Language of document : ECLI:EU:T:2020:494

URTEIL DES GERICHTS (Achte erweiterte Kammer)

15. Oktober 2020(*)

„Institutionelles Recht – Einheitliches Statut des Europaabgeordneten – In italienischen Wahlkreisen gewählte Europaabgeordnete – Erlass des Ruhegehälter betreffenden Beschlusses Nr. 14/2018 durch das Ufficio di Presidenza della Camera dei deputati (Präsidium der Abgeordnetenkammer, Italien) – Änderung der Höhe der Ruhegehälter der nationalen italienischen Abgeordneten – Entsprechende Änderung der Höhe der Ruhegehälter bestimmter ehemaliger, in Italien gewählter Europaabgeordneter durch das Europäische Parlament – Zuständigkeit des Urhebers der Handlung – Begründungspflicht – Erworbene Rechte – Rechtssicherheit – Vertrauensschutz – Eigentumsrecht – Verhältnismäßigkeit – Gleichbehandlung“

In den verbundenen Rechtssachen T‑389/19 bis T‑394/19, T‑397/19, T‑398/19, T‑403/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19, T‑409/19 bis T‑414/19, T‑416/19 bis T‑418/19, T‑420/19 bis T‑422/19, T‑425/19 bis T‑427/19, T‑429/19 bis T‑432/19, T‑435/19, T‑436/19, T‑438/19 bis T‑442/19, T‑444/19 bis T‑446/19, T‑448/19, T‑450/19 bis T‑454/19, T‑463/19 und T‑465/19,

Maria Teresa Coppo Gavazzi, wohnhaft in Mailand (Italien), und die übrigen Kläger, deren Namen im Anhang aufgeführt sind(1), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Merola,

Kläger,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch S. Seyr und S. Alves als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend einen Antrag nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Mitteilungen vom 11. April 2019 sowie im Fall des Klägers in der Rechtssache T‑465/19 vom 11. Juni 2019, die das Parlament für die einzelnen Kläger erstellt hat und die die Anpassung der von ihnen bezogenen Ruhegehälter nach dem Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 14/2018 des Ufficio di Presidenza della Camera dei deputati (Präsidium der Abgeordnetenkammer, Italien) am 1. Januar 2019 betreffen,

erlässt

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Svenningsen sowie der Richter R. Barents und C. Mac Eochaidh (Berichterstatter), der Richterin T. Pynnä und des Richters J. Laitenberger,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2020

folgendes

Urteil

1        Mit ihren Klagen ersuchen die Kläger, bei denen es sich um ehemalige, in Italien gewählte Mitglieder des Europäischen Parlaments bzw. um deren Hinterbliebene handelt, das Gericht um Nichtigerklärung der Entscheidungen des Parlaments, mit denen die Berechnung ihres Altersruhegehalts bzw. ihrer Hinterbliebenenrente an die Berechnung der Höhe der Ruhegehälter, die die Mitglieder der Abgeordnetenkammer der Italienischen Republik beziehen, angepasst und der Betrag ihres Altersruhegehalts bzw. ihrer Hinterbliebenenrente gegebenenfalls herabgesetzt worden ist.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

2        Die Kostenerstattungs- und Vergütungsregelung für die Mitglieder des Europäischen Parlaments (im Folgenden: KVR) in ihrer bis zum 14. Juli 2009 geltenden Fassung sah in ihrer Anlage III (im Folgenden: Anlage III) u. a. vor:

„Artikel 1

1.      Alle Mitglieder des Parlaments haben Anspruch auf ein Altersruhegehalt.

2.      Bis zur Einführung eines endgültigen gemeinschaftlichen Altersversorgungssystems für alle Mitglieder des Parlaments … wird – sofern das nationale System keine Altersversorgung vorsieht oder die Höhe und/oder die Modalitäten der vorgesehenen Versorgung nicht mit denen übereinstimmen, die für die Mitglieder des nationalen Parlaments des Mitgliedstaates gelten, in dem das betreffende Mitglied des Parlaments gewählt wurde – aus dem Haushaltsplan der Europäischen Union, Einzelplan Parlament, auf Antrag des betreffenden Mitglieds ein vorläufiges Altersruhegehalt gezahlt.

Artikel 2

1.      Höhe und Bedingungen des vorläufigen Altersruhegehalts sind identisch mit Höhe und Bedingungen des Altersruhegehalts für Mitglieder der Abgeordnetenkammer des Mitgliedstaates, in dem das Mitglied des Parlaments gewählt wurde.

2.      Ein gemäß Artikel 1 Absatz 2 anspruchsberechtigtes Mitglied hat beim Beitritt zu dieser Regelung einen Beitrag zugunsten des Haushalts der Europäischen Union zu leisten, der so berechnet ist, dass seine Zahlungen insgesamt dem Beitrag entsprechen, den ein Mitglied der Abgeordnetenkammer des Mitgliedstaates, in dem das Mitglied gewählt wurde, nach den nationalen Bestimmungen zu entrichten hat.

Artikel 3

1.      Der Antrag auf Beitritt zu dieser vorläufigen Ruhegehaltsregelung muss binnen zwölf Monaten nach Beginn des Mandats des Betroffenen gestellt werden.

Nach Ablauf dieser Frist wird der Beitritt zur Ruhegehaltsregelung am ersten Kalendertag des Monats wirksam, in dem der Antrag eingegangen ist.

2.      Der Antrag auf Auszahlung des Ruhegehalts muss binnen sechs Monaten nach Entstehen des Anspruchs gestellt werden.

Nach Ablauf dieser Frist wird der Ruhegehaltsanspruch am ersten Kalendertag des Monats wirksam, in dem der Antrag eingegangen ist.

…“

3        Das Abgeordnetenstatut des Europäischen Parlaments ist mit dem Beschluss 2005/684/EG, Euratom des Parlaments vom 28. September 2005 zur Annahme des Abgeordnetenstatuts des Parlaments (ABl. 2005, L 262, S. 1, im Folgenden: Abgeordnetenstatut) angenommen worden und am 14. Juli 2009, dem ersten Tag der siebten Wahlperiode, in Kraft getreten.

4        Art. 25 des Abgeordnetenstatuts lautet:

„(1)      Die Abgeordneten, die vor Inkrafttreten des Statuts dem Parlament bereits angehörten und wiedergewählt wurden, können sich hinsichtlich der Entschädigung, des Übergangsgeldes, des Ruhegehaltes und der Hinterbliebenenversorgung für die gesamte Dauer ihrer Tätigkeit für das bisherige nationale System entscheiden.

(2)      Diese Zahlungen werden aus dem Haushalt des Mitgliedstaates geleistet.“

5        Art. 28 des Abgeordnetenstatuts sieht vor:

„(1)      Ein Anspruch auf Ruhegehalt, den ein Abgeordneter zum Zeitpunkt der Anwendung dieses Statuts nach einzelstaatlichen Regelungen erworben hat, bleibt in vollem Umfang erhalten.

…“

6        Mit Beschluss vom 19. Mai und 9. Juli 2008 hat das Präsidium des Parlaments die Durchführungsbestimmungen zum Abgeordnetenstatut (ABl. 2009, C 159, S. 1, im Folgenden: Durchführungsbestimmungen) erlassen.

7        Art. 49 der Durchführungsbestimmungen, der sich auf die Ruhegehaltsansprüche bezieht, sieht vor:

„(1)      Die Abgeordneten, die ihr Mandat mindestens ein volles Jahr ausgeübt haben, haben nach Ende des Mandats Anspruch auf ein lebenslanges Ruhegehalt, das ab dem ersten Tag des Monats zahlbar ist, nach dem sie das 63. Lebensjahr vollenden.

Außer in Fällen höherer Gewalt stellt der ehemalige Abgeordnete oder sein gesetzlicher Vertreter den Antrag auf Auszahlung des Ruhegehalts innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Anspruchsberechtigung. Nach Ablauf dieser Frist wird der Ruhegehaltsanspruch am ersten Tag des Monats wirksam, in dem der Antrag eingegangen ist.

…“

8        Gemäß ihrem Art. 73 sind die Durchführungsbestimmungen am Tag des Inkrafttretens des Abgeordnetenstatuts, nämlich am 14. Juli 2009, in Kraft getreten.

9        In Art. 74 der Durchführungsbestimmungen heißt es, dass die KVR vorbehaltlich der in Titel IV dieser Durchführungsbestimmungen vorgesehenen Übergangsbestimmungen, insbesondere von Art. 75 derselben Durchführungsbestimmungen (im Folgenden: Art. 75), am Tag des Inkrafttretens des Abgeordnetenstatuts ungültig wird.

10      Art. 75, der sich u. a. auf die Ruhegehälter bezieht, bestimmt:

„(1)      Die Hinterbliebenenversorgung, das Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit, das für die unterhaltsberechtigten Kinder gewährte zusätzliche Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit und das Ruhegehalt gemäß den Anlagen I, II und III der KVR für die Mitglieder werden gemäß diesen Anlagen auch weiterhin den Personen gezahlt, die diese Leistungen bereits vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Statuts erhalten haben.

Falls ein ehemaliger Abgeordneter, der das Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit bezieht, nach dem 14. Juli 2009 verstirbt, werden die Hinterbliebenenbezüge nach den Bedingungen gemäß Anlage I der KVR an seinen Ehegatten, seinen festen Lebenspartner oder seine unterhaltsberechtigten Kinder gezahlt.

(2)      Die bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Statuts gemäß Anlage III erworbenen Ruhegehaltsansprüche bleiben bestehen. Die Personen, die im Rahmen dieser Ruhegehaltsregelung Ansprüche erworben haben, erhalten ein Ruhegehalt, das auf der Grundlage ihrer gemäß der oben genannten Anlage III erworbenen Ansprüche berechnet wird, sofern sie die in den nationalen Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates vorgesehenen Bedingungen erfüllen und den Antrag im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 der genannten Anlage III gestellt haben.“

11      Schließlich ist Art. 75 in Verbindung mit dem siebten Erwägungsgrund derselben Durchführungsbestimmungen zu lesen, der ausführt:

„Darüber hinaus soll in den Übergangsbestimmungen gewährleistet werden, dass die Personen, die auf der Grundlage der KVR bestimmte Leistungen erhalten, diese auch nach der Aufhebung dieser Regelung gemäß dem Grundsatz des Vertrauensschutzes weiterhin in Anspruch nehmen können. Ferner soll die Einhaltung der Ruhegehaltsansprüche gewährleistet sein, die auf der Grundlage der KVR vor Inkrafttreten des Statuts erworben wurden. Darüber hinaus ist es notwendig, die Sonderregelung für diejenigen Abgeordneten zu berücksichtigen, die während eines Übergangszeitraums und bezüglich der finanziellen Bedingungen für die Ausübung des Mandats gemäß Artikel 25 oder Artikel 29 des Statuts unter die nationalen Systeme des Mitgliedstaates, in dem sie gewählt wurden, fallen[.]“

B.      Italienisches Recht

12      Am 12. Juli 2018 erließ das Ufficio di Presidenza della Camera dei deputati (Präsidium der Abgeordnetenkammer, Italien) den Beschluss Nr. 14/2018, der eine Neufestsetzung der Höhe der lebenslangen Versorgungsbezüge und des Versorgungsbezügen entsprechenden Teiles der Vorsorgeleistungen sowie der Hinterbliebenenleistungen für die bis zum 31. Dezember 2011 zurückgelegte Amtszeit zum Gegenstand hat (im Folgenden: Beschluss Nr. 14/2018).

13      Art. 1 des Beschlusses Nr. 14/2018 sieht vor:

„(1)      Mit Wirkung vom 1. Januar 2019 wird die Höhe der lebenslangen Versorgungsbezüge (Direkt- und Hinterbliebenenleistungen) sowie die des Versorgungsbezügen entsprechenden Teiles der Vorsorgeleistungen (Direkt- und Hinterbliebenenleistungen), deren Ansprüche auf der Grundlage der am 31. Dezember 2011 geltenden Regelung erworben worden sind, nach den neuen in diesem Beschluss vorgesehenen Modalitäten berechnet.

(2)      Die Neuberechnung im Sinne des vorstehenden Absatzes erfolgt durch Multiplikation der Höhe des individuellen Beitrags mit dem Verarbeitungskoeffizienten, der sich auf das Alter des Abgeordneten zum Zeitpunkt des Erwerbs des Anspruchs auf lebenslange Versorgungsbezüge oder auf die anteilige Vorsorgeleistung bezieht.

(3)      Die Verarbeitungskoeffizienten in der dem vorliegenden Beschluss als Anhang beigefügten Tabelle 1 werden angewandt.

(4)      Die Höhe der lebenslangen Versorgungsbezüge (Direkt- und Hinterbliebenenleistungen) sowie die des Versorgungsbezügen entsprechenden Teiles der Vorsorgeleistungen (Direkt- und Hinterbliebenenleistungen), die gemäß dem vorliegenden Beschluss neu berechnet worden sind, darf keinesfalls die Höhe der lebenslangen Versorgungsbezüge (Direkt- oder Hinterbliebenenleistung) oder die des Versorgungsbezügen entsprechenden Teiles der Vorsorgeleistungen (Direkt- und Hinterbliebenenleistungen) übersteigen, die in der zum Zeitpunkt des Beginns des parlamentarischen Mandats geltenden Regelung für jeden Abgeordneten vorgesehen sind.

(5)      Die Höhe der lebenslangen Versorgungsbezüge (Direkt- und Hinterbliebenenleistungen) sowie die des Versorgungsbezügen entsprechenden Teiles der Vorsorgeleistungen (Direkt- und Hinterbliebenenleistungen), die gemäß dem vorliegenden Beschluss neu berechnet worden sind, darf keinesfalls geringer ausfallen als der Betrag, der durch Multiplikation der individuellen Beiträge eines Abgeordneten, der das Parlamentsmandat lediglich während der XVII. Wahlperiode ausgeübt hat, mit dem am 31. Dezember 2018 geltenden Verarbeitungskoeffizienten, der dem Alter von 65 Jahren entspricht, berechnet und gemäß nachstehendem Artikel 2 neu bewertet worden ist.

(6)      Fällt die neue Höhe der lebenslangen Versorgungsbezüge (Direkt- und Hinterbliebenenleistungen) sowie die des Versorgungsbezügen entsprechenden Teiles der Vorsorgeleistungen (Direkt- und Hinterbliebenenleistungen) nach der Neuberechnung im Sinne des vorliegenden Beschlusses in Relation zur Höhe der lebenslangen Versorgungsbezüge (Direkt- oder Hinterbliebenenleistung) oder der des Versorgungsbezügen entsprechenden Teiles der Vorsorgeleistungen (Direkt- und Hinterbliebenenleistungen), die in der zum Zeitpunkt des Beginns des parlamentarischen Mandats geltenden Regelung für jeden Abgeordneten vorgesehen ist, um mehr als 50 % niedriger aus, wird der gemäß Absatz 5 ermittelte Mindestbetrag um die Hälfte erhöht.

(7)      Das Präsidium kann den Betrag der lebenslangen Versorgungsbezüge (Direkt- und Hinterbliebenenleistungen) sowie die des Versorgungsbezügen entsprechenden Teiles der Vorsorgeleistungen (Direkt- und Hinterbliebenenleistungen), die gemäß dem vorliegenden Beschluss neu berechnet worden sind, auf Vorschlag des Kollegiums der Abgeordneten-Quästoren um bis zu 50 % zugunsten von Personen erhöhen, die dies beantragen und folgende Voraussetzungen erfüllen:

a)      Sie beziehen keine anderen jährlichen Einkünfte, die über dem jährlichen Betrag der Sozialhilfe liegen, ausgenommen solche, die gegebenenfalls aus einer als Erstwohnung dienenden Immobilie stammen;

b)      sie leiden an schweren Krankheiten, die die Anwendung lebenswichtiger Therapien erforderlich machen und durch geeignete Dokumente öffentlicher Gesundheitseinrichtungen belegt sind, oder an Erkrankungen, die zu einer Invalidität von 100 % führen, die von den zuständigen Behörden anerkannt worden ist.

(8)      Die Dokumentation, die belegt, dass die Voraussetzungen nach Absatz 7 erfüllt sind, ist vom Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung, spätestens aber am 31. Dezember eines jeden Jahres vorzulegen.“

II.    Vorgeschichte des Rechtsstreits

14      Bei den Klägern – Frau Maria Teresa Coppo Gavazzi und den übrigen natürlichen Personen, deren Namen im Anhang aufgeführt sind – handelt es sich entweder um ehemalige in Italien gewählte Mitglieder des Europäischen Parlaments oder – was Frau Vanda Novati, Frau Maria Di Meo, Frau Leda Frittelli, Frau Mirella Musoni, Frau Jitka Frantova und Frau Ida Panusa in den Rechtssachen T‑397/19, T‑409/19, T‑414/19, T‑426/19, T‑427/19 und T‑453/19 anbelangt – um überlebende Ehepartnerinnen ehemaliger in demselben Mitgliedstaat gewählter Europaabgeordneter. Sie beziehen allesamt ein Altersruhegehalt bzw. eine Hinterbliebenenrente.

15      Nach Maßgabe der Bestimmungen des Beschlusses Nr. 14/2018 wurde das Ruhegehalt einiger ehemaliger italienischer Abgeordneter (bzw. die Rente ihrer überlebenden Ehepartnerinnen) mit Wirkung vom 1. Januar 2019 herabgesetzt.

16      Nach der Erhebung einer Klage gegen den Beschluss Nr. 14/2018 durch von den genannten Herabsetzungen betroffene italienische nationale Abgeordnete wird die Rechtmäßigkeit dieses nationalen Beschlusses derzeit vom Consiglio di giurisdizione della Camera dei deputati (Schlichtungsrat der Abgeordnetenkammer, Italien) geprüft.

17      Durch Hinzufügung einer Anmerkung zu den Ruhegehaltsabrechnungen für den Monat Januar 2019 teilte das Parlament den Klägern mit, dass die Höhe ihres Ruhegehalts gemäß dem Beschluss Nr. 14/2018 überprüft werden und diese Neuberechnung gegebenenfalls zu einer Rückforderung der zu Unrecht geleisteten Zahlungen führen könne.

18      In Anbetracht von Anlage III Art. 2 Abs. 1, der vorsieht, dass „Höhe und Bedingungen des vorläufigen Altersruhegehalts … identisch mit Höhe und Bedingungen des Altersruhegehalts für Mitglieder der Abgeordnetenkammer des Mitgliedstaates [sind], in dem das Mitglied des Parlaments gewählt wurde“ (im Folgenden: Regelung über ein identisches Ruhegehalt), war das Parlament seinen eigenen Angaben zufolge nämlich verpflichtet, den Beschluss Nr. 14/2018 anzuwenden und folglich die Höhe der Ruhegehälter der Kläger neu zu berechnen.

19      Mit undatierter Mitteilung des Leiters des Referats „Entschädigung und soziale Rechte der Mitglieder“ der Generaldirektion (GD) Finanzen des Parlaments, die den Ruhegehaltsabrechnungen der Kläger für den Monat Februar 2019 als Anhang beigefügt war, setzte das Parlament die Kläger darüber in Kenntnis, dass sein Juristischer Dienst die automatische Anwendbarkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 auf ihre Situation mit seinem Gutachten Nr. SJ‑0836/18 vom 11. Januar 2019 (im Folgenden: Gutachten des Juristischen Dienstes) bestätigt habe. In dieser Mitteilung hieß es weiter, dass das Parlament, sobald es die erforderlichen Informationen seitens der Camera dei deputati (Abgeordnetenkammer, Italien) erhalten habe, den Klägern die Neufestsetzung der Höhe ihres Ruhegehalts mitteilen und eine etwaige Differenz in den folgenden zwölf Monaten zurückfordern werde. Schließlich wurden die Kläger in der genannten Mitteilung darüber informiert, dass die endgültige Festsetzung der Höhe ihres Ruhegehalts durch einen formellen Rechtsakt erfolge, gegen den auf der Grundlage von Art. 72 der Durchführungsbestimmungen Beschwerde eingelegt oder auf der Grundlage von Art. 263 AEUV Nichtigkeitsklage erhoben werden könne.

20      Mit Mitteilungen vom 11. April 2019 (in Bezug auf Herrn Luigi Andrea Florio in der Rechtssache T‑465/19 im Folgenden: Entscheidungsentwurf) informierte der Leiter des Referats „Entschädigung und soziale Rechte der Mitglieder“ der GD Finanzen des Parlaments die Kläger darüber, dass die Höhe ihres Ruhegehalts, wie er in seiner Mitteilung von Februar 2019 angekündigt habe, in Anwendung von Anlage III Art. 2 Abs. 1 in Höhe der Kürzungen der entsprechenden Ruhegehälter der ehemaligen italienischen nationalen Abgeordneten der Abgeordnetenkammer gemäß dem Beschluss Nr. 14/2018 angepasst werde. In diesen Mitteilungen hieß es weiter, dass die Höhe der Ruhegehälter der Kläger nach Maßgabe der im Anhang der Schreiben übermittelten Entwürfe zur Festsetzung der neuen Höhe der Ruhegehälter ab April 2019 (rückwirkend zum 1. Januar 2019) angepasst werde. Schließlich wurde den Klägern in denselben Mitteilungen eine Frist zur Stellungnahme von 30 Tagen ab Eingang gewährt. In Ermangelung einer solchen Stellungnahme würden die Wirkungen dieser Mitteilungen als endgültig betrachtet und führten u. a. zur Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beträge für die Monate Januar bis März 2019.

21      Abgesehen von Herrn Florio in der Rechtssache T‑465/19 gab kein Kläger eine solche Stellungnahme ab, so dass die oben in Rn. 20 genannten Mitteilungen ihnen gegenüber endgültige Wirkungen zeitigten.

22      Mit E‑Mail vom 14. Mai 2019 übermittelte Herr Florio der zuständigen Dienststelle des Parlaments seine Stellungnahme.

23      Mit Schreiben vom 11. Juni 2019 (im Folgenden: endgültige Entscheidung) stellte der Leiter des Referats „Entschädigung und soziale Rechte der Mitglieder“ der GD Finanzen des Parlaments fest, dass die von Herrn Florio übermittelte Stellungnahme nichts enthalte, was eine Revision des Standpunkts des Parlaments, wie er im Entscheidungsentwurf zum Ausdruck gekommen sei, rechtfertigen könne. Deshalb seien zum Zeitpunkt der Zustellung der endgültigen Entscheidung die Höhe der Ruhegehälter und der sich daraus ergebende Rückzahlungsplan für rechtsgrundlos gezahlte Beträge, die im Anhang des genannten Entscheidungsentwurfs neu berechnet und übermittelt worden seien, endgültig geworden.

III. Verfahren und Anträge der Parteien

24      Mit Klageschriften, die am 27. Juni (Rechtssachen T‑389/19 bis T‑393/19), 28. Juni (Rechtssachen T‑394/19, T‑397/19, T‑398/19, T‑403/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19, T‑409/19 bis T‑414/19, T‑416/19 und T‑417/19), 1. Juli (Rechtssachen T‑435/19, T‑436/19, T‑438/19 bis T‑442/19, T‑444/19 bis T‑446/19), 2. Juli (Rechtssachen T‑421/19, T‑422/19, T‑425/19 bis T‑427/19, T‑429/19 bis T‑432/19), 3. Juli (T‑418/19, T‑420/19, T‑448/19, T‑450/19 bis T‑453/19), 4. Juli (Rechtssachen T‑454/19 und T‑463/19) und 5. Juli 2019 (Rechtssache T‑465/19) bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Kläger die vorliegenden Klagen erhoben.

25      Am 10. Juli (Rechtssachen T‑389/19 bis T‑393/19, T‑394/19, T‑397/19, T‑398/19, T‑403/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19, T‑409/19 bis T‑414/19, T‑416/19 und T‑417/19) und 18. Juli 2019 (Rechtssachen T‑418/19, T‑420/19 bis T‑422/19, T‑425/19 bis T‑427/19, T‑429/19 bis T‑432/19, T‑435/19, T‑436/19, T‑438/19 bis T‑442/19, T‑444/19 bis T‑446/19, T‑448/19, T‑450/19 bis T‑454/19, T‑463/19 und T‑465/19) hat das Parlament gemäß Art. 68 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts die Verbindung der Rechtssachen beantragt.

26      Am 19. Juli (Rechtssachen T‑389/19 bis T‑393/19, T‑394/19, T‑397/19, T‑398/19, T‑403/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19, T‑409/19 und T‑410/19) und 22. Juli 2019 (Rechtssachen T‑411/19 bis T‑414/19 und T‑416/19 bis T‑418/19, T‑420/19 bis T‑422/19, T‑425/19 bis T‑427/19, T‑429/19 bis T‑432/19, T‑435/19, T‑436/19, T‑438/19 bis T‑442/19, T‑444/19 bis T‑446/19, T‑448/19, T‑450/19 bis T‑454/19, T‑463/19 und T‑465/19) hat das Parlament gemäß Art. 69 Buchst. c der Verfahrensordnung die Aussetzung der Verfahren in Erwartung der Entscheidung des über die Gültigkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 befindenden Consiglio di giurisdizione della Camera dei deputati (Schlichtungsrat der Abgeordnetenkammer) beantragt.

27      Am 11. September (Rechtssachen T‑391/19 und T‑392/19), 12. September (Rechtssache T‑389/19), 13. September (Rechtssache T‑393/19), 16. September (Rechtssachen T‑394/19, T‑403/19, T‑410/19, T‑412/19 und T‑416/19), 17. September (Rechtssachen T‑397/19, T‑398/19, T‑409/19 und T‑414/19), 18. September (Rechtssachen T‑390/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19, T‑411/19, T‑413/19, T‑417/19, T‑418/19, T‑420/19 bis T‑422/19, T‑425/19, T‑429/19 bis T‑431/19, T‑436/19 und T‑438/19), 19. September (Rechtssachen T‑426/19, T‑427/19, T‑435/19, T‑439/19, T‑442/19, T‑445/19 und T‑446/19), 20. September (Rechtssachen T‑432/19, T‑440/19, T‑448/19, T‑450/19, T‑451/19, T‑454/19 und T‑463/19), 23. September (Rechtssachen T‑441/19, T‑444/19, T‑452/19 und T‑465/19) und 24. September 2019 (Rechtssache T‑453/19) hat das Parlament die Klagebeantwortungen eingereicht.

28      Am 27. September (Rechtssachen T‑389/19 und T‑390/19), 30. September (Rechtssachen T‑391/19 bis T‑394/19, T‑397/19 und T‑398/19), 1. Oktober (Rechtssachen T‑403/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19 und T‑409/19 bis T‑411/19), 2. Oktober (Rechtssachen T‑412/19 bis T‑414/19, T‑416/19 bis T‑418/19, T‑420/19 bis T‑422/19 und T‑430/19 bis T‑432/19), 3. Oktober (Rechtssachen T‑425/19, T‑435/19, T‑436/19, T‑438/19 bis T‑442/19, T‑444/19 bis T‑446/19, T‑448/19 und T‑450/19 bis T‑454/19) und 4. Oktober 2019 (Rechtssachen T‑426/19, T‑427/19, T‑429/19, T‑463/19 und T‑465/19) hat das Gericht die Parteien zu der Möglichkeit befragt, unter den 84 ähnlichen Rechtssachen, mit denen es zu dieser Zeit befasst war, zum einen eine kleinere Zahl von Pilotverfahren zu benennen und zum anderen die übrigen Verfahren entsprechend auszusetzen, bis die das Verfahren beendende Entscheidung in den als Pilotverfahren benannten Rechtssachen rechtskräftig werde. Darüber hinaus hat das Gericht das Parlament gebeten, die KVR in vollem Umfang vorzulegen.

29      Am 15. Oktober (Rechtssache T‑452/19), 18. Oktober (Rechtssachen T‑389/19, T‑390/19, T‑410/19 bis T‑414/19, T‑416/19, T‑418/19, T‑420/19 und T‑421/19), 22. Oktober (Rechtssachen T‑391/19 bis T‑394/19, T‑397/19, T‑398/19, T‑403/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19, T‑409/19, T‑417/19, T‑422/19 und T‑430/19 bis T‑432/19), 24. Oktober (Rechtssachen T‑425/19 bis T‑427/19, T‑429/19, T‑435/19, T‑436/19, T‑438/19 bis T‑442/19, T‑444/19 bis T‑446/19, T‑448/19, T‑450/19, T‑451/19, T‑453/19 und T‑454/19) und 28. Oktober 2019 (Rechtssachen T‑463/19 und T‑465/19) hat das Parlament die Frage des Gerichts beantwortet und eine vollständige Fassung der KVR übermittelt.

30      Am 21. Oktober 2019 haben die Kläger die Frage des Gerichts beantwortet.

31      Mit Beschlüssen vom 4. November (Rechtssachen T‑389/19 bis T‑394/19, T‑397/19 und T‑398/19), 5. November (Rechtssachen T‑403/19 und T‑404/19), 6. November (Rechtssachen T‑406/19, T‑407/19, T‑409/19, T‑414/19 und T‑416/19), 7. November (Rechtssachen T‑410/19 bis T‑412/19, T‑417/19, T‑418/19 und T‑420/19), 8. November (Rechtssachen T‑413/19, T‑421/19, T‑422/19 und T‑425/19), 11. November (Rechtssachen T‑426/19, T‑427/19, T‑429/19 bis T‑431/19 und T‑452/19), 12. November (Rechtssachen T‑432/19, T‑435/19 und T‑436/19), 13. November (Rechtssachen T‑438/19 bis T‑442/19, T‑444/19 bis T‑446/19 und T‑448/19), 14. November (Rechtssachen T‑450/19, T‑451/19, T‑453/19 und T‑454/19) und 15. November 2019 (Rechtssachen T‑463/19 und T‑465/19) sind die Rechtssachen infolge einer Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts der Achten Kammer neu zugewiesen worden.

32      Mit Schreiben vom 5. und 28. November 2019 hat das Parlament das Gericht über den Tod von Herrn Luigi Caligaris, den Kläger in der Rechtssache T‑435/19, informiert. Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat das Gericht den Rechtsbeistand des Klägers am 2. Dezember 2019 befragt, wie er in dem Verfahren weiter vorzugehen gedenke. Am 20. Dezember 2019 hat der Rechtsbeistand von Herrn Caligaris das Gericht darüber in Kenntnis gesetzt, dass dessen Witwe, Frau Paola Chiaramello, das Verfahren weiterführen wolle. Am 30. September 2020 hat der Rechtsbeistand von Frau Chiaramello das Gericht über den Tod seiner Mandantin informiert. Am 7. Oktober 2020 hat der Rechtsbeistand von Frau Chiaramello das Gericht darüber in Kenntnis gesetzt, dass Herr Enrico Caligaris und Frau Valentina Caligaris, die Erben von Frau Chiaramello, beabsichtigten, das Verfahren weiterzuführen.

33      Am 28. November 2019 hat das Gericht entschieden, dass ein zweiter Schriftwechsel nicht erforderlich ist.

34      Am 3. Dezember (Rechtssache T‑389/19), 4. Dezember (Rechtssachen T‑390/19 bis T‑394/19), 5. Dezember (Rechtssachen T‑397/19, T‑398/19, T‑403/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19, T‑409/19 bis T‑412/19, T‑418/19, T‑420/19 bis T‑422/19, T‑425/19 bis T‑427/19, T‑429/19 bis T‑432/19, T‑435/19, T‑436/19 und T‑438/19 bis T‑441/19), 6. Dezember (Rechtssachen T‑413/19, T‑414/19, T‑416/19 und T‑417/19), 9. Dezember (Rechtssachen T‑442/19, T‑444/19 bis T‑446/19, T‑448/19, T‑450/19, T‑451/19, T‑454/19, T‑463/19 und T‑465/19) und 10. Dezember 2019 (Rechtssachen T‑452/19 und T‑453/19) hat das Gericht die Kläger aufgefordert, zum Aussetzungsantrag des Parlaments Stellung zu nehmen.

35      Am 3. Dezember (Rechtssache T‑389/19), 4. Dezember (Rechtssachen T‑390/19 bis T‑394/19), 5. Dezember (Rechtssachen T‑397/19, T‑398/19, T‑403/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19, T‑409/19 bis T‑412/19, T‑418/19, T‑420/19 bis T‑422/19, T‑425/19 bis T‑427/19, T‑429/19 bis T‑432/19, T‑435/19, T‑436/19 und T‑438/19 bis T‑441/19), 6. Dezember (Rechtssachen T‑413/19, T‑414/19, T‑416/19 und T‑417/19), 9. Dezember (Rechtssachen T‑442/19, T‑444/19 bis T‑446/19, T‑448/19, T‑450/19, T‑451/19, T‑454/19, T‑463/19 und T‑465/19) und 10. Dezember 2019 (Rechtssachen T‑452/19 und T‑453/19) hat das Gericht die Kläger aufgefordert, zur Möglichkeit einer Verbindung der Rechtssachen T‑389/19 bis T‑394/19, T‑397/19, T‑398/19, T‑403/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19, T‑409/19 bis T‑418/19, T‑420/19 bis T‑422/19, T‑425/19 bis T‑427/19, T‑429/19 bis T‑432/19, T‑435/19, T‑436/19, T‑438/19 bis T‑442/19, T‑444/19 bis T‑446/19, T‑448/19, T‑450/19 bis T‑454/19, T‑463/19 und T‑465/19 Stellung zu nehmen.

36      Am 16. Dezember (Rechtssachen T‑389/19 bis T‑394/19, T‑397/19, T‑398/19, T‑403/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19 und T‑409/19 bis T‑414/19, T‑416/19 und T‑417/19), 17. Dezember (Rechtssachen T‑418/19, T‑420/19 bis T‑422/19, T‑425/19 bis T‑427/19, T‑429/19 bis T‑432/19, T‑435/19, T‑436/19, T‑438/19 bis T‑442/19, T‑444/19 und T‑445/19) und 19. Dezember 2019 (Rechtssachen T‑446/19, T‑448/19, T‑450/19 bis T‑454/19, T‑463/19 und T‑465/19) hat das Parlament zum Verbindungsvorschlag Stellung genommen.

37      Mit Schreiben vom 18. Dezember 2019 hat die Klägerin in der Rechtssache T‑389/19 das Gericht darum ersucht, seine Entscheidung vom 28. November 2019 zu revidieren und ihr zu erlauben, eine Erwiderung einzureichen.

38      Am 8. Januar 2020 haben die Kläger mit Ausnahme der Kläger in den Rechtssachen T‑409/19 und T‑446/19 zum Aussetzungsantrag des Parlaments Stellung genommen.

39      Am 9. Januar 2020 haben die Kläger zum Verbindungsvorschlag Stellung genommen.

40      Am 16. Januar (Rechtssachen T‑389/19 bis T‑393/19, T‑397/19, T‑398/19, T‑403/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19, T‑410/19 bis T‑414/19, T‑418/19 und T‑420/19) und 17. Januar (Rechtssachen T‑394/19, T‑409/19, T‑416/19, T‑417/19, T‑421/19, T‑422/19, T‑425/19 bis T‑427/19, T‑429/19 bis T‑432/19, T‑435/19, T‑436/19, T‑438/19 bis T‑442/19, T‑444/19 bis T‑446/19, T‑448/19, T‑450/19 bis T‑454/19, T‑463/19 und T‑465/19) hat der Präsident der Achten Kammer beschlossen, das Verfahren nicht auszusetzen.

41      Mit Beschluss des Präsidenten der Achten Kammer des Gerichts vom 21. Januar 2020 sind die vorliegenden Rechtssachen und die Rechtssache T‑415/19, Laroni/Parlament, gemäß Art. 68 der Verfahrensordnung zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung verbunden worden.

42      Am 23. Januar 2020 hat das Gericht das Parlament aufgefordert, alle vorbereitenden Dokumente betreffend den Erlass von Art. 75 und Anlage III vorzulegen. Darüber hinaus hat das Gericht das Parlament zu seiner Verwaltungspraxis im Bereich des Entgelts und der Ruhegehälter befragt. Das Parlament hat die Frage beantwortet und die angefragten vorbereitenden Dokumente am 11. Februar 2020 übermittelt.

43      Am 4. März 2020 haben die Kläger gemäß Art. 106 Abs. 2 der Verfahrensordnung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

44      Am 20. April 2020 hat der Präsident der Achten Kammer gemäß Art. 67 Abs. 2 der Verfahrensordnung entschieden, die vorliegenden Rechtssachen mit Vorrang zu entscheiden.

45      Mit Schreiben vom 30. April 2020 hat das Parlament das Gericht über den Tod von Herrn Giulietto Chiesa, des Klägers in der Rechtssache T‑445/19, informiert. Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat das Gericht den Rechtsbeistand des Klägers am 8. Mai 2020 befragt, wie er in dem Verfahren weiter vorzugehen gedenke. Am 8. Juni 2020 hat der Rechtsbeistand von Herrn Chiesa das Gericht darüber in Kenntnis gesetzt, dass dessen Witwe, Frau Fiammetta Cucurnia, beabsichtige, das Verfahren weiterzuführen.

46      Am 30. April 2020 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, zur Möglichkeit einer Verbindung der vorliegenden Klagen und der Rechtssache T‑415/19, Laroni/Parlament, mit den verbundenen Rechtssachen T‑345/19, Santini/Parlament, T‑346/19, Ceravolo/Parlament, T‑364/19, Moretti/Parlament, T‑365/19, Capraro/Parlament, T‑366/19, Sboarina/Parlament, T‑372/19, Cellai/Parlament, T‑373/19, Gatti/Parlament, T‑374/19, Wuhrer/Parlament, T‑375/19, Pisoni/Parlament, und T‑385/19, Mazzone/Parlament, sowie den Rechtssachen T‑519/19, Forte/Parlament, und T‑695/19, Falqui/Parlament, zu gemeinsamem mündlichen Verfahren Stellung zu nehmen.

47      Auf Vorschlag der Achten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung am 15. Mai 2020 entschieden, die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

48      Am 19. Mai 2020 hat das Gericht die Parteien zu verschiedenen Aspekten der vorliegenden Rechtssachen befragt.

49      Am 2. bzw. 3. Juni 2020 haben das Parlament und die Kläger zu dem oben in Rn. 46 erwähnten Vorschlag einer Verbindung zu gemeinsamem mündlichen Verfahren Stellung genommen.

50      Am 5. Juni 2020 hat der Präsident der Achten Kammer entschieden, die vorliegenden Rechtssachen und die Rechtssache T‑415/19, Laroni/Parlament, mit den verbundenen Rechtssachen T‑345/19, Santini/Parlament, T‑346/19, Ceravolo/Parlament, T‑364/19, Moretti/Parlament, T‑365/19, Capraro/Parlament, T‑366/19, Sboarina/Parlament, T‑372/19, Cellai/Parlament, T‑373/19, Gatti/Parlament, T‑374/19, Wuhrer/Parlament, T‑375/19, Pisoni/Parlament, und T‑385/19, Mazzone/Parlament, sowie den Rechtssachen T‑519/19, Forte/Parlament, und T‑695/19, Falqui/Parlament, zu gemeinsamem mündlichen Verfahren zu verbinden.

51      Am 17. Juni 2020 haben die Kläger und das Parlament die Fragen beantwortet, die das Gericht am 19. Mai 2020 an sie gerichtet hatte.

52      Mit Schreiben vom 1. Juli 2020 haben die Kläger beim Gericht beantragt, ihnen mehr Zeit für ihre Ausführungen in der mündlichen Verhandlung einzuräumen. Am 3. Juli 2020 hat das Gericht diesem Antrag teilweise stattgegeben.

53      Mit Schreiben vom 2. Juli 2020 hat das Parlament das Gericht über den Tod von Frau Frantova, der Klägerin in der Rechtssache T‑427/19, informiert. Mit Schreiben vom 13. Juli und 5. August 2020 hat auch der Rechtsbeistand von Frau Frantova das Gericht über den Tod seiner Mandantin informiert und mitgeteilt, dass er dem Gericht alle erforderlichen Informationen über das Erbe und den weiteren Fortgang des Verfahrens übermitteln werde. Am 16. September 2020 hat der Rechtsbeistand von Frau Frantova das Gericht darüber in Kenntnis gesetzt, dass Frau Daniela Concardia, die Erbin der Klägerin, beabsichtige, das Verfahren weiterzuführen.

54      Die Parteien haben in der Sitzung vom 7. Juli 2020 mündlich verhandelt sowie schriftliche und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

55      Mit Entscheidung vom 8. Oktober 2020 hat der Präsident der Achten Kammer nach Anhörung der Parteien gemäß Art. 68 Abs. 3 der Verfahrensordnung die Verbindung der Rechtssache T‑415/19, Laroni/Parlament, mit den anderen Rechtssachen aufgehoben.

56      Abgesehen von Herrn Florio in der Rechtssache T‑465/19 beantragen die Kläger,

–        die oben in Rn. 20 erwähnten Mitteilungen vom 11. April 2019 für inexistent oder nichtig zu erklären;

–        dem Parlament die Erstattung aller unrechtmäßig einbehaltenen Beträge zuzüglich der gesetzlichen Zinsen vom Zeitpunkt des Einbehalts bis zur Auszahlung aufzugeben und das Parlament zu verurteilen, das zu erlassende Urteil durchzuführen und alle Initiativen, Handlungen oder Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die sofortige und vollständige Wiederherstellung der ursprünglichen Ruhegehaltsmaßnahme sicherzustellen;

–        dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.

57      In der Rechtssache T‑465/19 beantragt Herr Florio,

–        den Entscheidungsentwurf und alle vorherigen, damit zusammenhängenden oder darauf folgenden Maßnahmen für inexistent oder nichtig zu erklären;

–        dem Parlament die Erstattung aller unrechtmäßig einbehaltenen Beträge zuzüglich der gesetzlichen Zinsen vom Zeitpunkt des Einbehalts bis zur Auszahlung aufzugeben und das Parlament zu verurteilen, das zu erlassende Urteil durchzuführen und alle Initiativen, Handlungen oder Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die sofortige und vollständige Wiederherstellung der ursprünglichen Ruhegehaltsmaßnahme sicherzustellen;

–        dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.

58      Das Parlament beantragt,

–        die Klagen als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet abzuweisen;

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

IV.    Rechtliche Würdigung

A.      Klagegegenstand und Zuständigkeit des Gerichts

59      Einleitend ist zu bemerken, dass die Kläger, worauf sie in ihrer Klageschrift ausdrücklich hingewiesen haben, nicht beabsichtigen, im Rahmen der vorliegenden Klageverfahren die Rechtmäßigkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 anzufechten.

60      In der mündlichen Verhandlung hat der Rechtsbeistand der Kläger jedoch erklärt, dass er auf die mündlichen Ausführungen von Herrn Maurizio Paniz, dem Rechtsanwalt der Kläger in den verbundenen Rechtssachen Santini u. a./Parlament, T‑345/19, T‑346/19, T‑364/19 bis T‑366/19, T‑372/19 bis T‑375/19 und T‑385/19, Bezug nehme.

61      Da Herr Paniz im Rahmen seiner mündlichen Ausführungen die Gültigkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 angefochten und während des mündlichen Verfahrens Beweismittel zur Stützung dieser Auffassung vorgelegt hat, ist auf die Grenzen hinzuweisen, die der Zuständigkeit des Gerichts im Rahmen einer Klage nach Art. 263 AEUV gesetzt sind.

62      In diesem Zusammenhang sind die Gerichte der Europäischen Union gemäß Art. 263 AEUV nicht dafür zuständig, über die Rechtmäßigkeit von Handlungen einer nationalen Behörde zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 28. Februar 2017, NF/Europäischer Rat, T‑192/16, EU:T:2017:128, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung fällt die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 nicht in die Zuständigkeit des Gerichts.

64      Das Gericht stellt weiter fest, dass sich die von Herrn Paniz während des mündlichen Verfahrens vorgelegten Beweismittel, auf die er in der mündlichen Verhandlung verwiesen hat, nicht auf den Ausgang der vorliegenden Klageverfahren auswirken. Zum einen hat Herr Paniz eine Kopie des Beschlusses Nr. 2/2020 vom 22. April 2020 übermittelt, mit dem der Consiglio di giurisdizione della Camera dei deputati (Schlichtungsrat der Abgeordnetenkammer) Art. 1 Abs. 7 des Beschlusses Nr. 14/2018 teilweise für nichtig erklärt hatte. Diese Nichtigerklärung hat für den vorliegenden Fall jedoch keine Folgen, da das Parlament nicht darum ersucht worden ist, Bestimmungen, die mit denen von Art. 1 Abs. 7 des Beschlusses Nr. 14/2018 identisch sind, auf die Kläger anzuwenden, und solche Bestimmungen daher auch nicht auf die Kläger angewandt hat. Zum anderen hat Herr Paniz darüber hinaus eine Kopie des verfügenden Teils des Urteils der Commissione contenziosa del senato (Kommission für Streitsachen des Senats, Italien) vom 25. Juni 2020 eingereicht. Dieses Urteil hat jedoch den Beschluss Nr. 6/2018 des Ufficio di Presidenza del Senato (Präsidium des Senats, Italien) und nicht den Beschluss Nr. 14/2018 zum Gegenstand. Es steht aber fest, dass das Parlament im Einklang mit Anlage III Art. 2 Abs. 1 lediglich Vorschriften angewandt hat, die mit denen des Beschlusses Nr. 14/2018 identisch sind. Wie das Gericht schließlich feststellt, hat das Parlament in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass es im Einklang mit der Regelung über ein identisches Ruhegehalt in Zukunft alle Änderungen des italienischen Rechts und insbesondere des Beschlusses Nr. 14/2018, die sich aus laufenden Verfahren vor dem Consiglio di giurisdizione della Camera dei deputati (Schlichtungsrat der Abgeordnetenkammer) ergeben könnten, anwenden werde.

65      Auch wenn das Gericht auf der Grundlage von Art. 263 AEUV somit nicht die Gültigkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 kontrollieren kann, ist es doch für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen des Parlaments zuständig. Daher kann das Gericht im Rahmen der vorliegenden Nichtigkeitsklagen prüfen, ob Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1, mit denen die Regelung über ein identisches Ruhegehalt eingeführt worden ist, nicht gegen höherrangige Normen des Unionsrechts verstoßen. Ebenso kann das Gericht untersuchen, ob die Tatsache, dass das Parlament im Rahmen der Regelung über ein identisches Ruhegehalt die Bestimmungen des Beschlusses Nr. 14/2018 angewandt hat, mit dem Unionsrecht im Einklang steht. Schließlich ist das Gericht auch dafür zuständig, sicherzustellen, dass die oben in Rn. 20 erwähnten Mitteilungen vom 11. April 2019 und – was Herrn Florio in der Rechtssache T‑465/19 angeht – die endgültige Entscheidung das Unionsrecht beachten.

B.      Zulässigkeit der Klage in der Rechtssache T453/19, Panusa/Parlament

66      In der mündlichen Verhandlung hat das Parlament die Unzulässigkeit der Klage in der Rechtssache T‑453/19, Panusa/Parlament, geltend gemacht und dies damit begründet, dass die die Klägerin betreffende angefochtene Entscheidung deren Interessen nicht berührt habe. Die genannte Entscheidung habe nämlich zu keiner Verringerung der Höhe des von der Klägerin bezogenen Ruhegehalts geführt.

67      Frau Panusa hat – ebenfalls in der mündlichen Verhandlung – erwidert, dass sie trotz allem weiterhin ein Rechtsschutzinteresse habe.

68      Insoweit ist nach ständiger Rechtsprechung eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nur dann zulässig, wenn der Kläger ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse setzt voraus, dass die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und dass der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, damit im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Urteil vom 27. März 2019, Canadian Solar Emea u. a./Rat, C‑237/17 P, EU:C:2019:259, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Rechtsschutzinteresse muss bestehend und gegenwärtig sein, wobei auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen ist. Es muss jedoch bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung weiter vorliegen – anderenfalls ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (Urteil vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 42).

69      Im vorliegenden Fall hat das Parlament unwidersprochen vorgetragen, die angefochtene Entscheidung habe zu keiner Verringerung der Höhe des von der Klägerin bezogenen Ruhegehalts geführt.

70      Demnach kann die Nichtigerklärung der Frau Panusa betreffenden angefochtenen Entscheidung als solche ihr keinen Vorteil verschaffen. Folglich ist die Klage in der Rechtssache T‑453/19, Panusa/Parlament, als unzulässig abzuweisen.

C.      Begründetheit

71      Die Kläger stützen ihre Nichtigkeitsklage auf vier Gründe. Der erste Klagegrund wird aus der Unzuständigkeit des Urhebers der oben in Rn. 20 erwähnten Mitteilungen vom 11. April 2019 und der endgültigen Entscheidung (im Folgenden zusammen: angefochtene Entscheidungen) sowie aus einer Verletzung der Begründungspflicht hergeleitet. Mit dem zweiten Klagegrund werden das Fehlen einer Rechtsgrundlage und eine fehlerhafte Anwendung von Art. 75 gerügt. Der dritte Klagegrund bezieht sich auf einen Rechtsfehler bei der Einordnung des Beschlusses Nr. 14/2018 und auf eine fehlerhafte Anwendung des in Art. 75 Abs. 2 vorgesehenen „Gesetzesvorbehalts“. Mit dem vierten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichheit sowie eine Verletzung des Eigentumsrechts beanstandet.

72      Vor Prüfung der Klagegründe in der Sache hält es das Gericht für angebracht, den Antrag der Kläger auf Feststellung der Inexistenz der angefochtenen Entscheidungen zu untersuchen.

73      Insoweit spricht für die Rechtsakte der Unionsorgane nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Vermutung der Rechtmäßigkeit; sie entfalten daher selbst dann, wenn sie fehlerhaft sind, Rechtswirkungen, solange sie nicht für nichtig erklärt oder zurückgenommen worden sind (vgl. Urteile vom 15. Juni 1994, Kommission/BASF u. a., C‑137/92 P, EU:C:1994:247, Rn. 48, sowie vom 9. Dezember 2014, Lucchini/Kommission, T‑91/10, EU:T:2014:1033, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Als Ausnahme von diesem Grundsatz ist indessen bei Rechtsakten, die offenkundig mit einem derart schweren Fehler behaftet sind, dass die Unionsrechtsordnung ihn nicht hinnehmen kann, davon auszugehen, dass sie nicht einmal vorläufig Rechtswirkungen entfaltet haben, was bedeutet, dass sie als rechtlich inexistent anzusehen sind. Diese Ausnahme soll einen Ausgleich zwischen zwei grundlegenden, manchmal jedoch einander widerstreitenden Erfordernissen herstellen, denen eine Rechtsordnung genügen muss, nämlich zwischen der Stabilität der Rechtsbeziehungen und der Wahrung der Rechtmäßigkeit (vgl. Urteile vom 15. Juni 1994, Kommission/BASF u. a., C‑137/92 P, EU:C:1994:247, Rn. 49, sowie vom 9. Dezember 2014, Lucchini/Kommission, T‑91/10, EU:T:2014:1033, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Die Schwere der Folgen, die mit der Feststellung der Inexistenz eines Rechtsakts der Unionsorgane verbunden sind, verlangt aus Gründen der Rechtssicherheit, dass diese Feststellung auf ganz außergewöhnliche Fälle beschränkt wird (vgl. Urteile vom 15. Juni 1994, Kommission/BASF u. a., C‑137/92 P, EU:C:1994:247, Rn. 50, sowie vom 9. Dezember 2014, Lucchini/Kommission, T‑91/10, EU:T:2014:1033, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass Unregelmäßigkeiten, die geeignet sind, den Unionsrichter dazu zu veranlassen, einen Rechtsakt als rechtlich inexistent anzusehen, sich nicht ihrer Natur nach, sondern aufgrund ihrer Schwere und aufgrund ihrer Offensichtlichkeit von den Verstößen unterscheiden, deren Feststellung grundsätzlich zur Aufhebung der Rechtsakte führt, die der im Vertrag vorgesehenen Rechtsmäßigkeitskontrolle unterliegen. Denn Rechtsakte, die mit Unregelmäßigkeiten behaftet sind, die derart schwerwiegend sind, dass sie ihre wesentlichen Voraussetzungen berühren, sind als rechtlich inexistent anzusehen (vgl. Urteil vom 9. September 2011, dm-drogerie markt/HABM – Distribuciones Mylar [dm], T‑36/09, EU:T:2011:449, Rn. 86).

77      Die von den Klägern geltend gemachten Unregelmäßigkeiten erscheinen nicht als derart offenkundig schwerwiegend, dass die angefochtenen Entscheidungen als rechtlich inexistent anzusehen wären, und zwar aufgrund folgender Erwägungen.

1.      Erster Klagegrund: Unzuständigkeit des Urhebers der angefochtenen Entscheidungen und Verletzung der Begründungspflicht

78      Der erste Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil bezieht sich auf die Unzuständigkeit des Urhebers der angefochtenen Entscheidungen. Der zweite Teil betrifft einen Begründungsmangel.

a)      Erster Teil des ersten Klagegrundes: Unzuständigkeit des Urhebers der angefochtenen Entscheidungen

79      Im Rahmen der ersten Rüge des ersten Teils tragen die Kläger vor, die angefochtenen Entscheidungen hätten vom Präsidium des Parlaments und nicht vom Leiter des Referats „Entschädigung und soziale Rechte der Mitglieder“ der GD Finanzen des Parlaments erlassen werden müssen. Dies sei insbesondere in Anbetracht von Art. 11a Abs. 6 und Art. 25 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Parlaments in der zum maßgeblichen Zeitpunkt – nämlich während der achten Wahlperiode – geltenden Fassung (im Folgenden: Geschäftsordnung) geboten. Diese beiden Vorschriften verliehen dem Präsidium des Parlaments eine allgemeine Zuständigkeit für die finanziellen Rechte der Mitglieder. Deshalb habe das Präsidium des Parlaments die KVR erlassen. Eine weitere Bestätigung für diese allgemeine Zuständigkeit des Präsidiums des Parlaments sei im ersten Erwägungsgrund der Durchführungsbestimmungen enthalten, in dem es heißt, dass „[f]ür die Umsetzung der finanziellen Aspekte des [Abgeordneten‑]Statuts … ausschließlich das Präsidium zuständig [ist]“. Das Präsidium des Parlaments habe sich jedoch nie zu einer Herabsetzung ihrer Ruhegehaltsansprüche geäußert. Vor diesem Hintergrund seien die Ruhegehaltsansprüche der Kläger von einer völlig unzuständigen Stelle, nämlich dem Leiter des Referats „Entschädigung und soziale Rechte der Mitglieder“ der GD Finanzen des Parlaments, neu berechnet worden, so dass die angefochtenen Entscheidungen rechtswidrig seien.

80      In der zweiten Rüge tragen die Kläger vor, die angefochtenen Entscheidungen seien auch insofern rechtswidrig, als sie entgegen Art. 28 der Geschäftsordnung nicht Gegenstand einer Beurteilung oder Prüfung durch das Kollegium der Quästoren gewesen seien. Insoweit hätte sich das Parlament nicht auf die Anwendung des Beschlusses Nr. 14/2018 beschränken dürfen und zwingend zusätzliche Schritte unternehmen müssen, um die neue Höhe der Ruhegehaltsansprüche zu berechnen. Diese Anpassung in der Umsetzung des Beschlusses Nr. 14/2018 auf Unionsebene hätte, so die Kläger, Gegenstand interner Beurteilungen auf der Grundlage einer Konsultation der im Bereich der Mitgliederrechte zuständigen Stellen sein müssen und nicht an ein Referat des Parlaments delegiert werden dürfen.

81      Das Parlament beantragt, den ersten Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

82      Was die erste Rüge angeht, so stimmen die Parteien darin überein, dass das Präsidium des Parlaments gemäß Art. 25 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Vorschlag des Generalsekretärs des Parlaments oder einer Fraktion finanzielle, organisatorische und administrative Entscheidungen in Angelegenheiten der Mitglieder trifft. Das Parlament vertritt jedoch die Auffassung, diese Vorschrift beschränke das Handeln des Präsidiums auf die Annahme allgemeiner und abstrakter Regeln und nicht auf den Erlass individueller Entscheidungen. Die Kläger sind demgegenüber der Ansicht, die angefochtenen Entscheidungen hätten selbst dann auf der Grundlage des erwähnten Art. 25 Abs. 3 erlassen werden müssen, wenn sie individuelle Rechtsakte darstellten.

83      Insoweit geht aus einer ständigen Rechtsprechung hervor, dass Art. 25 Abs. 3 der Geschäftsordnung dem Präsidium des Parlaments eine allgemeine Zuständigkeit – u. a. für finanzielle Entscheidungen in Angelegenheiten der Mitglieder – verleiht. Diese Vorschrift bildet daher die Grundlage, auf die sich das Parlament stützen kann, wenn es darum geht, auf Vorschlag seines Generalsekretärs oder einer Fraktion die die genannten Entscheidungen betreffende Regelung zu erlassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2011, Purvis/Parlament, T‑439/09, EU:T:2011:600, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84      Darüber hinaus ist auch bereits entschieden worden, dass durch die vom Präsidium des Parlaments erlassenen Durchführungsbestimmungen, wie aus ihrem dritten Erwägungsgrund hervorgeht, insbesondere die KVR ersetzt werden soll. In diesem Sinne werden mit den Durchführungsbestimmungen finanzielle Entscheidungen in Angelegenheiten der Mitglieder im Sinne von Art. 25 Abs. 3 der Geschäftsordnung getroffen (Urteil vom 29. November 2017, Montel/Parlament, T‑634/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:848, Rn. 50 und 51).

85      Zwar verfügt das Präsidium des Parlaments somit gemäß Art. 25 Abs. 3 der Geschäftsordnung und – aus ähnlichen Gründen – gemäß Art. 11a Abs. 6 der Geschäftsordnung über die Zuständigkeit für den Erlass allgemeiner und abstrakter Normen, doch bedeutet dies noch nicht, dass es auch für den Erlass individueller Entscheidungen im Bereich der finanziellen Fragen betreffend die Mitglieder zuständig wäre.

86      Die Verwaltung des Parlaments kann vielmehr ohne Verstoß gegen Art. 25 Abs. 3 der Geschäftsordnung mit einer solchen Zuständigkeit betraut werden, sobald deren Grenzen und Ausübungsmodalitäten vom Präsidium dieses Organs festgelegt worden sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 6. September 2018, Bilde/Parlament, C‑67/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:692, Rn. 36 und 37).

87      Außerdem ist in Anbetracht der Zuständigkeitsverteilung zwischen dem Präsidium des Parlaments und der Verwaltung dieses Organs insbesondere bereits entschieden worden, dass eine individuelle Entscheidung, die die Ruhegehaltsansprüche der Abgeordneten festlegt, nicht nur insofern eine Entscheidung im Rahmen einer gebundenen Zuständigkeit ist, als die Verwaltung bei der Bestimmung der Ruhegehaltsansprüche über kein Ermessen verfügt, sondern im Hinblick auf den Inhalt dieser Ansprüche sogar rein deklaratorischer Natur ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2011, Purvis/Parlament, T‑439/09, EU:T:2011:600, Rn. 38).

88      Nichts hindert das Parlament folglich daran, seiner Verwaltung die Befugnis zum Erlass individueller Entscheidungen – u. a. im Bereich der Ruhegehaltsansprüche und auf dem Gebiet der Festsetzung der Höhe der Ruhegehälter – zu übertragen. Gleichwohl bleibt zu prüfen, ob der Leiter des Referats „Entschädigung und soziale Rechte der Mitglieder“ der GD Finanzen des Parlaments über eine solche Befugnis verfügte.

89      In dieser Hinsicht sieht Art. 73 Abs. 3 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. 2018, L 193, S. 1) vor, dass jedes Unionsorgan die Anweisungsbefugnis unter Einhaltung der in seiner Geschäftsordnung vorgesehenen Bedingungen Bediensteten angemessenen Ranges überträgt. In seinen internen Verwaltungsvorschriften gibt es an, wem es diese Befugnis überträgt und welches der Umfang der übertragenen Befugnisse ist; außerdem sieht es darin vor, ob die Anweisungsbefugnis weiterübertragen werden kann.

90      In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts hat das Parlament – unter Vorlage von Beweisen – darauf hingewiesen, dass der Leiter des Referats „Entschädigung und soziale Rechte der Mitglieder“ der GD Finanzen dieses Organs durch die Entscheidung FINS/2019‑01 des Generaldirektors für Finanzen des Parlaments vom 23. November 2018 zum nachgeordnet bevollmächtigten Anweisungsbefugten für die Haushaltslinie 1030, die sich auf die in Anlage III der KVR aufgeführten Ruhegehälter bezieht, ernannt worden sei. Zudem wird in der Entscheidung FINS/2019‑01 gemäß Art. 73 Abs. 3 der Verordnung 2018/1046 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Weiterübertragung von Befugnissen es dem Leiter des Referats „Entschädigung und soziale Rechte der Mitglieder“ der GD Finanzen des Parlaments u. a. gestattet, rechtliche Verpflichtungen einzugehen, Mittelbindungen vorzunehmen, Ausgaben abzurechnen und Zahlungen anzuordnen, aber auch Forderungsvorausschätzungen zu erstellen, Forderungen festzustellen und Einziehungsanordnungen zu erteilen.

91      Ferner steht fest, dass die in den Durchführungsbestimmungen und der KVR festgelegten Regeln, die das Präsidium des Parlaments erlassen hat, vom Leiter des Referats „Entschädigung und soziale Rechte der Mitglieder“ der GD Finanzen dieses Organs nicht geändert, sondern lediglich umgesetzt worden sind. Im Übrigen soll die Frage, ob der genannte Referatsleiter im vorliegenden Fall die Bestimmungen dieser beiden Regelungen beachtet hat, weiter unten – im Rahmen der Prüfung der übrigen Klagegründe – beurteilt werden.

92      Entgegen dem Vorbringen der Kläger war der Leiter des Referats „Entschädigung und soziale Rechte der Mitglieder“ der GD Finanzen des Parlaments somit für den Erlass der angefochtenen Entscheidungen zuständig.

93      Was die zweite Rüge betrifft, so ist das Argument der Kläger, wonach die Quästoren vor Erlass der angefochtenen Entscheidungen hätten konsultiert werden müssen, als unbegründet zurückzuweisen.

94      Zwar sieht Art. 28 der Geschäftsordnung, worauf die Kläger zu Recht hinweisen, vor, dass die „Quästoren … gemäß der vom Präsidium erlassenen Leitlinien mit Verwaltungs- und Finanzaufgaben betraut [sind], die die Mitglieder direkt betreffen, und für weitere Aufgaben zuständig [sind], die ihnen übertragen werden“. Diese Vorschrift ist jedoch im Licht von Art. 25 Abs. 8 der Geschäftsordnung zu lesen, in dem es heißt, dass das „Präsidium … die Leitlinien für die Quästoren [erlässt] und … die Quästoren zur Durchführung bestimmter Aufgaben auffordern [kann]“.

95      Aus den Schriftsätzen der Kläger geht mitnichten hervor, dass das Präsidium des Parlaments im Sinne von Art. 25 Abs. 8 und Art. 28 der Geschäftsordnung Leitlinien erlassen oder spezifische Aufgaben definiert hätte, wonach die Quästoren vor Erlass der angefochtenen Entscheidungen hätten konsultiert werden oder noch allgemeiner die Urheber der – schließlich doch einzelfallbezogenen – angefochtenen Entscheidungen hätten sein müssen. Daher kann dem Parlament nicht vorgeworfen werden, dass es die Quästoren nicht konsultiert hat, wo doch eine solche Konsultation unter derartigen Umständen nach keiner Vorschrift erforderlich war.

96      Schließlich legen die Kläger dem Parlament zur Last, dass es den Beschluss Nr. 14/2018 angewandt, ihn für Zwecke der Berechnung der neuen Höhe der Ruhegehälter gleichzeitig aber angepasst habe, um der persönlichen Situation der einzelnen Kläger Rechnung zu tragen. Eine solche Anpassung des Beschlusses Nr. 14/2018 hätte Gegenstand interner Beurteilungen – durch Konsultation der im Bereich der Mitgliederrechte zuständigen Stellen – sein müssen und nicht an ein Referat des Parlaments delegiert werden dürfen.

97      Selbst wenn unterstellt wird, dass das Parlament den Beschluss Nr. 14/2018 angepasst hat, was weiter unten im Rahmen der übrigen Klagegründe untersucht werden soll, genügt jedenfalls der Hinweis, dass der Leiter des Referats „Entschädigung und soziale Rechte der Mitglieder“ der GD Finanzen des Parlaments, wie oben in den Rn. 90 bis 95 festgestellt, für den Erlass der angefochtenen Entscheidungen zuständig und keinerlei Verpflichtung zur vorherigen Konsultation des Kollegiums der Quästoren vorgesehen war.

98      Folglich ist der erste Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

b)      Zweiter Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung der Begründungspflicht

99      Im Rahmen des zweiten Teils tragen die Kläger vor, den angefochtenen Entscheidungen fehle es insoweit an einer Begründung, als das Parlament lediglich vortrage, dass der Beschluss Nr. 14/2018 auf Unionsebene automatisch Anwendung finde, ohne klar darzulegen, welche Überlegungen zu dieser Schlussfolgerung geführt hätten, und sich dabei zu Unrecht auf Art. 75 stütze. Außerdem habe das Parlament auch die Begründungspflicht verletzt, da dem Erlass dieser Entscheidungen weder eine eingehende interne Prüfung noch eine Beurteilung durch das Präsidium des Parlaments oder die Quästoren vorausgegangen sei. Darüber hinaus stützten sich dieselben Entscheidungen anscheinend auf das Gutachten des Juristischen Dienstes. Dieses Gutachten sei in den angefochtenen Entscheidungen jedoch weder angeführt noch den Entscheidungen als Anhang beigefügt worden. Schließlich legen die Kläger dem Parlament zum einen zur Last, nicht geprüft zu haben, inwieweit die rückwirkende Anwendung einer weniger günstigen Ruhegehaltsregelung mit dem Unionsrecht vereinbar sein könne, und zum anderen, sich auf das Vorbringen beschränkt zu haben, dass es für die Prüfung der Gültigkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 nicht zuständig sei. In diesem Sinne habe das Parlament sowohl gegen Art. 296 AEUV als auch gegen Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verstoßen.

100    Das Parlament beantragt, den zweiten Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

101    Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die nach Art. 296 Abs. 2 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 Abs. 2 AEUV genügt, nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. März 2011, AJD Tuna, C‑221/09, EU:C:2011:153, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). Was insbesondere die Begründung von Einzelentscheidungen angeht, hat die Pflicht zur Begründung solcher Entscheidungen neben der Ermöglichung einer gerichtlichen Überprüfung den Zweck, den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht (vgl. Urteil vom 10. November 2017, Icap u. a./Kommission, T‑180/15, EU:T:2017:795, Rn. 287 und die dort angeführte Rechtsprechung).

102    Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die angefochtenen Entscheidungen, abgesehen von derjenigen, die Herrn Florio betrifft und deren Rechtmäßigkeit weiter unten in den Rn. 108 und 109 untersucht werden soll, im Sinne der oben in Rn. 101 genannten Rechtsprechung angemessen begründet sind.

103    Insoweit wird im ersten Absatz der angefochtenen Entscheidungen darauf hingewiesen, dass das Präsidium der Abgeordnetenkammer den Beschluss Nr. 14/2018 erlassen habe, der eine Kürzung der Ruhegehälter für die bis zum 31. Dezember 2011 zurückgelegte Amtszeit mit Wirkung vom 1. Januar 2019 vorsieht.

104    Im zweiten Absatz verweisen die angefochtenen Entscheidungen auf Art. 75, aber auch auf Anlage III Art. 2 Abs. 1, der vorsieht, dass Höhe und Bedingungen des vorläufigen Altersruhegehalts mit Höhe und Bedingungen des Altersruhegehalts für Mitglieder der Abgeordnetenkammer des Mitgliedstaats, in dem sie gewählt wurden, identisch sein müssen. In den angefochtenen Entscheidungen wird somit ausdrücklich ihre Rechtsgrundlage erwähnt.

105    Im dritten Absatz der angefochtenen Entscheidungen wird klargestellt, dass die Höhe der Altersruhegehälter der Kläger unter Berücksichtigung des Beschlusses Nr. 14/2018 und der oben in Rn. 104 genannten Vorschriften entsprechend angepasst werden müsse, um der Höhe der von der Abgeordnetenkammer an seine Mitglieder ausgezahlten Altersruhegehälter zu entsprechen. In diesem Zusammenhang verweisen die angefochtenen Entscheidungen auf die den Ruhegehaltsabrechnungen der Kläger für den Monat Februar 2019 als Anhang beigefügte Mitteilung des Leiters des Referats „Entschädigung und soziale Rechte der Mitglieder“ der GD Finanzen des Parlaments, in der dieser angekündigt hat, dass er den Klägern die Neufestsetzung der Höhe ihres Ruhegehalts mitteilen und eine etwaige Differenz in den folgenden zwölf Monaten zurückfordern werde.

106    Im vierten und im fünften Absatz der angefochtenen Entscheidungen werden die Kläger darüber informiert, dass die Höhe ihres Ruhegehalts ab April 2019 im Einklang mit den diesen Entscheidungen als Anhang beigefügten Entwürfen zur Festsetzung der neuen Höhe der Ruhegehälter berechnet werde. Darüber hinaus werden die rechtsgrundlos erhaltenen Beträge für die Monate Januar bis März 2019 angegeben, und es wird klar geregelt, wie das Parlament sie einzuziehen gedenkt.

107    In den Absätzen 6 bis 8 der angefochtenen Entscheidungen werden die Kläger schließlich über die Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb von 30 Tagen in Kenntnis gesetzt. Auch wird darauf hingewiesen, dass die angefochtenen Entscheidungen in Ermangelung einer solchen fristgerecht eingereichten Stellungnahme verbindlich würden und in diesem Fall Gegenstand einer Nichtigkeitsklage vor dem Gericht gemäß Art. 263 AEUV sein könnten. Schließlich wird in den genannten Entscheidungen die Möglichkeit erwähnt, beim Generalsekretär des Parlaments gemäß Art. 72 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen schriftlich Beschwerde einzulegen.

108    Was speziell Herrn Florio in der Rechtssache T‑465/19 betrifft, so beschränkt sich die endgültige Entscheidung auf die Feststellung, dass erstens das Parlament nicht dafür zuständig sei, die Gültigkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 in Frage zu stellen, zweitens das Gutachten des Juristischen Dienstes ein auf der Internetseite dieser Einrichtung öffentlich zugängliches Dokument darstelle und drittens die von Herrn Florio am 14. Mai 2019 übermittelte Stellungnahme nichts enthalte, was es rechtfertigen könne, den im Entscheidungsentwurf zum Ausdruck gebrachten Standpunkt zu revidieren. Sodann wird klargestellt, dass folglich die Höhe seines Altersruhegehalts und der sich daraus ergebende Rückzahlungsplan, die im Anhang des erwähnten Entwurfs neu berechnet bzw. übermittelt worden seien, zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der endgültigen Entscheidung verbindlich festgelegt geworden seien. Schließlich wird in der endgültigen Entscheidung erwähnt, dass die Möglichkeit bestehe, gegen sie Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV zu erheben, darauf hingewiesen, dass gemäß Art. 228 AEUV eine Beschwerde an den Europäischen Bürgerbeauftragten gerichtet werden könne, falls Herr Florio die Ansicht vertrete, dass er von einem Missstand in der Verwaltungstätigkeit betroffen gewesen sei, und mitgeteilt, dass gemäß Art. 72 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen schriftlich Beschwerde beim Generalsekretär des Parlaments eingelegt werden könne.

109    Auch wenn es daher zutrifft, dass die endgültige Entscheidung nur wenig begründet wird, kann sich doch die Prüfung der Frage, ob die Begründungspflicht beachtet worden ist, nicht allein auf dieses Dokument beschränken. Nach der oben in Rn. 101 angeführten Rechtsprechung muss die Prüfung auch den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen berücksichtigen, in den sich der Erlass der endgültigen Entscheidung eingefügt hat. Ein solches Vorgehen ist umso mehr sachdienlich, als zum einen die endgültige Entscheidung ausdrücklich auf den Entscheidungsentwurf verweist und zum anderen Herr Florio in seiner Klageschrift gleichermaßen auf den Entscheidungsentwurf und die endgültige Entscheidung abstellt. In Bezug auf Herrn Florio in der Rechtssache T‑465/19 sind somit auch die oben in den Rn. 103 bis 107 beschriebenen Aspekte zu berücksichtigen.

110    Wie die Kläger vortragen, werden die Gründe, die das Parlament zu der Annahme veranlasst haben, dass die Bestimmungen des Beschlusses Nr. 14/2018 auch auf sie Anwendung fänden, in Wahrheit zwar erst im Gutachten des Juristischen Dienstes dargelegt. So erläutert das Parlament in den Rn. 9 bis 14 und 16 dieses Gutachtens im Wesentlichen, dass Anlage III insofern keine eigenständige Ruhegehaltsregelung schaffe, als das genannte Organ aufgrund der Regelung über ein identisches Ruhegehalt verpflichtet sei, die Bestimmungen des Beschlusses Nr. 14/2018 anzuwenden.

111    Auch machen die Kläger zu Recht geltend, das Gutachten des Juristischen Dienstes werde in den angefochtenen Entscheidungen weder erwähnt, noch sei es diesen bzw. – was Herrn Florio in der Rechtssache T‑465/19 betrifft – dem Entscheidungsentwurf als Anhang beigefügt worden.

112    Mit diesen beiden Feststellungen der Kläger wird indessen nicht nachgewiesen, dass das Parlament die in Art. 296 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta vorgesehene Begründungspflicht verletzt hätte.

113    Die Begründungspflicht verlangt nicht, dass alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte im Einzelnen genannt werden, erst recht dann nicht, wenn die angefochtenen Entscheidungen – wie im vorliegenden Fall – in einem ihrem Adressaten bekannten Kontext ergehen.

114    Insoweit räumen die Kläger selbst ein, dass das Gutachten des Juristischen Dienstes in der Mitteilung des Leiters des Referats „Entschädigung und soziale Rechte der Mitglieder“ der GD Finanzen des Parlaments erwähnt wurde, die den Ruhegehaltsabrechnungen für den Monat Februar 2019 als Anhang beigefügt war. Zum einen waren die Kläger allesamt Adressaten der genannten Mitteilung, und zum anderen verweisen die angefochtenen Entscheidungen bzw. – was Herrn Florio in der Rechtssache T‑465/19 betrifft – der Entscheidungsentwurf ausdrücklich darauf.

115    Es stand den Klägern frei, Zugang zum Gutachten des Juristischen Dienstes zu beantragen. Darüber hinaus enthielt die endgültige Entscheidung einen direkten Link auf die Internetseite des Parlaments, auf der dieses Gutachten öffentlich zugänglich war. Jedenfalls ist festzustellen, dass alle Kläger ihrer Klageschrift das genannte Gutachten als Anhang beigefügt haben.

116    Vor diesem Hintergrund haben die Kläger vor Klageerhebung folglich freien Zugang und umfassende Kenntnis vom Inhalt des Gutachtens des Juristischen Dienstes gehabt. Es ist ihnen mithin möglich gewesen, sich zum besseren Verständnis der angefochtenen Entscheidungen über den Inhalt des Gutachtens kundig zu machen.

117    Nach alledem hat das Parlament klar und unmissverständlich die Gründe dargelegt, die es dazu veranlasst haben, die Bestimmungen des Beschlusses Nr. 14/2018 anzuwenden und die angefochtenen Entscheidungen zu erlassen. Außerdem haben die Kläger ihre Rechte vor dem Gericht geltend machen können, wie u. a. der Inhalt ihrer im Rahmen der vorliegenden Klageverfahren dargelegten tatsächlichen und rechtlichen Argumente zeigt. Daher ist davon auszugehen, dass die angefochtenen Entscheidungen rechtlich hinreichend begründet sind.

118    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Frage der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Die Begründung einer Entscheidung soll nämlich förmlich die Gründe zum Ausdruck bringen, auf denen diese beruht. Diese Begründung kann ausreichend sein, obwohl sie fehlerhafte Gründe enthält (vgl. Urteil vom 31. Mai 2018, Korwin-Mikke/Parlament, T‑352/17, EU:T:2018:319, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Rügen und Argumente, die die Begründetheit eines Rechtsakts in Frage stellen sollen, sind daher im Rahmen eines Klagegrundes unerheblich, mit dem eine fehlende oder unzureichende Begründung gerügt wird (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2019, ZQ/Kommission, T‑647/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:884, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung).

119    Folglich ist das Argument der Kläger, wonach dem Erlass der angefochtenen Entscheidungen weder eine eingehende interne Prüfung noch eine Beurteilung durch das Präsidium des Parlaments oder die Quästoren vorausgegangen sei, unerheblich, da es sich nicht auf die Begründung der angefochtenen Entscheidungen bezieht. Jedenfalls ist dieses Argument im Rahmen des ersten Teils des ersten Klagegrundes für unbegründet befunden worden.

120    Ebenso wenig kann auf das Vorbringen der Kläger abgestellt werden, wonach das Parlament erstens die Anwendung des Beschlusses Nr. 14/2018 auf sie zu Unrecht mit Art. 75 begründet habe, zweitens im Anschluss an das Gutachten des Juristischen Dienstes festgestellt habe, dass es für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 nicht zuständig sei, und drittens hätte überprüfen müssen, ob die angeblich automatische und rückwirkende Anwendung des Beschlusses Nr. 14/2018 auf die Kläger mit dem Unionsrecht, insbesondere den Bestimmungen der Charta, vereinbar sei, was es nicht getan habe. Ein solches Vorbringen hat nämlich nichts mit der Begründungspflicht zu tun. Die Begründetheit dieses Vorbringens soll jedoch weiter unten im Rahmen der übrigen Klagegründe geprüft werden.

121    Demnach ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes und damit der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2.      Zweiter Klagegrund: Fehlen einer gültigen Rechtsgrundlage und fehlerhafte Anwendung von Art. 75 der Durchführungsbestimmungen

122    Zur Stützung des zweiten Klagegrundes machen die Kläger im Wesentlichen geltend, die angefochtenen Entscheidungen hätten keine gültige Rechtsgrundlage. Anlage III sei nämlich als solche nicht mehr anwendbar. Außerdem gestatte Art. 75 es dem Parlament nicht, die Behandlung seiner ehemaligen Mitglieder in einem nachteiligen Sinne zu ändern. Mit der letztgenannten Vorschrift sollten im Gegenteil die erworbenen Rechte dieser ehemaligen Mitglieder gewahrt werden. Die angefochtenen Entscheidungen stützten sich somit zu Unrecht auf Anlage III und den erwähnten Art. 75.

123    Jedenfalls habe das Parlament einen schweren Fehler bei der Anwendung von Art. 75 begangen. Diese Vorschrift hindere das Parlament nämlich daran, die Ruhegehälter seiner ehemaligen Mitglieder herabzusetzen. Außerdem habe der in Anlage III vorgesehene Verweis auf das nationale Recht nur zu dem Zeitpunkt gegolten, zu dem sich das ehemalige Mitglied für den Beitritt zu der durch diese Anlage eingeführten Ruhegehaltsregelung entschieden habe, und nicht später, um die Regeln für die Berechnung dieser Ruhegehälter zu ändern. Schließlich sei auch Art. 29 des Abgeordnetenstatuts, der von den Bestimmungen dieses Statuts abweichende Regelungen der Mitgliedstaaten im Bereich der Altersruhegehälter auf eine Dauer beschränke, die zwei Wahlperioden des Parlaments nicht überschreiten dürfe, entsprechend zu berücksichtigen.

124    Letztendlich haben die Kläger noch in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts im Wege der Einrede die Rechtswidrigkeit von Anlage III Art. 2 Abs. 1 für den Fall gerügt, dass dieser Artikel dahin ausgelegt werden sollte, dass es dem Parlament erlaubt sei, endgültig abgeschlossene Sachverhalte in Frage zu stellen. Eine solche Befugnis verstoße nämlich gegen Art. 28 des Abgeordnetenstatuts.

125    Das Parlament beantragt, den zweiten Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

126    Vorab stellt das Gericht fest, dass die KVR gemäß Art. 74 der Durchführungsbestimmungen am Tag des Inkrafttretens des Abgeordnetenstatuts, nämlich am 14. Juli 2009, ungültig geworden ist. In Abweichung von dieser Regel bleibt die in Anlage III vorgesehene Regelung über ein identisches Ruhegehalt gemäß Art. 74 in Verbindung mit Art. 75 der Durchführungsbestimmungen jedoch übergangsweise bestehen. Folglich ist festzustellen, dass die Bestimmungen dieser Anlage nicht aufgehoben worden und noch immer anwendbar sind, im vorliegenden Fall auch auf die Kläger.

127    Die vorstehende Schlussfolgerung wird durch das aus einer entsprechenden Anwendung von Art. 29 des Abgeordnetenstatuts hergeleitete Argument der Kläger nicht in Frage gestellt. Art. 29 des Abgeordnetenstatuts sieht zwar vor, dass von den Bestimmungen dieses Statuts abweichende Regelungen der Mitgliedstaaten u. a. über das Ruhegehalt für eine Übergangszeit gelten, die die Dauer von zwei Wahlperioden des Parlaments nicht überschreiten darf. Aus diesem Artikel, der Regelungen der Mitgliedstaaten zum Gegenstand hat, lässt sich jedoch nicht ableiten, dass auch das Parlament verpflichtet wäre, jede Abweichung vom Abgeordnetenstatut im Bereich der Ruhegehälter auf eine Höchstdauer von zwei Wahlperioden zu beschränken. Selbst wenn unterstellt wird, dass die in Art. 29 des Abgeordnetenstatuts vorgesehene zeitliche Beschränkung auf die Art. 74 und 75 angewandt werden kann, könnte dies zudem jedenfalls weder zur Ungültigkeit der beiden genannten Artikel noch in der Folge zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidungen führen. Zwischen dem Inkrafttreten der Durchführungsbestimmungen und dem Tag des Erlasses der angefochtenen Entscheidungen ist nämlich kein Zeitraum verstrichen, der zwei Wahlperioden, also zehn Jahren, entspricht. Die Durchführungsbestimmungen sind am 14. Juli 2009 in Kraft getreten, während die angefochtenen Entscheidungen am 11. April 2019 und – was Herrn Florio in der Rechtssache T‑465/19 angeht – am 11. Juni 2019 ergangen sind. Selbst wenn die in Art. 29 des Abgeordnetenstatuts vorgesehene zeitliche Beschränkung entsprechend auf die Art. 74 und 75 angewandt werden könnte, würde sich diese Anwendung im vorliegenden Fall daher jedenfalls nicht auswirken.

128    Nach diesen Klarstellungen hält es das Gericht für angebracht, vor der Prüfung des übrigen Vorbringens der Kläger den Anwendungsbereich von Art. 75 zu klären.

a)      Anwendungsbereich von Art. 75 der Durchführungsbestimmungen

129    Das Gericht stellt fest, dass Art. 75 aus zwei Absätzen besteht. Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 dieses Artikels beziehen sich beide auf die Ruhegehaltsansprüche ehemaliger Abgeordneter; ihre Anwendungsbereiche betreffen die Situation ehemaliger Abgeordneter, die ihr Ruhegehalt bereits vor Inkrafttreten des Abgeordnetenstatuts, nämlich am 14. Juli 2009, bezogen haben, bzw. auf die Situation ehemaliger Abgeordneter, die das Ruhegehalt erst nach diesem Zeitpunkt bezogen haben.

130    Einerseits gilt Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 1 für ehemalige Abgeordnete, die ihr Ruhegehalt bereits vor Inkrafttreten des Abgeordnetenstatuts erhalten haben. Nach dem Wortlaut der Vorschrift fallen diese ehemaligen Abgeordneten auch nach diesem Zeitpunkt weiterhin unter die durch Anlage III geschaffene Ruhegehaltsregelung. Demnach liegen der Berechnung und Auszahlung ihres Ruhegehalts die Bestimmungen dieser Anlage zugrunde.

131    Andererseits garantiert Art. 75 Abs. 2 in seinem ersten Satz, dass die bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abgeordnetenstatuts gemäß Anlage III erworbenen Ruhegehaltsansprüche bestehen bleiben. Auch wenn diese Ruhegehaltsansprüche nach Inkrafttreten des Abgeordnetenstatuts erhalten bleiben, stellt der zweite Satz von Art. 75 Abs. 2 klar, dass der tatsächliche Bezug des Ruhegehalts von zwei Voraussetzungen abhängt. Erstens müssen die ehemaligen Abgeordneten die in den nationalen Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Bedingungen erfüllen. Zweitens müssen sie ihren Antrag auf Auszahlung des Ruhegehalts gemäß Anlage III Art. 3 Abs. 2 innerhalb von sechs Monaten nach Entstehung des Anspruchs gestellt haben. Demnach liegen der Berechnung und Auszahlung ihres Ruhegehalts auch hier die Bestimmungen der Anlage III zugrunde, der Beginn des tatsächlichen Bezugs dieser Ruhegehälter hängt aber von der Voraussetzung ab, dass die Anforderungen von Art. 75 Abs. 2 Satz 2 erfüllt sind.

132    Eine systematische Auslegung von Art. 75 schließt somit die Anwendung von Abs. 1 Unterabs. 1 dieses Artikels auf ehemalige Abgeordnete aus, die ihr Ruhegehalt erstmals nach Inkrafttreten des Abgeordnetenstatuts bezogen haben. Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 1 gilt nämlich schon nach seinem Wortlaut nur für ehemalige Abgeordnete, die bereits „vor“ Inkrafttreten des Abgeordnetenstatuts ein Ruhegehalt bezogen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Mai 2017, Costa/Parlament, T‑15/15 und T‑197/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:332, Rn. 42).

133    Dieselbe systematische Auslegung führt konsequenterweise zum Ausschluss der Anwendung von Art. 75 Abs. 2 auf ehemalige Abgeordnete, die ihr Ruhegehalt bereits vor Inkrafttreten des Abgeordnetenstatuts bezogen haben. Diese ehemaligen Abgeordneten können nämlich nicht unter Art. 75 Abs. 2 fallen, es sei denn, es wird davon ausgegangen, dass die beiden Absätze dieses Artikels ähnliche und redundante Vorschriften enthalten. Im Übrigen würde es wenig Sinn ergeben, wenn von denselben ehemaligen Abgeordneten auf der Grundlage von Art. 75 Abs. 2 Satz 2 erneut verlangt würde, dass sie ihren Antrag auf Auszahlung des Ruhegehalts innerhalb von sechs Monaten nach Entstehung des Anspruchs gestellt haben, obwohl diese Förmlichkeit zwingend vor dem 14. Juli 2009 zu erfüllen war, da sie bereits davor ein solches Ruhegehalt bezogen.

134    Demnach ist bei der Prüfung des Vorbringens der Kläger zwischen denjenigen von ihnen, die ihr Ruhegehalt bereits vor dem 14. Juli 2009 bezogen haben, und denjenigen zu unterscheiden, die das Ruhegehalt erstmals nach diesem Zeitpunkt erhalten haben. Außerdem ist, da die Parteien darin übereinstimmen, dass der in Rede stehende Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung einen Anspruch darstellt, der vom Ruhegehaltsanspruch des verstorbenen ehemaligen Abgeordneten abhängt und sich von diesem ableitet, für die Feststellung, welcher der Absätze von Art. 75 anwendbar ist, auf den Zeitpunkt abzustellen, ab dem dieser ehemalige Abgeordnete sein Ruhegehalt auf der Grundlage der Anlage III erstmals bezogen hatte.

b)      Situation der Kläger, die unter Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 1 der Durchführungsbestimmungen fallen

135    Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen gilt Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 1 für die Situation der Kläger, die ihr Ruhegehalt bereits vor dem 14. Juli 2009 bezogen haben, und damit unter Ausschluss der Kläger in den Rechtssachen T‑390/19, T‑393/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19, T‑411/19, T‑413/19, T‑417/19, T‑425/19, T‑430/19, T‑436/19, T‑441/19, T‑442/19, T‑444/19, T‑445/19, T‑452/19 und T‑465/19. Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 1 gilt auch für sämtliche Klägerinnen, die eine Hinterbliebenenversorgung erhalten, nämlich die Klägerinnen in den Rechtssachen T‑397/19, T‑409/19, T‑414/19, T‑426/19 und 427/19. Die verstorbenen Ehegatten hatten ihr Ruhegehalt nämlich sämtlich bereits vor dem 14. Juli 2009 bezogen.

136    Insoweit ist daran zu erinnern, dass Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 1 vorsieht: „Die … [Ruhegehälter] gemäß … [Anlage] III der KVR für die Mitglieder werden gemäß diese[r Anlage] … auch weiterhin den Personen gezahlt, die diese Leistungen bereits vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Statuts erhalten haben.“

137    Darüber hinaus legt Anlage III Art. 2 Abs. 1 seinerseits die im Mittelpunkt der vorliegenden Rechtssachen stehende Regelung über ein identisches Ruhegehalt mit folgendem Wortlaut fest:

„Höhe und Bedingungen des vorläufigen Altersruhegehalts sind identisch mit Höhe und Bedingungen des Altersruhegehalts für Mitglieder der Abgeordnetenkammer des Mitgliedstaates, in dem das Mitglied des Parlaments gewählt wurde.“

138    Die zwingende Formulierung dieser Vorschrift – „Höhe und Bedingungen des vorläufigen Altersruhegehalts sind identisch“ – lässt dem Parlament keinerlei Spielraum für eine eigenständige Berechnungsmethode. Vorbehaltlich der Einhaltung höherrangiger Normen des Unionsrechts einschließlich der allgemeinen Rechtsgrundsätze und der Charta ist das Parlament verpflichtet, Höhe und Bedingungen des Altersruhegehalts eines ehemaligen Europaabgeordneten, der in den Anwendungsbereich der Anlage III fällt, auf der Grundlage der Höhe und Bedingungen zu bestimmen, die im anwendbaren nationalen Recht definiert worden sind, nämlich im vorliegenden Fall auf der Grundlage der im Beschluss Nr. 14/2018 festgelegten Vorschriften. Das Gericht stellt fest, dass bei den Parteien über diese Auslegung Einvernehmen besteht.

139    Ebenso impliziert die Verwendung des Indikativ Präsens – „sind identisch“ –, dass sich diese Verpflichtung, die gleichen Vorschriften über die Höhe und die Bedingungen anzuwenden, wie sie im Recht des betreffenden Mitgliedstaats festgelegt sind, nicht darauf beschränkt, die frühere Situation der ehemaligen Abgeordneten, d. h. die Situation vor Annahme des Abgeordnetenstatuts, zu regeln, sondern weiterhin ihre Wirkungen entfaltet, solange die Ruhegehälter ausgezahlt werden.

140    Diese doppelte Auslegung wird durch Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 1 bekräftigt, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Ruhegehälter gemäß Anlage III „weiterhin … gezahlt [werden]“. Die Tatsache, dass auch hier auf eine zwingende Formulierung und den Indikativ Präsens zurückgegriffen wird, bestätigt zum einen den Fortbestand der in Anlage III Art. 2 Abs. 1 enthaltenen Vorschriften auch nach Inkrafttreten des Abgeordnetenstatuts und zum anderen den fehlenden Handlungsspielraum des Parlaments hinsichtlich ihrer Anwendung.

141    Aus dem Vorstehenden folgt, dass das Parlament gemäß Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 1 in Verbindung mit Anlage III Art. 2 Abs. 1 ausdrücklich verpflichtet ist, jederzeit die gleichen Vorschriften über Höhe und Bedingungen der Altersruhegehälter anzuwenden, wie sie im Recht des betreffenden Mitgliedstaats festgelegt sind. Das Parlament kann sich, worauf bereits oben in Rn. 138 hingewiesen worden ist, von dieser Verpflichtung nur befreien, wenn die Umsetzung der genannten Vorschriften in Anbetracht des Grundsatzes der Hierarchie der Normen zu einem Verstoß gegen eine höherrangige Norm des Unionsrechts führen würde.

142    Auch wenn die Anwendung der besagten Vorschriften – wie im vorliegenden Fall – eine Kürzung der Ruhegehälter mit sich bringt, kann dies im Übrigen dennoch nicht als eine Verletzung der von den Ruhegehaltsempfängern erworbenen Ruhegehaltsansprüche angesehen werden.

143    Eine Auslegung von Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 1 in Verbindung mit Anlage III deutet nämlich darauf hin, dass die erworbenen Ruhegehaltsansprüche aus Beiträgen der ehemaligen Abgeordneten nur die Berechnungsgrundlage für die genannten Ruhegehälter darstellen. Keine Bestimmung von Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 1 und Anlage III garantiert hingegen Ruhegehälter in unveränderlicher Höhe. Die erworbenen Ruhegehaltsansprüche, von denen im erwähnten Art. 75 die Rede ist, dürfen nicht mit einem vermeintlichen Anspruch auf einen festen Ruhegehaltsbetrag verwechselt werden.

144    Die vorstehende Auslegung der Regelung über ein identisches Ruhegehalt wird nicht durch den siebten Erwägungsgrund der Durchführungsbestimmungen entkräftet, auf den sich die Kläger beziehen. In diesem Erwägungsgrund wird nämlich lediglich klargestellt, dass die vor Inkrafttreten des Abgeordnetenstatuts erworbenen Ruhegehaltsansprüche auch danach noch gewährleistet sind. Er besagt hingegen nicht, dass die Höhe der genannten Ruhegehälter nicht revidiert werden könnte, sei es nach oben oder nach unten. Daher wird Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 1 in Verbindung mit Anlage III Art. 2 Abs. 1 durch den erwähnten Erwägungsgrund lediglich inhaltlich bestätigt.

145    Die vorstehende Auslegung wird auch nicht durch Art. 75 Abs. 2 Satz 1 entkräftet. Diese Vorschrift sieht zwar vor, dass „[d]ie bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Statuts gemäß Anlage III erworbenen Ruhegehaltsansprüche … bestehen [bleiben]“. Ebenso wenig wie der siebte Erwägungsgrund der Durchführungsbestimmungen besagt Art. 75 Abs. 2 Satz 1 jedoch, dass sich die Höhe der Ruhegehälter nicht ändern könnte, sei es zugunsten oder zu Ungunsten der Ruhegehaltsbezieher. Außerdem führt eine systematische Auslegung dieses Art. 75, wie oben aus den Rn. 132 und 133 hervorgeht, jedenfalls zur Unanwendbarkeit seines Abs. 2 auf ehemalige Abgeordnete wie die oben in Rn. 135 erwähnten Kläger, die ihr Ruhegehalt bereits vor dem 14. Juli 2009 bezogen haben.

146    Entgegen dem von den Klägern in ihrer oben in Rn. 124 erwähnten Rechtswidrigkeitseinrede angeführten Vorbringen führt die vorstehende Auslegung auch nicht zu einem Verstoß gegen Art. 28 des Abgeordnetenstatuts. Wie das Parlament zu Recht bemerkt hat, genügt nämlich die Feststellung, dass Art. 28 des Abgeordnetenstatuts schon nach seinem eigenen Wortlaut nur für Ruhegehaltsansprüche gilt, die die Abgeordneten „nach einzelstaatlichen Regelungen“ erworben haben. Im vorliegenden Fall sind die Ruhegehälter der Kläger jedoch nicht nach einer einzelstaatlichen Regelung erworben worden, sondern auf der Grundlage der Bestimmungen von Anlage III. Außerdem erkennen die Kläger in ihren Schriftsätzen selbst an, dass ihre Ruhegehälter nicht zulasten der Italienischen Republik gehen, sondern zulasten des Parlaments. Art. 28 des Abgeordnetenstatuts gilt somit nicht für die Ruhegehälter der Kläger, da diese Ruhegehälter unter eine Ruhegehaltsregelung der Union und nicht unter eine nationale Ruhegehaltsregelung fallen. Ihre Rechtswidrigkeitseinrede ist zurückzuweisen.

147    Schließlich stellt das Gericht fest, dass die Veränderlichkeit der Höhe der gemäß Anlage III Art. 2 Abs. 1 gezahlten Ruhegehälter durch die Praxis bestätigt wird. In Beantwortung der schriftlichen Fragen des Gerichts hat das Parlament nämlich unter Vorlage von Beweisen darauf hingewiesen, dass vor dem Erlass des Beschlusses Nr. 14/2018 circa zehn ehemaligen in Italien gewählten Europaabgeordneten bereits die Ruhegehälter gekürzt worden seien, um dem Beschluss Nr. 210/2017 des Präsidiums der Abgeordnetenkammer Rechnung zu tragen. Umgekehrt hat das Parlament – ebenfalls beweisgestützt – ausgeführt, dass die Ruhegehälter einiger ehemaliger in Italien gewählter Europaabgeordneter zwischen 2002 und 2005 nach Maßgabe der vom Präsidium der Abgeordnetenkammer beschlossenen Erhöhung der parlamentarischen Entschädigung gestiegen seien.

c)      Situation der Kläger, die unter Art. 75 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen fallen

148    Unter Berücksichtigung der oben in den Rn. 129 bis 134 dargelegten Erwägungen gilt Art. 75 Abs. 2 nur für die Kläger in den Rechtssachen T‑390/19, T‑393/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19, T‑411/19, T‑413/19, T‑417/19, T‑425/19, T‑430/19, T‑436/19, T‑441/19, T‑442/19, T‑444/19, T‑445/19, T‑452/19 und T‑465/19.

149    Hierbei ist daran zu erinnern, dass Art. 75 Abs. 2 Folgendes bestimmt:

„Die bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Statuts gemäß Anlage III erworbenen Ruhegehaltsansprüche bleiben bestehen. Die Personen, die im Rahmen dieser Ruhegehaltsregelung Ansprüche erworben haben, erhalten ein Ruhegehalt, das auf der Grundlage ihrer gemäß der oben genannten Anlage III erworbenen Ansprüche berechnet wird, sofern sie die in den nationalen Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates vorgesehenen Bedingungen erfüllen und den Antrag im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 der genannten Anlage III gestellt haben.“

150    Der erste Satz von Art. 75 Abs. 2 kann nicht so ausgelegt werden, als garantiere er eine unveränderliche Höhe des Ruhegehalts der betreffenden ehemaligen Europaabgeordneten. Ein erworbener Anspruch auf ein Ruhegehalt mit einem nicht revidierbaren Endbetrag wird in diesem Artikel nämlich nicht festgeschrieben.

151    In Wirklichkeit hat das Parlament mit dem Hinweis, wonach „[d]ie bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Statuts gemäß Anlage III erworbenen Ruhegehaltsansprüche … bestehen [bleiben]“, lediglich bestätigt, dass sämtliche auf der Grundlage der bis zum 14. Juli 2009 gezahlten Beiträge erworbenen Ruhegehaltsansprüche auch nach diesem Zeitpunkt gewahrt wurden. Aus den Rn. 142 bis 144 sowie 146 und 147 weiter oben geht hervor, dass die erwähnten erworbenen Ansprüche ausschließlich als Grundlage für die Berechnung der Höhe des Ruhegehalts dienen. Der Ausdruck „erworbene Ansprüche“ kann hingegen nicht so verstanden werden, als führe er zu einem endgültigen und unabänderlichen Ergebnis hinsichtlich der Berechnung der Höhe dieser Ruhegehälter.

152    Außerdem lassen sich mit diesem Hinweis auch die jeweiligen Anwendungsbereiche von Art. 49 der Durchführungsbestimmungen und Art. 75 Abs. 2 in Bezug auf ehemalige Abgeordnete unterscheiden, die ihr Ruhegehalt zum Stichtag 14. Juli 2009 noch nicht erstmals bezogen hatten.

153    Wie die Kläger und das Parlament zutreffend ausführen, fallen die nach dem Inkrafttreten des Abgeordnetenstatuts erworbenen Ruhegehaltsansprüche nämlich ausschließlich unter Art. 49 der Durchführungsbestimmungen. Die bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Ruhegehaltsansprüche werden ausschließlich durch Art. 75 Abs. 2 und Anlage III geregelt. Seit dem 14. Juli 2009 ist es somit nicht mehr möglich, Ruhegehaltsansprüche auf der Grundlage dieser Vorschriften zu erwerben. Daraus ergeben sich zwei aufeinanderfolgende Ruhegehaltsregelungen, die zu zwei Arten von Ruhegehaltsansprüchen führen: den bis zum 14. Juli 2009 auf der Grundlage von Art. 75 und Anlage III erworbenen Ruhegehaltsansprüchen und den seit dem 14. Juli 2009 auf der Grundlage von Art. 49 der Durchführungsbestimmungen erworbenen Ruhegehaltsansprüchen. Zwischen den Parteien ist insoweit unstreitig, dass die von dieser Regelungskumulation betroffenen ehemaligen Abgeordneten zwei unterschiedliche Ruhegehälter beziehen und nur das Ruhegehalt, das über Art. 75 Abs. 2 und Anlage III geregelt wird, gekürzt worden ist.

154    Mit der Klarstellung, dass die bis zum Tag des Inkrafttretens des Statuts erworbenen Ruhegehaltsansprüche auch danach noch bestehen bleiben, besagt Art. 75 Abs. 2 Satz 1 somit implizit, aber im Einklang mit Art. 49 der Durchführungsbestimmungen, dass diese Garantie keine neuen, nach dem erwähnten Zeitpunkt erworbenen Ruhegehaltsansprüche betreffen kann, da ein solcher Erwerb gerade rechtlich unmöglich geworden ist. Aus sämtlichen oben dargelegten Gründen kann Art. 75 Abs. 2 Satz 1 hingegen nicht so ausgelegt werden, als bekräftige er die Unveränderlichkeit der Ruhegehälter in der Höhe.

155    Sodann ist festzustellen, dass die Höhe des Ruhegehalts, worauf Art. 75 Abs. 2 Satz 2 in seinem ersten Teil hinweist, gemäß den in Anlage III festgelegten Regeln berechnet wird. Der zweite Teil dieses Satzes verlangt außerdem, dass zwei Anforderungen erfüllt sind, nämlich dass die einschlägigen Bestimmungen des auf dem Gebiet der Gewährung eines Ruhegehalts anwendbaren nationalen Rechts eingehalten werden und dass der Antrag auf Auszahlung dieses Ruhegehalts gestellt worden ist.

156    Das Gericht stellt fest, dass Art. 75 Abs. 2 Satz 2 klar zwischen „erworbenen Ruhegehaltsansprüchen“ und „Ruhegehältern“ unterscheidet. Zum einen ist offenkundig, dass sich das Adjektiv „erworben“ nicht auf den Begriff „Ruhegehälter“ bezieht, was zu bestätigen scheint, dass es nicht unmöglich ist, sie ihrer Höhe nach zu ändern. Zum anderen werden die genannten Ruhegehälter zwar auf der Grundlage der erwähnten „erworbenen Ruhegehaltsansprüche“ bestimmt, dies geschieht aber „gemäß“ den in Anlage III festgelegten Berechnungsregeln. In diesem Punkt nimmt der genannte Art. 75 Abs. 2 Satz 2 auf Anlage III und damit implizit auf Art. 2 Abs. 1 dieser Anlage Bezug. Folglich wird auf die oben in den Rn. 138 bis 141 angestellten Überlegungen verwiesen, denen zufolge das Parlament vorbehaltlich der Einhaltung höherrangiger Normen des Unionsrechts verpflichtet ist, die im Recht des betreffenden Mitgliedstaats festgelegten Vorschriften über Höhe und Bedingungen der Ruhegehälter anzuwenden.

157    Was die beiden in Art. 75 Abs. 2 Satz 2 genannten zusätzlichen Anforderungen betrifft, genügt die Feststellung, dass sie nicht bezwecken, wie die Kläger geltend machen, die Inanspruchnahme eines vermeintlichen Schutzes ihrer „erworbenen Ansprüche“ – in dem Sinne, dass die Ruhegehälter nicht in ihrer Höhe geändert werden könnten – von bestimmten Bedingungen abhängig zu machen, sondern den tatsächlichen Bezug dieser Ruhegehälter an die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen knüpfen. Ein ehemaliger Abgeordneter kann nämlich nur dann Anspruch auf sein Ruhegehalt erheben, wenn er die in den nationalen Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats dafür vorgesehenen Bedingungen erfüllt und außerdem den Auszahlungsantrag im Sinne von Anlage III Art. 3 Abs. 2 gestellt hat. Diese Anforderungen haben somit nichts mit irgendeiner Garantie zu tun, dass die Ruhegehälter in ihrer Höhe unveränderlich wären.

158    Das Gericht stellt schließlich fest, dass das Parlament einziger Schuldner der in Anlage III auferlegten Verpflichtung ist, die im Recht des betreffenden Mitgliedstaats festgelegten Vorschriften über Höhe und Bedingungen der Ruhegehälter anzuwenden. Dagegen trifft die Verpflichtung, die beiden oben in Rn. 157 beschriebenen Anforderungen zu erfüllen, ihrerseits ausschließlich die Empfänger der genannten Ruhegehälter.

d)      Ergebnis

159    Im vorliegenden Fall hat das Parlament weder Art. 75 noch Anlage III Art. 2 Abs. 1 abgeändert. Diese Vorschriften sind unverändert geblieben. Ebenso wenig hat das Parlament die von den Klägern vor dem 14. Juli 2009 erworbenen Ruhegehaltsansprüche in Frage gestellt.

160    Konkret hat das Parlament gemäß Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1 lediglich Höhe und Bedingungen der Altersruhegehälter bzw. Hinterbliebenenbezüge der Kläger angepasst, um den neuen Berechnungsregeln des Beschlusses Nr. 14/2018 Rechnung zu tragen. So sind in Anwendung der neuen Vorgaben des Beschlusses Nr. 14/2018 nur die Regeln für die Berechnung der Höhe dieser Ruhegehälter bzw. Hinterbliebenenbezüge geändert worden. Die Kläger haben im Übrigen nicht vorgetragen, dass das Parlament die Bestimmungen des Beschlusses Nr. 14/2018 fehlerhaft angewandt habe.

161    Überdies stellt das Gericht vergleichshalber fest, dass die Rechtsprechung die Möglichkeit einer Änderung der Höhe der Ruhegehälter bereits im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des öffentlichen Dienstes der Union anerkannt hat. Dieser Rechtsprechung zufolge ist deutlich zwischen der Festsetzung des Ruhegehaltsanspruchs und der Auszahlung der daraus resultierenden Leistungen zu unterscheiden. Nach der Rechtsprechung werden die hinsichtlich der Festsetzung eines Ruhegehalts erworbenen Ansprüche daher nicht verletzt, wenn die Änderungen bei den tatsächlich ausgezahlten Beträgen auf Entwicklungen bei den Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zurückgehen, die den eigentlichen Ruhegehaltsanspruch nicht beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. November 2006, Campoli/Kommission, T‑135/05, EU:T:2006:366, Rn. 79 und 80 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

162    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist das Parlament seiner Verpflichtung aus Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1 nachgekommen, indem es die Bestimmungen des Beschlusses Nr. 14/2018 angewandt und dementsprechend die angefochtenen Entscheidungen erlassen hat. Die Frage, ob diese Anwendung der Bestimmungen des Beschlusses Nr. 14/2018 durch das Parlament gegen andere höherrangige Normen des Unionsrechts als den genannten Art. 75 oder Anlage III verstößt, soll im Rahmen des vierten Klagegrundes untersucht werden.

163    Nach alledem durfte sich das Parlament beim Erlass der angefochtenen Entscheidungen auf Art. 75 und die Vorschriften von Anlage III stützen, ohne gegen deren Bestimmungen zu verstoßen.

164    Demnach ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

3.      Dritter Klagegrund: Rechtsfehler bei der Einordnung des Beschlusses Nr. 14/2018 und fehlerhafte Anwendung des in Art. 75 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen vorgesehenen „Gesetzesvorbehalts“

165    Zur Stützung dieses dritten Klagegrundes machen die Kläger geltend, Art. 75 Abs. 2 verweise nur auf das in Form eines „Gesetzes“ erlassene nationale Recht. Dadurch, dass dieser Bereich dem Gesetzgeber vorbehalten sei, solle vorrangig und noch vor dem Schutz der einzelnen Abgeordneten die Legislativfunktion geschützt werden. Der Beschluss Nr. 14/2018 sei indessen bloß ein schlichter interner Beschluss der Abgeordnetenkammer bar jeder Gesetzeskraft. Deshalb gelte er nur für Personen, denen gegenüber die Abgeordnetenkammer ihre Regelungszuständigkeiten ausübe, nämlich ihr Personal und die Mitglieder dieser Kammer bis zum Ende ihrer Amtszeit.

166    Darüber hinaus erfasse der Verweis in Art. 75 Abs. 2 auf die „nationalen Rechtsvorschriften“ nur die vom betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Bedingungen für die Gewährung eines Ruhegehaltsanspruchs an einen ehemaligen Europaabgeordneten. Dieser Verweis könne es dem Parlament hingegen nicht ermöglichen, die Methoden zur Berechnung dieser Ruhegehälter zu ändern.

167    Schließlich verstießen die angefochtenen Entscheidungen gegen Art. 17 der Charta sowie gegen Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zu der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK). Diese Vorschriften gewährleisteten nämlich, dass jemandem sein Eigentum nur unter den durch „Gesetz“ vorgesehenen Bedingungen entzogen werden dürfe.

168    Das Parlament beantragt, den dritten Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

169    Soweit die Kläger dem Parlament zum Vorwurf machen, ihr Eigentumsrecht verletzt zu haben, da die Kürzung ihres Ruhegehalts nicht in einem „Gesetz“ vorgesehen gewesen sei, ist vorab festzustellen, dass dieses Argument mit der im Rahmen des vierten Klagegrundes entwickelten Argumentation zusammenfällt. Auf ihn wird daher verwiesen.

170    Sodann ist der vorliegende dritte Klagegrund in Bezug auf die oben in Rn. 135 genannten Kläger als ins Leere gehend zurückzuweisen. Wie im Rahmen des zweiten Klagegrundes, insbesondere oben in Rn. 135, dargelegt worden ist, fallen diese Kläger nämlich nicht in den Anwendungsbereich von Art. 75 Abs. 2, sondern in den Anwendungsbereich von Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 1, da sie ihr Ruhegehalt bereits vor Inkrafttreten des Abgeordnetenstatuts bezogen haben. Folglich kann ein etwaiger Verstoß gegen Art. 75 Abs. 2 durch das Parlament jedenfalls nicht zur Nichtigerklärung der die erwähnten Kläger betreffenden angefochtenen Entscheidungen führen.

171    Die Prüfung des vorliegenden dritten Klagegrundes ist somit auf die oben in Rn. 148 genannten Kläger, d. h. auf die Kläger in den Rechtssachen T‑390/19, T‑393/19, T‑404/19, T‑406/19, T‑407/19, T‑411/19, T‑413/19, T‑417/19, T‑425/19, T‑430/19, T‑436/19, T‑441/19, T‑442/19, T‑444/19, T‑445/19, T‑452/19 und T‑465/19, beschränkt.

172    Art. 75 Abs. 2 Satz 2 sieht Folgendes vor:

„Die Personen, die im Rahmen dieser Ruhegehaltsregelung Ansprüche erworben haben, erhalten ein Ruhegehalt, das auf der Grundlage ihrer gemäß der oben genannten Anlage III erworbenen Ansprüche berechnet wird, sofern sie die in den nationalen Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates vorgesehenen Bedingungen erfüllen und den Antrag im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 der genannten Anlage III gestellt haben.“

173    Wie oben in den Rn. 155 bis 157 ausgeführt worden ist, unterscheidet Art. 75 Abs. 2 Satz 2 zwischen den Modalitäten für die Berechnung der Höhe der Ruhegehälter, die ausschließlich durch Anlage III Art. 2 Abs. 1 geregelt werden, einerseits und den Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit die genannten Ruhegehälter tatsächlich zur Auszahlung gelangen, wozu u. a. die „in den nationalen Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates vorgesehenen Bedingungen“ gehören, andererseits. Darüber hinaus geht aus der obigen Rn. 158 hervor, dass die Verpflichtung zur Beachtung der erwähnten Anforderungen die Empfänger der Ruhegehälter trifft und nicht das Parlament.

174    Zum einen ist es – selbst wenn unterstellt wird, dass sich der in Art. 75 Abs. 2 Satz 2 verwendete Begriff „nationale Rechtsvorschriften“ ausschließlich auf nationale Rechtsakte mit Gesetzesrang bezieht – im vorliegenden Fall jedenfalls ohne Bedeutung, dass der Beschluss Nr. 14/2018 nach italienischem Recht nicht die Form eines „Gesetzes“ aufweist. Der Beschluss Nr. 14/2018 hat nämlich, wie sogar die Kläger einräumen, nicht zum Ziel, die Anforderungen zu ändern, von denen die tatsächliche Inanspruchnahme der Ruhegehälter abhängig gemacht wird, wie beispielsweise das Erreichen des gesetzlichen Alters, ab dem ein ehemaliger Abgeordneter zum Bezug seines Ruhegehalts berechtigt ist, oder auch die Nichtausübung bestimmter vom italienischen Gesetzgeber als unvereinbar erachteter Funktionen. Wie die Kläger selbst angeben und wie seine Überschrift – „Neufestsetzung der Höhe der lebenslangen Versorgungsbezüge und des Pro-rata-Anteils der Vorsorgeleistungen an den lebenslangen Versorgungsbezügen sowie der Hinterbliebenenleistungen …“ – belegt, sind mit dem Beschluss Nr. 14/2018 einfach nur die Modalitäten für die Berechnung der Ruhegehälter angepasst worden.

175    Zum anderen stellt Art. 2 Abs. 1 der Anlage III, der die Berechnung der Höhe der genannten Ruhegehälter gerade dadurch regelt, dass er auf das Recht des betreffenden Mitgliedstaats verweist, nicht klar, dass diese nationalen Rechtsvorschriften ihrer Form nach ein „Gesetz“ sein müssten. Hinzu kommt, dass überhaupt keine Bestimmung der Anlage III auf die „Rechtsvorschriften“ des betreffenden Mitgliedstaats verweist.

176    Folglich beruht der vorliegende Klagegrund auf einer offensichtlich falschen Auslegung von Art. 75 Abs. 2, da diese Vorschrift – ebenso wie Art. 75 Abs. 1 – nicht verlangt, dass die Modalitäten für die Berechnung der Ruhegehälter im Recht des betreffenden Mitgliedstaats durch ein „Gesetz“ festgelegt werden. Es spielt somit keine Rolle, dass der Beschluss Nr. 14/2018 nicht in Form eines Gesetzes erlassen worden ist.

177    Demnach ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

4.      Vierter Klagegrund: Verstoß gegen mehrere allgemeine Grundsätze des Unionsrechts

178    Der vorliegende vierte Klagegrund besteht aus drei Teilen. Der erste bezieht sich auf einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie auf eine Verletzung des Eigentumsrechts. Der zweite Teil betrifft einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der dritte Teil hat eine Verletzung des Gleichheitssatzes zum Gegenstand.

179    Vorab stellt das Gericht fest, dass das Parlament, wie es im Wesentlichen vorträgt, gemäß Art. 75 und Anlage III verpflichtet ist, die Höhe der Ruhegehälter, die ehemaligen, in Italien gewählten und unter diese Vorschriften fallenden Europaabgeordneten gezahlt werden, zu berechnen und gegebenenfalls zu aktualisieren, wobei die Folgerungen aus dem Beschluss Nr. 14/2018 zu ziehen sind, solange dieser nationale Beschluss in Kraft ist, was gegenwärtig der Fall ist, da er von der Abgeordnetenkammer weder aufgehoben noch zurückgenommen worden und auch nicht vom Consiglio di giurisdizione della Camera dei deputati (Schlichtungsrat der Abgeordnetenkammer) für nichtig erklärt worden ist.

180    Bei der Durchführung von Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1 ist das Parlament als Unionsorgan jedoch gemäß Art. 51 Abs. 1 der Charta verpflichtet, deren Bestimmungen einzuhalten. Dies gilt zum einen ungeachtet dessen, dass die Abgeordnetenkammer beim Erlass des Beschlusses Nr. 14/2018 nicht das Recht der Union durchgeführt hat und somit nicht verpflichtet war, die in der Charta enthaltenen Bestimmungen einzuhalten, und zum anderen, wie der Gerichtshof in einem vertraglichen Kontext hervorgehoben hat (Urteil vom 16. Juli 2020, ADR Center/Kommission, C‑584/17 P, EU:C:2020:576, Rn. 86), selbst dann, wenn das italienische Recht nicht die gleichen Garantien wie die Charta und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts bietet.

181    Demnach hätte sich das Parlament bei der Bestimmung der Höhe der Ruhegehälter der Kläger nur dann über die neuen Modalitäten für die Berechnung der Ruhegehälter ehemaliger Mitglieder der Abgeordnetenkammer, wie sie im Beschluss Nr. 14/2018 vorgesehen sind, hinwegsetzen dürfen, wenn die Anwendung der Bestimmungen des Beschlusses Nr. 14/2018 zu einem Verstoß gegen die Charta oder die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts geführt hätte (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru, C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 88, vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality [Mängel des Justizsystems], C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, Rn. 59, 73 und 78, sowie vom 25. Juli 2018, Generalstaatsanwaltschaft [Haftbedingungen in Ungarn], C‑220/18 PPU, EU:C:2018:589, Rn. 59).

182    Angesichts der Tatsache, dass das Gericht nicht dafür zuständig ist, die Rechtmäßigkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 und insbesondere seine Übereinstimmung mit der Charta unmittelbar zu prüfen, hat es im vorliegenden Fall unter diesen Umständen lediglich anhand des Vorbringens der Kläger zu untersuchen, ob die Anwendung der in dem erwähnten nationalen Beschluss nunmehr vorgesehenen Berechnungsmodalitäten durch das Parlament dazu geführt hat, dass dieses Organ, wie die genannten Kläger vortragen, gegen die Bestimmungen der Charta und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts verstoßen hat.

a)      Erster Teil des vierten Klagegrundes: Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie Verletzung des Eigentumsrechts

183    Im Rahmen des ersten Teils tragen die Kläger vor, die angefochtenen Entscheidungen liefen der Unveränderlichkeit ihrer erworbenen Ansprüche zuwider und verletzten das berechtigte Vertrauen, das der während ihrer Amtszeit geltende Rechtsrahmen geschaffen habe. Genauer gesagt habe das Parlament gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoßen, als es davon ausgegangen sei, dass der Beschluss Nr. 14/2018 automatisch auf die Ruhegehaltsregelungen der Kläger Anwendung finde. Aus der Rechtsprechung, insbesondere dem Urteil vom 18. Oktober 2011, Purvis/Parlament (T‑439/09, EU:T:2011:600), gehe vielmehr hervor, dass erworbene Rechte von Maßnahmen, mit denen das System der Ruhegehaltsansprüche in einem nachteiligen Sinne geändert werde, nicht berührt werden könnten. Zudem habe das Parlament diese erworbenen Ansprüche rückwirkend und vollkommen unvorhersehbar abgeändert. Auch seien die Kläger, da sie ihre Ruhegehaltsansprüche unter der Geltung der KVR erworben hätten, nunmehr außenstehende Dritte und fielen daher nicht unter die Regelungszuständigkeit des Parlaments und der Abgeordnetenkammer. Außerdem mache die Verletzung der Ruhegehaltsansprüche durch die angefochtenen Entscheidungen den Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes umso schwerwiegender, als der Ruhegehaltsregelung, so wie sie in Anlage III ausgestaltet sei, die freiwillige Entscheidung der Abgeordneten für einen Beitritt zugrunde liege.

184    In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts haben die Kläger darüber hinaus eine Einrede der Rechtswidrigkeit in Bezug auf Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1 erhoben, falls diese beiden Vorschriften so ausgelegt werden sollten, dass sie es dem Parlament unter Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gestatteten, Maßnahmen zu ergreifen, die sich rückwirkend auf endgültig erworbene Ruhegehaltsansprüche auswirkten.

185    Die Kläger tragen ferner vor, durch die Kürzung der Ruhegehälter, zu der die angefochtenen Entscheidungen führten, werde ihr Eigentumsrecht verletzt, ohne dass dies im vorliegenden Fall durch ein allgemeines Interesse, das vom Parlament nicht einmal angeführt werde, gerechtfertigt sei. Auch werde in den angefochtenen Entscheidungen weder die den Kläger auferlegte finanzielle Belastung geprüft noch eine Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen vorgenommen. Die angefochtenen Entscheidungen verstießen somit dadurch gegen Art. 17 der Charta, dass sie, ohne durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt zu sein, eine rückwirkende Änderung der Ruhegehaltsregelungen der Kläger vorsähen.

186    Das Parlament beantragt, den ersten Teil des vierten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

1)      Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

187    Der Grundsatz der Rechtssicherheit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, verlangt, dass Rechtsvorschriften klar und präzise sind, und soll die Voraussehbarkeit der unter das Unionsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2011, Purvis/Parlament, T‑439/09, EU:T:2011:600, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

188    Bei der Prüfung der von den Klägern erhobenen Rechtswidrigkeitseinrede ist zu bestimmen, ob Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1, wie die Kläger vortragen, dem Parlament den Erlass von Maßnahmen gestatten, die sich rückwirkend auf endgültig erworbene Ruhegehaltsansprüche auswirken, selbst wenn eine solche Auslegung gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstieße.

189    Diese Rechtswidrigkeitseinrede ist zurückzuweisen, da sie von der unzutreffenden Prämisse ausgeht, dass das Parlament zur Änderung erworbener Ruhegehaltsansprüche berechtigt sei. Allerdings verleihen weder Art. 75 noch Anlage III Art. 2 Abs. 1 dem Parlament eine solche Befugnis. Im Gegenteil: Diese Vorschriften verlangen die Wahrung der erworbenen Ruhegehaltsansprüche.

190    Das bedeutet jedoch nicht, dass die Höhe der genannten Ruhegehälter vor Inkrafttreten des Abgeordnetenstatuts endgültig festgesetzt worden wäre und nicht abgeändert werden könnte.

191    Wie aus den im Rahmen der Prüfung des zweiten Klagegrundes oben in den Rn. 126 bis 161 dargelegten Erwägungen hervorgeht, sind „erworbene Ruhegehaltsansprüche“ und „Ruhegehälter“ nämlich von der „Höhe der Ruhegehälter“ zu unterscheiden. Auch wenn „Ruhegehaltsansprüche“ endgültig erworben sind und nicht abgeändert werden können und auch wenn die Ruhegehälter weiterhin gezahlt werden, steht nichts einer Anpassung der Höhe der Ruhegehälter nach oben oder unten entgegen. In Anbetracht von Art. 75 und der Regelung über ein identisches Ruhegehalt ist das Parlament im Gegenteil verpflichtet, die Höhe der genannten Ruhegehälter unter Anwendung der gleichen Vorschriften über Höhe und Modalitäten der Ruhegehälter, wie sie im Recht des betreffenden Mitgliedstaats festgelegt sind, zu berechnen.

192    Die Kläger haben somit nicht nachgewiesen, dass Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1 gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstießen. Die Rechtswidrigkeitseinrede ist daher unbegründet.

193    Sodann ist zu prüfen, ob der Erlass der angefochtenen Entscheidungen auf der Grundlage dieser Vorschriften gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen hat.

194    Aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes geht hervor, dass die Höhe der Ruhegehälter, wie Art. 75 klar und präzise vorsieht, gemäß Art. 2 Abs. 1 der Anlage III berechnet wird, der die Regelung über ein identisches Ruhegehalt einführt und bestimmt, dass „Höhe und Bedingungen [der Altersruhegehälter] … identisch [sind]“ mit der Höhe und den Bedingungen der Altersruhegehälter, die Mitglieder der Abgeordnetenkammer im vorliegenden Fall erhalten.

195    In diesen Vorschriften, die seit Inkrafttreten des Abgeordnetenstatuts nicht geändert worden sind, wird somit ausdrücklich die Möglichkeit einer Anpassung der Höhe der Altersruhegehälter nach oben oder unten ins Auge gefasst, um den relevanten Entwicklungen des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats Rechnung zu tragen. Außerdem ist daran zu erinnern, dass die angefochtenen Entscheidungen, wie im Rahmen der Prüfung des zweiten Klagegrundes festgestellt worden ist, im Einklang mit Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1 erlassen worden sind.

196    Damit die rückwirkende Anwendung eines Rechtsakts nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstößt, muss ein in seinem Wortlaut oder seinen Zielen hinreichend klarer Hinweis den Schluss zulassen, dass die Bestimmungen dieses Rechtsakts nicht nur für die Zukunft gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Juli 2014, Panasonic Italia u. a., C‑472/12, EU:C:2014:2082, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

197    Es trifft zwar zu, dass die angefochtenen Entscheidungen am 11. April 2019 und – was Herrn Florio in der Rechtssache T‑465/19 anbelangt – am 11. Juni 2019 ergangen sind und ihre Wirkungen schon zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich am 1. Januar 2019, entfaltet haben. Diese Gesichtspunkte allein reichen jedoch nicht für die Feststellung aus, dass das Parlament gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen hätte, indem es die neu bestimmte Höhe der Ruhegehälter ab diesem Zeitpunkt angewandt hat.

198    Die Tatsache, dass die Höhe der Ruhegehälter der Kläger ab dem 1. Januar 2019 geändert worden ist, erklärt sich durch die das Parlament gemäß Anlage III Art. 2 Abs. 1 treffende Verpflichtung, die im Recht des betreffenden Mitgliedstaats festgelegten Bedingungen auch auf die Ruhegehälter anzuwenden. Die Festlegung des Zeitpunkts, ab dem die die neuen Regeln für die Berechnung der genannten Ruhegehälter anzuwenden sind, ist unbestreitbar Teil dieser „Bedingungen“.

199    Insoweit geht aus Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 14/2018 ausdrücklich hervor, dass die Höhe der Ruhegehälter „[m]it Wirkung vom 1. Januar 2019 … nach den neuen in diesem Beschluss vorgesehenen Modalitäten berechnet [wird]“.

200    Gemäß Anlage III Art. 2 Abs. 1 konnten die Kläger ab dem 1. Januar 2019 demnach nicht länger Anspruch auf Bezug ihres Ruhegehalts erheben, so wie es vor diesem Zeitpunkt berechnet worden war. Im Gegenteil: Seit dem 1. Januar 2019 waren nur Ruhegehälter fällig und zahlbar, deren Höhe unter Einhaltung der im Beschluss Nr. 14/2018 festgelegten Regeln angepasst worden war.

201    Es wäre zwar vorzugswürdig gewesen, wenn die angefochtenen Entscheidungen vor dem 1. Januar 2019 und nicht danach ergangen wären. Dieser Umstand ist im vorliegenden Fall jedoch ohne Bedeutung. Die Verpflichtung, die neuen Berechnungsregeln mit Wirkung von diesem Zeitpunkt auf die Ruhegehälter der Kläger anzuwenden, geht nicht auf die angefochtenen Entscheidungen, sondern auf Anlage III Art. 2 Abs. 1 zurück. In diesem Sinne werden in den angefochtenen Entscheidungen lediglich die Konsequenzen gezogen, die sich unmittelbar aus Anlage III Art. 2 Abs. 1 ergeben und folglich dazu führen, dass Beträge, die zwischen dem 1. Januar 2019 und dem Tag des Erlasses der betreffenden Entscheidungen, also dem 11. April bzw. 11. Juni 2019, rechtsgrundlos gezahlt worden sind, zurückerstattet werden müssen.

202    Hieraus folgt, dass die Kläger nicht nachgewiesen haben, dass im vorliegenden Fall gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen worden wäre. Gemäß den Bestimmungen der Anlage III gelten die neuen Beträge der Ruhegehälter der Kläger nämlich seit dem 1. Januar 2019. Die Bestimmungen der Anlage III sind weit vor dem 1. Januar 2019 und nicht danach erlassen worden. Außerdem haben die Kläger weder vorgetragen noch lässt sich dem Akteninhalt entnehmen, dass das Parlament diese neuen Beträge vor dem 1. Januar 2019, d. h. vor dem im Beschluss Nr. 14/2018 genannten Zeitpunkt, angewandt hätte. Schließlich hatte das Parlament, wie oben in Rn. 17 erwähnt, die Kläger im Januar 2019 über eine mögliche Anwendung der Bestimmungen des Beschlusses Nr. 14/2018 auf sie informiert. Auch hatte das Parlament, wie oben in Rn. 19 erwähnt, den Klägern im Februar 2019 die automatische Anwendbarkeit dieses Beschlusses auf ihre Situation bestätigt. Damit waren die Kläger über die Änderung der für die Berechnung der Höhe ihres Ruhegehalts geltenden Regeln unterrichtet worden, bevor die angefochtenen Entscheidungen ergangen sind.

203    Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das von den Klägern angeführte Urteil vom 18. Oktober 2011, Purvis/Parlament (T‑439/09, EU:T:2011:600), entkräftet. Insoweit ist zum einen festzustellen, dass der Kläger jener Rechtssache seinen Ruhegehaltsanspruch noch nicht erworben hatte. Zum anderen rügte dieser Kläger nicht eine Kürzung seines Ruhegehalts, sondern die Ablehnung seines Antrags, einen Teil seines zusätzlichen Ruhegehalts als Kapitalleistung zu beziehen. Daher weisen die Umstände des Urteils vom 18. Oktober 2011, Purvis/Parlament (T‑439/09, EU:T:2011:600), zu der Situation der Kläger in den vorliegenden Klageverfahren keinen Bezug auf. Zudem genügt, soweit die Kläger aus diesem Urteil ableiten, dass erworbene Ruhegehaltsansprüche unbeeinträchtigt bleiben müssen, der Hinweis, dass das Parlament, wie u. a. oben in Rn. 191 erwähnt worden ist, Rücksicht auf ihre erworbenen Ruhegehaltsansprüche genommen hat und lediglich die Höhe ihres Ruhegehalts geändert worden ist.

204    Die erste Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit ist somit zurückzuweisen.

2)      Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

205    Nach ständiger Rechtsprechung steht das Recht auf Vertrauensschutz jedem Einzelnen zu, wenn sich herausstellt, dass die Unionsverwaltung bei ihm begründete Erwartungen geweckt hat. Konkrete, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite stellen Zusicherungen dar, die solche Erwartungen wecken können. Dagegen kann niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen, dem die Verwaltung keine konkreten Zusicherungen gegeben hat. Schließlich müssen die gegebenen Zusicherungen den geltenden Normen entsprechen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat, C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 153 und die dort angeführte Rechtsprechung).

206    Zunächst ist die Rechtswidrigkeitseinrede der Kläger, mit der diese vortragen, dass, wenn Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1 so ausgelegt werden sollten, dass sie es dem Parlament gestatteten, Maßnahmen zu ergreifen, die sich rückwirkend auf endgültig erworbene Ruhegehaltsansprüche auswirkten, eine solche Auslegung gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstieße, aus ähnlichen wie den oben in den Rn. 189 bis 191 dargelegten Gründen zurückzuweisen.

207    Diese Rechtswidrigkeitseinrede beruht nämlich auf der falschen Prämisse, dass das Parlament zur Änderung erworbener Ruhegehaltsansprüche berechtigt sei, was nicht der Fall ist. Erlaubt ist lediglich nach Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1 eine Änderung der Höhe der Ruhegehälter.

208    Darüber hinaus haben die Kläger weder nachgewiesen noch vorgetragen, dass das Parlament ihnen andere Zusicherungen als die in Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1 enthaltene gegeben hätte. Es ist indessen offenkundig, dass diese beiden Artikel nicht die Unveränderlichkeit der Höhe der Ruhegehälter der Kläger vorsehen.

209    Die Prüfung des zweiten Klagegrundes, insbesondere oben in den Rn. 138 bis 141, hat nämlich verdeutlicht, dass die einzige konkrete und nicht an Bedingungen geknüpfte Zusicherung, die das Parlament den Klägern gegeben hat, darin bestand, ihnen den Bezug eines Altersruhegehalts zu garantieren, dessen Höhe und Bedingungen mit Höhe und Bedingungen des Altersruhegehalts identisch ist, das Mitglieder der Abgeordnetenkammer desjenigen Mitgliedstaats, in dem die Kläger gewählt wurden, erhalten: Im vorliegenden Fall sind dies die Mitglieder der italienischen Abgeordnetenkammer.

210    Indem das Parlament beim Erlass der angefochtenen Entscheidungen getreu den Regeln des Beschlusses Nr. 14/2018 verfuhr, ist es somit nicht von der Zusicherung abgerückt, die es den Klägern gegeben hatte, als diese der in Anlage III festgelegten Ruhegehaltsregelung beigetreten sind.

211    Die zweite Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes ist mithin zurückzuweisen.

3)      Rüge einer Verletzung des Eigentumsrechts

212    Nach der Rechtsprechung stellt das in Art. 17 Abs. 1 der Charta garantierte Eigentumsrecht ein Grundrecht des Unionsrechts dar, dessen Beachtung eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit von Unionsakten ist. Des Weiteren ist diese Bestimmung, nach der jede Person das Recht hat, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, eine Rechtsnorm, die Einzelnen Rechte verleihen soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Mai 2019, Steinhoff u. a./EZB, T‑107/17, EU:T:2019:353, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

213    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das in Art. 17 Abs. 1 der Charta verbürgte Eigentumsrecht nicht uneingeschränkt gilt und seine Ausübung Beschränkungen unterworfen werden kann, die durch dem Gemeinwohl dienende Ziele der Union gerechtfertigt sind. Wie aus Art. 52 Abs. 1 der Charta hervorgeht, kann die Ausübung des Eigentumsrechts folglich Einschränkungen unterworfen werden, sofern diese gesetzlich vorgesehen sind, tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der das so gewährleistete Recht in seinem Wesensgehalt antastet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juni 2017, Florescu u. a., C‑258/14, EU:C:2017:448, Rn. 51 und 53 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

214    Schließlich ist in Anbetracht von Art. 52 Abs. 3 der Charta zur Bestimmung des Umfangs des Grundrechts auf Achtung des Eigentums Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK heranzuziehen, in dem dieses Recht verankert ist (vgl. Urteil vom 13. Juni 2017, Florescu u. a., C‑258/14, EU:C:2017:448, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

215    Im vorliegenden Fall ist daran zu erinnern, dass in den angefochtenen Entscheidungen im Einklang mit der Regelung über ein identisches Ruhegehalt die neue im Beschluss Nr. 14/2018 festgelegte Berechnungsmethode auf die Ruhegehälter bzw. Hinterbliebenenversorgung der Kläger angewandt wird. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 anhand des italienischen Rechts ist den zuständigen italienischen Behörden vorbehalten, während dem Unionsrichter die Prüfung obliegt, ob das Parlament durch die Anwendung der Vorschriften dieses Beschlusses in den angefochtenen Entscheidungen gegen die Bestimmungen der Charta verstoßen hat (vgl. oben, Rn. 62 bis 65 und 182). Was insbesondere die hier in Rede stehende Rüge einer Verletzung des in Art. 17 Abs. 1 der Charta garantierten Eigentumsrechts betrifft, ist festzustellen, dass die Kläger nichts Konkretes dafür vorbringen, dass dieses Recht ein Schutzniveau gewährleisten würde, das sich von den im italienischen Recht zugesicherten Garantien unterschiede oder diese sogar überträfe. Das Gericht stellt fest, dass die Rechtmäßigkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 derzeit vor dem Consiglio di giurisdizione della Camera dei deputati (Schlichtungsrat der Abgeordnetenkammer) geprüft wird und dass das Parlament in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass es im Einklang mit der Regelung über ein identisches Ruhegehalt in Zukunft alle von den zuständigen italienischen Behörden vorgenommenen Änderungen des Beschlusses Nr. 14/2018 auf die Ruhegehälter der Kläger anwenden werde.

216    Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass das Parlament den Klägern nicht einen Teil ihrer Ruhegehaltsansprüche vorenthalten, sondern lediglich die in den einschlägigen Bestimmungen vorgesehene Kürzung dieser Ruhegehälter vorgenommen hat. Zudem hat das Parlament in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts eine Tabelle vorgelegt, in der für jeden Kläger der Umfang dieser Kürzung ausgewiesen wird. Den vom Parlament übermittelten Daten zufolge schwanken die prozentualen Kürzungen nach Maßgabe der persönlichen Situation der einzelnen Kläger zwischen 9 % und 65 %. Auf vier Kläger ist eine Kürzung um mindestens 50 % angewandt worden, und die fraglichen neuen Beträge ihres Ruhegehalts liegen zwischen 1 569,14 Euro und 1 985,42 Euro. Festzustellen ist, dass sich die Ruhegehälter dieser vier Kläger auf Amtszeiten der betreffenden ehemaligen Abgeordneten von einer Dauer von fünf bzw. zehn Jahren beziehen und dass die Neuberechnung gemäß Art. 1 Abs. 2 des Beschlusses Nr. 14/2018 auf der Grundlage der individuellen Beiträge erfolgt. Jedenfalls legen die Kläger keine substantiierte und fallbezogene Argumentation vor, die auf das Ausmaß der Kürzung des Ruhegehalts in ihrem spezifischen Fall abstellt. Sie bringen lediglich Argumente allgemeinerer Natur vor, wonach Kürzungen der Ruhegehälter aufgrund ihrer angeblichen Rückwirkung und des vermeintlichen Fehlens eines übergeordneten öffentlichen Interesses im vorliegenden Fall nach Maßgabe des Eigentumsrechts ausgeschlossen seien. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts im Hinblick auf die Grundrechte nicht auf einem Vorbringen beruhen kann, das sich auf die Konsequenzen dieses Rechtsakts in einem Einzelfall stützt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2020, Kommission und Rat/Carreras Sequeros u. a., C‑119/19 P und C‑126/19 P, EU:C:2020:676, Rn. 153 und die dort angeführte Rechtsprechung).

217    Hierbei ist Folgendes hinzuzufügen.

218    Es ist bereits entschieden worden, dass, wenn die Gewährung von Sozialleistungen, etwa ein Ruhegehalt oder eine Hinterbliebenenversorgung, gesetzlich vorgesehen ist, diese Gesetzgebung für Personen, die die Voraussetzungen hierfür erfüllen, ein vermögensrechtliches Interesse schafft, das in den Anwendungsbereich von Art. 17 der Charta fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juni 2017, Florescu u. a., C‑258/14, EU:C:2017:448, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Ruhegehälter der Kläger fallen somit in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 17 der Charta.

219    Darüber hinaus fallen die Ruhegehälter der Kläger, auch wenn sie diesen durch die angefochtenen Entscheidungen nicht schlechthin vorenthalten werden, aufgrund der angefochtenen Entscheidungen gleichwohl niedriger aus. Insoweit schränken die angefochtenen Entscheidungen das Eigentumsrecht der Kläger ein (vgl. in diesem Sinne EGMR, 1. September 2015, Da Silva Carvalho Rico/Portugal, CE:ECHR:2015:0901DEC001334114, §§ 31 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Übrigen hat das Parlament während der mündlichen Verhandlung das Vorliegen einer solchen Einschränkung eingeräumt.

220    Somit ist zu prüfen, ob diese Einschränkung den Wesensgehalt des Eigentumsrechts der Kläger achtet, gesetzlich vorgesehen ist, einer dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung entspricht und hierfür erforderlich ist.

221    Die Tatsache, dass das Parlament diese Prüfung nicht vorgenommen hat, ist für die vorliegenden Rechtssachen insoweit ohne Belang. Eine solche Prüfung stellt nämlich keine obligatorische Verfahrensformalität dar, zu der das Parlament vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidungen verpflichtet gewesen wäre. Es kommt allein darauf an, dass die konkreten Folgen dieser Entscheidungen das Eigentumsrecht der Kläger nicht in seinem Wesensgehalt antasten.

222    Erstens kann das in Art. 17 der Charta verankerte Eigentumsrecht nicht dahin ausgelegt werden, dass es einen Anspruch auf ein Ruhegehalt in bestimmter Höhe gewährt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juni 2017, Florescu u. a., C‑258/14, EU:C:2017:448, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

223    Zweitens ist die im vorliegenden Fall in Rede stehende Beschränkung des Eigentumsrechts der Kläger gesetzlich vorgesehen.

224    Zum einen stützen sich die angefochtenen Entscheidungen auf Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1. In diesem Zusammenhang ist oben in Rn. 195 festgestellt worden, dass die Bestimmungen der Anlage III seit Inkrafttreten des Abgeordnetenstatuts nicht geändert worden sind. Zudem verlangt Anlage III Art. 2 Abs. 1, dass die Höhe der Altersruhegehälter nach oben oder unten angepasst wird, um den relevanten Entwicklungen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften im betreffenden Mitgliedstaat Rechnung zu tragen. Daher haben die angefochtenen Entscheidungen, obwohl mit ihnen die Ruhegehälter der Kläger ihrer Höhe nach angepasst worden sind, den Inhalt des Ruhegehaltsanspruchs, wie er im Unionsrecht definiert ist, nicht geändert.

225    Zum anderen stellt das Gericht fest, dass die neuen Regeln für die Berechnung dieser Ruhegehälter hinreichend klar und präzise durch die Bestimmungen des Beschlusses Nr. 14/2018 festgelegt werden, was die Kläger im Übrigen nicht in Abrede stellen. Außerdem ist der von den Klägern ins Feld geführte Umstand ohne Belang, dass der Beschluss im italienischen Recht nicht die Form eines „Gesetzes“ hat. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gesetzesbegriff in seiner „materiellen“ und nicht in seiner „formellen“ Bedeutung zu verstehen. Daher schließt er das geschriebene Recht in seiner Gesamtheit ein, einschließlich Vorschriften untergesetzlichen Ranges und Rechtsprechung zu seiner Auslegung (vgl. EGMR, 18. Januar 2018, Fédération nationale des associations et syndicats de sportifs [FNASS] u. a./Frankreich, CE:ECHR:2018:0118JUD004815111, § 160 und die dort angeführte Rechtsprechung).

226    Drittens macht das Parlament geltend, die Rechtfertigung der Beschränkung des Eigentumsrechts der Kläger sei im Beschluss Nr. 14/2018 enthalten, da sich das Präsidium der Abgeordnetenkammer dazu entschlossen habe, die Methode zur Berechnung der an die Mitglieder dieser Kammer gezahlten Ruhegehälter anzupassen. Genauer gesagt sei der Beschluss Nr. 14/2018 durch das Ziel gerechtfertigt, die Höhe der an die Abgeordneten gezahlten Ruhegehälter an das System der Berechnung nach Beiträgen anzupassen. Darüber hinaus gehe aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hervor, dass die Mitgliedstaaten über einen weiten Wertungsspielraum verfügten, insbesondere was die Annahme von Politiken zur Einsparung öffentlicher Gelder oder von Gesetzen zur Einführung von Sparmaßnahmen angehe, die aufgrund einer schweren Wirtschaftskrise geboten seien.

227    Insoweit weist das Gericht darauf hin, dass der Erlass der angefochtenen Entscheidungen unter Berücksichtigung von Anlage III Art. 2 Abs. 1 zwangsläufig von den Vorgaben der zuständigen italienischen Behörden abhängt. Auch können bei der Würdigung der dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung nicht die Ziele außer Acht gelassen werden, die dem Erlass des Beschlusses Nr. 14/2018 zugrunde gelegen haben.

228    Hierzu ist festzustellen, dass die vom Parlament geltend gemachte Zielsetzung in der Präambel des Beschlusses Nr. 14/2018 ausdrücklich erwähnt wird. Darin heißt es nämlich, dass dieser Beschluss darauf abzielt, „eine Neuberechnung der Höhe der lebenslangen Versorgungsbezüge, des solchen Versorgungsbezügen entsprechenden Teiles der Vorsorgeleistungen und der Hinterbliebenenleistungen, deren Ansprüche auf der Grundlage der am 31. Dezember 2011 geltenden Regelung erworben worden sind, nach der beitragsabhängigen Methode vorzunehmen“, und dass „die Neuberechnung der geltenden Leistung [nicht] zu einem höheren als dem derzeit gezahlten Betrag führen [darf]“.

229    Außerdem räumen die Kläger in den Klageschriften selbst ein, dass „sich die Anwendung des Beschlusses Nr. 14/2018 auf nationaler Ebene in den Rahmen eines allgemeineren Vorgehens einfügt und darauf abzielt, die zulasten des [italienischen] Staates gehenden Ausgaben zu senken“. Diese Aussage wird durch eine ihrer Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts bestätigt. Darin stellen sie fest, dass „der Normzweck der mit dem Beschluss Nr. 14/2018 vorgenommenen Kürzung darin besteht, Einsparungen zugunsten der Kassen des [italienischen] Staates zu generieren“.

230    Hieraus lässt sich ableiten, dass der Beschluss Nr. 14/2018 die Zielsetzung verfolgt, die öffentlichen Ausgaben in einem durch sparsame Haushaltsführung gekennzeichneten Kontext zu rationalisieren. Der Unionsrichter hat bereits anerkannt, dass ein solches Ziel eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung darstellt, die einen Eingriff in ein Grundrecht rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juni 2017, Florescu u. a., C‑258/14, EU:C:2017:448, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch entsprechend Urteil vom 14. Dezember 2018, FV/Rat, T‑750/16, EU:T:2018:972, Rn. 108).

231    Dieses legitime Ziel muss auch für die angefochtenen Entscheidungen bejaht werden, da sie nicht auf eigenständiger Grundlage erlassen wurden, sondern ihr Erlass vielmehr, wie oben in Rn. 227 ausgeführt wird, in Abhängigkeit von Vorgaben der zuständigen italienischen Behörden steht. Zudem verfolgen die angefochtenen Entscheidungen gleichzeitig das legitime – in Anlage III Art. 2 Abs. 1 ausdrücklich genannte – Ziel, den Klägern Ruhegehälter zu gewähren, deren Höhe und Bedingungen mit denjenigen des Ruhegehalts für Mitglieder der Abgeordnetenkammer identisch sind.

232    Viertens hat der Gerichtshof in Bezug auf die Erforderlichkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 und mithin der angefochtenen Entscheidungen bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der seit mehreren Jahren herrschenden besonderen wirtschaftlichen Zusammenhänge über einen weiten Wertungsspielraum bei Entscheidungen auf wirtschaftlichem Gebiet verfügen und dass sie am besten in der Lage sind, diejenigen Maßnahmen zu bestimmen, die zur Verwirklichung des angestrebten Ziels geeignet sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juni 2017, Florescu u. a., C‑258/14, EU:C:2017:448, Rn. 57). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung, im Bereich der Sozialleistungen gesetzgeberisch tätig zu werden, gewöhnlich eine Prüfung politischer, wirtschaftlicher und sozialer Fragen voraussetzt. Folglich wird den Staaten – insbesondere bei der Annahme von Politiken zur Einsparung öffentlicher Gelder oder von Gesetzen zur Einführung von Sparmaßnahmen, die aufgrund einer schweren Wirtschaftskrise geboten sind – ein weiter Wertungsspielraum belassen (vgl. in diesem Sinne EGMR, 10. Juli 2018, Achille Claudio Aielli u. a./Italien sowie Giovanni Arboit u. a./Italien, CE:ECHR:2018:0710DEC002716618, § 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

233    Die Kläger haben indessen nicht dargetan, dass die im Beschluss Nr. 14/2018 festgelegten Regeln zur Erreichung der oben in den Rn. 230 und 231 beschriebenen Ziele nicht erforderlich waren. Sie haben auch nicht geltend gemacht, es gebe andere, weniger einschneidende Maßnahmen, mit denen sich die genannten Ziele hätten erreichen lassen.

234    Darüber hinaus geht aus den Rn. 13 und 16 des Gutachtens des Juristischen Dienstes hervor, dass der Beschluss Nr. 14/2018 eine Reihe von Bestimmungen zur Gewährleistung seiner Verhältnismäßigkeit enthält, insbesondere Art. 1 Abs. 6 und 7 dieses Beschlusses. Insoweit hat das Parlament in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts eine Tabelle vorgelegt, aus der sich ergibt, dass es die Regeln aus Art. 1 Abs. 6 des Beschlusses Nr. 14/2018 zugunsten von zwölf der Kläger angewandt hat. Im Einklang mit diesen Regeln ist der neue Betrag des Ruhegehalts dieser Kläger, wie er aus der Neuberechnung hervorging, um die Hälfte erhöht worden. Auch hat das Parlament in der mündlichen Verhandlung – von den Klägern unwidersprochen – vorgetragen, dass keiner von ihnen von sich aus die Anwendung von Art. 1 Abs. 7 des Beschlusses Nr. 14/2018 beantragt habe. Nach diesem Absatz lässt sich der Betrag des Ruhegehalts von Personen erhöhen, die keine anderen jährlichen Einkünfte beziehen, deren Betrag den der jährlichen Sozialhilfe übersteigt, die an einer schweren Krankheit leiden, die die Anwendung lebenswichtiger Therapien erforderlich macht, oder an Erkrankungen leiden, die zu einer Invalidität von 100 % führen.

235    In Bezug auf die Konsequenzen der angefochtenen Entscheidungen für die Kläger schließt das Gericht zwar nicht aus, dass diese Konsequenzen einen gewissen Schweregrad erreichen können. Dieser Schweregrad lässt als solcher jedoch nicht den Schluss zu, dass die angefochtenen Entscheidungen Nachteile verursachten, die angesichts der verfolgten Ziele überzogen wären, insbesondere wenn man den Umfang der fraglichen Kürzungen der Ruhegehälter, deren neue absolute Beträge, die in Relation zur Amtszeit des betreffenden ehemaligen Europaabgeordneten bewertet worden sind, sowie die Tatsache betrachtet, dass die neue Berechnungsmethode dem individuellem Beitrag dieses Abgeordneten Rechnung trägt. Darüber hinaus wird keine der von den Klägern in ihren Schriftsätzen aufgeführten Folgen belegt oder bewiesen. Mangels konkreter Anhaltspunkte lässt sich daher nicht feststellen, dass jeder einzelne Kläger eine gemessen an den verfolgten Zielen übermäßige individuelle Belastung tragen würde. Jedenfalls kann die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts im Hinblick auf die Grundrechte nicht auf einem Vorbringen beruhen, das sich auf die Konsequenzen dieses Rechtsakts in einem Einzelfall stützt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2020, Kommission und Rat/Carreras Sequeros u. a., C‑119/19 P und C‑126/19 P, EU:C:2020:676, Rn. 153 und die dort angeführte Rechtsprechung).

236    Somit ist die dritte Rüge einer Verletzung des Eigentumsrechts und damit der erste Teil des vierten Klagegrundes insgesamt zurückzuweisen.

b)      Zweiter Teil des vierten Klagegrundes: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

237    Im Rahmen des zweiten Teils tragen die Kläger vor, die angefochtenen Entscheidungen stellten eine unverhältnismäßige Verletzung ihres Eigentumsrechts dar, wie dieses durch Art. 17 der Charta gewährleistet werde. Jeder einzelne der Kläger trage unbilligerweise eine übermäßig hohe individuelle Belastung, ohne dass dafür ein dies rechtfertigender Grund bestehe.

238    Das Parlament beantragt, den zweiten Teil des vierten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

239    Da die Kläger lediglich wiederholen, dass die angefochtenen Entscheidungen eine unverhältnismäßige und nicht gerechtfertigte Verletzung ihres Eigentumsrechts darstellten, ist der zweite Teil des vierten Klagegrundes insoweit aus den gleichen wie den oben in den Rn. 222 bis 235 dargelegten Gründen zurückzuweisen.

c)      Dritter Teil des vierten Klagegrundes: Verletzung des Gleichheitssatzes

240    Im Rahmen des dritten Teils tragen die Kläger vor, die angefochtenen Entscheidungen verletzten den Gleichheitssatz. Sie behandelten ehemalige Abgeordnete, die unter Anlage III fielen, und italienische Abgeordnete, auf die sich der Beschluss Nr. 14/2018 unmittelbar beziehe, gleich. Es bestünden jedoch große Unterschiede zwischen den Ruhegehaltsregelungen dieser beiden Gruppen von Abgeordneten. Zum einen sei die in Anlage III der KVR vorgesehene Regelung eine Ruhegehaltsregelung, die auf einem freiwilligen Beitritt beruhe, während die fraglichen italienischen Abgeordneten automatisch der nationalen Ruhegehaltsregelung unterworfen würden. Zum anderen ziele der Beschluss Nr. 14/2018 auf eine Senkung der zulasten der Italienischen Republik gehenden Ausgaben ab, wohingegen die notwendigen Finanzmittel für die Ruhegehälter der Kläger im Haushalt des Parlaments bereitgestellt würden.

241    Auch behandelten die angefochtenen Entscheidungen ehemalige in Italien gewählte Europaabgeordnete anders als ehemalige in Frankreich oder Luxemburg gewählte Europaabgeordnete, obwohl sie allesamt unter dieselbe Anlage III fielen.

242    Schließlich haben die Kläger in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts darüber hinaus eine Einrede der Rechtswidrigkeit in Bezug auf Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1 erhoben. Sollte für die KVR, so die Kläger, davon auszugehen sein, dass sie es dem Parlament ermögliche, endgültig erworbene Ruhegehaltsansprüche in Frage zu stellen, ergäbe sich daraus nämlich eine gekünstelte Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte.

243    Das Parlament beantragt, den dritten Teil des vierten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

244    Nach ständiger Rechtsprechung besagt der Gleichheitsgrundsatz, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 26. November 2013, Kendrion/Kommission, C‑50/12 P, EU:C:2013:771, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

245    Festzustellen ist, dass die Kläger dem Parlament im Wesentlichen zum Vorwurf machen, sie Mitgliedern der Abgeordnetenkammer gleichgestellt zu haben, obwohl sich ihre jeweiligen Situationen unterschieden. Darüber hinaus habe das Parlament den Gleichheitssatz auch dadurch verletzt, dass es die Kläger anders als andere ehemalige Europaabgeordnete behandelt habe, obwohl diese unter dieselbe rechtliche Regelung, nämlich Anlage III, fielen.

246    Die vorstehenden Rügen, die in den Klageschriften gegen die angefochtenen Entscheidungen gerichtet werden, ergeben sich jedoch nicht aus diesen Entscheidungen, sondern aus Art. 75 und Art. 2 Abs. 1 der Anlage III. Somit ist das Vorbringen der Kläger ausschließlich anhand dieser beiden Artikel, die im Übrigen Gegenstand der Rechtswidrigkeitseinrede der Kläger sind, zu prüfen.

247    In ihrer Rechtswidrigkeitseinrede tragen die Kläger vor, dass, sollte für die KVR davon auszugehen sein, dass sie es dem Parlament ermögliche, ihre endgültig erworbenen Ruhegehaltsansprüche in Frage zu stellen, Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1 gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstießen.

248    In diesem Zusammenhang ist die Rechtswidrigkeitseinrede aus ähnlichen wie den oben in den Rn. 189 bis 191 dargelegten Gründen zurückzuweisen. Sie beruht nämlich auf der unzutreffenden Prämisse, dass das Parlament zur Änderung erworbener Ruhegehaltsansprüche berechtigt sei, was jedoch nicht der Fall ist. Lediglich eine Änderung der Höhe der genannten Ruhegehälter wird auf der Grundlage von Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1 ermöglicht.

249    Des Weiteren vermag keines der von den Klägern vorgebrachten Argumente die Rechtswidrigkeit von Art. 75 oder Anlage III Art. 2 Abs. 1 zu belegen.

250    Erstens rügen die Kläger, dass das Parlament sie nicht genauso wie ehemalige in Frankreich oder Luxemburg gewählte Europaabgeordnete behandele, die sich ebenfalls dazu entschlossen hätten, der Ruhegehaltsregelung von Anlage III beizutreten. Mithin seien die Kläger unterschiedlich behandelt worden, obwohl sie sich in der gleichen Lage wie diese anderen ehemaligen Abgeordneten befänden, da während desselben Zeitraums allesamt die gleichen Funktionen innegehabt hätten.

251    Nach ständiger Rechtsprechung sind die Merkmale unterschiedlicher Sachverhalte und ist somit deren Vergleichbarkeit u. a. im Licht des Ziels und des Zwecks der Unionsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique und Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

252    Es steht insoweit fest, dass die Ruhegehaltsregelung von Anlage III konzipiert worden ist, um eine Gleichbehandlung, insbesondere zwischen ehemaligen in Italien gewählten Europaabgeordneten und Mitgliedern der Abgeordnetenkammer, zu gewährleisten. Dieses Ziel wird in Anlage III Art. 1 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 ausdrücklich formuliert. Die Gleichbehandlung stellt daher das zentrale Merkmal der in Anlage III festgelegten Regelung dar. Überdies war diese Gleichbehandlung, wie oben in Rn. 209 erwähnt, die einzige konkrete und nicht an Bedingungen geknüpfte Zusicherung des Parlaments an die Kläger, als diese der Ruhegehaltsregelung von Anlage III beigetreten sind.

253    Ziel und Zweck der Anlage III bestehen somit im vorliegenden Fall darin, eine Gleichbehandlung zwischen ehemaligen in Italien gewählten Europaabgeordneten und Mitgliedern der Abgeordnetenkammer zu gewährleisten.

254    Folglich befinden sich die Kläger nicht in der gleichen Lage wie ehemalige in Frankreich oder Luxemburg gewählte Europaabgeordnete, die sich ebenfalls dazu entschlossen haben, der besagten Ruhegehaltsregelung beizutreten. Die Ruhegehälter ehemaliger in diesen beiden Mitgliedstaaten gewählter Europaabgeordneter sollen nämlich nicht durch die im italienischen Recht festgelegten Vorschriften, sondern durch andere, speziell für sie geltende nationale Vorschriften geregelt werden.

255    Zweitens machen die Kläger geltend, das Parlament habe sie genauso wie ehemalige Mitglieder der Abgeordnetenkammer behandelt, obwohl sich ihre jeweiligen Situationen in drei Punkten unterschieden. Zunächst sei der Beitritt zu der in Anlage III festgelegten Regelung freiwillig, während der Beitritt zur italienischen Ruhegehaltsregelung für Mitglieder der Abgeordnetenkammer automatisch erfolge. Sodann habe der Beschluss Nr. 14/2018 zum Ziel, die zulasten der Italienischen Republik gehenden Ausgaben zu senken, während ein solches Ziel nicht für die Kläger gelten könne. Schließlich ergebe sich daraus ein Problem in Bezug auf den effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, da ein ehemaliger in Italien gewählter Europaabgeordneter, der nicht auch Mitglied der Abgeordnetenkammer gewesen sei, vor dem Consiglio di giurisdizione della Camera dei deputati (Schlichtungsrat der Abgeordnetenkammer) nicht die Rechtswidrigkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 und seiner Erstreckung auf ehemalige Europaabgeordnete geltend machen könne.

256    Im Licht des Zwecks und des Zieles der Anlage III, wie diese oben in den Rn. 252 und 253 beschrieben worden sind, ist das Vorbringen der Kläger im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung für die Gültigkeit von Art. 75 und Anlage III Art. 2 Abs. 1 ohne Belang.

257    Nach der oben in Rn. 244 angeführten Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung nämlich keine vollkommene Identität der Sachverhalte, damit diese gleich behandelt werden dürfen. Diese Sachverhalte müssen lediglich vergleichbar sein. Keines der drei von den Klägern vorgebrachten Argumente lässt jedoch die Annahme zu, dass sich die Situation der Kläger grundlegend von der Situation ehemaliger Mitglieder der Abgeordnetenkammer unterschiede.

258    Das Gericht weist vorsorglich darauf hin, dass die Auffassung der Kläger im Wesentlichen darauf hinausläuft, jegliche Gleichbehandlung zwischen ihnen und den Mitgliedern der Abgeordnetenkammer abzulehnen. Würde dieser Auffassung gefolgt, würde Anlage III jede praktische Wirksamkeit genommen und würde der Wesenskern der Ruhegehaltsregelung schlechthin in Frage gestellt. Die genannte Auffassung würde widersinnigerweise dazu führen, dass die Ruhegehälter der Kläger nicht mehr berechnet und gezahlt werden können, da deren Höhe und die Bedingungen für die Gewährung dieser Ruhegehälter gerade von den italienischen Rechtsvorschriften abhängen.

259    Was speziell den Umstand betrifft, dass es einigen Klägern nicht möglich ist, die Rechtmäßigkeit des Beschlusses Nr. 14/2018 vor dem Consiglio di giurisdizione della Camera dei deputati (Schlichtungsrat der Abgeordnetenkammer) anzufechten, stellt das Gericht schließlich fest, dass sich dieses Verfahrenshindernis nicht aus dem Unionsrecht ergibt, sondern dem italienischen Recht inhärent ist. Jedenfalls bleibt das Gericht im Rahmen einer Klage nach Art. 263 AEUV unzuständig für eine unmittelbare Prüfung der Grundrechtskonformität des italienischen Rechts, und insbesondere im Hinblick auf Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz.

260    Demnach ist der dritte Teil des vierten Klagegrundes und damit dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen, so dass die Klagen in vollem Umfang abzuweisen sind, ohne dass über die Zulässigkeit des ersten Antrags in der Rechtssache T‑465/19 und über die Zulässigkeit der zweiten Anträge entschieden zu werden braucht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2002, Rat/Boehringer, C‑23/00 P, EU:C:2002:118, Rn. 52).

 Kosten

261    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag des Parlaments ihre eigenen Kosten und die Kosten des Parlaments aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage in der Rechtssache T453/19, Panusa/Parlament, wird als unzulässig abgewiesen.

2.      Die anderen Klagen werden abgewiesen.

3.      Frau Maria Teresa Coppo Gavazzi und die weiteren im Anhang des Urteils namentlich aufgeführten Kläger tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Europäischen Parlaments.

Svenningsen

Barents

Mac Eochaidh

Pynnä

 

Laitenberger

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Oktober 2020.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.


1      Die Liste der übrigen Kläger ist nur der den Parteien zugestellten Fassung als Anhang beigefügt.