GRDF SA

gegen

ENI Gas & Power France SA

Direct énergie,

Commission de régulation de l’énergie,

Procureur général près la cour d’appel de Paris

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation [Kassationsgerichtshof, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2009/73/EG über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt – Verpflichtungen der Verteilernetzbetreiber – Art. 41 der Richtlinie 2009/73 – Zeitliche Wirkung der Entscheidungen von Streitbeilegungsstellen – Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz – Rechtssicherheit und Vertrauensschutz“






1.        Dieses Vorabentscheidungsersuchen der Cour de Cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) (im Folgenden: vorlegendes Gericht) betrifft die Befugnisse der Streitbeilegungsstellen nach Art. 41 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG(2). Im Kern fragt das vorlegende Gericht nach dem Zeitpunkt, ab dem eine Sanktion, die eine Streitbeilegungsstelle zur Beilegung einer unter die Richtlinie 2009/73 fallenden Streitigkeit vorgeschlagen hat, Wirkungen entfalten kann. Kann die Sanktionsentscheidung einer Streitbeilegungsstelle für die gesamte Vertragsdauer gelten, auf die sich die Streitigkeit, derentwegen sie angerufen wurde, erstreckt, oder sollte dieser Zeitraum begrenzt werden?

2.        Diese Frage stellt sich im Zusammenhang mit einem zwischen einem Verteilernetzbetreiber (GRDF) und einem Lieferanten (Direct énergie) geschlossenen Vertrag, der über einen längeren Zeitraum nicht mit der Richtlinie 2009/73 in Einklang stand, und zwar deshalb, weil nach dem Vertrag die Außenstände der Endkunden vom Lieferanten Direct énergie zu tragen waren, obwohl sie vom Verteilernetzbetreiber GRDF hätten getragen werden müssen. Die Antwort auf die Vorlagefrage ist daher erforderlich, um zu klären, welche finanziellen Folgen dieser Verstoß für GRDF in ihrem Vertragsverhältnis mit Direct énergie hat. Die Frage stellt sich im begrenzten Kontext sogenannter „Einzelverträge“ über die Lieferung und Verteilung von Erdgas, die in Frankreich mit Verbrauchern und kleineren gewerblichen Kunden abgeschlossen werden.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

3.        In den Erwägungsgründen 3, 6, 25, 30, 33 und 48 der Richtlinie 2009/73 heißt es:

„(3)      Die Freiheiten, die der Vertrag den Bürgern der Union garantiert[,] unter anderem der freie Warenverkehr, die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr, sind nur in einem vollständig geöffneten Markt erreichbar, der allen Verbrauchern die freie Wahl ihrer Lieferanten und allen Anbietern die freie Belieferung ihrer Kunden gestattet.

(6)      Ohne eine wirksame Trennung des Netzbetriebs von der Gewinnung und Versorgung (,wirksame Entflechtung‘) besteht die Gefahr einer Diskriminierung nicht nur in der Ausübung des Netzgeschäfts, sondern auch in Bezug auf die Schaffung von Anreizen für vertikal integrierte Unternehmen, ausreichend in ihre Netze zu investieren.

(25)      Ein nichtdiskriminierender Zugang zum Verteilernetz ist Voraussetzung für den nachgelagerten Zugang zu den Endkunden. …

(30)      Damit der Erdgasbinnenmarkt ordnungsgemäß funktionieren kann, müssen die Energieregulierungsbehörden Entscheidungen in allen relevanten Regulierungsangelegenheiten treffen können und völlig unabhängig von anderen öffentlichen oder privaten Interessen sein. Dies steht weder einer gerichtlichen Überprüfung, noch einer parlamentarischen Kontrolle nach dem Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten entgegen. …

(33)      Die Energieregulierungsbehörden sollten über die Befugnis verfügen, Entscheidungen zu erlassen, die für die Erdgasunternehmen bindend sind, und wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen gegen Gasunternehmen, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, entweder selbst zu verhängen, oder einem zuständigen Gericht die Verhängung solcher Sanktionen gegen diese vorzuschlagen. Auch sollte den Energieregulierungsbehörden die Befugnis zuerkannt werden, unabhängig von der Anwendung der Wettbewerbsregeln über geeignete Maßnahmen zur Förderung eines wirksamen Wettbewerbs als Voraussetzung für einen ordnungsgemäß funktionierenden Erdgasbinnenmarkt zu entscheiden, um Vorteile für die Kunden herbeizuführen. Die Einrichtung von Programmen zur Freigabe von Gaskapazitäten ist eine der möglichen Maßnahmen zur Förderung eines wirksamen Wettbewerbs und zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Marktes. Die Energieregulierungsbehörden sollten ferner über die Befugnis verfügen, dazu beizutragen, hohe Standards bei der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen in Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Marktöffnung, den Schutz benachteiligter Kunden und die volle Wirksamkeit der zum Schutz der Kunden ergriffenen Maßnahmen zu gewährleisten. Diese Vorschriften sollten weder die Befugnisse der Kommission bezüglich der Anwendung der Wettbewerbsregeln, einschließlich der Prüfung von Unternehmenszusammenschlüssen, die eine gemeinschaftliche Dimension aufweisen, noch die Binnenmarktregeln, etwa der Vorschriften zum freien Kapitalverkehr, berühren. Die unabhängige Stelle, bei der eine von einer Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde betroffene Partei Rechtsbehelfe einlegen kann, kann ein Gericht oder eine andere gerichtliche Stelle sein, die ermächtigt ist, eine gerichtliche Überprüfung durchzuführen.

(48)      Im Mittelpunkt dieser Richtlinie sollten die Belange der Verbraucher stehen, und die Gewährleistung der Dienstleistungsqualität sollte zentraler Bestandteil der Aufgaben von Erdgasunternehmen sein. Die bestehenden Verbraucherrechte müssen gestärkt und abgesichert werden und sollten auch auf mehr Transparenz ausgerichtet sein. Durch den Verbraucherschutz sollte sichergestellt werden, dass allen Kunden im größeren Kontext der Gemeinschaft die Vorzüge eines Wettbewerbsmarktes zugutekommen. Die Rechte der Verbraucher sollten von den Mitgliedstaaten oder, sofern ein Mitgliedstaat dies vorgesehen hat, von den Regulierungsbehörden durchgesetzt werden.“

4.        Art. 32 („Zugang Dritter“) Abs. 1 der Richtlinie 2009/73 lautet:

„Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Einführung eines Systems für den Zugang Dritter zum Fernleitungs- und Verteilernetz und zu den LNG-Anlagen auf der Grundlage veröffentlichter Tarife; die Zugangsregelung gilt für alle zugelassenen Kunden, einschließlich Versorgungsunternehmen, und wird nach objektiven Kriterien und ohne Diskriminierung von Netzbenutzern angewandt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass diese Tarife oder die Methoden zu ihrer Berechnung gemäß Artikel 41 von einer in Artikel 39 Absatz 1 genannten Regulierungsbehörde vor deren Inkrafttreten genehmigt werden und dass die Tarife und – soweit nur die Methoden einer Genehmigung unterliegen – die Methoden vor ihrem Inkrafttreten veröffentlicht werden.“

5.        Art. 40 („Allgemeine Ziele der Regulierungsbehörde“) der Richtlinie 2009/73 sieht vor:

„Bei der Wahrnehmung der in dieser Richtlinie genannten Regulierungsaufgaben trifft die Regulierungsbehörde alle zweckdienlichen Maßnahmen zur Erreichung folgender Ziele im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse gemäß Artikel 41, gegebenenfalls in engem Benehmen mit anderen relevanten nationalen Behörden einschließlich der Wettbewerbsbehörden und unbeschadet deren Zuständigkeiten:

a)      Förderung – in enger Zusammenarbeit mit der Agentur, den Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten und der Kommission – eines wettbewerbsbestimmten, sicheren und ökologisch nachhaltigen Erdgasbinnenmarktes in der Gemeinschaft und effektive Öffnung des Marktes für alle Lieferanten und Kunden in der Gemeinschaft; sowie Sicherstellung geeigneter Bedingungen dafür, dass Gasnetze unter Berücksichtigung der langfristigen Ziele wirkungsvoll und zuverlässig betrieben werden;

e)      Erleichterung der Aufnahme neuer Gewinnungsanlagen in das Netz, insbesondere durch Beseitigung von Hindernissen, die den Zugang neuer Marktteilnehmer und die Einspeisung von Gas aus erneuerbaren Energiequellen verhindern könnten;

…“

6.        Art. 41 („Aufgaben und Befugnisse der Regulierungsbehörde“) bestimmt:

„(1)      Die Regulierungsbehörde hat folgende Aufgaben:

a)      Sie ist dafür verantwortlich, anhand transparenter Kriterien die Fernleitungs- oder Verteilungstarife bzw. die entsprechenden Methoden festzulegen oder zu genehmigen.

b)      Sie gewährleistet, dass Fernleitungs- und Verteilernetzbetreiber – gegebenenfalls auch Netzeigentümer – sowie Erdgasunternehmen ihren aus dieser Richtlinie und anderen einschlägigen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften erwachsenden Verpflichtungen nachkommen, auch in Bezug auf Fragen grenzüberschreitender Natur.

f)      Sie sorgt dafür, dass Quersubventionen zwischen den Fernleitungs‑, Verteilungs‑, Speicher‑, LNG- und Versorgungstätigkeiten verhindert werden.

(4)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Regulierungsbehörden mit den erforderlichen Befugnissen ausgestattet werden, die es ihnen ermöglichen, die in den Absätzen 1, 3 und 6 genannten Aufgaben effizient und rasch zu erfüllen. Zu diesem Zweck muss die Regulierungsbehörde unter anderem über folgende Befugnisse verfügen:

a)      Erlass von Entscheidungen, die für Gasunternehmen bindend sind;

d)      Verhängung wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen gegen Erdgasunternehmen, die ihren aus dieser Richtlinie oder allen einschlägigen rechtsverbindlichen Entscheidungen der Regulierungsbehörde oder der Agentur erwachsenden Verpflichtungen nicht nachkommen, oder Vorschlag an ein zuständiges Gericht, derartige Sanktionen zu verhängen. Dies schließt die Befugnis ein, bei Nichteinhaltung der jeweiligen Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie gegen den Fernleitungsnetzbetreiber bzw. das vertikal integrierte Unternehmen Sanktionen in Höhe von bis zu 10 % des Jahresumsatzes des Fernleitungsnetzbetreibers bzw. des vertikal integrierten Unternehmens zu verhängen oder vorzuschlagen, …

(10)      Die Regulierungsbehörden sind befugt, falls erforderlich von Betreibern von Fernleitungsnetzen, Speicheranlagen, LNG-Anlagen und Verteilernetzen zu verlangen, die in diesem Artikel genannten Bedingungen, einschließlich der Tarife, zu ändern, um sicherzustellen, dass sie angemessen sind und nichtdiskriminierend angewendet werden. …

(11)      Jeder Betroffene, der in Bezug auf die von einem Betreiber im Rahmen dieser Richtlinie eingegangenen Verpflichtungen eine Beschwerde gegen einen Fernleitungs- oder Verteilernetzbetreiber oder den Betreiber einer Speicher- oder LNG-Anlage hat, kann damit die Regulierungsbehörde befassen, die als Streitbeilegungsstelle innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach Eingang der Beschwerde eine Entscheidung trifft. Diese Frist kann um zwei Monate verlängert werden, wenn die Regulierungsbehörde zusätzliche Informationen anfordert. Mit Zustimmung des Beschwerdeführers ist eine weitere Verlängerung dieser Frist möglich. Die Entscheidung der Regulierungsbehörde ist verbindlich, bis sie gegebenenfalls aufgrund eines Rechtsbehelfs aufgehoben wird.

…“

7.        Die Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1775/2005(3) sieht in Art. 13 Abs. 1 vor:

„Die von den Regulierungsbehörden gemäß Artikel 41 Absatz 6 der Richtlinie 2009/73/EG genehmigten Tarife oder Methoden zu ihrer Berechnung, die die Fernleitungsnetzbetreiber anwenden, sowie die gemäß Artikel 32 Absatz 1 der genannten Richtlinie veröffentlichten Tarife müssen transparent sein, der Notwendigkeit der Netzintegrität und deren Verbesserung Rechnung tragen, die Ist-Kosten widerspiegeln, soweit diese Kosten denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen, transparent sind und gleichzeitig eine angemessene Kapitalrendite umfassen, sowie gegebenenfalls die Tarifvergleiche der Regulierungsbehörden berücksichtigen. Die Tarife oder die Methoden zu ihrer Berechnung müssen nichtdiskriminierend angewandt werden.

Die Mitgliedstaaten können beschließen, dass die Tarife auch mittels marktorientierter Verfahren wie Versteigerungen festgelegt werden können, vorausgesetzt, dass diese Verfahren und die damit verbundenen Einkünfte von der Regulierungsbehörde genehmigt werden.

Die Tarife oder die Methoden zu ihrer Berechnung müssen den effizienten Gashandel und Wettbewerb erleichtern, während sie gleichzeitig Quersubventionen zwischen den Netznutzern vermeiden und Anreize für Investitionen und zur Aufrechterhaltung oder Herstellung der Interoperabilität der Fernleitungsnetze bieten.

Die Tarife für die Netznutzer müssen nichtdiskriminierend sein und werden pro Einspeisepunkt in das Fernleitungsnetz oder pro Ausspeisepunkt aus dem Fernleitungsnetz getrennt voneinander festgelegt. Kostenaufteilungsmechanismen und Ratenfestlegungsmethoden bezüglich der Ein- und Ausspeisepunkte werden von den nationalen Regulierungsbehörden gebilligt. Ab dem 3. September 2011 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass nach einer Übergangsfrist keine Netzentgelte auf der Grundlage von Vertragspfaden erhoben werden.“

B.      Nationales Recht

8.        Dem vorlegenden Gericht zufolge bestimmt Art. L. 134‑20 des Code de l’énergie (Energiegesetzbuch) in der zum fraglichen Zeitpunkt geltenden Fassung:

„Die Entscheidung des Ausschusses, die mit der Androhung eines Zwangsgelds verbunden sein kann, ist mit Gründen versehen und legt die technischen und finanziellen Bedingungen für die Beilegung der Streitigkeit fest, unter denen der Zugang zu den in Art. L. 134‑19 genannten Netzen, Anlagen und Einrichtungen oder ihre Nutzung gegebenenfalls gewährleistet wird. Wenn die Beilegung der Streitigkeit dies erfordert, kann der Ausschuss auf objektive, transparente und nichtdiskriminierende Weise sowie unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit die Modalitäten des Zugangs zu den betreffenden Netzen, Anlagen und Einrichtungen oder die Bedingungen für ihre Nutzung festlegen“(4).

II.    Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

9.        Die Rechtsvorgängerinnen von Direct énergie, der zweiten Rechtsmittelgegnerin des Ausgangsverfahrens, schlossen am 21. Juni 2005 bzw. am 21. November 2008 zwei Verträge über die Durchleitung von Gas durch das französische Erdgasverteilernetz, und zwar mit der Verteilernetzbetreiberin GRDF, der Rechtsmittelführerin im Ausgangsverfahren.

10.      Am 22. Juli 2013 rief Direct énergie das Comité de règlement des différends et de sanctions (Ausschuss für Streitbeilegung und Sanktionen, im Folgenden: CoRDIS) an, die Streitbeilegungsstelle im Sinne von Art. 41 Abs. 11 der Richtlinie 2009/73 bei der Commission de régulation de l’énergie (Energieregulierungskommission, im Folgenden: CRE), der französischen Regulierungsbehörde nach den Art. 40 und 41 der Richtlinie 2009/73. Die von Direct énergie beantragte Entscheidung bezog sich auf finanzielle Belastungen, die seit Beginn der Laufzeit der beiden genannten Verträge von ihr getragen wurden, eigentlich aber von GRDF hätten getragen werden müssen (siehe oben, Nrn. 1 und 2). Eni Gas & Power France, die erste Rechtsmittelgegnerin, war an diesem Verfahren ebenfalls beteiligt.

11.      Die Entscheidung des CoRDIS erging am 19. September 2014. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass GRDF nach dieser Entscheidung verpflichtet war, Direct énergie innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Zustellung der Entscheidung einen neuen Durchleitungsvertrag zu übermitteln, der den Grundsatz berücksichtigte, dass Direct énergie als Lieferant nicht für Außenstände einzustehen hat, die Endkunden GRDF schulden. Dies sollte für die gesamte Vertragsdauer gelten.

12.      Diese Entscheidung fochten sowohl Direct énergie als auch Eni Gas & Power France vor der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) an. Diese bestätigte die angefochtene Entscheidung am 2. Juni 2016 und führte u. a. aus, dass

–        GRDF Änderungen in Gestalt von Zusatzvereinbarungen zu ihren Verträgen mit Direct énergie über den Zugang zum Gasnetz vorschlagen sollte. Diese Zusatzvereinbarungen sollten vorsehen, dass die Vertragsklauseln, die den Zugang zu diesen Verträgen davon abhängig machten, dass Direct énergie als Lieferant zustimmte, als Vertreterin von GRDF aufzutreten, und die Direct énergie verpflichteten, GRDF obliegende Dienstleistungen zu erbringen, obwohl sie weder deren Preis noch die Bedingungen für ihre Erbringung aushandeln konnte, von Anfang an nicht Vertragsbestandteil zwischen den Parteien geworden waren.

–        Zudem sollte Direct énergie eine faire und angemessene Vergütung gezahlt werden, die sich an den Kosten orientierte, die GRDF im Hinblick auf die in ihrem Namen von Direct énergie gegenüber den Endkunden erbrachten Dienstleistungen einsparte.

13.      GRDF focht dieses Urteil vor dem vorlegenden Gericht an und machte geltend, dass diese Entscheidung eine Anordnung sei, die den CoRDIS dazu ermächtige, rückwirkende Entscheidungen zu erlassen, die zu einer rückwirkenden Änderung von Vertragsbedingungen führten. Direct énergie trat dieser Auffassung entgegen, und zwar im Wesentlichen unter Berufung auf das Gebot der Effektivität des Unionsrechts. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit im Urteil des Gerichtshofs vom 13. März 2008, Vereniging Nationaal Overlegorgaan Sociale Werkvoorziening u. a.(5), bestätigt worden sei und der Effektivität des Unionsrechts vorgehen könne.

14.      Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die Richtlinie 2009/73 und insbesondere ihr Art. 41 Abs. 11 dahin auszulegen, dass eine Regulierungsbehörde, wenn sie einen Rechtsstreit entscheidet, die Befugnis haben muss, eine Entscheidung zu erlassen, die für den gesamten Zeitraum gilt, auf den sich der Rechtsstreit, in dem sie angerufen worden ist, erstreckt, ohne dass es auf den Zeitpunkt seiner Entstehung zwischen den Parteien ankommt, und die Regulierungsbehörde dabei insbesondere aufgrund des Umstands, dass ein Vertrag nicht im Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie steht, eine Entscheidung erlassen muss, deren Wirkungen sich auf die gesamte Vertragsdauer erstrecken?

15.      GRDF, Direct énergie, Eni Gas & Power France, die französische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht. Alle Beteiligten haben an der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2019 teilgenommen.

III. Zusammenfassung der schriftlichen Erklärungen

16.      GRDF trägt vor, das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung im Unionsrecht deute darauf hin, dass nicht beabsichtigt sei, Stellen wie dem CoRDIS den Erlass rückwirkender Entscheidungen zu erlauben(6). Die zeitliche Wirkung der Entscheidungen von Stellen wie dem CoRDIS sei eine Frage der nationalen Verfahrensautonomie(7).

17.      Da eine in zeitlicher Hinsicht auf das Ausgangsverfahren anwendbare Regelung im nationalen Recht fehle(8), sei eine etwaige Rückwirkung von Entscheidungen des CoRDIS anhand der Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität, des Rückwirkungsverbots, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu prüfen. Keiner dieser Grundsätze spreche dafür, dass der CoRDIS Entscheidungen mit Rückwirkung erlassen dürfe. Außerdem seien die Entscheidungen des CoRDIS ihrem Wesen nach Verwaltungs- und keine Gerichtsentscheidungen.

18.      GRDF macht geltend, dass die von ihr vertretene Auffassung zur zeitlichen Wirkung der Entscheidungen des CoRDIS im Einklang mit dem Äquivalenzgrundsatz stehe. Ferner sei der Effektivitätsgrundsatz anhand von Art. 34 Abs. 3 der Richtlinie 2009/73 auszulegen, der die zügige Beilegung von Streitigkeiten betone. Eine fehlende Rückwirkung von Entscheidungen des CoRDIS stehe dazu nicht in Widerspruch(9).

19.      Zum Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes trägt GRDF u. a. vor, dass das Verbot der Rückwirkung von Verwaltungsentscheidungen gelte, wenn mitgliedstaatliche Behörden Verwaltungsentscheidungen erließen, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fielen(10). Die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verlangten, dass Regelungen klar und eindeutig sein müssten(11) und dass ihre Anwendung vorhersehbar sein müsse. Damit oder mit dem Verbraucherschutz seien rückwirkende Entscheidungen unvereinbar.

20.      Könnten die Entscheidungen des CoRDIS Rückwirkung entfalten, untergrübe dies die rechtliche Stabilität des Erdgassektors und zöge finanzielle Konsequenzen dergestalt nach sich, dass GRDF für ihre Dienstleistungen höhere Kosten entstünden, die sie über den vom Verbraucher zu zahlenden Endkundenpreis für Erdgas wieder hereinholen müsste.

21.      Eni Gas & Power France trägt vor, die Rolle des CoRDIS könne sich nicht grundlegend von der eines Gerichts unterscheiden, da er schneller und effizienter Schutz bieten solle als ein Gericht. Der Effektivitätsgrundsatz stehe im Rang einer wesentlichen Bestimmung des Unionsrechts(12), so dass die innerstaatlichen Verfahren der Mitgliedstaaten sicherstellen müssten, dass die Entscheidungen des CoRDIS volle rechtliche Wirkung entfalteten. Es liege kein Verstoß gegen den Äquivalenzgrundsatz vor, und der Grundsatz der Rechtssicherheit sei von Natur aus flexibel und biete keine unbedingte Garantie dafür, dass sich eine bestimmte Rechtslage nicht ändern werde. Daher gebiete das Unionsrecht, die Streitbeilegungsstelle mit der Befugnis auszustatten, eine Entscheidung zu erlassen, die sich auf den gesamten Zeitraum des Verstoßes erstrecke.

22.      Direct énergie stimmt zu, dass die Streitparteien, wenn die Wirkung der Entscheidungen des CoRDIS nicht bis zum Beginn der rechtswidrigen vertraglichen Verpflichtungen zurückreichte, systematisch den Gang zu den Gerichten vorzögen, wo eine derartige Sanktion zur Verfügung stehe, was auf eine Asymmetrie der Sanktionen hinausliefe und mit dem von der Richtlinie 2009/73 verfolgten Zweck, zügige Entscheidungen zu ermöglichen, nicht vereinbar wäre(13). Die Richtlinie 2009/73 würde ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt, und der Gerichtshof sei insoweit aufgerufen, seine im Bereich des Verbraucherschutzes zu missbräuchlichen Klauseln und im Bereich der Gleichbehandlung entwickelte Rechtsprechung im Wege der Analogie heranzuziehen(14).

23.      Ferner müssten die nationalen Regulierungsbehörden gemäß der Richtlinie 2009/73 über umfassende Befugnisse verfügen, die in Art. 41 Abs. 4 Buchst. d im Einzelnen festgelegt seien.

24.      Zudem sei eine Berufung auf den Grundsatz der Rechtssicherheit nur dann möglich, wenn ein Verwaltungsakt offensichtlich gegen Unionsrecht verstoße, selbst wenn er bestandskräftig geworden sei(15). Den Entscheidungen des CoRDIS die Rückwirkung abzusprechen, hieße, unionsrechtswidrige Praktiken zu bestätigen, und das Vorbringen von GRDF zur Destabilisierung des Markts treffe nicht zu(16). Der Vorrang des Unionsrechts verlange ebenso wie das Gebot wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen, dass mit dem Unionsrecht unvereinbare Vertragsgrundsätze nicht angewandt würden.

25.      Schließlich gingen die auf das Urteil Vereniging Nationaal Overlegorgaan Sociale Werkvoorziening u. a.(17) gestützten Ausführungen des vorlegenden Gerichts fehl.

26.      Die französische Regierung weist darauf hin, dass das Ausgangsverfahren nur sogenannte „Einzelverträge“ betreffe, bei denen Verbraucher für ihren Haushalt einen einheitlichen Vertrag über die Lieferung und Verteilung von Gas abgeschlossen hätten. Lieferanten wie Direct énergie und Eni Gas & Power France hätten Durchleitungsverträge mit GRDF geschlossen, um anschließend Einzelverträge mit Verbrauchern abschließen zu können. Die gemäß diesen Verträgen für die Verteilung des Gases erhaltenen Beträge hätten an GRDF weitergeleitet werden müssen. Daher hätten diese Verträge dazu geführt, dass die Außenstände der Verbraucher von den Lieferanten Direct énergie und Eni Gas & Power France getragen worden seien und nicht vom Verteilernetzbetreiber GRDF. Dies sei der Kontext des Rechtsstreits.

27.      Die französische Regierung fordert den Gerichtshof auf, die Vorlagefrage umzuformulieren, wobei sie sich insbesondere dagegen wendet, dass gefragt wird, ob der CoRDIS nach dem Unionsrecht „die Befugnis haben muss, eine Entscheidung zu erlassen, die für den gesamten Zeitraum gilt, auf den sich der Rechtsstreit … erstreckt“. Würde diese Frage verneint, sei nicht sichergestellt, dass das vorlegende Gericht eine sinnvolle Antwort erhalte, weil nicht die Frage geklärt würde, ob eine solche zeitliche Wirkung nach dem Unionsrecht zulässig, wenn auch nicht zwingend erforderlich sei(18). Daher schlägt sie vor, die vorgelegte Frage so umzuformulieren, dass gefragt werde, ob das Unionsrecht ausschließe, dass derartige Entscheidungen zeitliche Wirkung über die gesamte Dauer des streitgegenständlichen Vertrags entfalteten.

28.      Die französische Regierung ist der Ansicht, dass sowohl die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2009/73 als auch der Effektivitätsgrundsatz dafür sprächen, die so umformulierte Frage zu verneinen. Allerdings seien hierbei die Grundsätze der Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit und die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleisteten Grundrechte zu wahren, worüber das vorlegende Gericht zu entscheiden habe.

29.      Für den Fall, dass die Frage nicht umformuliert werden sollte, schlägt die französische Regierung vor, sie zu verneinen. Solange keine Harmonisierung erfolgt sei, fielen zeitliche Wirkungen unter das den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Richtlinien gemäß Art. 288 AEUV zustehende Ermessen und ihre nationale Verfahrensautonomie, die allerdings den Grundsätzen der Äquivalenz und Effektivität und anderen Grundsätzen des Unionsrechts unterliege. Die französische Regierung verweist u. a. auf ein Urteil des Gerichtshofs im Bereich des Mehrwertsteuerrechts(19) und auf ein Urteil über zu Unrecht gezahlte Beträge(20), um zu veranschaulichen, wie der Grundsatz der Rechtssicherheit zu einer Begrenzung der zeitlichen Wirkung führen könne. Allerdings sei es Sache der Mitgliedstaaten, festzulegen, wie diese Grundsätze miteinander in Einklang zu bringen seien(21). Die Beurteilung der Frage, ob der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz gewahrt worden seien, obliege dem vorlegenden Gericht(22).

30.      Die Kommission macht geltend, dass es sich bei Stellen wie dem CoRDIS um unabhängige Verwaltungsbehörden mit Befugnissen und Aufgaben handele, die denen der Wettbewerbsbehörden sehr ähnlich seien. Wenn Behörden wie der CoRDIS Entscheidungen auf der Grundlage von Art. 41 Abs. 11 der Richtlinie 2009/73 träfen, müssten ihre Entscheidungen vergleichbare Wirkungen entfalten wie die eines Gerichts, gerade auch in zeitlicher Hinsicht. Grundsätzlich entfalteten solche Entscheidungen Wirkung ex tunc, aber der Gesetzgeber oder das Gericht könne auf der Grundlage der Erwägung, dass eine zeitliche Beschränkung geboten sei, weil die Gebote der Effektivität und des Vorrangs des Unionsrechts gegen die Rechtssicherheit und den Vertrauensschutz abgewogen werden müssten, davon abweichen.

31.      Somit müssten nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit sowie der Effektivität und dem Vorrang des Unionsrechts sämtliche rechtswidrigen Folgen eines Vertrags, dessen Bedingungen nicht den Vorgaben der Richtlinie 2009/73 entsprächen, ungeschehen gemacht werden. Allerdings beschränke sogar der Gerichtshof die zeitliche Wirkung seiner Entscheidungen, um dem Gebot der Rechtssicherheit Rechnung zu tragen. Dies sei jedoch die Ausnahme(23) und nur in engen Grenzen geboten, wenn zwingende Erwägungen der Rechtssicherheit es rechtfertigten, wobei alle öffentlichen wie privaten Interessen zu berücksichtigen seien(24). Die Wahrung von Rechten sei ebenfalls von Bedeutung(25).

32.      Schließlich verweist die Kommission auf ein Urteil zu Energietarifen und vor dem Rechtsstreit begründeten Vertragsbeziehungen. In diesem Urteil hat der Gerichtshof es abgelehnt, die Wirkung seiner Entscheidung zeitlich zu beschränken(26). Nach Ansicht der Kommission bestehen im Ausgangsverfahren keine Risiken, die eine zeitliche Beschränkung der Wirkung rechtfertigten. Daher müsse eine Regulierungsbehörde wie der CoRDIS befugt sein, Entscheidungen zu treffen, die unabhängig von dem Zeitpunkt, zu dem der Rechtsstreit zwischen den Parteien begonnen habe, für den gesamten von dem Rechtsstreit betroffenen Zeitraum gälten. Dies stehe in Einklang mit Geist und Zweck der Richtlinie 2009/73. Würden die Entscheidungen von Behörden wie des CoRDIS nur zeitlich begrenzte Wirkungen entfalten, würde sich ihre Wirksamkeit im Hinblick auf die Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Marktes und die Entwicklung eines wettbewerbsorientierten Gasmarkts erheblich verringern.

IV.    Würdigung

A.      Vorbemerkungen

1.      Zuständigkeit des Gerichtshofs

33.      Eingangs möchte ich darauf hinweisen, dass im Vorlagebeschluss nicht genauer ausgeführt wird, warum bestimmte Vorschriften der Richtlinie 2009/73 – von der Vorschrift über den Rechtsbehelf abgesehen – für die Lösung der materiellen Streitigkeit zwischen den Parteien von Bedeutung sind. Kurz gesagt, geht es um die Frage, ob im Zusammenhang mit sogenannten Einzelverträgen über die Verteilung und Lieferung von Gas entstehende Außenstände der Endkunden vom Verteilernetzbetreiber oder vom Erdgaslieferanten zu tragen sind und wie weiter zu verfahren ist, wenn festgestellt wird, dass diese Außenstände vom Verteilernetzbetreiber und nicht vom Lieferanten zu tragen sind. Der Rechtsstreit betrifft im weiteren Sinne Dienstleistungen im Bereich des Kundenmanagements und die Vergütung, die den Lieferanten dafür zu zahlen ist, dass sie diese Dienstleistungen für den Verteilernetzbetreiber erbringen.

34.      Dies ist insofern problematisch, als Art. 41 Abs. 11 der Richtlinie 2009/73 bestimmt, dass jeder „Betroffene, der in Bezug auf die von einem Betreiber im Rahmen dieser Richtlinie eingegangenen Verpflichtungen eine Beschwerde gegen einen Fernleitungs- oder Verteilernetzbetreiber oder den Betreiber einer Speicher- oder LNG-Anlage hat, … damit die Regulierungsbehörde befassen [kann]“ (Hervorhebung nur hier). Für die Auslegung einer Vorschrift über einen Rechtsbehelf ist der Gerichtshof zuständig, sobald feststeht, dass sie im Zusammenhang mit einem geltend gemachten materiellen Verstoß gegen die fragliche Richtlinie von Bedeutung ist(27), da die Europäische Union nicht über eine allgemeine Zuständigkeit für Rechtsbehelfe jenseits der Bereiche verfügt, in denen ihr eine materielle Regelungskompetenz zusteht. Allgemeiner gesagt, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, den Zusammenhang zwischen den angeführten Bestimmungen des Unionsrechts und dem vorliegenden Rechtsstreit sowie dessen Gegenstand darzulegen(28).

35.      Das mündliche Vorbringen zu diesem Punkt lässt sich wie folgt zusammenfassen.

36.      GRDF hat vorgetragen, bei der streitgegenständlichen Dienstleistung handele es sich um das Endkundenmanagement, das seitens des Lieferanten für den Verteilernetzbetreiber erbracht werde, und diese konkrete Dienstleistung falle gar nicht unter die Richtlinie 2009/73. Sie unterliege vielmehr dem französischen Recht, so dass das Ausgangsverfahren nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/73 falle.

37.      Eni Gas & Power France hat darauf hingewiesen, dass die Richtlinie 2009/73 gemeinsame Regeln für die Verteilung und Lieferung von Gas an Endkunden enthalte. Art. 1 der Richtlinie 2009/73 definiere Gegenstand und Anwendungsbereich der Richtlinie. Im Ausgangsverfahren gehe es darum, dass der Lieferant für den Verteilernetzbetreiber Gebühren für den Zugang zum Verteilernetz erhebe und das Kundenmanagement übernehme. Die Vergütung für diese Dienstleistung bilde den Kern des Rechtsstreits. Dieser falle somit in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/73, weil es um den Netzzugang und um Rechtsbeziehungen im Bereich der Verteilung und Lieferung gehe.

38.      Direct énergie hat geltend gemacht, dass der Verteilernetzbetreiber nach der Richtlinie 2009/73 verpflichtet sei, gemäß Art. 32 dieser Richtlinie einen Netzzugang zu gewährleisten, der nicht diskriminierend sei, wobei in Art. 35 Ausnahmen geregelt seien. Stelle sich ein Verteilernetzbetreiber auf den Standpunkt, dass er einem Lieferanten den Zugang verweigern könne, sofern dieser sich nicht bereit erkläre, für ihn Dienstleistungen zu erbringen, sei dies als Verweigerung des Zugangs nach der Richtlinie 2009/73 anzusehen. Sie hat außerdem auf die in Art. 40 vorgesehenen Verpflichtungen der Regulierungsbehörde, insbesondere im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs, verwiesen.

39.      Die mündlichen Ausführungen der französischen Regierung hat die Sache klarer gemacht. Der Vertreter Frankreichs hat erläutert, dass die Dienstleistungen im Bereich des Kundenmanagements, die in Frankreich von Lieferanten für Verteilernetzbetreiber wie GRDF erbracht würden, eine Art des Netzzugangs darstellten, die der französische Gesetzgeber zur Umsetzung von Art. 32 der Richtlinie 2009/73 über den Zugang Dritter zum Fernleitungs- und Verteilernetz eingeführt habe, wobei das darauf beruhende System der Einzelverträge dem Verbraucher die freie Wahl des Lieferanten ermögliche, von der im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/73 die Rede sei.

40.      Die Kommission hat darauf hingewiesen, dass sich im Ausgangsverfahren zwei Gaslieferanten gegenüberstünden und um Verteilungsdienstleistungen stritten, wobei GRDF selbst ein Verteilernetzbetreiber sei, so dass die Richtlinie 2009/73 anwendbar sei.

41.      Ich bin zu dem Ergebnis gelangt, dass das Ausgangsverfahren in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/73 fällt, weil das soeben zusammengefasste mündliche Vorbringen den im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand erforderlichen Zusammenhang zwischen der materiell-rechtlichen Streitigkeit der Parteien und der Richtlinie 2009/73 herstellt(29). Dabei habe ich die Zwecke der Richtlinie 2009/73 berücksichtigt (siehe oben, Nr. 3), deren Anwendungsbereich(30) gemäß der Definition in Art. 1 und den Umstand, dass im Vorlagebeschluss mehrfach erwähnt wird, dass die Bedeutung des Begriffs „Verteilung“ in Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2009/73 für das Ausgangsverfahren relevant sei, auch wenn dazu keine Frage vorgelegt worden ist. Im Kern geht es bei dem Rechtsstreit um die Tarife für Dienstleistungen, die von einem Lieferanten als Vertreter eines Verteilernetzbetreibers erbracht werden. Der Rechtsstreit betrifft also die Festlegung von Tarifen und den Netzzugang, die beide in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/73 fallen, und den Zusammenhang mit Art. 41 Abs. 11.

2.      Umformulierung der Vorlagefrage nicht erforderlich

42.      Zugleich stimme ich dem Vorbringen Frankreichs, dass die Vorlagefrage umformuliert werden müsse, nicht zu. Dass im Hinblick auf die Befugnisse einer Regulierungsbehörde hinsichtlich der zeitlichen Wirkung ihrer Entscheidung das ein Gebot ausdrückende Wort „muss“ bzw. in der Originalfassung des Vorlagebeschlusses die Formulierung „ils commandent qu’une autorité de régulation … ait le pouvoir“ verwendet worden ist, hindert den Gerichtshof nicht daran, eine differenziertere Antwort zu geben.

3.      Keine Rückwirkung im Ausgangsverfahren; teilweise Unzulässigkeit der Frage

43.      Schließlich bin ich im Gegensatz zu GRDF nicht der Auffassung, dass es im Ausgangsverfahren um einen Fall geht, in dem der CoRDIS rückwirkend Unionsrecht anwendet.

44.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs wird durch die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Art. 267 AEUV vornimmt, erläutert und erforderlichenfalls verdeutlicht, in welchem Sinn und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen(31).

45.      Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Richtlinie 2009/73 in zeitlicher Hinsicht ab dem 3. März 2011, dem Ende der in Art. 54 dieser Richtlinie vorgesehenen Umsetzungsfrist, anwendbar ist(32). Daher muss eine Auslegung von Art. 41 Abs. 11 der Richtlinie 2009/73 durch den Gerichtshof ab diesem Zeitpunkt (dem 3. März 2011) gelten. Die Befugnisse des CoRDIS als zuständiger Streitbeilegungsstelle nach Art. 41 Abs. 11 müssen – vorbehaltlich der nationalen Verfahrensautonomie, die ihrerseits wiederum den Grundsätzen der Effektivität und Äquivalenz sowie dem Wortlaut von Art. 41 Abs. 11 Rechnung tragen muss, nach dem eine Entscheidung spätestens innerhalb von vier Monaten ab Eingang der Beschwerde zu treffen ist – zwangsläufig bis zu diesem Zeitpunkt zurückreichen.

46.      Kann Art. 41 Abs. 11 der Richtlinie 2009/73 aber Grundlage einer Befugnis des CoRDIS sein, Entscheidungen zu erlassen, die für den Zeitraum vor dem 3. März 2011 gelten? Dies ist wichtig, weil die für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Verträge am 21. Juni 2005 bzw. am 21. November 2008 geschlossen wurden.

47.      Diese Frage hängt von der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der Vorgängerrichtlinie, also der Richtlinie 2003/55, und davon ab, ob der CoRDIS nach französischem Recht die Rolle der Streitbeilegungsstelle im Sinne der Richtlinie 2003/55 innehatte, worüber das nationale Gericht zu entscheiden hat. Auf die Richtlinie 2009/73, um deren Auslegung das vorlegende Gericht ersucht hat, kann der Erlass von Sanktionen durch den CoRDIS, die vor dem 3. März 2011 Wirkung entfalten sollen, allerdings nicht gestützt werden.

48.      Weder der Vorlagebeschluss noch die schriftlichen Erklärungen enthalten Hinweise zum Verhältnis zwischen dem CoRDIS und der Richtlinie 2003/55. Richtig ist zwar, dass der Gerichtshof in einem Urteil festgestellt hat, dass Art. 41 der Richtlinie 2009/73 inhaltlich „im Wesentlichen“ Art. 25 der Richtlinie 2003/55(33) übernimmt, die Richtlinie 2003/55 unterscheidet sich jedoch in wesentlichen relevanten Punkten von der Richtlinie 2009/73.

49.      Erstens enthält die Richtlinie 2003/55 keinen Erwägungsgrund, der dem 33. Erwägungsgrund und dessen Forderung nach wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen entspricht (siehe unten, Nrn. 54 bis 57). Zweitens gibt es in der Richtlinie 2003/55 keine mit Art. 41 Abs. 17 der Richtlinie 2009/73 vergleichbare Bestimmung. Nach Art. 41 Abs. 17 stellen die „Mitgliedstaaten … sicher, dass auf nationaler Ebene geeignete Mechanismen bestehen, in deren Rahmen eine von einer Entscheidung der Regulierungsbehörde betroffene Partei das Recht hat, bei einer von den beteiligten Parteien und Regierungen unabhängigen Stelle Beschwerde einzulegen“. Drittens besteht nach den Gesetzesmaterialien zur Richtlinie 2009/73 ein Ziel der neuen Richtlinie darin, die Befugnisse der Regulierungsbehörden auszuweiten und u. a. um die Befugnis, abschreckende Sanktionen zu erlassen, zu ergänzen, woraus sich ableiten lässt, dass diese Sanktionen sich von den nach der Richtlinie 2003/55 erforderlichen unterscheiden(34). Aus diesem Grund ist die Vorlagefrage unzulässig, soweit sie den Zeitraum vor dem 3. März 2011 betrifft(35).

50.      Ich werde nunmehr die Vorlagefrage auf der Grundlage dieser Prämisse beantworten und mich dabei nur auf die Richtlinie 2009/73 beziehen, die allein Gegenstand der Vorlagefrage ist.

B.      Antwort auf die Vorlagefrage

51.      Ich bin zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kommission bei der Beantwortung der Vorlagefrage den richtigen Ansatz verfolgt hat, indem sie die Aufgaben des CoRDIS als unabhängiger Behörde, der Durchsetzungspflichten nach dem Unionsrecht obliegen, untersucht hat. Ein anerkannter Grundsatz des Unionsrechts besagt nämlich, dass nach dem „Vorrang des Unionsrechts nicht nur die Gerichte, sondern alle mitgliedstaatlichen Stellen den unionsrechtlichen Vorschriften volle Wirksamkeit verschaffen müssen“(36). Den Umfang dieser Verpflichtung hat ein Generalanwalt unlängst wie folgt beschrieben:

„[Es] steht fest, dass die Pflicht zur sofortigen Anwendung von Unionsrecht gleichermaßen den nationalen Gerichten und den Verwaltungsbehörden obliegt. Beide sind im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit oder Befugnis gehalten, für die volle Wirksamkeit der unionsrechtlichen Bestimmungen Sorge zu tragen, ohne die vorherige Beseitigung jeder entgegenstehenden nationalen Bestimmung auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten zu müssen. Schließlich beinhaltet die volle Wirksamkeit der unionsrechtlichen Bestimmungen die Anwendung aller Grundsätze der nationalen Anwendung des Unionsrechts, wie z. B. dessen Vorrang, unmittelbare Wirkung und konforme Auslegung.“(37)

52.      In der bisherigen Rechtsprechung sind Stellen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit ihrer Pflicht, den unionsrechtlichen Vorschriften volle Wirksamkeit zu verschaffen, dazu aufgefordert worden, im Rahmen der Ausübung ihrer jeweiligen Durchsetzungsbefugnisse dem Unionsrecht entgegenstehende nationale Rechtsvorschriften unangewendet zu lassen(38). Daraus folgt zwingend, dass mitgliedstaatliche Stellen wie der CoRDIS, denen besondere Pflichten in Bezug auf Rechtsbehelfe übertragen sind, der in ständiger Rechtsprechung bestätigten Pflicht zur Durchsetzung des Unionsrechts nach Treu und Glauben, die nun in Art. 4 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 1 EUV verankert ist, zumindest im Hinblick auf Bestimmungen wie Art. 41 Abs. 11 der Richtlinie 2009/73(39) und den damit verbundenen Pflichten in Bezug auf Rechtsbehelfe unterliegen (siehe unten, Nrn. 54 bis 57). Tatsächlich war der Gerichtshof unlängst mit einem Rechtsstreit befasst, in dem es um die Tragweite der Rechtsbehelfsvorschrift in der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf(40) und die nach dem Recht eines Mitgliedstaats bestehenden Beschränkungen der Befugnisse einer zur Durchsetzung der Gleichbehandlung geschaffenen Kommission ging(41).

53.      Im Urteil Minister for Justice and Equality und Commissioner of An Garda Síochána hat der Gerichtshof festgestellt, dass es in Fällen, in denen als Alternative zu den Gerichten eine Kommission zur Durchsetzung der Gleichbehandlung nach der Richtlinie 2000/78 geschaffen wurde, „widersprüchlich [wäre], wenn sich der Einzelne vor einer Stelle, der nach dem nationalen Recht die Zuständigkeit für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten in einem bestimmten Bereich zugewiesen ist, auf die Bestimmungen des Unionsrechts in diesem Bereich berufen könnte, diese Stelle aber nicht verpflichtet wäre, diese Bestimmungen dadurch einzuhalten, dass sie die Vorschriften des nationalen Rechts, die damit nicht im Einklang stehen, unangewendet lässt“(42).

54.      Es ist unstreitig, dass der CoRDIS die von der französischen Regierung zur Erfüllung der Verpflichtungen aus Art. 41 Abs. 11 der Richtlinie 2009/73 eingerichtete Streitbeilegungsstelle ist. Weiter ist unstreitig, dass ein alternativer Rechtsweg besteht, wie es auch in Minister for Justice and Equality und Commissioner of An Garda Síochána der Fall war, nämlich der Gang zu den ordentlichen Gerichten (vgl. Art. 41 Abs. 15 und Art. 41 Abs. 17 der Richtlinie 2009/73). Genau wie es nach dem Urteil Minister for Justice and Equality und Commissioner An Garda Síochána nicht zulässig war, die Befugnisse der Kommission gegenüber jenen der ordentlichen Gerichte zu beschneiden, ist meines Erachtens dem Vorbringen von Direct énergie und Eni Gas & Power France zu folgen, wonach es die Streitparteien davon abhalten würde, Verfahren vor dem CoRDIS einzuleiten, und damit dem Zweck der Richtlinie 2009/73 im Hinblick auf die Verfügbarkeit zügiger Rechtsbehelfe zuwiderlaufen würde, wenn die Entscheidungen, zu deren Erlass der CoRDIS befugt ist, im Vergleich zu jenen der französischen Gerichte nur eine zeitlich begrenzte Wirkung entfalteten(43).

55.      Daher müssen die Sanktionen, die der CoRDIS anzuwenden hat, auf den gesamten Zeitraum bis zum 3. März 2011 zurückwirken. Abgesehen davon fällt die Frage, welche konkreten Sanktionen zur Verfügung stehen müssen, unter die nationale Verfahrensautonomie, wobei die Grundsätze der Effektivität und Äquivalenz zu wahren sind, und die Rechtsbehelfsvorschriften der Richtlinie 2009/73.

56.      Auch wenn der 33. Erwägungsgrund und Art. 41 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2009/73 nur bezüglich der Energieregulierungsbehörden und der Gerichte die Befugnis erwähnen, „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen“ zu verhängen, werden die Streitbeilegungsstellen nach dem Wortlaut von Art. 41 Abs. 11 unter den Begriff der Regulierungsbehörden subsumiert. Es ist Sache des CoRDIS und der französischen Gerichte, insoweit das französische Recht anzuwenden, wobei dem Wortlaut und den Zwecken der Richtlinie 2009/73 hinreichend Rechnung zu tragen ist, und zu entscheiden, welche wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen für den Zeitraum ab dem 3. März 2011 zu verhängen sind, da die Richtlinie 2009/73 keine Kriterien zur Beurteilung dieser Frage enthält(44). Dies bedeutet, dass beispielsweise die Ergänzung der Verträge um Zusatzvereinbarungen, die ab 2005 bzw. 2008 gelten, von einem französischen Gericht oder dem CoRDIS als unverhältnismäßig angesehen werden könnte(45), wenn man die Bandbreite der mit der Richtlinie 2009/73 verfolgten Zwecke (siehe oben, Nr. 3), die von der Sicherstellung einer freien Wahl für den Verbraucher über einen gleichberechtigten Netzzugang bis zum Schutz der Unversehrtheit des Netzes und zur Kostenorientierung der Tarife reichen (siehe oben, Nr. 7 zur Verordnung Nr. 7165/2009), und die von GRDF geltend gemachten Folgen für die Stabilität des Gassektors (siehe oben, Nr. 20) betrachtet.

57.      Allerdings ist dies nicht die Frage, die dem Gerichtshof vorgelegt worden ist. Die Frage bezieht sich auf die Geltungsdauer der wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen, zu deren Verhängung der CoRDIS nach der Richtlinie 2009/73 über einen bestimmten Zeitraum verpflichtet ist.

58.      Die vorstehende Würdigung reicht daher aus, um die Vorlagefrage zu beantworten, da diese sich auf die „Befugnisse“ beschränkt, mit denen der CoRDIS im Einklang mit der Richtlinie 2009/73 auszustatten ist. Der Vollständigkeit halber möchte ich noch Folgendes anfügen.

59.      Dem Gerichtshof ist viel Material zu den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vorgelegt worden, die zweifellos für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Unionsrechts verbindlich sind(46). Diese Grundsätze scheinen mir für das Ausgangsverfahren nur insoweit von Bedeutung zu sein, wie ich im Folgenden ausführen werde.

60.      Was den Grundsatz der Rechtssicherheit anbelangt, rechtfertigt es dieser, dass angemessene nationale Klagefristen gelten, die faktisch für Zeiträume vor einem Urteil des Gerichtshofs zur Auslegung einer Richtlinie das Gebot der praktischen Wirksamkeit dieser Richtlinie „übertrumpfen“, sofern diese Fristen ihrerseits die Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität wahren und nicht unter einige begrenzte Ausnahmen fallen(47). Sind die nationalen Klagefristen eingehalten, kann nur der Gerichtshof – nicht aber die französischen Gerichte oder der CoRDIS – die zeitliche Wirkung der Richtlinie 2009/73 dahin anpassen, dass Zeiträume zwischen dem 3. März 2011 und heute ausgeschlossen werden(48).

61.      Allerdings hat der Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsrecht im Hinblick auf Sanktionen, die von den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten verhängt werden können, festgestellt, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt, dass die Verpflichtung der nationalen Wettbewerbsbehörden, ein wettbewerbswidriges Gesetz nicht anzuwenden, „die betroffenen Unternehmen keinen strafrechtlichen oder administrativen Sanktionen für ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten aussetzen darf, wenn dieses Verhalten durch das besagte Gesetz vorgeschrieben war“ (Hervorhebung nur hier)(49).  Läge den französischen Gerichten oder dem CoRDIS ein derartiger Sachverhalt vor, wäre diese Regel auch zugunsten von GRDF anzuwenden.

62.      Was den Grundsatz des Vertrauensschutzes betrifft, vermag ich seine Relevanz für die Sanktionen, zu deren Verhängung der CoRDIS nach dem Unionsrecht im Hinblick auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens befugt ist, nicht zu erkennen, da der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgestellt hat, dass sich mit einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen befasste nationale Gerichte darauf nicht stützen können, um eine nationale Rechtsvorschrift anzuwenden, die den in Richtlinien festgelegten allgemeinen Grundsätzen widerspricht(50). Vorliegend wird die Verpflichtung des CoRDIS, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zu verhängen, durch eine Richtlinie begründet.

63.       Schließlich stimme ich dem Vorbringen von Direct énergie zu, wonach die Entscheidung Vereniging Nationaal Overlegorgaan Sociale Werkvoorziening u. a.(51) für die Lösung des vorliegenden Rechtsstreits nur von begrenztem Nutzen ist. In diesem Urteil geht es um die Rücknahme und Rückforderung von Zuschüssen der Union und die begrenzte Rolle, die die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit gegenüber dem Gebot der Wirksamkeit von Verordnungen der Union, die in diesem begrenzten Kontext anwendbar sind, spielen.

V.      Ergebnis

64.      Nach alledem schlage ich vor, die von der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Die Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG, insbesondere deren Art. 41 Abs. 11, ist dahin auszulegen, dass eine Regulierungsbehörde, wenn sie eine Streitigkeit schlichtet, die Befugnis haben muss, eine Entscheidung zu erlassen, die für den gesamten von der Richtlinie 2009/73 erfassten Zeitraum gilt, also ab dem 3. März 2011, und zwar unabhängig davon, wann die streitgegenständlichen Verträge wirksam geworden sind.


1      Originalsprache: Englisch.


2      ABl. 2009, L 211, S. 94.


3      ABl. 2009, L 211, S. 36.


4      Durch das Gesetz Nr. 2017-55 vom 20. Januar 2017 wurde Art. L. 134-20 des Energiegesetzbuchs um einen Abs. 4 ergänzt. Dieser sieht vor, dass der CoRDIS [siehe Nr. 10] auf Antrag der Partei, die ihn angerufen hat, beschließen kann, dass seine Entscheidung ab einem Zeitpunkt vor seiner Anrufung Wirkungen entfaltet; allerdings darf dieser Zeitpunkt nicht vor dem Zeitpunkt liegen, in dem die Beanstandung von einer Partei erstmals förmlich geltend gemacht worden ist, und keinesfalls mehr als zwei Jahre vor seiner Anrufung. Diese Bestimmung ist allerdings in zeitlicher Hinsicht auf das Ausgangsverfahren nicht anzuwenden. Um nicht als hypothetisch angesehen zu werden, muss ein Vorabentscheidungsersuchen „für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits erforderlich“ sein. Urteil vom 10. Dezember 2018, Wightman u. a. (C‑621/18, EU:C:2018:999, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).


5      C‑383/06 bis C‑385/06, EU:C:2008:165.


6      GRDF verweist u. a. auf die Urteile vom 7. Februar 2002, Krauer (C‑28/00, EU:C:2002:82), vom 18. April 2002, Duchon (C‑290/00, EU:C:2002:234), vom 17. Juli 2014, Panasonic Italia u. a. (C‑472/12, EU:C:2014:2082), und vom 15. Juli 2004, Gerekens und Procola (C‑459/02, EU:C:2004:454).


7      Urteil vom 13. März 2007, Unibet (C‑432/05, EU:C:2007:163).


8      Das Gesetz Nr. 2017-55 vom 20. Januar 2017, mit dem Art. L. 134-20 des Energiegesetzbuchs um Abs. 4 ergänzt wurde, war zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht in Kraft (siehe oben, Fn. 4).


9      GRDF weist daraufhin, dass insoweit ein Unterschied zur Rechtssache bestehe, in der das Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a. (C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980), ergangen sei.


10      GRDF nimmt Bezug auf die Urteile vom 15. Juli 2004, Gerekens und Procola (C‑459/02, EU:C:2004:454, Rn. 24), und vom 13. März 2008, Vereniging Nationaal Overlegorgaan Sociale Werkvoorziening u. a. (C‑383/06 bis C‑385/06, EU:C:2008:165, Rn. 60).


11      GRDF bezieht sich u. a. auf das Urteil vom 25. Juni 1975, Deuka (5/75, EU:C:1975:88).


12      Eni Gas & Power France verweist u. a. auf das Gutachten 1/91 (EWR-Abkommen – I) vom 14. Dezember 1991 (EU:C:1991:490) und das Urteil vom 13. März 2007, Unibet (C‑432/05, EU:C:2007:163).


13      Direct énergie verweist auf die Urteile vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 60), und vom 21. Januar 2015, Unicaja Banco und Caixabank (C‑482/13, C‑484/13, C‑485/13 und C‑487/13, EU:C:2015:21, Rn. 31).


14      Direct énergie stützt sich auf die Urteile vom 11. Dezember 1997, Magorrian und Cunningham (C‑246/96, EU:C:1997:605, Rn. 41), vom 16. Mai 2000, Preston u. a. (C‑78/98, EU:C:2000:247, Rn. 40 und 43), vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 60) und vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a. (C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 72).


15      Direct énergie verweist auch auf die Urteile vom 4. Oktober 2012, Byankov (C‑249/11, EU:C:2012:608, Rn. 80 bis 82), und vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 38) zum Vertrauensschutz.


16      Hier stützt sie sich auf das Urteil vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission (C‑120/06 P und C‑121/06 P, EU:C:2008:476, Rn. 185).


17      Urteil vom 13. März 2008 (C‑383/06 bis C‑385/06, EU:C:2008:165).


18      Die französische Regierung verweist auf das Gesetz Nr. 2017-55, nach dem die Rückwirkung der Entscheidungen von Stellen wie des CoRDIS auf zwei Jahre begrenzt sei. Allerdings räumt sie ein, dass dieses Gesetz in zeitlicher Hinsicht auf das Ausgangsverfahren nicht anwendbar ist (siehe oben, Fn. 4).


19      Urteil vom 12. April 2018, Biosafe – Indústria de Reciclagens (C‑8/17, EU:C:2018:249, Rn. 36).


20      Urteil vom 13. März 2008, Vereniging Nationaal Overlegorgaan Sociale Werkvoorziening u. a. (C‑383/06 bis C‑385/06, EU:C:2008:165, Rn. 52).


21      Einen solchen Ausgleich habe der französische Gesetzgeber mit dem Gesetz Nr. 2017-55 angestrebt.


22      Insoweit stützt sich die französische Regierung auf die Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in den verbundenen Rechtssachen Finanzamt Neuss und Butin (C‑374/16 und C‑375/16, EU:C:2017:515, Nr. 71).


23      Die Kommission verweist auf das Urteil vom 6. März 2007, Meilicke u. a. (C‑292/04, EU:C:2007:132, Rn. 35 bis 37).


24      Urteil vom 8. November 2001, Silos (C‑228/99, EU:C:2001:599, Rn. 35 bis 38).


25      Urteil vom 26. April 1994, Roquette Frères (C‑228/92, EU:C:1994:168).


26      Urteil vom 23. Oktober 2014, Schulz und Egbringhoff (C‑359/11 und C‑400/11, EU:C:2014:2317, Rn. 54 ff.).


27      Zum Beispiel Urteil vom 5. Dezember 2013, Asociación de Consumidores Independientes de Castilla y León (C‑413/12, EU:C:2013:800), in dem es um Rechtsbehelfe im Rahmen eines horizontalen Rechtsstreits ging und in dem der Gerichtshof in Rn. 25 festgestellt hat, dass „die Klage … von einem Verbraucherschutzverein erhoben wurde und mit ihr das Verbot der von einem Gewerbetreibenden verwendeten Vertragsklauseln begehrt wird“. In Rn. 26 ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass „der Gerichtshof über die ihm vorgelegten Fragen befinden [muss], da sie die Auslegung des Unionsrechts betreffen“. Vgl. auch die Stellungnahme des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2110, Nrn. 72 bis 74). In Nr. 70 stellte der Generalanwalt in Frage, ob die streitgegenständliche Rechtslage, die Rechtsbehelfe zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Verbraucherschutzes auf horizontaler Ebene zwischen zwei Personen des Privatrechts betraf, unter das Unionsrecht fiel.


28      Urteil vom 13. Februar 2014, Airport Shuttle Express u. a. (C‑162/12 und C‑163/12, EU:C:2014:74, Rn. 39). Vgl. unlängst Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 20).


29      Der Gerichtshof hat bestätigt, dass Tätigkeiten im nationalen Recht geregelt sein können, die in den Anwendungsbereich einer Richtlinie fallen und für die er folglich zuständig ist. Vgl. z. B. Urteil vom 2. Oktober 2018, Ministerio Fiscal (C‑207/16, EU:C:2018:788, Rn. 38).


30      Zum Beispiel Urteil vom 12. Januar 2010, Petersen (C‑341/08, EU:C:2010:4, Rn. 32).


31      Zum Beispiel Urteil vom 22. Oktober 1998, IN. CO. GE.’90 u. a. (C‑10/97 bis C‑22/97, EU:C:1998:498, Rn. 23).


32      Mit Ausnahme von Art. 11 der Richtlinie 2009/73, der für das Ausgangsverfahren nicht relevant ist. Vgl. Urteil vom 19. März 2015, E.ON Földgáz Trade (C‑510/13, EU:C:2015:189, Rn. 33). Zwischen dem 3. September 2009, dem Inkrafttreten der Richtlinie 2009/73, und dem 3. März 2011, dem Tag des Ablaufs der Umsetzungsfrist, durften die Mitgliedstaaten keine Vorschriften erlassen, die geeignet waren, die Erreichung des in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich zu gefährden. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache E.ON Földgáz Trade (C‑510/13, EU:C:2014:2325, Nrn. 22 und 23). Der Generalanwalt verweist auf die Urteile vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie (C‑129/96, EU:C:1997:628, Rn. 45), vom 26. Mai 2011, Stichting Natuur en Milieu u. a. (C‑165/09 bis C‑167/09, EU:C:2011:348, Rn. 78), und vom 11. September 2012, Nomarchiaki Aftodioikisi Aitoloakarnanias u. a. (C‑43/10, EU:C:2012:560, Rn. 57). Vor dem 3. März 2011 galt die Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. 2003, L 176, S. 57). Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache E.ON Földgáz Trade (C‑510/13, EU:C:2014:2325, Nrn. 26 und 27).


33      Vgl. Urteil vom 19. März 2015, E.ON Földgáz Trade (C‑510/13, EU:C:2015:189, Rn. 4).


34      KOM(2007) 529 endg., 19. September 2007, Nr. 2.1.


35      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Frage unzulässig, wenn die nach Art. 94 der Verfahrensordnung erforderlichen Angaben zum tatsächlichen oder rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits unzureichend sind. Vgl. z. B. unlängst Urteil vom 28. März 2019, Verlezza u. a. (C‑487/17 bis C‑489/17, EU:C:2019:270, Rn. 30). Zur teilweisen Unzulässigkeit vgl. z. B. Urteil vom 13. Februar 2014, Crono Service u. a. (C‑419/12 und C‑420/12, EU:C:2014:81, Rn. 31 bis 33).


36      Urteil vom 4. Dezember 2018, Minister for Justice and Equality und Commissioner of An Garda Síochána (C‑378/17, EU:C:2018:979, Rn. 39).


37      Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Link Logistik N&N (C‑384/17, EU:C:2018:494, Nr. 106). Der Generalanwalt verweist auf die Urteile vom 9. März 1978, Simmenthal (106/77, EU:C:1978:49, Rn. 24), vom 22. Juni 1989, Costanzo (103/88, EU:C:1989:256, Rn. 31), vom 12. Januar 2010, Petersen (C‑341/08, EU:C:2010:4, Rn. 80), vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci (C‑555/07, EU:C:2010:21, Rn. 55), vom 5. Juli 2016, Ognyanov (C‑614/14, EU:C:2016:514, Rn. 34), vom 10. Oktober 2017, Farrell (C‑413/15, EU:C:2017:745,  Rn. 34), und vom 14. September 2017, The Trustees of the BT Pension Scheme (C‑628/15, EU:C:2017:687, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Minister for Justice and Equality und Commissioner of An Garda Síochána (C‑378/17, EU:C:2018:698, Nr. 71): „So wie ich es sehe, kann eine Verwaltungseinrichtung oder ein Gericht nur dann verpflichtet sein, eine Vorschrift des nationalen Rechts unangewendet zu lassen, um die volle Wirkung des Unionsrechts herzustellen, wenn zuvor festgestellt wurde, dass dieses Organ die materielle Zuständigkeit für eine Entscheidung des Rechtsstreits (oder, wenn es im weiteren Sinne um Behörden geht, für eine Entscheidung in einer bestimmten Sache) besitzt.“


38      Hervorhebung nur hier. Urteil vom 4. Dezember 2018, Minister for Justice and Equality und Commissioner of An Garda Síochána (C‑378/17, EU:C:2018:979, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


39      Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass „die Mitgliedstaaten insbesondere nach dem in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV niedergelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet sind, in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet die Anwendung und die Einhaltung des Unionsrechts zu gewährleisten, und dass sie nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben, ergreifen. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV die erforderlichen Rechtsbehelfe schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist“. Vgl. Rn. 47 des Urteils vom 14. September 2017, The Trustees of the BT Pension Scheme (C‑628/15, EU:C:2017:687).


40      ABl. 2000, L 303, S. 16.


41      Urteil vom 4. Dezember 2018, Minister for Justice and Equality und Commissioner of An Garda Síochána (C‑378/17, EU:C:2018:979).


42      Ebd., Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung.


43      Ich weise darauf hin, dass der Gerichtshof im Urteil vom 4. Dezember 2018, Minister for Justice and Equality und Commissioner of An Garda Síochána (C‑378/17, EU:C:2018:979), nicht so weit gegangen ist, festzustellen, dass die in diesem Urteil dargelegten Verpflichtungen nur für Stellen gelten, die befugt sind, dem Gerichtshof Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV vorzulegen, sondern sich auf Entscheidungen bezogen hat, die rein verwaltungsmäßig mit der Umsetzung solcher Verpflichtungen befasste Stellen erlassen haben (z. B. Urteil vom 22. Juni 1989, Costanzo, 103/88, EU:C:1989:256). Der Gerichtshof ist in Rn. 47 zu folgendem Schluss gelangt: „Ferner kann die Kommission für Beziehungen am Arbeitsplatz insoweit, als sie als ‚Gericht‘ im Sinne von Art. 267 AEUV anzusehen ist …, gemäß dieser Bestimmung den Gerichtshof mit einer Frage nach der Auslegung der maßgebenden Vorschriften des Unionsrechts befassen und muss, da sie an das Urteil des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren gebunden ist, dieses Urteil unmittelbar durchsetzen, indem sie erforderlichenfalls die entgegenstehenden nationalen Rechtsvorschriften aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt.“ Hervorhebung nur hier.


44      Urteil vom 23. Dezember 2009, Spector Photo Group und Van Raemdonck (C‑45/08, EU:C:2009:806, Rn. 71).


45      Der Gerichtshof hat z. B. festgestellt, dass das nationale Gericht bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Strafe oder Sanktion die Schwere des Verstoßes zu berücksichtigen hat. Vgl. z. B. Urteil vom 26. September 2018, Van Gennip u. a. (C‑137/17, EU:C:2018:771, Rn. 99 und die dort angeführte Rechtsprechung).


46      Zum Beispiel Urteil vom 21. März 2019, Unareti (C‑702/17, EU:C:2019:233, Rn. 34).


47      Zum Beispiel Urteil vom 19. Mai 2011, Iaia u. a. (C‑452/09, EU:C:2011:323, Rn. 17 und 18).


48      Zum Beispiel Urteil vom 23. Oktober 2014, Schulz und Egbringhoff (C‑359/11 und C‑400/11, EU:C:2014:2317, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).


49      Urteil vom 9. September 2003, CIF (C‑198/01, EU:C:2003:430, Rn. 53).


50      Urteil vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 38). Vgl. ähnlich Urteil vom 13. Oktober 2016, Polkomtel (C‑231/15, EU:C:2016:769, Rn. 25).


51      Urteil vom 13. März 2008 (C‑383/06 bis C‑385/06, EU:C:2008:165). Viele der von GRDF angeführten Fundstellen betreffen die Umstände, unter denen Maßnahmen der Union auf vor ihrem Inkrafttreten liegende Sachverhalte anwendbar sein können. Siehe z. B. oben, Fn. 6. Solche tatsächlichen Umstände liegen im Ausgangsverfahren nach dem von mir vorgeschlagenen Ansatz nicht vor.