Language of document : ECLI:EU:C:2017:750

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

11. Oktober 2017(*)(i)

„Rechtsmittel – Unionsmarke – Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Bildmarke mit den Wortbestandteilen ‚CACTUS OF PEACE CACTUS DE LA PAZ‘ – Widerspruch durch den Inhaber der Unionswort- und ‑bildmarken mit dem Wortbestandteil ‚CACTUS‘ – Nizzaer Klassifizierung – Art. 28 – Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a – Ernsthafte Benutzung der Marke in verkürzter Form“

In der Rechtssache C‑501/15 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 22. September 2015,

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Folliard-Monguiral als Bevollmächtigten,

Kläger,

andere Partei des Verfahrens:

Cactus SA mit Sitz in Bertrange (Luxemburg), Prozessbevollmächtigte: K. Manhaeve, avocate,

Klägerin im ersten Rechtszug,

Isabel Del Rio Rodríguez, wohnhaft in Malaga (Spanien),

Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter C. Vajda und E. Juhász, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) und des Richters C. Lycourgos,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2017,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Mai 2017

folgendes

Urteil

1        Mit seinem Rechtsmittel beantragt das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 15. Juli 2015, Cactus/HABM – Del Rio Rodríguez (CACTUS OF PEACE CACTUS DE LA PAZ) (T‑24/13, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2015:494), mit dem dieses die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 19. Oktober 2012 (Sache R 2005/2011‑2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Cactus SA und Frau Isabel Del Rio Rodríguez (im Folgenden: streitige Entscheidung) teilweise aufgehoben hat.

 Rechtlicher Rahmen

2        Mit der am 13. April 2009 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) wurde die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) aufgehoben und ersetzt.

3        Art. 15 („Benutzung der [Unionsmarke]“) der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt in Abs. 1:

„Hat der Inhaber die [Unionsmarke] für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren, gerechnet von der Eintragung an, nicht ernsthaft in der Union benutzt, oder hat er eine solche Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt, so unterliegt die [Unionsmarke] den in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.

Folgendes gilt ebenfalls als Benutzung im Sinne des Unterabsatzes 1:

a)      die Benutzung der [Unionsmarke] in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird;

…“

4        Art. 28 („Klassifizierung“) dieser Verordnung sieht vor:

„Die Waren und Dienstleistungen, für die [Unionsmarken] angemeldet werden, werden nach der in der [Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. 1995, L 303, S. 1)] festgelegten Klassifizierung klassifiziert.“

5        Art. 42 („Prüfung des Widerspruchs“) Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 sieht vor:

„Auf Verlangen des Anmelders hat der Inhaber einer älteren [Unionsmarke], der Widerspruch erhoben hat, den Nachweis zu erbringen, dass er innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung der [Unionsmarke] die ältere [Unionsmarke] in der [Europäischen Union] für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und auf die er sich zur Begründung seines Widerspruchs beruft, ernsthaft benutzt hat, oder dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen, sofern zu diesem Zeitpunkt die ältere [Unionsmarke] seit mindestens fünf Jahren eingetragen ist. Kann er diesen Nachweis nicht erbringen, so wird der Widerspruch zurückgewiesen. Ist die ältere [Unionsmarke] nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, benutzt worden, so gilt sie zum Zwecke der Prüfung des Widerspruchs nur für diese Waren oder Dienstleistungen als eingetragen.“

6        Regel 2 („Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen“) der Verordnung Nr. 2868/95 lautet:

„(1)      Die Klassifizierung der Waren und Dienstleistungen richtet sich nach der gemeinsamen Klassifikation des Artikels 1 des geänderten Nizzaer Abkommens vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken [(im Folgenden: Nizzaer Abkommen)].

(2)      Das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen ist so zu formulieren, dass sich die Art der Waren und Dienstleistungen klar erkennen lässt und es die Klassifizierung der einzelnen Waren und Dienstleistungen in nur jeweils einer Klasse der Nizzaer Klassifikation gestattet.

(3)      Die Waren und Dienstleistungen sollten möglichst nach den Klassen der Nizzaer Klassifikation zusammengefasst werden. Dabei wird jeder Gruppe von Waren und Dienstleistungen die Nummer der einschlägigen Klasse in der Reihenfolge dieser Klassifikation vorangestellt.

(4)      Die Klassifikation der Waren und Dienstleistungen dient ausschließlich Verwaltungszwecken. Daher dürfen Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als ähnlich angesehen werden, weil sie in derselben Klasse der Nizzaer Klassifikation genannt werden, und dürfen Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als verschieden angesehen werden, weil sie in verschiedenen Klassen der Nizzaer Klassifikation genannt werden.“

7        In einer im Jahr 2003 und einer im Jahr 2012 veröffentlichten Mitteilung erläuterte der Präsident des EUIPO die Verwendung der Überschriften für Warenklassen im Sinne des Nizzaer Abkommens.

8        In der Mitteilung Nr. 4/03 des Präsidenten des EUIPO vom 16. Juni 2003 über die Verwendung von Klassenüberschriften in Verzeichnissen der Waren und Dienstleistungen für Gemeinschaftsmarkenanmeldungen und ‑eintragungen (im Folgenden: Mitteilung Nr. 4/03) lautete Nr. IV Abs. 1:

„Die 34 Klassen für Waren und die 11 Klassen für Dienstleistungen umfassen die Gesamtheit aller Waren und Dienstleistungen. Demzufolge stellt die Verwendung aller in den Klassenüberschriften einer bestimmten Klasse aufgeführten Oberbegriffe die Beanspruchung aller Waren oder Dienstleistungen dar, die dieser Klasse angehören.“

9        Am 20. Juni 2012 erließ der Präsident des EUIPO die Mitteilung Nr. 2/12 über die Verwendung von Klassenüberschriften in Verzeichnissen der Waren und Dienstleistungen für Gemeinschaftsmarkenanmeldungen und ‑eintragungen, mit der die Mitteilung Nr. 4/03 aufgehoben wurde (im Folgenden: Mitteilung Nr. 2/12). Nr. V dieser Mitteilung sieht vor:

„Im Hinblick auf [Unionsmarken], die vor dem Inkrafttreten der vorliegenden Mitteilung eingetragen wurden, und die alle in der Überschrift einer bestimmten Klasse aufgeführten Oberbegriffe verwenden, geht das [EUIPO] davon aus, dass der Anmelder im Sinne der früheren Mitteilung Nr. 4/03 alle Waren oder Dienstleistungen abdecken wollte, die in der Fassung der alphabetischen Liste dieser Klasse aufgeführt sind, die zum Zeitpunkt der Anmeldung in Kraft war.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

10      Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 12 des angefochtenen Urteils dargelegt und lässt sich wie folgt zusammenfassen.

11      Am 13. August 2009 meldete Frau Del Rio Rodríguez beim EUIPO nach der Verordnung Nr. 207/2009 eine Unionsmarke für folgendes Bildzeichen an:

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12      Die Marke wurde für Waren und Dienstleistungen der Klassen 31, 39 und 44 des Nizzaer Abkommens angemeldet.

13      Am 12. März 2010 erhob Cactus gemäß Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für alle von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen.

14      Der Widerspruch war auf folgende ältere Marken gestützt:

–        die Unionswortmarke Cactus, eingetragen am 18. Oktober 2002 unter der Nr. 963694 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 2, 3, 5 bis 9, 11, 16, 18, 20, 21, 23 bis 35, 39, 41 und 42 des Nizzaer Abkommens, und

–        die nachstehend wiedergegebene Unionsbildmarke, eingetragen am 6. April 2001 unter der Nr. 963595 für dieselben Waren und Dienstleistungen wie die ältere Wortmarke, ausgenommen „Lebensmittel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; natürliche Blumen und lebende Pflanzen, Samenkörner; frisches Obst und Gemüse“ in Klasse 31 des Nizzaer Abkommens:

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15      Der Widerspruch war auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gestützt.

16      Die Widerspruchsabteilung gab dem Widerspruch mit Entscheidung vom 2. August 2011 für „Sämereien, lebende Pflanzen und natürliche Blumen“ in Klasse 31 des Nizzaer Abkommens und „Gartenarbeiten, Dienstleistungen von Baumschulen, Dienstleistungen im Bereich der Gartenwirtschaft“ in Klasse 44 des Nizzaer Abkommens statt, die von der älteren Wortmarke erfasst sind.

17      Die Widerspruchsabteilung war u. a. der Ansicht, Cactus habe auf das Verlangen von Frau Del Rio Rodríguez hin, sie möge die ernsthafte Benutzung der älteren Marken nachweisen, Nachweise vorgelegt, die die ernsthafte Benutzung der älteren Wortmarke für Waren der Klasse 31 des Nizzaer Abkommens und für „Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen natürliche Pflanzen und Blumen, Samenkörner; frisches Obst und Gemüse“ in Klasse 35 des Nizzaer Abkommens belegten.

18      Die Markenanmeldung wurde daher für die oben in Rn. 16 genannten Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen, für die Dienstleistungen der Klasse 39 des Nizzaer Abkommens wurde ihr aber stattgegeben.

19      Am 28. September 2011 legte Frau Del Rio Rodríguez gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung Beschwerde beim EUIPO ein.

20      Mit der streitigen Entscheidung gab die Zweite Beschwerdekammer des EUIPO der Beschwerde statt und wies den Widerspruch vollständig zurück. Sie war insbesondere der Ansicht, die Widerspruchsabteilung habe zu Unrecht angenommen, dass Cactus die ernsthafte Benutzung der älteren Marken für „Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen natürliche Pflanzen und Blumen, Samenkörner; frisches Obst und Gemüse“ in Klasse 35 des Nizzaer Abkommens nachgewiesen habe.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

21      Mit am 21. Januar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift klagte Cactus auf Aufhebung der streitigen Entscheidung.

22      Die Klage war auf drei Gründe gestützt: erstens Verstoß gegen Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009, zweitens Verstoß gegen Art. 75 und Art. 76 Abs. 1 dieser Verordnung und drittens Verstoß gegen Art. 76 Abs. 2 dieser Verordnung.

23      Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht den ersten beiden Klagegründen stattgegeben und den dritten zurückgewiesen. Es hat dementsprechend die streitige Entscheidung aufgehoben, soweit mit ihr zum einen der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen worden war, die „Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen natürliche Pflanzen und Blumen, Samenkörner; frisches Obst und Gemüse“ in Klasse 35 des Nizzaer Abkommens seien von den älteren Marken nicht erfasst, und zum anderen der auf „natürliche Blumen und Pflanzen; Sämereien“ in Klasse 31 des Nizzaer Abkommens gestützte Widerspruch zurückgewiesen worden war; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

 Anträge der Parteien

24      Mit seinem Rechtsmittel beantragt das EUIPO,

–        dem Rechtsmittel vollständig stattzugeben, das angefochtene Urteil aufzuheben und

–        Cactus die Kosten aufzuerlegen.

25      Cactus beantragt,

–        das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen und

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

26      Das EUIPO stützt sein Rechtsmittel auf zwei Gründe: einen Verstoß gegen Art. 28 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 2 der Verordnung Nr. 2868/95 und einen Verstoß gegen Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a dieser Verordnung.

 Erster Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

27      Mit seinem ersten Rechtsmittelgrund macht das EUIPO geltend, das Gericht habe gegen Art. 28 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Regel 2 der Verordnung Nr. 2868/95 verstoßen, indem es die Urteile vom 19. Juni 2012, Chartered Institute of Patent Attorneys (C‑307/10, im Folgenden: Urteil IP Translator, EU:C:2012:361), und vom 7. Juli 2005, Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte (C‑418/02, im Folgenden: Urteil Praktiker Bau, EU:C:2005:425), falsch ausgelegt habe. Aufgrund dessen habe es in den Rn. 36 und 37 des angefochtenen Urteils entschieden, dass sich durch die Verwendung aller Oberbegriffe in der Überschrift der Klasse 35 des Nizzaer Abkommens der Schutz der älteren Marken auf alle Dienstleistungen dieser Klasse erstrecke, einschließlich Dienstleistungen für den Einzelhandel mit Waren.

28      Mit der Mitteilung Nr. 4/03 sei zunächst die Verwendung der Oberbegriffe, aus denen sich die Klassenüberschriften des Nizzaer Abkommens zusammensetzten, gestattet worden. Dieser Mitteilung zufolge habe die Verwendung der gesamten Überschrift einer bestimmten Klasse des Nizzaer Abkommens die Beanspruchung aller Waren oder Dienstleistungen dieser Klasse bedeutet, einschließlich derer, die in der alphabetischen Liste nicht erwähnt seien. Keiner dieser Oberbegriffe sei als zu vage oder unbestimmt angesehen worden.

29      Diesem Ansatz habe der Gerichtshof im Urteil IP Translator widersprochen. Nach den Rn. 57 bis 64 jenes Urteils könnten die Oberbegriffe einer bestimmten Klassenüberschrift nur die in der alphabetischen Liste dieser Klasse aufgeführten Waren oder Dienstleistungen erfassen, wofür zwei kumulative Bedingungen zu erfüllen seien: Die verschiedenen Begriffe, aus denen die Klassenüberschrift bestehe, müssten hinreichend „klar und eindeutig“ sein und aus der Anmeldung müsse die Absicht des Anmelders deutlich werden, sämtliche Waren oder Dienstleistungen aus dieser alphabetischen Liste zu beanspruchen.

30      Nach der Verkündung dieses Urteils sei die Mitteilung Nr. 4/03 durch die Mitteilung Nr. 2/12 aufgehoben und ersetzt worden, nach der die Tragweite der Oberbegriffe einer Klassenüberschrift des Nizzaer Abkommens für vor dem 21. Juni 2012 angemeldete Unionsmarken auf alle Waren oder Dienstleistungen der alphabetischen Liste einer bestimmten Klasse beschränkt sei und nicht mehr alle Waren und Dienstleistungen dieser Klasse erfasse.

31      Im vorliegenden Fall bestreitet das EUIPO nicht, dass Einzelhandelsdienstleistungen zu Klasse 35 des Nizzaer Abkommens gehören. Doch würden weder Einzelhandelsdienstleistungen als solche noch die „Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen natürliche Pflanzen und Blumen, Samenkörner; frisches Obst und Gemüse“ in der alphabetischen Liste dieser Klasse aufgeführt. Das Gericht habe also fehlerhaft befunden, dass die älteren Marken für Einzelhandelsdienstleistungen geschützt seien.

32      Mit der Annahme, dass Klasse 35 des Nizzaer Abkommens Einzelhandelsdienstleistungen für alle denkbaren Waren erfasse, habe das Gericht zudem das Urteil Praktiker Bau fehlerhaft ausgelegt, wonach der Anmelder verpflichtet sei, die von den Einzelhandelsdienstleistungen betroffenen Waren oder Arten von Waren anzugeben.

33      Indem es in Rn. 38 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass das Urteil Praktiker Bau auf vor dem Datum seiner Verkündung eingetragene Marken nicht anwendbar sei, habe das Gericht also die Rückwirkung der Rechtsprechung unberücksichtigt gelassen, die nur in Ausnahmefällen beschränkt werden dürfe. Der Gerichtshof habe die Wirkungen des Urteils Praktiker Bau jedoch gerade nicht beschränkt. Zu Unrecht habe das Gericht daher die in jenem Urteil herausgearbeitete Auslegung auf die älteren Marken nicht angewandt.

34      Cactus hält dieses Vorbringen insgesamt für unbegründet.

 Würdigung durch den Gerichtshof

35      Das EUIPO wirft dem Gericht im Wesentlichen vor, die Urteile IP Translator und Praktiker Bau fehlerhaft ausgelegt zu haben, indem es entschieden habe, die durch diese Urteile begründete Rechtsprechung sei nicht rückwirkend anwendbar, und zu Unrecht festgestellt zu haben, die Verwendung der Überschrift der Klasse 35 des Nizzaer Abkommens erfasse alle Dienstleistungen dieser Klasse, einschließlich Einzelhandelsdienstleistungen für alle denkbaren Waren. Nach Auffassung des EUIPO ist diese Rechtsprechung jedoch rückwirkend anwendbar und wäre auf die älteren Marken anzuwenden gewesen, unabhängig davon, dass diese Marken vor der Verkündung dieser Urteile eingetragen worden seien.

36      In dem angefochtenen Urteil habe das Gericht in den Rn. 36 bis 38 ausgeführt, dass angesichts des Grundsatzes der Rechtssicherheit die durch die Urteile IP Translator und Praktiker Bau begründete Rechtsprechung auf die älteren Marken nicht anzuwenden sei, da sie vor Verkündung dieser Urteile eingetragen worden seien. Für ältere Marken erfasse die Verwendung der Überschrift der Klasse 35 des Nizzaer Abkommens daher alle Dienstleistungen dieser Klasse, einschließlich Einzelhandelsdienstleistungen für alle denkbaren Waren.

37      Was zunächst die Tragweite des Urteils IP Translator betrifft, hat der Gerichtshof in Rn. 61 jenes Urteils entschieden, dass zur Einhaltung der Erfordernisse der Klarheit und der Eindeutigkeit ein Markenanmelder, der zur Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, alle Oberbegriffe der Überschrift einer bestimmten Klasse der Nizzaer Klassifikation verwendet, klarstellen muss, ob sich seine Anmeldung auf alle oder nur auf einige Waren oder Dienstleistungen der alphabetischen Liste der fraglichen Klasse bezieht. Soll sich die Anmeldung nur auf einige dieser Waren oder Dienstleistungen beziehen, hat der Anmelder anzugeben, welche Waren oder Dienstleistungen dieser Klasse beansprucht werden.

38      In den Rn. 29 und 30 des Urteils vom 16. Februar 2017, Brandconcern/EUIPO und Scooters India (C‑577/14 P, im Folgenden: Urteil Brandconcern, EU:C:2017:122) hat der Gerichtshof ausgeführt, dass das Urteil IP Translator nur klargestellt hat, welchen Anforderungen Anmelder neuer Unionsmarken unterliegen, und somit keine Marken betrifft, die zum Zeitpunkt der Verkündung jenes Urteils bereits eingetragen waren. Es kann daher nicht angenommen werden, dass der Gerichtshof durch das Urteil IP Translator die in der Mitteilung Nr. 4/03 dargelegte Praxis in Bezug auf vor der Verkündung jenes Urteils eingetragene Marken in Frage stellen wollte (Rn. 31 des Urteils Brandconcern).

39      Diese Rechtsprechung kann durch die Mitteilung Nr. 2/12 nicht in Frage gestellt und demnach der Schutzumfang von vor Verkündung des Urteils IP Translator eingetragenen Marken für Waren oder Dienstleistungen, die durch die Oberbegriffe der Überschriften einer Klasse des Nizzaer Abkommens bezeichnet werden, nicht allein auf die Waren oder Dienstleistungen in der alphabetischen Liste dieser Klasse beschränkt und in Abrede gestellt werden, dass sich dieser gemäß der Mitteilung Nr. 4/03 auf alle Waren oder Dienstleistungen dieser Klasse erstreckt.

40      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 45 und 46 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, kann der Schutzumfang eingetragener Marken nämlich nicht durch eine unverbindliche Mitteilung beeinflusst werden, die lediglich die Funktion hat, den Markenanmeldern die EUIPO-Praxis zu erläutern.

41      In der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof hat das EUIPO die Auffassung vertreten, aus dem Urteil Brandconcern könne nicht gefolgert werden, dass sich der Schutz der älteren Marken über die Waren oder Dienstleistungen der alphabetischen Liste der betreffenden Klasse hinaus erstrecken könne. In jenem Urteil habe der Gerichtshof sich die Begründung des Gerichts zu eigen gemacht, wonach die Eintragung einer älteren Marke, die auf die Überschrift einer Klasse Bezug nehme, dahin auszulegen sei, dass diese Marke, im Einklang mit den Bestimmungen der Mitteilung Nr. 2/12 betreffend vor Verkündung des Urteils IP Translator eingetragene Marken, ausschließlich für sämtliche Waren der alphabetischen Liste der betreffenden Klasse geschützt werden solle und nicht darüber hinaus.

42      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 48 bis 50 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, ist diese Auslegung des Urteils Brandconcern jedoch unzutreffend. Dieses befasste sich nämlich nicht mit der Unterscheidung zwischen den in der alphabetischen Liste einer Klasse des Nizzaer Abkommens aufgeführten Waren und Dienstleistungen einerseits und der – größeren – Menge an von der Überschrift dieser Klasse erfassten Waren und Dienstleistungen andererseits. Es ging einzig um die Entscheidung, ob der wörtlichen Bedeutung der Überschrift der betreffenden Klasse zu folgen war oder ob mit dieser Überschrift vielmehr die Waren in der alphabetischen Liste dieser Klasse bezeichnet wurden. Das Urteil Brandconcern kann also nicht dahin ausgelegt werden, als habe es die Tragweite der Eintragung der älteren Marken unter Verwendung der Klassenüberschrift allein auf in der alphabetischen Liste dieser Klasse aufgeführte Waren oder Dienstleistungen beschränkt.

43      Daraus folgt, dass das Gericht zu Recht entschieden hat, dass die auf das Urteil IP Translator zurückgehende Rechtsprechung nicht auf die älteren Marken anzuwenden sei.

44      Was sodann die Tragweite des Urteils Praktiker Bau betrifft, hat der Gerichtshof in den Rn. 39 und 50 jenes Urteils entschieden, dass der Einzelhandel mit Waren zwar eine von Klasse 35 des Nizzaer Abkommens erfasste Dienstleistung ist, der Anmelder jedoch für die Zwecke einer Markeneintragung die Waren oder die Arten von Waren konkretisieren muss, auf die sich der Einzelhandel bezieht.

45      Wie der Generalanwalt in Nr. 56 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, betrifft das Urteil Praktiker Bau wie auch das Urteil IP Translator nur Anmeldungen von Unionsmarken und nicht den Schutzumfang von Marken, die vor Verkündung jenes Urteils bereits eingetragen waren.

46      Diese Feststellung ist übrigens, wie der Generalanwalt in Nr. 57 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des berechtigten Vertrauens vereinbar.

47      Dem Gericht kann also nicht vorgeworfen werden, festgestellt zu haben, dass Cactus die Waren oder Arten von Waren, auf die sich der Einzelhandel bezog, nicht zu konkretisieren brauchte (Rn. 38 des angefochtenen Urteils).

48      Die Bewertung des Urteils IP Translator in seiner Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Brandconcern und des Urteils Praktiker Bau ergibt also, dass sich die durch diese Urteile begründete Rechtsprechung auf den Schutzumfang einer vor deren Verkündung eingetragenen Marke, wie die am 18. Oktober 2002 eingetragene Wortmarke von Cactus und die am 6. April 2001 eingetragene Bildmarke von Cactus, nicht auswirkt, da diese Urteile nur neue Anmeldungen von Unionsmarken betreffen.

49      Soweit schließlich Art. 28 Abs. 8 der Verordnung Nr. 207/2009 in der durch die Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 geänderten Fassung (ABl. 2015, L 341, S. 21) eine Übergangsregelung enthält, wonach Inhaber von vor dem 22. Juni 2012 angemeldeten Unionsmarken, die in Bezug auf die gesamte Überschrift einer Nizza-Klasse eingetragen sind, bis zum 24. September 2016 erklären dürfen, dass es am Anmeldetag ihre Absicht war, Schutz in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen zu beantragen, die über diejenigen hinausgehen, die von der wörtlichen Bedeutung dieser Überschrift erfasst sind, aber im alphabetischen Verzeichnis für diese Klasse aufgeführt sind, genügt der Hinweis, dass diese Bestimmung zum Zeitpunkt der streitigen Entscheidung nicht anwendbar war.

50      Aus alledem folgt, dass das Gericht rechtsfehlerfrei entschieden hat, dass für die älteren in Rede stehenden Marken die Verwendung der Überschrift der Klasse 35 des Nizzaer Abkommens alle Dienstleistungen dieser Klasse erfasst, einschließlich Dienstleistungen des Wareneinzelhandels.

51      Der erste Rechtsmittelgrund ist somit als unbegründet zurückzuweisen.

 Zweiter Rechtsmittelgrund

 Vorbringen der Parteien

52      Mit seinem zweiten Rechtsmittelgrund rügt das EUIPO, das Gericht habe dadurch gegen Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a dieser Verordnung verstoßen, dass es davon ausgegangen sei, die Benutzung nur des Bildbestandteils der älteren Marke – der stilisierte Kaktus – ohne den Wortbestandteil „Cactus“ stehe einer Benutzung „in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird“ im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a gleich.

53      Diese Auffassung weise vier Rechtsfehler auf.

54      Der erste Rechtsfehler bestehe in der Erwägung des Gerichts, das stilisierte Logo eines Kaktus sei der eingetragenen Form der zusammengesetzten Marke „im Wesentlichen gleichwertig“. Das Gericht habe nämlich nicht geprüft, ob der in der verkürzten Form der älteren Bildmarke fehlende Wortbestandteil „Cactus“ im Hinblick auf „natürliche Pflanzen und Blumen, Samenkörner“ originäre Unterscheidungskraft besitze, oder ob dieser Wortbestandteil wegen seiner Größe und seiner Stellung innerhalb der eingetragenen Form der älteren Marke zu vernachlässigen sei oder vielmehr die Aufmerksamkeit des Verbrauchers anziehen und als selbständig auf die betriebliche Herkunft der Waren hinweisendes Zeichen in Erinnerung bleiben könne.

55      Der zweite Fehler beruhe darauf, dass das Gericht nur aus der begrifflichen Gleichwertigkeit der Wort- und Bildbestandteile der Marken auf die Gleichwertigkeit der Marken, so wie sie benutzt würden und eingetragen worden seien, geschlossen habe, ohne die Gleichwertigkeit der Zeichen umfassend zu prüfen, wofür die visuellen und eventuell klanglichen Unterschiede zu untersuchen gewesen wären, die geeignet seien, die eingetragene Form der älteren Marke von der Form, in der sie benutzt worden sei, zu unterscheiden.

56      Der dritte Fehler sei, dass das Gericht seinen Befund der Gleichwertigkeit zwischen dem stilisierten Kaktus und der eingetragenen Form der zusammengesetzten Marke implizit auf die Vorkenntnisse gegründet habe, die Verbraucher von dieser Marke haben könnten. Ohne diese Vorkenntnisse hätten die Verbraucher keinen Grund zur Annahme, dass der stilisierte Kaktus ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke sei, deren zweiter Bestandteil notwendigerweise das Wort „Cactus“ sei.

57      Der vierte Fehler des Gerichts sei gewesen, zu übergehen, dass die Beeinflussung der Unterscheidungskraft der zusammengesetzten älteren Marke hinsichtlich der Wahrnehmung nicht nur der luxemburgischen, sondern auch der europäischen Verbraucher zu prüfen sei. Wäre die Wahrnehmung der europäischen Verbraucher berücksichtigt worden, hätte das Gericht zu dem Schluss kommen müssen, dass für einen großen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise der stilisierte Kaktus nicht mit dem Wort „Cactus“ oder mit der älteren zusammengesetzten Marke als Ganzes gleichgesetzt werden könne, da der entsprechende Begriff in den Amtssprachen der Union, wie „cacto“, „Kaktus“, „kaktusas“, „kaktuzs“, „κάκτος“, anders geschrieben und ausgesprochen werde.

58      Cactus macht in erster Linie geltend, dass der zweite Rechtsmittelgrund unzulässig sei, da das EUIPO in Wirklichkeit vom Gerichtshof verlange, Tatsachen neu zu prüfen, um die Würdigung des Gerichts durch seine eigene zu ersetzen.

59      Hilfsweise macht Cactus geltend, das Vorbringen des EUIPO sei unbegründet.

 Würdigung durch den Gerichtshof

60      Gemäß Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Beweiswürdigung ist daher allein das Gericht zuständig. Die Würdigung der Tatsachen und der Beweismittel ist somit, außer im Fall ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (Urteil vom 12. Juli 2012, Smart Technologies/HABM, C‑311/11 P, EU:C:2012:460, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Was den dritten vom EUIPO gerügten Fehler angeht, das Gericht habe auf der Grundlage der angeblichen Vorkenntnisse der Verbraucher des Zeichens in seiner eingetragenen Form auf die Gleichwertigkeit der Zeichen geschlossen, ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellungen zur Aufmerksamkeit, Wahrnehmung oder Haltung der maßgeblichen Verkehrskreise zur Würdigung der Tatsachen gehören (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2012, Smart Technologies/HABM, C‑311/11 P, EU:C:2012:460, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Hinsichtlich des vierten vom EUIPO gerügten Fehlers, das Gericht habe die eventuelle Beeinflussung der Unterscheidungskraft der älteren Bildmarke allein im Hinblick auf die Wahrnehmung der luxemburgischen Verbraucher und nicht der europäischen Verbraucher im Allgemeinen geprüft, ist aus denselben wie den in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils angeführten Gründen festzustellen, dass es sich bei den angegriffenen Erwägungen um Tatsachen handelt und es daher nicht Sache des Gerichtshofs ist, darüber zu entscheiden, es sei denn, die Tatsachen wären verfälscht worden, was hier aber nicht behauptet wird.

63      Der zweite Rechtsmittelgrund ist also in Bezug auf die Bestimmung der relevanten Verkehrskreise und deren Wahrnehmung der älteren Bildmarke als unzulässig zurückzuweisen.

64      Jedoch ist der zweite Rechtsmittelgrund zulässig, soweit er mit dem ersten und dem zweiten gerügten Fehler die Kriterien zur Beurteilung der ernsthaften Benutzung einer Marke in verkürzter Form betrifft. Entgegen dem Vorbringen von Cactus ist die Bestimmung der Kriterien, die bei der umfassenden Beurteilung der Gleichwertigkeit der Zeichen im Hinblick auf ihre Unterscheidungskraft heranzuziehen sind, nämlich eine in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fallende Rechtsfrage.

65      Hierzu hat der Gerichtshof bereits entscheiden, dass aus dem Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 unmittelbar folgt, dass die Benutzung der Marke in einer Form, die von der eingetragenen Form abweicht, als Benutzung im Sinne von Unterabs. 1 dieses Artikels gilt, sofern die Unterscheidungskraft der Marke in der eingetragenen Form nicht verändert worden ist (Urteil vom 18. Juli 2013, Specsavers International Healthcare u. a., C‑252/12, EU:C:2013:497, Rn. 21).

66      Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a dieser Verordnung, der keine strikte Übereinstimmung zwischen der im Handelsverkehr benutzten und der eingetragenen Form der Marke vorschreibt, soll es deren Inhaber erlauben, im Rahmen der geschäftlichen Nutzung des Zeichens Veränderungen daran vorzunehmen, die es erlauben, die Marke, ohne ihre Unterscheidungskraft zu beeinflussen, den Anforderungen der Vermarktung und der Förderung des Absatzes der betreffenden Waren oder Dienstleistungen besser anzupassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Specsavers International Healthcare u. a., C‑252/12, EU:C:2013:497, Rn. 29).

67      Daraus folgt, dass eine „ernsthafte Benutzung“ im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a dieser Verordnung auch dann vorliegt, wenn von einer zusammengesetzten Marke allein der Bildbestandteil verwendet wird, solange die Unterscheidungskraft der Marke in ihrer eingetragenen Form nicht beeinflusst wird.

68      Was den ersten behaupteten Fehler angeht, kann das EUIPO dem Gericht nicht vorwerfen, nicht geprüft zu haben, inwieweit der ausgelassene Teil (der Wortbestandteil „Cactus“) unterscheidungskräftig ist und für die Wahrnehmung des Zeichens als Ganzes relevant ist; das Gericht hat das Zeichen in seiner verwendeten Kurzform und das Zeichen in seiner eingetragenen Form nämlich korrekt verglichen.

69      In Rn. 61 des angefochtenen Urteils hat das Gericht nämlich festgestellt – und das EUIPO hat dies im Rahmen dieses Rechtsmittels nicht beanstandet –, dass die beiden Bestandteile der älteren Bildmarke, nämlich ein stilisierter Kaktus und der Wortbestandteil „Cactus“, jeder in der ihm eigenen Form denselben Begriffsinhalt wiedergeben. Aus dieser Feststellung des Gerichts lässt sich seine Auffassung ableiten, dass der Wortbestandteil „Cactus“ im Vergleich zum stilisierten Kaktus keine andersgeartete Unterscheidungskraft besitze, und dass das Auslassen dieses Wortbestandteils in der verkürzten Form der älteren Bildmarke für die Wahrnehmung dieser Marke als Ganzes nicht wichtig genug sei, um ihre Unterscheidungskraft zu beeinflussen.

70      Was den zweiten behaupteten Fehler betrifft, hat das Gericht, wie der Generalanwalt in Nr. 81 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, zu Recht die Gleichwertigkeit des in verkürzter Form verwendeten Zeichens (stilisierter Kaktus allein) und des durch die ältere Bildmarke geschützten Zeichens (stilisierter Kaktus und Wortbestandteil „Cactus“) umfassend bewertet. Entgegen der Auffassung des EUIPO hat das Gericht hier einen bildlichen Vergleich vorgenommen und dargetan, dass der stilisierte Kaktus in beiden Zeichen gleich dargestellt ist. Ein ausdrücklicher klanglicher Vergleich der beiden Zeichen wäre überflüssig gewesen, da das Gericht festgestellt hat, dass beide Bestandteile der älteren Bildmarke denselben Begriffsgehalt haben. Das Gericht konnte sich deshalb in Rn. 61 auf eine Prüfung der visuellen und begrifflichen Gleichwertigkeit der Zeichen beschränken, ohne gegen Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 zu verstoßen.

71      Demnach ist der zweite Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen, soweit er die Kriterien zur Beurteilung der Gleichwertigkeit der fraglichen Zeichen für die Zwecke des Nachweises der ernsthaften Benutzung betrifft.

72      Folglich ist der zweite Rechtsmittelgrund als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

73      Nach alledem ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

 Kosten

74      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das EUIPO mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag von Cactus die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) trägt die Kosten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.


i      Die vorliegende Sprachfassung ist in Rn. 66 gegenüber der ursprünglich online gestellten Fassung geändert worden.